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Über die Forderung nach Verhandlungen

Von Paul Oswald 

Einleitung

Wer mit Kommunisten aber auch in der Antikriegsbewegung über die Einschätzung des Krieges in der Ukraine diskutiert, landet schnell bei der Frage, ob linke Kräfte die Losung nach Verhandlungen vertreten sollen. Diese Forderung wird in Teilen mit einem moralisierenden Pazifismus verbunden á la ‚frieden schaffen ohne Waffen‘. Damit wird einer historisch-materialistischen Untersuchung und der (Waffen-)Gewalt unter jedweden Vorzeichen eine Absage erteilt. Neben pazifistischen Argumentationen, die beim Thema Waffengewalt keinerlei unterschied sehen wollen, stößt man auch auf Stimmen, die zwar die NATO-Aggressionen skandalisieren, aber rhetorisch davor zurückschrecken, konsequent eine Niederlage der NATO zu fordern. Die NATO-Osterweiterung wird als ein Problem gesehen, aber die aktuelle Forderung müsste in Richtung Verhandlungen gehen. Was dabei oft ausgespart wird ist, dass eine NATO-Niederlage ein Sieg Russlands über die Ukraine bedeuten würde. Um konsequent die Forderung nach Verhandlungen mit einer Anti-NATO Politik zu verbinden, muss der Umstand mitbedacht werden, dass Verhandlungen erst dann den gewünschten Effekt erzielen, wenn die militärischen Voraussetzungen gegeben sind. 

Die Forderung nach Verhandlungen ist prinzipiell eine richtige Forderung. Als Reaktion gegen die deutschen Waffenlieferungen, richtet sich dies meist gegen die westliche Expansionspolitik gen Osten. Wie das „Manifest für Frieden“ zeigt, kann sie allerdings auch für einen pro NATO-Kurs genutzt werden. Eine Oppositionshaltung wird in ihm lediglich als richtig herausgestellt, weil kein Siegfrieden über Russland möglich sei, durch die ‚Atomare-Gefahr‘, die von Russland ausgeht. Das „Manifest“, welches sich vollkommen der NATO-Logik bedient und Russland als den Aggressor in diesem Krieg brandmarkt, wirkt sich sehr negativ auf die Antikriegsbewegung aus, weil aus einer scheinbaren Opposition gegen die Kriegspolitik, der NATO-Kurs getragen wird. 

In der Antikriegsbewegung zeigen sich dadurch Fallstricke, die mit der Forderung nach Verhandlungen einhergehen. Die Forderung nach Verhandlungen muss mit einer konsequenten Anti-NATO Politik verbunden werden – sich also ganz explizit gegen die Expansionspolitik der NATO richten. Die Forderung muss präzisiert werden, denn mögliche Verhandlungen können auch dazu dienen die Aggression der NATO unter den bestehenden Bedingungen fortzuführen. Dies sorgt dafür, dass es Situationen geben kann, in denen die Forderung nach Verhandlungen in die genau umgekehrte Richtung wirken, als ursprünglich beabsichtigt. Ein prominentes Beispiel im Ukrainekonflikt sind die Minsk Abkommen, die in ihrer Wirkung fatal für die ukrainische Arbeiterklasse, die Volksrepubliken sowie Russland waren. Sie wurden in einer Situation geschlossen in denen die Ukraine eine militärische Niederlage erlitten hatten – das Militär war faktisch gebrochen. Das Abkommen selbst diente für die NATO und die Ukraine lediglich als eine Verschnaufpause. Die Ukraine konnte acht Jahre ungestört weiter hochgerüstet werden, die Volksrepubliken weiter beschießen und dadurch mindestens 14.000 Menschen töten. 

Mit dem Beitrag möchte ich versuchen die internationalen Entwicklungen seit Jahresbeginn grob nachzuzeichnen und wie sich diese auf den Krieg auswirken. Mit dieser Entwicklung im Blick, möchte ich auf die Losung nach Verhandlungen zurückkommen.

