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Die Diskussion um den Klassencharakter der VR China: Ausdruck der weltanschaulichen Krise der kommunistischen Weltbewegung

Es handelt sich hierbei um eine leicht überarbeitete Fassung des Artikels, der zuerst in „Theorie&Praxis“ Nr. 41 und an verschiedenen anderen Orten erschienen ist.

Von Thanasis Spanidis

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In der aktuellen innerkommunistischen Debatte scheint die mehrheitlich geteilte Position bezüglich des Charakters der VR China diejenige zu sein, derzufolge das bevölkerungsreichste Land der Welt nach wie vor auf sozialistischen Produktionsverhältnissen beruht oder sich zumindest auf dem Weg dahin befindet. Dafür wird eine Reihe von Argumenten vorgebracht, die ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit wie folgt verstehe:

Erstens sei in China nach wie vor die Kommunistische Partei an der Macht, was die grundsätzlich sozialistische Entwicklungsrichtung, in manchen Sichtweisen (Siehe z.B. Richard Corell: VR China. Sozialismus als Prozess, T&P 39, März 2015.)  auch die Herrschaft der Arbeiterklasse verbürge.

Zweitens wird auf das Fortbestehen von öffentlichem Eigentum, sowie die teilweise wachsende Bedeutung makroökonomischer zentraler Steuerung und binnenmarktorientierter Sozial- und Infrastrukturpolitik verwiesen, was nach diesen Auffassungen wohl für einen rudimentären Sozialismus oder doch wenigstens die lenkende Rolle der Staatsmacht, also auch der KP stehen soll.

Drittens gibt es den Verweis auf eine sich vom weltpolitischen Gebaren der etablierten imperialistischen Mächte unterscheidende Außenpolitik, die auf die Wahrung des Friedens und Kooperation statt gewaltsame Unterwerfung setze.

Und viertens schließlich liegt all dem meistens implizit oder explizit die sehr grundsätzliche Argumentation zugrunde, dass der Sozialismus in einem unterentwickelten Land, das China in vielen Bereichen seiner Gesellschaftsstruktur unzweifelhaft immer noch ist, nur über eine lange Zwischenetappe erreicht werden könne, wofür dann gerne auch allerlei Klassiker-Zitate bemüht werden.

Natürlich treten diese Argumente in verschiedenen Variationen und Kombinationen auf, allerdings geht es mir nicht darum, auf einen bestimmten individuellen Diskussionsbeitrag zu antworten, sondern möglichst zu verallgemeinerbaren Schlussfolgerungen zu kommen, die eine systematische Diskussion erleichtern. Im Folgenden werde ich eine fundamentale Gegenposition zu der oben skizzierten Argumentation darlegen und begründen.

Als Ausgangspunkt eignet sich die grundsätzliche Frage, ob es überhaupt eine mögliche Strategie sein kann, den „kapitalistischen Tiger (zu) reiten“(Richard Corell: Kampf der Linien in der KPCh, T&P 39, März 2015.), also kapitalistische Produktionsverhältnisse gezielt einzusetzen, um sich antikapitalistischen, letztlich sozialistischen Zielen zu nähern. Für den Historischen Materialismus bewegen sich die Argumente zu solchen Fragen nie allein im luftleeren Raum, als abstrakte Begriffsableitungen, sondern stützen sich auf die Verarbeitung historischer Erfahrungen. Konkret wird oft die Neue Ökonomische Politik (NEP) in der frühen Sowjetunion als Beispiel zitiert, das ähnlich dem heutigen China die Möglichkeit einer kommunistisch gelenkten, aber teilweise auf kapitalistischen Produktionsverhältnissen beruhenden Übergangsphase zum Sozialismus demonstriere. Nun sind erstens die gravierenden Unterschiede zwischen der Politik der chinesischen KP und der NEP offensichtlich: Die NEP war nie mehr als eine Notlösung, dabei behielt die revolutionäre Partei die politische Macht in den Händen. Sie richtete sich in erster Linie an die Bauernschaft als Ablösung der Politik der Zwangsabgaben aus der Zeit des Bürgerkriegs. Kapitalistische Unternehmen waren nur im kleinen Maßstab erlaubt, Industrie, Außenhandel und Finanzwesen blieben im Wesentlichen Teil des sozialistischen Staatssektors.  Zweitens sollte nicht vergessen werden, dass die NEP sich politisch als sehr kostspielig herausstellte, da sie die Entstehung einer neuen großbäuerlichen und bürgerlichen Klasse (Kulaken und „NEPmen“) begünstigte, die für die Sowjetmacht später eine existentielle Bedrohung darstellten. Daher war die NEP während ihrer gesamten Dauer auch in der Partei stark umstritten und wurde nach weniger als einem Jahrzehnt wieder beendet. Zum dritten Einwand, nämlich ob im heutigen China eine solche Phase notwendig und/oder möglich ist, komme ich später.

