English
русский
عربي

Nieder mit dem Putsch in Venezuela!

Der Text als pdf

In Venezuela findet ein weiterer Putschversuch gegen die Regierung statt. Nachdem bereits vor einigen Tagen Teile der Nationalgarde zum Sturz der Regierung aufgerufen hatten, hat sich nun der Parlamentspräsident Juan Guaidó, der der Opposition angehört, selbst zum Präsidenten ernannt. Dieses Ereignis erhielt aber vor allem deshalb Bedeutung, weil die USA und die reaktionäre, von den USA geführte Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Guaidó als Präsidenten anerkannten. Die EU ist diesen Schritt bisher nicht gegangen, sprach dem Putschisten aber ihre politische Unterstützung aus und versucht nun, die Regierung mit einem Ultimatum für Neuwahlen zu erpressen. Auch in Venezuela hat der Putsch eine bedeutende Massenunterstützung. Die Demonstrationen der Opposition werden von Zehntausenden Menschen besucht.

Venezuela unter Chávez

Der Prozess der sogenannten „Bolivarischen Revolution“ (benannt nach Simon Bolívar, dem Anführer des Unabhängigkeitskampfes im 19. Jahrhundert) begann mit der ersten Amtszeit von Hugo Chávez als Präsident Venezuelas. Chávez war durch seine Rolle bei einem Putsch gegen das Regime des sozialdemokratischen Präsidenten Carlos Andrés Perez berühmt geworden. Pérez hatte 1989 einen Volksaufstand in der Hauptstadt Caracas brutal niederschlagen lassen, wobei die staatlichen Sicherheitskräfte mehrere Tausend Zivilisten massakrierten. Als neuer Präsident leitete Chávez eine Vielzahl von Sozialprogrammen ein, die den Armen in Venezuela Erleichterung verschaffen sollten. Viele Venezolaner kamen so erstmals in ihrem Leben überhaupt in den Genuss einer Gesundheitsversorgung oder höherer Bildung. Auch Nahrungsmittel, öffentlicher Verkehr, Strom, Wasser und Telekommunikation wurden vom Staat subventioniert und der Arbeiterklasse somit billig zur Verfügung gestellt. Einige Unternehmen wurden zudem verstaatlicht und die Regierung begann, Kooperativen, die überall im Land entstanden, wirtschaftlich zu fördern. Auch die Rätebewegung, in denen die Menschen sich in der Nachbarschaft selbst organisierten, hatte die Rückendeckung der Regierung.

Chávez begann nach einigen Jahren auch, vom Sozialismus als Ziel zu sprechen. Nachdem Chávez 2013 starb, bekannte sich sein Nachfolger Nicolás Maduro zur Fortsetzung dieses Weges. Allerdings wurde weder unter Chávez noch unter Maduro der Sozialismus verwirklicht. Weiterhin ist die Wirtschaft weitgehend in den Händen des privaten Kapitals und das Kapital beherrscht auch weiterhin den venezolanischen Staat. Trotzdem verbesserte sich die Lage der Bevölkerung deutlich: Zwischen 2002 und 2010 sank der Bevölkerungsanteil, der in Armut lebte, um über 40%, der Anteil der extremen Armut sogar um über 50% (Jan Kühn: Armut in Lateinamerika auf 20-Jahrestief, amerika21, 4.12.2011).

Die wirtschaftliche Krise in Venezuela

Während der Regierungszeit von Maduro verschlechterte sich die ökonomische und gesellschaftliche Situation des Landes massiv. Seit langem schwelende Problemherde, die unter Chávez nicht gelöst wurden, wurden immer gravierender: Venezuela hat eine extrem hohe Gewaltkriminalität, Caracas hat die zweithöchste Mordrate der Welt (Berliner Zeitung 14.03.2018). Die Inflationsrate lag Ende 2018 bei 80.000 % (Forbes 1.1.2019). Viele Waren des täglichen Bedarfs sind in den Läden kaum noch erhältlich, das Lebensnotwendigste allerdings schon. Die Medien des westlichen Imperialismus stellen diese Probleme für gewöhnlich als Folgen des „Sozialismus“ dar. Das ist jedoch eine dreiste Lüge. Teilweise liegt die Ursache der Probleme darin, dass Teile des Kapitals in Venezuela bewusst die Wirtschaft sabotieren, indem sie Waren zurückhalten. Für einen Teil sind die von den USA auferlegten Sanktionen verantwortlich. Vor allem aber ist die venezolanische Wirtschaft seit Jahrzehnten extrem abhängig von den Ölexporten und damit von der Entwicklung des Ölpreises auf dem Weltmarkt. Der Ölpreis stieg seit Ende der 90er bis zur Krise 2008 massiv an, brach dann in der Weltwirtschaftskrise ein, erholte sich dann aber wieder. Erst 2014 brach der Preis dauerhaft ein. Mit dem Sinken des Ölpreises wurde die Regierung vor große Probleme gestellt. Der Aufbau einer leistungsfähigen Landwirtschaft und Industrie ist aus verschiedenen Gründen nicht gelungen. Verantwortlich für die Krise ist also nicht der „Sozialismus“, den es in Venezuela nicht gibt, sondern der Kapitalismus, die Einbindung der venezolanischen Wirtschaft in den kapitalistischen Weltmarkt und Abhängigkeit vom Ölpreis. Eine eigene Industrie, die etwas anderes als Öl produzieren würde, existiert in Venezuela kaum.