Ausgangssituation vor dem 24.02.2022

2021 konzentrierte das Kiewer Regime seine militärischen Kräfte am Donbass und plante mit dem Dekret 117 eine Rückeroberung der Volksrepubliken sowie der Krim. Seit 2014 brach die Ukraine durchgehend die Minsk-Abkommen und der Beschuss der Volksrepubliken hörte nicht auf. Durch die immer weitere Hochrüstung der Ukraine und der möglichen Stationierung von Langstreckenraketen, die in kürzester Zeit Moskau erreichen könnte, wurden die Sicherheitsinteressen Russlands massiv bedroht. Auf der anderen Seite hat Russland mehrfach Verhandlungsvorschläge gemacht, die zurückgewiesen wurden. Im Jahr 2021 war dies die politische Ausgangssituation. Der Bruch der Minsk-Abkommen und der nicht aufhörende Angriff auf die Volksrepubliken zeigt, dass die NATO seit 2014 in der Ukraine auf kriegerische Mittel setzt, um ihre Politik durchzusetzen. Diese Politik besteht darin, Russland zu bedrohen und die politische Souveränität anzugreifen. 

Als der Beschuss der Volksrepubliken massiv ausgeweitet wurde, drohte Russland an, diese staatlich offiziell anzuerkennen. Nachdem auch diese Warnung ignoriert wurde, schloss Russland einen Vertrag zum Schutz der Volksrepubliken. Auch zu diesem Zeitpunkt lenkte die Ukraine bzw. die NATO politisch nicht ein und Russland ging zur Militäroperation über. Russland legte am 21.12.2021 einen Vertragsentwurf vor, der für eine friedliche Konflitktlösung verpflichtet hätte und die russischen Sicherheitsinteressen garantierte. Teil des Vertrages wäre auch eine Rücknahme der NATO-Osterweiterung auf den Stand von 1997 gewesen. Der Westen ließ sich auf diesen Vertrag nicht ein. Die Bedrohungslage für Russland wurde immer weiter eskaliert. 

Durch den Krieg in der Ukraine hat sich die Politik beider Seiten – Russland und der NATO – geändert. Russland hat vier Bezirke der Ukraine (Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson) angeschlossen. Militärisch geht Russland entschlossen vor, die Sicherheit zu erhöhen und die Bedrohung für Russland zu verringern. Auf der anderen Seite bekommen die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich und damit auch die Ukraine, immer größere Schwierigkeiten den Krieg auf die bisherige Weise fortzusetzten. 

Internationale Bestrebung Richtung Beendigung des Kriegs

Die NATO-Staaten (allen voran die USA) versuchen seit Februar 2022 Russland, aber auch China international zu isolieren, indem sie auf eine Vielzahl von Staaten Druck ausüben, damit diese sich hinter die Kriegspolitik der NATO stellen. 

Auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar diesen Jahres zeigte der Westen einmal wieder deutlich seine Herrschaftsallüren gegenüber dem Rest der Welt. Auf einer Veranstaltung am 18. Februar skandierte Annalena Baerbock, dass „Neutralität […] keine Option [ist], denn dann steht man auf der Seite des Aggressors“. Mit dieser Aussage richtete sie sich direkt gegen den sogenannten ‚globalen Süden‘, aus dem sich sehr viele Länder bis heute neutral gegenüber der russischen Militärintervention verhalten. Baerbock untermauerte in ihrem Redebeitrag diese Aussage und fügte hinzu: 

„Das ist ein Appell, den wir auch nächste Woche wieder an die Welt richten: Bitte nehmen Sie eine Seite, eine Seite für den Frieden, eine Seite für die Ukraine, eine Seite für das humanitäre Völkerrecht ein und das bedeutet in diesen Zeiten auch, Munition zu liefern damit sich die Ukraine verteidigen kann.“

Der US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte diesen Apell und sprach ebenfalls davon, dass “man […] wirklich nicht neutral sein” kann.[i]

Aber wie erfolgreich ist der Druck und die Drohung der NATO-Staaten aktuell wirklich? Ist ihre bisherige Politik – einen Keil zwischen Russland und China zutreiben sowie beide international zu isolieren – wirklich erfolgsversprechend? Es soll hier versucht werden die internationalen Entwicklungen der letzten Monate kurz zu skizzieren. 

