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„Russland ist unser Feind“: Das Klärungsverständnis der Fraktionierer wird praktisch aufgezeigt

Von Alexander Kikidnaze

Ich will hier kurz auf den Text von Marc Galwas eingehen. Ich möchte darauf eingehen, wie der Text mit Verdrehungen von Fakten und Klassikern arbeitet, damit die Aussagen, die der Autor treffen will, instrumentalisierbar sind. Ergebnis seiner Arbeit ist eine exakte Apologetik der NATO-Propaganda über Russland und eine Relativierung des deutschen Faschismus. Zur politischen Bedeutung einer solchen Veröffentlichung in einer Zeit, in der Deutschland Krieg gegen Russland führt, ist im Kommentar der Zentralen Leitung alles gesagt.

Behauptung 1: Russland könne nicht gegen die NATO kämpfen, weil es ein arbeiterfeindlicher Staat sei

Dem Autor ist es zuerst daran gelegen, die Argumentation von Genossen zu entkräften, nach der es zwischen dem russischen Staat und seiner Arbeiterklasse trotz kapitalistischer Gesellschaftsformation eine Interessensüberschneidung im Kampf gegen die NATO gebe. Laut Galwas kämpfe Russland nämlich gar nicht wirklich gegen die NATO. Diese Behauptung wird nicht belegt, stattdessen führt er ausführlich Repressionsmaßnahmen des russischen Staates gegen die liberale, linke und gewerkschaftliche Opposition auf (Der repressierte Gewerkschafter Kirill Ukrainzew, den der Autor für seine Argumentation heranzieht, hat sich übrigens vor kurzem öffentlich dagegen verwehrt, von Leuten, die die Militäroperation ablehnen, vereinnahmt zu werden. https://colonelcassad.livejournal.com/8047922.html)

Galwas schlussfolgert, ohne überhaupt auf den Gehalt der Argumentation einzugehen, die er widerlegen möchte, dass Russland ein arbeiterfeindlicher Staat sei und es deshalb auch keine partiellen Interessensüberschneidungen mit der Arbeiterklasse geben könne. Sein „Argument“ kommt also ganz ohne eine Befassung des Verhältnisses zwischen Russland und NATO aus, obwohl er doch der Frage nachgeht, ob Russland gegen die NATO kämpfe und es dabei eine Interessensüberschneidung gäbe. Dafür interessiert sich der Autor aber überhaupt nicht, sondern arbeitet lieber mit der nicht nachgewiesenen Unterstellung, dass kapitalistische Staaten grundsätzlich keine partiellen Interessensüberschneidungen mit ihrer Arbeiterklasse hinsichtlich der Verteidigung der nationalen Souveränität haben könnten.

Diese Herangehensweise ist keineswegs ein Ausrutscher, sondern notwendiges Mittel, um zu einem Ergebnis zu kommen, das bereits vor der Untersuchung feststeht. Ein Paradebeispiel für die Argumentation der Fraktionierer der KO: Unterstellen, dass ihre grundsätzlichen Annahmen schon richtig sind, sodass eine Befassung mit den konkreten Interessen der Staaten und der Bedeutung dieser Interessen für die Arbeiterklasse gar nicht mehr nötig ist.

Zum ausschlaggebenden Argument wird die sogenannte Protestwelle von 2021 in Russland. Dort sei es vor allem um Widerstand gegen die Preissteigerungen und die Rentenreform gegangen, legitime Forderungen der Arbeiterklasse also. Dankenswerterweise fällt dem Autor selbst noch auf, dass der stramm rechte Lieblingsblogger des Westens Alexej Nawalny an der Spitze dieser Proteste stand. „darum gehe es aber hier nicht“, so Galwas. Auch hier zeigt sich, dass ihn der politische Inhalt der Auseinandersetzung überhaupt nicht interessiert, da er an der Befassung mit dieser Auseinandersetzung ein ganz anderes Interesse hat: Sie als Beleg für den arbeiterfeindlichen Charakter der Russischen Föderation (RF)heranzuziehen. Dass er dabei sogar die in der BILD-Zeitung abgedruckte Erzählung von „Putins goldener Klobürste“ als Beleg für die „zum Himmel schreiende Korruption“ heranzieht, ist dann das traurige Resultat dieser „Befassung“.

