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Migration, die Arbeiterklasse und der Imperialismus

Von Philipp Kissel

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  1. WARUM MIGRATION?
    Industrielle Reservearmee und Parasitismus der reichen Länder
    Fremdarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter
  2. BEGRENZEN UND ANFEUERN ZUGLEICH
    Die Forderung der Begrenzung
    Auf der Schattenseite
    Mit Absicht willkürlich
    Asylrecht nicht für Kolonisierte
  3. WESSEN SOZIALSYSTEME?
    Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit
    Kostenlose Reproduktion
  4. IMPERIALISMUS UND MENSCHENRECHTS-AKTIVISMUS
    Verhetzung und Herrenrasse
    Internationale Arbeiterklasse 

Migration ist eines der Hauptthemen in der aktuellen politischen Debatte. Die meisten „Argumente“ sind nicht neu, sondern eine Wiederauflage der „Das Boot ist voll“-Kampagne der 1990er Jahre. In der linken Bewegung gibt es auf der einen Seite eine liberale Strömung, die mit vermeintlich menschenrechtlicher Argumentation die imperialistische Strategie der Migration unterstützt und auf der anderen Seite eine zunehmende Stimmung, die für Begrenzung eintritt und zahlreiche Argumentationen der herrschenden Politik übernimmt.

Hier soll dargelegt werden, was die Hintergründe der Migration und des Diskurses über Begrenzung sind. Zunächst wird herausgearbeitet, welche Funktion Migration im Kapitalismus und insbesondere im Imperialismus hat. Im zweiten und dritten Teil sollen vor diesem Hintergrund Maßnahmen und zentrale Punkte der aktuellen Debatte eingeordnet werden. Im vierten Teil soll kurz auf den Standpunkt der Arbeiterklasse eingegangen werden.

Das Antreiben von Flucht und Migration und das gleichzeitige Unterdrucksetzen der Geflohenen ist kein Widerspruch, sondern Ausdruck des Ziels des Kapitals: die Ausbeutung von möglichst vielen erpressbaren und in Unsicherheit lebenden, billigen Arbeitskräften. Geheuchelte Humanität und gezielte rassistische Kampagnen sind jeweils Mittel, um diese Ziele in der Gesellschaft durchzusetzen. Die Antwort der Arbeiterklasse kann nur sein, sich als internationale Klasse zu verstehen, für wirkliche Humanität und Klassensolidarität einzustehen und gemeinsam für mehr Rechte und gegen die imperialistische Kriegs- und Ausbeutungspolitik zu kämpfen.

1.   Warum Migration?

Warum es Flucht und Migration gibt, ist zunächst offensichtlich: die Zerstörung ganzer Länder und Ökonomien, die anhaltende Unterdrückung großer Teile der Welt, ihre Fesselung an Hunger und Unterentwicklung. Migration ist aber nicht nur Folge der Unterdrückungspolitik der imperialistischen Länder, sondern hat auch eine wichtige Funktion für die Ökonomien dieser Länder. Der Zufluss von billigen und erpressbaren Arbeitskräften ist aus verschiedenen Gründen elementar. Diese Seite der Migration kann man als Raub an den Produktionspotentialen der unterentwickelten Ländern bezeichnen.

Industrielle Reservearmee und Parasitismus der reichen Länder

Mit der Entstehung des Kapitalismus ist die Lostrennung der Arbeitskraft von den feudalen Verhältnissen, den Fesseln der Feudalherrschaft und die Schaffung vieler „freier“, also sowohl frei verfügbarer und als auch frei von Produktionsmitteln existierender Lohnarbeiter, verbunden. Eine riesige Anzahl an Arbeitskräften wurde entweder durch rohe Gewalt dorthin transportiert, wo man sie auspressen wollte (Sklavenhandel), war durch Not gezwungen auszuwandern (Europäer nach Amerika) oder durch vertraglich geregelten Zwang angeworben und als extrem niedrig bezahlte Lohnarbeiter in großen Massen eingesetzt (Chinesen, ohne die beispielsweise das amerikanische Eisenbahnsystem niemals entstanden wäre). Das 19. Jahrhundert war von größeren Wanderungswellen geprägt als dies heute der Fall ist.

Im imperialistischen Stadium des Kapitalismus hat die Migration eine zentrale Bedeutung für die Aufrechterhaltung des imperialistischen Ausbeutungssystems. Es handelt sich dabei um „(…) ein charakteristisches Element der staatsmonopolistischen Entwicklung. Seinen Verwertungsbedürfnissen entsprechend sprengt das Kapital die nationalen Grenzen; es durchbricht die Schranken der Bevölkerungszunahme im eigenen Land und schafft sich durch ‚Freizügigkeitsregelungen‘ im Rahmen der kapitalistischen Integration sowie durch staatlich gelenkte Anwerbung von Arbeitskräften aus anderen Ländern das für seine ökonomische Expansion notwendige Arbeitskräftepotenzial“.[1]

Den Epochencharakter dieser „Völkerwanderung der besonderen Art“ hat Lenin so formuliert: „Gerade für den Imperialismus ist eine solche Ausbeutung der Arbeit schlecht bezahlter Arbeiter aus rückständigen Ländern besonders charakteristisch. Gerade darauf basiert in einem gewissen Grade der Parasitismus der reichen imperialistischen Länder, die auch einen Teil ihrer eigenen Arbeiter durch eine höhere Bezahlung bestechen, während sie gleichzeitig die Arbeit der billigen‘ ausländischen Arbeiter maßlos und schamlos ausbeuten.“[2]

