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Neofaschismus in Ostdeutschland

Über die Zerschlagung des Antifaschismus und den Aufbau einer neofaschistischen Bewegung.

Ein Hintergrundartikel von Jakob Yasko

1          Einleitung

 Seit der Konterrevolution verbreiten westliche Medien das Bild einer ostdeutschen Bevölkerung die „aus sich selbst heraus“ Rechts sei. Die Berichte, Artikel und Reportagen strotzen meistens nur so vor Sozialchauvinismus und Schönfärberei der Regierungspolitik. Dabei wird gezielt ein Bild von „abgehängten Ossis“ gezeichnet, die angeblich Ausländer und Demokratie einfach aus sich selbst heraus hassen.

Wer der Frage nach dem Rechten Osten nachgeht und sich bei ARD, ZDF oder Deutschlandfunk verirrt, verliert im Dschungel aus Totalitarismustheorien und pseudowissenschaftlichen Bauchgefühlsjournalismus schnell den Durchblick. Schlau wird man jedenfalls nicht aus den dutzenden Reportagen, Artikeln und Dokumentationen. Schuld seien mangelnde Demokratiesozialisierung oder man fragt gleich gar nicht mehr nach Ursachen. Auch Auseinandersetzungen, die sich konkret mit der AfD beschäftigen folgen häufig dem gleichen Schema. Erst die Baseballschlägerjahre und jetzt die AfD – so sind sie halt die Ossis. Wer hinterfragt, ob der Osten tatsächlich schon immer Rechts gewesen sei, wird schnell mit der DDR vertraut gemacht. Dem Staat, der den Faschismus nie aufgearbeitet hätte und ohnehin irgendwie latent faschistisch war,- die zweite deutsche Diktatur eben.

Die schrecklichen Bilder von faschistischen Mobs aus den Neunzigern oder aus aktuellen Berichten werden ausgeschlachtet und instrumentalisiert um die BRD als die ultimative Verteidigerin der Demokratie zu präsentieren. Während die öffentlich-rechtlichen Sender ihre pseudo-antifaschistischen Medienspektakel inszenieren, wird fleißig abgeschoben und gegen Migranten gehetzt. Auch der ganze Brandmauer-Zirkus hat höchstens das linksliberale Establishment abgeholt – glaubhaft war das nie, geschweige denn wirksam.

Über die tatsächlichen Hintergründe des sogenannten Rechtsrucks lernt man genauso wenig wie über die gezielte staatlich betriebene Faschisierung des Ostens in den 1990ern. Keiner fragt, woher diese Faschisten kommen, wer Ihnen einen Nährboden bietet und sie fördert. Die Antwort wäre zu unbequem.

Lenin hat uns folgendes mit auf den Weg gegeben: „Ist nicht sofort ersichtlich, welche politischen oder sozialen Gruppen, Kräfte oder Größen bestimmte Vorschläge, Maßnahmen usw. vertreten, sollte man stets die Frage stellen: Wem nützt es?“[1]

Wem nützt ein starker Neofaschismus? Und zu welchem Zweck?

Wenn wir mit Recht davon ausgehen das Antifaschismus in der DDR tatsächlich Staatsdoktrin war wie konnte dann das Gift des Chauvinismus und Fremdenhasses so rasch verbreitet werden? Wie wurde die neofaschistische Bewegung in Ostdeutschland aufgebaut und gestärkt? Welche Interessen standen hinter dieser Entwicklung und welche Widersprüche trieben sie voran?

Man darf nicht außer Acht lassen das die ostdeutsche Bevölkerung, bis heute eine postsozialistische Gesellschaft in der Transformation ist. Sozialismus, dann die Treuhand und der Ausverkauf – diesen Prozess haben nahezu alle über 50jähringen zwischen Vogtland und Ostsee bewusst miterlebt.

Wie gehen wir also vor? Der Text widmet sich einleitend der DDR und ihrer antifaschistischen Politik. Um die Erstarkung der neofaschistischen Bewegung in Ostdeutschland nachvollziehen zu können muss die antifaschistische Staatsräson der DDR auf den Prüfstein gestellt werden. Ausgehend davon soll die Entwicklung der neofaschistischen Bewegung der BRD schlaglichtartig beleuchtet werden. So können wir zu der grundlegenderen Frage vordringen welche Prozesse freigesetzt wurden als 1990 ein Staat voller Kontinuitäten des Faschismus einen Staat der antifaschistischen Staatsräson annektierte, ausverkaufte und unter seine Ordnung unterwarf.

Um sich dem Prozess der Refaschisierung Ostdeutschlands zu widmen, müssen zwei Tendenzen untersucht werden: Einerseits der Aufbau einer neofaschistischen Bewegung in Ostdeutschland und andererseits der Abbau des DDR-Antifaschismus. Dabei muss unter die Lupe genommen werden wie sich Medien, Politik, Wirtschaft und die neofaschistische Bewegung an beiden Prozessen beteiligten.

2          Ein antifaschistischer Staat

2.1         Warum wir uns der DDR widmen müssen

Wer seine jeweilige Internet-Suchmaschine nach Antifaschismus in der DDR befragt, wird schnell feststellen, wie einig sich hier die Medienhäuser und Institute sind. Die Konrad Adenauer Stiftung, die Bundeszentrale für politische Bildung und die Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sind ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht jeglichen Dreck auf die DDR abzuladen. Man kann von einer regelrechten Anti-DDR Industrie in Wissenschaft, Journalismus und Kultur sprechen. Der Antifaschismus in der DDR wäre ein „Gründungsmythos“, die „stalinistische Entnazifizierung“ sei ebenso wie jegliche antifaschistische Tradition ein Legitimationsinstrument für die nächste Diktatur gewesen. Der Antifaschismus in der DDR wäre die Lebenslüge der deutschen Linken, schreibt bspw. die Konrad Adenauer Stiftung.[2] Schlussendlich wäre der Antifaschismus nur ein „identitätsstiftendes SED-Unterdrückungsinstrument“ gewesen. Die Bundeszentrale für politische Bildung setzt noch einen drauf und fragt: „Ist der Rechtsextremismus im Osten ein Produkt der autoritären DDR?“[3]

Vielen Antifaschisten, die sich die Frage stellen, wie es zu Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Chemnitz und den starken AfD Wahlergebnissen kommen konnte wird eine bestechend einfache Antwort präsentiert: Die Schuld liegt bei der DDR. Der Antikommunismus ist mittlerweile so gesellschaftsfähig und so hegemonial, dass nur noch die wenigsten ihn erkennen, geschweige denn hinterfragen.

Die DDR, ein Staat, der über 40 Jahre ein fortschrittliches und antifaschistisches Projekt darstellte, liegt heute unter einem Berg von Vorwürfen und Lügen bundesdeutscher Denkfabriken begraben. Ein positiver Bezug auf die DDR und ihren Antifaschismus ist weitgehend tabuisiert. Dabei ist eine Auseinandersetzung mit der antifaschistischen Politik der DDR nicht nur sehr lehrreich, sondern beweist auch umfangreich welche Zukunftsperspektive bis heute in diesem Anlauf zum Sozialismus liegt. Unbegründete Distanzierungen gegenüber der DDR sowie das Desinteresse und die Voreingenommenheit gegenüber diesem Staat und seiner Gesellschaft müssen dringend überwunden werden. Denn beides verhindert ein Verständnis über die widersprüchlichen politischen Entwicklungen heutzutage und macht es unmöglich zu verstehen, wie sich dieser erste deutsche Anlauf zum Sozialismus gestaltete, woran er scheiterte und wie sich die Rechtsentwicklung vollzog, die uns heute stärker denn je beschäftigt.

2.2         Mit Entnazifizierungen und Enteignungen zum neuen Staat

Springen wir zurück ins Jahr 1945, nur wenige Wochen nach der Befreiung vom Faschismus. Walter Ulbricht stellte am 25.Juni 1945 in seiner Rede auf einer KPD-Funktionärskonferenz fest, dass „[…] sich die große Mehrheit des deutschen Volkes als Werkzeug der Naziführer und Rüstungsindustriellen gebrauchen ließ. Hitler konnte sechs Jahre lang sein Kriegsverbrechen durchführen, weil im deutschen Volke die ideologischen Abwehrkräfte gegen die imperialistische und militaristische Ideologie nur ungenügend vorhanden waren, weil das Gift der Raubideologie und militärische Kadavergehorsam tief im Volke stecken.“[4] Aus diesem Satz könne wir die 3 großen Aufgaben ableiten, denen sich die Antifaschisten und Kommunisten auf dem Boden der späteren DDR widmeten.

  1. Die Naziführer mussten gesäubert und verfolgt werden.
  2. Die Kriegsindustriellen und Völkermordprofiteure mussten enteignet werden.
  3. Die wohl langfristigste und schwierigste Aufgabe: die faschistische Ideologie musste bekämpft und überwunden werden.

Um diese Aufgabe in seiner Konsequenz zu gewährleisten, musste ein neuer Staat aufgebaut werden.

Dabei ist nicht zu vergessen, dass all diese Aufgaben in einem Deutschland realisiert werden sollten das weitestgehend zerstört war. Es herrschten Nahrungsengpässe, Wohnungslosigkeit und es mangelte an Industrie und Facharbeitern zum Aufbau einer Wirtschaft. Tausende Antifaschisten und Kommunisten waren ermordet worden,- die wenigen Überlenden reorganisierten sich kleinschrittig und setzten sich mit deutschen Emigranten aus der Sowjetunion und den politischen Kommissaren der Roten Armee in Verbindung.

Im Folgenden sind Meilensteine dieser Politik dokumentiert. Es sind Maßnahmen und Kampagnen, die teilweise nur wenige Wochen nach dem Sieg über den Faschismus durchgeführt wurden. Sie verdeutlichen anschaulich, welches neue Deutschland in der sowjetischen Zone errichtet wurde. Diese antifaschistische Ordnung wurde 1949 in die Verfassung der DDR übertragen.[5]

In der Sowjetischen Besatzungszone begann auf Basis der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz eine antifaschistisch-demokratische Umwälzung. In den Folgejahren konnte sich der Erfolg dieser Umwälzungen immer stärker auf die politische Einheit der Arbeiterklasse unter der SED stützen. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen welche zentrale Rolle der Sowjetunion und ihrer Militäradministration in dieser Zeit zukam.

Eins sei an dieser Stelle bezüglich des Kampfbegriffes „von Oben verordneter Antifaschismus“ vorweggenommen: Den Antifaschismus „verordneten“ 1945 alle 4 Siegermächte und zwar auf der Potsdamer Konferenz. Die Sowjetunion war lediglich der einzige Staat, der diesen Antifaschismus in die Tat umsetzte. Und Ja, er war „verordnet“. Mal weniger, mal mehr „von oben“ durchgesetzt und eingefordert,- dass war nach 12 Jahren Hitlerfaschismus auch dringend notwendig.

An die Stelle des zerschlagenen faschistischen Staatsapparates rückte eine antifaschistisch-demokratische Staatsmacht aus Parteien und Massenorganisationen die sich zur antifaschistischen und demokratischen Umwälzung unter der Führung der Arbeiterklasse bekannten. Diese antifaschistische Ordnung stellte eine Übergangsform zum sozialistischen Aufbau dar und bedeutete gleichzeitig härtesten revolutionären Klassenkampf, auch wenn er sich ohne Ausbruch eines Bürgerkrieges vollzog. Die Deutsche Verwaltung des Innern erklärte 1947: „Wer heute die frühere NSDAP als Urheber aller Machenschaften ansieht, begeht einen entscheidenden Fehler. Die Gegner sind in den geschlagenen Kräften zu suchen, nämlich Junker, Großaktionäre, Bankiers usw. usf.“[6] So wurden Großgrundbesitzer und Kriegsverbrecher auf Basis von Volksabstimmungen enteignet und die kommunalen Verwaltungen unter Mitarbeit des Volkes in die Hände von Antifaschisten, Demokraten, und Widerstandskämpfern gelegt.[7] In vielen Städten hatten sich nach Kriegsende spontan antifaschistische Ausschüsse oder Komitees gegründet, einige arbeiteten schon vorher in der Illegalität. Diese stärkten unter Schirmherrschaft der Sowjetischen Militärverwaltung die lokalen Strukturen der FDJ, des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD), oder der SED und gingen später in sie über. Viele wurden in die städtischen Verwaltungen eingesetzt.[8]

Um den Faschismus ökonomisch auszurotten, wurden im Rahmen der Bodenreform 7200 Großgrundbesitzer und 4500 andere Kriegsverbrecher entschädigungslos enteignet. Bis 1948 wurden darüber hinaus 9200 Betriebe von Kriegsgewinnlern und Naziaktivisten in die Hände des Volkes übergeben und enteignet. Den Maßnahmen stimmten 77,7 Prozent der Sachsen in einer Volksabstimmung zu.

Der Kampf gegen die Einflüsse und Störversuche der alten reaktionären Klasse die sich nicht geschlagen geben wollte wurde auch in der Kultur und Bildung hart geführt. 72 Prozent der alten Lehrerschaft gehörten der NSDAP an und mussten aus dem Schuldienst entfernt werden.[9] Um die Erziehung und Bildung weiterhin zu gewährleisten entstand die Neulehrer-Bewegung als politische Kampagne der SED und der Sowjetischen Verwaltung. Insgesamt wurden 40.000 junge Arbeiter und Arbeiterinnen in mehrmonatigen Lehrgängen zu Pädagogen ausgebildet. Diese Neulehrer wurden darauf geprüft, ob sie „Willens und in der Lage waren die deutsche Jugend im Geiste des Antifaschismus, Humanismus, sowie der Demokratie und Völkerfreundschaft zu erziehen“.[10]

DDR-Historiker Stefan Doernberg bringt die Rolle der Entnazifizierung treffend auf den Punkt: „Obwohl die Entnazifizierung nicht die Hauptmethode der demokratischen Erneuerung der Verwaltungsorgane war, weil leitende Funktionen von Anfang an von Antifaschisten übernommen wurden, trug sie dennoch wesentlich zur endgültigen Zerschlagung des imperialistischen Staatsapparats bei. […] Die völlige politische Entmachtung der faschistisch-
militaristischen Kräfte war ein längerer Prozess, dessen Hauptinhalt die Zerschlagung der imperialistisch-kapitalistischen Staatsmaschine und der Aufbau neuer antifaschistisch-demokratischer Staatsorgane war.“
[11]

Allein bis 1946 entließ man 390.478 ehemalige Nazis aus ihren Stellen und Funktionen in Verwaltung, Justiz, Bildung und vielem mehr. Darüber hinaus ermittelte das Ministerium für Staatssicherheit bis 1989 gegen alte Kriegsverbrecher und Nazis.[12] In der DDR war es nahezu unmöglich, mit einer SS- oder Wehrmachtshistorie in höhere gesellschaftliche Positionen aufzusteigen. Es gab zwar höhere Staatsbeamte und eine Hand voll Minister in der DDR mit ehemaliger NSDAP-Mitgliedschaft, diese waren allerdings weder in der SS, noch in leitenden Funktionen um Krieg und Massenmord zu koordinieren gewesen.[13] Das beweist der Fall des Ernst Großmann, der SS-Mann und KZ-Aufseher fälschte seine Biographie und stieg in das ZK der SED auf. Als seine Vergangenheit 1959 bekannt wurde schloss man Großmann sofort aus.[14]

Zur Wahrheit gehört auch, dass für den Aufbau der DDR keine neuen Menschen vom Himmel fielen und zahlreiche Personen mit Nazi-Vergangenheit unangetastet bleiben mussten. Beispielhaft hierfür stehen die Kasernen und Krankenhäuser der jungen DDR, in denen einige Wehrmachtsoffiziere und NS-Ärzte weiter tätig waren, um die Verteidigungsfähigkeit und Medizinversorgung der DDR nicht zusammenbrechen zu lassen. Das betraf allerdings weder die Ärzte die leitend hinter den T-4 Programmen zur Ermordung Behinderter steckten. Diese wurden verfolgt und hingerichtet. Auch namhafte Kriegsverbrecher der Wehrmacht waren in den Rängen der Nationalen Volksarmee nicht wiederzufinden.

Einzig und allein entscheidend in der Entnazifizierung war nicht die Zahl der Entlassungen oder Verhaftungen, sondern die Bekämpfung der gesellschaftlichen Triebkräfte, die den Faschismus hervorgebracht hatten: den imperialistischen Kapitalismus. Aufarbeitung und Volksbildung war wohl die wichtigste Komponente neben den Säuberungen und Enteignungen. Der Kampf gegen den Rassenhass und Chauvinismus war ein Kampf um die Köpfe der DDR-Bevölkerung. Dieser wurde nicht nur gegen den Einfluss alter Nazis und westlicher Medien geführt, sondern war auch ein Kampf um gute Funktionäre und Lehrer, ein Kampf um eine öffentliche und anschlussfähige Auseinandersetzung mit dem Faschismus. Dieser Kampf wurde mit Sicherheit nicht überall gewonnen, dennoch schuf die DDR-Meilensteine in ihrer antifaschistischen Politik. Auf diese Auseinandersetzung sei im Folgenden verwiesen.

2.3         Aufarbeitung und antifaschistische Erziehung

In der DDR fand neben der Auseinandersetzung mit verschiedenen Opfergruppen, eine breite Beschäftigung mit dem Widerstand gegen den Faschismus statt, dessen Erbe der junge Staat antreten wollte. Zahlreiche Promotionen, aber auch kleinere Publikationen zeugen von einer breiten und umfangreichen wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Auseinandersetzung. Publikationen wie „Der SS-Staat“ (1947), das hunderte Erlebnisberichte von KZ-Häftlingen sammelte, oder Walter Ulbrichts „Die Legende vom deutschen Sozialismus“ (1946), das breite Schichten in der Sowjetischen Besatzungszone über die Lügen und Verbrechen des Faschismus aufklärte, verdeutlichen dies. Auch die Literatur für Kinder und Jugendliche leistete einen wichtigen Beitrag zur antifaschistischen Erziehung. Bruno Apitz’ Roman „Nackt unter Wölfen“ (1958) wurde ein zentraler Bestandteil der antifaschistischen Bildungsarbeit und fand Einzug in nahezu alle Klassenzimmer der DDR. Bereits zuvor war Anna Seghers’ „Das siebte Kreuz“ ein bekannter Titel in den Schulen. Auch die Behauptung, die DDR habe den Massenmord und die Verfolgung der Juden ignoriert oder nie aufgearbeitet, hält einer Überprüfung nicht stand. Insgesamt widmeten sich 1.086 Publikationen aus DDR-Verlagen der jüdischen Geschichte, Religion, dem Alltagsleben und der Philosophie. Zwischen 1945 und 1990 wurden mindestens 238 literarische Werke – darunter Romane, Novellen und Gedichte – zum Völkermord an den europäischen Juden veröffentlicht, wissenschaftliche Literatur ausgenommen.[15]

Dennoch konnten die Organe und Forschungskommission nicht alle Lücken in der Aufarbeitung öffentlich schließen. So kritisierte beispielsweise der 1989 ausgestrahlte Film „Coming Out“ die mangelhafte Aufarbeitung und Entschädigung für homosexuelle Opfer des Faschismus. Bis zu diesem Zeitpunkt erinnerte eine größere Gedenktafel in Berlin an die Opfer: „Totgeschlagen – Totgeschwiegen: Den Homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus“. Auch für die Opfer der Euthanasie entstanden nur eher kleinere Gedenktafeln. Die Machenschaften und Mordprogramme der Ärzte wurden, allerdings breit in der wissenschaftlichen Literatur aufgearbeitet und zahlreiche Medien berichteten über die Prozesse gegen die Täter. Ein wesentlicher Bestandteil der Erinnerungspolitik in der DDR war es, die Opfer des Faschismus nicht zu vereinzeln oder in Kategorien aufzuteilen, sondern allen Opfern gleichermaßen ehrwürdig zu gedenken. Dabei nahm der Widerstand gegen den Faschismus eine besondere Rolle ein, was jedoch nicht bedeutete, dass die spezifischen Ursachen der Verfolgung und des Leidens unbenannt blieben.

Denkmäler und Mahnmale für Opfer des Faschismus prägten zunehmend die Stadtbilder der DDR. Diese wurden oftmals auf Initiative antifaschistischer Widerstandskämpfer und mit Unterstützung von Organisationen der Arbeiterklasse wie dem „Buchenwald-Kollektiv“ errichtet. Ein Leseheft zur Kunstbetrachtung stellt dabei fest: „Bald nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik wurde ein Kuratorium, ein gesellschaftlicher Rat also, für den Aufbau Nationaler Gedenkstätten gebildet. Dort, wo von den Faschisten die Menschlichkeit am übelsten geschändet worden war, dort aber auch, wo sich antifaschistisches Kämpfertum unüberwindbar bewährt hatte, dort sollten die Stätten der Mahnung und des Gedenkens errichtet werden: Buchenwald – Ravensbrück – Sachsenhausen. Die besten Bildhauer und ein Kollektiv junger Architekten vollbrachten es, in ständigem Kontakt mit dem gesellschaftlichen Auftraggeber, der Partei der Arbeiterklasse, ehemaligen Häftlingen, Arbeitern und Künstlern, Werke von herausragender Bedeutung zu schaffen.“[16]

Am Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, sowie dem Tag der Opfer des Faschismus, aber auch anlässlich der Befreiung einzelner Konzentrationslager oder an Orten faschistischer Verbrechen füllten sich die Straßen und Gedenkorte jährlich mit breiten Menschenmassen. Durch solche Veranstaltungen in enger Zusammenarbeit mit Schulen, Universitäten, Betriebskollektiven und FDJ-Gliederungen wurde die Gedenkstättenarbeit zu einem zentralen Bestandteil politischer Bildungsarbeit.[17] Zahlreiche Schulen, Straßen und andere Gebäude waren nach Antifaschisten und Opfern des Faschismus umbenannt worden. Von einem ritualisierten und sonst bedeutungslosen Gedenken kann dabei nicht die Rede sein. Wie bereits am Beispiel der Literatur dargelegt, beschränkte sich der Antifaschismus nicht auf einzelne Tage, sondern durchzog das politische Leben in der DDR.  Auch Film und Fernsehen waren von einer Aufarbeitung des Faschismus geprägt: Dutzende Spielfilme und Serien thematisierten die Verbrechen und Massenmorde des deutschen Faschismus. Diese wurden zugunsten von Schichtarbeitern zu verschiedenen Tageszeiten ausgestrahlt – auch im Kinder- und Jugendprogramm. Bereits 1947 erschien im „Augenzeuge“ (der Wochenschau in der SBZ) ein ausführlicher Bericht über das einzige überlebende Kind der Berliner Jüdischen Gemeinde.[18] Schon 1 Jahr nach dem Sieg über den Faschismus vermittelte der Film „Die Mörder sind unter uns“ die dringende Notwendigkeit sich für Entnazifizierungen einzusetzen. Fernsehprogramme wie die „Aktuelle Kamera“ oder „der Schwarze Kanal“ berichteten regelmäßig über alte und neue Gräueltaten von Faschisten.

