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Bündnis Sahra Wagenknecht – Einpeitscher der Zeitenwende? 

Diskussionsbeitrag von Dee zum Artikel des Genossen Kiknadze vom 18. Januar 2024

Vieles ist korrekt bei Kiknadze, aber nicht alles: Das BSW betreibt als bürgerliche Partei eine Politik, die sich den aktuellen Kriegsprojekten des Imperialismus, z. T. halbherzig und inkonsequent, aber immerhin in zentralen Punkten entgegenstellt (keine Bombardierung des Jemen, Waffenstillstand in Gaza, Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und des Wirtschaftskrieges gegen Russland) und sozialdemokratisch die Interessen der Lohnabhängigen und Teilen des Kleinbürgertums verteidigt („gegen den sozialen Krieg“), alles ohne in seinen öffentlichen Erklärungen den Imperialismus als solchen zu bezeichnen und anzugreifen, mit der Perspektive Sozialismus über ihn hinauszuweisen und in den aktuellen kriegerischen Konflikten Partei für den gerechten antikolonialen, bzw. antiimperialistischen Widerstand in Palästina, Ukraine usw. zu ergreifen. 

Dennoch reicht schon diese bürgerliche Oppositionspolitik aus, dass das BSW in den bürgerlichen Medien einerseits wütend als „Stalinismus ohne Stalin“ mit fließenden Übergängen zur AfD (siehe z. B. ND Jan Schlemermayer, 22.01.24)1Jan Schlemermayer, „Linke ohne Wagenknecht: Gegen den Autoritarismus von links“ ND 22.01.24 angegriffen, andererseits auch von vielen aus der PdL kommenden Aktivisten als möglicher Motor für einen Aufschwung der Klassenkämpfe angesehen wird, die letztlich den kommunistischen Organisationen nützlich sein und bessere Bedingungen für ihre Agitation schaffen wird. Falsch ist der Vorwurf des Genossen Kiknadze, das BSW spalte die Friedensbewegung, indem es dem antiimperialistischen Widerstand (z. B. der Hamas) seine Legitimität abspreche (1.), Teil der Repression gegen den antiimperialistischen Widerstand (2.) und sogar Miteinpeitscher der Zeitenwende sei (3.) 

1. Der bewaffnete palästinensische (und libanesische und jemenitische) Widerstand führt einen gerechten Kampf, der besonders von den beiden BSW-Führerinnen mit ihrer Wiederholung der NATO-Propaganda von brutalen Hamas Massakern auf hässliche Weise „delegitimiert“ wird. Das ist leider richtig und übrigens von BSW-Unterstützern hier in Berlin, die z. T. frühzeitig aktiv an der Palästina Solidarität beteiligt waren als falsch, unnötig oder überzogen kritisiert worden. Von den meisten BSW-Aktivisten in Berlin wird dieses Anti-Hamas (Lippen-) Bekenntnis als notwendiger Bestandteil des bürgerlichen Partei-Konzeptes verteidigt. Als Kommunisten wissen wir, dass eine solche „antiimperialistische“ Politik nur gegen einzelne Kriegsprojekte nie zum Ziel führen kann, da der imperialistische Staat Krieg und Faschismus in sich trägt, wie die Wolke das Gewitter. Auf den imperialistischen Krieg folgt der imperialistische Frieden, folgt der imperialistische Krieg, folgt der imperialistische Frieden usw. usw. Dennoch ist eine inkonsequente Friedenspolitik, die aus Irrtum oder aus taktischen Erwägungen Teile der imperialistischen Propaganda übernimmt, jedoch die aktuellen zentralen Kriegsziele des Imperialismus zu behindern und dafür die Massen zu mobilisieren versucht, keine Spaltung der Friedensbewegung. Mir ist nicht bekannt, dass von Seiten des BSW Teile der Friedensbewegung, die wie wir für die militärische Niederlage der NATO oder Israels eintreten, ausgeschlossen, ausgegrenzt oder diffamiert wurden. Das BSW hält es nicht nur aus, mit kommunistischen und antiimperialistischen Organisationen in gemeinsamen Veranstaltungen und Demonstrationen zusammen zu agieren. Mehr noch: die BSW-Aktivisten suchen die Zusammenarbeit z. B. durch Teilnahme an RLK und KO-Kommunismus-Kongress oder in lokalen Bündnissen (HBF), Charlottenburger BO „Unsere Straße“. Das Wort von der Spaltung ist an den Haaren herbeigezogen. Eine falsche bürgerlich-pazifistische Position zum imperialistischen Krieg ist noch keine Spaltung der Friedensbewegung, genauso wenig wie es z. B. ein religiös motivierter Pazifist ist, der jeglichen Kriegsdienst ablehnt. Ob die Anti-Hamas/Existenzrecht Israel/russischer Angriffskrieg-Positionen innerhalb des BSW eventuell nur aus taktischen Erwägungen vorgetäuscht werden, wie dies in bürgerlichen Zeitungen teilweise gemutmaßt wird, wird sich zeigen und kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. 

