Anlässlich des 40. Jahrestages des Münchner Oktoberfestattentats am 26. September fallen Gedenkfeierlichkeiten und Medienpräsenz etwas größer aus als die Jahre zuvor. Bundespräsident Steinmeier ist geladen, ebenso Bayerns Ministerpräsident Söder. Einmal mehr werden sie sich zu diesem Anlass als vermeintlich große Demokraten in Szene setzen.
Von besonderer Bedeutung ist dieses Jahr aber auch das im Juli verkündete Urteil nach den 2014 neu aufgenommenen und nun abgeschlossenen Ermittlungen zum Attentat. Im Gegensatz zu vorherigen Untersuchungen wird hier bestätigt, dass die Tat „rechtsextrem“ motiviert war und nicht etwa psychische Probleme des Täters im Vordergrund standen. Darüber hinaus gibt es aber kaum neue Erkenntnisse, keine Beweise für Mittäter oder Ähnliches, weshalb das Verfahren beendet wurde. Welche Schlüsse ziehen wir daraus – auch zur Einschätzung weiterer Fälle: das Auffliegen des NSU, die Anschläge in Halle und Hanau, die sich häufenden Indizien für faschistische Netzwerke in der Polizei wie bei den „NSU 2.0“-Drohbriefen in Hessen und erst kürzlich bei Chatgruppen in Nordrhein-Westfalen? Was sagen diese Vorfälle über das Verhältnis von Staat und Faschisten aus?
26. September 1980
Die Bombe, die an jenem Tag am Eingang zum Münchner Oktoberfest detonierte, riss 13 Personen in den Tod, verletzte über 200 weitere. Menschen leiden bis heute unter den Folgen der Explosion. Der Fall gilt damit als schwerster Anschlag in der Geschichte der BRD. Nur wenige Tage nach dem Attentat standen die Bundestagswahlen an und insbesondere der CDU/CSU spielte dies in die Hände: Ihr Kanzlerkandidat Strauß nutzte die ungeklärte Situation, um Stimmung gegen vermeintlichen „linken Terror“ und für schärfere Repression im Inneren zu machen.
Die späteren Ermittlungen kamen zu dem Schluss, dass der ausgemachte Täter, der sich unter den Todesopfern befand, von Depression und Liebeskummer geplagt war, was das Motiv des Anschlags erkläre. Der Tatsache, dass ebendiese Person gesichert Kontakt zu faschistischen, zum Teil terroristischen Strukturen wie der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ hatte, wurde in den offiziellen Ermittlungsergebnissen genauso wenig Beachtung geschenkt, wie der Suche nach möglichen Komplizen, nach Helfern im Hintergrund oder gar einem möglichen Zusammenhang mit „Stay-behind“-Strukturen der NATO. Stattdessen begleitete vor allem eine auffällig rasche Spurenbeseitigung den Fall: Der Anschlagsort wurde noch am Morgen nach dem Geschehen asphaltiert, wichtige Asservate wenige Monate später vernichtet.
Ein Einzelfall?
Weitestgehend blieb das Attentat also ungeklärt und die Ermittlungsergebnisse widersprüchlich. Auch die neuen Untersuchungen ändern hieran nicht viel, außer dass sie von der Erklärung durch persönliche Motive abgerückt sind. Doch selbst diese Erkenntnis – immerhin ein krasser Widerspruch zu den vorherigen Ermittlungen – zieht keine weiteren Konsequenzen nach sich.
Dabei ging der rechte Terror weiter. 2011, 30 Jahre nach dem Attentat, flog „das Trio“ des NSU auf. Auch hier gab es, ähnlich wie bei den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat, jahrelang keine Untersuchungen zum faschistischen Hintergrund. Stattdessen spielten auch hier die Taten objektiv den Verantwortlichen in die Hände, die unter dem irreführenden Titel „Dönermorde“ migrantische Kreise, unter denen sich die Angehörigen der Opfer befanden, zu kriminalisieren versuchten. Auch hier wurde der rechtsterroristische Hintergrund letztendlich öffentlich. Aber auch hier, abgesehen von einer Handvoll Verurteilungen, ohne Konsequenzen: Wichtige Akten blieben verschlossen, potenzielle Zeugen starben plötzlich und der Verfassungsschutz blieb unangetastet.
Ein Muster?
Wie wir sehen können, ist keiner dieser Fälle – vom Oktoberfestattentat bis zum NSU – wirklich aufgeklärt. Stattdessen lassen sich Muster zum Umgang mit derlei Vorkommnissen erkennen: zunächst die generelle Ablenkung von der Möglichkeit des Rechtsterrorismus, die berühmte Einzeltäterthese und unter Umständen die Attestierung persönlicher, psychischer Probleme. Schließlich das Eingeständnis eines faschistischen Hintergrundes, wenn die Sache zu offensichtlich wird, doch auch dann noch keine grundlegende Aufklärung oder praktische Konsequenzen. So morden faschistische Strukturen relativ unbehelligt weiter, kontinuierlich, seit der Gründung der BRD bis heute. Oktoberfestattentat, Wehrsportgruppe Hoffmann, NSU – fast immer gibt es dabei Hinweise auf Verbindungen zu Behörden. Warum ist das so?
