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Es ist Sand im Kriegsgetriebe

Aktionsbericht zu den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen

Sachsen und Thüringen haben gewählt. In Thüringen siegte die AfD, in Sachsen mit knappem Vorsprung die CDU. Die Wahlen sind schon seit Wochen bestimmendes Thema in Medien und Politik. Als Kommunistische Organisation haben wir im August Aktionen auf der Straße in Dresden, Leipzig und Jena durchgeführt. Wir sind dabei mit vielen Menschen darüber ins Gespräche gekommen, wie sie die aktuelle Politik sehen, welche Themen ihnen wichtig sind und wie sie wählen. Inhaltliche Grundlage war unser Flugblatt Warum die AfD keine Friedens- und Arbeiterpartei und die Ampel keine Alternative gegen Rechts ist, die sich mit den in die AfD und Ampel gesetzten Illusionen beschäftigte.

Unsere Gespräche können nicht repräsentativ verstanden werden. In Kombination mit veröffentlichten Meinungsumfragen und den politischen Begleitereignissen zur Wahl können wir jedoch festhalten: Viele in Ostdeutschland wollen nicht kriegstüchtig werden. Die Zukunftsangst angesichts der Kriege und sozialen Verarmung ist groß. Als Ventil für diese Krisenstimmung fungiert meist rassistische Hetze. Diese ist nicht immer tief verankert, sondern äußert sich bei vielen diffus. Der Rassismus ist auch nicht in der „DNA Ostdeutschlands“ angelegt, wie es von Medien und Politik gerne dargestellt wird, sondern wurde von Staat und Kapital aktiv gefördert und aufgebaut. Die Wahl zeigt außerdem: Der Rechtsruck in der herrschenden Politik hat sich längst vollzogen, Widerstand dagegen fehlt.

Ostdeutschland ist (noch) nicht kriegstüchtig

Schon im Vorfeld der Wahl war klar, dass die Themen Krieg, Waffenlieferungen und Aufrüstung mit zu den zentralen Themen des Wahlkampfes zählten. Laut einer Umfrage der Zeitschrift Emma nannte mehr als die Hälfte der Befragten diese Fragen wahlentscheidend.1 Auch in unseren Gesprächen auf der Straße äußerten gerade Jugendliche und junge Erwachsene, dass sie Angst vor Krieg oder Wehrpflicht hätten. Auch wenn die Hintergründe zum Ukraine-Krieg und v. a. die Rolle der NATO als Kriegsaggressor oft nicht bekannt sind, wollen viele nichts mit einem Krieg gegen Russland zu tun haben. Äußerungen wie „Für dieses Deutschland nehme ich keine Waffe in die Hand, denn davon habe ich nichts.“ waren in unseren Gesprächen keine Seltenheit. Die von Pistorius postulierte Kriegstüchtigkeit hat sich also noch nicht vollkommen durchgesetzt.

Gerade das machte den Wahlkampf für die Ampelparteien so schwer, denn sie repräsentieren den aktuellen Kriegskurs. So wurde schon im Vorfeld der Wahl aggressiv betont, dass es sich um eine Landtagswahl handle und außenpolitische Fragen darin nichts zu suchen hätten. Ganz nach dem Motto: Je öfter und lauter wir das verkünden, desto eher vergessen die Leute, was ihnen eigentlich wichtig ist. Der SPD-Spitzenkandidat für Thüringen Georg Maier tönte, dass das Thema Krieg nur dafür genutzt werde, um von den wirklich wichtigen Fragen wie Renten und Löhne abzulenken.2 Kevin Kühnert fügte noch hinzu: Die SPD sei die einzige Partei, die wirklich erkannt habe, was die Alltagssorgen der Menschen in Ostdeutschland seien, nämlich die sozialen Fragen. Krieg und Frieden seien reiner Populismus.3 Dass man mit dieser arroganten Haltung keine Mehrheiten gewinnt, zeigen die Wahlergebnisse der SPD. Wenig förderlich für die Selbstinszenierung der SPD als Armutsretterin ist sicherlich auch, dass sie mit den Hartz-Reformen maßgeblich für Verarmung, Arbeitslosigkeit und Niedriglohn verantwortlich ist.

