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Die KO wurde gespalten – Wer behält den Namen?

Das militärische Vorgehen Russlands in der Ukraine seit dem 24. Februar 2022 ist sehr umstritten in der kommunistischen Bewegung. Anhand dieser konkreten Frage sind sowohl allgemeine und grundlegende Fragen der marxistisch-leninistischen Weltanschauung aufgerufen, zugleich zeigen sich in besonderer Weise Schwächen in der Analyse- und vor allem in der Diskussionsfähigkeit der Bewegung. Das führt zu zahlreichen, einander widersprechenden und zum Teil diametral entgegengesetzten Reaktionen auf die russische Militäroperation, die nicht ohne schwere Vorwürfe auskommen.

Die Bruchlinien verlaufen dabei nicht nur zwischen den kommunistischen Parteien und Organisationen, sondern mitunter auch mitten durch sie hindurch. Das gilt auch für die KO. Weil wir dies erkannt haben, haben wir im März diesen Jahres öffentlich Selbstkritik geleistet und auf unserer vierten Vollversammlung im April einen Beschluss zur Klärung der Imperialismus- und Kriegsfrage gefällt.

In diesem Sinne haben wir uns von April bis November sowohl bewegungsöffentlich — in Form der Diskussionstribüne, regionaler Debatten und Veranstaltungen sowie des Kommunismus-Kongresses (KoKo) —, als auch intern — in Form von bundesweiten Referaten und Diskussionen über verschiedene internationale kommunistische Parteien und ihre Positionen zum Ukrainekrieg und zur Imperialismusfrage, mittels interner Diskussionsbeiträge und zuletzt durch einen Prozess der individuellen Positionierung aller Genossen in der KO — mit verschiedenen Imperialismusanalysen und Bewertungen des Krieges in der Ukraine sowie der dort involvierten Akteure auseinandergesetzt und darüber gestritten.

Es ist bereits vielen Genossen außerhalb der KO aufgefallen, dass wir zum KoKo, der als öffentlicher Höhepunkt unserer Auseinandersetzung mit der Imperialismusfrage geplant war und der in der Tat viel Aufmerksamkeit in der Bewegung auf sich gezogen hat, bislang keine Auswertung nach außen gegeben haben. Das liegt daran, dass sich nach dem Kongress die mit der Frage nach der Klärung der Imperialismusfrage verbundenen Spannungen innerhalb der KO zu einer regelrechten Krise ausgewachsen haben. Vor diesem Hintergrund hat eine Minderheit innerhalb der Leitung begonnen die Regeln und Strukturen der Organisation in Frage zu stellen und damit das Fortbestehen der KO in ihrer bisherigen Form. Die Gruppe ist so weit gegangen, dass sie sich inzwischen der Organisation als eine alternative Leitung anbietet. Das heißt, sie ist zu einer offenen Fraktionierung übergegangen, was notwendiger Weise die Auflösung der Organisationsstrukturen provoziert.

Tatsächlich werden beide Leitungsgruppen – also diejenigen, die in der gewählten Struktur verblieben sind, als auch diejenigen, die sich fraktioniert haben – von ähnlich großen Teilen der Organisation unterstützt. Natürlich stellt das die Handlungsfähigkeit der legitimierten Strukturen vollkommen in Frage und hat einen Machtkampf innerhalb der Organisation ausgelöst. Eine Kritik und Sanktionierung der Fraktionierungstätigkeit und der Zersetzung der geregelten Abläufe, kann daher de facto nicht durch die legitimierten Strukturen durchgesetzt werden. Das gilt unter anderem auch für die Kontrolle über die Kommunikationskanäle der KO wie etwa dieser Website oder unseren Telegram-Kanal. Momentan befindet sie sich im Besitz der fraktionierten Gruppe, auch wenn wir gegenwärtig noch in der Lage sind Beiträge zu veröffentlichen.

Damit ist die KO nicht mehr souverän, wie beispielsweise über den Verbleib der Website als zentralen Bestandteil ihrer Infrastruktur und ist damit von der Bereitschaft der Fraktionierer abhängig. Die Mehrheit der Leitung hat sich dennoch entschlossen, diese Fraktionierungstätigkeit mit statuarischen Maßnahmen zu belegen. Das hat sie in vollem Bewusstsein der fehlenden Durchsetzungsmöglichkeiten getan. Infolgedessen ist eine Beschäftigung mit unserem Verständnis von Demokratischem Zentralismus in Gang gekommen, die wir als produktiv ansehen. Schließlich wird ein Beschluss des Anfang Januar anstehenden außerordentlichen Kongresses der KO über den zukünftigen Charakter der KO, sowie den Verbleib und den weitern Umgang mit den Mitteln und Infrastruktur der KO entscheiden. Es bleibt leider nur zu hoffen, dass die Fraktionierer diese Beschlusslage akzeptieren werden.