Lateinamerika

Die NATO-Staaten bekommen immer größere Probleme Munition an die Ukraine nachzuliefern, da der Verbrauch die westlichen Produktionskapazitäten übersteigt. Deswegen versuchen die USA lateinamerikanische Staaten dazu zu bewegen sowjetische und russische Waffen, die sie besitzen an die Ukraine abzugeben. Die USA machen dafür das Angebot, diese Waffen gegen moderne amerikanische auszutauschen. Diese Versuche bleiben bisher erfolgslos. Kolumbien, Argentinien und Mexiko lehnen das amerikanische Angebot ab. Argentinien z.B. spricht sich für einen möglichst schnellen Frieden aus, allerdings ohne weitere Waffenlieferungen an die Ukraine.[ii]

Auch Brasilien lehnt jegliche Waffenlieferungen ab, drängt Richtung Verhandlungen und spricht sich für einen Stopp der westlichen Sanktionen gegen Russland aus. Lula da Silva hebt hervor, dass besonders China, Indien und Indonesien einen Betrag zu Verhandlungen leisten könnten.[iii] Er kündigte die Gründung eines „Friedensklubs“ an, bei dem es sich um einen Zusammenschluss von Staaten handeln soll, die keiner der beiden Kriegsparteien unmittelbar verbunden sind und sich für eine Beerdigung des Krieges einsetzten.[iv]

Am 01.03. traf sich der brasilianische Außenminister und Sergej Lawrow am Rande des G-20 Treffens und tauschten sich dabei nicht nur über den Ausbau von bilateraler Zusammenarbeit aus, sondern auch über die Lage im Ukraine-Konflikt. Einen Tag später führte Lula da Silva ein Gespräch mit Selenskyj in dem er deutlich machte, dass Brasilen sich mit anderen Ländern austauschen wird und sich an jeglicher Initiative beteiligen wird, um Frieden zu schaffen. In dem Telefonat mit Lula da Silva bestätigte Selenskyj seine Einladung nach Kiew, um persönlich über Verhandlungen zu sprechen. In diesem Gespräch hieß es scheinbar auch, dass die Beziehungen zwischen der Ukraine und Brasilen nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch erneuert werden könnten.[v]

China

Auf der Münchener Sicherheitskonferenz kündigte auch China eine Initiative für die Beendigung des Krieges an.[vi]Russland betont die Bereitschaft für Dialog und Verhandlungen, was von Seiten China’s unterstützt wird. Putin hob die Beziehung zu Russland hervor und auch China machte deutlich, dass das Land unabhängig von der geopolitischen Entwicklung an der Seite Russlands stehen würde.[vii] Auch der jüngste Staatsbesuch von Xijing Ping in Russland bekräftigten diesen Kurs. 

Am 24.02. veröffentlichte China ein Zwölf-Punkte-Papier, in dem sie hervorheben das die Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder gewahrt werden muss. In diesem Papier werden die Doppelstandards des Westens angeführt, mit denen sie versuchen ihre völkerrechtswidrigen Kriege zu legitimieren. Es werden hier legitime Sicherheitsinteressen und -bedenken erwähnt, welche sich eindeutig gegen die Ukraine und die westliche Einbindung richten, die eine existenzielle Bedrohung für Russland darstellen. Auch der Sanktionspolitik gegen Russland wird eine Absage erteilt, mit der Begründung das international Bedingungen geschaffen werden müssen, durch welche die Wirtschaft wachsen kann und sich der Lebensstandard der Menschen erhöht.[viii]

