Studiengang zur Geschichte des Kommunismus

Die nächste Etappe der Klärung

Die KO ist mit der Zielstellung aufgebrochen einen systematischen Klärungsprozess zu organisieren und damit einen Beitrag zur Überwindung der Krise der kommunistischen Bewegung in Deutschland zu leisten. In den ersten Jahren haben wir thematische Arbeitsgruppen aufgestellt, mit denen wir versuchten, uns die zentralen Dissense der kommunistischen Bewegung systematisch zu erschließen.

Unsere Auseinandersetzung war durch ein erstmaliges Aneignen, Zusammentragen, Verständigen und Ausprobieren und schließlich durch den Formierungsprozess unserer Organisation geprägt. Die erste Phase unseres Klärungsprozesses hat aber auch gezeigt, dass uns für die Beantwortung der komplizierten Klärungsfragen ein gemeinsames Fundament fehlt.

In den letzten Jahren haben wir einen Prozess der Reflexion, Selbstverständigung und Weiterentwicklung durchlaufen, der seine Notwendigkeit nicht zuletzt in der Spaltung unserer Organisation sowie der kommunistischen Bewegung weltweit fand. Dieser Prozess hat uns organisatorisch befähigt, uns für Fallstricke wie Dogmatismus und Sektierertum sensibilisiert und ermöglicht uns nun eine offenere Arbeitsweise sowie das Formulieren von schärferen Fragestellungen für den weiteren Klärungsprozess.

Der Studiengang ist nun ein nächster kollektiver Anlauf eine systematische Befassung mit dem Kommunismus als Weltanschauung und Bewegung zu organisieren und uns damit ein gemeinsames Fundament für die weitere Klärung zu schaffen.

Was sind die Ziele des Studiengangs?

Ein Ausdruck der Krise der kommunistischen Bewegung ist ein fragmentarischer Zugang zu den verschiedenen Etappen der Geschichte des Kommunismus, welche oft isoliert von ihrem historischen Kontext betrachtet romantisiert oder als revisionistisch abgetan werden. Darüber hinaus werden zentrale Begriffe der kommunistischen Bewegung, wie Revisionismus, Opportunismus, Sozialismus oder Imperialismus schablonenhaft oder als Kampfbegriffe verwendet. Die Trennungslinien innerhalb der kommunistischen Bewegung werden oft auf Grundlage eines oberflächlichen und identitären Zugangs zu den unterschiedlichen Kämpfen der kommunistischen Bewegung gezogen.

Mit dem Studiengang wollen wir uns die Geschichte der kommunistischen- und Arbeiterbewegung auf Grundlage der wesentlichen materiellen und gesellschaftlichen zusammenhängen erschließen. Wir wollen aus den historischen Erfahrungen, Niederlagen, Fehlern und Erfolgen der Bewegung lernen, indem wir die Kämpfe in den historischen Kontext einordnen und besser verstehen, welche Widersprüche in der Welt zu Widersprüchen in der Bewegung geführt haben. Das bedeutet auch, dass wir uns die wichtigsten Arbeiten der Klassiker im historischen Kontext der kommunistischen Bewegung erschließen müssen, um ihre Aussagen einordnen und in Beziehung zu heutigen Fragen setzen zu können.

Mit dem Studiengang geht es uns also darum, uns dazu zu befähigen, die aktuellen Kämpfe und Aufgaben besser zu verstehen und zu definieren. Es geht um die Fähigkeit, historische Debatten und Kämpfe mit den aktuellen Kämpfen zu verbinden und unsere Rolle darin realistisch einschätzen zu können. Außerdem wollen wir unsere Fähigkeit zum kollektiven Lernen und Diskutieren entwickeln. Dafür müssen wir nicht nur die zentralen Streitfragen identifizieren, sondern auch zunehmend mit wissenschaftlichem Anspruch daran arbeiten.

