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Für den Aufbau einer Anti-NATO-Friedensbewegung in Deutschland!

Am 25. Februar 2023 wurde für das ganze Land ersichtlich, dass es noch Widerspruch zur Regierungslinie und zur allgegenwärtigen Propaganda rund um den Ukraine-Krieg gibt. Aufgerufen von Sahra Wagenknecht (Die Linke) und weiteren Personen gingen an diesem Tag in Berlin und anderen Städten Zehntausende auf die Straße, um gegen Aufrüstung und Waffenlieferungen und für eine schnelle Beendigung des Ukraine-Kriegs zu demonstrieren. Die Hetze gegen diese Proteste verschärfte sich – alles wurde in Gang gesetzt, damit die Kriegsstimmung im Land Oberwasser behält. 

Etwas mehr als einen Monat später finden nun bundesweit die Ostermärsche statt, wo wir wieder gemeinsam gegen den Kriegskurs des Westens protestieren. Wie am 25.2. wird die Bewegung von Hass aus dem konservativen bis „linken“ Bürgertum begleitet. Intern ist sie nicht frei von Widersprüchen und Unklarheiten. Währenddessen gewinnen auch der Kampf und die Provokationen des Westens gegen den anderen großen Feind, gegen China, immer mehr an Schärfe. Wie reagieren wir als Friedensbewegung auf den ungebremsten Kriegskurs und die Propaganda des Westens? Wie stärken wir die Friedensbewegung? Wie ist die Bewegung aktuell aufgestellt?

Die Zugpferde Wagenknecht-Schwarzer

Die aktuelle Friedensbewegung ist geprägt durch prominente Einzelpersonen wie Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer. Diese Personen drücken mit ihrer Ablehnung des herrschenden Regierungskurses im Ukraine-Krieg das aus, was ein großer Teil der Bevölkerung zum Krieg in der Ukraine denkt. Sie zeigten im letzten Jahr medienwirksam, wie man sich gegen die herrschende Propaganda und Verleumdungen wehrt. Mit den Kundgebungen boten sie dann eine Möglichkeit an, sich zu wehren. Nach einem vollen Jahr Kriegspropaganda auf allen Kanälen setzten die Kundgebungen am 25.2.2023 einen Kontrapunkt: das Verlängern des Blutbades durch westliche Waffenlieferungen und die Verhinderung von Verhandlungen durch die NATO-Staaten sowie ihre Aggression gegen Russland und den Donbass blieben nicht weiter unwidersprochen. 

Die Inhalte des „Manifest für Frieden“ und der auf der Kundgebung in Berlin zeigten gravierende Schwächen in der Opposition gegen die Regierungslinie. Es ist zudem ein Problem, dass dieser Aufschwung der Friedensbewegung vorrangig auf Einzelpersonen zur Mobilisierung angewiesen ist. Die Mobilisierungen haben einen starken, einmaligen Event-Charakter – nur wenige organisieren sich dauerhaft. Es wird kaum ein konkretes Angebot gemacht, wo man sich einbringen kann. So wird viel an möglicher Schlagkraft der unzufriedenen Bevölkerungsteile gegen die herrschende Politik verschenkt. Es ist außerdem unklar, wohin vor allem Wagenknecht die mobilisierten Massen führen will. Ihre Abkehr von der Linkspartei ist wohl besiegelt, vermutlich strebt sie die Gründung eines neuen sozialdemokratischen Projekts an. Ähnlich wie bei ihrem Projekt „Aufstehen” darf daran gezweifelt werden, dass Wagenknecht hiermit einen wirklichen Bruch mit der herrschenden Innen- und Außenpolitik Deutschlands anstrebt. Reden auf der Kundgebung in Berlin zeigten gravierende Schwächen: So wird im Manifest beschrieben, wie die Aggression in Osteuropa angeblich vor allem von Russland ausgehe; Frieden müsse geschlossen werden, weil Russland militärisch nicht zu besiegen sei. Die Aggression der westlichen Staaten wird nicht als Ursache der Eskalation beschrieben.