Indien

Auch Modi spricht von der Bereitschaft mit beiden Seiten zu verhandeln. Bei einer UN-Generalversammlung enthielt sich Indien erneut bei einer Abstimmung, in der es um die Frage ging, ob Russland dazu aufgefordert werden soll seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen. Inwieweit Indien den Zwölf-Punkte-Plan Chinas unterstützen wird, muss sich noch zeigen. Die Rivalität zwischen beiden Staaten bestehen weiter fort, auch wenn sie durch den westlichen Druck Russland zu isolieren, etwas abgenommen haben.[ix]

Saudi-Arabien

Am 10. März gelang China, wovor die USA schon lange fürchteten. China kündigte an, dass sie erfolgreiche Friedensgespräche zwischen Saudi-Arabien und dem Iran unterstützt habe. Eine ähnliche Initiative des Iraks wurde von den USA im Januar 2020 unterbunden, als Trump einen Drohnenangriff anordnete, um den iranischen Spitzenbeamten Quasem Soleimani zu ermorden.[x]

Saudi-Arabien setzt sich ebenfalls für Verhandlungen ein. Am 26.02. reiste der Außenminister nach Kiew. Anschließend kündigte er ein Hilfspaket in Höhe von 400 Millionen Dollar an und der Außenminister sprach von langfristigen Geschäftsbeziehungen in die Saudi-Arabien investieren wolle. Am 09.03. traf sich der Außenminister mit Lawrow und bekräftigte das sich Saudi-Arabien an Initiativen beteiligen wolle, die den Krieg beenden wollen. 

Zusammenfassung

Die Versuche der NATO-Staaten Russland sowie China international zu isolieren, bleiben weiterhin erfolglos. Im Gegenteil zeigt sich ein stärkeres Zusammenrücken innerhalb des sogenannten ‚globalen Südens‘ und die Drohungen des Westens bleiben wirkungslos. Das Treffen zwischen Xijing Ping und Putin am 20. März zeigte, wie eng beide Länder zusammenstehen. Beide Staatspräsidenten betonten, dass sie den chinesisch-russischen Handel ausbauen wollen, und Putin forderte die weltweite Verwendung der chinesischen Währung.[xi] Sollte der internationale Handel abseits des Dollars weiter zunehmen, werden sich die ökonomischen Probleme der USA verschärfen.

Möglicher Kurswechsel der NATO

Die weitgehend erfolgslose Ukrainepolitik der USA sowie der damit zusammenhängende Kampf gegen China verursacht in den USA zunehmend innenpolitische Spannungen. Der Anteil der Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine ist in den USA von 60 Prozent im Mai 2022 auf 48 Prozent zurück gegangen. Lediglich 37 Prozent der Amerikaner billigen eine direkte finanzielle Unterstützung während 38 Prozent sie klar ablehnen. Der Anteil derjenigen die die Sanktionspolitik der USA gegen Russland unterstützen ist von 71 Prozent auf 63 Prozent zurück gegangen. 59 Prozent sprechen davon, dass die Sanktionen nicht auf Kosten der US-Wirtschaft gehen dürfe.[xii] Es ist wahrscheinlich das dieser abnehmende Zuspruch weiter anhält und die USA zunehmend Schwierigkeiten bekommen könnten, ihren bisherigen geopolitischen Kurs innenpolitisch aufrecht zu halten.  

Bei seinem Besuch in Kiew am 20. Februar äußerte Biden gegenüber Selensjy, wie viel Geld die amerikanischen Steuerzahler in die Ukraine investieren würden. Als Präsident sei er, allerdings angetreten, um an den Problemen der amerikanischen Wirtschaft zu arbeiten. Dies würde eine große inneramerikanische Investition verlange, merkte Biden an.[xiii]