In der Kriegsfrage spielte das neu angetretene BSW eine nicht unwichtige Rolle, indem es u. a. die Haltung zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen im Vorfeld der Wahl als entscheidend für die Koalitionsbildung nannte. Dies traf beim möglichen Koalitionspartner CDU auf harsche Kritik.4 Aktuell ist noch schwer einschätzbar, ob das BSW an seiner Haltung festhalten wird und es künftig mehr Auseinandersetzungen um die stramm vorwärts marschierende Zeitenwende-Politik geben könnte. In unseren Gesprächen war zumindest auffällig, dass es maßgeblich die Kriegsfrage ist, die Personen zur BSW-Wahl motiviert hat. Diesen Eindruck konnten wir in den Gesprächen mit AfD-Wählern hingegen eher nicht gewinnen. Hier war die Frage von Krieg und Frieden zwar nicht unwichtig, aber Migration stand an erster Stelle.

Rassismus als Ventil für die Krisenstimmung

Die Angst vor Krieg und Verarmung war in unseren Gesprächen allgegenwärtig, wird jedoch kaum in Organisierung übersetzt. Stattdessen führt sie zu Rückzug, Passivität und diffuser Angst und wird von der herrschenden Politik erfolgreich in Rassismus überführt. Der Vorfall rund um das Stadtfest in Solingen kurz vor der Wahl zeigte dann wie im Brennglas: Die Migrationsfrage ist zum Ventil der herrschenden Krisenstimmung geworden. Anstatt die Ursachen einer solchen Tat zu analysieren, war allen Beteiligten in Politik und Medien direkt klar: Abschiebung und noch härtere Repression sind die Lösung. Dass die Bundesregierung wenige Tage später das sogenannte Sicherheitspaket auf den Weg brachte, ist kein Zufall: Diese Maßnahmen lagen schon in der Schublade und haben mit Solingen den Anlass zur Vollstreckung gefunden. Ebenso ließ der Abschiebeflug von 28 Afghanen alle jubeln. Einzig der Umstand, dass dies „nicht zu einer Legitimation der Taliban führen“ (Omid Nouripour) dürfe, ließ manche etwas zweifeln.5 Während in den Tagen vor Solingen noch die Frage nach der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen die Debatte bestimmte, war danach die Hauptfrage, wie man effektiver Abschiebungen realisieren könne. Die Ampel hat es geschafft, von dem für sie schwierigsten Thema des Wahlkampfes abzulenken.

Die seit ungefähr einem Jahr laufende „Wir können nicht mehr“-Kampagne in Bezug auf Migration hat sich weitestgehend durchgesetzt. Die Frage danach, wen, wann und warum Migration überfordere, wird dabei gar nicht mehr gestellt, sondern von vornherein als Tatsache gesetzt. Auch in unseren Gesprächen bezogen sich viele Menschen auf sinkende Löhne, steigende Preise, fehlende Wohnungen oder Kriminalität. Dass die Ursache dieser Probleme nicht in der Migration liegt, sondern in der Lohndrückerei, in der Steigerung der Monopolprofite oder im fehlendem sozialen Wohnungsbau, war zum Teil schwer vermittelbar. In manchen Gesprächen war aber auch Offenheit für eine Richtigstellung in diesen Fragen vorhanden. Es wurde deutlich, dass hier ein großes Arbeitsfeld liegt. Denn solange sich die Krisenstimmung in rassistische Hetze entlädt, ist die herrschende Kriegs- und Verarmungspolitik nicht gefährdet.

Die AfD: Ein Projekt von oben

Der angesprochene Rassismus wird von Medien und Politik gerne als historisch in der DDR gewachsenes Phänomen Ostdeutschlands dargestellt. So kann die eigene Verantwortung von sich gewiesen und gleichzeitig noch DDR-Bashing betrieben werden. Dass dazu teilweise die absurdesten Erklärungsmuster angeführt werden, stört wenig.6 Manche, denen das dann doch zu plump ist, erwähnen daher auch den sozialen Niedergang nach der Konterrevolution als Nährboden für rechte Kräfte. Aber auch das ist zu einfach: Armut führt nicht einfach zu Rassismus, wie es teilweise auch von Linken manchmal behauptet wird. Dazu braucht es politische Kräfte, die diesen Zusammenhang konstruieren und propagieren. Ohne hier groß auf die Hintergründe eingehen zu können, muss festgehalten werden: Die AfD ist ein politisches Projekt von oben. Auch wenn sie sich selbst gerne als `Volkspartei` inszeniert, ist sie keine Partei, die aus der Bevölkerung heraus entstanden oder gewachsen ist. Sie wurde von vorrangig von westdeutschen Kadern aufgebaut und dabei von politischen Kräften und Teilen des Kapitals eifrig unterstützt.

