In wenigen Tagen feiern die Zionisten und ihre westlichen Verbündeten den 73. Geburtstag des Staates Israel, der am 14. Mai 1948 gegründet wurde. Für Millionen Menschen weltweit aber ist es der Tag der Nakba, der palästinensischen Katastrophe. Als Kommunisten stehen wir an der Seite der Unterdrückten, daher steht für uns dieses Datum für die anhaltende Vertreibung der Palästinenser.
Die Nakba ist nicht vorbei
Während der Nakba 1947 bis 1949 wurden mehr als 700.000 Palästinenser durch die zionistischen Kolonialtruppen aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben. Tausende wurden ermordet.[1] Diese ethnische Säuberung war der blutige Geburtsakt des israelischen Staates – und er war nur der Auftakt zu weiteren Aggressionen des Zionismus im Nahen und Mittleren Osten: Die israelischen Invasionen, Anschläge und Massaker gegen die Palästinenser, die arabischen Nachbarländer und den Iran sind längst nicht mehr zählbar. Ein Höhepunkt war 1967 die Eroberung ganz Palästinas und die Annexion Jerusalems. Zwischen 2009 und 2014 bombte das israelische Militär das Ghetto von Gaza gleich drei Mal in Schutt und Asche. Den dort eingesperrten 2 Millionen Menschen fehlt es aufgrund der israelischen Blockade bis heute an Material, um ihre Häuser wieder aufzubauen, von Medizin ganz zu schweigen. Wer am Grenzzaun von Gaza gegen dieses Elend protestiert, wird kurzerhand erschossen. Ähnlich gehen die zionistischen Kolonialisten im besetzten Westjordanland vor: Morde durch die Besatzungstruppen und Anschläge durch radikale Siedler sind dort genauso Alltag wie die Schikanen und Erniedrigungen, die die Palästinenser an den Checkpoints und der Apartheidsmauer ertragen müssen. Und auch der Landraub und die Zerstörung palästinensischer Häuser schreiten mit dem zionistischen Siedlungsbau tagtäglich voran. Daher haben die Palästinenser Recht, wenn sie sagen, dass die Nakba in Wahrheit nie beendet wurde. Was aktuell im Stadtteil Sheikh Jarrah in Jerusalem geschieht, macht das deutlich: Die israelische Regierung, die Gerichte, die Sicherheitsbehörden und die Siedler arbeiten aufs Engste zusammen, um palästinensische Familien aus ihren Häusern zu vertreiben. Protest und Widerstand werden mit Gewalt gebrochen.[2] Sheikh Jarrah ist die Fortsetzung der Nakba!
Internationalismus verteidigen!
Häufig wird die Frage gestellt, wieso sich immer wieder alles um den sogenannten Nahostkonflikt dreht. Wieso sprechen wir nicht über Kaschmir oder die Westsahara? Nun, auch das tun wir. Aber das ist kein Argument, sich nicht zum Palästinakonflikt zu verhalten. Vor allem aber verkennt eine solche Frage, dass der Palästinakonflikt eine besondere Dimension hat, gerade hier in Deutschland. Damit meinen wir nicht die »besondere Verantwortung« Deutschlands für Israel, von der die bürgerlichen, pro-zionistischen und imperialistischen Politiker und Medien schwadronieren. Sie reduzieren den deutschen Faschismus gezielt auf seinen Antisemitismus, um Israel vor jeglicher Kritik abzuschirmen und zugleich Roma weiterhin zu diskriminieren, gegen Russland aufzurüsten, ehemaligen KZ-Gefangenen die Rente zu verwehren, alte und neue Nazis zu schützen und Kommunismus mit Faschismus gleichzusetzen.
Nein, es geht um die Tatsache, dass der Palästinakonflikt in der BRD innenpolitisch instrumentalisiert wird, um linke Grundpositionen zu untergraben und zu diskreditieren: Israel ist ein zutiefst rassistischer Kolonialstaat. Israel ist ein extrem aggressiver Staat, eine Atommacht mit einer hochmilitarisierten Gesellschaft und mit einer Armee, in der nahezu die gesamte nicht-arabische Bevölkerung Dienst leisten muss und die ihre Aufstandsbekämpfungstaktiken und neue Waffensysteme regelmäßig an den Palästinensern testet. Und doch trauen sich aufgrund der zunehmend hysterischer werdenden Hetze immer weniger Menschen, den dortigen Rassismus und die israelische Kriegspolitik anzuprangern. Ja nicht einmal dann, wenn Deutschland Waffen an dieses hochgerüstete Land liefert, wird annähernd ähnlicher Protest geäußert, wie wenn dieselben Rüstungsgüter an andere Verbündete wie die Türkei oder Saudi-Arabien gehen. Es geht also darum, dass wir hier im Zentrum des westlichen Imperialismus nicht mehr Stellung beziehen sollen gegen Krieg und Rassismus! Wer dies doch tut, dem werden Räume verweigert, dessen Ruf wird öffentlich ruiniert – seit der Antisemitismus-Resolution des Bundestages sind zumindest theoretisch sogar Abschiebungen wegen als Antisemitismus klassifizierter Kritik an Israel möglich!