Der Charakter der Regierung von Nicolás Maduro

Die Regierung trägt allerdings trotzdem eine Mitverantwortung für die jetzige Situation. In zwei Jahrzehnten der sogenannten „Bolivarischen Revolution“ hat sie im Volk die Illusion verbreitet, durch eine linke Regierung könne der Kapitalismus überwunden werden. Anstatt zu versuchen, die Arbeiterklasse und Volksmassen für den Bruch mit dem bürgerlichen Staat und die Vergesellschaftung der Produktion zu gewinnen, hat sie sich im Wesentlichen darauf gestützt, die Einnahmen des Ölexports zugunsten der Armen umzuverteilen. Immer wieder war von der „Revolution an der Wahlurne“ die Rede. Trotz des fallenden Ölpreises hat die Regierung versucht, die wichtigsten Sozialprogramme aufrecht zu erhalten. Die vielfachen gravierenden Probleme wie Inflation, Korruption, Kriminalität und Mangelversorgung bekam sie aber nicht in den Griff.

Die Regierung ist faktisch verbündet mit einem Teil der herrschenden Klasse, die durch Vergünstigungen, wie z.B. billige Kredite und die Möglichkeit, sich über betrügerische Machenschaften (z.B. extrem überteuerte Importe als Deckmantel, um Geld außer Landes zu schaffen) zu bereichern, ein Interesse an der Erhaltung der Regierung hat – ein Interesse am Sozialismus hat diese sogenannte „Boli-Bourgeoisie“ („bolivarische“, also die Regierung unterstützende Bourgeoisie) allerdings ganz und gar nicht. Die Regierung hat zudem auf der Suche nach Alternativen zur Abhängigkeit von den USA, eine immer stärkere wirtschaftliche Abhängigkeit von Investitionen und Importen aus Russland und China in Kauf genommen.

Und auch wenn es, vor allem unter Chávez, einen Aufschwung des Klassenkampfes und der Selbstorganisierung der Arbeiterklasse gegeben hat, spielt der Staat auch im Verhältnis zur Arbeiterbewegung oft keine fortschrittliche Rolle. 2017 versuchte die Regierung, durch ein neues Parteiengesetz alle Parteien dazu zu zwingen, ihre Mitglieder online zu registrieren – eine Maßnahme, die sich vor allem gegen die Kommunistische Partei (PCV) richtete, die sich richtigerweise weigerte, die Identität ihrer Mitglieder öffentlich bekannt zu machen und damit potenziellen Repressionen auszusetzen. Im selben Jahr wurde eine Gruppe Aktivisten der Kommunistischen Jugend Venezuelas (JCV) festgenommen, weil sie in der Stadt San Juan de los Morros gegen die schlechte Lebensmittelversorgung protestiert hatten.

Es ist zwar extrem verlogen, wenn die bürgerlichen Medien Venezuela mittlerweile durchgängig als „Diktatur“ bezeichnen, denn sowohl Chávez als auch Maduro wurden regulär gewählt. Nach bürgerlichen Standards handelt es sich durchaus um eine „Demokratie“. Allerdings ist auch die bürgerliche Demokratie eine Form der Diktatur des Kapitals, selbst unter einer Regierung, die den Sozialismus verspricht. Die Zuspitzung der Probleme der Volksmassen haben auch erst dazu geführt, dass viele Menschen der Regierung den Rücken gekehrt haben oder jetzt sogar die Opposition unterstützen.

Nieder mit dem Putsch!

Trotzdem ist klar, dass der Putschversuch im totalen Gegensatz zu den Interessen des venezolanischen Volkes steht. Die Opposition in Venezuela besteht aus reaktionären, volksfeindlichen Kräften, die alle Errungenschaften der letzten zwei Jahrzehnte vernichten wollen. Ohne die Rückendeckung der wichtigsten imperialistischen Zentren USA und EU hätte der Putsch wohl kaum stattgefunden, so wie bereits schon frühere Putschversuche nur mithilfe der USA stattfinden konnten. Auch ein imperialistischer Krieg der USA gegen Venezuela ist möglich. Auf eine Nachfrage, ob die US-Regierung auch militärische Optionen gegen Venezuela erwäge, antwortete Donald Trump, „Alle Optionen sind auf dem Tisch“.