Solidarische Kritiken an der Perspektive der Proteste waren vor und nach der Kundgebung in Berlin aber natürlich nicht öffentlich wahrnehmbar, sondern ausschließlich Verleumdungen von NATO-Apologeten verschiedener Couleur: Die bürgerliche Aggression gegen Wagenknecht als niederträchtige Saboteurin eines gerechten Kriegs für Freiheit und Demokratie kannte in den letzten Wochen keine Grenzen mehr. Zentral ist in diesem Zusammenhang der Vorwurf der Querfront oder Rechtsoffenheit an die Friedensbewegung. Nicht nur die Regierungsparteien und die deutschen Mainstream-Medien warfen auf diese Weise Schmutz auf alle, die sich trauten, ihre Stimme zu erheben. Auch zahllose Linke fühlten sich berufen, die Friedensbewegung dafür zu geißeln, dass viele Organisatoren und politische Gruppierungen nicht in vorauseilendem Gehorsam Teilnahmeverbote erteilten. Der Querfront-Vorwurf ist spätestens seit den Montagsmahnwachen und Protesten zum „Friedenswinter“ 2014 eines der beliebtesten Kampfmittel, um aktiven Widerstand der einfachen Bevölkerung in Deutschland einzuschüchtern und die Bewegung zu spalten. Wagenknecht griff zurecht die Heuchelei der „Linken“, Grünen, Liberalen und Konservativen an, die der Friedensbewegung Moralpredigten über die fehlende Abgrenzung nach rechts halten, während sie gleichzeitig Militaristen und ukrainische Faschisten hofieren. 

Die Zähmung der Friedensbewegung in den letzten 30 Jahren

Die Schwäche der Friedensbewegung ist Teil einer längeren Entwicklung und hängt zentral mit der Niederlage des Sozialismus und der einhergehenden Desorganisierung großer Teile der kommunistischen, sozialistischen und linken Kräfte zusammen. Der Wegfall der Sowjetunion ermöglichte es der NATO unter Vorherrschaft der USA ohne größeren Widerstand weltweit ihre Gewaltherrschaft durchzusetzen. Auch die DKP verlor durch die Konterrevolution viel von ihrer Kraft als wichtigem Orientierungspunkt in der Friedensbewegung.

Die Friedensbewegung positionierte sich in der Kriegsfrage immer öfter uneindeutig gegenüber den Kriegstreibern des Westens. Stück für Stück liefen zentrale Figuren und Gruppierungen der alten Friedensbewegung in das NATO-Lager über und machten sich zu Vollstreckern und Vordenkern der Kriege des Westens gegen Irak, Jugoslawien, Palästina, Afghanistan, Libyen, Syrien und dann ab 2014 in der Ukraine. Mit jedem Krieg erfuhren die Herrschenden für Raub und Zerstörung im Namen der Menschenrechte mehr Zuspruch im „linken“ Lager in Deutschland. Zunächst waren es die Grünen, die zusammen mit der SPD die neue Speerspitze des deutschen Imperialismus bildeten, dann auch immer größere Teile der „radikalen Linken“ und der ehemaligen PDS bzw. heutigen Linkspartei. Die Gewerkschaften folgten diesen Kräften. Auch die globalisierungs- und bankenkritische Bewegung (mit Organisationen wie z. B. attac oder Occupy), die eine oppositionelle Haltung zur Politik des Westens weltweit entwickelte, vermochte die Lücke nicht zu schließen und bewegt sich heute in Teilen in die gleiche Richtung. Die letzten großen Mobilisierungserfolge feierte die Friedensbewegung in Deutschland in den Protesten gegen den Irak-Krieg 2003. Möglicherweise gelang dies auch, weil sich die deutsche Regierung nur begrenzt daran beteiligte und es so indirekt für vertretbar erklärte, in bestimmtem Maße gegen diesen Krieg der anderen wichtigsten NATO-Staaten zu sein. Die Friedensbewegung traf hier also nicht im gleichen Maße auf den entschiedenen Widerstand der deutschen Propagandamaschinerie, wie es heute der Fall ist. Die Erfolge der Friedensbewegung um das Jahr 2003 stellen rückblickend leider keinen Wendepunkt in der Kriegsmobilisierung dar, die mit dem Jugoslawien-Krieg wieder richtig begonnen hatte. 2014 und schließlich 2022 zeigte der deutsche Imperialismus in der Ukraine, wie erfolgreich und ohne Widerstand er seine Heimatquerfront von rechts bis „links“ mobilisieren kann. 

Trotzdem blieb in der deutschen Bevölkerung eine große Ablehnung von Kriegen und Aufrüstung des Westens bestehen, die auch immer wieder ihren Weg auf die Straße fand. Diese oppositionellen Bevölkerungsteile wurden aber gerade in den letzten 10 Jahren zunehmend nicht mehr durch die früheren Kräfte der Friedensbewegung mobilisiert und orientiert, sondern durch prominente Einzelpersonen und neugegründete Strukturen ohne Anbindung an Parteien und größere Organisationen. Die Opposition gegen den Kriegskurs der NATO wurde in den letzten 30 Jahren Stück für Stück schwächer, wodurch ein politisches Vakuum in der Friedensbewegung in Deutschland entstand, das von neuen Kräften gefüllt werden konnte. Zuletzt spielten Strukturen der Corona-Proteste eine Rolle, die zu den jüngsten Antikriegsprotesten mitunter mehr Leute mobilisieren konnten als die Kommunisten und Linken.2