Diese Diffamierungskampagnen reichen weit hinein in die politische Linke und in die Gewerkschaften. Sie dienen der Schwächung internationalistischer und klassenkämpferischer Kräfte in der Arbeiterbewegung. Ausdruck davon sind die Anti-BDS-Resolutionen etwa der DGB- und der Verdi-Jugend. Aber auch auf Demonstrationen kommt es regelmäßig zu Konflikten, Anfeindungen und Ausschlüssen, wenn Palästina-Flaggen gezeigt werden. Der B.Z. reichten solche Fahnen kürzlich, um zu behaupten, auf dem 1. Mai in Berlin seien »Judenhasser« mitgelaufen.[3] Um das Thema zu umgehen, gibt es seit vielen Jahren »Nationalfahnen-Verbote« auf linken Demos. Diese schlecht versteckte Entsolidarisierung mit einem unterdrückten Volk kann für uns nur Anlass sein, die Fahne Palästinas noch höher zu halten!
Solidarität bedeutet Klarheit und Selbstkritik
Unsere Solidarität jedoch muss in ihrer Form klar und konkret sein. So eindeutig das Bekenntnis der Kommunisten zur Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf ist, so unkonkret ist diese Solidarität häufig.
Palästina ist eine unterdrückte Nation, eine der letzten Kolonien des westlichen Imperialismus. Das heißt, es ist die nationale Befreiung, die in Palästina auf der Tagesordnung steht. Diese Tatsache hat sich seit hundert Jahren, als die Kommunistische Internationale auf ihrem Kongress der Völker des Ostens die antikoloniale Revolution ausrief,[4] nicht geändert. Der Volkswiderstand in Palästina hat seit je her verschiedene Formen angenommen – vom friedlichen Protest über den Generalstreik bis hin zum bewaffneten Kampf. All diese Formen des Widerstands sind legitim. Der Widerstand ist breit – er umfasst Bauern und Arbeiter wie auch Kleinbürger, nationalistische wie auch sozialistische Kräfte, Säkulare wie auch Religiöse. Auf der Grundlage des Ziels der nationalen Befreiung gilt unsere Solidarität grundsätzlich all diesen Kräften. Die Gleichsetzung etwa islamischer Widerstandsorganisationen mit den zionistischen Kolonisatoren lehnen wir ab.[5]
Trotzdem gibt es für uns, wie auch für die kommunistische Bewegung insgesamt, notwendige Fragen, die wir klären müssen, wenn wir unsere Solidarität ernst meinen: Welchen palästinensischen und auch israelischen Kräften gilt unsere Unterstützung, welche Strategie für die Befreiung ist die richtige? Dafür müssen wir uns mit prinzipiellen Fragen, etwa nach dem Charakter des Staates Israel als Siedlerkolonie, auseinandersetzen. Aber auch Dogmen wie die Zweistaatenlösung, an der offiziell fast alle kommunistischen Kräfte festhalten, gilt es zu hinterfragen.[6] Damit einhergehen muss die kritische Auseinandersetzung mit unserer eigenen Geschichte: Wir gedenken heute der Nakba, die ein grausames Unrecht und ein Akt imperialistischer Aggression war. Tatsache ist jedoch, dass die Sowjetunion der Teilung Palästinas 1947 in der UNO zustimmte und dass die Tschechoslowakei, die damals unter sowjetischem Einfluss stand, die zionistischen Milizen aufrüstete und militärisch unterstützte.[7] Dieses Kapitel unserer Geschichte wird zumeist totgeschwiegen oder aber relativiert. Wir werden aber nicht umhin kommen, uns mit ihm auseinanderzusetzen und gegebenenfalls Selbstkritik zu leisten. Dieser kritische Blick zurück ist notwendig, um alte Fehler nicht zu wiederholen und für die Zukunft die richtige Strategie gegen den Imperialismus und im Sinne einer konsequenten Solidarität mit den Palästinensern zu erarbeiten.
Es lebe der Befreiungskampf des palästinensischen Volkes!
Hoch die internationale Solidarität!
[1] Siehe hierzu den Klassiker von Ilan Pappé: Die ethnische Säuberung Palästinas, https://docplayer.org/51614249-Die-ethnische-saeuberung-palaestinas.html.
[3] https://www.bz-berlin.de/berlin/judenhasser-marschierten-bei-den-mai-demos-in-berlin.
[4] 1920 rief die Komintern eine Konferenz in Baku, der heutigen Hauptstadt Azerbaidschans, zusammen, um im Bündnis mit nicht-kommunistischen antikolonialen Kräften eine antiimperialistische Strategie zu erarbeiten. An ihr nahmen 1900 Delegierte aus Asien und Europa teil.
[5] Nicht selten wird insbesondere die Islamische Widerstandsbewegung (Hamas) als angeblich spiegelbildliches Übel auf eine Stufe mit Israel und den zionistischen Kolonialherren gesetzt. Solche Töne schlug etwa der Kommunistische Aufbau in seinem kürzlich veröffentlichten Positionspapier zum Palästinakonflikt an: https://komaufbau.org/die-nationale-frage-in-palaestina-und-israel.
[6] Ausnahmen bilden die palästinensischen Organisation PFLP und seit wenigen Jahren auch die Palästinensische Kommunistische Partei. International stehen jedoch nahezu alle kommunistischen Organisationen offiziell für die Zweistaatenlösung. Selbst wenn sie sich, wie zuletzt vor allem die MLPD, in ihrer praktischen Solidarität mit den Palästinensern im Allgemeinen und der PFLP im Besonderen positiv hervortun.
[7] https://deutsch.radio.cz/mgs-fuer-den-juedischen-staat-8161152.