Am 23.03. merkte der US-Außenminister Antony Blinken vor einem Ausschuss des US-Kongresses an, dass die ukrainischen Streitkräfte nicht in der Lage sein werden, dass gesamte Territorium das heute von Russland kontrolliert wird, zurückzuerobern: „Ich denke, es wird Gebiete in der Ukraine geben, bei denen die Ukrainer entschlossen sind, am Boden um sie zu kämpfen; es mag Gebiete geben, bei denen sie beschließen, dass sie versuchen müssen, sie auf andere Weise zurückzuerobern.“ Zwar beteuerte Blinken, dass die Entscheidung darüber einzig bei der ukrainischen Regierung läge und nicht von den Finanz- und Waffensponsoren getroffen werden könne. Der Ausschuss, vor dem er sprach, beschäftigte sich allerdings mit der Budgetfrage und es kamen Sorgen auf, dass die US-Ausgaben für die Ukraine überhand nehmen könnten.[xiv]

Auch in Europa zeichnen sich Veränderungen ab. Der britische Premierminister Rishi Sunak legte ein Abkommens-Entwurf vor. Dieses Abkommen soll es der Ukraine ermöglichen einen viel breiteren Zugang zu Ausrüstung, Waffen und Munition zu erhalten, nach Kriegsende. Berlin und Frankreich unterstützen die britische Initiative. Alle drei Regierungen sehen darin wohl die Möglichkeit der Ukraine einen Anreiz zu geben, in Verhandlungen mit Russland zu treten. Sunak drängt darauf der Ukraine weiterhin schwere Waffen (wie Kampfjets) zu liefern, die der Ukraine einen entscheidenden Vorteil geben würden.[xv] Dies deckt sich mit dem britischen Vorhaben der Ukraine „Challenger 2“-Panzer zu liefern sowie panzerbrechende Munition – welches abgereicherte Uran enthält.[xvi]

Scheinbar wird in den drei Ländern der Zweifel darüber größer, ob die Ukraine in der Lage sein wird, Russland aus der Ostukraine und der Krim zurückzuschlagen. In Großbritannien deuten Stimmen, in Bezug auf die Ausbildung von ukrainischen Piloten für Kampfjets, darauf hin, dass dies Teil des längerfristigen Ziels sei, Russland von zukünftigen Angriffen zurückzuhalten.[xvii] Auch Rheinmetall machte deutlich, dass die ukrainischen Panzerkapazitäten nicht ausreichen würden, um Russland militärisch zu schlagen. Um dies zu ermöglichen wollen sie eine eigene Panzerfabrik in der Ukraine aufbauen.[xviii]

Das mögliche Abkommen fällt hinter eine NATO-Mitgliedschaft zurück. Genauere Bedingungen sind noch nicht bekannt. Durch dieses könnte die Ukraine einen noch breiteren Zugang zu NATO-Waffensystemen erhalten. Deutschland signalisierte bereits, dass sie dauerhafte militärische Unterstützung an die Ukraine liefern wollen, u.a. Luftabwehr, schwere Artillerie, Panzer und Munition.[xix] Dafür spricht auch die Ankündigung der Bundesregierung, die Militärhilfe für die Ukraine von den bisherigen drei Milliarden Euro seit Kriegsbeginn, auf 15 Milliarden Euro zu erhöhen.[xx] Aus der Perspektive Großbritannien, Frankreich und Deutschland sollte die Ukraine nach ihrer geplanten Gegenoffensive im Frühjahr in Verhandlungen mit Russland übergehen, welche dabei helfen könnten, Territorien zurück zu gewinnen.[xxi]

In Frankreich wird die Frage aufgeworfen, was es bedeuten solle, dass Russland den Krieg auf keinen Fall gewinnen dürfe. Denn der Krieg würde für die Ukraine unerträglich werden, wenn er mit der bisherigen Intensität weitergeführt werde. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz äußerte sich der tschechische Präsident Petr Pavel in eine ähnliche Richtung und sprach davon, dass eine Situation eintreten könne, in welcher die Befreiung von Teilen der Ukraine mehr Todesopfer fordern könnte, als es die ukrainische Gesellschaft tragen könnte, weshalb die Ukraine potenziell über andere Ergebnisse des Krieges nachdenken müsse.[xxii]