Die Vorstellung vom Kapitalismus als kontrollierter Zwischenphase zum Sozialismus neigt in jedem Fall dazu, gesellschaftliche Verhältnisse und historische Gesetzmäßigkeiten in der Betrachtung instrumentalistisch zu verkürzen. Besonders deutlich wird das im bekannten Ausspruch Deng Xiaopings: Ihm sei egal, ob eine Katze weiß oder schwarz sei, so lange sie Mäuse fange. Markt und Plan gelten demnach als zwei prinzipiell neutrale oder zumindest für unterschiedliche gesellschaftspolitische Ziele einsetzbare Instrumente (Verteilungsmechanismen), die je nach Situation im Sinne maximaler Effizienz kombiniert werden können. Die Einsicht, dass Kapital und Wertgesetz gesellschaftliche Verhältnisse darstellen, die auf der Produktionsweise der Bourgeoisie beruhen, dass Kapitalakkumulation und Expansion der Warenform zwei Seiten desselben Gesetzes sind, geht dabei tendenziell unter. Eine politische Führung, die dem sozialistischen Wirtschaftssektor einen kapitalistischen beigesellt, produziert damit auch sämtliche Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise; sie muss Arbeitsrechte, soziale und ökologische Gesichtspunkte der Entwicklung des Kapitals opfern und hart erkämpfte Errungenschaften – wie im Fall Chinas die „eiserne Reisschüssel“, eine Art Grundsicherung – aufgeben; sie schafft eine neue Klasse, die zum sozialen Träger der Konterrevolution wird, sie fördert bürgerliche Bewusstseinsformen und setzt die sozialistische Produktion mindestens indirekt der Konkurrenz der kapitalistischen aus, womit politischer Druck auf „Reformierung“ der sozialistischen Unternehmen nach Gesichtspunkten kapitalistisch-betriebswirtschaftlicher Rationalität entsteht. Genau das ist in China schließlich auch geschehen: Relativ harmlos scheinende Lockerungen der zentralen Planwirtschaft schufen die Voraussetzungen und den Druck für weitergehende Änderungen bis hin zu den umfassenden Privatisierungen der 90er. Es zeigte sich, dass jeder Schritt in Richtung Markt die Voraussetzungen für eine zukünftige Kehrtwende in Richtung Planwirtschaft ein weiteres Stück zerstörte und die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen kapitalistischen Restauration erhöhte – die in den 90ern dann erfolgte (Hart-Landsberg, Martin/ Burkett, Paul 2005: China and Socialism, New York). Allgemein wird eine ökonomisch herrschende Klasse geschaffen, die alles daran setzen wird, ihre ökonomische in politische Herrschaft zu übersetzen und dabei in wesentlichen Punkten erfolgreich ist. Voraussetzungen dafür bestehen in China in den traditionellen Netzwerken aus persönlichen Beziehungen, Gefälligkeiten und Abhängigkeiten (guanxi), außerdem in den engen Verbindungen und personellen Verflechtungen zwischen Staatsapparaten, KP und Bourgeoisie. Diese ergaben sich teilweise daraus, dass das Volkseigentum wie in der Sowjetunion und Osteuropa an ehemalige Betriebsdirektoren und Funktionäre zu Spottpreisen veräußert oder verschenkt wurde, deutlich erleichtert wurden sie durch die Entscheidung der Führung 2002, Angehörigen der Bourgeoisie den Parteibeitritt zu gestatten. Gleichzeitig sind sie unabdingbar als Kompensation für fehlende institutionelle Traditionen, die in den alten kapitalistischen Ländern die Rahmenordnung stellen, und als Brücken zum Weltmarkt.

Es ist offensichtlich, dass es sich hierbei um grundsätzliche Fragen kommunistischer Strategie handelt sowie um die Frage, was für eine Vorstellung vom Sozialismus vertreten wird und welches Bild in der Sozialismuspropaganda der Kommunisten vermittelt wird. Die „China-Frage“ ist somit kein randständiges Problem der kommunistischen Bewegung, sondern die darin auftauchenden Meinungsverschiedenheiten und Unklarheiten sind Ausdruck allgemeiner Probleme in der Theorie und Praxis der kommunistischen Bewegung, die an bestimmten Punkten unvermeidlich in Aporien führen müssen.

Nun zur Würdigung der oben skizzierten Argumente derer, die an einer Verteidigung der chinesischen Führung, mit welcher Vehemenz auch immer, prinzipiell festhalten:

zu Argument 1: In China ist die kommunistische Partei an der Macht

Zunächst besteht ein kommunistisches Programm selbstverständlich nicht darin, eine Partei an die Macht zu bringen, sondern die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten, wobei die KP den am besten organisierten und bewusstesten Teil ausmacht und deshalb eine Führungsrolle spielt. In China regiert offensichtlich in erster Linie eine Partei- und Staatsbürokratie, während die institutionalisierte politische Rolle der Volksschichten eher marginal ist. Selbstverständlich hängt aber die Frage, wie „sauber“ sich demokratische Institutionen und Verfahren in einem sozialistischen Übergangsprozess herausbilden können, von den konkreten historischen Umständen ab und erfordert eine tiefere Analyse, als es hier möglich ist. Selbstverständlich bedeutet auch die Abwesenheit von imaginierten „Idealtypen“ sozialistischer Sozialformen nicht, dass von sozialistischen Verhältnissen im eingeschränkten Sinne nicht dennoch gesprochen werden kann. Deshalb werde ich mich im Folgenden stattdessen auf die Frage konzentrieren, ob die KPCh tatsächlich, wie sie behauptet, eine kommunistische Partei ist.

