Heute ist internationaler Frauenkampftag. Ein Tag, der für den internationalen Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen steht, die besonders von Unterdrückung, Krieg und Ausbeutung steht. Ein Tag, den wir eigentlich jeden Tag begehen müssten und der weit in die Geschichte der Arbeiterbewegung zurückreicht: In Deutschland fand der Frauenkampftag erstmals 1911 statt, die Idee ging von sozialistischen Frauen aus. Die Forderung nach Brot und Rosen stellten amerikanische Textilarbeiterinnen auf – sie wollten sowohl materielle Teilhabe als auch Teilhabe an anderen Bereichen des Lebens, wie der Politik. Mit den Streiks der Frauen im russischen Petrograd 1917, die für Brot und Frieden streikten, wurde das Datum des internationalen Frauentags auf den 8. März gelegt.
Diese Wurzeln rücken in heutigen Diskussionen um den Kampf um die Rechte der Frau oft in den Hintergrund. Längst wurden die Kämpfe um die Befreiung der Frau kapitalistisch integriert. Sei es durch Modeketten, die T-Shirts mit „feministischen Slogans“ produzieren, durch bürgerliche Parteien oder durch Annalena Baerbocks „feministische Außenpolitik“, mit der sie versucht imperialistische Kriege gegen die Unterdrückten dieser Welt als fortschrittlich darzustellen. Oft geht es heute um Sprach- und Identitätspolitik, seltener um die materiellen Wurzeln der Unterdrückung der Frauen – durch mörderische Sanktionen und Kriege oder durch Gewalttaten und Armut. In Deutschland wird jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/ oder sexualisierter Gewalt und jede fünfte Frau ist von Altersarmut betroffen.
Frauenkampftag heißt Kampf gegen die Unterdrückung und Ausbeutung aller Unterdrückten Hand in Hand. Dieser Kampf kann nicht ohne die unterdrückten Frauen gewonnen werden. Frauenkampftag heißt aber auch Erinnern an unser Vorkämpfer, ihre Geschichten und Erfahrungen. Eine dieser Vorkämpferinnen ist Grete Groh-Kummerlöw, die Zeit ihres Lebens für die Befreiung der Menschen von den imperialistischen Fesseln kämpfte.
Zwei Genossinnen arbeiteten in den letzten Jahren an ihrer Biographie, die bald veröffentlicht wird. Heute wollen wir anlässlich des diesjährigen Frauenkampftages einen kurzen Ausschnitt daraus vorab veröffentlichen. Wir haben dazu die Einleitung sowie Ausschnitte aus einer Rede Gretes zum Frauenkampftag 1958 ausgewählt. Sie spricht darin viele Themen an, die auch heute noch aktuell sind: die notwendige Verbindung des Frauenkampfes mit antikolonialen Kämpfen, mit dem Kampf gegen einen dritten Weltkrieg und mit dem Kampf für den Sozialismus – in Gretes Fall, die in der DDR lebte und arbeitete, hieß das die Aufrechterhaltung und Ausweitung dessen.
Grete Groh-Kummerlöw
Sieben Jahrzehnte – Der Weg einer Kämpferin (1909 – 1980)
von Anna Martel und Ella Kallenberg
Die ursprüngliche Idee zur Beschäftigung mit dem Leben von Margarete Groh-Kummerlöw (genannt Grete) entstand aufgrund einer Ausschreibung des Weltgewerkschaftsbundes. Dieser rief dazu auf, sich mit Persönlichkeiten der internationalen Gewerkschaftsbewegung auseinanderzusetzen. Im Rahmen unserer Recherche fokussierten wir uns auf weibliche Gewerkschafterinnen, da deren Geschichten allzu oft unerzählt bleiben – und so stießen wir auf Grete Groh-Kummerlöw. Ihr Lebensweg beeindruckte uns sofort, da er durch die zentralen Kapitel der deutschen Arbeiterklasse im 20. Jahrhundert führt. Sich mit ihrer Geschichte zu befassen bedeutet, sich mit der revolutionären Geschichte der deutschen Arbeiterklasse zu befassen. Grete Groh-Kummerlöws Lebensweg beginnt fünf Jahre vor dem ersten Weltkrieg. Sie wuchs in einer Arbeiterfamilie auf und erlebte unmittelbar die Schrecken des Krieges und die großen Nöte der Bevölkerung, die unter Armut und Hunger litt.
Grete war aber auch Teil des wachsenden Selbstbewusstseins der Arbeiterinnen und Arbeiter, erlebte das Erstarken der Gewerkschaften und den Aufbau der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Im Faschismus zögerte sie nicht, in den aktiven Widerstand zu gehen, und erfuhr hautnah die Befreiung durch die Rote Armee. Unmittelbar nach ihrer Befreiung aus dem Gefängnis und der Niederlage des deutschen Faschismus beteiligte sie sich an dem Wiederaufbau innerhalb der sowjetischen Zone und den Diskussionen darum. Für sie, die bereits zwei Weltkriege miterlebt hatte, stand fest: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Doch die Aufbauarbeit in der DDR war keinesfalls leicht oder ohne Widersprüche. Im Gegenteil war es trotz der Erfahrung des Faschismus schwierig, die Organisationen der Arbeiterklasse zu einen, die Frauen zu aktivieren und gemeinsam eine neue Gesellschaft aufzubauen. Gretes Biographie lehrt uns somit auch viel über die kleinteilige und geduldige Arbeit an der Basis, die für den Aufbau schlagkräftiger Organisationen damals wie heute relevant ist.