In einem Gespräch in Paris mit Selenskyj am 08.02., äußerten sich Macron und Scholz dahingehend, dass die Ukraine Friedensgespräche mit Russland in Betracht ziehen müssten. Macron sprach davon, dass sich Selenskyj nun wie ein Staatsmann verhalten müsse und schwierige Entscheidungen zu treffen habe. Gegenüber der französischen Presse äußerte Macron, dass die Ukraine eine Offensive gegen Russland starten sollte, um diese zurückzudrängen und den Weg für Verhandlungen zu ebnen.[xxiii]

Am 10.03 prognostizierte der Grünen Politiker Jürgen Trittin im Handelsblatt, dass im Herbst der westliche Druck auf die Ukraine zunehmen könnte, den Krieg durch Verhandlungen zu beenden. Trittin sprach davon, dass die US-Administration schon längst die entsprechenden Signale gegeben hätte. Dabei machte er deutlich, dass es nur die halbe Wahrheit sei, wenn davon gesprochen würde, dass die Ukraine über den Zeitpunkt der Verhandlungen entscheiden würden. Dies begründet er damit, dass die Ukraine abhängig von der westlichen Unterstützung ist und sich im Zweifel den westlichen Forderungen beugen müsse.[xxiv]

Situation für Russland

Die Entwicklungen könnten darauf hindeuten, dass ein weiter so für die NATO-Staaten zunehmend schwieriger wird. Aber was bedeutet das für die bisherige Strategie der USA, ein stärker werden Chinas zu verhindern, was sie aktuell über Russland versuchen? International zeichnet sich eine gegenläufige Bewegung ab, die eher für eine zunehmende Stärkung Chinas. Das politische Ziel der Ukraine, die ehemaligen östlichen Gebiete der Ukraine sowie die Krim zurückzuerobern, erweisen sich als unrealistisch Es wirkt als würden die eingesetzten Mittel des Westens dieses politische Ziel übersteigen. Gleichzeitig deutet die Entwicklung auf eine potenzielle Stärke Russlands hin. Dies birgt allerdings für Russland die Gefahr, sich auf einen falschen Deal einzulassen, was der Ukraine lediglich die nächste Verschnaufpause verschaffen würde. Die Vorhaben aus dem Westen deuten bereits darauf hin, dass es sich dann um ein Minsk III Abkommen handeln würde. Es wäre demnach ein momentaner Frieden, der umschlagen würde in einen erneuten Krieg mit einer noch weiter hochgerüsteten Ukraine. Auch wenn nach den bisherigen Verlautbarungen ein NATO-Beitritt der Ukraine eher als unwahrscheinlich gilt, so wäre eine weitere Hochrüstung, eine große Gefahr für Russland.

Es kann demnach eine Situation eintreten, in der sich Putin auf einen faulen Kompromiss mit der Ukraine einlässt. Dies würde eine weitere Akzeptanz des faschistischen Regimes in der Ukraine bedeuten, welches ungestört eine Politik betreiben kann, die auf Russenhass basiert und welches von ihrem politischen Ziel ehemalige Gebiete zurückzuerobern nicht loslassen wird. Für das ukrainische Volk wäre das Aufrechterhalten der bisherigen Situation eine Katastrophe, da es weiter der aggressiven und chauvinistischen Unterdrückung der eigenen Regierung ausgesetzt wäre. Auch für Russland würde die Bedrohung weiter bestehen. 