Zwei Faktoren haben eine große Bedeutung für die imperialistischen Länder in ihrer andauernden Krise: Die Zahl der verfügbaren Masse Arbeitskraft muss unbedingt erhöht werden und in gleichem Maße auch ihre Erpressbarkeit und Unsicherheit, was mit der gesteigerten Nachfrage nach Arbeitskraft zusammenhängt. So muss ein permanenter Nachschub von billigen Arbeitskräften stattfinden, der sogenannten industriellen Reservearmee. Diese setzt sich aus verfügbaren Arbeitskräften zusammen, die sowohl schnell in den Prozess geworfen als auch wieder ausgestoßen werden können. Sie hat die Funktion, den Druck auf die Löhne aufrechtzuerhalten, indem das Angebot an Arbeitskräften stets hoch gehalten wird.[3] Diese Reservearmee ist direktes Resultat der Expansion und Schrumpfung des Kapitals. In den Boomphasen steigt die Nachfrage nach Arbeitskräften und mit ihr die Löhne – die Profite gehen zurück. In diesen Phasen ist es relevant, eine „Korrektur“ durch eine große Anzahl außerhalb des Produktionsprozesses stehender Arbeiter zu erreichen, die aufgrund ihrer elenden Lage bereit sind, jede Arbeit anzunehmen. In Zeiten der Krise wächst die Reservearmee stark an.

Die Reservearmee sollte aus Sicht des Kapitals möglichst diversifiziert sein, also sowohl aus besser qualifizierten als auch aus ungelernten Arbeitern bestehen. Der migrantische Teil der Reservearmee wird durch verschiedene Gesetze und Aufenthaltsstati unterschiedlich behandelt. Während die Zuwanderung von Fachkräften erleichtert werden soll, soll die von Ungelernten erschwert werden. Fachkräfte kommen jedoch nicht so gerne nach Deutschland, weil die Löhne beispielsweise im Pflegesektor vergleichsweise niedrig sind. Meistens sind es die Ungelernten, die dazu verdammt sind, zu fliehen und unter Druck gesetzt werden sollen. Zur Reservearmee zählen auch Deutsche, die (vorübergehend oder längerfristig) arbeitslos sind. Die größten Teile der Reservearmee sollen wie ein Puffer funktionieren: In Hochzeiten werden sie in den Produktionsprozess eingesogen, in Krisenzeiten wieder ausgestoßen. Sie sollten jederzeit bereit, beweglich und erpressbar sein. Dass sie nicht gleichermaßen erpressbar sind – Deutsche weniger als Flüchtlinge – ist aus Sicht des Kapitals teilweise ärgerlich, hat aber auch Vorteile, weil man sie gegeneinander ausspielen und den Deutschen stets vorhalten kann, dass es noch schlechtere Bedingungen gibt. Allerdings richtet sich eine Verschlechterung der Bedingungen der Migranten immer auch gegen deutsche Arbeiter, wenn auch nicht immer sofort und unmittelbar. So wurde die Einführung von „gemeinnütziger“ Arbeit, eine sanfte Variante des Arbeitsdienstes, beispielsweise zunächst bei Flüchtlingen durchgeführt und später bei allen Arbeitslosen mit den sogenannten „Ein-Euro-Jobs“ angewandt.

In Zusammenhang mit der gesteigerten Ausbeutung der Arbeitskraft muss der allgemeine Hintergrund der ökonomischen Krise erwähnt werden. Diese besteht aus zyklischen Krisen, aber auch aus einer anhaltenden Tendenz der sinkenden Profitrate. In diesem Zusammenhang ist die Herabsenkung der Löhne von großer Bedeutung, da diese eine Möglichkeiten darstellt, der sinkenden Tendenz entgegen zu wirken. Die Senkung der Löhne bei Erhöhung der Produktivität ist dauerhafte Aufgabe für Kapital und Staat. Inflation, Aufstockung der Reservearmee sowie Verschlechterung der Existenz der gesamten Arbeiterklasse sind daher nicht zufällig, auch wenn sie gerne als Naturereignis dargestellt werden.

Die Lage des Kapitals ist prekär, da die Profitraten-Problematik bereits Dimensionen angenommen hat, die verdeutlichen, dass die herrschende Klasse nicht mehr in der Lage ist, die Existenz der unterdrückten Klasse abzusichern. Das Kapital schafft das schon lange nicht mehr „allein“, sondern nur durch Zusatzlohnleistungen durch den Staat (Kindergeld, Kombilöhne verschiedenster Art) und damit aus dem Reproduktionsfonds der Arbeiter selbst. Das bedeutet, dass die Profitraten aufgrund von Überproduktion und Überakkumulation nicht mehr dazu ausreichen, die Reproduktionskosten der Arbeitskraft zu decken. Ein Beispiel ist das Kindergeld, eine de facto Lohnzusatzleistung des Staates, denn zu den Reproduktionskosten der Arbeitskraft gehört die Versorgung der Kinder dazu. Ohne staatliches Kindergeld müssten die Löhne stark ansteigen und damit die Profitrate weiter schmälern.

Das Herabdrücken der Bedingungen der internationalen Reservearmee kommt daher eine besondere Bedeutung zu und so ergibt sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Migrationspolitik und der imperialistischen Außenpolitik. Aus Sicht der Imperialisten muss verhindert werden, dass sich die Produktivkräfte in den unterdrückten Ländern entwickeln. Darunter fällt die Steigerung im Wert der Arbeitskraft sowie die eigene Nachfrage nach Arbeitskraft, die in der Folge nicht mehr abwandert. Kriegspolitik ist  u.a. Arbeitskräftebeschaffungspolitik und umgekehrt ist die Zufuhr von Arbeitskraft eine Voraussetzung für die starke Expansion der Rüstungsindustrie.

