Versteckt Euch nicht hinter Allgemeinplätzen: Ihr macht Euch gemein mit Nationalismus und Pro-Imperialismus.
Von Klara Bina
Young Struggle (YS) hat eine Zitatensammlung von Lenin zusammengestellt, mit der Absicht, Tom Hensgens Diskussionsbeitrag zu kritisieren. Zur Sache – heißt zur Frage der Legitimität der Unterstützung der PKK und ihrer nationalistischen und proimperialistischen Linie aus kommunistischer Perspektive – ist im Artikel von YS jedoch nichts Konkretes zu finden. Der vorliegende Kommentar ist der Versuch, den Finger dorthin zu legen, wo es wahrscheinlich ein halbes Jahr lang, seit Erscheinen des Beitrags von Hensgen – oder länger schon – weh getan hat und immer noch weh tut: In die selbstzugefügte Wunde von MLKP/YS in der PKK-Frage. Es ist tatsächlich unmöglich, den Internationalismus mit dem Nationalismus der PKK und den Antiimperialismus mit der proimperialistischen Unterstützung eines US-Gehilfen zu versöhnen. Es ist bekannt, dass MLKP/YS den Antikommunismus der PKK schon lange erkannt haben – das kann in mehreren ihrer Publikationen nachgelesen werden. Und dass sie grundsätzlich die Frage des Selbstbestimmungsrechts von der ideologischen Orientierung der Organisationen, die sich für die praktische Umsetzung dieses Rechts einsetzen, abtrennen – auch das ist richtig. Ob sie das auch in anderen Fällen, wie z.B. in Palästina oder Afghanistan in dieser Weise tun, sei dahingestellt.
Warum liest sich aber die Reaktion von YS auf Hensgen wie eine Rechtfertigung ihrer Praxis? Weil ihre Praxis den kommunistischen Grundsätzen in ganzer Linie widerspricht: in der Frage des proletarischen Internationalismus, in der Frage des Selbstbestimmungsrechts, in der Nationenfrage, im Kampf gegen Imperialismus. Worin besteht diese Praxis? Sie besteht in der Orientierung auf die Unterstützung der PKK. Was ist die PKK? Sie ist eine nationalistische, proimperialistische, volksfeindliche und opportunistische Organisation. Was ist die PKK nicht? Sie ist nicht eine Vertreterin der kurdischen Völker in der Region Westasien.
Wie der Leser schon gemerkt haben sollte: Es gibt Gründe, warum sich YS hinter einer Armada von Schutzschildern, bestehend aus Lenin-Zitaten, verstecken muss: die Sache ist nämlich heiß.
Wer sich also gefragt haben sollte, was der ganze Aufwand mit den Zitaten soll, hier die Antwort: Es soll viel heiße Luft produzieren, um wenig zu sagen, – am besten nichts zur eigentlichen Sache. Der versprochene nächste Teil könnte eine Annäherung an diese Frage beinhalten. Es wird eine Beschäftigung mit der Kurdistanfrage und der Rolle der Kommunisten versprochen. Herzlichen Glückwunsch! YS will sich also langsam dem heißen Eisen nähern. Aber leider wird kein dritter Teil versprochen, in dem es konkret um die PKK gehen soll.
Für den interessierten Leser sei kurz zusammengefasst, was uns YS im vorliegenden ersten Teil ihrer Antwort auf Hensgen sagen will: Kommunisten sind prinzipiell für das Selbstbestimmungsrecht der Nationen!
Chapeau! Ob diese wilde Zitatensammlung nötig gewesen wäre, um das zu sagen?
Das Heranführen der Auseinandersetzung Lenins mit dem imperialistischen Ökonomismus, hier vor allem mit Kijewski, ist nichts anderes als ein Mittel der Verzweiflung, um sich bloß nicht konkret auf Hensgen zu beziehen. Kijewski nämlich hatte die völlige Entsorgung des Selbstbestimmungsrechts im Sinn. Nun wendet YS argumentativ einen sehr billigen Trick an: erstens Hensgen ist gegen das Selbstbestimmungsrecht (ohne Beleg und Argumentation), zweitens Kijewski war gegen das Selbstbestimmungsrecht, drittens Lenin hat Kijewski den Kopf gewaschen, viertens YS gibt vor mit Lenin-Zitaten gegen Kijewski dem Hensgen seinen Kopf gewaschen zu haben.
Die weiteren allgemeinen Aussagen im letzten Teil des Artikels beziehen sich leider auch nicht auf das konkrete Thema „PKK“. Die allgemeinen Fragen, die dort aufgeworfen werden, sind durchaus interessante Fragen im kommunistischen Klärungsprozess, den die KO angestoßen hat.
Aber was hat eigentlich Hensgen gesagt? Das gerade will uns YS nicht sagen, – es sei den wirklich engagierten Lesern empfohlen, selbst den Artikel von Hensgen zu lesen. Hier nur der überraschende Hinweis: es geht um die PKK! Also dasselbe heiße Eisen, über das YS nichts sagen will, aber in ihrer Praxis bereit ist, alles dafür zu tun – bis hin zur Organisierung von jugendlichen „Märtyrern“.
Also Hensgen geht es um die PKK. Und in seiner Einleitung bringt auch er ein paar Zitate der Klassiker des Kommunismus, – von Marx, Lenin und Stalin. Damit will er vor allem die Bandbreite der Anwendungsmöglichkeiten der Prinzipien des Kommunismus aufzeigen. Also will er zeigen, dass es nicht reicht, allgemeine Prinzipien wie das Selbstbestimmungsrecht aufzustellen, sondern diese auf sehr konkrete und damit widersprüchliche historisch-konkrete Erscheinungen anzuwenden. Dann erst zeigt sich, in welchem Verhältnis diese Prinzipien zu vielen anderen prinzipiellen Fragen stehen.
Diese ein paar Sätze sollten reichen, um erstens zu zeigen, wovon YS ablenken will. Zweitens auf ihre fragwürdige Methode hinzuweisen, mit Zitaten die Gegenseite zu bearbeiten, ohne sich auf die Argumente zu beziehen. Drittens – und das ist der wichtigste Zweck der Mühe – die ernsthaften und ehrlichen politisch Interessierten und Engagierten dazu einzuladen, sich von den Blendgranaten nicht beeindrucken zu lassen und ohne jegliche Scheuklappen mit der Sache selbst zu befassen, die hier zur Disposition steht: mit der PKK und mit der gefährlichen Solidarität von Teilen der kommunistischen und linken Bewegung mit ihr. Dazu ist es sehr dienlich, sich auch verschiedene Werke der Klassiker, vor allem mit ihrer Anwendung des Wissenschaftlichen Kommunismus, zu beschäftigen. Im besten Falle tut man das in organisierter Form.