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Halle mahnt uns!

Heute vor fünf Jahren griff ein rechtsradikaler Attentäter eine Synagoge und einen türkischen Imbiss in Halle an und ermordete dabei zwei Menschen. Was ein offensichtliches Beispiel für den in Deutschland nach wie vor lebendigen Rassismus und Faschismus ist, wird von Seiten der Herrschenden zunehmend verfremdet, damit es in ihre imperialistische antipalästinensische Propaganda passt.

Halle war ein rechter Anschlag

Am 9. Oktober 2019, gegen 12 Uhr versuchte Stephan B., in die Synagoge von Halle einzudringen, um dort möglichst viele Menschen zu töten. Es war Jom Kippur, der höchste jüdische Feiertag, weshalb er damit rechnen konnte, dass das Gebäude voller Menschen war. Glücklicherweise hielt die Tür den Schüssen aus seiner selbstgebauten Waffe jedoch stand. Dafür erschoss er noch an Ort und Stelle eine Passantin. Danach marschierte er zu einem nahegelegenen Döner-Imbiss, wo er eine weitere Person ermordete und zwei weitere verletzte.

In seinem „Manifest“, das der Halle-Attentäter nach dem Beispiel der rechten Massenmörder von Utøya (2011) und von Christchurch (2019) veröffentlichte, bekannte er sich zu einem faschistischen und verschwörungsmythologischen Weltbild: Als Feinde benannte er „Anti-Weiße“, Juden, Muslime, Schwarze und Kommunisten.

Ursprünglich hatte der Mörder geplant, eine Moschee anzugreifen. Als Vorbild diente das Massaker im neuseeländischen Christchurch, wo ein Faschist sieben Monate zuvor 51 Muslime massakriert und das ganze per Livestream ins Internet gestellt hatte. Die Wahl eines Döner-Imbisses als „Ersatzziel“ für die nicht zu stürmende Synagoge zeigt ebenfalls, dass für B. seine Opfer letztlich austauschbar waren, solange sie zu seinen Feindbildern passten.

Mit Halle gegen Palästina

Der rechtsradikale Hintergrund des Halle-Anschlags ist nicht zu leugnen. Doch das Gedenken ist, wie immer bei rassistischen und faschistischen Verbrechen, umkämpft: Während die Herrschenden seit 1945 nichts als leere Worte und Krokodilstränen über die zig Millionen Opfer des faschistischen Terrors vergießen und zugleich die gesellschaftlichen Ursachen desselben verschleiern, machen Antifaschisten auf die Zusammenhänge von kapitalistischer Herrschaft und Ausbeutung sowie Rassismus und Faschismus aufmerksam.

Doch konkret bei Halle geht es derzeit noch um etwas anderes: Der Anschlag wird auch genutzt, um gegen die Palästinasolidaritätsbewegung vorzugehen. In der Verbotsverfügung gegen Palästina Solidarität Duisburg (PSDU) etwa wird behauptet, die Meinungen, die PSDU verbreitete – die Ablehnung von Kolonialismus, Apartheid und Genozid und die Kritik an Zionismus, Rassismus und Faschismus – schüre Hass gegen Juden in Deutschland und gefährde „Leib und Leben der in Deutschland lebenden israelischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie von Jüdinnen und Juden.“ Dabei bezieht sich das NRW-Innenministerium explizit auch auf den Halle-Anschlag, weil „aus Worten binnen kurzer Zeit Taten werden“.1

Auch in zahlreichen Medienbeiträgen zu Halle ist die Rede vom Antisemitismus, der angeblich seit dem 7. Oktober 2023 in der BRD zunehmend um sich greife. Damit werden wieder einmal in einem Handstreich Palästinasolidarität und Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichgesetzt und zugleich der wahre Antisemitismus, der fast ausschließlich von rechter Seite kommt und der immer wieder in Gewalt umschlägt und Menschenleben fordert, kleingeredet.

Zwar wird das rassistische und „rechtsextreme“ Weltbild von Stephan B. schlagwortartig angeführt. Allerdings ohne es mit Inhalt zu füllen: Die Tatsache, dass er sich am antimuslimischen Christchurch-Massaker orientierte und die Einwanderung von Muslimen als Gefahr für die „weiße Rasse“ sah, kommt bei den Medien überhaupt nicht mehr vor. Auch diejenigen Berichte, die den Döner-Imbiss erwähnen, weisen nicht darauf hin, dass es kein Zufall war, dass sich der Attentäter ein türkisches Geschäft als zweiten Tatort aussuchte. Dasselbe gilt für die offizielle Erklärung des Landtags von Sachsen-Anhalt.2 Der Deutschlandfunk ist da konsequenter, wenn er einfach nur von einem „Imbiss in der Nähe“ spricht, ohne überhaupt zu erwähnen, dass es sich um ein von Migranten geführtes Geschäft handelte.3

Halle gedenken, heißt: Kampf dem Rassismus!

Wir dürfen den Herrschenden die Deutungshoheit über faschistische und rassistische Verbrechen nicht überlassen:

Wir wissen, dass der Rassismus ein elementarer Teil kapitalistischer Ausbeutungslogik und Ideologie ist, dass Faschismus eine Form bürgerlicher Herrschaft ist, dass die Rechten immer auf der Seite der herrschenden Klasse stehen und dafür von ihr hofiert und gefördert werden.

Wir wissen, dass Antisemitismus eine Form von Rassismus ist und dass der Kampf gegen Antisemitismus nur wirksam sein kann, wenn auch alle anderen Formen von Rassismus bekämpft werden.

Und wir wissen, dass der Kampf gegen Rassismus nur konsequent geführt werden kann, wenn er sich auch gegen Imperialismus und Kolonialismus und damit auch gegen den Zionismus richtet.

Ob Halle, Hanau oder Rostock – ob Auschwitz, Leningrad oder Gaza – nie wieder!

  1. https://static1.squarespace.com/static/6666a7a4f7f14d12804609d1/t/6671d2473117cf236dcbb474/1718735447349/Verbotsverf%C3%BCgung-PSDU-geschw%C3%A4rzt.pdf ↩︎
  2. https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/alle-dossiers/standard-titel/terror-anschlag-in-halle-war-nicht-vorhersehbar ↩︎
  3. https://www.deutschlandfunk.de/haseloff-antisemitismus-darf-keinen-raum-finden-100.html ↩︎

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