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Spießbürgerlich, imperialistisch gesinnt und vom Imperialismus bestochen?

Beitrag zur Diskussion um den Leitantrag – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussionstribüne)

von Patrick Schmidt

Zur Arbeit in den opportunistischen Gewerkschaften

„Nicht in den reaktionären Gewerkschaften arbeiten heißt die ungenügend entwickelten oder rückständigen Arbeitermassen dem Einfluß der reaktionären Führer, der Agenten der Bourgeoisie, der Arbeiteraristokraten oder der verbürgerten Arbeiterüberlassen.“ (Engels in einem Brief an Marx, zitiert nach Lenin, Der Linke Radikalismus)

Die Einschätzung der DGB-Gewerkschaften hat sich zu einem zentralen Punkt der Diskussion um unseren Leitantrag zur Arbeit in den Massen entwickelt. Schon die ersten Beiträge diskutierten den demokratischen Charakter und die Zielstellung in den Gewerkschaften. Nun haben wir eine Zuschrift des externen Klaus Helms erhalten, der nicht nur diese Punkte, sondern grundsätzlich die Arbeit in den DGB-Gewerkschaften in Frage stellt. Ich möchte diesen Beitrag nutzen, um darauf hinzuweisen, auf der Grundlage welcher Annahmen wir auf die Arbeit in diesen Strukturen orientieren müssen.

Helms beginnt seinen Text damit, dass einige von uns doch mit einer antiopportunistischen Kritik aus der DKP ausgetreten seien, welche aber immer noch revolutionärer sei, als die DGB-Gewerkschaften, wir aber im Widerspruch dazu dort nicht aus zu treten gedenken. An dieser Stelle zeigt sich schon ein grober Fehler, der sich nicht nur durch Helms Ausführung zieht, sondern der den Grundfehler syndikalistischer Ansätze überhaupt ausmacht: Die Negation der Unterscheidung der Organisation der Revolutionäre und der Organisationen der Massen. In Deutschland findet sich dieses Phänomen in klarster Form in der „Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union“. Unser Leitantrag widmet zurecht einige Seiten der Diskussion um die Frage des Verhältnisses zwischen beiden, es scheint mir aber an dieser Stelle sinnvoll, noch einmal auszuführen, warum hierfür überhaupt getrennte Strukturen nötig sind.

Zunächst aber ein paar Worte zu den DGB-Gewerkschaften. Für uns muss klar sein, dass diese im umfassenden Sinn keine Einheitsgewerkschaften (Einheit der Branchen UND Einheit der Klasse trotz unterschiedlicher ideologischer Ausrichtungen) sind oder gar die richtige Orientierung für den Klassenkampf geben. In allen Veröffentlichungen zu gewerkschaftlichen Themen haben wir Sozialpartnerschaft und Stellvertretungsdenken, die auf Klassenharmonie und Passivität basierende Ausrichtung der DGB-Gewerkschaften kritisiert.

Diese Ausrichtung ist auch kein Zufall, vielmehr ist sie Ergebnis des gesetzmäßig im Imperialismus stärker werdenden Opportunismus. Durch die Extraprofite, die das Monopolkapital aus dem Kapitalexport oder monopolbedingten Marktvorteilen generiert, ist es ihm möglich eine Schicht der Arbeiterklasse zu bestechen, an die Interessen des Kapitals zu binden und damit zu Agenten der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterbewegung zu machen. Die Managergehälter einiger Gewerkschaftsbosse und Betriebsratsvorsitzender sprechen hier für sich.

Das führt einerseits dazu, dass sich besonders opportunistische Elemente in den Organen der Arbeiterklasse durchsetzen können, andererseits hat dies einen Einfluss auf das Massenbewusstsein, indem es bürgerliche Ideologie propagiert. Lenin sprach schon 1920 von der Herausbildung einer „Schicht einer beruflich beschränkten, bornierten, selbstsüchtigen, verknöcherten, eigennützigen, spießbürgerlichen, imperialistisch gesinnten und vom Imperialismus bestochenen, vom Imperialismus demoralisierten Arbeiteraristokratie“ (Lenin, Der Linke Radikalismus) die vor allem in den Gewerkschaften von besonderer Bedeutung sei.

Allerdings hat diese strenge und kritische Sichtweise noch wenig mit der Diskussion um die Entscheidung über die Arbeit in den Gewerkschaften zu tun. Denn: auch wenn die Spitzen der Gewerkschaften objektiv im Interesse des Kapitals handeln, auch wenn die Gewerkschaften aufkommendes Klassenbewusstsein eindämmen, klassenkämpferische Akteure zurückdrängen, auch wenn die opportunistische Ausrichtung nicht nur von der Führung gesetzt, sondern größtenteils auch von der Basis geteilt wird, entbindet uns das nicht von der Pflicht, dort zu arbeiten, wo die Massen sind. Der Bewusstseinsstand der Massen in den Gewerkschaften ist niedrig, aber auch das ist wenig mehr, als ein Ausdruck des allgemein niedrigen Bewusstseinsstandes.

Trotz der falschen Ausrichtung der DGB-Gewerkschaften befinden sich in ihnen die fortschrittlichsten Teile der Arbeiterklasse. Diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich in ihrem Betrieb organisieren wollen tun dies meistens direkt über DGB-Gewerkschaften. Die Konkurrenz besteht hier weniger aus „revolutionären Gewerkschaften“ und viel mehr aus noch reaktionäreren, teilweise klassenspalterischen Berufsverbänden (Beamtenbund, Marburger Bund, GdL, Zentrum,…). Nicht in den DGB-Gewerkschaften zu arbeiten kann nur als Absage an diese Kolleginnen und Kollegen verstanden werden. Genau diese Menschen müssen wir aber erreichen, organisieren und letzten Endes auch in den Widerspruch mit der Gewerkschaftsspitzen führen. Doch das geht nicht durch ein möglichst radikales Nörgeln von außen, das geht nur durch die kontinuierliche Zusammenarbeit, durch disziplinierte und geduldige Diskussion im Betrieb, in der Gewerkschaft, auf Schulungen, etc. Dabei müssen wir jede Verfehlung der Opportunisten nutzen, um über ihren reaktionären Charakter aufzuklären. Ohne unsere Arbeit überlassen wir breite Teile der Massen kampflos dem Einfluss des Opportunismus.

Mutig für unsere Sache einzustehen, heißt eben nicht nur, dass man sich traut, die politische Ausrichtung der DGB-Gewerkschaften zu kritisieren, wie es Helms andeutet, vielmehr muss sich unser Mut in der Bereitschaft der direkten Auseinandersetzung mit dem Opportunismus zeigen. In erster Linie heißt das, die Diskussion um Organisationsstrukturen und Kampfmittel offensiv dort zu führen, wo die Massen, aber auch die Opportunisten zu Hause sind, ohne Angst vor Rückschlägen oder persönlichen Anfeindungen.

Außerdem bieten die DGB-Gewerkschaften einige praktische Anknüpfungspunkte. Sie sind zwar objektiv keine Einheitsgewerkschaften bezüglich der ideologischen Ausrichtung, aber sie sind Einheitsgewerkschaften in dem Sinne, dass sie die Klasse nicht nur betriebs- sondern sogar branchenübergreifend organisieren. Gerade der Zusammenschluss im DGB führt zu einer Abschwächung der Tendenz die Beschäftigten unterschiedlicher Branchen gegeneinander auszuspielen.

Helms Vorschlag zum Aufbau revolutionärer gewerkschaftlicher Strukturen über die BR-Arbeit klingt ebenfalls nicht ausgegoren. Mehr oder weniger wichtige Vertretungspositionen einzunehmen und dann gezielt Headhunting nach Revolutionswilligen zu betreiben ersetzt eben nicht die Massenarbeit, wie sie der Leitantrag empfiehlt. Wichtiger als Stellvertretungsposten ist der Aufbau von kontinuierlichen Strukturen der Selbstorganisation der Massen, in Betrieben können das beispielsweise Vertrauensleutekörper und gewerkschaftliche Aktivengruppen sein. Der Fokus auf „nicht korrumpierbare“ (Helms) Kolleginnen und Kollegen, die verschworene enge Gemeinschaft ersetzt eben nicht den offenen Kampf gegen den Opportunismus, welcher auch in der direkten Zusammenarbeit mit opportunistisch beeinflussten Kolleginnen und Kollegen geführt werden muss.

Der Zustand der Gewerkschaften ist ganz dialektisch eben nicht nur eine der Ursachen des niedrigen Klassenbewusstseins in der Gesellschaft, sondern auch ein Ausdruck dessen. Eine „revolutionäre Gewerkschaft“, sprich eine Gewerkschaft die die Anerkennung der Notwendigkeit der Revolution (oder je nach Geschmacksrichtung auch noch mehr) zur Voraussetzung der Mitgliedschaft macht, isoliert sich von der Klasse. Die Revolutionäre müssen sich organisieren, um Wissenschaft zu betreiben, die Strategie zu erarbeiten und um einen Kaderstamm heran zu ziehen, der in der Lage ist, diese Strategie Praxis werden zu lassen. Das kann keine Gewerkschaft übernehmen, sondern ist Aufgabe einer KP. Doch auch anders herum, muss die Arbeiterklasse über Organisationen verfügen, die sich an den im Leitantrag genannten Prinzipien orientieren. Die Selbstorganisation der Massen, die im Leitantrag zu Recht sehr stark betont wird, kann nicht durch die Organisation der Revolutionäre ersetzt werden, auch nicht, wenn sich diese „Gewerkschaft“ nennt.

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Eine Friedens- bzw. Anti-Kriegs-Bewegung, welche die aggressive Rolle der NATO, oder der Besatzungsmacht Israel nicht erkennt und das Narrativ der Kriegstreiber bedient, wird damit in letzter Konsequenz eine Pro-Kriegs-Bewegung. Sie verurteilt die Gewalt der Unterdrückten so wie es die Unterdrücker tun.

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Der 5. Mitgliederkongress der KO hat stattgefunden. Erfahrungen aus unserer Spaltung und der akti-ven Beteiligung in Kämpfen gegen den Krieg der NATO und den Völkermord in Palästina geben nachdrücklich Aufgaben für uns selbst und die Bewegung auf. Sie erfordern praktische Konsequen-zen. Ein zentraler Beschluss: Die Organisierung eines umfassenden und öffentlichen Studienganges zur Geschichte des Kommunismus.