Fleisch vom Fleische
Allein die soeben nur angerissenen Fälle zeigen deutlich, dass der Staat offenbar gar nicht an einer ernsthaften und umfassenden Aufklärung von rechtem Terror interessiert ist. Die Gründe hierfür liegen in der Sache selbst: Der Faschismus an der Macht ist eine Form bürgerlicher Herrschaft. Er stellt eine Umsetzung der Diktatur der Kapitalistenklasse dar, die besonders durch Terror und offene Unterdrückung hervortritt. Damit ist auch die faschistische Bewegung nichts weiter als „Fleisch vom Fleische“ der Herrschenden. Auch in nicht-faschistischen Zeiten des Kapitalismus, in Zeiten wie jetzt, spielt diese Bewegung im Interesse des Kapitals eine wichtige Rolle. Sie übernimmt Funktionen, die unter anderem von Reinhard Opitz in seinen Analysen zur faschistischen Bewegung in der BRD zusammengefasst wurden. Sie fängt Protestpotenzial auf, ist Stichwortgeber für reaktionäre politische Vorhaben, treibt die Rechtsentwicklung voran – um nur Beispiele zu nennen. Der faschistische Terror übernimmt insbesondere die Aufgabe der Einschüchterung der Volksmassen.
Ihre Rolle nehmen die faschistischen Kräfte ganz objektiv ein, also auch relativ unabhängig von der Überzeugung ihres Fußvolks. Ihre propagierte, vermeintliche Opposition zum herrschenden System ist also eine Täuschung angesichts ihrer Nützlichkeit für das Kapital und ihrer weitgehenden Übereinstimmung mit seiner Herrschaft.
Von der anderen Seite betrachtet wird klar, dass der Staat der Kapitalisten faschistischen Strukturen niemals ernsthaft den Kampf ansagen wird. Dementsprechend ist auch der vermeintliche Antifaschismus, der gerade seit den jüngsten faschistischen Terrorattacken von den Regierenden und Vertretern nahezu aller bürgerlichen Parteien wieder einmal hochgehalten wird, eine Farce. Er kann die Tatsache nicht verdecken, dass sie die Verantwortlichen bei der jahrelangen Vertuschung und Verharmlosung rechter Gewalt waren und dass sie die Vorfälle stets als Stimmungsmache für ihre eigene volksfeindliche Politik nutzten – wie etwa die Pogrome gegen Flüchtlingsunterkünfte für die Verschärfung der Asylgesetze Anfang der neunziger Jahre.
Unsere Antwort
Wir haben einen kommunistischen Klärungsprozess ins Leben gerufen, in dem wir wichtige Fragen des revolutionären Kampfes der Arbeiterbewegung diskutieren und Erfahrungen dazu auswerten wollen. Die Frage der Rolle des Faschismus und der faschistischen Bewegung sind hier von zentraler Bedeutung, denn ihre Klärung muss in die antifaschistische Organisierung der Arbeiterbewegung einfließen. Auch müssen wir für die oben aufgeworfene Frage des Verhältnisses von Faschismus und bürgerlichem Staat noch ein besseres Verständnis entwickeln – welche Verbindungen bestehen konkret und welche Bedeutung kommt ihnen zu?
Die Analysen der Kommunistischen Internationale, insbesondere die Arbeiten Georgi Dimitroffs, aber auch die Forschungen weiterer wie Reinhard Opitz können eine wichtige Diskussionsgrundlage geben. Wenn wir speziell die Entwicklung in der BRD nachvollziehen wollen, müssen wir auch die Zusammenhänge mit dem deutschen Faschismus beleuchten und einordnen: keine ernsthafte Entnazifizierung, keine Enteignung der Kriegsverbrecher, stattdessen eine Wiederkehr der alten faschistischen Elite in Führungspositionen des Staates, eine Reorganisation faschistischer Strukturen und vieles mehr. All das geschah, während in der DDR faschistische Strukturen von Beginn an verboten waren und aktiv bekämpft wurden!
Wir haben allen Grund, die Ermittlungsergebnisse dieses bürgerlichen Staates infrage zu stellen. Wir wissen, dass zwischen ihm und den Faschisten kein grundsätzlicher Widerspruch besteht. Und wenn sich die offiziellen Vertreter auch heute, zum 40. Jahrestag des Münchner Oktoberfestattentats in Szene setzen – morgen schon werden sie rechten Terror weiter decken.
Führen wir die Diskussion um die aufgeworfenen Fragen, finden wir eine wirksame antifaschistische Antwort auf die Drohungen der Faschisten, auf die Heuchelei der Herrschenden, auf ihre mörderische Allianz.