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Antirassismus und Antiimperialismus gehören zusammen: Zwei Artikel zu den aktuellen Pogromen in Großbritannien

Wir spiegeln hier zwei Artikel, die auf der Website der CPGB-ML (Kommunistische Partei Großbritanniens (Marxisten-Leninisten)) erschienen sind.

Der erste Text stammt vom Marx Engels Lenin Institute in Großbritannien übernommen. Es handelt sich um eine Einschätzung der aktuellen Gewaltexzesse in dem Land. Wir können nicht allen Aussagen in diesem Text zustimmen (etwa der Sozialfaschismus-These, der Kategorisierung der sich an den rechten Protesten und Krawallen Beteiligten als „Lumpenproletariat“ oder der Kritik an „den Trotzkisten und Revisionisten“, wonach diese eine Anbiederung an die Labour-Partei betrieben), teils weil wir uns bislang keine kollektive Meinung zu diesen Thesen und Begriffen erarbeitet haben, teils aber auch weil wir schlicht zu wenig über die Lage in Großbritannien wissen und daher keine eigene Einschätzung treffen können. 
 
Für lesenswert halten wir den Text vor allem deshalb, weil er klare Kante gegen (den konkret vor allem antimuslimischen) Rassismus zeigt und die Verantwortung der linken, kommunistischen und Arbeiterbewegung betont, sich gegen derartige Exzesse, wie wir sie gerade in Großbritannien sehen, zu stellen. Zugleich verbindet er den von oben forcierten, aber in weite Teile der Gesellschaft, bis hinein in die Arbeiterklasse, ausstrahlenden Rassismus mit der Kolonial- und Kriegspolitik der Imperialisten. Ein Zusammenhang, den man nicht häufig genug betonen kann, der aber in der Realität sehr selten betont wird – weder von „linken Migrationskritikern“, die zwar immer wieder über Imperialismus und Fluchtursachen, aber kaum über Imperialismus und Rassismus sprechen, und erst recht nicht von linksliberalen „Willkommenskulturlern“. Zuletzt unterstreicht dieser Text die Schuld gerade auch der Sozialdemokratie für den herrschenden Rassismus, weshalb der Kampf gegen Letzteren nur gegen, und nicht mit Ersterer geführt werden kann. 
 
Der zweite Text ist ein Hörerbrief eines Arbeiters an Proletarian Radio. Er skizziert die „postindustrielle“ ökonomische Basis in Städten wie Liverpool, die als fruchtbarer Boden für rassistische Spaltung und rechte Hetze dient, zeigt gleichzeitig auf, dass Migration für die Kapitalisten von großem wirtschaftlichem Interesse ist und daher auch schon immer zur Realität des Kapitalismus gehörte, und betont den notwendigen gemeinsamen Kampf aller Arbeiter, unabhägig von Herkunft, Kultur, Nationalität etc. 

Text 1: Wie können wir die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus erreichen?

Wir werden den Rassismus niemals besiegen, indem wir uns mit der erzrassistischen Labour-Partei „vereinigen“. Die Aufgabe echter Antirassisten ist es, die Unterstützung der Labour-Partei für Faschismus und Krieg aufzudecken.

Der lumpenisierte1 faschistische Mob, der Anfang dieser Woche eine Moschee in Southport angegriffen hat, ist ein Produkt der bürgerlichen Ideologie. Diese ist der Ursprung aller rassistischen Gefühle, denn sie sind ein absolut zentraler Bestandteil dessen, was die herrschende Klasse Großbritanniens selbst glaubt und was sie innerhalb der Arbeiterklasse für nützlich hält zu fördern.

Die unerbittliche Propaganda gegen Muslime in Großbritannien wurde nicht von Herrn Yaxley-Lennon (bekannt unter seinem Künstlernamen „Tommy Robinson“)2 oder Nick Griffin3 vor ihm erfunden. Die antimuslimische Rhetorik wurde vor über 20 Jahren Teil der offiziellen Sprache des britischen Staates und der von den Faschisten verbreitete Müll hat seinen Ursprung in der von der bürgerlichen Presse produzierten Propaganda.