Die Gewerkschaftsarbeit blieb für Grete ihr ganzes Leben lang zentral, sowie die Aktivierung von Frauen für die Kämpfe ihrer Klasse. Grete spielte nicht nur im Aufbau der DDR, sondern auch international eine wichtige Rolle, so wurde sie beispielsweise 1953 in das höchste leitende Gremium des Weltgewerkschaftsbundes gewählt. Gretes Biografie gibt einen wichtigen Einblick in die Brutalität des Imperialismus und Faschismus, sowie in die Versuche der Arbeiter sich dagegen zu organisieren – bis hin zur Schaffung der höchsten Form der Organisierung gegen Faschismus und Imperialismus – der Schaffung eines sozialistischen Staates.
Dass Gretes Biographie trotz ihrer entschiedenen Rolle in der deutschen Gewerkschaftsbewegung weitgehend unbekannt ist, ist Ausdruck dessen, wie schlecht diese Geschichte aufgearbeitet ist und wie wenig Bezug in heutigen politischen Bewegungen darauf genommen wird. Wir leben in einer Zeit, in der Organisationen wie der Weltgewerkschaftsbund in Deutschland irrelevant und vergessen sind und die Gewerkschaften immer weniger Organe der aktiven Kämpfe gegen den Imperialismus sind, sich stattdessen mindestens von Führungsebene aus immer mehr mit ihm gemein machen. Zu verstehen, wieso es zu diesen Entwicklungen gekommen ist und um die Organisierung in Deutschland gegen Armut, Ausbeutung, Aufrüstung und Kriege wieder zu stärken, ist es notwendig, sich mit den historischen Erfahrungen, Problemen und Widersprüchen dieser Kämpfe auseinanderzusetzen. Gretes Biographie bietet einen ersten Einstieg dafür. Sie ermöglicht gleichzeitig den inspirierenden Lebensweg einer beeindruckenden Kommunistin kennenzulernen, die ihr Leben der Verbesserung der Lage der arbeitenden Bevölkerung, besonders der Arbeiterfrauen, widmete, sowie dem Kampf gegen den Faschismus und dem Aufbau des ersten Arbeiterstaats auf deutschem Boden.
[…]Grete hielt 1958 eine Rede zum Internationalen Frauenkampftag. Sie betonte darin den Kampf gegen Unterdrückung und Krieg – gemeinsam von Frauen und Männern, internationalistisch und über die Grenzen hinweg. Diese Rede hat nicht an Aktualität verloren:
„Wir begehen den internationalen Frauentag als Kampf- und Ehrentag der Frauen der ganzen Welt. Er steht im Zeichen des verstärkten Kampfes aller friedliebenden Menschen, aber besonders der Frauen, um die Erhaltung des Friedens.
Djamila, eine algerische Patriotin (22 Jahre) zum Tode verurteilt! Warum? Sie kämpfte: gegen den Kolonialismus und die blutige Unterdrückung des Volkes durch die französischen Imperialisten. Weil sie ihr Vaterland, die Freiheit und das Leben liebt. Mit 21 Jahren trat Djamila der Nationalen Befreiungsfront bei und wurde bald Kurier beim Stab der Befreiungsfront. Sie führte unerschrocken die schwierigsten Aufträge aus. Am 9. April 1957 wurde Djamila während einer Razzia im Araberviertel in Algerien von der Salwe einer Maschinenpistole getroffen, schwer verwundet brach Djamila zusammen.
Es begann ein schwerer Leidensweg durch die Gefangenschaft. Verhöre wurden durchgeführt, man folterte sie mit Strom, bis sie ohnmächtig zusammenbrach, man schlug sie, aber Djamila schwieg. Als sie am 26. April vom französischen Militärgericht zum Tode verurteilt wurde, rief sie ihren Henkern zu: „Mein Volk lebt und wird leben!“
Und ich weiß, daß das französische Volk und alle freiheitsliebenden Völker an seiner Seite stehen. Nun, liebe Frauen und Mädchen, daß ist in den letzten Tagen beweisen worden durch die große Internationale Solidarität aller friedliebenden Menschen und Persönlichkeiten der verschiedensten Länder, die die Aufhebung des Todesurteils forderten. Allein in Berlin sind über 5.000 Telegramme an den französischen Präsidenten geschickt worden. Hier wird durch unsere FDJ eine große Bewegung ausgelöst, weil Djamila ein [sic] junge leidenschaftliche Patriotin ist.