Der Vorwurf eines verordneten, ritualisierten und inhaltsleeren Gedenkens ist genauso falsch wie die Behauptung von vergessenen, verdrängten und nie entschädigten Opfern des Faschismus. Das belegen nicht nur die Filme, Serien und Publikationen, sondern auch die umfangreichen Sozialleistungen. Alle ehemaligen KZ-Häftlinge und Opfer des Faschismus erhielten höhere Renten, mehr Urlaub, eigene Urlaubs- und Kurheime und bessere medizinische Betreuung. Ob sie religiös oder politisch verfolgt waren, machte keinen Unterschied. Sie erhielten Unterstützung bei Wohnungssuche, Bildungs- und Berufswegen mit Stipendien und Zulassungen. Im Nahverkehr konnten Opfer des Faschismus mit einer Begleitperson kostenlos fahren. Diese sozialen Entschädigungen wurden den ostdeutschen Juden, sowie allen Opfern des Faschismus mit der Annexion der DDR genommen.[19]

Die antifaschistische Staatsräson der DDR war damit alles andere als ideologischer Kitt. Sie war ein Selbstanspruch dem tausende Kader, Funktionäre, Intellektuelle, Arbeiter, Bauern und Jugendliche nachgingen. Dieser Antifaschismus wurde von klein auf mitgegeben und so gut es möglich war in das politische Leben integriert. Dabei kam es ohne Zweifel zu Formalisierungen, die sich nicht in einen intrinsischen Antifaschismus übersetzten. Weder die politische Bildungsarbeit, noch die Politik der Massenorganisationen waren ausgereift genug um alle, auch apolitische DDR-Bürger, mitzuziehen. Im Wesentlichen war das politische Leben in der DDR und das Bewusstsein breiter Bevölkerungsmehrheiten allerdings bewusst antifaschistisch. Einen wichtigen Anteil an dieser Arbeit hatten die Massenorganisationen der DDR.

2.4         Antifaschistische Massenorganisationen und ihre Arbeit

Alle Parteien, Organisationen und Verbände mussten sich auf Basis der antifaschistischen Ordnung der DDR gründen und ihre Arbeit danach ausrichten. Die Massenorganisationen durchzog ein klares Bekenntnis zur Völkerverständigung und der internationalen Solidarität.

 Während der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands unter der Führung von Johannes R. Becher regelmäßig sondierte, wie sich eine kämpferische antifaschistische Kultur entfalten ließe, partizipierte der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) an internationalen Konferenzen gegen Krieg und Faschismus.[20] Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft organisierte regelmäßig die Verständigung und den kulturellen Austausch mit den Völkern der Sowjetunion. Der Freien Deutschen Jugend (FDJ) oblag neben den Institutionen der Volksbildung maßgeblich die antifaschistische Erziehung der Jugend. Sie organisierte gemeinsame Ausflüge und Aktivitäten, wie bspw. Gespräche mit Opfern des Faschismus oder dem Besuch von Konzentrationslagern. Auf internationalen Konferenzen widmete sich die FDJ nicht nur dem historischen Faschismus, sondern warnte auch immer wieder vor den Machenschaften deutscher Faschisten in der BRD.[21] Die Junge Welt, wie auch das Neue Deutschland verlegten regelmäßig neue Aufarbeitungen faschistischer Verbrechen und neofaschistischer Aktivitäten in der DDR, Europa und der ganzen Welt. Auch die Nationale Volksarmee und die Kampfgruppen der Arbeiterklasse waren immer ein lebendiger Teil der antifaschistischen Kultur. Mit der DDR-Singebewegung entstand eine politische Kraft, die sich in gesonderter Form auch kulturell dem antifaschistischen Widerstand widmete.

Besonders betont werden muss hier allerdings eine Massenorganisation: Das Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer.  Es spielte in der antifaschistischen Politik eine bedeutende Rolle und setzte sich im Jahr 1953 als Vereinigung vieler verschiedener Vereine und Gruppen von KZ-Häftlingen zusammen: Jüdische, christliche, liberale, sozialdemokratische oder kommunistische Gruppen waren gleichberechtigt vertreten.[22] Sie alle erhielten die bereits genannten Sozialleistungen für Opfer des Faschismus und betreuten gleichzeitig die korrekte Vergabe dieser. Das Komitee gliederte sich in 15 Bezirks- und 111 Kreiskomitees und war gleichzeitig in der Nationalen Front der DDR vertreten.[23] Neben der Betreuung von Opfern des Faschismus und der Organisation von Kundgebungen, Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen veröffentlichte das Komitee regelmäßig Hefte und größere Schriften über Konzentrationslager, Widerstandsgruppen, Verbrechen und Massaker oder Fragen des aktuellen antifaschistischen Kampfes. In „SS im Einsatz – Eine Dokumentation über die Verbrechen der SS“ recherchierten und sammelten Mitglieder des Komitees umfangreiche Beweise für die Machenschaften ihrer ehemaligen Schlächter und Peiniger.[24] Die Kasse des Komitees im Wert von 1,7Millionen D-Mark wurde 1991 von der Treuhandanstalt einkassiert und geraubt.[25]

2.5         Bekämpfung und Zurückdrändung des Faschismus

Die „operative Aufarbeitung“, wie Walter Ulbricht sie nannte, oblag dabei dem Ministerium für Staatssicherheit in enger Zusammenarbeit mit den Justizbehörden der DDR. Diese Organe waren von Anbeginn ihrer Gründung mit dutzenden untergetauchten Nazi-Kadern, faschistischen Saboteuren und Terroristen, sowie faschistisch-motivierten Straftaten beschäftigt. Von faschistischen Verbrechern der Kriegszeit bis zu Hitlergruß zeigenden Schülern wurden sämtliche Straftaten penibel im NS-Archiv der Hauptabteilung IX/11 und IV der Staatssicherheit dokumentiert und verfolgt.[26] Das Justizministerium der jungen DDR sprach sich unter der Leitung der antifaschistischen Widerstandskämpferin Hilde Benjamin für klare und harte Urteile gegen Faschisten und Kriegsverbrecher aus. Die BRD-Justiz erklärte die Urteile nach 1990 allesamt für gegenstandslos.[27] Die Entnazifizierung des Rechtssystems in der DDR hatte die Entlassung nahezu aller Nazi-Richter, Anwälte und Justizangestellten zur Folge. An ihre Stelle traten Volksrichter und Justizpersonal aus der Arbeiter- und Bauernschicht.[28]

Die Hauptabteilung IX/11 versorgte die anderen Abteilungen des Ministeriums für Staatssicherheit mit Informationen und kooperierte mit dem Generalstaatsanwalt der DDR bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. So unterstützte beispielsweise die geheimdienstliche Analyse und Untersuchung der 30.000 Patientenakten von Opfern der Euthanasie die Verhaftung und Beurteilung der verantwortlichen Nazi-Ärzte.[29] Neben der Verfolgung alter und neuer Faschisten in der DDR war die Staatssicherheit mit der Forschung zu Faschisten in der BRD beschäftigt. Durch die Arbeit der Staatssicherheit konnten zahlreiche Enthüllungen gegenüber ranghohen BRD-Politikern gelingen. Ein Höhepunkt dieser Arbeit stellte das 1965 erschienene Braunbuch über 1000 Kriegs- und Naziverbrecher in Staat, Wirtschaft, Armee, Verwaltung, Justiz und Wissenschaft der Bundesrepublik dar.[30] Der bürgerliche Historiker Götz Aly geht von einer Fehlerquote von nur 1% in den Recherchen aus.[31] In der Bundesrepublik wurde das Buch verboten. Derartige Recherchen nutzte die Staatssicherheit, um in Sonderfällen auch Personen über die Grenze der DDR zu entführen und vor ein Gericht zu stellen.[32]

Der Antifaschismus der DDR war fest mit den Prinzipien der Völkerfreundschaft und internationalen Solidarität verbunden. Die Solidaritätsbewegung für Chile beweist das Zusammenwirken von Sicherheitsorganen und Massenorganisationen im antifaschistischen Kampf. Als Chile 1973 von einem faschistischen Putsch unter der Führung Augusto Pinochets erschüttert wurde litten tausende Antifaschisten unter Verfolgung, Haft und Folter. Während Mitarbeiter der Staatssicherheit zahlreichen verfolgten Antifaschisten zur Flucht verhalfen, füllten Solidaritätsdemonstrationen die Städte der DDR.[33] Begleitet wurde die antifaschistische Solidaritätskampagne mit dutzenden Zeitungsartikeln und später Filmen der DEFA, um umfangreich über den Putsch in Chile aufzuklären.[34] Auf der anderen Seite des antifaschistischen Schutzwalls lobte CSU-Vorsitzender Franz Josef Strauß den Mordterror des Pinochet-Regimes: „Angesichts des Chaos, das in Chile geherrscht hat, erhält das Wort Ordnung für die Chilenen plötzlich wieder einen süßen Klang.“[35] WestdeutscheBND-Agenten mit SS-Hintergrund leiteten Folterlager in Chile und unterstützten die Verfolgungen und Ermordungen von Regimegegnern.[36] Der DDR-Antifaschismus war fest verbunden mit den Prinzipien der Völkerfreundschaft, sowie der praktischen und gelebten internationalen Solidarität. Das beweisen darüber hinaus die Solidaritätskampagnen für Nelson Mandela und Angela Davis, aber auch die Unterstützung des Kampfes griechischer und portugiesischer Antifaschisten gegen ihre reaktionären Militärdiktaturen.[37] Die Familien verfolgter griechischer Antifaschisten fanden in der DDR Schutz und Zuflucht, und konnten sich bspw. im „Komitee Freies Griechenland“ organisieren.[38]

In der gesamten Zeit ihres Bestehens, insbesondere vor der Grenzsicherung vom 13.August 1961, war die DDR von zahlreichen faschistischen Umtrieben und Aktionen betroffen. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Machenschaften der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KGU) und der „Bund Deutscher Jugend“ (BDJ).

Die KGU wurde vom amerikanischen Geheimdienst, sowie der Organisation Gehlen (eine von der SS durchsetzten Vorläuferstruktur des BND) in der BRD aufgebaut und sollte in der DDR operieren. Koordinierung und Planung fanden größtenteils in Westberlin statt. In der Leitung der Kampfgruppe tummelten sich Nazis, wie der ehemalige General der Waffen-SS Sievers. Finanzielle Zuwendungen erhielt die Gruppe bspw. aus der Ford Foundation.[39] Sie rekrutierten sich dabei nicht nur aus den Reihen von Faschisten, sondern konnten auch zahlreiche Antikommunisten und DDR-Bürger in ihr breites Netzwerk integrieren. Die Arbeit des KGU bestand aus Militär- und Industriespionage und Sabotageaktionen wie Brandanschlägen, Sprengstoffanschlägen, oder dem Vertrieb gefälschter Geschäftsbriefe. Auch Terror gegen Einzelpersonen und Drohungen gegen Funktionäre der SED standen auf der Tagesordnung.[40] Beispielsweise wurden Wahlveranstaltungen der Parteien des antifaschistischen Blocks gestört und angegriffen. Als anlässlich der Weltfestspiele der Jugend 1951 tausende Demokraten und Antifaschisten, samt 204 internationalen Delegationen, die Straßen Berlins füllten schlug die KGU wieder mit Angriffen, Störaktionen und Hetzflyern zu.[41] Mit dem BDJ teilten die Gruppe sich ihre revanchistische und aggressiv antikommunistische Grundhaltung, die zu diesem Terror führte.

Der Bund deutscher Jugend (BDJ) wurde vom amerikanischen Geheimdienst im Kampf gegen die DDR aufgebaut und finanziert. Auf den Treffen des BDJ traten auch Bundestagsabgeordnete von FDP und CDU auf. Diese von Altnazis geleitete Jugendorganisationen übertrumpfte die Kampfgruppen gegen Unmenschlichkeit in ihrem radikalen Antisemitismus und ihrem offenen positiven Bezug auf den Hitlerfaschismus. Die Gruppe griff unter anderem Synagogen, Juden und Antifaschisten in der BRD an und rüstet zum Kampf gegen die DDR. Im April 1951 wurde eine Untergrundabteilung des BDJ gegründet, die sich den Namen „Technischer Dienst“ (TD) gab. Er hatte den Zweck, eine bewaffnete Widerstandsbewegung gegen „den Bolschewismus“ parallel zum BDJ aufzubauen und Terror gegen die DDR zu verüben. Binnen weniger Wochen entstand bundesweit eine paramilitärische Struktur mit schwerpunktmäßiger „Partisanen-Schulung“, die zusammen mit US-amerikanischen Dienststellen durchgeführt wurde. Der BDJ war eine von vielen faschistischen Stay-Behind-Organisationen die in der BRD aufgebaut wurden.[42] Stay-Behind-Organisationen waren geheime Netzwerke, die in Westeuropa eingerichtet wurden, um im Falle eines Krieges Sabotage und Terror zur verüben,- sie werden auch als NATO-Geheimarmeen bezeichnet. Besondere Bekanntheit erlangte die 600 Mann starke „Wehrsportgruppe Hoffmann“, die verschiedene Mordanschläge verübte.[43]

Es waren faschistische Gruppen wie diese, welche am 17. Juni 1953 die Proteste von Teilen der DDR-Bevölkerung gegen die Normerhöhungen instrumentalisierten und eskalierten. Der von vielen westdeutschen Politikern lang ersehnte „Tag X“ war zum Greifen nah.[44] Faschisten und Provokateure, vorrangig aus Westberlin, plünderten und zerstörten Geschäfte, Buchhandlungen, Straßenzüge und Parteibüros. Sie machten auch vor Brandstiftungen in Fabriken und Einkaufszentren keinen Halt.[45] Während Buchhandlungen gestürmt und öffentlich Bücher und Fahnen verbrannt wurden, kam es zu Stürmungen und Freilassungsaktionen in Gefängnissen. Verurteilte Faschisten, wie die Kommandeurin des Konzentrationslagers Ravensbrück, Erna Dorn, waren wieder auf freiem Fuß.[46] Bertolt Brecht berichtet in seinem Brief an Peter Suhrkamp wie letztere aufhetzende Reden auf dem Marktplatz von Halle hielt. Auf die wenigen noch lebenden Juden wurden Überfalle verübt, so Brecht.

Aber Brecht berichtet auch, wie Teile der Bevölkerung versuchten, Faschisten, die das Deutschlandlied sangen, mit der Internationale zu überstimmen.[47] Und tatsächlich kam es am 17. Juni zu einer Vielzahl antifaschistischer Gegenwehr und Selbstschutzaktionen. Jugendliche bildeten spontane Komitees, um ihre Lehrwerkstätten oder FDJ-Einrichtungen zu schützen und stellten sich Randalierern und Provokateuren in den Weg. Faschisten die „Heil Hitler“ rufend oder das „Horst Wessel Lied“ singend durch die Straßen zogen wurden von der Bevölkerung aufgehalten oder Niedergerungen. Zahlreiche Augenzeugenberichte in der jungen Welt und weiteren Zeitungen schilderten diese Verbrechen und die Gegenwehr aus Teilen der DDR-Bevölkerung.[48] In Reaktion auf diese Proteste, die durch faschistische Umtriebe zu einem Putschversuch instrumentalisiert wurden, entschloss sich die DDR-Führung noch im Jahr 1953 zur Gründung von Kampfgruppen der Arbeiterklasse. Diese bewaffneten Einheiten wurden auf Grundlage eines klar definierten antifaschistischen Programms gebildet und spielten in den folgenden Jahrzehnten eine wichtige Rolle bei der Sicherung der antifaschistischen Ordnung in der DDR.

3          Der Aufbau einer neofaschistischen Bewegung in der BRD

3.1         Klare Kontinuitäten in Staat und Politik

Wie war es um den Antifaschismus in dem Staat bestellt der sich 1990 die DDR einverleibte?

Das Bundesverfassungsgericht fand im Jahr 1972 eine erschreckend eindeutige Antwort auf die Frage: „Das Grundgesetz geht davon aus, „dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist“. Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern „ein Teil Deutschlands neu organisiert […]. Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ‚Rechtsnachfolger’ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat ‚Deutsches Reich’, – in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings ‚teilidentisch’, so dass insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht.“[49]

Das Bundesverfassungsgericht selbst, stellte also fest, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht einfach ein Nachfolger des Hitlerreiches darstellt, sondern in seiner historischen, politischen und juristischen Kontinuität steht.

Der imperialistische und militaristische Staatsapparat verlieh sich zwar mit dem Grundgesetz ein neues bürgerlich-demokratisches Antlitz, an umfangreiche Entnazifizierungen und Enteignungen dachte allerdings niemand in der westlichen Besatzungszone. Vielmehr stiegen alte SS-Mörder und Nazi-Wissenschaftler weit in den Rängen der Bundeswehr, des Geheimdienstes und der Universitäten auf.[50] Die Monopole und Kriegstreiber behielten ihre Macht. Antimonopolistische Stimmen in der CDU wurden kaltgestellt und Massenproteste gegen Westanbindung, Aufrüstung und Fortsetzung der kapitalistischen Orientierung hart bekämpft. Vom Generalstreik 1948, dem größten Streik in der Geschichte Deutschlands, weiß heute kaum noch jemand. 9 Millionen Menschen in der britischen und amerikanischen Besatzungszone demonstrierten für gesellschaftliche Mitbestimmung, Enteignung der Schlüsselindustrien und eine Demokratisierung der Wirtschaft.[51]

Entgegen dieser Forderung wurde die Macht der Monopole restauriert. Die spätere Bundesrepublik erfuhr kaum Demontage, noch musste sie bedeutende Entschädigungen zahlen. Während die BRD ihre Entschädigungszahlen unter anderem mit Waffenlieferungen an Israel im Wert von 240 Millionen Euro abglich, zahlte die DDR alleine sämtliche Reparationen an Polen und die Sowjetunion.[52] Die Westalliierten verzichteten auf größere Reparationsansprüche gegenüber der Bundesrepublik, um sie nicht weiter zu schwächen. Mithilfe von tausenden ehemaligen und unbelehrbaren Nazis in den Reihen von CDU/CSU und FDP sollte die BRD zur antibolschewistischen Speerspitze gegen den Sozialismus aufgebaut werden.[53] Die BRD zahlte Reparationen in der Höhe von 3% ihrer Industriekapazität, während die DDR sie mit dem zehnfachen Wert übertraf. Unterdessen machte die USA Westeuropa, und vor allem die BRD, mit dem Marshallplan fit für die Aggression gegen den sozialistischen Block. Schon 1948 beauftragte Adenauer ehemalige Wehrmachtsgeneräle mit Studien zum Aufbau einer europäischen Armee. Der „Manteuffel-Plan“ schlug nur ein Jahr später die Aufstellung einer 600.000 Mann starken Stoßarmee für den Kampf gegen die Sowjetunion vor. Die Pläne wurden noch im selben Jahr mit Vertretern im US-Repräsentantenhaus diskutiert.[54]

Die Besatzungsmächte zögerten Gründungen von demokratischen und antifaschistischen Parteien hinaus, während sie die Bildung von Unternehmerverbänden unterstützten. Die Schlüsselpositionen in Staat und Wirtschaft wurden mit 300 Repräsentanten von Monopolunternehmen wie der Flick AG, der Deutschen Bank, der Thyssen AG usw. besetzt.[55]

Die in ihr absolutes Gegenteil umgekehrten Entnazifizierungsmaßnahmen, stießen selbst bei Teilen des amerikanischen Militärs auf Kritik. Der Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone, General Lucius Clay, zeigte sich 1946 enttäuscht: „Es wird mehr und mehr offenbar, dass das ganze Verfahren dazu benutzt wird, um so viele wie möglich ihren alten Berufen wiederzugeben, anstatt die Schuldigen festzustellen und ihrer Strafe zuzuführen.“[56] Alte Nazis konnten sich entweder mit korrekt ausgefüllten Fragebögen (sogenannten Persilscheinen) oder sich mit 2 Bürgen im Gepäck vor den vielen Spruchkammern selbst freisprechen.[57] Selbst wenn man die Zahl des bürgerlichen Historikers Wolfgang Benz heranzieht, der von 140.000 entlassenen Altnazis spricht, ist diese Zahl nichtig.[58] Denn im 1951 erlassenen Gesetz 131 wurden alle Personen, die bis zum 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst arbeiteten, rehabilitiert und wiedereingestellt.[59] Dieses Gesetz war angesichts einer Adenauer Regierung, in der 16 von 25 Staatssekretären eine schwer belastete faschistische Vergangenheit hatten nicht verwunderlich.[60] Im nie entnazifizierten Justizsystem ging die Strafverfolgung von Nazis und Kriegsverbrechern immer deutlicher in die Richtung flächendeckender Amnestie und sogar Entschädigung.[61] Nur ein Jahr zuvor im September 1950 beschloss die Bundesregierung Mitglieder der KPD oder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) aus dem öffentlichen Dienst zu suspendieren,- die Mitgliedschaft wäre mit den Dienstpflichten unvereinbar.[62] Das umfassende Verbot des VVN platzte 1962, weil die braune Vergangenheit der Richter und des Staatsanwaltes schließlich ans Licht kam und die Regierung dann doch den internationalen Skandal fürchtete. Zu diesem Zeitpunkt waren die FDJ und KPD schon längst von alten Nazi Richtern verboten und ihre Mitglieder verhaftet worden.