Der US-Amerikanische ehemalige General Scott Ritter sprach in einem Interview am 02.04 davon, dass der Krieg zugunsten Russlands entschieden sei. Der Krieg wird sich an der Schlacht um Bachmut entscheiden, da die Ukraine einen Großteil ihres Militärs dort stationiert hat (80.000 Soldaten). Wenn Russland die Schlacht gewinnt – und dies gilt als wahrscheinlich –, dann ist die ukrainische Armee geschlagen, weil sie nach diesem Verlust nicht mehr wehrfähig wäre. Ritter hält ebenfalls eine ukrainische Gegenoffensive für illusorisch, da sich alle Kräfte in Bachmut konzentrieren und die Ukraine keine Möglichkeit haben würde groß Truppen zusammenzuziehen. Im Interview geht Ritter noch weiter und spricht davon, dass mit dem Sieg über Bachmut Russland all seine politischen Ziele im Krieg erreichen würde: Denazifizierung, Demilitarisierung und die Neutralität. Ritter führt auch an, dass der Westen fertig ist mit diesem Krieg (done with this war), weil sie kein weiteres militärisches Material für die Ukraine haben und ihnen auch das Geld ausgeht.[xxv] Die Annahme Ritters, dass über die Schlacht von Bachmut eine Demilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine erreicht werden könnte, wirkt etwas gewagt. Interessant ist allerdings seine Einschätzung zum Zustand des ukrainischen Militärs. Selbst wenn die Ukraine, gegen Ritters Einschätzung, noch eine Offensive starten sollten, so sieht ihre Perspektive doch eher schlecht aus. Dies deckt sich auch mit den weiter oben angeführten Stimmen aus dem Westen, die einen militärischen Erfolg der Ukraine für unwahrscheinlich halten. 

Konsequenz in der Verhandlungsforderung

Es zeichnet sich eine zunehmende Stagnation der NATO im Ukrainekrieg ab. International schafft sie es nicht, mehr Unterstützung für ihre Politik gegen Russland (aber genauso gegen China) zu gewinnen. Im Gegenteil formieren sich internationale Bestrebungen die sich zunehmend für Verhandlungen aussprechen und den NATO-Kurs nicht unterstützten. Diese Bestrebungen drücken (China macht dies explizit in ihrem Zwölf-Punkte-Papier) den Willen nach einem Schutz der nationalen Souveränität, vieler Länder aus. Hinzu kommt eine sich weiter verschlechternde Situation für das ukrainische Militär, was ein weiter so im Krieg urrealistisch erscheinen lässt. Zusammengenommen zeichnet sich also eine Situation ab, in der Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine wahrscheinlicher werden. 

Die Antikriegsbewegung muss in dieser Situation konsequent auftreten. Ein einfaches fordern von Verhandlungen kann die Arbeiterklasse in eine Richtung orientieren, mit der sie ein potenzielles Minsk III Abkommen mitträgt. Durch Verhandlungen, die es zulassen würden, dass die NATO die Ukraine ungestört weiterhin aufrüsten kann, wäre ein nächster Krieg nur noch eine Frage der Zeit. Dies kann keine Perspektive für die Arbeiterklasse sein. 

Russland muss Verhandlungen mit der NATO (also stellvertretend mit der Ukraine) militärische erzwingen. Die Ausgangsbedingungen sind dafür gegeben. Nur eine militärische Oberhand in den Verhandlungen kann es Russland ermöglichen die nationalen Sicherheitsinteressen durchzusetzen. Um schlagkräftig zu werden, dürfen sich Kräfte der Antikriegsbewegung weder auf einen bürgerlichen Pazifismus noch auf eine versteckte kriegsstützende Forderung („Manifest für Frieden“) einlassen. Damit die Antikriegsbewegung internationalistisch agiert, muss ihre Politik die Bestrebung nach nationaler Souveränität ernstnehmen und unterstützen. Im Ukrainekrieg sind dies die russischen Sicherheitsinteressen, die von Seiten der NATO ignoriert werden.  

Die verschärfende Rechtsprechung und die mediale Hetzte gegen Stimmen, die sich gegen den Krieg stellen, erhöhen den gesellschaftlichen Druck. Fälle wie die von Heiner Bücker, in denen Aussagen die sich für Frieden und Völkerverständigungen aussprechen strafrechtlich verfolgt werden, sollen uns einschüchtern. Sie befeuern eine Stimmung der Angst. Teilweise zeigen Diskussionen, dass es genau diese politisch aufgebaute Angst ist, die die Leute davon abhält, entschlossen gegen die NATO aufzutreten. Als Kommunisten müssen wir in der Antikriegsbewegung konsequent auftreten. Unsere Forderung muss weiterhin sein: NATO raus aus der Ukraine! 