Die Fesselung vieler Länder an Elend und Rückschritt ist aus Sicht der imperialistischen Länder wichtig, um die dadurch billig gehaltene Arbeitskraft ausbeuten zu können und so Extraprofite erzielen zu können. Das kann durch die Ausbeutung in den imperialistischen Zentren, aber auch in den unterdrückten Ländern selbst erzielt werden.

Fremdarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter

Für das deutsche Kapital war die Zufuhr von Arbeitskraft stets eine wichtige Frage, um die Exportindustrie expandieren und aufrechterhalten zu können. Im Faschismus wurden Millionen Zwangsarbeiter verschleppt und ausgebeutet. Nach 1945 wurden „Gastarbeiter“ angeworben und nach 1990 setzte eine enorme Anziehung und Auspressung von Arbeitskraft ein. Die osteuropäischen Länder, die durch die Konterrevolution deindustrialisiert wurden und über gut ausgebildete und nun völlig ausgelieferte Arbeitskräfte verfügten, fielen den deutschen Unternehmen zum Opfer, zusätzlich zu den Arbeitern aus der annektierten DDR.

Hannes Hofbauer führt in seinem insgesamt informativen, wenn auch zum Teil kritikwürdigen Buch „Kritik der Migration“ aus: „Die Lohnhöhe spielt dabei eine in westlichen Medien immer wieder kleingeschriebene, in Wahrheit jedoch entscheidende Rolle. Während Mitte der 1990er-Jahre der durchschnittliche Bruttostundenlohn in den westlichen deutschen Bundesländern bei 44 DM und in Ostdeutschland bei 26,50 DM lag, betrug er in Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien zwischen 3 und 4 DM, in Rumänien 1,40 DM.“[4] Zugleich strömten hunderttausende aus dem Produktionsprozess geworfene Osteuropäer (und Ostdeutsche) auf den deutschen Arbeitsmarkt. Darunter waren viele Illegalisierte, da die Herkunftsländer noch nicht in der EU waren. Dies wurde von den Unternehmen gerne hingenommen, da man sich so Sozialausgaben sparte und extrem niedrige Löhne zahlen konnte. Die nach der Annexion der DDR boomende westdeutsche Bauindustrie hätte ohne diese illegalisierte osteuropäische Arbeitskräfte niemals so stark expandieren können.

Während 1993 das Asylrecht de facto abgeschafft wurde und dem eine „Das Boot ist voll“-Kampagne vorausging, freuten sich die Konzerne über hunderttausende illegalisierte und weitere Osteuropäer mit prekärem Status. Im weiteren Verlauf waren sowohl die Hartz-Reformen zentral, um die Bedingungen der Reservearmee und unterer Teile der Beschäftigten massiv zu verschlechtern. Daneben war auch der Abbau der Rechte der Geflüchteten und zugleich die Erhöhung der Mobilität der Arbeitskraft innerhalb der EU zentral. Die Fluchtbewegungen von 2015/ 16 waren sowohl nützlich für die deutschen Monopolkonzerne zur Beschaffung billiger Arbeitskraft als auch zur weiteren Unterdrucksetzung der EU-Außenstaaten zur Flüchtlingsaufnahme.

Es stellt sich die Frage, ob auch aus Sicht des Kapitals die Migrationsquote tatsächlich reduziert werden müsste, also die Reservearmee in einem bestimmten Rahmen gehalten werden soll. Die Expansion des Kapitals ist eine Schranke für die Größe der Reservearmee. Wenn es zur Krise kommt und damit ohnehin viele Arbeitskräfte freigesetzt werden sowie Teile der Reservearmee auf absehbare Zeit gar nicht mehr in den Produktionsprozess genommen werden können, besteht die Gefahr, dass die Kosten für die Existenzsicherung dieser Teile zu hoch werden und die Höhe des Existenzminimums deshalb abgesenkt und/ oder die Zahl der Empfänger reduziert werden muss.

Die meisten ausländischen Arbeiter in Deutschland stammen mit Ende 2019 4,9 Millionen aus EU-Ländern. Davon kommen 863.000 Personen aus Polen, 748.000 aus Rumänien, 415.000 aus Kroatien, 360.000 aus Bulgarien und 212.000 aus Ungarn[5]. Das sind für die teils kleinen Länder sehr hohe Zahlen. Die Nettozuwanderung (Zuzüge abzüglich Wegzüge) betrug 2023 662.964 Personen. Sie lag damit niedriger als 2022, als mehr als eine Million Ukrainer aufgenommen wurden. Aber auch 2022 stammten (nach der Ukraine) die meisten Zuwanderer aus Rumänien und Polen, darauf folgte Syrien und mit Bulgarien wiederum ein EU-Land. Der größte Anteil von in Deutschland lebenden Migranten hat Familienbezüge in die Türkei, gefolgt von Polen und Rumänien.[6] Aus Syrien waren 2022 92.291 Personen eingewandert, aus Afghanistan knapp über 68.000.

Das wichtigste Arbeitskräftereservoir für das deutsche Kapital ist Osteuropa, Südosteuropa und die Türkei. Arbeitskräfte aus afrikanischen oder anderen Nicht-EU-Ländern spielen eine zwar untergeordnete, aber ebenfalls nicht unwichtige Rolle, insbesondere weil sie rechtlich schlechter gestellt sind.

Das ist – grob skizziert – der allgemeine Kontext, in den man die laufende Debatte und die verschärften Maßnahmen einordnen muss.

2.   Begrenzen und anfeuern zugleich

Die von Medien und Regierung angefeuerte Diskussion ist scheinbar widersprüchlich: Auf der einen Seite wird eine Kampagne für die „Begrenzung“ gestartet und entsprechende Maßnahmen eingeleitet, auf der anderen Seite wird Migration befördert und angetrieben. Doch darin besteht kein Widerspruch, da es darum geht, die Zufuhr möglichst erpressbarer Arbeitskräfte sicherzustellen. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, die die Bedingungen der Einwanderer verschlechtern und zugleich den anderen Teilen der Arbeiterklasse vermitteln, dies geschehe zu ihren Gunsten, obwohl es ihre Lebensbedingungen ebenfalls verschlechtert. Dafür braucht es Spaltung, Irreführung und Kampagnen.

Rassismus kommt von oben. Das ist eine der wichtigsten, wenn auch banalen Feststellungen, die man treffen muss. Gerade dann, wenn rassistische Einstellungen auch in der Arbeiterklasse verbreitet sind, muss man betonen und herausarbeiten: Rassismus wird von der herrschenden Klasse, ihren Regierungen und Medien geschürt und sehr zielgerichtet eingesetzt.

Gleichzeitig geben sich Teile der herrschenden Klasse weltoffen und antirassistisch. Unternehmerverbände wollen „Vielfalt“ und große Demos laufen unter den Fahnen der Parteien, die gerade die Bedingungen für Migranten massiv verschlechtert haben. Es ist Heuchelei mit Methode. Denn die Spaltung und Verschlechterung soll durchgesetzt werden, während gleichzeitig der Zustrom an billiger Arbeitskraft aufrechterhalten werden soll.

Die Kampagne, die v. a. im Herbst letzten Jahres zur Legitimation und Durchsetzung der verschärfenden Maßnahmen durch Medien und Öffentlichkeit lief, war eine orchestrierte und geplante Kampagne – und zwar nicht von der AfD, sondern von Regierung und Medien. Wochenlang war nur noch von völlig überforderten Kommunen, Bürgermeistern, Landräten und NGOs die Rede. Sie kamen ausführlich zu Wort. Das erinnerte an die „Das Boot ist voll“-Kampagne. Die „Wir können nicht mehr“-Welle ging durchs Land und wer das in Frage stellte, wurde als realitätsfremd oder abgehoben dargestellt. Völlig aus dem Blick geriet, dass es eine Lüge ist, dass ein reiches Land wie Deutschland mit der vergleichsweise geringen Zahl von Flüchtlingen überfordert sei.

Wohnungen fehlen, Schwimmbäder fehlen, Schulen sind alt und marode – und das ganz ohne Flüchtlinge. Wenn die Regierung allerdings behaupten kann, das alles sei wegen der Flüchtlinge nicht stemmbar, kann sie das Geld weiter ins Militär und in die Unternehmenskassen stecken. Der deutsche Michel soll die Schauermärchen der Flüchtlinge, denen alles geschenkt werde, glauben – während gleichzeitig genau diesen das letzte Hemd abgenommen wird und sie in verzweifelte Situationen gebracht werden. Wer die Zahlen der fehlenden Wohnungen ernsthaft untersucht, wird feststellen, dass bereits vor den Jahren mit hoher Einwanderungsquote (2015) hunderttausende Wohnungen gefehlt haben und der Grund dafür ganz einfach die mangelnde Rentabilität des Wohnungsbaus ist.

Die Kampagne lief auf ein Ziel, die nun unvermeidlich erscheinenden Verschärfungen,  hinaus: Asylprüfungen vor den EU-Grenzen, schnellere Abschiebung, erschwerter Familiennachzug und Bezahlkarte.

Die Forderung der Begrenzung

Alle Parteien fordern eine Begrenzung der Zuwanderung. Das ist in doppelter Hinsicht heuchlerisch: Zum einen weil die Zuwanderung bereits jetzt begrenzt ist und für hunderttausende Menschen nicht möglich ist. Zum anderen weil diese Forderung suggeriert, sie würde das Problem lösen.

Viele Wähler finden das Bild attraktiv: Die Grenzen müssen geschlossen werden, dann verbessert sich unsere Situation. Eine Illusion zur Freude der Verantwortlichen für das hiesige Chaos. Für Verunsicherung der Lebensverhältnisse, Verarmung, Vernachlässigung der öffentlichen Infrastruktur, Kriegspolitik, Verrohung der öffentlichen Diskussion, der Medien und die anhaltende Entvölkerung in manchen Landesteilen, insbesondere im Osten – für all diese Missstände sind nicht Flüchtlinge oder eine außer Kontrolle geratene Migration verantwortlich, sondern Regierung, Unternehmen und deren Interessen.

Für das Kapital ist nicht nur der Zustrom vieler Arbeitskräfte wichtig, sondern auch, dass diese sich in einer prekären und erpressbaren Lebenslage befinden. Der Hauptzweck der Maßnahmen der „Begrenzung“ ist, diesen Zustand herzustellen. Denn Menschen werden weiterhin vor Krieg und Zerstörung fliehen oder ihre Länder verlassen müssen, weil sie dort keine Zukunftsperspektive mehr haben. Das „Versprechen“ der Begrenzung wird daher kaum erfüllt werden können. Nun könnte man entgegnen, dass dafür eben die richtigen Maßnahmen getroffen werden müssten, also konsequentes Schließen der Grenze. Im Kontext der imperialistischen Aggression, die von Deutschland ausgeht (sowohl politisch als auch ökonomisch) kann diese Forderung nur eine Absicherung dieser Ausbeutungsverhältnisse bedeuten und ist offensichtlich unmenschlich.