Welche Kriterien muss eine Partei erfüllen, damit wir sie eine kommunistische nennen? Da sind zunächst die Leninschen Organisationsprinzipien (Demokratischer Zentralismus, Kritik und Selbstkritik) zu nennen, dann ein kommunistisches Programm, eine marxistisch-leninistische Weltanschauung und ein proletarischer Klassencharakter. Keins dieser Elemente reicht dabei für sich genommen aus, um eine kommunistische Partei auszumachen.

Von einem kommunistischen Programm kann jenseits staatsoffizieller Phrasen schwerlich die Rede sein, wie die forcierte Durchsetzung kapitalistischer Verhältnisse im ganzen Land zeigt. Die Behauptung, es handle sich dabei um eine vorübergehende Zwischenphase ist nicht nur unbewiesen bzw. sie wäre erst im Nachhinein durch den Sieg des Kommunismus beweisbar, sondern auch theoretisch überaus schlecht begründet und zweifelhaft. Das umgesetzte Programm der KPCh führt zu einer tiefgreifenden Transformation der ganzen Gesellschaft, der Wirtschaftsstrukturen und Staatsapparate hin zu bürgerlichen Verhältnissen, unbeschadet dessen, dass man sich bemüht, den roten Anstrich zu erhalten. Zweifellos sind nicht alle Mitglieder der Partei gleichermaßen mit diesem Kurs einverstanden, was bei einer Organisation, deren Mitgliederzahl in etwa der Einwohnerzahl der BRD entspricht, auch schwer vorstellbar wäre. Dissens und abweichende Herangehensweisen artikulierten sich immer wieder, zuletzt noch in der Bo Xilai-Affäre. Der Parteichef der Industriemetropole Chongqing galt als profilierter Vertreter der linken Minderheit in der Partei. Sein in Chongqing praktiziertes Entwicklungsmodell setzte auf eine gestärkte Rolle der Staatsunternehmen, Aufwertung von Sozialprogrammen, sozialem Wohnungsbau, Gesundheits- und Bildungswesen und Antikorruptionskampagnen. Gleichzeitig fand im Bereich der Propagandakultur eine Rückbesinnung auf die Mao-Ära statt einschließlich kampagnenartiger Massenmobilisierungen, die an die Kulturrevolution erinnerten. Bo Xilai wurde unter dem Vorwand des Machtmissbrauchs kaltgestellt, was westliche Medien zurecht als parteiinternen Machtkampf deuteten, mit dem Ergebnis der Liquidation eines gesellschaftspolitischen Experiments, das geeignet war, die entwicklungspolitische Strategie der Staatspartei infrage zu stellen (Zhao Yuezhi 2012: The Struggle for Socialism in China. The Bo Xilai Saga and Beyond, Monthly Review 64 (5). Laut Statut der Partei besteht die ideologische Grundlage im Marxismus-Leninismus, den Mao-Zedong-Ideen, der Deng-Xiaoping-Theorie, den vom Ex-Parteichef Jiang Zemin erfundenen „wichtigen Gedanken der drei Vertretungen“ und seit dem 16. Parteitag von 2002, dem „wissenschaftlichen Entwicklungskonzept“. Die „drei Vertretungen“ bestehen in der Entwicklung fortgeschrittener Produktivkräfte, der Entwicklung der „fortschrittlichen“ Kultur und den „grundlegenden Interessen“ der Mehrheit des chinesischen Volkes; das „wissenschaftliche Entwicklungskonzept“ soll laut Statut zudem den Menschen „in den Mittelpunkt“ stellen (Statut der Kommunistischen Partei Chinas (2007). Die Aufzählung zeigt bereits, dass der „Marxismus-Leninismus“ hier eher zum Traditionsbestand gehört, den man neben allen möglichen anderen praktischen Richtlinien nennt, der aber keineswegs das übergreifende weltanschauliche Gebäude darstellt, auf dem das Programm fußt. Eine auch nur andeutungsweise Erläuterung, was mit „Marxismus-Leninismus“ gemeint sein könnte, erfolgt im Programm übrigens nicht, sodass es mehr oder weniger der Parteiführung überlassen bleibt, wie sie diesen auslegt. Wie es um den im Statut ja noch enthaltenen „Marxismus-Leninismus“ und seine „Erweiterung“ um die Ideen von Mao und Deng in der KPCh in Wirklichkeit bestellt ist, davon kann jeder Interessierte sich bei verschiedener Gelegenheit ein Bild machen. Ein Beispiel bietet der US-amerikanische Sozialwissenschaftler David Kotz, der 2006 einer akademischen Konferenz über Eigentumsformen beiwohnen durfte, die von der Rosa Luxemburg Stiftung (!) gefördert wurde. Darin vertraten profilierte Ideologen der Partei unter anderem folgende Auffassungen: Die Aktiengesellschaft repräsentiere die Vergesellschaftung des Eigentums, wie von Marx und Engels angestrebt, daher seien die USA ein besseres Modell der Vergesellschaftung als China. Andere argumentierten, Sozialismus und Kapitalismus hätten nichts mit den Eigentumsverhältnissen zu tun, sondern eine sozialistische Ökonomie sei lediglich dadurch gekennzeichnet, dass der Staat den Mehrwert besteuere. Wieder andere sahen im „modernen Kapitalismus“, der die Interessen der Arbeiter berücksichtige, eine graduelle Annäherung an den Sozialismus usw usf (Kotz, David 2007: The State of Official Marxism in China Today, Monthly Review 59 (4)).