Quellen


[i] https://geopoliticaleconomy.com/2023/02/20/west-global-south-neutral-ukraine/

[ii] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9147

[iii] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9150

[iv] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9169

[v]https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9191

[vi] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9169

[vii]https://www.jungewelt.de/artikel/445474.china-und-russland-wang-in-moskau.html?sstr=Verhandlungen

[viii]https://www.jungewelt.de/artikel/445625.diplomatie-an-die-wurzel-gehen.html?sstr=Verhandlungen

[ix]https://www.jungewelt.de/artikel/445626.asien-und-ukraine-krieg-frischer-wind-in-der-geopolitik.html?sstr=Verhandlungen

[x] https://geopoliticaleconomy.com/2023/03/17/china-iran-saudi-peace-petrodollar/

[xi] https://geopoliticaleconomy.com/2023/03/25/china-russia-xi-putin-dollar-economy/

[xii]https://apnews.com/article/russia-ukraine-biden-politics-poland-33095abf76875b60ebab3ddf4eede188

[xiii]Markus Wehner, Majid Sattar: Ein Besuch in ungewöhnlichem Format. Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.03.2023.

[xiv] https://www.jungewelt.de/artikel/447500.strategie-des-westens-us-entscheidungstr%C3%A4ger-r%C3%BCsten-verbal-ab.html

[xv]https://www.wsj.com/articles/natos-biggest-european-members-float-defense-pact-with-ukraine-38966950

[xvi] https://www.jungewelt.de/artikel/447868.ukraine-krieg-schmutzige-geschosse.html

[xvii] https://www.wsj.com/articles/natos-biggest-european-members-float-defense-pact-with-ukraine-38966950

[xviii]https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/rheimetall-panzerfabrik-ukraine-101.html

[xix] https://www.wsj.com/articles/natos-biggest-european-members-float-defense-pact-with-ukraine-38966950

[xx]https://www.jungewelt.de/artikel/447801.militarismus-und-krieg-deutsche-panzer-an-die-front.html?sstr=panzer

[xxi] https://www.wsj.com/articles/natos-biggest-european-members-float-defense-pact-with-ukraine-38966950

[xxii] https://www.wsj.com/articles/natos-biggest-european-members-float-defense-pact-with-ukraine-38966950

[xxiii] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9182

[xxiv]https://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-global-challenges-die-ukraine-braucht-belastbare-sicherheitsgarantien-und-die-werden-vor-allem-die-deutschen-bezahlen-muessen/29024850.html

[xxv] https://www.youtube.com/watch?v=bw1euDVn41Y

Aktuelles

Bericht zum 5. Mitgliederkongress der Kommunistischen Organisation

Der 5. Mitgliederkongress der KO hat stattgefunden. Erfahrungen aus unserer Spaltung und der akti-ven Beteiligung in Kämpfen gegen den Krieg der NATO und den Völkermord in Palästina geben nachdrücklich Aufgaben für uns selbst und die Bewegung auf. Sie erfordern praktische Konsequen-zen. Ein zentraler Beschluss: Die Organisierung eines umfassenden und öffentlichen Studienganges zur Geschichte des Kommunismus.

Bericht über die Kundgebung “From the River to the Sea – Palestine will be free!”

Bericht von der Kundgebung: Wenn der Innenminister die Gerichte ignoriert... Die Polizei hat verhindert, dass wir die Parole rufen konnten - obwohl wir vor Gericht Recht bekommen haben. Aber wir haben mehr über die Parole, die Geschichte, über den Befreiungskampf Palästinas und über demokratische Rechte in Deutschland informiert und die erste Kundgebung unter dem Motto "From the River to the Sea" abgehalten! Um unsere Grundrechte müssen wir weiter kämpfen!