Die personellen Kontinuitäten im Staatsapparat der BRD waren gravierend: Noch Ende der 1960er Jahre hatten 75 Prozent der Mitarbeiter des BKA eine NSDAP-Mitgliedschaft, und 50 Prozent waren ehemalige SS-Mitglieder. In der Führungsebene des Justizministeriums lag die NSDAP-Quote 1966 bei 66 Prozent.[63]

Genau dieser neofaschistischen Bewegung in der Bundesrepublik wollen wir uns im Folgenden widmen, um besser zu verstehen, welche Kräfte ab 1990 auf den Osten Deutschlands einwirken und welche Kontinuitäten des Neofaschismus bis heute fortbestehen.

3.2         Die Reorganisierung des Neofaschismus: Geburtsstunde der Neuen Rechten

Warum widmen wir uns der Neuen Rechten in Westdeutschland, wenn wir doch den Neofaschismus in Ostdeutschland verstehen wollen? Weil hier politische Kräfte aufgebaut wurden die bis heute Gewalt und Chauvinismus verbreiten: Im Ostdeutschland der 1990er und der Bundesrepublik im Allgemeinen wirken sie damals wie heute und stärker denn je. Eine Beschäftigung mit der Geschichte rechter und neofaschistischer Parteien deckt auf, wie diese immer wieder aus der CDU hervorgehen und von Beginn an bestens in die herrschende Klasse integriert sind, und zwar finanziell, aber auch durch Netzwerke und Kontakte.

Nach 1945 wirkten neofaschistische Kräfte nicht nur innerhalb des Staatsapparates, der Bundeswehr und der Polizei, sondern auch in breiten gesellschaftlichen Organisationen. Die 1949 gegründete Sozialistische Reichspartei (SRP) übernahm die NSDAP Programmatik nahezu wortgemäß, während die 1964 gegründete NPD gemäßigter auftrat. Das Verbot der SRP 1952, diente dabei als juristische Blaupause für das KPD-Verbot. Die SRP-Mitglieder konnten sich umgehend als Deutsche Reichspartei neu aufstellen.[64]

Die NPD achtete trotz, und vielleicht gerade wegen, ihrer dutzenden Nazi-Biografien darauf einen „gesitteten Konservatismus“ zu vertreten. Die Partei hielt dabei gute und persönliche Kontakte zur CDU/CSU und lies sich vom Bonner Verteidigungsministerium, sowie Teilen der Bundeswehrführung finanzieren.[65]

Die ideologische Basis dieser neofaschistischen Strömungen wurde von intellektuellen Zirkeln wie dem 1949 gegründeten „Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes“ mit rund 3.000 Mitgliedern gestärkt. Die ab 1960 offen mit der NPD kooperierende Kaderschmiede und Verlagsstätte erhielt finanzielle Zusprüche vom Bundesverband der deutschen Industrie.[66] Dieser entlang der CDU/CSU organisierte Neofaschismus hatte seine Massenbasis lange Zeit in verschiedenen SS- und Wehrmachts-Traditionsvereinen und im erzreaktionären und revanchistischen „Bund der Vertriebenen“, der eigenen Angaben zufolge 2 Millionen Mitglieder zählte.[67] In weiteren Verbänden und Landsmannschaften tummelten sich CDU-Bundestagsabgeordnete gleichermaßen wie alte SS-Offiziere. Wobei ohnehin CDU-Mitgliedschaft und gleichzeitige SS-Vergangenheit keine Seltenheit waren.[68] Die SS-Traditionsverbände zählten 40.000 Mitglieder,- unter ihnen waren auch viele Bundeswehr-Offiziere.[69]

Ab den 1970er Jahren vollzog sich in diesen Kreisen ein erkennbarer Wandel, der zur Geburtsstunde der „Neuen Rechten“ wurde. Mit dem Regierungsantritt der Sozialliberalen Koalition von SPD und FDP, sowie den Studentenprotesten von 1968/69, geriet einige Dynamik in die Reihen dieser neofaschistischen Strukturen. Die NPD war in nahezu allen Landtagen vertreten und verfehlte 1969 den Einzug in den Bundestag nur knapp,- scharfe Diskussionen und Abspaltungen waren die Folge.[70] 1971 war die Partei bereits auf die Hälfte ihrer Mitglieder (14.000) geschrumpft und deutlich stärker vom offen neofaschistischen Flügel der Partei dominiert. Damit einher ging das schlechte Image der Partei als extremistische Splittergruppe.[71]

Um die SPD und FDP, aber auch die CDU selbst unter Druck zu setzen inspirierte Franz Joseph Strauß (CSU) 1971 die Gründung der neofaschistischen Deutschen Volksunion (DVU).[72] Schon ein Jahr zuvor äußerte sich Strauß in Bezug auf das CDU-NPD Verhältnis wie folgt: „Man muß sich der nationalen Kräfte bedienen, auch wenn sie noch so reaktionär sind. Hinterher ist es immer möglich, sie elegant abzuservieren. Denn mit Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein“.[73] Nur brauchten diese Hilfstruppen einen neuen Anstrich. Die politische Mission dieser neuen Bewegung brachte die Zeitung „Nation Europa“ folgend auf den Punkt: „Die deutsche Rechte insgesamt ist zur Zeit ein ziemlich desolater Haufen, der – will er nicht warten, bis das Rad der Weltgeschichte endlich auch einmal griffbereit an ihm vorbeischwingt – erst wieder Tritt fassen kann, wenn er es zu einer vernünftigen Konzeption in theoretischer und strategischer Hinsicht gebracht hat.“[74] Im Zuge der DVU-Gründung entwickelte die neofaschistische Bewegung der 1970er zunehmend eine Selbstkritik ihrer Strategie, Taktik und ihres Auftretens.

Faschistische Gruppen und Arbeitskreise wie das „junge Forum“ in Hamburg und die „Initiative der Jugend“ in Berlin beschäftigten sich schon bereits länger mit dem „Theoriedefizit“ in den Reihen ihrer Bewegung und drängten auf eine intellektuelle Neuorientierung.[75] Diese neue Generation stand in festen Austausch zu Gleichgesinnten und ihren Organisationen in ganz Europa. Auf sogenannten „Jungeuropa“-Konferenzen und Schulungen vernetzten sich ab den späten 1960ern vorrangig spanische, portugiesische, französische, britische und deutsche Faschisten.[76]

Derartige Initiativen zur Neuorientierung einer rechten Avantgarde wurden zunehmend aus dem rechten Rand von CDU und CSU unterstützt. Die Streitigkeiten in der NPD um einen nationalkonservativen Kurs entgegen dem Willen militanter Gruppierungen sorgte für Richtungskämpfe und Unklarheiten, die letztlich zur anhaltenden Krise der NPD führen sollten und gleichzeitig den Aufstieg der DVU unterstützten.

Der sowjetische Historiker Frumkin offenbart im Verhältnis NPD-CDU/CSU eine interessante historische Kontinuität: „Trotz der Mißerfolge und Niederlagen der Neonazis in den letzten Jahren braucht das Monopolkapital der BRD die NPD und die anderen neonazistischen Gruppierungen. Und vor allem werden sie von der CDU/CSU benötigt, der politischen Hauptpartei der aggressiven Kreise des Monopolkapitals in der BRD. Die NPD funktionierte schon als „Stoßtrupp der CDU/CSU“, als diese an der Spitze der Bonner Regierung standen. CDU/CSU konnten immer weiter nach rechts rücken und sich den Anschein geben, als wollten sie die „gemäßigte“ und „liberale“ Linie gegen den „Extremismus“ und „übertriebenen“ Nationalismus der NPD verteidigen.“[77] Auch in dieser Hinsicht benötigten CDU und CSU neue, weniger verbrauchte politische Kräfte.

3.3         Ideologische Modernisierung

Der Neofaschismus vollzog ab den 1970ern zunehmend eine ideologische Modernisierung ihrer Leitlinien. Die wesentliche ideologische Entwicklung bestand dabei in einer Retuschierung der „nationalsozialistischen“ Ideologie durch eine Zuwendung zu präfaschistischen Ideen.[78] Grundlegende weltanschauliche Prinzipien wurden mit Elementen aus dem traditionellen faschistischen Denken sowie Theorien der bürgerlichen Soziologie, Politikwissenschaft, Anthropologie und Pädagogik kombiniert.[79] Mit Bezügen auf Ideologen der Konservativen Revolution wie Ernst Jünger, Oswald Sprengler, Arthur Moeller van den Bruck und Carl Schmitt ließ sich scheinbare Distanz zu einem offenen Hitler-Bezug herstellen. Sie alle waren als Intellektuelle in der Weimarer Republik tätig, verfassten zahlreiche Bücher und Denkschriften, die sich die Befürwortung nationalistischer und völkischer Expansionspolitik teilten. Sie verknüpften nationale Stärke, Einheit und Kultur mit Vorstellungen von Kampf, Raum und Macht, die in der Lebensraum-Ideologie der Faschisten aufgegriffen und radikalisiert wurden. Dabei kultivierten sie bereits die ersten Ideale des Nazi-Militarismus.

Eine Schlüsselfigur bei der ideologischen Neuformierung der neofaschistischen Bewegung war der Schweizer Armin Mohler. Mit seiner Dissertation „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932“ (1950) legte er einen der wichtigsten Grundlagentexte für die Neue Rechte vor. Mohler, der 1942 aus der Schweizer Armee desertierte, um sich der Waffen-SS anzuschließen, schuf eine ideologische Tradition, die sich vom historischen „Nationalsozialismus“ abgrenzte, ohne jedoch die faschistischen Ideen aufzugeben.[80] Er betrieb eine Ehrenrettung des Faschismus und machte Konzepte populär, die wir bis heute von der Neuen Rechten kennen: Bewaffnung der Sprache, Metapolitik und Arbeit im vorpolitischen Raum. Später mehr dazu.

Nach dem Krieg engagierte Mohler sich als Privatsekretär von Ernst Jünger und blieb zeit seines Lebens in engem Kontakt mit Carl Schmitt.[81] Mohlers Ideen schienen schnell Anklang in herrschenden Kreisen zu finden: Ab den 1960ern holt ihn die Siemens-Stiftung als Vorsitzenden ins Boot. Als regelmäßiger Autor für Zeitungen wie die Zeit oder die Welt erlangte Mohler erheblichen Einfluss auf den westdeutschen Konservatismus. Über seine Kontakte zu Franz Josef Strauß verfügte er zeitweise über einen direkten Zugang zur BRD-Politik.[82] Alle größeren Parteien, Verlage und Arbeitskreise, die der Neuen Rechten nahestanden, trugen später seine ideologische Handschrift. Sein Einfluss reichte tief hinein in die Führungsriegen der Deutschen Volksunion (DVU) und Republikaner (REP). In der Criticon oder der jungen Freiheit schrieb er nicht nur regelmäßig, sondern leistete auch Aufbauhilfe. Der Mohler-begeisterte Verleger und neurechte Stratege Götz Kubitschek bezeichnete ihn später als „Vordenker und Mentor unseres politischen Milieus“.[83] Es ist fraglich ob Mohler ohne das Kapital des ehemaligen Zwangsarbeitskonzerns Siemens so weit gekommen wäre,- in der Stiftung zog er noch bis 1985 die Fäden und scharte zahlreiche Gleichgesinnte um sich.[84]

Was ist nun das Neue an dieser Neuen Rechten? Der sowjetische Historiker Frumkin stellt fest: „Die Lehre der „konservativen Revolution“ richtete sich in erster Linie gegen die Ideologie der Arbeiterklasse, gegen den Marxismus. Sie lehnte aber jede Demokratie, auch die bürgerliche, jeden Parlamentarismus und Liberalismus, alle humanistischen Gleichheitsideen der Aufklärung und der französischen bürgerlichen Revolution, jeden Glauben an Menschenverstand und gesellschaftlichen Fortschritt rundweg ab.“[85]  In diesen rassistischen Ideen einer klaren Ordnung der Völker, von biologisch überlegenen Rassen, Lebensräumen und einer völkischen Reinkultur tauchen bereits die Versatzstücke der faschistischen Ideologie auf.

Was die Faschismusforschung der DDR und Sowjetunion bereits als ideologische Modernisierung erkannten und wir heute als Neue Rechte bezeichnen ist ein integraler der neofaschistischen Bewegung. Intellektuelle, Neurechte Denkfabriken und Organisationen der Konservativen Revolution sind objektiv Teil der gleichen politischen Bewegung die auch neofaschistische Schlägerbanden und nationalrevolutionäre Kleingruppen hervorbringt. Die Neue Rechte arbeitete gezielt in die Reihen des westdeutschen Konservatismus und bewegte sich in der Grauzone zwischen faschistischer Bewegung, Konservatismus und Liberalismus. Die Ideologie der Neuen Rechten ist eindeutig neofaschistisch.

Entlang des politischen Werdegangs der Deutschen Volksunion und der Republikaner können wir das plastischer machen. Sie waren neben der NPD die ersten beiden größeren Projekte zur Rehabilitierung einer faschistischen Partei in Deutschland.

3.3.1        Die Deutsche Volksunion

Die Deutsche Volksunion (DVU) wurde als Sammlungsbewegung genau dieser ideologischen Linie hochgezüchtet. Gerhard Frey, ihr Gründer, Geldgeber und politischer Führer, war der perfekte Kandidat für ein solches Projekt. Er pflegte enge Beziehungen zur CSU und Franz Joseph Strauß und war durch sein millionenschweres Verlagsimperium wohlwollend in die Kreise des deutschen Kapitals integriert.[86] Sein Beziehungsgeflecht reichte von BND-Gründer Reinhard Gehlen bis zum BRD-Innenminister Seidl. Mit dem ab 1969 einsetzenden Abwärtskurs der NPD und Sammlungsbewegungen wie Aktion Widerstand (viele gingen wieder zur CDU über) erkannten Gerhard Frey und seine Netzwerke die Gunst der Stunde. Frey beklagte, dass beide Organisationen „zu eng“ angelegt gewesen seien und sprach sich für eine offenere Partei aus. Die DVU-Mitgliederzeitung schrieb 1971: „Letzter Anlass für die Gründung war die sich steigernde Kapitulationspolitik der roten Regierung gegenüber dem Osten, insbesondere die Verträge von Moskau und Warschau … Die DVU ist keine Partei. Sie will alle verfassungstreuen Kräfte von mitte bis rechts zusammenführen“[87] Die rechtskonservative Stahlhelmfraktion innerhalb der Union versprach sich von der DVU-Gründung einen ständigen revanchistischen und extremen antikommunistischen Druck auf CDU und CSU. An der Gründungskonferenz beteiligten sich mehrere NPD, CDU und CSU-Mitglieder und zahlreiche Altnazis.[88] Mit der offen neofaschistischen Aktion Widerstand, kam es zuvor zu Absprachen. Sie begrüßten die Gründung, da sie in der DVU größere Möglichkeiten sahen „ins bürgerliche Lager zu wirken“.[89] Die aus der Aktion Widerstand stammenden Verleger der Zeitschrift Mut wandelten ihr Organ schrittweise zu einer nationalkonservativen neurechten Zeitschrift um, in der fortan auch CDU-Mitglieder publizierten. Selbst Helmut Kohl verfasste für die Zeitung einen wohlwollenden Leserbrief und gab sich als regelmäßiger Leser zu erkennen.[90]  Die DVU war mit ihrem Programm die erste größere politische Kraft, die ihre Politik im Sinne der Konservativen Revolution antrat. Die Kampagnen der DVU, für die man sich intellektuelle Rechte aus ganz Europa einlud, wurden zu einem zentralen Bindeglied hinein in liberal-konservative Kreise.

Die Deutsche Volksunion konnte sich durch die umfangreichen finanziellen Mittel und Netzwerke Freys beständig formieren und ab 1976 zu einer festen politischen Kraft heranwachsen. In den 1980er Jahren sollte die Partei auf eine Mitgliederstärke von anfänglichen 15.000 bis 25.000 ansteigen und in den 1990ern erste größere Wahlerfolge verzeichnen. An den Positionen der DVU zu Fragen der Migration, Europapolitik und dem Verhältnis zum deutschen Faschismus im Sinne einer Schuldkultbekämpfung wird die programmatische Nähe zur heutigen AfD deutlich.[91]

3.3.2        Die Republikaner

Mit dem Niedergang der sozialliberalen Regierung und dem neuen Antritt der CDU/CSU im Jahr 1982/83 entstand 10 Jahre nach der DVU-Gründung ein neuer Impuls. Der radikal-antikommunistische rechte Flügel der CDU war entsetzt über die von Franz Joseph Strauß bewilligten Milliardenkredite an die DDR und den vermeintlichen Linkskurs in der CDU/CSU. Dies führte 1983 zur Gründung der Republikaner durch die CSU-Mitglieder Ekkehard Voigt und Franz Handlos.[92] Ein weiteres Gründungsmitglied, der Fernsehmoderator Franz Schönhuber, war 1981 wegen beschönigender Aussagen zur Waffen-SS aus dem Dienst entlassen wurden.[93] In den Jahren zwischen 1985 bis 1989 kletterte die Mitgliederzahl der Republikaner von 2.500 auf 25.000 und die Partei zog in mehrere Landtage ein.[94]

Der Konservatismus in der Partei wurde zunehmend um nationalistische und revanchistische Ideen ergänzt. Hinter dieser Entwicklung standen die Politik Schönhubers und die Denkfabrik Deutschlandrat. Der Deutschlandrat entstand auf Initiative Armin Mohlers als Arbeitsgruppe der millionenschweren Siemens-Stiftung.[95] Vorsitzender Franz Schönhuber konnte sich mit seinem  Kurs der Unterstützung aus den Reihen der Mitgliederstarken Vertriebenenverbände sicher sein und die Partei für zahlreiche Neofaschisten öffnen.[96] Auch hier entstand eine interessante Parallele zur AfD, die ebenfalls als konservative Korrektur zur CDU entstand und sich anschließend immer tiefer ins neofaschistische Spektrum bewegte. Auch hier hatte eine Neurechte Denkfabrik entscheidenden Einfluss: das Institut für Staatspolitik. Ohne solche Denkfabriken wäre die Neue Rechte der Bundesrepublik kaum denkbar. Sie schulen Funktionäre und Kader, organisieren Strategien und Taktiken und knüpfen breite Netzwerke.

3.3.3        Verlage, Zirkel und Arbeitsgruppen

Eine nennenswerte Entwicklung dieser Neuorientierung in der neofaschistischen Bewegung war die Gründung des Thule Seminars im Jahr 1980. Die von Pierre Krebs und dem Verlegerehepaar Grabert in Kassel gegründete Denkfabrik versammelte zahlreiche Mitglieder von CDU/CSU, NPD und DVU mit dem Ziel Strategiedebatten „zur Erringung der kulturellen Hegemonie“ zu führen und eine „Kulturrevolution von rechts“ durchzuführen.[97] Neben dem Thule Seminar fungierte die Zeitschrift Criticon als Theorieorgan für rechtskonservative und neofaschistische Intellektuelle.[98]

Im Zusammenhang mit diesen neuen Entwicklungen entstand 1986 ein weiteres wichtiges Organ zur Debatte und strategischen Orientierung:  die junge Freiheit. Die Zeitung richtete sich vorrangig an studentische Kreise und widmete sich „Aktivitäten im nationalkonservativen vorpolitischen Raum“.[99] Sie vollzog damit den Spagat zwischen Konservatismus und neofaschistischen Kreisen. Auch die Gründer des Instituts für Staatspolitik Karl Heinz Weitzmann und Götz Kubitschek schrieben regelmäßig für die Junge Freiheit, welche ab den 1990ern auch Sommeruniversitäten organisierte. Heute sind zahlreiche Mitglieder und Sprecher der AfD ehemalige Autoren des Blattes.[100] Der CDU-Stahlhelmer und spätere AfD-Bundessprecher Alexander Gauland offenbarte in einem Interview: „Wer die AfD verstehen will, muss die ,Junge Freiheit’ lesen.“[101]

Durch den Aufschwung der Neuen Rechten wurde im Theorieorgan Criticon breit darüber diskutiert, wie Parteien wie die Deutsche Volksunion (DVU) und Die Republikaner dazu beitragen können, vermehrt Einfluss auf den Konservatismus in Deutschland zu nehmen. Darüber hinaus wurden Bestrebungen zur Formierung einer geeinten Partei diskutiert, wodurch der Blick zahlreicher Autoren auch vermehrt auf die Republikaner fiel. 1989 formulierte der Neurechte Ideengeber Karl-Heinz Weißmann: „In dieser Perspektive erscheinen die Republikaner eher als erster Aggregatzustand einer künftigen konservativen Basisbewegung, die innerhalb und außerhalb des parlamentarischen Raumes agieren muss.“[102]

3.4         Schlussfolgerungen

Die neofaschistische Bewegung war historisch immer entlang des rechten Randes der CDU/CSU organisiert. Die Neue Rechte, ihre Denkfabriken, Parteien und Zeitungsorgane forcierten und bestärkten diese Orientierung auf konservative und liberale politische Kreise. Die Reorganisierung der neofaschistischen Bewegung bedeutete eine Hinwendung zu den Ideen der Konservativen Revolution und der Strategie des Hineinwirkens in liberale gesellschaftliche Kreise. Projekte wie die Deutsche Volksunion oder die Republikaner, die der CDU/CSU abtrünnig wurden, sollten die neofaschistische Bewegung politisch reorganisieren, um in das konservativ-liberale Lager hineinzuwirken. DieNeue Rechte der 1970er und 80er warebenso in kleineren Verlagen, Zirkeln und Arbeitskreisen organisiert, um parteipolitisch-unabhängig Einfluss nehmen zu können.