Marxistisches Vokabular wird zum Teil als staatsideologische Formel beibehalten, der Inhalt wird den Herrschaftsbedürfnissen der aktuellen Elite so weit angepasst, bis es sich nicht mehr um kritische Gesellschaftstheorie, um revolutionäre Theorie und Praxis handelt sondern um ein Instrumentarium zur Rechtfertigung des Status Quo sowie jeder Drehung und Wendung in der Politik der Partei. Diese Partei würde sich, wenn sie noch eine kommunistische wäre, als Vertretung der Arbeiter und Bauern Chinas verstehen, als Partei des Klassenkampfes. Die KPCh sieht sich laut Statut aber nicht nur als „Vorhut der Arbeiterklasse“, sondern auch als „Vorhut des chinesischen Volkes und der chinesischen Nation (!)“, was die Bourgeoisie inklusive ihrer imperialistischen Fraktion einschließt. Ihre Politik beschränkt sich also nicht darauf, die Kapitalakkumulation als Hebel der Produktivkraftentwicklung zu nutzen, sondern sie versteht sich explizit als Interessenvertretung auch des Kapitals. Die Interessen des Proletariats und der Bauernschaft sollen in der „harmonischen Gesellschaft“, die die chinesische KP anstrebt, mit denen des Kapitals auf einmal vereinbar sein. Der Gewerkschaftsbund ACGB sichert dieses Ziel durch seinen dezidiert sozialpartnerschaftlichen Kurs ab. Die Partei dient der Bourgeoisie als Karrierekanal sowie als Feld zum Ausgleich ihrer widersprüchlichen Interessen, die in der Partei aggregiert und in eine kohärente Herrschaftsstrategie übersetzt werden können. Sie hat vielen der heutigen Kapitalisten ihren Status verliehen, indem sie sie an der gigantischen Raub- und Korruptionsorgie teilnehmen ließ, im Zuge derer die Staatsbetriebe privatisiert wurden – auf Kosten der Arbeiter, die millionenfach ihre Existenzgrundlage und die mit dem Arbeitsplatz garantierten sozialen Standards verloren. Das Magazin Forbes zählt heute 370 Milliardäre in der „Volksrepublik“ (FAZ vom 22.4.2015). Viele von Chinas Superreichen sind Mitglieder der Partei oder, wie der milliardenschwere ehemalige Premierminister Wen Jiabao, sogar deren hochrangige Funktionäre. Andere Mitglieder des Zentralkomitees sind oder waren CEOs bei großen Unternehmen der Telekommunikation, Stahlbranche oder des Öl- und Gasgeschäfts (Ten Brink, Tobias 2010: Strukturmerkmale des chinesischen Kapitalismus, MPIfG Discussion Paper 10/1.). Ein Einsatz für einen sozialistischen Entwicklungsweg, der die Millionäre und Milliardäre Chinas ihr Vermögen, ihre Macht und ihre Privilegien kosten würde, ist von diesem Personenkreis wohl nicht zu erwarten. Ähnliches gilt für die zahlreichen Kader, die über diverse Netzwerke und Verbindungen vom Luxus der Oberschicht profitieren und sich nicht den Unwägbarkeiten einer Konfrontation mit dem Kapital aussetzen wollen.

Zu Argument 2: Der Staat spielt noch eine wichtige Rolle in der chinesischen Wirtschaft