Der Studiengang soll auch ein Beitrag zur Überwindung der organisatorischen Zersplitterung und der politischen Zerfaserung der Bewegung sein, indem wir uns einem einheitlichen Verständnis unserer eigenen Geschichte und des wissenschaftlichen Kommunismus annähern. Mit der Vertiefung, Fundierung und Versachlichung der Debatte, wollen wir unsere Bemühungen intensivieren, eine konstruktive Rolle für die Bewegung zu spielen.

Wie setzen wir das um?

Der Studiengang soll für die nächsten drei Jahre zu einer unserer zentralen Tätigkeiten werden. Beginnend mit einer Auseinandersetzung über den historischen Materialismus wollen wir uns monatsweise mit den wichtigsten Kapiteln der Geschichte der kommunistischen- und Arbeiterbewegung beschäftigen. Angefangen mit den Bauernaufständen und der Entstehung des Kapitalismus und der Arbeiterbewegung, arbeiten wir uns über die Auseinandersetzungen mit den bürgerlichen und sozialistischen Revolutionen bis in die Gegenwart imperialistischer Kriege vor. Monatliche Vorlesungen und wöchentliche Lesekreise und Referate sowie entsprechende Begleitmaterialien stellen dabei den Kern unserer kollektiven Arbeitsweise dar.

Wer kann mitmachen?

Der Studiengang soll nicht nur der Entwicklung unserer Organisation dienen, sondern ist ein ernsthaftes Angebot an alle Interessierten, sich gemeinsam die Geschichte des Kommunismus zu erschließen. Es wird verschiedene Möglichkeiten der Teilnahme geben, die unterschiedliche Ansprüche an das Lesepensum und den Vorbereitungsaufwand stellen. Es wird aber auch möglich sein nur an den monatlichen Vorlesungen teilzunehmen. Neben der direkten Teilnahme werden wir immer wieder Anknüpfungspunkte für die Bewegung schaffen, indem wir Arbeitsmaterialien und Zwischenergebnisse unserer Diskussion veröffentlichen und zur Diskussion stellen. Nehmt bei Interesse gerne Kontakt mit unseren Genossen vor Ort auf, oder schreibt uns per Mail.

Inhalte des 1. Halbjahres

Januar: Historischer Materialismus

Hier wollen wir uns mit den grundlegenden Zusammenhängen des historischen Materialismus beschäftigen – dem gesetzlichen Aufsteigen der Gesellschaftsformation, den inneren Widersprüchen zwischen den Produktionsverhältnissen und der Produktivkraft und dem Klassenkampf als Motor der Geschichte. Diese Erkenntnisse und ihr Verteidigen von Marx und Engels, wird sich durch das gesamte Halbjahr ziehen

Mit Auszügen aus:
Kuczynski: Vom Knüppel zur automatischen Fabrik
Engels: Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen
Marx/Engels: Deutsche Ideologie
Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats
Marx: Thesen über Feuerbach
Engels:  Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie
Marx/Engels: Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten
Autorenkollektiv: Friedrich Engels. Eine Biographie
Plechanow: Über die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte

Februar: Entstehung des deutschen Kapitalismus und der deutschen Arbeiterbewegung

In diesem Monat wird der Fokus speziell auf die Entstehung des Kapitalismus in Deutschland und dem Aufkommen der deutschen Arbeiterbewegung gelegt. In Frankreich, England aber auch in Deutschland verbreiten sich Ideen des utopischen Kommunismus (Saint-Simon, Fourier, Robert Owen, deutschen Handwerker). Bei der Beurteilung des schlesischen Weberaufstandes zeigen sich die Unterschiede von Marx und Engels zu den Junghegelianern sehr deutlich. Diese lehnen die Aufstände ab, da diese „unvernünftig“ sein und das politische Mittel die vernünftige Kritik sein müsse.