Die Ideologie der „offenen Grenzen“ auf der anderen Seite dient ebenfalls der Kapitalseite. Das gilt für die Grenzen der unterdrückten Länder, die die imperialistischen Länder natürlich einreißen wollen, damit sie Märkte fluten, Politik bestimmen und sich Land und Rohstoffe unter den Nagel reißen können. Das ganze Konzept von „offener Gesellschaft“ ist eine imperialistische Ideologie. Das Konzept der „begrenzten und geregelten Migration“ allerdings auch.

Die Begrenzungsdebatte ist also Teil der Verschlechterung der Situation der Arbeitskräfte, denn jede Erschwernis bei Einreise und Aufenthalt erhöht den Druck auf diese bereits Bedrückten. Wer einmal den Weg geschafft hat, kennt Härten und Qualen. Er wird nichts tun, was den Aufenthalt gefährden könnte und er ist bereits daran gewöhnt, harte Umstände ertragen zu müssen. Wer einen prekären Aufenthalt hat, der nimmt jede Arbeit an. Wer diese Arbeit bekommen hat, wird nichts unternehmen, was sie gefährden könnte. Er wird jede Verschlechterung hinnehmen, denn sonst wird die Familie im Heimatland leiden, weil weniger Einkommen geschickt werden kann. Man muss wohl nicht weiter die Situation von Geflüchteten beschreiben, um zu verstehen, warum jede Verschärfung den Druck erhöht und wie dieser Druck einzig und allein den Kapitalisten nutzt. Arbeitskräfte aus Osteuropa sind zwar etwas besser gestellt, aber ihre Erpressbarkeit ist ebenfalls hoch, da keine Aussicht auf Besserung in ihren Ländern existiert. Innerhalb des EU-Rahmens gibt es zudem zahlreiche Angriffspunkte, die diese Arbeitskräfte stärker unter Druck setzen. Sie sind oftmals außerhalb der rechtlichen Schutzregelungen und gewerkschaftlichen Organisationen. Die Streiks der osteuropäischen LKW-Fahrer im hessischen Gräfenhausen war ein eindrückliches Beispiel dafür. Die meisten von ihnen kamen zwar aus Nicht-EU-Ländern, viele polnische oder rumänische Arbeiter leiden allerdings unter kaum weniger kriminellen Verhältnissen.

Auf der Schattenseite

Hier soll kurz auf die die Argumentation von BSW eingegangen werden, da sie als sozialdemokratische Partei eine gesonderte Argumentation zur Migration vertritt. Im Grundsatzprogramm heißt es: „Das (der Zugewinn von Zuwanderung, Anmerkung PK) gilt aber nur, solange der Zuzug auf eine Größenordnung begrenzt bleibt, die unser Land und seine Infrastruktur nicht überfordert, und sofern Integration aktiv gefördert wird und gelingt. Wir wissen: Den Preis für verschärfte Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum, um Jobs mit niedrigen Löhnen und für eine misslungene Integration zahlen in erster Linie diejenigen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Wer in seiner Heimat politisch verfolgt wird, hat Anspruch auf Asyl. Aber Migration ist nicht die Lösung für das Problem der Armut auf unserer Welt. Stattdessen brauchen wir faire Weltwirtschaftsbeziehungen und eine Politik, die sich um mehr Perspektiven in den Heimatländern bemüht.“

Richtig ist, dass der Preis für die verschärfte Konkurrenz von denen bezahlt wird, die nicht auf der „Sonnenseite des Lebens“ stehen. Abgesehen davon, warum dazu nicht auch die Geflüchteten zählen, ist in dieser Logik die Antwort auf die verschärfte Konkurrenz die Ausweisung und Verschärfung des Aufenthalts. Die Konkurrenz soll also nicht durch gemeinsamen Kampf aller nicht auf der Sonnenseite Stehenden für gemeinsame gleiche Rechte abgeschwächt werden, sondern durch die Unterdrucksetzung eines Teils der im Schatten stehenden und damit – durch die Verschärfung der Konkurrenz. Das ist eigentlich ein einfacher als zutiefst unlogisch erkennbarer Trick. Der Verweis auf „faire“ Weltwirtschaftsbeziehungen ist eine hohle Phrase, die nicht Gefahr läuft, einzutreten. Im Gegenteil, denn der Standort Deutschland soll laut Programm erhalten und gefördert werden. Die Verschlechterung der Lage großer Teile der Arbeitskraft wird mit einem leeren Versprechen begründet.

Mit Absicht willkürlich

Die Debatte ist davon bestimmt, dass es „irreguläre“ und „reguläre“ Migration gebe und die erstere bekämpft werden müsse. Damit ist gemeint: Asyl bekommen politisch Verfolgte, „Wirtschaftsflüchtlinge“ haben dagegen kein Anspruch auf Aufenthalt, außer sie entsprechen unseren Vorgaben des Arbeitsmarkts und dürfen dann als „Fachkräfte“ zuwandern. Das ist die identische Argumentation wie zu Beginn der 1990er Jahre. Politisches Asyl kann nur eine verschwindend kleine Zahl beanspruchen. Eine etwas größere Zahl sind anerkannte Kriegsflüchtlinge, dazu zählen Ukrainer, bis vor kurzem Syrer, in den 1990er Jahren Jugoslawen. Afghanen dagegen nicht. Es handelt sich dabei um eine willkürliche Entscheidung des Innenministeriums und hängt eher mit politischen Erwägungen zusammen. Wenn man in einem Land Einfluss gewinnen will, Umsturzpläne verfolgt oder politische Kräfte aufbauen und unterstützen will, dann werden die Einreisebestimmungen massiv erleichtert.

Wenn Menschen nach Deutschland fliehen, Asyl beantragen, ihr Antrag abgelehnt wird und sie über langjährige zermürbende Verfahren zu einem Aufenthalt kommen, wird das „irreguläre“ Migration genannt. Damit wird nur zum Ausdruck gebracht, dass Fluchtgründe wie Hunger, Elend und Perspektivlosigkeit nicht zählen. Dieses System ist Teil der schlechten Bedingungen und Erpressbarkeit.

Asylrecht nicht für Kolonisierte

Die Aufnahme des Asylrechts in das Grundgesetz resultiert aus der Erfahrung des Faschismus und der Verfolgung von politisch Oppositionellen und der Juden. Diese wurden damals von den wenigsten Ländern aufgenommen und waren damit den Todeslagern ausgeliefert. Das europäische Asylsystem war also eine Konsequenz aus dem Zweiten Weltkrieg und somit eine Errungenschaft. Aber es war auch ein Vertrag zwischen den Kolonialmächten und den anderen imperialistischen Staaten Westeuropas und Nordamerikas, und daher nie im Sinne der kolonisierten Völker Afrikas, Asiens und Lateinamerikas gedacht. Trotzdem sind es vor allem Millionen Menschen aus den Ländern des Trikonts, die das Recht auf Asyl und Bleiberecht in den letzten rund 75 Jahren in Anspruch nehmen mussten – und die es sich auch gegen den Willen der Herrschenden erkämpft haben. Dafür haben Hunderttausende mit ihrem Leben bezahlt.[7]

Die Einteilung in „echte“ und „falsche“ Flüchtlinge dient der Aufhetzung und hat nichts mit „Rechtmäßigkeit“ zu tun. Aus Menschenrechtsperspektive und der Perspektive der internationalen Arbeiterbewegung sind Hunger, Arbeitslosigkeit und Elend offensichtlich Gründe, das Land zu verlassen. Ebenso offensichtlich unmenschlich ist die Politik von Grenzzäunen, Pushbacks und Lagern, die dabei auch Ausdruck der selben Macht ist, die Länder und Ökonomien zerstört und unterdrückt. Aus Sicht der Herrschenden dient diese Einteilung einem Zweck: Die „Irregulären“ sollen kommen und „irregulär“ bleiben, damit so  umso mehr Druck auf alle ausgeübt wird.

3.   Wessen Sozialsysteme?

Auf der anderen Seite der Ausplünderung der Arbeitskraft der unterdrückten Länder steht die Bestechung von Teilen der Arbeiterklasse in den imperialistischen Zentren. Diese soll die politische Herrschaft des Kapitals absichern sowie die nationale und internationale Arbeiterklasse spalten. Gerade angesichts der gesteigerten Ausplünderung und der zunehmenden Widerstände dagegen spielt diese Bestechung eine wichtige Rolle. Zugleich scheint dieses Modell der Bestechung in einer politischen und ökonomischen Krise zu stecken. Doch auch wenn das ökonomische Potential zur Bestechung langsam nachlässt, wirkt es noch. Der Rassismus ebenso wie liberale Ideologien schließen sich nicht nur nicht aus, sondern können Teil der sozialdemokratische Integration bestimmter Schichten der Arbeiterklasse sein.

Gerade für Kommunisten ist die Frage zentral, in welches Verhältnis sich die Arbeiterklasse in den imperialistischen Zentren zur internationalen Arbeiterklasse stellen sollte.

Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit

An einem Beispiel soll dieses Verhältnis kurz genauer betrachtet werden: CSU wie BSW wollen die „Einwanderung in die Sozialsysteme“ verhindern. Was soll das eigentlich heißen? Sollen nur voll funktionstüchtige Arbeiter, die nie krank, arbeitslos oder alt werden,  einwandern dürfen? Oder nur solche, die mehr einzahlen als sie selbst brauchen? Das ist offensichtlich Unsinn und daher kann es darum nicht gehen. Es geht allerdings darum, die Leistungen für die Eingewanderten zu kürzen oder teilweise ganz zu streichen. Das gilt bereits bei Einwanderern aus EU-Ländern, für die der Bezug von Arbeitslosengeld II erschwert ist. Die Losung der Begrenzung hat wahltaktische Gründe, sie ist plakativ und scheint dem Gerechtigkeitssinn zu entsprechen. Dabei ist sie bei genauerer Betrachtung klar ungerecht: Menschen, die vor Krieg und Elend fliehen sind oftmals nicht sofort arbeitsfähig und daher auf Sozialleistungen angewiesen. Aus Sicht des Kapitals ist das allerdings nicht unwichtig, denn wie oben angedeutet darf die Menge der manövrierbaren Masse Arbeitskraft nicht zu groß werden. Die Beschränkung der Sozialleistungen soll zum einen das Existenzminimum und damit das untere Limit der Reproduktionskosten niedrig halten, zum anderen die Kosten reduzieren.

Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt: Die Arbeiter, die aus den unterdrückten Ländern hierherkommen, haben mit der Ausplünderung ihrer Länder schon viel für den Reichtum hierzulande bezahlt und haben einen Anspruch darauf, einen Teil dieses Reichtums zu bekommen. Im Interesse der internationalen Arbeiterklasse ist die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle und damit auch die Erhöhung der Sozialleistungen für alle Arbeiter und zwar auf Kosten des Kapitals. Unsere Klassengeschwister sollen an den hier erkämpften Rechten und an dem aus ihren Ländern und Völkern ausgepressten Reichtum teilhaben. Denn es handelt sich um gemeinsam erkämpfte Rechte – gemeinsam von der Arbeiterbewegung in den Zentren und von den antikolonialen Befreiungskämpfen in den unterdrückten Ländern und sozialistischen Ländern. Diese Kämpfe hängen zusammen und können gemeinsam den Druck auf die Imperialisten erhöhen. Die gegenseitige Stärkung dieser Bewegungen war in den 1970er Jahren vielen bewusst. Doch dieser Zusammenhang soll durch viele ideologische Lügen zerrissen werden.