Es ist zweifellos richtig, dass der Staat eine besonders zentrale Stellung in der chinesischen Ökonomie beibehält. Der chinesische Kapitalismus ist keineswegs einfach eine schlechte Kopie westlicher, neoliberaler Rezepte, so wie es in der Sowjetunion und vielen osteuropäischen Ländern mit katastrophalen Folgen versucht wurde. Der Staat behält die Kontrolle über strategische Bereiche der Ökonomie, durch mehrheitliches Staatseigentum an den größten Betrieben in Schlüsselsektoren wie Energie, Metallurgie, Rüstung und Telekommunikation. Die Zahl der großen Staatsunternehmen liegt landesweit bei etwa 500 und diese spielen eine wichtige Rolle in der staatlichen Entwicklungsstrategie. Kapitalverkehr, Wechselkurse und das Bankensystem bleiben staatlich reglementiert, allerdings sind seit 2005 auch zunehmend private Banken im Geschäft. Gleichzeitig ist die Wirtschaftsverfassung in mancher Hinsicht durchaus marktliberal geprägt: Vor allem lokale Behörden mischen sich in Chinas relativ dezentralem System wenig in die privatkapitalistischen Unternehmen ein, sondern führen einen Standortwettbewerb gegeneinander um die Bereitstellung des profitabelsten Wirtschaftsklimas. Die „Chinesische Volksbank“ ist anders als europäische Zentralbanken staatlicher Kontrolle unterworfen, allerdings ist sie laut dem seit 1995 geltenden Zentralbankgesetz deutlich neoliberal-monetaristisch ausgerichtet: Hauptziel ist auch für sie die Geldwertstabilität und Wirtschaftswachstum wird erst als abgeleitetes Sekundärziel angestrebt. In der Weltwirtschaftskrise legte der chinesische Staat mit knapp 600 Mrd US$ ein gewaltiges Konjunkturprogramm auf, um die Wachstumsdelle zu kompensieren. Besonders seit der Führung von Hu Jintao (Parteichef zwischen 2002 und 2012) begann eine von Liberalisierung einerseits und sozialökologischer „Einbettung“ andrerseits geprägte Doppelbewegung der Wirtschaftspolitik: Außenöffnung und Privatisierungen wurden fortgesetzt, aber gleichzeitig Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen eingeführt, die Löhne angehoben und der Umweltschutz gestärkt (Schmalz, Stefan 2010: Chinas neue Rolle im globalen Kapitalismus, Prokla 40 (4), S. 488.).

Offensichtlich ist ein stärker keynesianisch und sozialdemokratisch orientierter wirtschaftspolitischer Ansatz, selbst wenn er weniger marktliberal fundiert ist als der chinesische, aber etwas völlig anderes als Sozialismus, oder auch, wenn man so etwas für möglich hält, als eine „antimonopolistische Zwischenphase“. Die Monopole werden durch die derzeitige chinesische Entwicklungsstrategie nicht in Schach gehalten sondern gezielt geschaffen und gestärkt – was durchaus aus Sicht der Führung Sinn macht, da es notwendige Voraussetzung dafür ist, dass China auf dem Weltmarkt seine Stellung als Global Player ausbauen kann. Der erfolgreichen Herstellung kapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse folgt zwangsläufig die Etablierung als (zunächst ökonomische) Großmacht im imperialistischen Konzert der Mächte. 2013 gehörten zu den 500 größten Transnationalen Konzernen auch 89 Konzerne aus China – fünf Jahre zuvor waren es noch 34 gewesen, was die rapide Herausbildung monopolkapitalistischer Komplexe anzeigt. Drei davon (Sinopec Group, China National Petroleum und State Grid) gehörten sogar zu den Top 10 der Welt (Forbes, 17.7.2013.). Der Staat fungiert bei der Bildung einer chinesischen Monopolbourgeoisie als Katalysator, gerade auch als Anteilseigner an den kapitalistischen Betrieben. Auch in den größten Unternehmen, die sich weiterhin in mehrheitlichem Staatsbesitz befinden, hat faktisch ein tiefgreifender Privatisierungs- und Kommodifizierungsprozess stattgefunden. Hierzu ist es wichtig, zu verstehen, dass Privatisierung nicht zwangsläufig die Form eines vollständigen Ausverkaufs annehmen muss, sondern dass z.B. der Börsengang eines Staatsunternehmens auch dann dieses Unternehmen zunehmend den Prinzipien des Shareholder Value unterwirft, wenn der Staat weiterhin die Mehrheit der Anteile hält.  Die chinesischen Konzerne unterscheiden sich in der Form der Betriebsführung (Corporate Governance) nicht mehr wesentlich von ihren westlichen Konkurrenten. Ein Sektor mit sozialistischen Produktionsverhältnissen, was weit mehr als bloßen Staatsbesitz voraussetzen würde, existiert de facto in China nicht mehr. Stattdessen hat sich mittlerweile in deutlichen Zügen ein staatsmonopolistischer Kapitalismus herausgebildet, freilich in einer Variante, die in hohem Maße auf staatlicher Beteiligung und Lenkung beruht. Diese Entwicklungsstrategie wird von der chinesischen Partei verfolgt, weil nur so ein anhaltendes, durch Kapitalzuflüsse noch beschleunigtes Wirtschaftswachstum möglich ist, ohne sich den zerstörerischen Folgen eines entfesselten Kapital- und Devisenverkehrs auszusetzen; außerdem, weil die gewaltigen Widersprüche innerhalb des Landes, zwischen arm und reich, Stadt und Land, Ost und West, Han-Chinesen und ethnischen Minderheiten, Exportorientierung und sozialen Ansprüchen im Inneren nur auf diese Weise unter Kontrolle zu halten sind. Würde es sich nicht um eine nominell kommunistische Partei handeln, würde wohl niemand ein solches Herrschaftsprojekt mit dem Sozialismus in Verbindung bringen.