Mit Auszügen aus:
Kuczynski: Geschichte des Alltags des deutschen Volkes
Marx, Das Kapital Band 1
Engels: Deutsche Zustände
Marx: Kritische Randglossen zu dem Artikel ‚Der König von Preußen und die Sozialreform. Von einem Preußen‘
Engels: Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten
Autorenkolektiv: Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung – Band 1
Marx: Das Elend der Philosophie. Antwort auf Proudhons „Philosophie des Elends“
Marx/Engels: Manifest der Kommunistischen Partei

März: Revolution und Konterrevolution

Die Februar Revolution 1848 in Paris strahlt auf ganz Europa aus und hat einen großen Einfluss auf den Bund des Kommunisten. Marx und Engels sehen die Möglichkeit, dass sich in Europa demokratische Verhältnisse durchsetzen. In den Pariser Barrikaden kämpfen auch einige deutsche Arbeiter mit. Sie schließen sich zur „Deutschen-Legion“ zusammen. Bakunin unterhält Verbindungen zu diesem Zusammenhang und es entsteht die Idee, die Revolution von Paris nach Deutschland zu tragen. Dies löst eine heftige Debatte aus über die Frage, ob die Revolution von außen nach Deutschland getragen werden kann. Marx und Engels vertreten die Position das in Deutschland die Massenbasis für eine Revolution fehlt. Bakunin ist der Auffassung, dass die Legion reicht und man den Arbeitern mit Gewalt eine Revolution aufzwingen könne.

Mit Auszügen aus:
Autorenkolektiv: Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung – Band 1
Marx: Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850
Engels: Revolution und Konterrevolution in Deutschland 1851/52

April und Mai: Das Kapital

Das Kapital war und ist eine große Errungenschaft für die Arbeiterklasse, weil es die erste wissenschaftliche Analyse der kapitalistischen Produktionsweise darstellte und durch die wissenschaftlich Darlegung der inneren Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise, die Notwendigkeit des Sozialismus in einer wissenschaftlichen Weise darlegte.
Der Schwerpunkt dieses Monats liegt auf dem ersten Band des Kapitals. Es sollen möglichst die zentralen Begriffe und Zusammenhänge erarbeitet werden: Gebrauchs- und Tauschwert (Ware), Kapital, Mehrwert (absolut und relativ). Die Vorlesung sollte neben einer historischen Einordnung des Kapitals auch einen überblick über die Struktur und den Aufbau der drei Bände geben – also was ist die Logik der Bücher.

Mit Auzügen aus:
Marx: Das Kapital – Band 1-3

Juni: Erfahrungen der Pariser-Commune und Situation in Deutschland

In diesem Monat wird es um eine Reihe von Entwicklungen gehen. Zu Beginn wird kurz der deutsch-französische Krieg behandelt werden. Die kurzen Briefe von Marx und Engels an den Generalrat der Internationale könnten für die Imperialismus/Kriegsdebatte spannend sein, weil Marx und Engels hier die Standpunkte der Arbeiterklasse gegenüber dem Krieg formulieren. Engels sagte damals mit seinen Artikel den genauen Ort und den Zeitpunkt des Ende des Krieges voraus.

Mit Auszügen aus:
Autorenkolektiv: Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung – Band 1
Marx: Erste Adresse des Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg
Marx: Zweite Adresse des Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg
Marx/Engels: Brief an den Ausschuß der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
Marx: Der Bürgerkrieg in Frankreich
Marx/Engels: Zirkularbrief an Bebel
Engels: Der Sozialismus des Herrn Bismarck

Juli: Von der Utopie zur Wissenschaft

In diesem Monat wird es um das schnelle Anwachsen der Arbeiterbewegung gehen und den sich weiter ausbreitenden Opportunismus. Für ein besseres Verständnis über die opportunistischen Vorstellungen – die auch schon viel früher auftraten – werden Engels spätere Abhandlungen über den Sozialismus Thema sein, in denen er auf die utopischen Vorstellungen eingeht und den wissenschaftlich begründeten Kommunismus verteidigt.

Mit Auszügen aus:
Autorenkolektiv: Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung – Band 1
Engels: Anti-Dühring
Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft