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Teilnehmer und Bühne getrennt – Friedensdemonstration in Berlin

Gemeinsam mit vielen anderen Gruppen und Aktiven hatten wir uns für die Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin das Ziel gesetzt, Palästina sichtbar zu machen. Deutschlandweit bleibt es bislang die Ausnahme, dass sich diejenigen, die aktiv sind gegen die deutsche Aufrüstung und den Krieg der NATO gegen Russland und diejenigen, die seit über einem Jahr mit einem hohen Maß an Aktivität gegen den Völkermord in Palästina auf die Straßen gehen, miteinander verbinden. Nicht zuletzt liegt das an den Äußerungen von Vertretern der Linkspartei oder des BSW, die, wenngleich sie Waffenlieferungen an Israel ablehnen, gebetsmühlenartig die Mär vom Terror der Palästinenser wiederholen.

Unser Ziel war es bei der Demo, die von den traditionellen Kräften der Friedensbewegung organisiert wurde, die Solidarität mit Palästina lautstark hineinzuholen. Das ist gelungen! Mit unserem Transparent „NATO treibt Krieg & Völkermord! Solidarität mit Donbass & Gaza!“ schlossen wir uns einem großen und wahrnehmbaren Block der Palästina-Solidaritätsbewegung an. 

Auf der Abschlusskundgebung staunten viele Teilnehmer des Palästina-Blocks allerdings nicht schlecht über die dargebotenen Redebeiträge. Eine kleine Auswahl an Zitaten begründet wohl, warum sich viele Teilnehmer aus dem Palästina-Block das Spektakel nicht bis zuletzt anhören wollten, und wütend den Platz verließen.

Ralf Stegner (Teil der kriegsführenden SPD-Regierung!), der allen Ernstes behauptete, die SPD war und sei auch gegenwärtig Teil der Friedensbewegung: „Wir hatten einen schrecklichen Terroranschlag im letzten Jahr. […] Gerade wir Deutschen wissen, wir müssen Israels Sicherheit schützen und uns gegen Antisemitismus wenden und gegen Terrorismus. Und Antisemitismus ist auch in Deutschland nicht zu ertragen. Und man kann nicht jubeln, wenn Raketen gefeuert werden auf Israel. […] Die europäische Diplomatie hat hier versagt.“

Sahra Wagenknecht (BSW) entschloss sich, den Völkermord mit keiner Silbe zu erwähnen und stattdessen den Widerstand Palästinas zu delegitimieren: „Ja, der islamistische Terrorismus, der ist eine Gefahr. Die Massaker der Hamas, die waren abscheulich. Und wenn Menschen jubeln, wenn der Iran Raketen nach Israel schießt, dann ist das menschenverachtend, das sage ich ganz deutlich an dieser Stelle.“ Und: „Terroristen werden durch Terror nicht gestoppt und durch Krieg, sondern sie werden stärker, wenn das Blut fließt. Weil genau das schürt den Hass, den die Terroristen brauchen.“

Aber auch die Gegner des NATO-Krieges gegen Russland haben ihre Klatsche bekommen.

Wieder zunächst Ralf Stegner: „Wir haben in der Ukraine einen russischen Angriffskrieg, der jeden Tag Tod und Zerstörung bringt. […] Und die Ukraine hat ein Recht auf Selbstverteidigung. Und die deutsche Unterstützung der Ukraine ist humanitär, sie ist politisch, und sie ist auch militärisch. Dass da Luftabwehr geschickt wird, das rettet jeden Tag Leben.“ 

Wagenknecht richtete an die Adresse Putins: „Es ist für mich jeder Politiker ein Verbrecher, der einen Krieg beginnt.“  

Darüber hinaus nutzte Wagenknecht den Moment, um das Ende des Sozialismus in Europa zu bejubeln: „Wir sind ja heute hier am dritten Oktober. […] An so einem Tag möchte ich auch, dass wir noch einmal mit Dankbarkeit an Michail Gorbatschow denken, der diese Wiedervereinigung immerhin ermöglicht hat. Der damals den Umbruch in ganz Osteuropa ermöglicht hat.“ 

Peter Gauweiler (CSU) und Gesine Lötzsch (Linke) beließen es vornehmlich bei allgemeinen Appellen für Diplomatie und Abrüstung, wobei auch Gauweiler klar machte: „Jeder weiß, dass Russland nicht zu den Waffen hätte greifen dürfen.“ Während Lötzsch betonte, dass das Geld, das die Rüstungsindustrie mit Kriegen verdient, für Bildung und Umwelt besser aufgehoben wären, drängte Gauweiler auf das Einhalten des Gründungsversprechens, die Bundeswehr nur für die Verteidigung einzusetzen, und hatte lobende Worte für Franz Josef Strauß (CDU) und Helmut Kohl (CDU) im Gepäck.

Der politische schärfste Beitrag von Iris Hefets (Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost) und Nadija Samour (palästina-solidarische Anwältin) wurde ganz am Ende platziert, als viele Teilnehmer die Kundgebung bereits verlassen hatten. Wohl auch, um die prominenten Vorredner nicht allzu sehr in Verlegenheit zu bringen. Hefets brachte die instrumentelle und sinnentleerte Verwendung des Antisemitismus-Vorwurfs auf den Punkt: „Die Solidarität mit dem um sich bombenden Israel ermöglicht es Deutschen mit Nazihintergrund, Nachfahren von Holocaust-Überlebenden als Antisemiten zu diffamieren, wenn sie Israels Besatzungsregime als Apartheid und Israels Kriegsverbrechen als Genozid benennen.“ Samour betonte unter anderem, wie Demokratieabbau, rassistische Migrationspolitik und imperiale Interessen Hand in Hand gehen: „Innen- und Außenpolitische Interessen verschmelzen beim Thema Palästina, weil man jede Saite rassistischer und imperialistischer Politik nach Belieben spielen kann.“

Mit der Absicht über die Auswahl prominenter Redner eine breite Beteiligung und viel Öffentlichkeit herzustellen, wurde die Vernebelung der Hintergründe der Kriege in der Ukraine und in Palästina erkauft und die NATO als Aggressor aus der Schusslinie genommen. Stegner und Gauweiler, aber ebenso auch Lötzsch fungieren als Feigenblätter von Parteien, die die Kriegspolitik der NATO und Israels befeuern oder decken. Dass die Palästinenser einen gerechten Kampf um Befreiung führen und dass Russland auf die Aggression der NATO reagiert, wurde von den herrschenden Narrativen des „Terrors“ und des „Angriffskrieges“ verwässert und verdreht. Was bleibt ist die vage Forderung nach mehr Diplomatie in der Ukraine und in Palästina und die Ablehnung der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen. Das ist angesichts des aggressiven Dauerbeschusses der Kriegstreiber natürlich schon etwas. Aber das Kalkül einer politisch möglichst breiten Friedensbewegung ist ein Trugschluss, wenn dabei der Gegner aus der Schusslinie gerät. Tatsächlich wird die Friedensbewegung gespalten, indem solche Positionen und Kräfte integriert werden. Am 3. Oktober zeigte sich das am frustrierten Verlassen einiger Teile des Palästina-Blocks ganz konkret. Eine Stärkung der Antikriegsbewegung ist mit Brücken zu herrschenden Narrativen der NATO-Kriegstreiber nicht zu erreichen. Kein kleiner Teil der rund 40.000 Teilnehmer hat mit Pfiffen und Buhrufen gezeigt, dass sie den Wolf im Schafspelz erkennen.

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