Zu Argument 3: Die VR China verfolgt eine alternative, auf Frieden und Kooperation ausgerichtete Außenpolitik

Auch hier ist es zweifellos richtig, dass die Außenpolitik Chinas keine einfache Imitation westlicher Muster darstellt. Auch handelt es sich dabei wohl nicht nur um die Heuchelei einer Führung, die um die Gunst der Öffentlichkeit buhlt, sondern tatsächlich um eine von der Politik der USA und der stärksten EU-Länder abweichende Konzeption. Es ist allerdings keineswegs ungewöhnlich, dass Länder, die verschiedene Stellungen und damit auch Funktionen innerhalb des kapitalistischen Weltsystems einnehmen, auch verschiedenartige internationale Strategien zur Wahrung ihrer Interessen einschlagen. China hat ein Interesse an einer offenen Weltmarktordnung, um weitere Marktanteile für seine Konzerne zu gewinnen, und gleichzeitig an einer Einhaltung des Völkerrechts, dessen Geist und Wortlaut tendenziell die Schwächeren vor den Stärkeren schützt. Eine vorrangig gewaltförmige zwischenstaatliche Politik ist im Zeitalter der Atomwaffen nicht nur eine ständige Bedrohung für das Überleben der Menschheit, sondern auch gegen das Interesse der aufsteigenden Wirtschaftsmacht, die Raum zum Atmen für die Entfaltung ihrer ökonomischen Potenziale braucht. Bekanntlich verhielten sich auch die USA weltpolitisch im 19. und frühen 20. Jahrhundert vergleichsweise zurückhaltend, so lange die Voraussetzungen noch nicht gegeben waren, um die Rolle als globale imperialistische Führungsmacht ausfüllen zu können. Heute verlieren die USA wiederum längerfristig an Bedeutung, was auch der gegenwärtige Fracking-Boom nicht aufhalten dürfte. Neben der Stellung des Dollars im Weltwährungssystem ist das Militär die zentrale Stärke ihrer verbleibenden Machtstellung. Die Stellung der USA als Supermacht hängt eng mit ihrer Positionierung im Weltfinanzsystem und diese wiederum mit der Aufrechterhaltung einer von den USA geführten Weltordnung zusammen, wofür regelmäßig militärische Gewalt die ultima ratio ist. Länder wie China und Russland setzen hingegen auf jeweils andere Karten: Russland, weil es ökonomisch schwach ist und den Status Quo gegen die Einkreisungsversuche der NATO verteidigt; China, weil es ökonomisch erstarkt, aber sich nicht wie die USA auf ein globales Imperium stützen kann.

Überhaupt ist es völlig irreführend, die kooperative Haltung der chinesischen Führung mit einer Außenpolitik im Interesse der Völker, der Ausgebeuteten und Unterdrücken zu verwechseln. Die Linie Chinas impliziert im Gegenteil, die Rolle der Imperialisten zu verharmlosen und zu verschleiern und wo möglich auf Bündnisse mit ihnen zu orientieren. In diesem Kontext sind auch die verschiedenen Annäherungsversuche an Länder der EU zu verstehen. Die KP Chinas orientiert dabei nicht auf das Bündnis mit den klassenbewussten Teilen der Arbeiterklasse und den kommunistischen Parteien ihrer Partnerländer, sondern sie verhandelt mit Vertretern der Regierungen und des Kapitals. Die internationale Kooperation der kommunistischen Parteien ist für die KPCh nur eine unter mehreren Möglichkeiten, dem chinesischen Entwicklungsmodell im Ausland Anerkennung zu verschaffen. Eine andere ist die Annäherung an die „Sozialistische Internationale“ oder sozialdemokratisch-bürgerliche Parteien wie die griechische SYRIZA. Bei einem Besuch in Griechenland sprach sich der stellvertretende Leiter der Abteilung für Internationale Beziehungen des Zentralkomitees der KP Chinas Liu Jieyi gegenüber dem Vorsitzenden der „Sozialistischen Internationale“ Georgios Papandreou für eine strategische Zusammenarbeit aus. Die KP Chinas habe „realisiert, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen der Sozialistischen Internationale und den politischen Orientierungen der KP Chinas gibt“ ( „China seeks further cooperation with Greece”, online: http://china.org.cn/world/2010-11/18/content_21372436.htm ; zuletzt abgerufen 1.12.2017.). Wenn eine angeblich „kommunistische“ Partei „viele Gemeinsamkeiten“ mit Parteien wie der SPD, der französischen PS, der spanischen PSOE, der türkischen CHP, der griechischen PASOK usw. findet, spricht das Bände über ihre eigene politische Ausrichtung. Von einer „Stütze“ und einem „Freund“ im Klassenkampf, wie Corell es formuliert, kann also bei der außenpolitischen Rolle der VR China kaum die Rede sein.

