Gegen das „Einheit-für den Krieg-Denkmal“

Themen: Deutscher Imperialismus

Bericht zur Protestaktion gegen das „Einheitsdenkmal“ in Leipzig

Vor 35 Jahren wurde die DDR von der BRD annektiert und damit alle Errungenschaften des ersten deutschen sozialistischen Staates ausradiert. Arbeitslosigkeit statt Vollbeschäftigung, Obdachlosigkeit statt Wohnungsbau, Industriebrachen statt Industrialisierung, Rassismus statt internationale Solidarität waren ab da an das Motto für die ostdeutsche Arbeiterklasse. Die gewaltsame Eingliederung der DDR in die BRD, als „Einheit“ oder „Wiedervereinigung“ betitelt, wird jährlich in Leipzig im Rahmen des sogenannten Lichtfestes gefeiert. Dieses Jahr wurde am 9. Oktober dabei auch symbolisch der Grundstein für ein „Einheitsdenkmal“ gelegt. Wir organisierten vor Ort eine Protestaktion unter dem Motto „35 Jahre ‚Einheit‘ – 35 Jahre Armut, Aufrüstung und Kriegsvorbereitung“ und möchten im Folgenden kurz über die Hintergründe des Denkmals, unsere Aktion und die Reaktionen darauf berichten.

Warum ein Denkmal für die „Einheit“?

Anstoß für das Einheitsdenkmal gab der Bundestag bereits 2008. Dieser beschloss das Bauvorhaben mit dem Ziel, „den Beitrag der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zur „Friedlichen Revolution“ auf angemessene Weise zu würdigen“.1 Dass ein Großteil der DDR-Bevölkerung die Proteste nicht mitgetragen hat und ein nicht kleiner Teil der Beteiligten nicht für das auf die Straße gegangen ist, was dann dabei herauskam, wird übergangen. So gewaltsam wie die DDR in die BRD einverleibt wurde, wird auch das Gedenken daran organisiert. Gedacht wird nicht derer, die mit dem Ende der DDR nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre Identität verloren haben. Auch nicht derer, die in Folge der Besiedelung Ostdeutschland mit faschistischen Strukturen ab 1990 verfolgt oder ermordet wurden. Und natürlich auch nicht der Frauen, deren gesellschaftliche Stellung Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückgeworfen wurde. Die „Einheit“ steht für die Expansion der BRD nach Osten, die massive Profitsteigerung ihrer Konzerne und die Wiederaufrüstung zur militärischen Führungsmacht. In Zeiten von Aufrüstung und Kriegsvorbereitung gegen Russland, passt ein Denkmal für die „Einheit zum Krieg“ daher wie die Faust aufs Auge.

Dabei wäre aus dem Denkmal fast nichts geworden. Nach dem Bundestagsbeschluss von 2008 geriet der Planungs- und Bauprozess ins Stocken. 2014 lag bereits ein Entwurf vor, dieser wurde jedoch aufgrund „mangelnder Transparenz und Bürger*innenbeteiligung“2 (kein Scherz!) ad acta gelegt. Nachdem dann auch der Vorstoß von AfD, Linkspartei und BSW für ein Bürgerbegehren im Leipziger Stadtrat aus dem Weg geräumt worden war, lagen die Kontroversen nur noch im Detail: Während die CDU Sorge hat, dass das Denkmal mit nicht wünschenswerten Parolen versehen werden könnte, sprach sich die Linkspartei gegen den gewählten Ort aus. Im Frühjahr dieses Jahres wurde das Denkmal, dessen Bauprozess fünf Jahre dauern und knapp zehn Millionen kosten soll, dann final auf den Weg gebracht. Am 9. Oktober wurde der Grundstein auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz im Rahmen des jährlichen Lichtfestes gelegt.