Die Führung der DVU und der Republikaner waren jederzeit bestens in die Kreise der herrschenden Politik integriert. Auch Teile des deutschen Kapitals standen den Neuen Rechten hilfsbereit zur Seite – die Siemens-Stiftung bot Neofaschisten jahrelang einflussreiche Spitzenposten; die Daimler-Benz-Stiftung finanzierte das neurechte Studienzentrum Weikersheim; auch die Zeitung der NPD wurde durch Inserate von Konzernen wie Bayer und Bertelsmann unterstützt.[103] Diese Parteien waren Projekte die man gezielt im Interesse des BRD-Imperialismus und seiner Politik aufbaute. Die antikommunistischen, revanchistischen und faschismusrelativierenden Theorien sollten im nationalistischen Freudentaumel der „Wiedervereinigung“ gefragter sein denn je. Im Rahmen der „DDR-Aufarbeitung“ konnten die DDR und ihr Antifaschismus nicht genug geschmäht werden.

In der BRD zählten allein die Mitgliederzahlen der DVU, der Republikaner und der NPD in den 1980er Jahren zusammen etwa 58.000 organisierte Anhänger neofaschistischen Gedankengutes.[104] Hinzu kommen die Mitglieder der zahlreichen SS- und Wehrmachtstraditionsverbände sowie der Landsmannschaften und Vertriebenenverbände und der dutzenden neofaschistischen Kleingruppen. Das Entscheidende ist: Sie alle konnten legal arbeiten und wurden staatlich unterstützt. Reinhard Opitz untersucht dieses gesamte Spektrum in seiner Breite und Gänze deutlich genauer. Ein Blick in seine Schrift „Faschismus und Neofaschismus“ lohnt sich also.

Eine Arbeitsgruppe des Institutes für Staatspolitik zieht folgendem Schluss: „Allerdings ist schwer vorstellbar, dass es ohne Zusammenbruch des Ostblocks und die Wiedervereinigung Restdeutschlands so rasch zu einer Renaissance der konservativen Rechten gekommen wäre.“[105] Die etablierte BRD-Politik,- seine Medien und Geheimdienste lieferten die nötigen Argumente, Finanzen und Straffreiheiten für die Wiedergeburt rechten Terrors und Fremdenhasses.

4          Neofaschismus in der DDR

Bei diesem Thema offenbart die deutsche Medienlandschaft abermals, mit welchem Eifer gegen die DDR gehetzt wird, um sich selbst von den eigenen faschistischen Kontinuitäten in der BRD reinzuwaschen. Die auf ihr Ende zusteuernde DDR sei von Neonazis durchsetzt gewesen. Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt von einer „vertuschten Gefahr“[106], während der Deutschlandfunk erkannt haben will, dass der Neofaschismus ein hausgemachtes Problem gewesen sei und unter der Oberfläche der DDR regelrecht gebrodelt habe.[107] Dabei beziehen sich nahezu alle Artikel prominent auf den Skinhead-Überfall auf die Zionskirche im Jahr 1987.

Ziehen wir Bilanz und legen unser Augenmerk auf den Niedergang der DDR. Die immer offeneren Auflösungstendenzen im Sozialismus brachten in den späten 1980er Jahren auch vereinzelte neofaschistische Aktivitäten hervor. Zusammenschlüsse von Neonazis vor der Grenzöffnung waren maßgeblich von faschistischen Strukturen aus der BRD und ihrer Subkultur beeinflusst. Der Aufbau von braunen Netzwerken und Gruppierungen war kaum möglich. Diese, in ihrer Organisierung stark gehinderten, Gruppierungen waren marginal und wurden (wie jegliche faschistische Propaganda) verfolgt.[108] Die Größe neofaschistischer Zusammenhänge überstieg kaum die von Kleingruppen mit 10-12 Anhängern.[109]

Und dennoch: In Teilen gewaltorientierter Fußballfans und der ohnehin von Antikommunismus geprägten „Subkultur“ in der DDR entwickelten sich rassistische und nationalistische Skinhead-Gruppen, nach westlichem Vorbild.[110] Ein verordnetes Schweigen über diese Umtriebe gab es nicht. Die Aktuelle Kamera der DDR berichtete beispielsweise umfangreich über Grabschändungen auf dem jüdischen Friedhof in Ostberlin. Filme wie „Unsere Kinder“ setzten sich mit der entstehenden neofaschistischen Szene auseinander.[111] Der Gerichtsprozess gegen die neofaschistischen Schläger von der Zionskirche wurde sowohl medial als auch öffentlich begleitet.[112]

Die Behörden der DDR, die mit Abteilungen in der Staatssicherheit solche Umtriebe genau beobachteten, reagierten umgehend mit Repressionsmaßnahmen. Allein im Jahr 1988 wurden 94 Skinheads für ihre Hetze und Fremdenfeindlichkeit verhaftet, und eine Arbeitsgruppe des Innenministeriums zur Erforschung und Bekämpfung der rechten Skinheads wurde aufgestellt. In den FDJ-Gliederungen wurden diese Entwicklungen diskutiert und sich über mögliche Gegenmaßnahmen beraten.[113]

In den Diskussionen der FDJ wurde gleichermaßen ein schwindender Einfluss auf die Jugend konstatiert. Gleichzeitig ergaben die Gerichtsprozesse gegen die faschistischen Schläger, dass bereits in den Arbeits- und Schulkollektiven kaum eine Auseinandersetzung mit der Denk- und Handlungsweise der Neonazis stattfand. Eine Ursachenforschung der Sektion Kriminalistik der Humboldt-Universität zu Neofaschisten und Rechtsradikalen ergab im Dezember 1989, dass die fruchtbare und gezielte Agitation westlicher Neofaschisten sowie die gesellschaftlichen Probleme in der DDR zwei Hauptursachen darstellten.[114]

Die Vermittlung antifaschistischer Inhalte in den FDJ-Jugendprogrammen und dem Schulunterricht der DDR war offensichtlich nicht mehr so fruchtbar wie zu Beginn der DDR. Auch die antifaschistischen Massenorganisationen standen teilweise weit abgeschlagen neben ihren eigentlichen Aufgaben und häuften Karteileichen an. Anspruch und Wirklichkeit des DDR-Antifaschismus klafften immer offener auseinander. Das schrittweise Zusammenbrechen des Arbeiter- und Bauern Staates zeigte sich am deutlichsten im Versagen der Massenorganisationen und der SED, welche die Interessen und Entwicklungen in der Gesellschaft weder konstruktiv aufnehmen konnten, noch dazu fähig waren mit Unzufriedenheiten umzugehen. Wo die gesellschaftlichen Organisationen des Sozialismus versagten und nicht mehr ein Ort der Kollektivität und des gemeinsamen Zusammenlebens darstellten, entstanden Individualismus, Zynismus, Rückzug ins Private und Apolitische oder eben in Szenen und Subkulturen wie die der Neonazis.

Die Untersuchungen der Arbeitsgruppe des DDR-Innenministeriums legten offen, dass sich Neo-Nazis aus Ost und West konspirativ trafen und austauschten: „Das Knüpfen von kommunikativen Verbindungen diente der Entwicklung von Kommunikationsbeziehungen. Die Kommunikation diente dem Transport von Informationen und dem Materialaustausch. Diese Kooperation war daher geeignet, den beteiligten Gruppen Anstöße zur weiteren Entwicklung zu geben. Um kooperationsfähig zu sein, müsste man etwas „bieten“ können, mit Organisationsqualität und Erfolgen eigener Aktivitäten aufwarten können.“[115] Besonders häufig seien Propagandamaterialien der Republikaner, der Freien Arbeiter Partei (FAP) und der NPD durch direkte Reisen und konspirative Treffen in DDR in Umlauf gebracht worden.[116] Hinzu kam die von V-Leuten infiltrierte Nationalistische Front die Kontakte in die Skinhead und Hooligan Szene der DDR aufbaute.[117] Kader der Nationalistischen Front nutzten beispielsweise Kontakte hinein in Ostberliner Fußballclubs wie Union Berlin und den BFC-Dynamo. Anführer Andreas Pohl erhielt deswegen ab 1985 ein Einreiseverbot in die DDR.[118] Später sollte sich der Rechtsradikalismus quer durch die Fußballclubs der ehemaligen DDR-Ligen ziehen: Lokomotive Leipzig, Energie Cottbus, Hansa Rostock und der Chemnitzer FC blicken bis heute auf rechte Strukturen in ihren Reihen zurück. Im Falle des Chemnitzer FC seien hier die Gruppen HooNaRa (Hooligans, Nazis, Rassisten), die NS-Boys oder Kaotic Chemnitz erwähnt. Von ihnen gehen seit den Neunzigern brutale Gewaltaktionen aus, wie der Mord an Patrick Thürmer, Kontakte zum NSU (Nationalsozialistischen Untergrund) oder die Hetzjagden in Chemnitz 2018.

Zurück zur DDR: Dort entstand der Neofaschismus nicht als der Sozialismus stark war, sondern als er bröckelte – allein das ist bezeichnend für die letzten Jahre des Sozialismus. Vorbild der jungen Nazis war immer die neofaschistische Bewegung des Westens, die fleißig Impulse lieferte.

Die Ermittlungen der Staatssicherheit ergaben ein rechtsradikales Personenpotential von 1067 Personen, größtenteils Skinheads. Die größtenteils in Berlin ansässigen Rechtsradikalen waren bestens mit Westberliner Neofaschisten vernetzt. Sie nutzten ihre Musik und ihr Propagandamaterial.[119]

Kaderschulungen, eigene Organe, größere Vernetzungsmöglichkeiten, geschweige denn staatliche Finanzierung oder Unterstützung – das war undenkbar solange die SED an der Macht blieb.

Die antifaschistische Kultur und Bildung wurde von der Paralyse und Entfremdung nahezu aller Organisationen der DDR erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Zahlreiche nach 1990 vorgenommene Studien weisen trotzdem eindeutig nach, dass die ostdeutsche Gesellschaft ein deutlich höheres „Problembewusstsein und Wissen über die faschistische Vergangenheit“ hatte – und zwar in allen Generationen. Ein Abwärtstrend der Jahrgänge ab 1972 wird zwar an verschiedenen Stellen deutlich,- übertraf dennoch weiterhin den Wissensstand der BRD-Bevölkerung.[120] In diesem Abwärtstrend zeigt sich das Problem der DDR-Organe mit Generationen umzugehen, die in den Sozialismus hineingeboren wurden und viele politische und soziale Errungenschaften für Selbstverständlich hielten.

Eine Emnid Umfrage aus dem Jahr 1991 (da war die neofaschistische Bewegung im Osten bereits stark) stellte fest das 16% der Westdeutschen Bevölkerung eine „extrem antisemitische“ Einstellung vertraten, während dies nur für 4% der DDR-Bevölkerung zutraf.[121] Deutlicher wird die Tendenz anhand von Straftaten. In 40 Jahren DDR wurden 85 jüdische Friedhöfe geschändet. Die BRD verzeichnet im gleichen Zeitraum 1400 Grabschändungen.[122]

Vor Öffnung der Grenze waren von der BRD freigekaufte Faschisten ein bedeutender Faktor zum Aufbau von Verbindungen in die DDR hinein. Im Gegensatz zur BRD waren die Gefängnisse der DDR gefüllt mit alten und neuen Nazis. Sie saßen ein für Verbrechen im Hitlerfaschismus oder Rassenhetze, Gewaltaktionen oder Propaganda in der DDR – häufig jedoch in den gleichen Gefängnissen und mit Möglichkeiten zum Austausch untereinander.[123] Um sich Devisen zu beschaffen überlies die DDR-Häftlinge, die ohnehin in ausreisen wollten, der Bundesrepublik und erhielt im Gegenzug mehrere tausend D-Mark pro Häftling. Von dem Geschäft profitierten auch dutzende Faschisten die in den Gefängnissen kaum politische Arbeit leisten konnten.[124] Sie erhielten in der BRD ihre Freiheit, galten zum Teil als politisch verfolgt und konnten ihre Arbeit wieder aufnehmen. An diesem Beispiel wird besonders deutlich zu welch fatalen Fehlschlüssen das Devisenproblem in der DDR führen konnte.

Unter den freigekauften Faschisten waren nicht wenige, die nach 1990 wieder ihre Arbeit im Osten aufnahmen. Da ist beispielsweise, der 1967 inhaftierte und ein Jahr später freigekaufte, Faschist Arnulf Priem. Er konnte seine Erfahrungen aus der DDR in Michael Kühnens Netzwerk Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front einbringen. Auch ein späterer Cottbusser Führungskader des Netzwerkes war in den 1980ern zuerst für Verbindungsaufnahme zu Westnazis inhaftiert worden, wurde dann aber freigekauft und ebenfalls in das besagte Netzwerk aufgenommen.[125]

Das Netzwerk stellte sich in den 1980ern zunehmend zu einer breiten Dachorganisation zusammen, die nicht nur Kontakte in die DDR in den Blick nahm, sondern auch bestens mit Neofaschisten aus den USA und weiteren Ländern vernetzt war.[126] Die Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) unterhielt dutzende Vorfeldstrukturen und enge Kontakte zu zahlreichen Parteien.[127] Nicht nur die Vorfeldorganisationen, sondern auch die Führungsriege waren mit V-Leuten durchsetzt, die ihre nicht gerade knappen Verfassungsschutz-Gehälter in die politische Arbeit investierten.[128] Der Anführer Michael Kühnen war nicht nur europaweit in der faschistischen Bewegung vernetzt, sondern unterhielt auch Kontakte zum Verfassungsschutz. Während das niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz sämtliche Akten zu diesen Umtrieben und Netzwerken nicht mehr vorfinden kann, deckt ein Dossier der Staatssicherheit die Verbindungen auf. Die Staatssicherheit, welche seit 1970 Untersuchungen zu Kühnen sammelte und seine politische Arbeit genau beobachtete stellt in einem Bericht fest, dass Kühnen nach einer Haftentlassung 1982 mit einem Fahrzeug des niedersächsischen Verfassungsschutzes (LfV) vom Gefängnis abgeholt wurde.[129] Der überlieferte „Sachstandsbericht“ der für funkelektronische Aufklärung zuständigen Hauptabteilung (HA) III zog folgendes Fazit: „Möglicherweise war die mehrjährige Inhaftierung des K. dazu genutzt worden, ihn als Informanten oder für eine Zusammenarbeit in anderer Form zu gewinnen.“[130] Wenige Jahre später entwickelten Kühnen ein Strategiepapier für die Dachorganisation GdNF, namens „Arbeitsplan Ost“. Diesen Arbeitsplan nahmen sich sämtliche Vorfeldstrukturen, sowie andere neofaschistische Organisationen und Parteien an. Die Grenzöffnungen vom 9. November 1989 gaben den Startschuss. Michael Kühnen konnte laut eigenen Aussagen, „mithilfe ortsansässiger Kameraden“ einen Grenzübergang passieren.[131] Dutzende Neofaschistische Kader folgten Kühnens Polit-Joint-Venture in die DDR.

5          Aufbau einer neofaschistischen Bewegung in Ostdeutschland

5.1         Übersiedeln, Anheizen, Losschlagen – Nazis nach der Grenzöffnung

Die nun in der DDR aktiven Neofaschisten bauten Strukturen und Gruppen auf und gingen rasch dazu über Immobilien und Häuser zu kaufen, oder zu besetzen, um ganze Stadtviertel zu dominieren. Es sollte nicht lange dauern bis diesem, vor allem auf die Jugend fokussierten Aufbau, Gewaltakte und Pogrome gegen Antifaschisten und Ausländer folgten. Unter der Schirmherrschaft Michael Kühnens und des Netzwerkes Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front, wurden Ableger der FAP und NPD aufgebaut und dutzende neue Organisationen aus dem Boden gestampft,- so auch die Lichtenberger Front, oder die Deutsche Alternative.[132] Unter die Montagsdemonstrationen mischten sich immer häufiger und auffälliger neofaschistische Akteure, die einen Anknüpfungspunkt im antikommunistischen Charakter der Demos fanden. Neofaschisten konnten spätestens ab März 1990 unwidersprochen mit Bannern und Transparenten auftreten.[133]

Die Amnestie für politische Gefangene der DDR vom 6. Dezember 1990 stärkte von einer Entlassung zur Nächsten schrittweise die Reihen der Neofaschisten.[134] Unter Ihnen waren auch die Schläger vom Überfall auf die Zionskirche, sowie der spätere „Führer von Berlin“ Ingo Hasselbach.[135] Die größtenteils entweder freigelassenen, oder aus Westdeutschland eingereisten faschistischen Kader unterstützten nicht nur den Aufbau von Strukturen und Netzwerken, sie tourten auch mit verschiedenen Vorträgen als Redner quer durch die ehemalige DDR. Auch Faschisten aus anderen Ländern beteiligten sich an diesem Aufbau. So wurde beispielsweise auf Einladung der Deutschen Volksunion David Irving nach Dresden einzuladen um in mehreren Reden den Mythos des „alliierten Bombenholocausts“ zu prägen. Die Kosten seiner Aufträge und Reden übernahm Millionär und DVU-Gründer Frey.[136]

In Berlin gründete der freigelassene Neonazi Ingo Hasselbach in Zusammenarbeit mit Michael Kühnen die Nationale Alternative. Die 800 Mitglieder starke Organisation, besetzte ein Haus und hortete dort über 100 Maschinengewehre und 20 Panzerfäuste. Gegen das Haus in der Weitlingstraße fanden regelmäßig antifaschistische Demonstrationen statt. In nahezu allen Städten wurden Nazi-Strukturen aufgebaut.[137] In Cottbus überlies Kühnen dem Österreicher Gottfried Küssel die Führung. Der gewaltbereite Faschist und Holocaustleugner gilt heute als politischer Ziehvater Martin Sellners, der sich heute um ein weniger offen faschistisches Image bemüht.[138]

Die gesteigerte Aktivität dieser neofaschistischen Gruppen ging Hand in Hand mit Gewaltexzessen und Pogromen. Jüdische Friedhöfe und Gräber für Rotarmisten und Kommunisten wurde verschandelt. „Sau Juden“ und „Juden Raus“ Schmierereien wie jene am Grab von Helene Weigel und Bertolt Brecht waren kein Einzelfall.[139] Auch die Gedenkstätte am Treptower Park fiel neofaschistischen Randalierern zum Opfer, die Sarkophage und Statuen zu Ehren der sowjetischen Befreier wurden mit faschistischen Losungen beschmiert. Die Aktion blieb allerdings nicht unbeantwortet und hatte einen starken antifaschistischen Protest zur Folge, dem sich am 3. Januar 1990 250.000 DDR-Bürger anschlossen.[140] Auf Montagsprotesten und eigens organisierten Demonstrationen waren zum ersten mal seit dem Putschversuch von 1953 wieder lautstark rechtsradikale Parolen wie „Rotfront Verrecke“ oder „Kanaken Raus“ zu hören.[141]

Den Parolen und Schmierereien folgten Angriffe und Pogrome. 1992 werden so viele rechtsradikale Gewaltdelikte verzeichnet, wie nie zuvor seit 1949 auf dem Gebiet der BRD. Ohne das bewusste Wegschauen bundesdeutscher Behörden, sowie der Aufbau-Unterstützung durch den Verfassungsschutz wäre das undenkbar gewesen. In Dresden, Leipzig, Halle, Jena und Weimar konnten rechtsradikale Mobs nahezu ungehindert Angriffe und Brandanschläge verüben.[142] Die Pogrome von Hoyerswerda und Rostock sind sicherlich bekannt. Mehrer Tage lang konnten gewaltige Mobs Jagd auf Ausländer machen. Diejenigen die klatschten und zuschauten, waren sicherlich nicht von den faschistischen Gruppen mobilisiert wurden, sondern vorrangig durch die rassistischen Hetzkampagnen in den deutschen Medien. Die tagelangen Verfolgungen und Angriffe auf Ausländer wurden medial flankiert von Berichterstattungen über das sogenannte „Asylproblem“, während die Polizei die Faschisten gewähren ließ.[143]

Die CDU/FDP-Bundesregierung nutzte die Welle rassistischer Gewalt, um die von ihr selbst entfachte „Asyl-Debatte“ weiter anzuheizen und zwar bis zur de facto Abschaffung des Grundrechts auf Asyl im Juli 1993. Unmittelbar nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen erklärte der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende im Schweriner Landtag, Eckhardt Rehberg: „Dass die Ausländer unsere Sitten und Gebräuche nicht kennen und vielleicht gar nicht kennenlernen wollen, stört die Befindlichkeit unserer Bürger.“[144]  In der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1990, der Nacht zur endgültigen Annexion der DDR, griffen über 1500 bewaffnete Neonazis in teils pogromartigen Situationen Antifaschisten, Hausbesetzer und Vertragsarbeiter in der DDR an. Insgesamt kam es zu 30 gewalttätigen Angriffen in verschiedenen Städten.[145]

Auf Dauer wäre ein solcher Ausnahmezustand dem bürgerlich-parlamentarischen Ansehen der BRD nicht sehr zuträglich gewesen. Hoyerswerda und Lichtenhagen hatten ihren Zweck erfüllt: Der Asylkompromiss stand, die faschistische Bewegung auch. Mithilfe der Polizei sollte die allzu offene Straßengewalt künftig eingedämmt werden. Um die Nazis ein wenig zu zähmen, machte Bundesjugendministerin Merkel 20 Millionen D-Mark für „Jugendarbeit im Osten“ locker. Das Geld floss in Projekte, in denen Neonazis weitestgehend unter sich blieben, keine Spur von Sozialarbeitern, geschweige denn antifaschistischer Aufklärung. Ganz im Gegenteil konnten Neonazis diese Gelder für eigene Räumlichkeiten und Subkulturen aus den kommunalen Fonds nutzen. In einem NDR-Interview vom Oktober 1992 erklärt der junge Neonazi Andreas Irrgang völlig gelassen, wie sie Gelder und Räume vom Jugendamt und Rat der Stadt beantragen, um Plakate für die Jungen Nationalisten (JN) herzustellen. Nazis auf Jobsuche konnten sich so auch schnell in der Jugendarbeit mit einer sicheren Anstellung wiederfinden und sich die Organisation rechter Zeltlager als soziale Arbeit auszahlen lassen. All das hatte System. Merkel hatte, wie ein Interview beweist, Kenntnis von der rechten Unterwanderung und blieb tatenlos.[146]

Faschisten konnten sich mit finanzieller Unterstützung des Verfassungsschutzes und weitestgehend unbehelligt von der Polizei auf dem Gebiet der DDR breit machen und in allen großen Städten Netzwerke und Strukturen aufbauten, die vorher verboten und verfolgt worden wären. Die Gewaltexplosion der frühen 1990er kostete dutzende Leben und ist bis heute nicht aufgeklärt. Die bundesdeutsche Politik unterstützte diese faschistische Siedlungsbewegung durch ihr Wegschauen und profitierte maßgeblich von ihr, während Springerpresse und Co. mit ihrer „Das Boot ist voll Rhetorik das passende Futter lieferten.