Kostenlose Reproduktion

Es gibt einen weiteren ökonomischen Aspekt in der Betrachtung der ausländischen Teile der Reservearmee: Deren Ausbildung und Reproduktion findet meist in einem anderen Land statt und fällt daher nicht als Kosten an. Das ermöglicht eine weitere Lohnsenkung in den imperialistischen Zentren, denn die Bezahlung der dortigen Reproduktion und Ausbildung ist teurer.

Wenn eine Thüringer Landrätin stolz verkündet, dass die Bezahlkarte verhindern soll, dass Asylbewerber ihre Sozialleistungen in die Heimat überweisen, ist das eine Überzeugung aus Gemeinheit, denn jeder Mensch kann sich denken, dass die Familien in schlechten Bedingungen leben müssen. Aber es drückt zugleich auch das Kalkül der Kapitalisten aus, eben nichts für die Reproduktion dieser bedrückten Arbeitskräfte zahlen zu wollen. Sie wollen, dass andere Länder und Familien Menschen großziehen, teilweise ausbilden und sie dann hier ausgebeutet werden können.

4.   Imperialismus und Menschenrechts-Aktivismus

Im letzten Teil soll kurz auf die Entwicklung der linken Bewegung in dieser Frage und notwendige Schlussfolgerungen eingegangen werden. Viele Jahre gab es eine aktive antirassistische Bewegung, die gegen Abschiebung, Asylverschärfung und Rassismus kämpfte. Sie hatte ihre Stärken, aber auch sehr viele Schwächen.

Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten, ein Zusammenschluss von politischen Flüchtlingen, betonte die Rolle des Imperialismus und vertrat offensiv: Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört. Die Karawane wendete sich gegen die imperialistische Aggression und Unterdrückung und stieß dabei auf großen Widerstand und Unwillen seitens vieler liberaler Antirassisten. Anfang der 2000er wurde Migration von diesen zum Teil als etwas positives verklärt, was es zu fördern gelte, während die selbstorganisierten Flüchtlinge und Migranten das brutale System hinter der Migration (damit sind nicht „Schleuser“ gemeint, sondern die Regierungen und Unternehmen, die Länder zerstören) benannten. Die liberale Ideologie und NGOs haben weitestgehend antiimperialistische Positionen zersetzt, auch wenn diese in den letzten Jahren wieder einen Aufschwung erleben, der sich allerdings widersprüchlich äußert.

Der Menschenrechts-Aktivismus wollte genau die antiimperialistischen Aspekte ausklammern und war bereit, die Logik der imperialistischen Migration zu akzeptieren. Ausbeuter, Unterdrücker und das System der Ausbeutung wurden immer weniger benannt, übrig blieb ein emotionaler Anschein von „Menschenwürde“, den die Herrschenden sogar nutzen konnten, um ihren Machenschaften einen besseren Anstrich zu verpassen. Das drücken Karrieren wie die von Carola Rackete aus, die die imperialistische Kriegspolitik befürwortend als Flüchtlingshelfer über das Mittelmeer fuhr. Letztlich konnte man mit der oberflächlichen Menschenrechtsrhetorik sogar die EU-Asyllager an den Außengrenzen rechtfertigen, denn sie seien ja eine humanere Maßnahme, als die die von Rechten gefordert werden. Diese verlogene und autoritäre Bewegung hat die Menschlichkeit verächtlich gemacht.

Zu der liberalen Position gehört auch die Mär eines verlogenen Multikulturalismus. Die Fassade der „Multikulturalität“ soll verdecken, dass Migranten die schweren und schlecht bezahlten Arbeiten machen, dass sie gezielt in den Schulen auf niedrigem Niveau gehalten werden, damit sie nur für diese Arbeiten „qualifiziert“ sind. Das gilt für deutsche Hauptschüler ganz genau so – auch sie werden vom deutschen Schulsystem und gesellschaftlich entsprechend „integriert“, aber Migranten sind überdurchschnittlich davon betroffen.

Die Medien schlachteten menschliche Katastrophen für ihre Politik aus. Manch einer reagierte mit einer allgemeinen Ablehnung von Menschlichkeit und Solidarität. So wurde ein gewisser Ökonomismus befördert, der vor allem die ökonomischen Aspekte der Migration sah und die ökonomischen Nachteile für die unterdrückten Länder in den Fokus rückte. Der identitätspolitischen Verklärung von Migration und „offenen Grenzen“ setzten einige Verständnis für die Begrenzung entgegen mit dem Argument, dass diese ja auch für die Menschen in den Heimatländern besser sei. Eine Position, die im Ergebnis eine scheinbar elegante Anbiederung an den rechten Diskurs darstellte.

Humanität und Ablehnung von Ignoranz wurde lächerlich gemacht und als heuchlerische grüne Politik beschimpft. Eine Schließung der Grenzen, die Eingrenzung des hiesigen Wohlstands und damit die Vollstreckung der Spaltung der internationalen Arbeiterklasse wurde als vernünftig propagiert. Aber die Weltanschauung und der Standpunkt der internationalen Arbeiterklasse beinhaltet selbstverständlich Humanität und Solidarität, sie ist ein essenzieller Bestandteil im Klassenkampf.