Der glücklichste Tag in der deutschen Geschichte“ (Michael Kretschmer)

Zur Einweihung sprachen neben der Initiatorin des Denkmals, Gesine Oltmanns, auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer und der neue Staatsminister für Kultur, Wolfram Weimer. Letzterer machte erst kürzlich auf sich aufmerksam, indem er eine Streichung der Gelder für Gedenkstätten zu den deutschen Kolonialverbrechen ankündigte.3 Schon in seinem Konservativen Manifest bedauert Weimer, dass sich Europa „räumlich“ nicht mehr „vermehre“ und die „eigene Kolonialgeschichte als ein durchgehender Sündenfall dargestellt und kritisiert“ werde4. Damit passte Weimer als Redner perfekt: Denn während die DDR den antikolonialen Befreiungskampf bewaffnete, zahlt die BRD bis heute keine Ausgleichszahlung an die Opfer ihrer Kolonialverbrechen und beteiligt sich mit der Unterstützung Israels aktiv am Völkermord.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verkündete auf der Bühne: Die „Friedliche Revolution“ sei „der glücklichste Tag in der deutschen Geschichte“. Außerdem habe sich bewiesen, dass „Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und auch soziale Marktwirtschaft ganz offensichtlich die besseren Konzepte […] als Sozialismus und Planwirtschaft“ seien. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) beklagte, dass es heute immer mehr „Autokratien“ auf der Welt gebe und betonte, wie wichtig der Einsatz Deutschlands für die Demokratie sei. Gesine Oltmanns, „Bürgerrechtlerin“ und Ehrenbürgerin der Stadt Leipzig brachte es dann noch klarer auf den Punkt: Es sei heute Deutschlands Verantwortung, die 1989 erkämpfte Demokratie in die Welt zu tragen, zum Beispiel nach Georgien oder Serbien – Zeitenwende lässt grüßen.

Offenheit und Interesse an unserer Aktion

Wir protestierten zusammen mit Aktiven der Friedensbewegung und der DKP mit einem Banner „35 Jahre – Armut, Aufrüstung, Krieg“ gegen die Veranstaltung. Außerdem verteilten wir unter kritischer Beobachtung von Ordnungsbehörde und Polizei Flyer an die Veranstaltungsteilnehmer. Darin thematisierten wir den Zusammenhang der Annexion der DDR und die heutige Aufrüstung und Kriegsvorbereitung. Unsere Aktion schaffte es in die lokale Presse5 und zum MDR6.

Neben einigen aufgebrachten Passanten und vereinzelten verbalen Anfeindungen gab es viel Interesse an unseren Bannern und Flyern. In den kurzen Gesprächen wurde uns gegenüber teilweise Zustimmung geäußert. Man findet es richtig, die deutsche Einheit nicht so positiv wie auf der Bühne zu zeichnen. Viele sagten, dass sie sich in der DDR eigentlich nie unfrei gefühlt hätten. Warum man das heute anders sehe, könne jedoch kaum begründet werden. Ein wichtiges Anliegen der Passanten war die enorme Aufrüstung des deutschen Imperialismus und die Einführung des neuen Wehrdienstes bzw. bald vielleicht der Wehrpflicht. Einige äußerten, dass der Kapitalismus das Problem dabei sei, jedoch sähen sie auch die DDR nicht als Alternative. Viele der Teilnehmenden waren unseren Slogans gegenüber überraschend offen und gesprächsbereit. Trotzdem zeigt sich die Wirkung der jahrzehntelangen antikommunistischen Propaganda und schließlich auch des Einheitsdenkmals: Heute sei zwar vieles schlecht, aber man dürfe immerhin Kritik äußern.

Insgesamt war die Aktion ein Erfolg und die Offenheit unter den Teilnehmern der Veranstaltung größer als erwartet. Das fertige „Einheitsdenkmal“ soll in fünf Jahren eingeweiht werden. Es bleibt also noch viel Zeit, um darauf aufmerksam zu machen, wer die Gewinner und die Verlierer der „Einheit“ waren und es bis heute sind.

1https://freiheitsdenkmal-leipzig.de/neuer-flyer-2025

2https://freiheitsdenkmal-leipzig.de/faq

3https://www.sueddeutsche.de/kultur/kolonialismus-wolfram-weimer-erinnerungskultur-nationalsozialismus-holocaust-li.3316485?reduced=true

4Wolfram Weimer: Das konservative Manifest: Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit. Plassen Verlag, Kulmbach 2018.

5https://www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2025/10/friedensgebet-lichtkunst-grundstein-zum-freiheits-und-einheitsdenkmal-leipziger-lichtfest-2025-lz-liveticker-635938

6https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/blog-lichtfest-nikolaikirche-revolution-ddr-denkmal-114.html