Ich kenne jedenfalls in Berlin bisher keinen BSW-Aktivisten, der diese Erklärungen von Sarah Wagenknecht und Sevim Dagdelen (SW/SD) nicht unter vier Augen als taktisches Lippenbekenntnis bezeichnet. Ganz richtig stellt der Genosse Kiknadze fest, dass das BSW (wie alle anderen bürgerlichen Kriegsgegner) die „entscheidende Gretchenfrage“ nach der Legitimität der politischen Aktion gegen den Imperialismus in dessen Sinne (mit dem Gruss des Gesslerhutes) beantwortet. Aber das BSW stellt diese Frage nicht an die Bündnispartner in der Friedensbewegung. Das ist jedoch der Unterschied, der darüber entscheidet, ob der Spaltungsvorwurf berechtigt ist oder nicht. 

Die Antwort auf die „entscheidende Gretchenfrage“ ist vom BSW bisher weder von mir, noch der KO, noch der DKP verlangt und auch nicht zur Vorbedingung für gemeinsame Aktionen gemacht worden. Im Gegenteil: Im Bündnis HBF, in der BO „Unsere Strasse“ funktioniert die Zusammenarbeit mit dem BSW, bzw. Wagenknecht-Unterstützern gut, Demo-Ausschlüsse gibt es nicht. Die berechtigte Kritik von KO und DKP am bürgerlichen Pazifismus wird von den einzelnen BSW-Aktivisten in einem Spiel mit verteilten Rollen in der Debatte hinter geschlossenen Türen geteilt, gefördert, aber aus taktischen Erwägungen nicht in die öffentlichen Erklärungen übernommen. Wie es im Einzelfall auch sei,das Gerede von einer Spaltung ist jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt auch deshalb ein Phantasieprodukt, weil es eine Friedensbewegung imaginiert, die ohne das BSW den Narrativen der herrschenden Klasse (russischer Angriffskrieg, Hamas-Terrorismus) nicht oder weniger auf den Leim gehen würde. Eine solche Friedensbewegung gibt es nicht. Diese Narrative sind zur Zeit mit oder ohne das BSW vorherrschend. Wir Kommunisten operieren aus marginalisierten Zirkeln heraus und sind in der öffentlichen Debatte kaum wahrnehmbar. Die Arbeit des BSW ist keine Konkurrenz, bürgerliche Opposition gegen die aktuellen Kriege, auch wenn sie über weite Strecken die „Gretchenfrage“ im Sinne des Imperialismus beantwortet, verbessert dennoch die Bedingungen für die kommunistische Agitation. Wenn z. B. das BSW die Frage aufwirft, ob die Kriegspolitik der Ampel „unserer Wirtschaft“ dient und im nationalen Interesse (also im Interesse des deutschen Imperialismus) liegt, dann ist immerhin eine Debatte eröffnet, die wegführt von dem unsäglichen Bla-Bla der regelbasierter Werteordnung des Westens hin zur Frage der teilweise widersprüchlichen Interessen der imperialistischen Konkurrenten. Da müssen wir ansetzen. 