Die Dämonisierung der Figur des Muslims ist durchaus kalkuliert. Sie diente dazu, den nackten Imperialismus der Invasionen der George W. Bush-Ära zu rechtfertigen. Da es sich dabei um einen Versuch handelte, den direkten Kolonialismus (ohne den Neo-) wieder einzuführen, mussten die Imperialisten die betroffene Bevölkerung als „unzivilisiert“ dämonisieren. Die offizielle Propaganda jener Zeit verkündete immer noch lautstark ihre „antirassistischen“ Referenzen, so dass man vermeiden musste, einfach zu sagen, dass es um Araber oder Afrikaner oder irgendeine andere Gruppe ging, deren Länder Ziel einer Invasion und Zerstörung waren.

Es wurde also die Figur des Muslims als ultimativem Außenseiter geschaffen. Dies war für die herrschende Klasse in zweierlei Hinsicht nützlich. Einerseits ermöglichte es der herrschenden Klasse, eine rassistische Propagandakampagne unter dem Deckmantel „Religion statt Ethnie“4 zu führen. Zum anderen wurde „Muslim“ zu einem Ersatzbegriff für alle nicht-weißen Gruppen, die die herrschende Klasse zu einem bestimmten Zeitpunkt dämonisieren wollte.

In Bezug auf heute: Die faschistischen Mobs, die umherziehen und Moscheen angreifen, sind durch mehr als 20 Jahre dieser Art von Propaganda ermutigt worden. Sie werden durch das gegenwärtige politische Establishment weiter angestachelt, das drei Dinge erreichen will:

1. Spaltung der antiimperialistischen Bewegung, die aus den palästinensischen Solidaritätsdemonstrationen hervorgegangen ist.

2. Die muslimische Arbeiterklasse verängstigen und sie für ihre starke Unterstützung der palästinensischen Sache bestrafen, indem man die Faschisten auf sie loslässt.

3. Unterstützung für Sir Keir Starmer,5 der eine Reihe neuer repressiver Gesetze vorstellt.

Wir müssen uns vor Augen halten, welche Linie die britische Regierung seit vielen Jahren konsequent verfolgt. Die Minister haben den Rassismus gezielt gefördert und dann behauptet, sie seien die Einzigen, die ihn „kontrollieren“ können. Und genau das versuchen sie jetzt zu tun. Sie lassen Lumpen herumlaufen, Schlägereien anzetteln und Leute einschüchtern, und dann sagen sie: „Wir brauchen mehr Überwachungsbefugnisse.“

Der andere Aspekt wird der Versuch der Trotzkisten und Revisionisten in Großbritannien sein, die offiziellen „antirassistischen“ Organisationen zu benutzen, um Unterstützung für die Labour-Partei zu sammeln. Wir können davon ausgehen, dass diese Scharlatane lauthals verkünden werden, dass wir „dem Rassismus entgegentreten“ müssen, während sie gleichzeitig Labour-Abgeordnete auf ihre Seite ziehen, die seit Jahrzehnten lautstark imperialistische Kriege unterstützen und für die Bewaffnung der Faschisten in der Ukraine sind.

Der offizielle „Antifaschismus“ in Großbritannien ist seit langem nur ein weiteres Mittel, um die Arbeiter in die Labour-Partei zurückzudrängen, und das bleibt er auch.

Die Aktionen des faschistischen Mobs müssen bekämpft werden, aber wir können dies nicht in angemessener Weise tun, wenn wir nicht verstehen, was mit der Arbeiterklasse geschieht. Yaxley-Lennon und sein Lumpenpöbel sind nur die gröbste innerstaatliche Manifestation des Rassismus, der als Teil der bürgerlichen Ideologie in allen imperialistischen Ländern erzeugt wird.

Ohne eine klassenbewusste Analyse dessen, was den Rassismus tatsächlich hervorbringt, können wir nicht hoffen, ihn zu bekämpfen. Yaxley-Lennon ist ein Handlanger der herrschenden Klasse, aber in Bezug auf die Schrecken, die den unterdrückten Völkern der Welt zugefügt wurden, hat er der Labour Party nichts entgegenzusetzen.

Josef Stalin stellte vor einem Jahrhundert fest, dass die Sozialdemokratie der gemäßigte Flügel des Faschismus ist, und das ist nach wie vor richtig. Um die offenen Faschisten zu bekämpfen, müssen wir der Arbeiterklasse gegenüber ehrlich sein, was die Herrschaft der Labour-Partei, die verschleierte Unterstützung des Faschismus, angeht.

Die Labour-Partei war schon immer eine rassistische Partei und bleibt es, gerade weil sie eine imperialistische Partei ist. Sie hat immer versucht, die Arbeiterklasse entlang religiöser und ethnischer6 Linien zu spalten. Die Behauptung, dass die Unterstützung dieser Partei in irgendeiner Weise „antirassistisch“ sein kann, ist eine Lüge. Starmer ist etwas subtiler als die Faschisten, aber man braucht nicht lange zu suchen, um zu erkennen, wofür er wirklich steht: Er unterstützt offen faschistische Nazis in der Ukraine und einen offen faschistischen Völkermord im besetzten Palästina.

Der einzige Weg, den Faschismus zu besiegen, ist die Verfolgung eines kämpferischen Programms, das sich unnachgiebig dem britischen Imperialismus entgegenstellt und einen echten Kampf für die Bedürfnisse der Arbeiter auch im Inland fördert.

Diese beiden Elemente sind untrennbar miteinander verbunden und müssen mit gleicher Entschlossenheit verfolgt werden.

Text 2: Einwanderungsfeindliche Propaganda schürt Wut und Aufstände in Knowsley

Während die Krise der Lebenshaltungskosten den Arbeitern Leid zufügt, benutzen unsere Herrscher wieder einmal die Einwanderung, um von ihren Fehlern abzulenken.

Der folgende Artikel wurde Proletarian von einem Arbeiter in Liverpool zugesandt.

Am Sonntag, dem 12. Februar, loderte ein Feuer in einem ausgebrannten Lieferwagen vor dem Suites Hotel in Kirkby, Knowsley, nachdem draußen gegen die Unterbringung „illegaler“ Einwanderer protestiert worden war.

Die ständige Bombardierung der Mainstream-Medien mit dem Narrativ, dass „Einwandererhotels“ Orte der Federbetten und des Luxus sind, und ihr endloser Hype über eine „Invasion“ von Flüchtlingen in Schlauchbooten hatten die Ängste und Frustrationen der Menschen geschürt, die sich in Wut und Gewalt entluden.

Der Vorfall

Zwei Seiten positionierten sich vor einem Hotel, in dem arme Migranten untergebracht waren. Wütende Anwohner, die durch emotionsgeladene und aufrührerische Beiträge in den sozialen Medien und Flugblattaktionen aufgewühlt worden waren, standen linken Gruppen gegenüber, darunter die Merseyside Pensioners Association, die Sozialistische Partei, die Merseyside BLM Alliance und Mitglieder von Unite the Union.

Die linken Gruppen waren den lokalen Demonstranten zahlenmäßig weit unterlegen, während die guten Absichten derjenigen, die gekommen waren, um die Hotelbewohner zu verteidigen, in der wütenden Menge untergingen.

Bewohner beschrieben den Protest als karnevalsähnliche Atmosphäre. Ein Video zeigt Demonstranten, die der Polizei gegenüberstehen, während ein Mitglied der Menge schreit: „Raus mit diesen ISIS-Bastarden“.

Wieder einmal richtete sich die gebündelte Wut des Arbeiters gegen den falschen Feind: einen anderen armen Arbeiter. Die Medienberichterstattung über imperialistische Kriege, die fabrizierung von Konsens für die NATO-Invasionen im Irak, in Afghanistan, in Syrien usw. hat bigotte Meinungen geschürt, dass jede Person mit einem nahöstlichen Aussehen ein muslimisch-fundamentalistischer „Feind“ sein muss, am ehesten „Taliban“ oder „ISIS“.

Irische Einwanderer, die im Laufe der Jahrzehnte nach Merseyside kamen, wurden in ähnlicher Weise beschuldigt, den Menschen die Arbeitsplätze zu stehlen und Terroristen zu sein. Aber arme Arbeiter unternehmen gefährliche Reisen in fremde Länder nicht aus Lust, sondern aus verzweifelter wirtschaftlicher Not, die durch imperialistische Plünderungen und imperialistische Kriege um Profit und Macht ausgelöst wird.

Warum die Wut?

Das Verständnis unserer Geschichte und ihrer heutigen Bedeutung kann den Menschen oft zu einem besseren Verständnis verhelfen. Die mediale Aufregung, insbesondere über die Einwanderung, ignoriert völlig die britische Geschichte, in der migrantische Arbeite die meisten der schwierigsten Arbeiten beim Bau der Infrastruktur unseres Landes verrichteten, von den Kanälen des 18. Jahrhunderts bis zu den Autobahnen des 20. Jahrhunderts.

Liverpool, eine Stadt, die für und durch die Schifffahrt gebaut wurde, hat im Laufe der Jahrhunderte ihres Bestehens eine große Zahl von Migranten angezogen und genutzt. Und die nahe gelegene Stadt Kirkby hat einen Teil der Zuwanderer aufgenommen, als die Stadt wuchs.

In der Nachkriegszeit lebten in Kirkby rund 3.000 Menschen auf dem Land, und das in den 1950er Jahren errichtete Industriegebiet bot mehr Arbeitsplätze, als die kleine Bevölkerung stellen konnte. Liverpool litt seit langem unter Überbevölkerung, und viele Arbeiter lebten übereinander in beengten Höfen.

Die Scotland Road (bekannt als Scottie) war eines dieser stark bevölkerten Gebiete. Es war voll von irischen Einwanderern, die ihre Heimat verlassen hatten, um der Hungersnot zu entkommen und den geschäftigen Häfen von Liverpool billige Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Das Gebiet war so stark irisch geprägt, dass es den ersten irischen Parlamentsabgeordneten Großbritanniens, TP O’Connor, stellte.

Da ein riesiges Heer an überschüssigen Arbeitskräften zur Verfügung stand und sich das Stadtzentrum bis in die Außenbezirke ausdehnte, wurde die Gemeinde an der Scotland Road aufgelöst. Viele ihrer Bewohner zogen nach Kirkby und ließen die 3.000 Einwohner im Laufe eines Jahrzehnts auf weit über 50.000 anwachsen.

Während die Scotland Road heute zu einer Schnellstraße für den Hafenverkehr geschrumpft ist, ist Kirkby exponentiell gewachsen. Es wurden neue Wohnsiedlungen gebaut, und die Bevölkerung hat sich zu der Gemeinschaft entwickelt, die wir heute sehen. Das einstige Bauerndorf hat sich durch die Zuwanderung von Arbeitskräften in der Nachkriegszeit zu einer geschäftigen Stadt entwickelt.

Das heutige Liverpool ist eine zweigeteilte Stadt: das berühmte Stadtzentrum mit all den Merkmalen einer kapitalistischen, konsumorientierten Metropole und die Außenbezirke, in denen man die vernachlässigten schottischen Arbeiter hat verrotten lassen.

Nördlich von Liverpool gehören Wahlbezirke wie County und Everton zu den ärmsten des Landes, während Knowsley, der größere Stadtbezirk, in dem Kirkby jetzt liegt, obwohl er offiziell nicht zu Liverpool gehört, unter der gleichen wirtschaftlichen und sozialen Vernachlässigung leidet – nur eine weitere Arbeiterstadt in Merseyside, die nach Jahrzehnten der Unterfinanzierung, Unterentwicklung und Unterbeschäftigung zu kämpfen hat.

Die Vernachlässigung dieser „postindustriellen“ Arbeiterviertel hat zu einem Unbehagen geführt, das durch die wirtschaftliche „Lebenshaltungskosten“-Krise (Inflation) noch verschärft wurde. Diese Unzufriedenheit, die seit Jahren unter der Oberfläche brodelt, ohne dass es ein Ventil gibt, wird von rechten Gruppen angezapft, die versuchen, die aufgestaute Wut der Arbeiter auf andere unglückliche Opfer – arme Einwanderer, die in Hotels eingesperrt sind – zu lenken und sie von den wahren Verursachern – der herrschenden Elite des kapitalistischen Systems – abzulenken.

Es gibt ein Mantra, das von denjenigen in der Gegend, die mit den Demonstranten übereinstimmen, immer dann wiederholt wird, wenn die „extreme Rechte“ erwähnt wird: „Das sind ganz normale Leute, die die Nase voll haben“. Das stimmt zwar, aber Tatsache ist, dass ihre Wut manipuliert wird.

Jahrelange Medienberichterstattung, die sich auf „gerechte“ Kriege im Nahen Osten konzentriert, während die Organisationen der extremen Rechten über „die Ausländer, die uns die Arbeitsplätze wegnehmen“,7 schreien, hat dazu beigetragen, die Wut von der wahren Geißel der Arbeiterklasse abzulenken. Es ist die herrschende Elite, die davon profitiert, dass die Löhne niedrig und die Energiepreise hoch gehalten werden. Es sind ihre imperialistischen Kriege für den Profit, die die Verteilung so vieler Menschen verursachen.

Die extreme Rechte

Aktivisten einer Gruppe, die sich „Patriotische Alternative“ (PA) nennt, waren in den Wochen vor der Demonstration damit beschäftigt, in Kirkby Flugblätter zu verteilen. Sie informierten die Einwohner darüber, dass Asylbewerber in dem örtlichen Hotel untergebracht seien, und verbreiteten rassistische Rhetorik, die eine emotionale Reaktion hervorrufen sollte. „Fünf-Sterne-Hotels für Migranten, während die Briten frieren“, lautete eine der Schlagzeilen.

Das Unternehmen, das die Migranten in diesen Hotels im Rahmen einer „Asylbewerberinitiative“ unterbringt (man könnte es eher als eine Fundraising-Initiative für privates Kapital bezeichnen), ist Serco UK & Europe, ein angeblich „privat-öffentliches“ Unternehmen (ein Oxymoron).

Es handelt sich dabei um dasselbe Unternehmen, das für das Sicherheitsfiasko bei den Olympischen Spielen in London8 verantwortlich war und das für die notorisch grausamen Bedingungen verantwortlich ist, unter denen Gefangene in vielen britischen Gefängnissen leben. Nach den bisherigen Erfahrungen ist die Wahrscheinlichkeit, dass an dem Vorwurf des „Federbetts“ etwas dran ist, verschwindend gering.

Der Auslöser für die Proteste in Kirkby waren Behauptungen, dass die Hotelbewohner eine Gefahr für die Kinder in der Umgebung darstellten, untermauert durch ein unschlüssiges, aber aufrüttelndes Video, das in den sozialen Medien kursierte. Diese altbewährte Trophäe des Establishments tat, was sie tun sollte: Sie schürte die ursprünglichsten Ängste des Publikums und richtete sie gegen ihre zugewanderten Nachbarn.

Dann kam es zu einer Eskalation der Angriffe in den sozialen Medien. Auf Videoaufnahmen eines jungen Mädchens, das von einem „braunen“ Mann angesprochen wurde, folgte eine Flut unbegründeter Posts, in denen ein nahöstlich aussehendes Paar beschuldigt wurde, in Walton Asda, Liverpool, „Fotos von den Babys anderer Leute zu machen“. Das Migrantenhotel wurde von Britain First als „voller junger Männer“ beschrieben, und die unlogische, aber emotionale Anziehungskraft dieser Propaganda ist so groß, dass selbst Bilder eines Paares, das meilenweit vom Hotel entfernt ist, die Anwohner zu Ausschreitungen veranlassten.

Dies ist eine klassische demagogische Taktik der Faschisten, die die Arbeiter manipulieren, indem sie ihre Armut und Angst ausnutzen und die Schuld auf die Einwanderer schieben.

Kapitalismus braucht Einwanderung

Man kann es den Arbeitern nicht verübeln, dass sie ein besseres Leben wollen. Sie kommen nicht nach Großbritannien wegen des Essens, des herzlichen Empfangs oder unseres unzureichenden Sozialsystems. Die vom Westen unter Führung der USA geführten imperialistischen Kriege haben ganze Nationen zerstört und den Menschen die Möglichkeit genommen, sich ein nachhaltiges Leben aufzubauen.

Alle Menschen haben ein Recht auf ein menschenwürdiges und sicheres Leben, und wenn das dort, wo sie leben, nicht möglich ist, dann ist die Migration unvermeidlich. Wer gezwungen ist, sein Land zu verlassen, wird sich an Orte begeben, die ihm sprachlich oder familiär am nächsten sind. Hunderte von Jahren kolonialer Ausbeutung haben dazu geführt, dass die englische Sprache den Völkern vieler Nationen geläufig ist, was sie an unsere Küsten lockt.

Das jüngste Getue der Tories, in Sachen Einwanderung „strenger“ zu werden, ist reine Pantomime. Während die Labour-Partei in den Umfragen immer näher rückt und sich die Wirtschaftskrise von Tag zu Tag verschärft, wird der übliche Wettbewerb darum, wer am überzeugendsten die Einwanderer für den sinkenden Lebensstandard der britischen Arbeiter verantwortlich machen und wer entsprechend „härter gegen Einwanderung“ vorgehen kann, verschärft.

In Wirklichkeit macht es für die Kapitalisten keinen Unterschied, wer der Arbeiter ist oder woher er kommt, solange er ausgebeutet werden kann. Der Kapitalismus braucht einen Überschuss an Arbeitskräften, um die Arbeiter in Konkurrenz zueinander zu halten, während sie in ihrem verzweifelten Versuch, die Krise zu überstehen und die Gewinne hoch zu halten, die Löhne drücken.

Viele der Arbeiter, die Asyl suchen, sind auf der Flucht vor den Bomben der NATO, vor vom Westen unterstützten Putschen oder vor den Sparprogrammen des IWF, die die Wirtschaft ihrer Heimatländer in den Ruin getrieben haben. Für sie kann es genauso tödlich sein, nach Europa oder Großbritannien zu reisen, und ihre Bereitschaft, dies zu tun, zeigt, wie verzweifelt ihr Bedürfnis ist, ihre Heimat zu verlassen und anderswo Sicherheit zu finden.

Die „Globalisierung“ (Imperialismus) speist sich aus einem unbegrenzten Angebot an Arbeitskräften in den imperialistischen Ländern und der massenhaften Abwanderung von Arbeitskräften dorthin, wo sie gebraucht werden. Die kapitalistischen Regierungen, die im Namen der herrschenden Kapitalistenklasse in jedem Land handeln, werden niemals wirklich versuchen, die Einwanderung zu stoppen, sondern sie werden rassistische Anti-Immigrations-Rhetorik verwenden, um die Arbeiter zu spalten und ihre Aufmerksamkeit von ihrem wahren Feind abzulenken.

Als Kommunisten kämpfen wir gegen die Ausbeutung aller Arbeiter und gegen unseren gemeinsamen Feind: den kapitalistischen Ausbeuter der Lohnarbeit. Wir kämpfen gegen den Imperialismus (Kapitalismus in seinem monopolistischen Stadium), der im Namen des Profits die Heimatländer der Völker der Welt dezimiert und sie zwingt, ihre Heimat zu verlassen, um zu überleben.

Es sind nicht die armen Menschen, egal woher sie kommen, die die Ursache für die Probleme der Welt sind. Sie haben keine solche Macht oder Autorität innerhalb des gegenwärtigen Wirtschaftssystems. Unser Feind ist der Kapitalist. Und die Lösung unserer Probleme besteht darin, die Bedingungen zu beseitigen, unter denen eine kleine Klasse von superreichen Ausbeutern lebt, indem sie der Weltbevölkerung den Lebenssaft aussaugt und auf großem Fuß lebt, während diejenigen, die ihren Reichtum schaffen, immer tiefer im Sumpf versinken müssen.

  1. Im engl. Originaltext: “lumpenised“. ↩︎
  2. Gründer der rechtsradikalen English Defence League, die der Neuen Rechten (d. h. islamfeindlich und pro-israelisch) zuzuordnen ist. Mittlerweile auch als Influencer aktiv. (Anm. KO) ↩︎
  3. Ehem. Vorsitzender und EU-Abgeordneter der faschistischen British National Party. (Anm. KO) ↩︎
  4. Im engl. Originaltext: “race“. ↩︎
  5. Labour-Politiker und seit dem 5. Juli 2024 Premierminister Großbritanniens. (Anm. KO) ↩︎
  6. Im engl. Originaltext: “racial“. ↩︎
  7. Im engl. Originaltext: “Johnny foreigner taking our jobs“. ↩︎
  8. Die Firma wurde mit der Sicherheit der Olympischen Spiele 2012 beauftragt und bekam dafür fast 300 Millionen Pfund. Sie war dazu aber nicht in der Lage, so dass kurzfristig mehrere Tausend britische Soldaten für diese Aufgabe mobilisiert wurden. (Anm. KO) ↩︎

Aktuelles

Russland-Hetze und Faschismusrelativierung von „links“

Zur Veranstaltungsreihe „Good bye Stalin?!“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat 2023 in Leipzig eine Veranstaltungsreihe gestartet, deren Hauptinhalt antikommunistische, antisowjetische und Anti-DDR-Propaganda war. Worauf das Ganze hinauslaufen sollte, wurde dann spätestens bei der letzten Veranstaltung deutlich: die Einreihung der Linken in die Zeitenwende-Politik. Die Beteiligung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des lokalen Parteibüros der Linken linxxnet sollte mittlerweile nicht mehr verwundern. Eine neue Stufe war jedoch die Veranstaltungsunterstützung durch die VVN-BdA.

Vortrag zur Geschichte des Zionismus

Im Oktober hielten wir als KO in Leipzig im Rahmen der Aktionswoche des Kufiya-Netzwerks einen Vortrag zur Geschichte des Zionismus. Der Vortrag soll einen Einstieg in das Thema leisten und gibt Argumentationshilfen für die politische Auseinandersetzung an die Hand.