Die Ostermärsche 2023

Dass es Leute wie Wagenknecht und Schwarzer braucht, um das vorhandene Potential an Anti-Kriegsstimmung im Land auf die Straße zu bringen, zeigt, dass es aktuell keine andere Organisation gibt, die für das Anti-NATO-Spektrum in der Bevölkerung dauerhaft erkennbar wäre und eine Führungsfunktion in den Protesten übernehmen könnte. Die Massen, die in Berlin und anderen Städten Ende Februar auf der Straße waren, wurden weniger durch die Organisationen, wie DFG-VK, VVN, DKP, lokale Friedensforen etc. mobilisiert, als vielmehr durch die neu auftretenden prominenten Köpfe. Die Friedensbewegung ist anhand relevanter politischer Fragen gespalten und kann nicht mit einer Stimme sprechen. Diese Spaltung der Friedensbewegung spiegelt sich auch in den aktuellen Aufrufen zu den Ostermärschen wider.3 In fast allen Aufrufen steht eine Ablehnung des „völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands“ ganz am Anfang. Statt die russische Militärintervention in einen Kontext einzuordnen, seine Ursachen zu beleuchten und eine eigene Position dazu zu formulieren, bedient man sich einfach jener Formel, die derzeit von jeder politischen Kraft als Eintrittskarte in den Diskurs des Sagbaren verlangt wird. So redet man in vorauseilendem Gehorsam der herrschenden Propaganda gleich zu Anfang das Wort und wendet einer ganzen Reihe von Fragen zu diesem Krieg den Rücken zuManche Aufrufe gestehen sogar „unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die notwendige Unterstützung der Ukraine“ (bspw. Ostermarsch Emden) – man kann sich vorstellen, dass damit wohl unterschiedliche Auffassungen zu Militärhilfen gemeint sind. So verwundert es nicht, dass die Forderung nach einem Stopp der Waffenlieferungen fehlt. So wird Positionen Raum in der Friedensbewegung gegeben, die die NATO-Aggression doch mittragen möchten. 

In den Aufrufen steht, genau wie in vielen Redebeiträgen auf bisherigen Friedensdemos, der Pazifismus an erster Stelle. Der Ruf nach Frieden in Zeiten des Krieges ist grundsätzlich zu begrüßen. Der entpolitisierte Pazifismus ist aber ein Problem. Pazifistische Aufrufe und Redebeiträge, die eine „Logik des Friedens“ anstelle einer „Logik des Kriegs“ als Kernforderung benennen, lassen die politischen und ökonomischen Ursachen des jeweiligen Kriegs häufig unbeachtet. Auf diese Ursachen müssen wir aber die Hauptaufmerksamkeit richten, wenn wir für den Frieden kämpfen wollen – auch beim Ukraine-Krieg. Die Bedrohung Russlands durch die NATO, die der Militärintervention vorausging und der Krieg gegen die Ostukraine durch die von der NATO aufgebauten faschistischen Kräfte werden in den Aufrufen zu den Ostermärschen nur selten dargelegt. Selbst der Bundeskanzler behauptet in seiner Regierungserklärung am 2.3.2023 im Bundestag, ihm sei der Frieden eine Herzensangelegenheit und alle Anstrengungen der Bundesregierung zur Ukraine dienten diesem Ziel. Der Deutschlandfunk kommentiert diese pazifistische Gebärdung lobend, es sei „auffällig, wie Scholz immer wieder auch das Motiv der Friedenssehnsucht in seine Regierungserklärung einwob.”4 Dass selbst Kriegstreiber wie Scholz (SPD) von Frieden sprechen, ohne rot zu werden, macht deutlich: Eine blinde Forderung nach Frieden reicht nicht aus. Erst zusammen mit einer Kritik an denjenigen Ländern und Politikern, die diese Kriege verursachen und vorantreiben, treffen unsere Forderungen nach Frieden den Kern der Sache und damit die Kriegstreiber bis ins Mark. Hier steht das NATO-Bündnis an allererster Stelle. Seit ihrer Gründung steht die Außenpolitik ihrer Staaten, allen voran die USA, für Tod und Zerstörung, für die Unterdrückung progressiver Bewegungen auf der ganzen Welt. Die BRD ist im eigenen Interesse daran beteiligt und nimmt eine immer aktivere Rolle ein. Das System dieser Länder heißt Imperialismus. Diese Länder und ihre herrschenden Klassen sind für den eigenen Profit und für die Verteidigung ihrer Herrschaft über die Welt bereit, jedes Ausscheren im In- und Ausland mit Verleumdung, Repression und Krieg zu überziehen. Doch die NATO rückt immer mehr aus dem Fokus des Protests der Friedensbewegung, obwohl ihre Aggression gegenüber den Völkern der Welt nicht ab-, sondern zugenommen hat