2. Neben den zu Recht kritisierten Worten Dagdelens (nicht „kürzlich“ , sondern am 09.11.23) von Hamas-Unterstützung als „Fall für den Staatsanwalt“ stehen andere Äußerungen, die sich gegen die staatlichen Repressionen und Angriffe auf die Versammlungsfreit richteten. Unabhängig davon hat das BSW keine einzige konkrete staatliche Repressionsmaßnahme begrüßt oder gar selbst veranlasst. Das BSW kann schon deshalb nicht als Teil der staatlichen Repression bezeichnet werden. Der schrille SW-Satz vom verwirkten Gastrecht ist im Zusammenhang mit der Debatte um die Kölner Silvesternacht gefallen. Die Nutzung des Aufenthaltsrechtes als politisches Repressionsmittel gegen die Palästina-Solidarität ist vom BSW an keiner Stelle gefordert oder auch nur unterstützt worden. Dass das BSW „klar konsequente Repressionen gegen Menschen fördern würde, die sich gegen den Genozid in Gaza aufstellen“ ist schludrig formuliert, in der Sache falsch und hat das Potential, dem teilweise hohen Ansehen der KO bei unseren Sympathisanten in und um das BSW erheblich zu schaden. Dass SW „rassistische Hetze gegen Palästinenser“ betreibe und Nastic auf der RLK für die repressive Anwendung des Aufenthaltsrechtes nicht nur ausschließlich (und richtigerweise) gegen türkische Faschisten, sondern auch gegen die Palästina Solidarität argumentiert hätte, wird nicht belegt, ist nicht plausibel und wird den meisten Lesern unverständlich bleiben. Das kann uns auf die Füße fallen. Die Kritik der KO an der unzureichenden, inkonsequenten und bereits damals überwiegend „delegitimierenden“ bürgerlichen Friedensbewegung, speziell an SW, nach der Schwarzer/Wagenknecht-Demo war da viel sorgfältiger. 

3. Die mit der Scholz Rede vom 27.02.2022 unter dem Slogan „Zeitenwende“ eingeleitete Kraftanstrengung zur massiven Aufrüstung und ökonomischen Resilienz, von Pistorius später treffend auf Herstellung der „Kriegstüchtigkeit“ zusammengefasst, beinhaltet an erster Stelle die vom Genossen Kiknadze im Einzelnen genannten Gesetzes- und Militärvorhaben. Der Widerstand gegen diese Umsetzung der Zeitenwende ist ein Herzstück der BSW-Politik und für viele Aktivisten der maßgebliche Eintrittsgrund. In diesem Zusammenhang ist vom BSW, bzw SD/SW wiederholt immerhin klargestellt worden, dass die NATO „kein Verteidigungsbündnis, sondern ein Kriegsführungsbündnis ist, dass auf Expansion zielt und Völkerrecht wie Menschenrechte mit Füßen tritt“ und dem allein in den letzten 20 Jahren 4,5 Millionen Tote vorzuhalten sind, so z. B. Sevim Dagdelen in der Bundestagsrede (Rede SD vom 12.07.2023)2Sevim Dagdelen, Bundestagsrede 12.07.23 zum Vilnius-Gipfel 07.23 https://x.com/SevimDagdelen/status/1679075112920707073?s=20. Dass der Genosse Kiknadze dennoch das BSW als „Miteinpeitscher der Zeitenwende“ angreift, könnte viele KO-Sympathisanten verprellen und ratlos zurücklassen. 

4. Lenin „Der linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit des Kommunismus, Kap. VIII. Keinerlei Kompromisse? 
Krieg führen zum Sturz der internationalen Bourgeosie, einen Krieg der hundertmal schwieriger, langwieriger, komplizierter ist als der hartnäckige der gewöhnlichen Kriege zwischen Staaten, und dabei im Voraus auf das Lavieren, auf die Ausnutzung von (wenn auch zeitweiligen) Interessengegensätzen zwischen den Feinden, auf Übereinkommen und Kompromisse mit möglichen (wenn auch zeitweiligen, unbeständigen, schwankenden, bedingten) Verbündeten verzichten – ist das nicht über alle Maßen lächerlich?“
Weiterlesen bei Lenin! Rot Front! 


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