Verhetzung und Herrenrasse

Es gibt einen weiteren Aspekt der „Migrationsdebatte“, der besonders von der AfD, klassischerweise auch von der CDU oder von liberalen Kräften wie der FDP befördert wird, wenn auch in unterschiedlicher Rhetorik angesichts verschiedener Zielgruppen. Liberale Herren sehen gerne die durch Flucht abgehärteten Arbeitskräfte für sie schuften – und zwar ohne Murren. Der Sozialdarwinismus ist dem Liberalismus innewohnend.

Die Verhetzung der hier lebenden Menschen durch die offene Abwertung des Lebens Anderer und das Eintreten für den Tod an den Grenzen ist nur die offenere Variante desselben Herrenmenschentums. Die in der Bevölkerung bezweckten Einstellungen reichen von Ignoranz bis Hass. Die Nazi-Banden, von Verfassungsschutz und Co aufgebaut und finanziert, sorgen für die notwendige Portion Angst. Im Kontext der „Kriegsertüchtigung“ gegen Russland ist diese ideologische Ertüchtigung nicht zu unterschätzen. Wer andere Länder wieder überfallen soll, muss sich als Herrenmensch fühlen, ganz unabhängig davon, ob regenbogenfarben und grün oder eben in klassischem braun.

Internationale Arbeiterklasse

Die Arbeiterklasse ist eine internationale Klasse, auch wenn ihre Kampfbedingungen national bestimmt sind. Das heißt, dass sie einen gemeinsamen Gegner hat – die kapitalistische Klasse insbesondere der imperialistischen Zentren – und dass sie mit einer gemeinsamen Strategie kämpfen sollte. Das heißt auch, dass sie in einem gemeinsamen ökonomischen Ausbeutungsverhältnis durch die Imperialisten steht. Die Herabdrückung der einen soll der Bestechung der anderen und zugleich auch deren verschärfter Ausbeutung dienen.

Wir kämpfen gemeinsam gegen den Brain Drain, die Abwerbung bzw. Vertreibung der Arbeitskräfte aus den abhängigen Ländern und die brutale Ausnutzung der Flucht durch die Imperialisten. Uns ist völlig klar, dass diese Migration zu Lasten der abhängigen Länder läuft. Das heißt aber nicht, dass wir nur einen Zentimeter ihrer „Begrenzungs-“Demagogie glauben. Unsere Klassengeschwister aus den unterdrückten Ländern sollen einfachere und bessere Bedingungen haben und nicht noch erpressbarer und unsicherer leben müssen. Deshalb sind wir gegen eine Verschärfung, Begrenzung und Entrechtung von Migranten, die offensichtlich unmenschlich und brutal sind.

Aufgabe ist es, den Kampf gemeinsam gegen Ausbeutung und Erpressung zu führen und gemeinsame Organisierung von Flüchtlingen, Migranten und Deutschen zu erreichen. Dabei müssen viele Schwierigkeiten überwunden werden. Wir müssen diesen Kampf politisch  begreifen und ihn folglich gegen die Herrschaft und Kriege der imperialistischen Staaten, also der USA, der EU und ihrer Verbündeten, führen. Dies war auch stets die Antwort der revolutionären Arbeiterbewegung, die sich bereits vor langer Zeit mit der richtigen Position zu Grenzschließungen und Migrationsbegrenzung auseinander gesetzt hat.


[1] Rüdiger Bech, Renate Faust, Die sogenannten Gastarbeiter, 1981, Verlag Marxistische Blätter, S. 12

[2] Lenin, Werke, Band 26, S. 155

[3] Die Entstehung der industriellen Reservearmee erklärt Marx glänzend im 23. Kapitel des ersten Bands des Kapital. Karl Marx – Friedrich Engels – Werke, Band 23, “Das Kapital”, Bd. I, Siebenter Abschnitt, S. 640 – 677, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1968

[4] Hannes Hofbauer: Kritik der Migration, Wien : Promedia Verlag,  2018, 113

[5] https://www.bpb.de/themen/migration-integration/regionalprofile/deutschland/328520/osteuropaeische-arbeitskraefte-in-deutschland-vom-spaeten-19-jahrhundert-bis-in-die-gegenwart/#node-content-title-3

[6] https://mediendienst-integration.de/migration/wer-kommt-wer-geht.html

[7] https://kommunistische-organisation.de/stellungnahme/solidaritaet-mit-zaid-heisst-kampf-dem-imperialismus-und-dem-kolonialen-asylregime/

Aktuelles

NRW: Veranstaltungsreihe zu antikolonialer Solidarität der DDR

Drei Veranstaltungen in NRW: Chile und die DDR, So. 22.09. 14h, Köln | Mali und die DDR, Fr. 11.10. 18:30, Essen | Palästina und die DDR, Sa. 09.11. 18:30, Duisburg

Aufrüstung, Völkermord und Terror sind das Geschäft der Kriegsregierung!

Komplize beim zionistischen Völkermord in Gaza, Waffen an die Faschisten in der Ukraine, Kriegstüchtigkeit gegen Russland: Der neue deutsche Imperialismus steht tief in seiner alten und grausamen Tradition. So modern und woke er auch daherkommen mag, kann er seine aktuellen Verbrechen gegen die Völker der Welt nicht länger verstecken. Die Verstrickungen der Bundesregierung in den Völkermord in Gaza und in die Aggression gegen Russland sind Tatsachen. Diese Tatsachen sind wahr und die Bundesregierung kann diese Wahrheit nicht verbieten. Sprechen wir sie gemeinsam aus und werden aktiv gegen die deutsche Kriegspolitik!