Behauptung 2: Das russische Staatswesen seit 2000 könne als Bonapartismus charakterisiert werden

Die Summe seiner Erkenntnisse bringt der Autor dann damit auf den Nenner, dass in Putins Russland ein bonapartistisches Regime herrsche, eine gern auch von Antideutschen (https://jungle.world/artikel/2022/43/putin-bonaparte) propagierte Charakterisierung der russischen Politik seit 2000. Dabei setzt sich Galwas nicht etwa mit dem Bonapartismus, den Marx in seinem Text „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“ beschreibt, auseinander und arbeitet Parallelen zu den Klassenverhältnissen im heutigen Russland heraus. Er bezieht sich dagegen auf die Interpretation des Originaltextes von der Vereinigten Kommunistischen Partei Russlands (VKPR), nach der der Bonapartismus „im Wesentlichen darauf [abziele], ein Gleichgewicht zwischen den (sic!) starken linken und rechten Flügel der öffentlichen Politik aufrechtzuerhalten“. Das geht für Galwas so in Ordnung, denn: Der Bezug auf den Bonapartismus bezweckt hier überhaupt nicht, die heutigen Klassenverhältnisse in Russland und ihr Verhältnis zum Staat zu verstehen. Das wäre in der Tat eine interessante Befassung. Galwas geht es aber um etwas ganz Anderes, nämlich darum, Russlands „autoritären Charakter“ zu „entlarven“. Dies ist der Zweck, für den er den Klassiker instrumentalisiert. Und für eine solche Instrumentalisierung braucht es nicht etwa eine gehaltvolle und elaborierte Auseinandersetzung mit dem Original, sondern eine Interpretation dessen, die für das, was man entlarven will, eben passt.

Das ist es nicht, was ich mir als Unterstützer des Leitantrags und der darin formulierten Klärung  unter einer produktiven Anwendung der Klassiker für ein Verständnis der heutigen Klassenverhältnisse vorstelle.

Behauptung 3: Die russische Außenpolitik könne mit der der Okkupationspolitik der deutschen Faschisten in den (Ex-)Sowjetrepubliken verglichen werden.

Zuletzt befasst sich der Autor mit der Außenpolitik der RF, speziell in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Auch diese Auseinandersetzung kommt ohne Befassung mit den konkreten Interessen in diesen Gebieten und deren Folgen für die dortigen Bevölkerungen aus, sondern verfolgt ausschließlich den Zweck, anhand von Zitaten russischer Strategen aufzuzeigen, dass es ihnen dort um Ansprüche geht. So, als würde dies irgendjemand abstreiten und so, also sei mit diesem einfachen Fakt schon das bestätigt, was dem Autor sowieso klar sei: Nämlich dass solche Ansprüche definitiv nicht im Interesse der dortigen Bevölkerungen sein könnten. Eine wirkliche Befassung mit den (positiven wie negativen) Folgen der russischen Interventionen in Georgien, Tschetschenien, Syrien und Ukraine braucht es für diese Art Nachweis gar nicht. Es ist allein die simple Logik, dass die Ansprüche kapitalistischer Staaten auf ein ausländisches Territorium immer gegen das Interesse der dortigen Bevölkerung stehen müssen. Und ist diese einfache Verallgemeinerung einmal vorausgesetzt, dann ist es nur noch ein letzter Schritt zum abscheulichen Höhepunkt seines Textes, nämlich der Aussage, dass die russische Außenpolitik in den ehemaligen Sowjetrepubliken mit der Okkupationspolitik der deutschen Faschisten vergleichbar ist:

„Hier geht es also um die Heimholung abtrünniger Regionen und Staaten. Das „Sammeln“, der mit dem Zusammenbruch der UdSSR verlorenen „Ostgebiete“, um es mal auf „deutsch“ zu sagen.

Schluss

Dieser Text hat nichts zu tun mit einer kommunistischen Analyse. Er ist das Resultat völligen Desinteresses an den tatsächlichen Verhältnissen in Russland und der Weltlage. Wenn Klassiker bemüht werden, dann indem sie interessiert interpretiert oder aus dem Kontext gerissen werden. Wenn Fakten genutzt werden, dann indem sie verdreht werden. Galwas schreckt nicht davor zurück, bürgerlichen und reaktionären Ideologen das Wort zu reden, während Kriegspropaganda und Mobilmachung immer bedrohlichere Ausmaße annehmen. Es hat nichts mit Klärung zu tun, sondern im Gegenteil zeigt uns Galwas auf eindrückliche Weise wie Klärung im Lager der Fraktionierer zu verstehen ist: Es geht um Selbstbestätigung ohne jeglichen politischen Anspruch. Eigentlich müssen wir Galwas und den anderen Fraktionierern dankbar sein, das für alle sichtbar zu Schau zu stellen.

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