In diesem Jahr jährt sich zum 80. Mal die Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald. Bereits im August letzten Jahres wurde von der Gedenkstättenleitung versucht, das Tragen der Kufiya, dem Solidaritätssymbol des palästinensischen Befreiungskampfes zu verbieten. Das konnten wir damals noch verhindern.
Entsprechend sah sich die Gedenkstättenleitung in diesem Jahr gezwungen, sich besser vorzubereiten. Direkt nach unserer Ankunft wurden wir von zwei Mitarbeitern gebeten, auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers die Kufiyas abzunehmen. Als Begründung nannten sie einen Absatz in der neuen Hausordnung, laut derer „das Tragen von Kleidungsstücken und Symbolen, deren Herstellung oder Vertrieb im rechtsextremen Feld anzusiedeln sind, ebenso das Tragen von Kleidungsstücken oder Symbolen, die nach objektiver Betrachtung den Grundwerten und dem Zweck der Stiftung widersprechen“ nicht gestattet ist. Auf unsere Nachfrage, inwiefern dies explizit auf die Kufiya zutreffe, antworteten die Stiftungsmitarbeiter, dass die Kufyia ein „Symbol antizionistischer Militanz“ sei. Auf den Hinweis, dass dies so nicht explizit in der Hausordnung stehe, sondern offensichtlich seine persönliche politische Interpretation sei, antwortete er, dies sei „wissenschaftlich erwiesen“. Entsprechend treffe der Passus „objektive Betrachtung“ hier durchaus zu. Dieser Mitarbeiter trug später-entgegen der Hausordnung, die das Tragen von Fahnen verbietet- eine Israelfahne am Revers und präsentierte sie uns grinsend. Er drohte die Polizei einzuschalten, sollten wir das Gelände mit Kufiya betreten.
Was dann auch geschah. Kurz vorm Eingang des Lagergeländes wurden wir von Polizei und Mitarbeitern der Gedenkstätte abgepasst. Der Genossin, die die Kufiya aus Prinzip weitertrug, wurde von den Mitarbeitern ein Hausverbot ausgesprochen. Sie weigerten sich nach unserer Bitte um die schriftliche Ausstellung dieses Hausverbots rechtswidrig, ein solches zu verfassen. Wir haben jedoch darauf bestanden und letztlich war es die Polizei selbst, die eine Ausfertigung dieses Dokuments durch die Gedenkstättenleitung veranlasste.
Die schriftliche Begründung für das Hausverbot wurde uns ausgehändigt, nachdem wir etwa anderthalb Stunden unter polizeilicher Beobachtung darauf warten mussten. Während dieser Zeit wurden wir erneut polizeilich kontrolliert, die Beamten wurden laut eigener Ansage explizit angewiesen, Träger von Kufiyas rauszuziehen. In der Begründung heißt es, mit den Regelungen der Hausordnung gehe es darum, „die Widmung des Tages zu schützen“ und „zu verhindern, dass er für andere Zwecke instrumentalisiert wird“. Und: „Der heutige Jahrestag der Befreiung ist dem Gedenken an die Opfer des KZ Buchenwald gewidmet, nicht anderen gegenwärtigen Auseinandersetzungen“. Eine armselige Lüge angesichts dessen, dass in allen Reden des offiziellen Gedenkens durchaus die Relevanz in Zeiten „der neuen Bedrohung aus Russland“ und des „erstarkenden antiisraelischen Antisemitismus“ betont wurde. Es geht hier also um etwas völlig anderes: mit polizeilichen Maßnahmen sollen unliebsame politische Meinungsäußerungen vom Lagergelände verbannt werden. Und so kam es dann auch. Unsere Genossin verließ unter Polizeieskorte das Lagergelände – ihre Kufiya legte sie nicht ab.
Die Begründungen des Hausverbots sind, wenngleich leider nicht überraschend, doch absurd und gefährlich. Ein aufrichtiges Andenken der Opfer und mutigen Antifaschisten Buchenwalds verpflichtet uns gegen die Kriegspolitik und Völkermordunterstützung Deutschlands aufzubegehren. Wir haben heute viele weitere Menschen mit Kufiya gesehen, die sie nach den Drohungen der Gedenkstättenmitarbeiter abgenommen haben. Wir müssen aber verstehen: Jedes Wegducken ist nur der Anlass, im nächsten Jahr einen Schritt weiterzugehen! Möglicherweise werden sie im nächsten Jahr schon die Kufiya explizit verbieten. Entsprechend werden wir prüfen, gegen dieses Hausverbot nachträglich juristisch vorzugehen.
Der deutsche Staat instrumentalisiert seine faschistische Vergangenheit für die Unterstützung des israelischen Völkermords und seine erneute Kriegsplanung gegen Russland. Jeder, der sich gegen die Verdrehungen stellt, wird es in Zukunft mit der Repression dieses Staates zu tun bekommen. Demokratische Rechte werden jetzt schon abgebaut – der heutige Tag ist Teil dieses Prozesses. Lernen wir aus der Geschichte! Wehren wir uns dagegen!