Umfragen zeigen, dass die Hauptmotivation für die Wahl der AfD die Frage der Migration war.7 Soziale Themen und Fragen von Krieg und Aufrüstung traten dahinter zurück. Hier stellten viele Menschen, mit denen wir ins Gespräch kamen, (richtigerweise) fest, dass sie in dieser Hinsicht wenig von der AfD erwarten können. Es gab sogar Personen, bei denen eine AfD-Wahl aufgrund ihre Position zur Migration nahegelegen hätte, die das jedoch aufgrund des neoliberalen Profils ablehnten. Auch wenn diese Eindrücke nicht als repräsentativ verstanden werden können, zeigen sie doch interessante Entwicklungen. Viele Personen betonten, dass sie keine übermäßigen Hoffnungen in die AfD setzten. So äußerte ein jüngerer Mann: „Es ist eher so ein Versuch. Denn die Altparteien kann man nicht mehr wählen. Die haben uns schon alle verarscht. Aber wenn die AfD jetzt auch Scheiße baut, wählen wir die halt wieder ab“.

Unabhängig von der Frage, warum Personen die AfD wählen, sind die hohen Wahlergebnisse natürlich negativ. Gerade auf kommunaler Ebene wird sich dadurch die Situation für Migranten verschärfen, das Arbeitsfeld für linke, gewerkschaftliche und kommunistische Kräfte weiter verengen: noch rassistischere Gesetze, noch größere Polizeibefugnisse und noch mehr Kürzung von Fördergeldern. Auch wenn wir die konkreten Veränderungen durch eine starke AfD gerade noch nicht klar bestimmen können, hinterlässt genau dieser Umstand bei vielen Menschen Angst. In unseren Gesprächen äußerten viele Menschen Angst vor einem Wahlsieg der AfD und dass es ihr wichtigste Anliegen sei, das zu verhindern. Daran konnten die Ampelparteien, gerade in den ostdeutschen Großstädten, anknüpfen und so gleichzeitig den eigenen Rechtsruck normalisieren.

Ob `Remigration` oder `Rückführungsverbesserungsgesetz`: Der Rechtsruck hat sich durchgesetzt

Der Wahlkampf hat deutlich gezeigt, dass sich der Rechtsruck in der Politik endgültig durchgesetzt hat. Während des Wahlkampfes konnte man an fast jeder Straßenlaterne abwechselnd lesen: „Wir geben Sicherheit wieder eine Heimat. Unkontrollierte Migration überfordert alle.“ (BSW), „Remigration rettet Menschenleben“ (AfD) oder „Migrationspolitik überdenken“ (CDU). Auch ein Blick in die Wahlprogramme der Parteien zeigt, dass sich diese im Wesentlichen einig sind: Nicht verwertbare Flüchtlinge gehören abgeschoben, sozial auspressbare Fachkräfte sind willkommen. Bei den Grünen heißt das Ganze „Arbeitsmarktsintegration“8, bei BSW „Gewinnung ausländischer Fachkräfte“9 und bei der AfD Auswahl entsprechend von „Qualifikation, Kompatibilität und Leistungsbereitschaft“10. Es wäre falsch, die Migrationspolitik der Parteien komplett gleichzusetzen, doch die Richtung ist dieselbe: Die seit ungefähr einem Jahr verstärkt geführte „Wir können nicht mehr“-Kampagne ist nicht mehr nur Rhetorik, sondern knallharte Realpolitik: Europäische Asylreform, Rückführungsverbesserungsgesetz, Bezahlkarte, Zwangsarbeit à la sozialer Pflichtdienst, Ausweisung von Migranten nach Straftaten, verstärkte Grenzkontrollen oder das neuste „Sicherheitspaket“ der Bundesregierung.

Ironischerweise werden die restriktiven Maßnahmen damit begründet, so gegen die Erfolge der AfD vorzugehen – quasi mit rechter Politik gegen Rechte. Wagenknecht äußerte beispielsweise: „Das, was jetzt geschieht, zum Beispiel wieder in Solingen, das kann so nicht weitergehen, weil wir damit natürlich eine Stimmung im Land bekommen, die sich am Ende auch gegen viele richtet, die rechtschaffen sind, die ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft geworden sind.“11 Sie nutzt dabei den Spaltkeil zwischen den „unkontrollierten“, abzuschiebenden und den brav arbeitenden, geduldeten Migranten. Dass von Migranten begangene Straftaten so wie die von deutschen Staatsbürgern juristisch bearbeitet werden sollten, kommt in der öffentlichen Debatte nicht mehr vor – Gleichberechtigung Fehlanzeige. Aus diesem Grund erlebten wir während unsere Aktionen gerade bei den migrantischen Teilen der Bevölkerung Angst. Jugendliche fragten uns beispielsweise: „Warum wollen die uns alle abschieben?“