Dieser ganze Prozess, den wir hier bruchstückhaft abbilden konnten, verlief als politisches Projekt der Konterrevolution und zur Niederschlagung einer ganzen Gesellschaft. Die Baseballschläger- und Springerstiefelnazis waren nur ein kleines, wenn auch damals sehr bedeutsames, Phänomen in dieser gesamten Entwicklung.

Antifaschistische Gruppen, Bewegungen und Aktionen lassen sich vor allem auf drei gesellschaftliche Bereiche zurückführen. Da waren einerseits erste Antifa-Gruppen die bereits in der späten DDR entstanden und sich in Folge der politischen Entwicklungen ausbreiteten. Sie waren häufig von starkem Antikommunismus und Antiautoritarismus geprägt. Auch die noch junge antideutsche Bewegung fand hier schnell Anklang. Vernetzungsversuche zur westdeutschen Antifabewegung blieben häufig erfolglos. Antifaschismus als Kampffeld wurde und wird von ihnen häufig vereinzelt und getrennt von anderen Kämpfen behandelt. Dadurch sektierte sich die ostdeutsche Antifabewegung zügig von der Arbeiterklasse, die gerade die volle Wucht der Treuhandpolitik zu spüren bekam.

Außerdem gingen von den reformistischen Überbleibseln der SED, der Partei Demokratischer Sozialismus (PDS, heute die LINKE), einige antifaschistische Bestrebungen aus. Auch hier herrschte ein ambivalentes Verhältnis zu marxistischem und antiimperialistischen Antifaschismus. Außerdem gingen auch immer wieder spontane Protest- und Gedenkaktionen aus der ehemaligen DDR-Bevölkerung selbst hervor. An vielen Stellen meiner Recherche tauchen diese antifaschistischen Gegenwehrmaßnahmen bereits auf. Dennoch sei hier nochmal konkreter darauf verwiesen und gleich mit angemerkt das die Auseinandersetzung mit der antifaschistischen Bewegung eines eigenen Textes bedürfte.[147]

5.2         Soziale Ursachen und Desorganisierung

Mit dem „Einigungsvertrag“, der „Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion“, dem „Rückgabe-vor-Entschädigungs-Gesetz“, der „Altschuldenregelung“, sowie der vom Bund garantierten Straffreiheit für die Treuhandanstalt wurde der Ausverkauf vorbereitet und ermöglicht.[148] 1993 fanden sich 3 Millionen DDR-Bürger in Arbeitslosigkeit wieder.[149] Nahezu sämtliche Großbetriebe und Kombinate der DDR wurden eingestampft oder Investoren hinterhergeworfen. Das einstige Volkseigentum wurde zu 85 Prozent an Westdeutsche, zu 10 Prozent an internationale Investoren und nur zu knapp 5 Prozent an Ostdeutsche übertragen.[150]  Faktisch wurde Kapital im Wert von 850 Milliarden DM fast ausschließlich an die deutschen Monopole verschachert. Dazu kamen noch die Ersparnisse der DDR-Bürger die sich westdeutsche Versicherungen, Banken etc. aneigneten.[151]

Was diese Abwicklung für die Gesellschaft der DDR bedeuten sollte, beschrieb Ringo Ehlert auf der Hauptfeindkonferenz 2010 ausführlich und zutreffend. Der Schock der Massenarbeitslosigkeit in der DDR lag nicht einfach nur im Jobverlust per se. Die Arbeit in der DDR war mehr als nur ein Job. In den Arbeitskollektiven entstanden feste soziale Bindungen und gemeinsame Aktivitäten. Mit Blick auf die Zerschlagung dieses Lebens formuliert Ehlert:

„Das Auseinanderbrechen der Kollektive durch die Massenentlassungen war sehr oft nur das Ende einer Hatz, in der nun genau der Individualismus und Egoismus wieder sein Haupt erhob, der gerade durch die solidarische Struktur der Kollektive und die Integration vieler sozialer Aspekte ins Kombinat zurückgedrängt werden sollte. Die Ungewissheit schürte dies und brachte nun einen widerwärtigen Konkurrenzkampf um die schwindenden Arbeitsplätze hervor. Schnell bemerkte man, dass nicht diejenigen ihren Arbeitsplatz ein wenig länger behielten, die für den Zusammenhalt der Kollektive eintraten, sondern diejenigen, die sich vermeintliche Vorteile verschaffen konnten, die für sich im Verborgenen Absprachen trafen, denunzierten und sich den neuen Besitzern anbiederten. Mit dem Wegbrechen der Produktionsverhältnisse der DDR und der Transformation in die privatkapitalistische Produktion – in der annektierten DDR hieß das zuallererst Schließung der Produktionsstätten – kamen schnell all die typischen Begleiterscheinungen des »althergebrachten« Lohnarbeitsverhältnisses wieder.“[152]

Dutzende Gruppen verloren zahlreiche rechtliche Errungenschaften, sowie die Gleichstellung am Arbeitsplatz und ihr Recht auf Arbeit im Allgemeinen.[153] Die massenhafter Aberkennung von Dienstjahren und Qualifikationen, die Aberkennung der Existenzberechtigung ganzer Produktions- und Forschungsbereiche und ganzer Lebensleistungen bildeten nur einen Teil des neoliberalen Psychoterrors der mit den Märzwählen 1990 nochmal Fahrt aufnahm. Viele ländliche Regionen wurden bis heute regelrecht entvölkert. Insgesamt verließen 2 Millionen Menschen die DDR.[154] 

Hundertausende Demonstrierten in dieser Zeit gegen die Werksschließungen und die Massenarbeitslosigkeit. International begannen Arbeiter sich mit ihnen zu solidarisieren. Auch in Ostdeutschland selbst kannte die Solidarität keine Grenzen: Künstler und Kulturschaffende beteiligten sich an Aktionen der Arbeiter und umgekehrt. Es ging darum seine Heimat nicht zu verlieren. Nicht selten, wie bspw. im Fall von Bischofferode, ging es sogar um die Überlebensinteressen ganzer Regionen. Für die Regierung Kohl und die westdeutschen Monopole entwickelte sich ein immer ernsteres Problem. Wohin die deklassierten Millionenmassen ihre Wut lenken sollten, diktierte Ihnen seit 1990 die Springerpresse: Auf die Schwächsten, die Asylanten, die roten Socken und Linken. Die gezielt geschürte gesellschaftliche Verrohung fand viele Ventile, darunter auch die neofaschistische Bewegung. Darin lag die gesellschaftliche Funktion des Neofaschismus zu jener Zeit.

Das politische Leben in der DDR, auch der Antifaschismus, war immer über verschiedene Kollektive organisiert, diese wurden nun zerschlagen. Hinzu kamen die antikommunistischen Medienkampagnen und die wirtschaftlichen Folgen der Konterrevolution und Annexion. In diesem Prozess wurden nahezu sämtliche soziale Beziehungen auf den Kopf gestellt. Eins wird dabei deutlich: Zwischen Armut und Fremdenhass besteht kein Automatismus. Vielmehr waren es die fremdenfeindlichen Medienkampagnen, der neu erzeugte Konkurrenzkampf, die Spaltung und die gleichzeitige Zerschlagung und Desorganisierung von jeglichem Kommunismus und Antifaschismus mit welcher der Neofaschismus gestärkt wurde.

Die fortwährende Politik des sozialen Kahlschlags und des Ausverkaufs ist bis heute in nahezu allen Belangen der ostdeutschen Gesellschaft deutlich: Armut, Arbeitslosigkeit, ein riesiger Niedriglohnsektor, niedrigere Renten, Abwanderung von Arbeitskräften, Überalterung und weniger Industrieproduktion, um nur einige wenige Aspekte zu benennen die einem eigenen Artikel bedürften. Die ganze Vermögens- und Klassenstruktur der ostdeutschen Gesellschaft unterscheidet sich bis heute drastisch von der Westdeutschen. Dementsprechend hat auch der Klassenkampf stark ausgeprägte Spezifika und Besonderheiten. Das zeigen die im Osten deutlich stärkeren Hartz-IV Proteste der 2000er Jahre, sowie die schwächer aufgestellten Gewerkschaften und Betriebsräte. Auch die die antifaschistische Bewegung und Friedensbewegung in Ostdeutschland schauen auf eine weitestgehend andere Tradition und Geschichte zurück – auch die kommunistische Bewegung ist davon nicht ausgenommen. All diese Faktoren müssen wir berücksichtigen, wenn wir uns dem ostdeutschen Neofaschismus widmen. Vor allem müssen wir genau sein und dürfen uns nicht von einfach erscheinenden Zusammenhängen (wie sie viele Medien präsentierten: Osten = Arm = Rechts) täuschen lassen.

Man muss verstehen, dass die Arbeit, die Freizeit, das politische Leben und die Kultur – alles was das Leben bis 1989 ausmachte – abgeschafft und neue Verhältnisse übergestülpt wurden. Verhältnisse die ein absoluter Großteil damals nicht wollte und bis heute nicht will. Konkreter betrachtet können wir feststellen, wie soziale Einrichtungen, Angebote und Beziehungen restlos zerstört wurden, die ein kapitalistischer Staat nicht bieten kann. Hier knüpften die Neofaschisten an. Die rechte Hegemonie in Ostdeutschland baut immer mehr auf einer Zivilgesellschaft von Rechts auf,- einer „neuen“ Massenbasis der Rechtskonservativen und Neofaschisten. Ihre Ursprünge hat sie in den Leerstellen die ab 1990 durch Neofaschisten besetzt wurden. Sie profitieren bis heute von fehlenden sozialen Perspektiven in Stadt und Land. Neofaschisten agitieren gezielt in Vereinen und Orten des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Bis heute siedeln Neofaschisten aus dem Westen der Republik in vorrangig ländliche Regionen Ostdeutschlands. Was häufig als „Normalisierung“ bezeichnet wird, müssen wir zutreffend als bewusstes wegschauen und gewähren lassen seitens der Politik bezeichnen. Viele antifaschistische Projekte haben hier versagt und sich in der eigenen Subkultur von derartigen Problemen losgesagt. Dennoch sind vor allem jene Antifaschisten, die sich an Orten der absoluten Unterlegenheit und Defensive gegenüber den Faschisten aufrecht und ehrlich entgegenstellen sehr positiv hervorzuheben. Viele Initiativen, die nicht das „Privileg“ eigener Zentren und Szene genießen, riskieren oft ihre Privatsphäre und Gesundheit im Kampf gegen Neofaschisten. Der Faktor der sozialen Desorganisierung unterstreicht in besonderer Form, welche Bedeutung das Zusammenwirken sozialen Forderungen und Bewegungen, breiter Agitation und Bildung, sowie der Rolle von Antifaschismus als Massenarbeit hat.

Im Folgenden wollen wir genauer nachvollziehen, welche Rolle der Neofaschismus für die Herrschende Klasse im Deutschland der 1990er Jahre hatte. Die Betrachtung bietet bestenfalls einen aufschlussreichen Überblick, der dazu anregt solche Funktionen an der heutigen Zeit zu überprüfen.

5.3         Die Rolle des Neofaschismus im Prozess der Annexion

Welches Interesse hatte das westdeutsche Kapital an einer derartig heftigen Verbreitung des Neofaschismus? Welche Funktion erfüllten die rechtsradikalen Gruppen und Netzwerke für die BRD?

Die Rolle des Neofaschismus in der annektierten DDR bestätigt Reinhard Opitz’ Analyse zur Funktion des Neofaschismus in monopolkapitalistischen Gesellschaften. Der marxistische Faschismusforscher untersuchte den Faschismus sowohl als Herrschaftsform als auch als Bewegung und zog daraus wertvolle Erkenntnisse für die Auseinandersetzung mit dem Neofaschismus. Dabei arbeitete er verschiedene Funktionen heraus, die der Neofaschismus in liberal-parlamentarischen Gesellschaften erfüllt.

Dabei nennt Opitz beispielsweise die „Alibifunktion für reaktionäre Regierungspolitik“. Die Regierung kann sich auf die neofaschistische Bewegung berufen und anschließend verschärfte reaktionäre Maßnahmen rechtfertigen. Diese Funktion lässt sich besonders deutlich am Asylkompromiss von 1993 nachweisen.[155] Man ließ die aufgestachelten Faschisten und ihre Mitläufer in Hoyerswerda und Rostock ungehindert randalieren, ohne einzugreifen. Anschließend musste eine „Lösung“ für das sogenannte Asylproblem her – das Asylrecht wurde drastisch eingeschränkt.

Neurechten Zirkeln und Akteuren gelang es im Zuge der DDR-Annexion immer wieder, bis tief in die CDU und FDP, aber auch in die SPD vorzudringen – das belegen zahlreiche Interviews in der Jungen Freiheit mit CDU-Politikern sowie die „Enquete-Kommission“ zur DDR-Aufarbeitung und der „Bund der Selbständigen“, in denen sich neben Politikern aus SPD, CDU/CSU und FDP auch neurechte Ideologen tummelten.[156]  Ein wichtiges Ziel der Neuen Rechten ist dabei auffallend ähnlich zu Opitz’ Funktionen – die „langfristige ideologische Umorientierungsfunktion“. Dafür setzen sie nicht auf jugendliche Fußballfans und gewaltbereite Skinheads, sondern vielmehr auf Studenten, Intellektuelle und Eliten.

In dieser Zeit der immensen Stärkung des deutschen Imperialismus wurde die Neue Rechte durch eine stärkere Betonung nationaler Kultur, Heimat und Souveränität nicht nur anschlussfähiger, sondern auch immer interessanter als Stichwortgeberin und Vordenkerin für die bundesdeutsche Politik. Die Deutsche Volksunion, die in den 1990ern kontinuierlich ihre Strukturen in Ostdeutschland ausbaute, konnte 1998 in einer Landtagswahl in Sachsen-Anhalt große Erfolge einkassieren. Der Neurechte Ideologe Karl Heinz Weitzmann lobte die Demagogie der Partei: „Aufmerksame Beobachter haben rasch festgestellt, wie groß die Übereinstimmung ihrer Anhänger mit den Forderungen der äußersten Linken ist, wie gering die Bindung an rechte Positionen, soweit diese als bürgerlich im weitesten Sinne verstanden werden können und traditionell konservative oder traditionell liberale Vorstellungen umfassen.“[157]

Die Partei erreichte mit 12,9 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis einer neofaschistischen Partei in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Bei den Wahlen in Brandenburg konnte die DVU 1999 ein weiteres Mal mit 5,3 Prozent der Stimmen in einen Landtag einziehen.[158] Nicht nur konnte die Partei zahlreiche Protestpotentiale auffangen und umlenken, ihr gelang es auch weiterhin sich an CDU und CSU anzubiedern und Impulse in die bundesdeutsche Politik zu geben. Die Republikaner unterstützten den Erfolg in Ostdeutschland. Viele ihrer Spitzenpolitiker stärkten die Reihen der Deutschen Volksunion und unterstützten den Wahlkampf.[159]

„Die terroristische Einschüchterungs- und Hilfspolizei-Funktion“ zeigte sich abseits der erwähnten Pogrome von Rostock und Hoyerswerda sowie der 30 Überfälle am 2. Oktober 1990 in vielen weiteren Angriffen und Einschüchterungen gegen Antifaschisten, Kriegsgegner und Migranten. Hier kommt der Begriff „Baseballschlägerjahre“ zu seiner dennoch zutreffenden Bedeutung. Die Täter waren oftmals Skinheads und jugendliche Neofaschisten, die mit der DVU-Parteipolitik oder neurechten Diskursen zwar wenig Überschneidung fanden, sich jedoch dennoch gerne an ihrem Propagandamaterial und Argumenten bedienten. Das Zurückweichen der Polizei vor den Pogromen in Rostock und Hoyerswerda steht dabei symptomatisch für den Freibrief, den diese gewalttätige neofaschistische Bewegung im „wilden Osten“ erhielt. Kein Wunder: Im April 1992 bekundeten 20 % der Polizisten Sympathien für die neofaschistischen Republikaner.[160] Der aus Westdeutschland importierte sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf diagnostizierte den Sachsen Anfang der 2000er „Immunität gegenüber Rechtsextremismus“[161]. Was angesichts der Realität völlig Irre klingt, war kein Ausrutscher – Biedenkopf wiederholte 2017 diese Aussage. Das Verleugnen und Ablenken führender CDU-Kreise, gab der neofaschistischen Bewegung genau die Rückendeckung die sie brauchte. Das gilt für die junge BRD, für die Annexion der DDR – und es gilt bis heute.

Zu guter Letzt sollte die „Auffangfunktion bzw. die Funktion der Ableitung und Umfunktionierung von Protestpotenzialen“ nicht vergessen werden. Diese Potenziale waren durchaus vorhanden. Die Wut und Frustration gegenüber der neuen kapitalistischen Realität war allgegenwärtig – da war ein anderes Ventil herzlich willkommen. Die Annexion der DDR und der Treuhand-Raub stießen auf starke soziale Bewegungen, wilde Streiks, Werksbesetzungen und Protestaktionen. Vom Schiffbau, bis zum Chemiefaserwerk, egal ob großes Kombinat oder kleiner Betrieb überall in der Republik regte sich Widerstand. So füllten Montagsdemonstrationen gegen den Ausverkauf ab 1991 erneut die Straßen von Leipzig und bald auch Ostberlin. Insgesamt 100.000 Menschen demonstrierten Montag für Montag . Es ist dem Druck der Gewerkschaftsführung, sowie der Politik und Medien zu verdanken, dass diese Kämpfe nicht überregional und langfristig koordiniert werden konnten.[162] Dass diese Vielzahl an Klassenkämpfen heute vergessen ist muss nicht so bleiben. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung versammelt beispielsweise zahlreiche Berichte und Erfahrungen des Widerstandes gegen die Treuhand in einem Sammelband. Diese Protestpotentiale mussten abgelenkt und eingehegt werden – genau hier kommt die neofaschistische Bewegung ins Spiel.

5.4         Von Völkerfreundschaft zu Fremdenhass

Wie konnte fremdenfeindliche Einstellungen derartig Fuß fassen, wenn wir mit Recht davon ausgehen können das die DDR eine Politik der Völkerfreundschaft betrieb? Wir konnten mittlerweile ergründen welche Funktionen der Neofaschismus erfüllte. Widmen wir uns nun nochmal konkreter der Verbreitung fremdenfeindlicher Einstellungen, die sich bis heute durchsetzen.

Während des Bestehens der DDR wurden 40 Gastarbeiterunterkünfte angegriffen, wobei sich fast alle Angriffe nach 1975 ereigneten.[163] . Die Hauptabteilung XVIII des MfS untersuchte bspw. im September 1987 fremdenfeindliche Angriffe auf Mosambikaner und stellte fest, „daß diese Ausländergruppe Provokationen durch negativ eingestellte, vorwiegend jugendliche DDR-Bürger ausgesetzt ist, die im Ergebnis zu tätlichen Auseinandersetzungen führen. Derartige Provokationen und auftretende Hetzlosungen wurden aus dem Bezirk Dresden und auch gegen dunkelhäutige Werktätige aus der VR Angola und der Republik Kuba bekannt. Hierbei ist eine Entwicklung zu erkennen, daß durch Rechtspflegeorgane (Staatsanwaltschaft) einseitig gegen die ausländischen Werktätigen vorgegangen wird“[164]. Die Hauptabteilung 18 reagierte auf die Fremdenfeindlichen Tendenzen in der Jugend: „Aus aktuellen Vorkommnissen im Zusammenhang mit mocambiquischen Werktätigen ergibt sich das Erfordernis, die massenpolitische Arbeit unter Teilen der Bevölkerung zu aktivieren, um möglichen Anfängen einer Ausländerfeindlichkeit wirksam zu begegnen“.[165]

Der proletarische Internationalismus, die Politik der Völkerfreundschaft und die Vertragsarbeiterpolitik der DDR als Gegenentwurf zur Rassenhetze, Aufwiegelung, Ausbeutung und Spaltung in den Gesellschaften der kapitalistischen Länder wurde zwar weiterhin breit und öffentlich von der Gesellschaft mitgetragen, schien aber zunehmend angeschlagen und formalisiert.

Inmitten der Zeit des Zusammenbruchs sollten die kapitalistischen Verheißungen aus Funk und Fernsehen sich schnell als heiße Luft erweisen. Das erkannten die Mehrheit der DDR-Gesellschaft und selbst Teile der Bürgerbewegung schon vor der Annexion der DDR am 3. Oktober 1990. Eine Mehrheit wollte weder die „Wiedervereinigung“ noch die Auflösung des Volkseigentums.[166] Angesichts der dramatischen Entwicklungen unter der Treuhand ist es nur wenig verwunderlich, dass neuere Forschungen von einer massenhaften und nachhaltigen Traumatisierung der DDR-Gesellschaft ausgehen.[167] Noch im Jahr 1990 lehnten 50% der DDR.-Gesellschaft das System der BRD als Ganzes und 22% seine Politik ab.[168]

Dass Migranten politisch und wirtschaftlich ausgenutzt werden, um Konkurrenzdruck, Lohndruck zu erzeugen und um Spaltung und Sozialabbau zu legitimieren, war ein neues Phänomen für die Gesellschaft im angegliederten Osten. Die Vertragsarbeiter der DDR wurden nicht genutzt, um Arbeitsplätze streitig zu machen oder gesellschaftliche Spannungen zu erzeugen. Sie wurden durch gleichberechtigte Verträge mit anderen Staaten eingeladen und ausgebildet, um „Know-How“ in ihre Länder zu bringen, die nicht selten durch Krieg und Kolonialismus gezielt unterentwickelt worden waren. Hetze gegen Migranten wurde nicht nur politisch verfolgt – es wäre auch undenkbar gewesen, dass die Parteien und Medien in der DDR zu regelrechten Kampagnen gegen Migranten aufgestachelt hätten.

