Frankfurt am Main: Bericht über ein Tagesseminar der Abspaltung der KO, wie eine kritische Debatte mit Gewalt erstickt wurde und wieso ein solches Verhalten die kommunistische Bewegung in eine Sackgasse führt.
- Die Abspaltung der KO, die KO-ML, hat uns bei einer Veranstaltung in Frankfurt unter Anwendung von Gewalt von einer öffentlichen Veranstaltung zum Thema Faschismus ausgeschlossen.
- Dies ist eine erneute Grenzüberschreitung, nachdem uns ein Vertreter der KO-ML bei einer Demo in Duisburg lauthals als „Putinisten“ beschimpft und die KO-ML den Angriff auf unser Banner am 1. Mai in Frankfurt am Main öffentlich gebilligt hatte.
- Die Anwendung und Androhung physischer Gewalt ist Ausdruck einer Verrohung politischer Kultur, die nicht toleriert werden darf. Sie ist zugleich Ausdruck von inhaltlicher Schwäche, die eigenen Positionen nicht öffentlich diskutieren zu können. Gewaltvolles Vorgehen gegen andere Linke kannten wir bisher vor allem von sog. „Antideutschen“.
- Politisch biedert sich die KO-ML an eine linksradikale Szene an, die zunehmend im Lager der Herrschenden ankommt. Ihre äquidistante Haltung vermeidet den Kampf gegen die NATO und den deutschen Imperialismus und flüchtet sich in allgemeine Phrasen.
- Die KO-ML relativiert den Faschismus der NATO in der Ukraine und reagiert mit dem Reflex, Russland als faschistisch oder potentiell faschistisch zu behandeln. Damit verbreitet sie ein zentrales Element der NATO-Propaganda.
Für den 18.5. war ein Tagesseminar zum Thema Faschismus im Club Voltaire in Frankfurt am Main angekündigt. Veranstalter war die Abspaltung der Kommunistischen Organisation, die unter demselben Namen auftritt. Da sie für sich in Anspruch nehmen, die „wahren“ Marxisten-Leninisten zu sein, während sie uns (und weiten Teilen der kommunistischen Bewegung) zugleich dieses Selbstverständnis und diesen Anspruch an uns selbst absprechen und uns stattdessen als „Rechtsopportunisten“ und „Revisionisten“ bezeichnen, nennen wir sie im Folgenden KO-ML.
Wir hatten uns entschieden, der Einladung zu folgen und mit ein paar – wohlgemerkt wenigen – Genossen an der Veranstaltung teilzunehmen. Wir hatten das ernsthafte Interesse, die Diskussion im öffentlichen Raum zu führen. Wir sind explizit nicht gekommen, um die Veranstaltung zu stören, was wir auch mehrmals deutlich gemacht haben. Die KO-ML behauptet in ihrem Bericht1https://kommunistische.org/aktion/erfolgreiches-antifaschistisches-tagesseminar-in-frankfurt/, es sei ein geplanter Störversuch gewesen, was nicht zutrifft und was auch aus unserem Verhalten nicht hervorging.
Wenn die KO-ML in Frankfurt zu einem „Antifaschistischen Tagesseminar“ einlädt, ist es selbstverständlich, dass wir daran teilnehmen. Das würden wir auch bei Veranstaltungen anderer Organisationen machen, sei es die VVN oder die DKP. Es kommt hier jedoch erschwerend hinzu, dass die Veranstaltung unter unserem Namen stattfand. Wir haben das Angebot, das die KO-ML hier gemacht hat, inhaltlich ernst genommen und wollten am Tagesseminar teilnehmen und wissen, was in unserem Namen über Faschismus und Antifaschismus gesagt wird.
Nach unserer etwas verspäteten Ankunft haben wir uns ruhig auf die freien Plätzen im Raum gesetzt. Wir waren gerade dabei unsere Jacken auszuziehen, als schon die Anmoderation unterbrochen wurde: „Ihr seid hier nicht willkommen.“ Wir fragten, warum und bekamen nur leere Sätze, wie „das wisst ihr schon selber“, als Antwort. Sofort bauten sich mehrere KO-MLer vor uns auf, um zu signalisieren, dass sie auch bereit waren, uns körperlich hinauszudrängen. Da wir immer noch die Gründe für unseren sofortigen Rausschmiss erfahren wollten, sind wir erstmal sitzen geblieben. Ein KO-MLer hat dann einer Genossin den Stuhl weggerissen und sich bedrohlich vor ihr aufgebaut. Daraufhin haben wir die Situation gefilmt, was wohl verhindert haben dürfte, dass es zu weiteren körperlichen Angriffen kam. Wir haben uns dann entschieden, zu gehen, um eine weitere sinnlose Eskalation zu vermeiden. Das unsouveräne und direkt aggressive Auftreten der KO-MLer war auffällig. Auffällig war auch, dass sie kein Problem darin sahen, sich mit vier Männern derart bedrohlich vor den drei Genossinnen aufzubauen, die sich vorne an den freien Tisch gesetzt hatten.
Dieses Phänomen des Mackergehabes ist interessanterweise gerade in den Teilen der Bewegung besonders häufig anzutreffen, die sich als Vorkämpfer für die Rechte der Frauen aufspielen. Das aggressive und mackerhafte Auftreten der ehemaligen Genossen gegenüber Genossinnen und Genossen der KO verurteilen wir aufs Schärfste. Wir wurden dann von den KO-MLern aus dem Raum „eskortiert“ und ein KO-MLer schubste einen Genossen beim Hinausgehen.
Wir finden es krass, dass solche Mittel von den ehemaligen Genossen gegen uns angewendet werden, obwohl wir sehr klar gemacht haben, dass wir ruhig und sachlich mitdiskutieren wollen. Ebenfalls krass finden wir es, dass die anderen Anwesenden dieses Vorgehen ohne verbalen Einspruch geduldet haben. Wir finden Gewaltanwendung und Bedrohung überhaupt keine akzeptablen Mittel der Auseinandersetzung und warnen davor, dass dies zur Normalität wird. Wir kennen grenzüberschreitendes Verhalten unserer ehemaligen Genossen bereits vom Prozess ihrer Abspaltung. Wir werden weitere Bedrohungen und Übergriffe nicht akzeptieren.
Faschismus in der Ukraine? Aber was ist mit…
Wir nehmen diese Erfahrung als Anlass, um über den Verfall von Teilen der Bewegung zu reflektieren. Wir werden hier nur die wichtigsten Aspekte dieser Erfahrung herausgreifen und verstehen diese Reflexion als ersten Ansatz für weitere Auseinandersetzungen mit der sich zum Teil im Verfalls- und Auflösungsprozess befindlichen Bewegung in Deutschland.
Das Thema Faschismus wirft brennende Fragen der Gegenwart auf, z. B. wenn es um die Anwendung auf die aktuellen Verhältnisse in der Ukraine geht. Während der Faschismus in der Ukraine sehr offensichtlich wütet, sich in Staat und Gesellschaft festsetzt und sich Antifaschisten seit langem in einem harten Kampf befinden, wird in der deutschen Linken sehr oft mit folgendem Reflex auf dieses Thema reagiert: Aber was ist mit Russland? Oder wahlweise: Willst du etwa russische Kriegspropaganda verbreiten?
Aus den Diskussionen im letzten Jahr im Rahmen des Spaltungsprozesses, haben wir die Kontroversen zum Thema Faschismus gut in Erinnerung. Die Behandlung der Frage des Faschismus in der Ukraine wurde verweigert, solange nicht auch „der Faschismus“ in Russland thematisiert wird. Die Aussage, dass der Faschismus ein Instrument in den Händen der führenden NATO-Staaten ist und wie sich dies konkret in der Ukraine ausdrückt, wurde kritisiert, weil diese Fragestellung die russische Legitimation für ihren imperialistischen Angriffskrieg befördern würde.
Gleichzeitig wurde ein Text von einem KO-MLer zur Gruppe Wagner veröffentlicht,2https://kommunistische.org/diskussion/die-gruppe-wagner-faschisten-die-objektiv-antifaschistisch-in-der-ukraine-kaempfen/ der auf der Grundlage eines reißerischen Erfahrungsberichts eines ehemaligen Söldners die These kolportiert, zwischen den Herrschaftsformen in der Russischen Föderation und der Ukraine gäbe es keinen Unterschied und Russland agiere mit faschistischen Mitteln in aller Welt. Das Narrativ über den russischen Aggressor wurde hier durch eine weitere vermeintliche „antifaschistische“ Komponente erweitert.
Aus dem Bericht der KO-ML zu ihrem Seminar in Frankfurt ist die politische Absicht erkennbar, den Faschismus in der Ukraine klein zu reden und mit dem „Kriegsregime“ Russlands gleichzusetzen: „Auch wenn in der Ukraine eine starke faschistische Bewegung und auch ein reaktionärer Umbau des Staates festgestellt werden kann, blieb die Frage offen, welche Kapitalfraktion gerade in der Ukraine auf die offene faschistische Diktatur setzt und was die Ukraine hier von anderen reaktionären Staaten, in der Minderheiten brutal unterdrückt und Organisationen der Arbeiterklasse zerschlagen werden, qualitativ unterscheidet. Zumindest tendenziell lassen sich dieselben Entwicklungen auch im russischen Staat beobachten, der ein immer autoritäreres Kriegsregime errichtet, gegen Organisationen der Arbeiterklasse repressiv vorgeht und für seine Kriegsführung auf Faschisten setzt.“3https://kommunistische.org/aktion/erfolgreiches-antifaschistisches-tagesseminar-in-frankfurt/
So wird verschleiert, relativiert und verharmlost, was die NATO in der Ukraine angerichtet hat. Diese Aussagen stehen im schreienden Gegensatz zu den einfachsten Tatsachen wie diesen: In der Ukraine werden Kommunisten seit Jahren verfolgt und ermordet, die Partei ist verboten, während in Russland eine KP die größte Oppositionspartei ist und antifaschistische und sowjetische Traditionen in der gesamten Gesellschaft lebendig sind, während in der Ukraine das Regime den Nazi-Massenmörder Bandera zum nationalen Helden erklärt hat und überall zur Vernichtung der Russen und der russischen Kultur aufgerufen wird – die einfachste Tatsache, dass der Westen seit 1991 und schon lange davor die ukrainischen faschistischen Organisationen aufgebaut, finanziert und bewaffnet hat. Im Bericht der KO-ML heißt es: „Die anschließende Diskussion zeigte schnell, dass der Faschismusbegriff in all diesen Texten in erster Linie polemisch verwendet wird oder aber einige herausgelöste Merkmale des Faschismus herhalten mussten, um wahlweise Russland oder die Ukraine in Gänze als faschistisch zu charakterisieren.“ Die KO-ML verleumdet wieder einmal die konkrete Beschäftigung mit dem Faschismus in der Ukraine und impliziert abermals: Russland ist mindestens genauso faschistisch. Wir können im Nachhinein sehr gut nachvollziehen, warum der KO-ML unsere Teilnahme an der Diskussion sehr unangenehm gewesen wäre, denn eine derartige Verzerrung der Wirklichkeit zugunsten der NATO-Propaganda hätten wir bestimmt nicht kommentarlos stehen gelassen. Es stellt sich die Frage, was ein Seminar zum Thema Faschismus bedeutet, wenn am Ende des Tages ein Regime wie das in Kiew, das recht einfach als Neuauflage und Kontinuität des faschistischen Banderismus – als Instrument für den Krieg gegen Russland zu erkennen ist, nicht erfasst wird und nicht zum Kampf gegen seine Herren in Washington und Berlin aufgerufen wird.
Die Anbiederung der KO-ML an die linksradikale Szene
Die KO-ML drückt das Anbiedern eines weiteren Teils der kommunistischen Bewegung an die linksradikale Szene aus – in einer Zeit, in der deren offener Marsch in die Reihen der Herrschenden besiegelt zu sein scheint. Zu erkennen war dies sowohl beim Verhalten der KO-ML am 1. Mai, als ihr das Wohlwollen der linksradikalen Gruppen so wichtig war, dass sie den Angriff auf unser Banner geduldet und sich danach von uns distanziert haben. In den sozialen Medien feierten ihre Mitglieder den Übergriff ganz unverhohlen.
Inhaltlich bewegen sie sich entlang des Mainstreams der Bewegung: Unfähig eine klare Haltung gegenüber der NATO-Aggression zu artikulieren, sondern immer wieder in eine äquidistante Position abrutschend, die in der politischen Wirklichkeit auf eine Relativierung der NATO-Aggression hinausläuft und den Kampf gegen den Gegner NATO und deutscher Imperialismus vermeidet.
Die Verurteilung des „imperialistischen Russlands“ trägt sie wie ein Eintrittsersuchen für die Aufnahme in der „Szene“ vor sich her. In diesem Zusammenhang steht auch ihre Artikulationsunfähigkeit, sobald sie es mit kritischen Positionen zu tun hat. Es zeichnet sich ab, dass die Reise der KO-ML mitten in die gleiche Bewegung, die es seit Jahrzehnten nicht vermag, sich der „antideutschen“ Reaktionäre zu entledigen, sich diesem Staat immer weiter anbiedert und von der nur radikale Phraseologie übrig bleibt, die sich wunderbar in die Heimatfront einfügt.
Gesamtgesellschaftlich sieht die politische Lage düster aus. Das Potential einer Massenbewegung gegen die rasante Militarisierung, gegen den Geschichtsrevisionismus und gegen die Kriegstreiberei bei gleichzeitigem Druck gegen die Arbeiterklasse wird erstickt. Repression und rechtsnationale Vereinnahmung stellen die einen Instrumente der herrschenden Klasse dar. Aber auch die Mobilisierungen der sogenannten „linken Szene“ geben der Kriegspolitik Rückendeckung, indem sie jede Antikriegsregung als „russisch manipuliert“ angreifen.
Diese Methoden sind von uns als Instrumente der Herrschenden gegen die Arbeiterklasse zu identifizieren und zu analysieren. Dass unsere ehemaligen Genossen keine Immunität gegen solche Einbindungsmechanismen in den herrschenden Diskurs vorweisen, dass sie keine Klasseninstinkte gegen diese Angriffe gegen die Arbeiterklasse haben, erschüttert uns. Man mag uns Naivität vorwerfen hinsichtlich dieser Phänomene. Man wird uns aber nicht vorwerfen können, dass wir leichtfertig davon ablassen, immer wieder den Versuch zu unternehmen, um den Klassenstandpunkt in der Bewegung zu ringen.
Die Realität von zwei KOs
Gut fünf Monate ist es nun her, dass die Spaltung der Kommunistischen Organisation formal vollzogen wurde, als zwei außerordentliche Kongresse an zwei unterschiedlichen Orten stattfanden. Die Realität von zwei Organisationen innerhalb der einen KO war schon zuvor gegeben und zeigte sich im offenen Bruch mit dem Demokratischen Zentralismus durch Mitglieder im Herbst 2022. Die Spaltung fand ihren vorläufigen Höhepunkt in der vollständigen Unterschlagung sämtlicher Mittel der KO durch den Teil der Organisation, der seit einem Jahr durch Zersetzung mehr Schaden in unserer politischen Arbeit angerichtet hat, als der Staat, Nazis, die Antideutschen oder die Sozialdemokratie zusammen. Mit dem Feind in den eigenen Reihen hatten wir in dieser Form noch nicht gerechnet. Wir haben uns trotzdem mit der weiteren Ausschlachtung der Ereignisse seit der Spaltung zurückgehalten, weil wir darin keinen politischen Gewinn sahen. Unseriöse Beschimpfungen und Verunglimpfungen, v. a. im Internet, sei es als „Revisionisten“, „Putinisten“ oder als „Reaktionäre“ haben wir der KO-ML überlassen und uns nicht veranlasst gesehen, uns an ihnen abzuarbeiten. Wir werden weiterhin versuchen, die Kritik an ihnen auf einer politischen Ebene zu halten, weil sie nur so sinnvoll und nachvollziehbar ist.
Bereits vor, aber auch seit der Spaltung sind einige KO-MLer dazu übergegangen, uns ohne jede Hemmung zu diffamieren. Auf Social Media hetzen ehemalige Genossen gegen uns als „Putinisten“, „Revisionisten“ und anderes. Sie rechtfertigen den Angriff am 1. Mai auf uns, weil wir mal „Grenzen aufgezeigt bekommen” müssten. In Frankfurt am Main werden von einem ehemaligen Genossen Gerüchte und Lügen über uns verbreitet. Wir wollen das an dieser Stelle öffentlich machen, damit Personen, die davon hören, entsprechend darauf reagieren können und wissen, dass sie es mit nichts als Verleumdung zu tun haben.
Wir finden die es bemerkenswert, wie sehr die KO-ML in ihrer Entwicklung den K-Gruppen aus den 1970er Jahren ähnelt. Auseinandersetzungen und Diskussionsbeiträge, die die Bewegung in ihren Kämpfen weiterbringen, vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Kriegssituation, stellen offensichtlich eine Überforderung für sie dar. Stattdessen die oben beschriebene Anbiederung. Der Sog der bürgerlichen Ideologie, hier konkret in seiner linksradikal-liberalen Erscheinung, scheint zu stark zu sein.
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