Die imperialistischen Angriffe und Einmischungen gegen Venezuela sind auch als Teil der zunehmenden zwischenimperialistischen Spannungen, besonders zwischen den USA einerseits und China und Russland andrerseits zu verstehen. Venezuela ist als Verbündeter Russlands und Chinas, die deshalb auch den Putsch verurteilten, ein Dorn im Auge der USA, die weiterhin ihre Vormachtstellung in ganz Lateinamerika aufrechterhalten wollen. Außerdem hat Venezuela die größten anerkannten Ölreserven der Welt, mehr noch als Saudi-Arabien. Der US-Imperialismus hat daher ein starkes Interesse daran, in Caracas eine gefügige, mit den USA verbündete Regierung einzusetzen, wie es vor Chávez der Fall war.

Während die Reaktion Teile des Kleinbürgertums gegen die Regierung mobilisiert, stehen breite Massen der Arbeiterklasse und des Volkes ein weiteres Mal auf, um ihre Errungenschaften zu verteidigen und die Pläne der ausländischen imperialistischen Mächte zu vereiteln. Wir stehen fest an der Seite des venezolanischen Volkes und der Kommunistischen Partei Venezuelas, die trotz ihrer Kritik an der Regierung die Errungenschaften der Klassenkämpfe der letzten zwei Jahrzehnte verteidigt. Die Kommunistische Partei fordert vorgezogene Parlamentswahlen und die Bildung einer „Regierung der revolutionären Volkseinheit“, an der Massenorganisationen des Volkes, die klassenbewusste Gewerkschaftsbewegung und andere Kräfte beteiligt sein sollen, um einen Ausweg für das arbeitende Volk zu finden.

Das venezolanische Volk muss sich aber darüber klar werden, dass der bisherige Weg der „Bolivarischen Revolution“ immer wieder zu einem Patt führen und die vielen und schwerwiegenden Probleme nicht lösen wird. Nur eine wirkliche Revolution der Arbeiterklasse und des Volkes, die sich auch gegen die Teile des Kapitals, die die Regierung unterstützen, und generell gegen alle Kräfte richtet, die den revolutionären Prozess aufhalten wollen, kann den düsteren Machenschaften der venezolanischen Reaktion und ihren ausländischen Schutzmächten das Handwerk legen.

Zu den ausländischen Schutzmächten gehört insbesondere auch die deutsche Bundesregierung. So erklärte der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) unmissverständlich, dass auch die vorgeheuchelten Standards der bürgerlichen Demokratie der SPD nichts wert sind: „Wir sind nicht neutral, wir stehen auf der Seite von Guaidó“, so Maas. Noch weiter gehen die Grünen und FDP, die eine formelle Anerkennung des Putschisten fordern. Die Linkspartei lehnt eine Anerkennung des Putsches zwar ab, vertritt aber eine heuchlerische Zwischenposition. So hält Stefan Liebich (Die Linke) die Proteste gegen Maduro für „absolut nachvollziehbar“. Wir verurteilen den Putschversuch gegen die venezolanische Regierung und alle Kräfte, die ihn unterstützen. Wir rufen dazu auf, sich an Solidaritätsaktionen gegen den Putsch zu beteiligen. Und wir stehen an der Seite der PCV, der konsequenten Organisation der Arbeiterklasse.

Nieder mit dem reaktionären Putsch in Venezuela!

Nieder mit den USA und der EU!

Solidarität mit dem Volk und der Kommunistischen Partei Venezuelas!

Aktuelles

Iran hat den Aggressoren eine Grenze aufgezeigt

Die Militäroperation des Iran vom 12./13. April ist ein wichtiges Stoppzeichen an den Terror der zionistischen Besatzungsmacht Israel und seine Unterstützer gewesen. Sie war ein gerechtfertigter Akt der Selbstverteidigung. Die von den Kräften der Region koordinierte Aktion ist eine wichtige Unterstützung des palästinensischen Befreiungskampfs. Die Palästina-Soli-Bewegung darf sich trotz unterschiedlicher Sichtweisen auf die Kräfte der Region nicht spalten lassen. Hände weg vom Iran! Hände weg von Libanon, Syrien und Jemen! Freiheit für Palästina!

Erklärung der Palästinensischen Kommunistischen Partei zum Tag des Bodens – Einschätzungen zur Al-Aqsa-Flut

Wir dokumentierten hier die Stellungnahme der Palästinensischen Kommunistischen Partei  (PalCP), die sie vor etwa zwei Wochen veröffentlicht hat. Darin nimmt sie eine Einschätzung zur Al-Aqsa-Flut vor, die wir für wertvoll für die Debatten in der deutschen kommunistischen und Palästina-Solidaritätsbewegung halten.