Ein organisierter Protest und Widerstand gegen diesen Rechtsruck bleibt aus. Stattdessen inszenierten sich die Ampelparteien im Wahlkampf als Alternative gegen rechts und etablierten so gleichzeitig die eigene rechte Politik. In Leipzig mobilisierte beispielsweise das Bündnis Hand in Hand, zu dessen Hauptakteuren lokale Ampelpolitiker zählen, ca. 10.000 Menschen auf die Straße: #AllezusammengegendenFaschismus. Der Rassismus und Faschismus in den eigenen Reihen störte dabei nicht, im Gegenteil: Es wurde gemeinsam mit dem Freundeskreis der Ukraine in Leipzig mobilisiert, dessen Anhänger noch am Tag zuvor mit der faschistischen OUN-Flagge durch die Innenstadt marschierten.12 Ebenso wenig störte die bedingungslose Unterstützung des Faschismus in Israel der Protagonisten von Hand in Hand.13 Faschismus kommt dann eben doch nur von den Anderen: Russland, Hamas, Iran oder AfD. Und so wird die Instrumentalisierung des Anti-Faschismus zum erfolgreichen Durchsetzungsmittel der eigenen imperialistischen Politik.

Fazit

Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben einerseits gezeigt, dass die Zeitenwende bei vielen auf Ablehnung stößt. Das ist sehr gut. Andererseits besteht wenig Bewusstsein über die Ursachen von Krieg und Armut und somit bleibt viel Platz für Fehlschlüsse. Der von den Parteien gesetzte Rassismus findet dort seine Funktion: Ablenkung, Spaltung und Aufhetzung. Die Aufgaben für uns Kommunisten sind klar: Wir müssen aufzeigen, worin die Ursachen von Krieg und Armut liegen. Wir müssen vermitteln, dass Rassismus und chauvinistische Hetze einerseits zur Aufrüstung nach innen und außen gehören und andererseits davon ablenken sollen. Und wir müssen zeigen, dass Veränderung nur mit Organisierung erfolgt, sei es im Stadtteil, im Betrieb oder in der Friedensinitiative. Hier reicht es nicht, auf allgemeinen Parolen zu verharren, sondern wir müssen konkrete Antworten auf konkrete Probleme finden und erlebbar machen, warum Organisierung notwendig ist.

1https://www.emma.de/artikel/ukraine-krieg-mehrheit-fuer-friedensverhandlungen-341207

2https://www.deutschlandfunk.de/debatte-um-stationierung-von-us-raketen-interview-georg-maier-spd-thueringen-dlf-ca815d4f-100.html

3https://www.deutschlandfunk.de/wahlkampf-im-osten-deutschlands-int-mit-kevin-kuehnert-spd-generalsekretaer-dlf-24512fe9-100.html

4https://www.lvz.de/lokales/mittelsachsen/vor-landtagswahl-in-sachsen-michael-kretschmer-greift-sahra-wagenknecht-an-YOVWSIN3J5G7ZPKMYMEYU775AU.html

5https://www.spiegel.de/politik/deutschland/attentat-in-solingen-ampel-politiker-verteidigen-abschiebung-nach-taliban-afghanistan-a-941d583f-e0ce-4087-876b-d7c50335d8ef

6Ein exemplarisches Beispiel dafür: https://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-warum-menschen-im-osten-staerker-zu-radikalen-parteien-neigen/100064245.html

7https://www.jungewelt.de/artikel/483353.wahlen-in-sachsen-und-th%C3%BCringen-linke-im-freien-fall.html

8https://gruene-sachsen.de/wp-content/uploads/2024/07/Sachsen-gemeinsam-bewegen_BUeNDNIS_90_DIE_GRUeNEN_Landtagswahlprogramm-2024.pdf

9https://bsw-vg-sachsen.de/wp-content/uploads/2024/05/landtagswahlprogramm2024.pdf

10https://afdsachsen.de/wp-content/uploads/afd-wahlprogramm-landtagswahl-sachsen-2024.pdf

11https://www.welt.de/politik/deutschland/article253250964/Wagenknecht-zu-Landtagswahl-Sachsen-Sonntag-sollte-Beginn-vom-Ende-dieser-unsaeglichen-Ampel-sein.html

12https://www.lvz.de/lokales/leipzig/demo-leipzig-hunderte-setzen-zeichen-zum-unabhaengigkeitstag-der-ukraine-U4Y3KF7QEJBFPLJOLA6QR4GMFY.html

13https://www.instagram.com/bohmeniaa/p/CyG5WGmM1Lg/

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