Aktuell wird in den Aufrufen der Ostermärsche die Rolle der NATO weltweit bagatellisiert, wenn sie kaum noch Erwähnung findet. Tatsächlich sind aber dieses Bündnis und die darin beteiligten Staaten, allen voran die USA und daneben Frankreich, Großbritannien und Deutschland die Hauptverantwortlichen für die aktuellen Kriege in der Welt. Auch der Krieg in der Ukraine geht auf das Konto der NATO und ist Ergebnis ihrer kriegerischen Aggression gegen Russland in Form der NATO-Osterweiterung, des Maidan-Putschs 2014 und des Aufbaus einer antirussischen Front in der Ukraine unter maßgeblicher Beteiligung faschistischer Kräfte sowie der Unterminierung jeglicher Verhandlungslösungen zwischen der Ukraine, den Volksrepubliken im Donbass und Russland vor und nach dem 24.2.2022. 

Wenn uns etwas am Frieden liegt, dann müssen wir die NATO als das benennen, was sie ist – als Hauptkriegstreiber in der Welt und als Instrument zur Aufrechterhaltung der politischen und ökonomischen Dominanz des Westens in der Welt. Dies ist notwendige Voraussetzung zum Aufbau einer Friedensbewegung, die sich nicht vom politischen Mainstream kassieren lässt, denn sie benennt Ross und Reiter des Imperialismus, also der Kriege und der Unterdrückung weltweit, dessen Ende sich die Völker der Welt so sehnlich wünschen!

Deshalb: Für die Niederlage der NATO – in der Ukraine und weltweit!

Stoppt den Krieg gegen Russland – NATO raus aus der Ukraine!

Deutschland raus aus der NATO – NATO raus aus Deutschland! 

Für den Aufbau der Anti-NATO-Friedensbewegung in Deutschland!

1 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/wagenknecht-neue-partei-gruendung-100.html

2 So nahmen bspw. im Protest gegen die Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2023 3000 Personen an der Demonstration eines linken Aktionsbündnisses von DKP, SDAJ und weiteren Organisation teil, während sich gleichzeitig 10.000 Menschen an der Versammlung von „München steht auf“ beteiligten, einem aus Protesten gegen die Corona-Maßnahmen entstandenen Zusammenschluss.

3 Liste der Aufrufe: https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2023/aufrufe

4 https://www.deutschlandfunk.de/regierungserklaerung-olaf-scholz-zu-einem-jahr-zeitenwende-100.html 

Aktuelles

Den Kriegskonsens brechen! Gewerkschaft heißt: Nein zu Aufrüstung und Verarmung! Nein zum Krieg gegen Russland! Nein zum Völkermord in Palästina!

Der Protest gegen Krieg, Krise und Sozialkahlschlag ist Aufgabe der Gewerkschaften. So hält auch der DGB in seiner Satzung als Ziel fest „für eine allgemeine und weltweite kontrollierte Abrüstung, für die Verwirklichung und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste der Völkerverständigung“ eintreten zu wollen. Die Position und Politik des DGB spricht jedoch eine andere Sprache: Die Militarisierung wird mitgetragen, der Krieg gegen Russland befürwortet und zum Völkermord in Gaza geschwiegen. Dass längst nicht die gesamte Gewerkschaft hinter diesem Kriegskurs steht, zeigen Aktionen wie die Petition  „Gewerkschaften gegen Aufrüstung“, die von aktiven Gewerkschaftern initiiert wurde und bereits fast 5000 Unterzeichner zählt.

„Der nationale Befreiungskampf ist eine Form des Klassenkampfes“. Interview mit Anwar Khoury – Teil 1 / “The national liberation struggle is a form of...

In Teil 1 des Interviews mit Anwar Khoury, Mitglied des ZK der Palästinensischen Kommunistischen Partei (PalCP), geht um die jüngere Geschichte der kommunistischen Bewegung in Palästina, um die sog. Zweistaatenlösung, um die Strategie der nationalen Befreiung und um die Alliierten im antikolonialen und antiimperialistischen Kampf in der Region. Part 1 of the interview with Anwar Khoury, member of the Central Committee of the Palestinian Communist Party (PalCP), introduces the PalCP, discusses the so-called two-state solution, the strategy of national liberation and the allies in the anti-colonial and anti-imperialist struggle in the region.