Zu Argument 4: China kann den Sozialismus nur über eine lange Zwischenphase erreichen

Für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft gibt es bekanntlich neben den subjektiven Voraussetzungen auch objektive, vor allem eine ausreichende Entwicklung der Produktivkräfte sowie eine fortgeschrittene Vergesellschaftung der Produktion und des Verkehrs. Diese Bedingungen waren 1949 in China kaum erfüllt: Das Land gehörte zu den ärmsten der Erde, eine Industrie gab es in Ansätzen nur an der Ostküste und weite Landstriche verharrten noch in tiefster Rückständigkeit. Trotzdem drängten die objektiven Widersprüche auch im damaligen Entwicklungsstadium bereits zum Sozialismus. Das Kapital hatte bereits einen relativ hohen Grad der Konzentration erreicht und war mit der Grundherrenklasse und dem ausländischen Kapital eng verflochten, sodass nur im Kampf gegen das Kapital die Überwindung der vorkapitalistischen Produktionsweisen und nationalen Abhängigkeit möglich war. Deshalb wurden nach einer relativ kurzen Übergangsphase (Neue Demokratische Revolution) auch damals schon entscheidende Schritte in Richtung Sozialismus gegangen: Der Aufbau einer staatlichen Industrie wurde begonnen, die Infrastruktur entwickelt, die Landwirtschaft kollektiviert und im ganzen Land Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung, Volksbildung und sozialen Absicherung geschaffen. Der zeitweise grassierende Voluntarismus der chinesischen Führung und Misserfolge sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der sozialistische Aufbauprozess in China insgesamt ein großer Erfolg war: Zum ersten Mal konnten Hunderte Millionen Menschen Bildung und grundlegende Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen, die Ernährungslage verbesserte sich enorm und Beschäftigung war mit sozialer Absicherung verbunden. Die durchschnittliche Lebenserwartung stieg während der Mao-Ära jedes Jahr um etwa ein Jahr an. Das Wachstum der Industrie war nicht so astronomisch hoch wie nach der kapitalistischen Restauration, wird aber selbst in der chaotischen Phase der Kulturrevolution immerhin auf beachtliche 10% pro Jahr geschätzt (Hart-Landsberg, Martin/Burkett, Paul 2005, S. 37.). In dieser Epoche wurden die Grundlagen für den rasanten Aufschwung ab den 80ern gelegt, indem ein handlungsfähiger Zentralstaat geschaffen, die Infrastruktur ausgebaut, eine Industrie auf bescheidener Grundlage entwickelt und das Bildungsniveau der Massen erhöht wurde. Die „Theorie“ der KPCh, dass die „Marktwirtschaft“ die Voraussetzungen für den zukünftigen Sozialismus schaffe, verdreht somit die Tatsachen: In Wirklichkeit war es umgekehrt die sozialistische Entwicklungsphase, die die ökonomischen, kulturellen und politischen Voraussetzungen schuf, die die schnelle Entwicklung des heutigen chinesischen Kapitalismus ermöglichen. Gleichzeitig kam es in der Mao-Ära auch zu gravierenden Fehlorientierungen mit destruktiven Folgen, vor allem in der Periode der Kulturrevolution. Bei Maos Tod 1976 stand die chinesische Führung vor ernsthaften Problemen, die auf eine baldige Lösung drängten: Die groben Steuerungsmechanismen waren für eine sich ausdifferenzierende Ökonomie zunehmend ungeeignet, Löhne stagnierten seit zwei Jahrzehnten, es kam zu Verschwendung und Mangel (Ebd, S. 38.). Angesichts der positiven Gesamtbilanz gab es jedoch wenig objektive Gründe, an der Richtigkeit der grundlegenden Orientierung auf den sozialistischen Aufbau zu zweifeln: China stand ökonomisch sehr viel besser da als 30 Jahre zuvor, die Lebenssituation hatte sich trotz weiterhin großer Armut sehr verbessert und die Massen standen im Großen und Ganzen hinter der kommunistischen Partei und dem sozialistischen Projekt. Eine Hegemoniekrise des Sozialismus, wie sie sich in einigen osteuropäischen Ländern, vor allem Polen, abzuzeichnen begann, war weit entfernt. Die Behauptung, dass eine Alternative zum von Deng eingeleiteten konterrevolutionären Prozess unmöglich war, bleibt somit unplausibel. Sie ist die unkritische Übernahme der staatsoffiziellen chinesischen Geschichtsbetrachtung, die Mao als wichtige Figur der nationalen Befreiung und Staatsgründen in Ehren hält, aber seine Vorstellungen sozialer Befreiung stillschweigend unter den Teppich kehrt bzw. ihre Umsetzung in der Vergangenheit tendenziell diskreditiert.

Die Strategie der chinesischen KP hat nach 1978 durchaus neue Ressourcen für den Wirtschaftsaufbau erschlossen, die sonst nicht in diesem Maße verfügbar geworden wären, vor allem die Nutzung des exilchinesischen Kapitals und der Zugang zu ausländischen Märkten. Dadurch hat sie aber die sozialistische Zielstellung und die Interessen seiner Arbeiterklasse dem Wachstumsziel geopfert. Der wachsende Lebensstandard und die Verringerung der Armut, die oft als Argumente für die Richtigkeit des gegenwärtigen Kurses angeführt werden, lassen sich kaum bestreiten. Sie gehen aber einher mit explodierender sozialer Ungleichheit, hemmungsloser Ausbeutung großer Teile der Arbeiterklasse, verheerender Umweltzerstörung, einer Desorganisation und Entmachtung der Arbeiterklasse und generell der Zerstörung jeder Hoffnung auf eine sozialistische Zukunft in Solidarität, Gleichheit und Freiheit. Seit einigen Jahren wächst der Widerstand der chinesischen Arbeiterklasse und der Bauern gegen die Politik der Regierung und oft bezieht man sich dabei explizit auf die revolutionären Traditionen der Vergangenheit. Sprunghaft wachsende, für europäische Verhältnisse gewaltige Streikbewegungen wurden ergänzt durch Mobilisierungen der Kleinbauern und wachsendes Interesse am Marxismus und der Mao-Ära unter oppositionellen Studenten. Die herrschende Partei beantwortete diese Bewegungen aber nicht mit Sympathie und Solidarität, sondern mit brutaler Polizeigewalt, Gefängnisstrafen und Unterstützung für die Arbeitgeberseite.