Die ausländischen Arbeitskräfte der DDR waren im Land, um ausgebildet zu werden und später ihre Heimatländer zu unterstützen, nicht, um ihnen wie heute Fachkräfte zu rauben, die man hier billig ausbeutet. Das Ziel dieser Politik bestand also nicht darin, sie langfristig in die DDR-Gesellschaft zu integrieren. Kontaktaufnahmen und aktive Verbindungen zu ausländischen Arbeitskräften wurden natürlich dennoch in den Betriebskollektiven und der Freizeit gefördert.

Ein altbewährtes Mittel musste her: Ängste schüren und Fremdenhass erzeugen, wo sonst Klassenbewusstsein entstehen könnte oder noch da war. CDU/CSU und FDP, mit etwas Verzögerung auch die SPD, eröffneten eine großangelegte Anti-Asyl-Kampagne. Die größeren Migrationsbewegungen des Jahres 1990 kamen den Herrschenden da sehr gelegen. Bis 1992 stieg die Zahl von 50.000 neuen Migranten auf 440.000. Die meisten flohen vor den Kriegen in Jugoslawien, die aktiv von BRD, USA und NATO geschürt wurden. Zwischen Äthiopien und Eritrea tobten Grenzstreitigkeiten, ebenso zwischen Mali und Burkina Faso. Währenddessen wüteten in Burundi, der Republik Kongo, Senegal und Simbabwe Bürgerkriege. Auch hier mischte der Westen in Sorge um den Zugang zu Rohstoffen fleißig mit.[169]

In der 1990 eröffneten Anti-Asyl-Kampagne aller großen Bundestagsparteien und dem Großteil der Medien wurden die Bürger rasch und radikal auf die neuen Verhältnisse, den rassistischen Normalzustand eingenordet. Eine Auswahl von BILD-Schlagzeilen macht die Ausmaße deutlich: „Die Flut steigt – wann sinkt das Boot?“ „Fast jede Minute ein neuer Asylant“. „Asylanten jetzt auf Schulhöfen – Neue Welle! Und bis Weihnachten kommen noch 40.000.“ „Wohnraum beschlagnahmt. Familie muss Asylanten aufnehmen.“.[170] Um die Situation weiter anzuheizen verbreiteten CDUler Musteranfragen für die Kommunen in Ost und West: „Sind Asylbewerber in Hotels oder Pensionen untergebracht worden? In welchem Zeitraum? Zu welchen Kosten?“.[171] Der SPD-Fraktionsvorsitzende schlussfolgerte das Ausländer die Lebensverhältnisse deutscher Bürger verschlechtern würden.[172]  Während Edmund Stoiber (CSU) von einer „Durchrassung der Gesellschaft“ sprach, propagierte die SPD die „Verslumung der Großstädte“ durch Ausländer.[173] Mit solchen Schlagzeilen und politischen Kampagnen trieb man Teile der Bevölkerung gezielt in die Arme der faschistischen Bewegung. Die neue kapitalistische Konkurrenz sollte im Bewusstsein vieler Menschen somit nicht als Klassenkonflikt erscheinen, sondern als Verteilungskonflikt mit den eigenen Klassengeschwistern.

Besonders für die ostdeutsche Arbeiterklasse, die sich ohne jegliche sozialdemokratische Almosen, enteignet, entrechtet und desorganisiert in der Bundesrepublik wiederfand, war diese Ideologie von großer herrschaftssichernder Bedeutung. Der Marxismus in den Köpfen der DDR-Bevölkerung musste mit aller Kraft zersetzt werden. Das Mittel der Wahl waren Antikommunismus und Rassismus.

6          Die Zerschlagung des Antifaschismus

6.1         Mit der Neuen Rechten zurück zur alten Stärke

Ohne auch nur einen Schuss abzufeuern, konnte eine der stärksten Volkswirtschaften Europas komplett ausgeplündert werden. Dem Kapitalexport waren keine Schranken mehr gesetzt – von Berlin bis Sibirien. Beflügelt vom Siegesrausch über den Sozialismus forderte der CSU-Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner schon im September 1989, dass „Ausgangspunkt für künftige Friedensverhandlungen das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 sein“ müsse.[174] Währenddessen bezeichnete Wolfgang Schäuble die annektierte DDR als Mitteldeutschland.[175] Nur ein Jahr später sollte Deutschland wieder bis Moskau reichen, zumindest wenn es nach Welt-Chefkorrespondet Kremp ging, der im September 1990 festhielt: „Das künftige Deutschland steht als Großmacht vor den Trümmern Osteuropas, und die Halde reicht bis in die Tiefen Russlands.“[176] Heider, Herausgeber der Wirtschaftswoche, forderte 1991 einen Bruch mit den Tabus der Nazizeit, dafür würden alleine schon die Wachstumsraten der Wirtschaft unter Adolf Hitler sprechen.[177] 1942 habe er es nur nach Stalingrad geschafft, erklärte Franz Joseph Strauß auf seinem ersten Besuch in Moskau gegenüber Gorbatschov.[178]

Um als „Ordnungsmacht“ in die „Neustrukturierung Osteuropas“ einzugreifen, entsprach das offene Kokettieren der politischen und wirtschaftlichen Elite mit Elementen faschistischer Ideologie und Geschichte in zweierlei Hinsicht den Interessen des deutschen Monopolkapitals. Zum einen bot es der neofaschistischen Bewegung in der annektierten DDR genau die Unterstützung, die sie benötigte, um Teile der dort unterworfenen Gesellschaft zu spalten. Zum anderen sollte diese nationalistische Entwicklung dazu dienen, jeglichen Antifaschismus und Antimilitarismus in der gesamten Gesellschaft abzuschütteln, um neue deutsche Großmachtprojekte und Kriege auch ideologisch nach innen zu legitimieren.

Ein willkommenes Mittel in dieser ideologischen Offensive war die Totalitarismusdoktrin: Rot gleich Braun. Der Historiker Ernst Nolte, geachtet und studiert von vielen der Neuen Rechten, und nicht weniger beliebt in Kreisen von SPD bis CDU, stellte 1986 folgendes fest: „Vollbrachten die Nationalsozialisten, vollbrachte Hitler eine asiatische Tat vielleicht nur deshalb, weil sie sich und ihresgleichen als potentielle oder wirkliche Opfer einer asiatischen Tat betrachteten?“ Und weiter: „War nicht der Archipel Gulag ursprünglicher als Ausschwitz? War nicht der Klassenmord der Bolschewiki, das logische und faktische Prius des Rassenmord der Nationalsozialisten?“[179] Hier wird besonders deutlich, welche Funktion diese Totalitarismusdoktrin tatsächlich einnimmt. Sie dient im besonderen Interesse der herrschenden Klasse, weil sie scheinbar nur den Faschismus mit dem Kommunismus vergleicht – tatsächlich entlastet die Doktrin jedoch den Faschismus und damit auch die Verbrechen der herrschenden Klasse. Zudem findet eine Dämonisierung des Kommunismus statt, die sich bis hin zur antikommunistischen Rhetorik neofaschistischer Kreise ausdehnen lässt. Wo sich diese Idee durchsetzte, gab es keine Schranken mehr für die Beschönigung des Faschismus bei gleichzeitiger Abwertung des Sozialismus. Antifaschismus wurde so verbürgerlicht und gegen den Kommunismus instrumentalisiert.

Das neue deutsche Selbstbewusstsein, der moderne Nationalismus, der Großmachtanspruch nach dem Sieg über den Sozialismus sowie die rassistischen Kampagnen gegen Ausländer boten diesen Bewegungen eine optimale Arbeitsgrundlage. Die Neue Rechte wurde dringend für die Durchsetzung der reaktionären Politik der BRD gebraucht und auch zunehmend in Staat und Politik integriert. Der Neuen Rechten gelang es ab 1990 gezielt, Einfluss auf alle etablierten Parteien Westdeutschlands zu nehmen – ideologisch und personell.

Dass Neofaschisten in Staat und Politik bis zu einem gewissen Grad schon immer integriert waren, konnten wir bereits anhand des Neofaschismus der Nachkriegsjahre feststellen. Dass die Neue Rechte nun also Tür und Tor in verschiedenste Kreise der herrschenden Politik einrannte, mag auch daran liegen, dass diese nie wirklich verschlossen waren. Dennoch musste die Neue Rechte auf solche Erfolge erst lange hinarbeiten und hatte mit 1990 das passende historische Moment gefunden, um die antikommunistischen Diskurse mitzugestalten, anzuheizen und zu verbreiten. Dieser erste kleine Marsch durch die Institutionen wurde willkommen geheißen. So ist es wenig verwunderlich, dass die Neue Rechte die „Wiedervereinigung“ als ihre Renaissance bezeichnete. Vertreter der Neuen Rechten konnten in dieser Zeit zahlreiche Gruppen und überparteiliche Initiativen aufbauen, mit denen sie direkten Einfluss auf Parteijugenden und Bundestagsabgeordnete ausübten.[180] Wie erfolgreich die Neue Rechte die DDR-Annexion für sich nutzen konnte, lässt sich darüber hinaus besonders stark an ihrer Mitwirkung in der Aufarbeitung des „SED-Unrechts“ nachvollziehen. Das Kapitel „Neofaschismus in der DDR-Aufarbeitung“ wird später genauere Belege dafür liefern.

Im Folgenden soll dargestellt werden, welche aktive Rolle die neofaschistische Bewegung im Prozess der „DDR-Aufarbeitung“ spielte – ein Prozess, der Hand in Hand mit der Demontage und Umdeutung wichtiger antifaschistischer Gedenkstätten in der DDR ging. Angesichts der Millionen Arbeitslosen und der Abwicklung der DDR-Gesellschaft mag dieser Prozess unbedeutend erscheinen. Allerdings zielte diese Politik darauf ab, das antifaschistische Erbe der DDR sowie die kollektive Erinnerung der Bevölkerung so gut wie möglich zu verfälschen.

6.2         Neofaschismus und DDR-Aufarbeitung

Die Junge Freiheit und später das Institut für Staatspolitik samt seinem Antaios Verlag erkannten großes Potenzial zur Rehabilitierung faschistischer Ideologie im Kontext der sogenannten DDR-Aufarbeitung. Autoren der Jungen Freiheit beteiligten sich zahlreich und intensiv an der Arbeit in Vereinen wie der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewalt und dem Bund der Stalinistisch Verfolgten. Im wichtigsten Organ dieser Verbände, dem Stacheldraht, publizierten Dutzende Autoren aus den Reihen der Wochenzeitung Junge Freiheit.[181] Junge Freiheit Autoren wie Werner H. Krause stiegen bis in Geschäftsführung der Verbände auf.[182]

Die Überschneidungen sind wenig verwunderlich. Nicht nur war man geeint im radikalen Antikommunismus und der Ablehnung jeglichen Antifaschismus – der Bund der Stalinistisch Verfolgten und die Vereinigung der Opfer des Stalinismus blicken beide auf eine lange Geschichte zurück. Bereits in den 1950er Jahren sammelten sich SS- und NSDAP-Angehörige in den Reihen der Verbände.[183] Mit der Zerschlagung der DDR versuchte man sich erneut in Anschlussfähigkeit und Einfluss auf die etablierte Politik. Mitglieder wie Hugo Diederich sollten damit Erfolg haben,- der junge Freiheit Autor wurde Mitglied des ZDF-Fernsehrates.[184] Männer von diesem Kaliber waren willkommene Stichwortgeber zur Dämonisierung der DDR und ihres Antifaschismus. Außerdem arbeitete man gezielt an der Rehabilitierung von faschistischen Verbrechern die man nun als Opfer des Kommunismus darstellen und reinwaschen konnte. So organisierte beispielsweise der Waldheim-Kameradschaftskreis Ehrungen von Euthanasie-Ärzten, die in der DDR eine Todesstrafe erhalten hatten. Sie hübschten fleißig die Biografien von faschistischen Verbrechern auf.[185]

Nach der Annexion der DDR dauerte es nicht lange bis einer der Chefredakteure der „Opferverbände“, Sigurd Binski, verkündete, die „Opferprozente“ der Toten der „Sowjet-KZ Sachsenhausen und Buchenwald“ seien jeweils höher gewesen als im Konzentrationslager bis 1945.[186] Im gleichen Zeitraum entstand die staatlich geförderte Gedenkbibliothek für Opfer des Stalinismus in deren Verlagsprogramm sich Holocaustleugner, Neofaschisten und Neurechte wie David Irving, Germar Rudolf, Horst Mahler, Gustav Sichelschmidt und Franz Schönhuber tummelten.[187]

Ein weiterer nennenswerter Fall ist der von Herbert Kühn. Im Zuge des 17. Juni 1953 brachte er mehrere Sprengsätze an Regierungsgebäuden an, von denen glücklicherweise nur einer zündete. Später, im April 1961, schmierte er „Freiheit für Eichmann“ an das Auswärtige Amt in Bonn und beteiligte sich zwei Jahre später an rechten Terroranschlägen in Italien. 1994 leitete der Rechtsterrorist eine Landesgruppe der Vereinigung der Opfer des Stalinismus und organisierte „Zeitzeugenprogramme“ an westdeutschen Universitäten. Noch 2015 wurde Kühn in einer Vorlesung an der Ruhr-Universität Bochum zur „friedlichen Revolution und den Opfern der SED-Diktatur“ befragt.[188] Auch Josef Kneifel konnte sich auf Uni-Veranstaltungen und in Zeitungsartikeln immer wieder als „Oppositioneller“ stilisieren lassen. Der Rechtsterrorist verübte 1980 einen Sprengstoffanschlag auf ein antifaschistisches Denkmal in Chemnitz. Nach seiner Freilassung durch einen Gefangenaustausch mit der BRD trat Kneifel einem faschistischen Gefangenhilfenetzwerk bei, hielt mehrere Vorträge bei der NPD und bewegte sich im Umfeld des NSU. Für dutzende Zeitungen bis hin zu Spiegel und TAZ, für Professoren wie Eckehard Jesse und die Bundestiftung zur SED-Aufarbeitung blieb er ein Freiheitskämpfer gegen den Unrechtsstaat DDR. Als politischer Gefangener erhielt er obendrein eine Entschädigung.[189]

6.3         Kampf um die antifaschistische Kultur

Die Überreste des Antifaschismus prägten nach 1990 immer noch die Städte und Dörfer des Ostens. Den Herrschenden war das natürlich ein Dorn im Auge. Die Denkmäler, Bauwerke und Institutionen aus der DDR stellten einen Störfaktor für die Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur der BRD dar.

Überall auf dem Gebiet der DDR wurden deshalb Denkmäler von Kommunisten und Antifaschisten entfernt.[190] Proteste die den Abriss der Denkmäler verhindern sollten, hatten nur selten Erfolg. In der Zeit nach 1990 wurden darüber hinaus dermaßen viele Straßen, Plätze, Brücken, Betriebe, Clubs und Schulen umbenannt, dass viele Kommunen neue Stadtpläne herausgeben mussten. Den Umbenennungen fiel das Andenken an dutzende antifaschistische Widerstandskämpfer zum Opfer.[191] Weniger bekannte und kleinere KZ-Gedenkstätten traf es besonders hart. Ganze Ausstellungen wurden entfernt, und die Gebäude wurden sich selbst überlassen. Nichts sollte mehr an sie erinnern.

Die Schriftstellerin Daniela Dahn führt in einer ihrer Reflektionen zur DDR-Annexion ein Beispiel an, dass sinnbildlich für diese Radikalkur steht: „Die Ost-Bürgermeister der Berliner Bezirke Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain weigerten sich, die Änderungen der Namen von Clara Zetkin, Arthur Becker, Hans Beimler und Georgi Dimitroff zu akzeptieren. Schließlich setzte sich (Senator) Haase durch, indem er erklärte, dass das Geschichtsbewusstsein der Bewohner der Ostbezirke zu sehr von der Parteipolitik der DDR geprägt sei und dass sie nicht in der Lage seien, ein Urteil zu fällen. Weshalb auch die Anträge auf Bürger- und Anwohnerbefragungen von den Westberliner Senatoren entschieden abgelehnt wurden. Perfekter hätte die Entmündigung nicht sein können. Nicht in der Lage, ein Urteil zu fällen – wer nun noch protestierte, outete sich als Altlast.“[192]

Dem Rabbinersohn und Politbüromitglied Albert Norden, wurde seine Herausgeberschaft des Braunbuches über Nazis und Kriegsverbrecher in der BRD nicht verziehen. Auch sein Name sollte aus dem Stadtbild Ostberlins weichen. Das traf auf den Protest von Vorstandsmitgliedern des Berliner jüdischen Kulturvereins, der sich gegen die Streichung jüdischer Namen stellte. Vorstandsmitglied Günter Nobel fasst die politische Wirkmächtigkeit dieser Umtriebe in einer Beschwerde an die Marzahner Bezirksverordneten treffend zusammen: „Begreifen Sie wirklich nicht, dass in einer Zeit wachsenden Rassismus und Antisemitismus solche Beschlüsse neofaschistischen Tendenzen Auftrieb geben können?“[193]

Auch die Umbenennung einer Straße, die den Namen des Widerstandskämpfers und Juden Bruno Baum trug, stieß auf Protest. „Offenbar ist ihm nicht bekannt, dass Bruno Baum zu den führenden Köpfen des internationalen Widerstands noch in den Vernichtungslagern, Ausschwitz und Mauthausen zählte. Wer wagt es heute, solche Menschen zu beleidigen?“, so Günther Nobel.[194] 

Diese Politik des Abrisses und der Demontage drehte sich um mehr als nur Plätze und Straßen. Es ging darum jegliche Überbleibsel des marxistischen Antifaschismus verschwinden zu lassen.

6.4         Nationale Mahn- und Gedenkstätten: Erinnerungskultur ohne Antifaschismus

Im Folgenden sei auf den Umbau der Gedenkstätten Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen verwiesen. Sie zählten zu den wichtigsten antifaschistischen Gedenkstätten. An ihrem Beispiel lässt sich exemplarisch und eindrücklich nachweisen, wie Neofaschisten und staatliche Politik an einem Strang zogen um den Antifaschismus aus der Geschichte und Erinnerung strichen.

Hier traf der BRD-Geschichtsrevisionismus besonders empfindliche Punkte der fortschrittlichen DDR-Erinnerungskultur. Die ehemaligen Konzentrationslager waren Nationale Mahn- und Gedenkstätten die nahezu alle DDR-Bürger kannten und auch (meist im Rahmen der Jugendweihe) besucht hatten. Den Ausstellungen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, wurde sich genauso wie denen Buchenwald und Sachsenhausen schon kurz nach der Annexion entledigt.[195] Die erinnerungspolitischen Schwerpunkte passten nicht ins Bild. Sie zeigten das Leiden der Opfer im Zusammenhang mit den faschistischen Tätern und den Unternehmen, die aus den sich zu Tode arbeitenden Häftlingen Gewinn schlugen.[196] Die reichhaltige Forschung der Gedenkstätten wurde nun von einem Staat verwaltet, der bis 1995 noch nicht einmal eine eigene KZ-Forschung betrieb.[197] Das Geld, das nun investiert wurde, um dieses Geschichtsbild umfassend zu korrigieren, kam auch erstmals seit 1945 der KZ-Gedenkstätte Dachau zugute, die jahrelang den Forderungen der CSU nach Schließung widerstand.[198]

Mit der Zeit regte sich auch hier Widerstand. Beispielsweise auf der Veranstaltung zur Verabschiedung des langjährigen Leiters der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen, Günter Morsch. Er selbst und sein Historiker-Kollege Volkhard Knigge, Leiter in Buchenwald, erhoben heftige Klage über staatliche Eingriffe in ihre Arbeit. Ihnen seien Geschäftsführer vor die Nase gesetzt worden, die eng an die Politik gebunden waren. Gewünscht war eine Opferperspektive mit wenig Verbindungen zur NS-Täterelite, da dies womöglich eine neue Debatte über personelle Kontinuitäten in der BRD heraufbeschworen hätte.[199]

Neuer Schwerpunkt wurden die Speziallager, der Roten Armee und des sowjetischen Geheimdienstes nach 1945. Die Nutzung ehemaliger Konzentrationslager für die Internierung schwerbelasteter Nazis war auf den Konferenzen der vier Alliierten der Antihitlerkoalition schon 1943 in Teheran und erneut 1945 in Jalta beschlossen worden. Grundlage für die Inhaftierungen waren keine Willkür des sowjetischen Geheimdienstes, sondern sie basierten auf Funktionslisten, die seit Oktober 1944 vom britisch-amerikanischen Oberkommando erstellt wurden. Die Amerikaner füllten nach dem Kriegsende 15 einstige KZs, die Briten, Franzosen und Sowjets jeweils 10.[200]

Die Kampfgruppen gegen Unmenschlichkeit bezeichneten diese Speziallager in einer Broschüre aus dem Jahr 1952 als „sowjetische Konzentrationslager auf deutschem Boden“. Eine Auffassung, die sich in der Bundesrepublik weit verbreiten sollte.[201] Die Gleichsetzung und angebliche Kontinuität gehört heute zum guten Ton in der bundesdeutschen Erinnerungskultur. Die Charakterisierung als „sowjetische Konzentrationslager“ wurde bis dato weitestgehend von Verlagen der neofaschistischen Bewegung gefördert. In den 1990ern schlossen sich auch Bundespolitiker, wie Ex-Bundespräsident Joachim Gauck und zahlreiche Historiker, der Deutung an. Gauck sprach von dem Speziallager als „Konzentrationslager nach dem Vorbild Stalinscher Todes- und Vernichtungslager“.[202]

Einige neofaschistische Aktivisten und ihre antikommunistische Anhängerschaft warteten die Entscheidungen der zuständigen staatlichen Stellen gar nicht erst ab und pilgerten selbst zu den KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Sachsenhausen, um dort Kreuze zu errichten und Grabmäler anzulegen. Gewidmet waren Sie den „Opfern der stalinistischen Willkür“. Dabei wurden logischerweise auch solche Personen geehrt, die sich nachweislich an den Verbrechen der deutschen Faschisten beteiligt hatten.[203] Das KZ-Sachsenhausen wurde ab 1990 zu einem regelrechten Wallfahrtsort für Neofaschisten. „Ehre und Ruhm den deutschen Helden“ trug hier die Inschrift eines von Faschisten aufgestellten Schildes.[204]

Die neue Schwerpunktsetzung der Gedenkstätten auf die sowjetischen Speziallager erwies diesen Kräften einen großen Dienst. Hier setzte sich klar erkennbar, die von rechten und neofaschistischen Medien betriebene Gleichsetzung durch, die sich an „Gräueltaten der Kommunisten“ abarbeitete.[205] Gegen diese geschichtsrevisionistische Umdeutung meldeten sich die Überlebenden der Konzentrationslager und zahlreiche Antifaschisten zu Wort. Die Überlebenden beharrten darauf, dass die Konzentrationslager Stätten ihres Leidens und Kämpfens gewesen waren, weshalb die an ihrer Stelle errichteten antifaschistischen Gedenkstätten nicht einfach zu antikommunistischen Gedenkstätten umfunktioniert werden dürften.[206] Der Protest wurde von den Springermedien, als Machenschaft kommunistischer Ideologen abgeschmettert.[207]  

Es wurden Forderungen laut, die eine finanzielle Entschädigung der Häftlinge der Speziallager verlangten, und zwar in gleicher Höhe wie die der KZ-Häftlinge. Schließlich hätten die Opfer des Kommunismus mindestens genauso schlimm gelitten wie die Opfer des Faschismus.[208] SS-Angehörige aus dem Baltikum erhielten zu dieser Zeit bereits Renten aus der BRD, schließlich waren sie bis 1945 für Deutschland im Dienst und wurden danach politisch verfolgt.[209]  Die neu gegründete Historikerkommission in Buchenwald räumte den ehemaligen SS-Leuten und Wehrmachtssoldaten ihren Opferstatus ein und nahm gleichzeitig die DDR-Erinnerungskultur ins Visier. So entstanden drei Ausstellungen, jeweils zu den faschistischen Konzentrationslagern, den Speziallagern der Sowjetunion und der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte der DDR. Einzelne Ehemalige KZ-Aufseherinnen wie Hertha Pakozdi (Aufseherin in Ravensbrück und Majdanek) wurden so tatsächlich als Opfer des Stalinismus entschädigt.[210]

Welche Verbrechen an diesem Ort und im Faschismus tatsächlich geschahen und wie es zu ihnen kommen konnte, wurde so weit und so gut es ging vermischt mit Totalitarismuserzählungen und Hetztiraden gegen die DDR. Zwangsarbeit für das deutsche Monopolkapital oder die Speziallager als Teil einer konsequenten Entnazifizierung – davon sollte bestenfalls niemand mehr etwas wissen.