Ich erinnere an die Zeit des faschistischen Terrorregimes in Deutschland 1933 bis 1945. Auch hier haben wir mutige Frauen und Mädels in der antifaschistischen Widerstandsbewegung gehabt. Solche Frauen, wie Katja Neukirchner, Geschwister Scholl, auch meine Schwester ist ein Opfer des Faschismus im Plauener Gefängnis geworden, während ich meine Freiheit Dank der Sowjetarmee wieder erlangen konnte aus den Klauen der Faschisten.
In der DDR begehen wir den 8. März mit einer großen Volksinitiative für Frieden und Sozialismus. Ziel dabei: Unsere Republik weiter zu entwickeln und unsere Arbeiter-und-Bauern-Macht weiter zu festigen, mit guten Taten für unsere gemeinsame sozialistische Sache und damit für eine glückliche Zukunft unserer Kinder. Um diese glückliche Zukunft der Kinder zu sichern, erfordert es, einen neuen dritten Weltkrieg, der mit Atom- und Vernichtungswaffen geführt werden soll, zu verhindern. Das muß jeden [sic] zur persönlichen Verpflichtung werden, diesen Kampf so zu führen, als hängt es von seinem Tun und Handeln allein ab. Wir sind in der Lage, die Anschläge auf den Frieden zu verhindern, denn die Friedensbewegung ist ständig im Wachsen, sie hat sich stark erweitert und durch Taten gefestigt. Allein die Tatsache des Vorhandenseins des sozialistischen Lagers – 1/3 der Welt – 990 Millionen Menschen zeigt das Wachsen dieses großen sozialistischen Lagers.
Diese Kraft mit der Weltfriedensbewegung und der Sowjetunion an der Spitze mit ihrer konsequenten Friedenspolitik ist im Stande, die Aggressoren zurückzuschlagen. Die Sowjetunion beweist durch ihre Vorschläge immer auf’ s neue ihre ehrliche Friedenspolitik. Der Vorschlag einer Gipfelkonferenz der 4 Großmächte wurde von der USA abgelehnt. Dulles zeigt, daß er keinen Frieden will, indem er erneut die Vorschläge der Sowjetunion ablehnte, obwohl die Sowjetunion jetzt bereit war, auch eine Außenministerkonferenz einzuberufen, um damit aber dann die Gipfelkonferenz durchführen zu können. Das lehnte Dulles ab und Adenauer und Strauß gehörten mit in dieses Lager imperialistischen Kräfte, die weiterhin bestrebt sind, ihren Atomkrieg vorzubereiten.
Der Vorschlag Rabatzki, Außenminister Polen, eine atomwaffenfreie Zone in Europa zu schaffen, hat eine große Bewegung, international gesehen, ausgelöst. Aber auch in Westdeutschland stimmten immer weitere Schichten diesen Vorschlägen zu und befürworten einen solche atomwaffenfreie Zone. Auch in Parteikreisen des Bonner Kanzlers wird die Forderung laut nach Verhandlungen mit der Regierung der DDR. Die Menschen werden aufgerüttelt, da sie interessiert sind an einem atomwaffenfreien und Raketenabschußbasenfreien Raum, denn sie wollen leben und nicht in einem neuen Krieg zugrunde gehen. In Westdeutschland erleben die Menschen selbst, daß die Bundeswehr atomar aufgerüstet wird, daß amerikanische Raketenabschußbasen auf dem gebiert der Bundesrepublik geschaffen werden. Durch diese Tatsachen wenden sich die Menschen dem gemeinsamen Handeln zu und stellen das, was sie trennt, zurück.
Beweis dafür: Die 21 Hamburger Frauenorganisationen, die von der Bonner Regierung verlangten: alle Pläne zu fördern, die die Bundesrepublik zum atomwaffenfreien Raum machen. Oder: Wie jene 80 Frauen Westdeutschlands, die in der letzten Tagung des Deutschen Frauenrates am 22. Und 23.8.58 in Berlin gemeinsam mit den Vertreterinnen der DDR den Vorschlag unseres Ministerpräsidenten Otto Grotewohls auf Durchführung einer Volksabstimmung in beiden deutschen Staaten über diese lebenswichtigen Fragen zustimmten – ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu den verschiedensten Organisationen. Er gibt die Möglichkeit, Kriege zu verhindern und den Frieden zu erhalten. Das muß den Frauen und Müttern für ihren Kampf neue Impulse geben. […]
Ich möchte schließen mit den Worten von Bertholt Brecht.
Ihr Mütter, da es Euch anheim gegeben,
Den Krieg zu dulden oder nicht zu dulden,
Ich bitt Euch, lasset Eure Kinder leben!
Daß sie Euch die Geburt und nicht den Tod dann schulden:
Ihr Mütter, lasset Eure Kinder leben!“1
aus: Martel, Kallenberg (2025): Grete Groh-Kummerlöw -1909 – 1980. Sieben Jahrzehnte – Der Weg einer Kämpferin. Vorabveröffentlichung.
1 aus dem Nachlass´ Grete Groh-Kummerlöws, mit Genehmigung von F. Kummerlöw