Der Name des Sozialismus ist durch die Widersprüche des chinesischen Kapitalismus und ihre propagandistische Ausnutzung durch die reaktionären westlichen Medien belastet mit teilweise barbarischer Ausbeutung, die unter der Aufsicht einer „kommunistischen“ Partei stattfindet. Das chinesische Volk und die internationale kommunistische Bewegung haben für den Wirtschaftsaufschwung einen Preis bezahlt, der völlig inakzeptabel ist.

Doch unabhängig davon, ob es 1978 historische Alternativen gab, ist heute die Ausgangssituation ohnehin eine ganz andere: China ist heute die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, es besitzt in  vielen Wirtschaftsbereichen transnational operierende Konzerne, die auf dem Weltmarkt Führungspositionen einnehmen. Es ist politisch und militärisch stark genug, um seine Unabhängigkeit zu behaupten. Das bedeutet nicht, dass vor dem Sozialismus in China nicht noch gigantische Aufgaben liegen würden. Es bedeutet aber, dass diese Aufgaben durch die Vorteile zentraler Planung und auf Grundlage des bereits geschaffenen Reichtums lösbar wären, ohne dabei die grauenhaften Widersprüche des jetzigen Wachstumsmodells in Kauf nehmen zu müssen.

Nachdem gezeigt wurde, dass die typischen Argumente, die den restaurativen Kurs der chinesischen KP legitimieren und mit marxistischen Weihen versehen, nicht haltbar sind, sind folgende Schlussfolgerungen zu ziehen.

a) China ist kein sozialistisches Land, sondern ein kapitalistisches, das seinen Platz in der imperialistischen Pyramide einzunehmen bestrebt ist.

b) Die KPCh ist keine kommunistische Partei, sondern eine rechtsopportunistische bis liberale Partei mit an den Rand gedrängten marxistischen Kräften in ihrem Inneren.

c) Der „Umweg“ über den Kapitalismus in China stellte und stellt keinen „Sachzwang“ dar, sondern eine bewusste Entscheidung politischer Eliten, die sich auf diesem Weg auf obszöne Weise bereichert haben und dies weiterhin auf Kosten der Massen tun. Alternativen dazu gibt es genauso, wie es Alternativen zur reaktionären Krisenpolitik der EU gäbe – jeweils bei entsprechenden Kräfteverhältnissen zwischen den Klassen.

d) Eine sozialistische Kehrtwende der chinesischen Politik ist heute nicht mehr möglich. Die Politik der KPCh hat  die Perspektiven für den Sozialismus auf absehbare Zeit, zumindest ohne eine Revolution von unten unter Führung einer wirklich revolutionären KP, zerstört und damit für die internationale kommunistische und Arbeiterbewegung unermesslichen Schaden angerichtet.

e) Die kommunistischen Parteien täten gut daran, sich vom Wunschdenken und oberflächlichen Analysen bezüglich Chinas zu verabschieden und stattdessen die chinesische Erfahrung als einen weiteren Fall zu analysieren, wie weltanschaulicher Revisionismus und die Schaffung einer sozialen Basis für denselben zu gegenseitig verstärkenden Faktoren werden können, die ein sozialistisches Projekt zu Fall bringen können. Die Solidarität mit dem kapitalistischen Restaurationsprojekt in China ist nicht nur vom Standpunkt kommunistischer und antiimperialistischer Programmatik und des proletarischen Internationalismus nicht zu rechtfertigen. Sie ist auch dazu geeignet, die Glaubwürdigkeit der Partei als konsequent antikapitalistischer Kraft zu kompromittieren. Sie führt dazu, sich nicht mit dem erstarkenden Widerstand der Arbeiter und Bauern gegen die kapitalistische Restauration zu verbünden, sondern mit der verbürgerlichten KPCh-Führung, die Proteste und Arbeitskämpfe im Interesse der Bourgeoisie brutal unterdrückt. Die fatalen Illusionen, die Teile der kommunistischen Bewegung bezüglich Chinas weiterhin pflegen, sind somit ein weiteres Symptom der tiefen weltanschaulichen Krise der Bewegung, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg bemerkbar gemacht und seit 1989/90 offen ausgebrochen ist.

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Im Oktober hielten wir als KO in Leipzig im Rahmen der Aktionswoche des Kufiya-Netzwerks einen Vortrag zur Geschichte des Zionismus. Der Vortrag soll einen Einstieg in das Thema leisten und gibt Argumentationshilfen für die politische Auseinandersetzung an die Hand.