Dieser erinnerungspolitische Feldzug offenbart alte Kontinuitäten. Kein Antikommunismus konnte aggressiv genug sein, wenn es darum ging, den Faschismus im Osten Deutschlands zu rehabilitieren. Von der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit bis zu Joachim Gauck, von faschistischen Pilgergruppen bis zur neu eingesetzten Gedenkstättenleitung – man war geeint im mehr oder weniger fanatischen Antikommunismus.

Die Geschichte des Ganzen 17-Millionen Volkes und ihrer Partei musste umgeschrieben werden. Ein Selbstverständnis das 40 Jahre lang auf dem Schwur von Buchenwald basierte, konnte für die neuen Machthaber nicht schnell genug entsorgt werden.

„Wir werden den Kampf erst aufgeben, wenn der letzte Schuldige vom Gericht aller Nationen verurteilt ist. – Die endgültige Zerschmetterung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal.“ – Schwur von Buchenwald

6.5         DDR-Aufarbeitung: Geschichte ohne Antifaschismus

Wie wir gesehen haben war es von großer Bedeutung für die neuen Machthaber die Deutungshoheit über die Geschichte zu gewinnen. Künftig kümmerte sich die „Enquete-Kommission zur politischen Aufarbeitung von 40 Jahren Vergangenheit der DDR“ um das neue Geschichtsbild.

Was sich hinter dem sperrigen Titel verbirgt, war eine vom Bundestag eingerichtete Instanz, in der Politiker sämtlicher Parteien sowie Mitarbeiter und Berater aus verschiedenen Bereichen tätig waren. Diese Enquetekommission war die erste ihrer Art, die sich der Geschichtsschreibung widmete. Die Kommissionen zuvor befassten sich ausschließlich mit Problemen der Gegenwart wie Aids, Flutkatastrophen, Kernenergie und Ähnlichem. Nun sollte die Geschichte des „alten Feindes“ umgeschrieben werden. Eine Enquetekommission zur Aufarbeitung des Faschismus gab es übrigens nie. Für dieses neue Projekt musste notwendigerweise das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit weichen.[211]

Zum Leiter der Kommission wurde der CDU-Politiker und radikale Antikommunist Rainer Eppelmann auserkoren.[212] Eppelmann polarisierte nicht nur mit Kampfansagen gegen die DDR und ihren Antifaschismus, sondern lud sich auch munter Akteure der Neuen Rechten in seine Kommission ein. So zum Beispiel den Politikprofessor Klaus Hornung, der Mitglied in Organisationen wie der „Konservativen Aktion“ und dem neurechten „Studienzentrum Weikersheim“ war. Oder auch der Rechtskonservative Eckhard Jesse, der sich lange Zeit der Betonung von „modernen und progressiven Seiten des Dritten Reiches“ widmete.[213]

Die Kommission werkelte bis 1998 an dem, was heute Einzug in zahlreichen Schulbüchern hielt: Die DDR als zweite deutsche Diktatur – verglichen und oft gleichgesetzt mit dem faschistischen Deutschland.

Die Umsetzung des neuen Geschichtsbildes, war nur mit einer umfassenden Säuberungswelle an Universitäten und anderen akademischen Institutionen möglich. Diese Säuberung richtete sich vor allem gegen marxistische Historiker und Dozenten, die sich der vorgegebenen Geschichtsschreibung widersetzten. Es ging darum, ein neues Narrativ zu etablieren, das die DDR und ihren Antifaschismus marginalisierte, während gleichzeitig die neurechten und antikommunistischen Diskurse der Bundesrepublik gestärkt wurden. Historiker, die sich gegen diese Deutungen stellten, wurden entweder aus ihren Positionen entfernt oder ihre wissenschaftliche Arbeit diskreditiert.

Die Säuberungen in den Sozial- und Geisteswissenschaften übertrafen dabei die der BRD nach 1945 und sogar die Säuberungswelle nach der Machtübergabe an den Hitlerfaschismus 1933. Über drei Viertel des Lehrkörpers und Personals mussten gehen.[214] Für die Säuberungen von marxistischen Wissenschaftlern bekam die Humboldt-Universität zu Berlin Wilhelm Krelle als Verantwortlichen vorgesetzt. Er betreute fortan eine Kommission zur Durchleuchtung sämtlicher Mitarbeiter auf ihre DDR-Nähe. Krelle gehörte während des faschistischen Raubkrieges der 164. Infanteriedivision des XXX. Armeekorps an, die in Griechenland an Kriegsverbrechen wie Massakern beteiligt war.[215] Als SS-Sturmbannführer wurde er 1. Generalstabsoffizier einer SS-Panzerdivision.[216] In seiner Funktion an der Humboldt-Universität sorgte er für die Entlassung von 170 Lehrkräften, weil sie „sich dem DDR-System nicht entzogen hätten.“[217] Entlassungswellen wie diese stießen auf den Protest zahlreicher Studenten. Im Falle der Humboldt-Universität, wo die gleichberechtigte Teilnahme der Studenten in allen Gremien noch nicht zerschlagen worden war, organisierten Studenten Protestdemonstrationen.[218] Ihr antifaschistischer Protest richtete sich gegen die Entlassungen und gegen Wilhelm Krelle. Der SS-Generalstabsoffizier blieb allerdings bei seinem Grundsatz: „Kein Marxist wird seinen Fuß jemals über die Schwelle dieses Hauses setzen, solange ich hier das Sagen habe.“[219]

Ein Teil der vielen entlassenen DDR-Wissenschaftler ließ sich allerdings nicht brechen und entwickelte eine eigene, wenig beachtete Wissenschaftskultur und organisierte sich in Vereinen, Kleinverlagen und Zeitungen. Auch die Teile, die in DDR zu Faschismus und Vernichtungskrieg forschten, versuchten fortan hier einen wissenschaftlichen Antifaschismus-Diskurs weiter zu betreiben.[220]

Während diese Entwicklungen klare Fakten schufen, offenbarte Rainer Eppelmann, Vorsitzender der Enquetekommission, worum es in dieser Aufarbeitung tatsächlich ging. Auf der 30. Sitzung der Kommission im März 1993 beteuerte er: „Noch in der Zeit nach der Wende beschworen höchst achtenswerte Vertreter der Bürgerbewegung, die die SED-Diktatoren zum Abdanken gezwungen hatten, den Antifaschismus als Kern jener DDR-Vergangenheit, den es durch alle Umbrüche hindurch zu erhalten gelte. Diese Menschen hatten noch nicht erkennen können, in welcher skrupellosen Weise die SED-Machthaber auch das Ideal des Antifaschismus nur noch als Alibi der eigenen autoritären Herrschaft einsetzten und mißbrauchten.“[221]

Diesen Menschen sollte man nun auf die Sprünge helfen: Nie wieder Antifaschismus – dass war das Gebot der neuen Stunde. Nicht nur in den Gedenkstätten, auch an den Universitäten und der Forschung konnten alle an einem Strang ziehen: Politiker der Bundestagsparteien, Neurechte Ideologen und ehemalige SS-Mörder – im Antikommunismus vereint. Das ideologische Waffenarsenal, welches man im Kalten Krieg gegen die DDR anhäufte, konnte nun voll zum Einsatz kommen.

7      Ausblick: Wurzeln schlagen und Weiterentwickeln

Was bleibt überhaupt übrig von dieser neofaschistischen Bewegung? Ein Blick auf die heutige politische Landschaft zeigt das weder die gewaltbereite Skinhead Bewegung ihre alte Form halten konnte, auch wenn sie gerade wieder stark wächst. Auch die DVU, Republikaner und die NPD (heute Die Heimat) beschäftigen uns nicht mehr im größeren Stil.

Die AfD, die seit über 10 Jahren Fremdenhass und Spaltung in so perfektionierter Form verbreitet, dass sie zunehmend Themen setzen und Diskurse dominieren darf, müssen wir in diesem Kontext verstehen. Bevor wir jetzt also übereifrig über die AfD urteilen begeben wir uns zurück in die 1990er um zu verstehen, wie die Refaschisierung Ostdeutschlands uns bis zur AfD und den rassistischen Hetzkampagnen von SPD, FDP, Grünen und CDU führt.

Die Annexion der DDR und die rassistischen Medienkampagnen verschafften den mitgliederstärksten neofaschistischen Parteien starken Auftrieb. Darüber hinaus profitierten auch kleinere Zirkel und Kameradschaften von den Entwicklungen.

Überall im Osten Deutschlands waren als Folge von Kühnens breitem Netzwerk und deren Abspaltungen Gruppen entstanden. Im Laufe der Zeit entstanden solche Gründungen immer „unabhängiger“ von der westdeutschen Neonazi-Szene. Wer weiterhin tatkräftig seine Finger im Spiel hatte war der deutsche Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz. Er vertuschte, schaute weg und finanzierte wo es überall nur möglich war, der schrecklichste Beweis dafür ist das NSU-Netzwerk. Es ging aus der sächsischen und Thüringer Neonazi-Szene hervor und konnte sich auf Kontakte in ganz Deutschland verlassen. In die Mordanschläge des NSU waren zahlreiche V-Leute involviert.[222]

Mit den großen neuen Aufgaben vor der die faschistische Bewegung in Ostdeutschland stand, konstatierte der Nazi-Jurist Jürgen Rieger: „Wenn wir genügend Untercorpsführer hätten, könnten wir Zehntausende marschieren lassen.“[223] Eine Einschätzung, die viele faschistische Kader teilten. So entstanden mehrere Bildungswerke und Schulungszentren für die Kaderschulung in Ostdeutschland. In den verschiedenen Initiativen wurden breite Netzwerke von Republikanern und Deutscher Volksunion, bis hinein in Kameradschaften und die Freie Arbeiterpartei (FAP) aufgebaut.[224]

Schon 1989/90 baute die Deutsche Volksunion erste Ortsgruppen im Osten auf. Unterdessen tourte Vorsitzender Bayrische Multimillionär Gerhard Frey quer durch die ehemalige Republik und hielt dutzende Vorträge.[225]

Die Deutsche Volksunion (DVU) konnte im Jahr 1998 mit 12,9% in den Magdeburger Landtag einziehen. Dazu dienten auch die engen Beziehungen zu den Republikanern, die sie im Wahlkampf unterstützen. Die Partei fand vor allem unter jüngeren Wählern aus der Arbeiterklasse anklang und setzte auf ein Image als Protestpartei mit dem Wahlspruch: „Protest wählen – Deutsch wählen“. Die Erfolge in Sachsen-Anhalt und kurz darauf in Brandenburg (5,3%) konnte den Abwärtstrend bei den Mitgliederzahlen kurzzeitig umkehren.[226] Die Partei kämpfte sich in den Jahren mühselig auf 4.000 Parteimitglieder in Ostdeutschland hoch. Diese waren allerdings nur wenig aktiv oder geschult.[227] So war es wenig verwunderlich, dass die Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt noch vor Ende der Legislaturperiode auseinanderbrach.[228] Die Mitglieder der ersten Parlamentsfraktionen in Westdeutschland waren auch bereits weitgehend inaktiv, inkompetent und zerstritten.[229]

Darin zeigen sich bereits die Probleme, die trotz der Wahlerfolge in Ostdeutschland zum Niedergang der Deutschen Volksunion führen sollten. Die Partei stand hochverschuldet in der Kreide von Gerhard Frey. Dieser ermöglichte keinerlei innerparteiliche Auseinandersetzungen oder Debatten, wodurch nie ein tatsächliches Parteileben entstehen konnte. Bis auf Parteistammtische entfalteten die nur schlecht geschulten Mitglieder kaum Aktivitäten außerhalb des Wahlkampfes. Derartige Mängel glich Frey durch immense Ausgaben für Flyer und Wahlplakate aus. Spätestens ab 2004 befand sich die Partei in einer tiefen Krise, die sie 6 Jahre später zu einer Fusion mit der NPD veranlasste.[230]

Die Krise in den Reihen der Republikaner trug ähnliche Züge. Die großen Wahlerfolge bei der Berliner Senatswahl und der Europawahl 1989, bei denen die Partei jeweils über 7% erzielen konnte, beförderten Machtkämpfe und Richtungsstreitigkeiten. Auch hier entlud sich der Protest über den „diktatorischen Führungsstil“ des Vorsitzenden Schönhubers, der die Partei von ihrem konservativen, CDU-nahen Profil wegbewegte.[231] Während die Republikaner in Westdeutschland zunehmend Polizisten, Bundeswehrsoldaten und Akademiker in ihren Funktionärskörper aufnehmen konnten, scheiterte die Partei im Osten. Die wenigen angeworbenen Funktionäre erwiesen sich als unerfahren, schlecht geschult und teils zu offen neofaschistisch. Die folgende massive Anti-Asyl Kampagne sollte der Partei einen letzten kleinen Aufwind verschaffen. So stiegen die Mitgliederzahlen der Republikaner in Ostdeutschland auf 3.000 Mitglieder im Jahr 1992.[232]

Franz Schönhuber und seinen Republikanern gelang in dieser Zeit das Eindringen in bürgerlich-liberale Kreise am erfolgreichsten. Um den Vorwurf des Rechtsextremismus gegen die Republikaner zu entkräften, legte Schönhuber während seiner Zeit als Parteivorsitzender in der Regel großen Wert auf die Abgrenzung zu DVU und NPD.[233] Die Zielstellung, eine „seriöse und demokratische Alternative der Parteien rechts von der Union“[234] zu schaffen, litt allerdings unter dem Druck des offen-rechtsradikalen Flügels in der Partei. Solche programmatischen Streitigkeiten sollten die Republikaner tiefer in die politische Bedeutungslosigkeit führen.[235]

Die Entwicklung der neofaschistischen Bewegung erlitt durch den Niedergang dieser beider Parteien keinen großen Dämpfer. Die NPD konnte von der fehlenden Konkurrenz profitieren, während die zahlreichen rechtsradikalen Gruppen in Ostdeutschland weiter Wurzeln schlagen konnten. Der Bewegung mangelte es weiterhin an geschulten Funktionären und Kadern. Obendrein war man sich inhaltlich und organisatorisch uneinig. Viele Strukturen mussten erst mühevoll aufgebaut werden.

Die Funktion der Neofaschisten als Spalter der Arbeiterklasse blieb über die Zeit hinweg genauso bestehen wie die vielen kleineren Wahlerfolge, Aufmärsche und Veranstaltungen, die sich zur politischen Normalität entwickeln sollten.  Die neofaschistische Bewegung und die in der Grauzone zum Konservatismus arbeitende Neue Rechte waren aus der politischen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Dennoch blieben Gewaltexplosionen wie in den frühen 1990er Jahren für lange Zeit unübertroffen. Die Neue Rechte wusste bereits damals wie entscheidend ein nachhaltiger und langfristiger Aufbauprozess für die neofaschistische Bewegung sein wird.

Vor dem Hintergrund des Niedergangs der neofaschistischen Parteien erkannte die Neue Rechte eine erneute Stagnation der Bewegung. So schrieb Karlheinz Weißmann 1998 in der Jungen Freiheit: „Man wäre sich sicher gewesen, eine geschichtliche Tendenz erzeugt zu haben, die weite Teile des bürgerlichen Lagers zur eigenen Seite hinüberzieht.“ Die großen Schritte, die in diese Richtung gemacht wurden, sind nicht zu übersehen. Die herrschende Klasse des deutschen Imperialismus und ihre konservativen Vertreter schürten einen neuen deutschen Nationalismus und nahmen die Folgen dieser Politik dankend in Kauf. Die Deutsche Volksunion und die Republikaner stellten sich noch zu unprofessionell an, um zu einer wirklichen Option heranzureifen. Als Aufheizer und Ablenker waren sie dennoch gern gesehen. Einigen bürgerlichen Politikern ging der Abwärtstrend der rechten Parteien mit Sicherheit gegen den Strich.

Die Stabilisierung rechten Gedankenguts sollte fortan eine Hauptaufgabe der Neuen Rechten werden.[236]  In den verschiedenen Verlagen, Zirkeln und Arbeitskreisen wurde weiterhin kontinuierlich diskutiert und Propaganda für die Konservative Revolution betrieben. Zeitgleich zum Niedergang von DVU und Republikanern bildete sich das Institut für Staatspolitik heraus – heute eine der wichtigsten Neurechten-Denkfabriken in der Bundesrepublik. Die Schulungen und Seminare des Instituts wurden zahlreich und prominent besucht. Nahezu sämtliche Spitzenpolitiker der AfD gingen ein und aus beim Institut. Ihre Publikationen, sowie die hauseigene „Wissenschaftliche Reihe“ erfreut sich ebenso einer breiten Leserschaft und kann immer häufiger Impulse in die neofaschistische Bewegung senden. Die feste Zusammenarbeit mit der Auflagenstarken Jungen Freiheit konnte den Gründern des Instituts von Beginn an sicher sein. In einem Interview mit der Wochenzeitung benannte einer ihrer Gründer, Karlheinz Weißmann, 2001 die Ziele des IfS: „Uns geht es um geistigen Einfluss, nicht die intellektuelle Lufthoheit über Stammtische, sondern über Hörsäle und Seminarräume interessiert uns, es geht um den Einfluss auf die Köpfe, und wenn die Köpfe auf den Schultern von Macht- und Mandatsträgern sitzen, umso besser.“[237] Die Gründung des Institutes steht dabei in einer klaren Kontinuität zur Entwicklung der Neuen Rechten und reagierte auf die  Stagnation der 2000er Jahre. Weißmann und Kubitschek, die beiden bekanntesten Gründer des Institutes, teilten sich ihre gemeinsame politische Herkunft aus der völkischen Studentenverbindung Deutsche Gildenschaft, sowie ihre Autorenschaft für die Junge Freiheit.[238]

Mit dem Zentrum in Schnellroda knüpften die größtenteils westdeutschen Gründer gezielt an die Siedlungsstrategien im Osten Deutschlands an. Mit Schulungen und Seminaren holte man die dringend notwendige Ausbildung von Kadern, Funktionären, Rednern und Autoren nach. Über die Theoriezeitschrift Sezession wurde sich gezielt mit neuen Strategien auseinandergesetzt, während man verschiedene Kräfte sammelte, organisierte und schulte. Die Verleger und Organisatoren übten sich seit ihrer Gründung im Jahr 2000 in Geduld und langfristigem Denken. Kubitschek gab noch im selben Jahr in der Jungen Freiheit ein Interview und betonte, dass sie „ihre Arbeit sehr ernst nehmen“, sie jedoch „derzeit nicht wirklich gebraucht“ werden: „Unsere vollkommen abgesicherte Gesellschaft wird durch unsere Warnrufe und Forderungen nicht berührt.“ Es gelte, dass „Pulver trocken zu halten (…), weil die Stimmung für uns arbeitet: Es liegt etwas in der Luft“, so Kubitschek anlässlich der Gründung des Instituts.[239]

Die Integrationskraft des imperialistischen Staates hält nicht ewig, dann kann eine neofaschistische Bewegung zur Stabilisierung der kapitalistischen Herrschaft nicht schaden. Es deutet sehr viel darauf hin, dass die Finanzkrise von 2007 und 2008 genau eine solche Dynamik hervorbrachte.