Inhaltlich stehen sich folgende zwei Positionen gegenüber: Die einen wollen die wissenschaftliche, ergebnisoffene und bewegungsöffentliche Klärung in ihrer bisherigen Form fortsetzen und vertiefen, und lehnen eine Positionierung zum Ukrainekrieg vor dieser Klärung ab — die anderen wollen, dass die KO sich jetzt positioniert, und zwar dahingehend, dass der Krieg in der Ukraine ein imperialistischer Krieg von beiden Seiten sei, um von dieser Position ausgehend eine weitere Klärung im Sinne einer Vertiefung der Position zu betreiben. Der Teil der Organisation, der jetzt eine Positionierung einfordert, möchte vor allem eine Verurteilung des von ihnen als imperialistisch eingeordneten Eintritts der Russischen Föderation in den Krieg. Für sie war und ist die im Beschluss der vierten Vollversammlung festgelegte Positionierung gegen NATO und deutscher Imperialismus nicht ausreichend. Die inhaltliche Auseinandersetzung soll jetzt über eine Spaltung ‚geklärt‘ werden. Der andere Teil innerhalb der KO ist durch die Erfahrungen des letzten Jahres zur Einsicht gelangt, dass eine ernsthafte Klärung der Dissense zur Imperialismus- und Kriegsfrage innerhalb der kommunistischen Bewegung, einer größeren Anstrengung bedarf. Sie muss die historischen Quellen und damit die Genese der Positionen besser erfassen und die Bewegung noch vielmehr als es uns bisher – z.B. im Zusammenhang mit dem KoKo – gelungen ist, einbeziehen.

Auch wenn sich diese zwei Gruppen noch unter dem Dach der KO befinden, ist durch die Fraktionierung und Zersetzung der Organisation, ihre Spaltung de facto vollzogen. Wer sich durchsetzen wird, ist bislang völlig offen.

Uns ist es wichtig, der kommunistischen Bewegung gegenüber, als deren Teil wir uns sehen und mit der wir die Klärung führen wollen, möglichst viel Transparenz herzustellen. Das betrifft die inhaltlichen Auseinandersetzung, die in der KO geführt wird. Für genauso wichtig erachten wir aber, dass die Bewegung verstehen kann, welche Prozesse zur Spaltung der KO geführt haben. Diese, wenn auch bitteren Erfahrungen, die wir machen, sind nicht privater Natur, sondern wichtig, damit auch die gesamte Bewegung ihre Schlüsse daraus ziehen kann. Wir sehen es demnach als unsere Verantwortung gegenüber der Bewegung an, diesen Prozess nicht im stillen Kämmerlein auszutragen.

Daher haben wir uns entschieden, die nun zur Abstimmung stehenden Anträge, die zwei unterschiedliche Entwicklungsrichtungen für die KO vorschlagen, öffentlich zugänglich zu machen. Wir dokumentieren den Leitantrag, der von der Zentralen Leitung und den darin verbliebenen Genossen eingebracht wurde und für eine Fortsetzung der Klärung eintritt, als auch die Resolution, die von den fraktionierten Genossen als Positionierung in den aufgeworfenen Fragen vorgeschlagen wird und ihre Vorstellung zur weiteren Klärung, die sie in einem zusätzlichen Antrag eingebracht haben.

Die Anträge werden bis 30.12. überarbeitet, die neue Version werden wir ebenfalls online stellen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Anträge nicht für die Öffentlichkeit verfasst wurden, Abkürzungen und bestimmte Details werden daher unverständlich sein.


Aktuelles

Positionen und Perspektiven zu den Entwicklungen in Syrien

Wir dokumentieren an dieser Stelle Übersetzungen von Erklärungen und Stellungnahmen arabischer, türkischer und iranischer Kommunisten.Diese Zusammenstellung verschiedener Statements soll dazu dienen die verschiedenen Perspektiven und Positionierungen gegenüber der Zerschlagung der Syrischen Arabischen Republik in ihrer jetzigen Form aufzuzeigen. Außerdem sollen die offenen Fragen und Orientierungen der Kommunisten angesichts der imperialistischen Aggression gegen Syrien zusammengetragen werden, um die Standpunkte von Kommunisten aus der Region für hiesige Debatten zugänglich zu machen.

Palästina und die DDR – Befreiungskampf als Staatsräson?

Während in der BRD die bedingungslose Unterstützung Israels als „Ersatz- Antifaschismus" spätestens ab 1952 zunehmend zur „Staatsräson" wurde, erkannten sich die DDR und Israel bis zur Konterrevolution 1989/90 nicht gegenseitig an. Stattdessen wurde die DDR zu einem wichtigen Alliierten der palästinensischen Befreiungsbewegung.