Die mühevolle Arbeit an einer Konsolidierung der übrigen Kräfte formierte sich in den 2000er Jahren zu einem breiten Netzwerk. In ihm fungierte das Institut für Staatspolitik als zentrale Denkfabrik, die andere Kreise, wie das von Daimler finanzierte Studienzentrum Weikersheim oder das Thule-Seminar, ergänzte. Dem hauseigenen Verlag Antaios kam dabei die Aufgabe zu, Strategiedebatten und politische Auseinandersetzungen zu organisieren und festzuhalten. Diese Arbeit wurde auf den Seminaren des Instituts für Staatspolitik in Schulungen übersetzt, während die Junge Freiheit propagandistisch in die Breite wirken sollte. Dabei wurden beständige Kontakte zu Parteien wie der Freiheit oder dem Bund Freier Bürger gesucht, die später die AfD mitgründen sollten. Als sich 2014, mit Rückenwind von Thilo Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab, die letzten verbliebenen rechtskonservativen Stahlhelmer aus der CDU verabschiedeten und mit weiteren rechtskonservativen Politikern die AfD gründeten, hatte dieses Netzwerk schon längst einen Fuß in der Tür und begleitete den Aufbauprozess der Partei. „Eine Oase der geistigen Regeneration“[240] sollte Björn Höcke das Institut später beschreiben. Das Institut für Staatsforschung entwickelte sich zum Motor der AfD-Entwicklung und der Stärkung des neofaschistischen Flügels der Partei.[241]

Ein Achtungserfolg gelang 2017 mit der Gründung der Desiderius Erasmus Stiftung. Die Stiftung greift bis heute staatliche Finanzierung und Privatspenden für ihre Projekte ab. Im Vorstand sitzen derweil einschlägige Charaktere wie der Gründer des Instituts für Staatsforschung Karlheinz Weißmann. Ein weiteres Vorstandsmitglied, Hans Hausberger, wollte schon für die Republikaner eine Stiftung gründen und konnte nun seinen großen Traum endlich verwirklichen. [242] Nicht nur das Institut für Staatspolitik, sondern auch das neofaschistische Projekt Ein Prozent, die junge Freiheit, Compact und einzelne CDU-Politiker sind mit der Stiftung liiert.[243] Dabei ist alles eingebettet in die Strategie der Neuen Rechen, so gibt Hans Hausberger beispielsweise mittlerweile Seminare „was man als Rechter sagen kann und was nicht“, ganz im Geiste Armin Mohlers soll man sich für die faschistische Vergangenheit nicht mit dem Nasenring durch die Manege führen lassen, sondern sich so weit wie nötig und so wenig wie möglich distanzieren und gleichzeitig die Grenzen des Sagbaren immer weiter ausreizen.

An dieser Stelle wird bereits deutlich, dass wir hier schon längst zu einer gesamtdeutschen Frage vorgestoßen sind. Wir können allerdings weiterhin erkennen, wie die Annexion der DDR und der Aufbau einer neofaschistischen Bewegung in Ostdeutschland noch heute auf die politischen Entwicklungen einwirken. Die Entwicklung der AfD selbst, ihre hohen Zustimmungswerte in Ostdeutschland – all diese Entwicklungen sind mit der Refaschisierung Ostdeutschlands verbunden. Die Saat, die man in den 1990ern gesät hat, blüht bis heute.

Die Entwicklungen nach der Annexion der DDR sorgten nicht nur für eine breite Kooptierung der Neuen Rechten in Staat und Politik, sondern auch für einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, aus dem die neofaschistische Bewegung bis heute lernt und Schlüsse zieht. Wie schult und bildet man Kader, um nicht zu enden wie die Deutsche Volksunion? Wie sorgt man für Einigkeit und Disziplin in den eigenen Reihen um nicht wie die Republikaner auseinanderzubrechen? Wie kann man die Phasen der Hochkonjunktur, die einem Medien und Politik der BRD gewähren, langfristig nutzen? Und die wohl entscheidendste Frage: Wie biedert man sich der herrschenden Klasse als seriöse Kraft zur Lösung der Probleme an? Was braucht es, um zur reellen Option für die Herrschaft des Kapitals zu werden?

Der Neurechte Stratege Martin Sellner warnt beispielsweise vor zu starker Militanz und Gewalt auf dem Weg zur Macht. Militante Strategien würden lediglich für Repressionen sorgen und nicht langfristig die Köpfe der Menschen erreichen. Genauso lehnt Sellner das ab, was er als Parlamentspatriotismus beschreibt. Er meint damit eine Integration in das liberale Lager, bei gleichzeitiger Distanzierung vom Faschismus.[244] Was Sellner vorschlägt und weite Teile der AfD und der Neuen Rechten umsetzen ist eine langfristige Rückeroberung politischer Räume und Deutungshoheiten, bei gleichzeitiger Anbiederung an das deutsche Kapital.

8         Schlussbemerkungen und Ausblick

Die Refaschisierung Ostdeutschlands beschreibt eine Etappe im Klassenkampf des deutschen Kapitals gegen die Überreste der annektierten DDR. Mit der Zerschlagung des Antifaschismus dieses Staates, einem marxistischen, klassenbewussten und kämpferischen Antifaschismus, der wissenschaftlich begründet war, sollte die Arbeiterklasse weltanschaulich entwaffnet werden. In diesem Feldzug gegen den Antifaschismus war der Antikommunismus das wichtigste Scharnier auf dem Weg zu einem inhaltsleeren, ungefährlichen und verbürgerlichten Antifaschismus, der den Neofaschismus langfristig eher stärkt als schwächt. Die Vorhut dieses Feldzuges boten Neofaschisten der Neuen Rechten, die man fleißig in die staatliche Politik, die DDR-Aufarbeitung und in die Erinnerungskultur integrierte. Die Ergebnisse beschäftigen uns bis heute. Marxistischer Antifaschismus ist zu einem Randphänomen degradiert worden, während sich der staatstragende BRD-Antifaschismus und der neoliberale Antifaschismus der meisten Antifa-Gruppen kaum voneinander unterscheiden.

Von den neofaschistischen Gruppen, die man im Zuge der DDR-Annexion aufbaute, gehen bis heute Gewalt und Einschüchterungen aus. Die Osten Deutschlands dient bis heute als Rückzugsort und Freiraum für Faschisten. Selbst eine neue rechtsradikale Siedlungsbewegung in den Osten der Republik nahm erst vor wenigen Jahren wieder an Fahrt auf. Mit der „Initiative Zusammenrücken“ entstand im Jahr 2020 eine Plattform, die Umzüge von West nach Ost koordiniert und bewirbt – ganz im Stile Michael Kühnens in den 1990er Jahren. Die faschistische Bewegung profitiert bis heute von den Kontinuitäten und Netzwerken die man in den 1990ern etablierte und aufbaute. Der Mordterror des NSU, seine Netzwerke und Verstrickungen zum Geheimdienst belegen das eindeutig. Bis heute nutzen sie fortbestehende soziale Probleme im Osten der Republik aus.

Eine Untersuchung des modernen Neofaschismus und der Entstehung der AfD muss an anderer Stelle vorgenommen werden. Bestenfalls bieten diese Untersuchungen einen Beitrag dazu. Die gezielte Stärkung des Neofaschismus im Prozess der Annexion hängt unmittelbar mit den heutigen Entwicklungen zusammen. Mit dem ideologischen und organisatorischen Aufbau nach der Annexion wurden Kontinuitäten geschaffen, die bis heute fortbestehen. Sie sind sogar stärker denn je – sowohl ideologisch als auch organisatorisch. Dass sich in dieser historischen Entwicklung die Neue Rechte als erfolgreichstes Projekt des Neofaschismus durchsetzen konnte, ist kein Zufall. Diese Schlägertypen und offenen Neonazis braucht man bis heute als Männer fürs Grobe. Aber die studierten Faschisten mit Hemd und Krawatte waren interessant genug, um sie im Zuge der Annexion der DDR in den Staat zu integrieren und zu einer relevanten politischen Kraft hochzuzüchten. Weiterhin bedrohen jugendliche, gewaltaffine Nazis Antifaschisten und Migranten in Ostdeutschland. Auch sie erleben gerade einen neuen Hype. Sie arbeiten nicht selten im Vorfeld der AfD, sind von ihr beeinflusst und oft eng mit AfD-Mitgliedern vernetzt.

Eine weitere Auseinandersetzung mit der Entwicklung des Neofaschismus in der Bundesrepublik muss sich unweigerlich der AfD widmen. Wir müssen ihre Entstehung aus den Kreisen des Liberalismus und Konservatismus genau verstehen und gut nachvollziehen können welche Rolle die Neue Rechte in ihrem Gründungsprozess spielte. Es ist davon auszugehen das Sie ihre weitere Entwicklung maßgeblich beeinflusste. Etwas das der Neuen Rechten der 1990er gegenüber der DVU und den Republikanern noch schlecht gelang. Wir müssen bezüglich dieser Partei verschiedene Fragen klären: Wie stark ist sie ideologisch und personell vom Neofaschismus durchsetzt? Welchen Weg geht die Partei? Götz Kubitschek hält beispielsweise folgendes fest: „Die AfD musste aus der Mitte kommen und dann von Recht gekapert werden. Sie hat damals nicht begriffen, was sie sein soll und jetzt weiß sie es.“[245]

Während nahezu sämtliche neofaschistische Parteien Europas ihren nationalneutralistischen und NATO-kritischen Kurs verworfen haben, hielt die Alternative für Deutschland lange daran fest – eine Position, die dem fest transatlantisch eingebundenen deutschen Kapital natürlich nicht passt. Jetzt, wo sich jedoch das US-amerikanische Kapital in den Wahlkampf 2025 einschaltet und die Trump-Administration offen eine AfD-Regierung einfordert, ist die Neue Rechte voll im Amerika-Hype. Nur wenige kritische Stimmen bemerken, dass der neue transatlantische Kurs nicht bedeuten darf, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren: Remigration, Grundrechtsabbau, Aufrüstung. Dem sollte nur wenig im Weg stehen.

Fest steht, dass die ideologischen Anknüpfungspunkte des Faschismus immer vielfältiger waren als seine spätere Funktion. Die ganze russlandfreundliche Show der AfD für ihre Wählerschaft müssen wir als das benennen, was sie ist: Eine Show.

Die Funktion des Neofaschismus geht schon lange über die einer ideologischen Reserve des Kapitals hinaus. Zahlreiche Entwicklungen deuten darauf hin, dass er in den letzten Jahren wieder aktiver und gezielter aufgebaut wird. Der verbürgerlichte BRD-Antifaschismus bezweckt gleichzeitig das Gegenteil von dem, was er vorgibt – er stärkt den Neofaschismus und trägt zur Formierung einer liberalen Volksgemeinschaft bei. In der Frage, wie viel Macht und Einflusssphären man dem Neofaschismus gewähren will, findet derzeit ein großer Aushandlungsprozess statt. Die AfD wird gebraucht um Krieg zu führen und die Heimatfront zu mobilisieren.

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Vollhardt, Ulla-Britta (2024): Rechtsextremer Verleger, Journalist und Politiker (DVU), in: ns-doku münchen: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/frey-gerhard-240.

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Waibel, Harry (2016): Rassismus in der DDR, Zeitschrift des Forschungsverbundes SED Staat: Berlin.

Wegmann, Klaus (1976): Mahn- und Gedenkstätten in der Deutschen Demokratischen Republik. Leseheft für die Kunstbetrachtung, Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin.

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Wiedemann, Charlotte (1988): Nationalverein setzt auf Grün, in: taz: https://taz.de/Nationalverein-setzt-auf-gruen/!1836286/?.

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Wrusch, Paul (2011): Verfassungsschutz und Naziszene. Thüringer Kameraden, in: taz: https://taz.de/Verfassungsschutz-und-Naziszene/!5107557/.


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[2] Agethen (2002), S.131.

[3] Friedrich (2002)

[4] Schulz (1986), S.79.

[5] Autorenkollektiv (1970), S.17.

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[7] Autorenkollektiv (1969), S.66f.

[8] Michelmann (2015), S.12f.

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[10]  Ebd.

[11] Leide (2011), S. 33f.

[12] Autorenkollektiv UdL (2019), S.37.

[13] Kunze (2022), S. 294.

[14] Ebd.

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[18] Holz (2020).

[19] Ebd.

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[21] Jahnke (1959).

[22] VVN-BDA (Homepage).

[23] Ebd.

[24] Ein Autorenkollektiv verfasste bis zum Jahr 1964 die umfangreiche Sammlung unter dem Titel: „SS im Einsatz. Eine Dokumentation über die Verbrechen der SS“

[25]Kommission (2006), S.73.

[26] Leide (2011), S.156.

[27] Autorenkollektiv UdL (2019), S.45.

[28] Ebd.

[29] Dumschat (2005), S.121-124.

[30] Ebd.

[31] Kunze (2022), S.287f.

[32] Großmann/ Schwanitz (2021), S.63.

[33] Rodermund, (2023).

[34] Ebd.

[35] Knigh (2019).

[36] Klein (2019), S.235f.

[37] Ohne Autor (2021) / Interview MDR (2022).

[38] Interview MDR (2022).

[39] Anonymer Dokumentarbericht (1947), S. 40 u. 16.

[40] Ebd.

[41] Ebd.

[42] Volk (2023) / Apabiz (2005).

[43]Vollhardt (2024).

[44] Dr. Roesler (2013).

[45] ND-Redaktion (1953), S,1.

[46] Brecht (1953).

[47] Ebd.

[48]Junge Welt (1953).

[49] Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags (2007).

[50] Brose (2022) / MacDonald, Dougal (2022).  

[51] Tügel (2018).

[52] Karlsch (1993), S.223-239.

[53] Winkler (1980), S. 33f.

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[56] Longerich (2021).

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[60] Winkler (1980), S. 38.

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[62] Elm (2005), S.25.

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[64] Frumkin (1978), S. 143.

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[66] Frumkin, (1978), S. 147.

[67] Ebd.

[68] Winkler (1980), S. 80.

[69] Winkler (1980), S. 80.

[70] Neubacher (1996), S.11ff.

[71] Ebd.

[72] Frumkin (1978), S.147.

[73] Marulanda (2019), S. 87.

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[80] Speit (2020), S. 11.

[81] Fischer (2023), S.116.

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[83] Speit (2020), S.11.

[84] Lepper (2023)

[85] Frumkin (1978), S.153.

[86] Vollhardt (2024).

[87] Linke (1994), S.15.

[88] Linke (1994), S.15.

[89] Linke (1994), S.16.

[90] Ebd.

[91] Kailitz (2009), S. 114f.

[92] Kailitz (2009), S. 115f.

[93] Kailitz (2009), S. 115f.

[94] Kailitz (2009), S. 117.

[95] Fischer (2023), S.111.

[96] Neubacher (1996), S. 46ff.

[97] Venner (1994), S. 22f. / Brasch (2016).

[98] Venner (1994), S. 48f.

[99]Brauner-Orthen (2001), S. 180.

[100] Kohrs (2016).

[101] Kohrs (2016).

[102] Venner (1994), S.91f.

[103] ND-Redaktion (1976), S.6. / Redaktion Belltower News (2008).

[104] Ohne Autor (2016) / Kalitz (2009), S. 114 u. 117. Die DVU und Republikaner machten 1989 jeweils 25.000 Mitglieder aus, während die NPD auf 8.000 kam.

[105] Arbeitsgruppe 2 IfS (2008), S.15.

[106] Dr. Wagner (2018).

[107] Mitzkat (2021).

[108] Autorenkollektiv (1970) S.17.

[109] Kinner / Richter (2000), S. 288.

[110] Ahbe (2007), S.40.

[111] Steiner (1989).

[112] Moldt (2002), S. 14–25.

[113] Ahbe (2007), S.41.

[114] Ebd.

[115] Kinner / Richter (2000), S. 288.

[116] Kinner / Richter (2000), S. 289.

[117] Autorenkollektiv UdL (2024), S.5.

[118] Marulanda (2019), S. 89.

[119] Autorenkollektiv (2019), S.39.

[120] Ahbe (2007), S.44-50.

[121] Kunze (2022), S.297.

[122] Ebd.

[123] Der ehemalige Neofaschist Ingo Hasselbach berichtet in mehreren Artikeln und Dokumentationen darüber, wie er und viele weitere Insassen durch Altnazis wie den Dresdner Gestapo-Chef Schmidt noch weiter radikalisiert wurden.

[124] Reich (2021).

[125] VHS Doku (2020).

[126] Marulanda (2019), S. 90f.

[127] Ebd.

[128] Wrusch (2011).

[129] Förster (2019).

[130] Ebd.

[131] Dokumentation Eskalation der Gewalt 1992.

[132] Marulanda (2019), S. 90f.

[133] Autorenkollektiv UdL (2024), S.5.

[134] Ahbe (2007), S. 43.

[135] Hockenos (2013), S. 86–87.

[136] Vollhardt (2024).

[137] Lewis (1996), S.25ff.

[138] Monroy (2024).

[139] Robert Havemann Gesellschaft (ohne Jahr).

[140] Robert Havemann Gesellschaft (ohne Jahr) 2.

[141] Autorenkollektiv UdL (2024), S.5.

[142] Werner (2022).

[143] Ohne Autor (2022) / Kleffner (2016).

[144] Kleffner (2016).

[145] Ohne Autor (2021).

[146] NDR Doku (2022).

[147] Das Buch 30 Jahre „Antifa in Ostdeutschland – Perspektiven auf eine eigenständige Bewegung“ zeichnet diese Standpunkte gut nach, allerdings ohne sich selbst kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen.

[148] Ehlert, Ringo (2010).

[149] Ebd.

[150] Ohne Autor (2022).

[151] Tschernig (2023).

[152] Ehlert (2013).

[153] Autorenkollektiv (2019), S.34.

[154] Ehlert (2010).

[155] Kleffner (2016).

[156] Hethey (2020), S. 44.

[157] Hethey (2020), S. 41.

[158] Kalitz (2009), S. 111.

[159] Hertel (1998), S.26.

[160] Neubacher (1996), S.55.

[161] Geyer (2019).

[162] Rosa-Luxemburg-Stiftung (2019).

[163] Waibel (2016), S.126.

[164] Ebd.

[165] Ebd.

[166] Niemann (2005), S.81.

[167] Richter (2017).

[168] Holtmann (2002).

[169] Grimmer (2019).

[170] Peşmen (2017).

[171] Peşmen (2017).

[172] Peşmen (2017).

[173] Linke (1994), S.178.

[174] Unentdecktes Land (ohne Jahr).

[175] Linke (1994), S.170.

[176] Linke (1994), S.171.

[177] Linke (1994), S.174.

[178] Issig / Itzthum (2016).

[179] Linke, Anette (1994), S.169.

[180] Wiedemann (1988) /sowie Linke (1994), S.175f.

[181] Heitzer (2013), S. 23f.

[182] Heitzer (2023), S. 25f.

[183] Heitzer (2023), S. 26f.

[184] Heitzer (2023), S. 29.

[185] Heitzer (2023), S. 40f.

[186] Heitzer (2023), S. 31.

[187] Ebd.

[188] Heitzer (2023), S. 33f.

[189] Gamma (2011)

[190] Elo (2016) / Scheffler (2012).

[191] Dahn (2021), S. 132.

[192] Dahn (2021), S. 133.

[193] Dahn (2021), S. 134.

[194] Ebd.

[195] Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (ohne Jahr).

[196] Dahn (2021), S. 101.

[197] Ebd.

[198] Ebd.

[199] Ebd.

[200] Dahn (2021), S. 102.

[201] Wippermann (2009), S. 60.

[202] Wippermann (2009), S. 71.

[203] Wippermann (2009); S. 60f.

[204] Mitzkat (2021).

[205] Wippermann (2009), S. 65.

[206] Wippermann (2009), S. 66.

[207] Wippermann (2009), S. 66f.

[208] Wippermann (2009), S. 65.

[209] Linke (1994), S.170.

[210] Heitzer (2023), S. 38.

[211] Wippermann (2009), S.81.

[212] Ebd.

[213] Wippermann (2009), S. 82.

[214] Ahbe (2007), S. 54f.

[215] Klein (2021), S. 7.

[216] Dahn (2021), S. 78.

[217] Klein (2021), S. 7.

[218] Dahn (2021), S. 78.

[219] Dahn (2021), S. 79.

[220] Ahbe (2007), S. 56.

[221] Deutscher Bundestag Referat Öffentlichkeitsarbeit (1994), S. 1f.

[222] Weitere Infos bei NSU-Watch: https://www.nsu-watch.info/.

[223] Linke (1994), S.148ff.

[224]Linke (1994), S. 171.

[225] Linke (1994), S.59.

[226] Kailitz (2009), S. 111.

[227]Neubacher (1996), S.38.

[228] Kailitz (2009), S. 111.

[229] Kailitz (2009), S. 112.

[230] Ebd.

[231] Neubacher (1996), S. 48f.

[232] Neubacher (1996), S. 48f.

[233] Kailitz (2009), S. 123.

[234] Kailitz (2009) S. 124.

[235] Arbeitsgruppe 2 IfS (2008), S. 16.

[236] Ebd.

[237] Speit (2020), S.13.

[238] Kovahl (2020), S.37.

[239] Speit (2020), S.11.

[240] Tornau (2021).

[241] Ebd.

[242] Joswig (2021).

[243] Joswig (2021) / Bednarz (2019).

[244] Sellner skizziert diese Idee in einer Buchvorstellung im Rahmen des Instituts für Staatspolitik. Die Audioaufnahme ist auf dem „Kanal Schnellroda“ erhältlich.

[245] Aussage Götz Kubitscheks auf einem Podiumsgespräch mit Martin Sellner unter dem Titel „Reisefreiheit und Remigration“.

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