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Repression gegen Palästina-Solidarität – Interview mit Zaid Abdulnasser

Wir veröffentlichen das vollständige Interview mit Zaid Abdulnasser, ehemaliges Mitglied von Samidoun in Deutschland. „Samidoun – Palestinian Prisoner Solidarity Network“ ist eine internationale Organisation, die sich für die Belange palästinensischer Gefangener einsetzt. Sie ist Teil der internationalen Bewegung Masar Badil. Am 2. November wurde Samidoun vom Innenministerium in Deutschland verboten. Gleichzeitig sind Demonstrationen und Kundgebungen in Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand und gegen den Völkermord Israels in Gaza heftigen Repressionen ausgesetzt. Aktivisten ohne deutsche Staatsangehörigkeit werden, auf Grund ihrer politischen Meinung und Arbeit mit Abschiebung bedroht. 

In diesem Interview gibt Zaid einen umfassenden Überblick über die Positionen und die Geschichte von Samidoun, die aktuellen massiven Repressionen gegen pro-palästinensische Solidarität und die Aushöhlung demokratischer Grundrechte durch den deutschen Staat. Zaid erklärt die Notwendigkeit, angesichts dieser massiven Repression an der Grundposition des Kampfes für die nationale Befreiung Palästinas festzuhalten. Er entlarvt den Rassismus gegen Araber und Muslime und die offene Unterstützung Deutschlands für die Besatzung.

Das Interview wurde am 12. November aufgenommen.

https://www.youtube.com/watch?v=5P-wq8Oc328

Schriftliche Version des Interviews

Schriftliche Version des Interviews

Also erst mal zu den Vorwürfen bezüglich PFLP, Hamas: Samidoun wurde als Arm der PFLF bezeichnet, als Arm der Hamas bezeichnet, als Arm des Islamischen Jihad bezeichnet, als Arm des Irans bezeichnet. Das ist eine typische Taktik, besonders in westlichen Ländern. Es wird versucht, eine Gruppe, die politische Arbeit zum Thema Palästina leistet, mit einer verbotenen Organisation zu verbinden, um sie auch zu verbieten. Und wenn diese Verbindung nicht besteht, dann wird sie hergestellt, indem sie diese Vorwürfe immer wieder wiederholen, bis sie greifbar genug sind, sodass sie es als Ausrede benutzen können. Aber wenn es tatsächlich Verbindungen zwischen Samidoun und irgendwelchen Fraktionen gäbe, dann hätten sie §129b benutzt. Es gibt doch ein Gesetz für diese Fälle. Das haben sie aber nicht. Weil sie es nicht nutzen können, weil diese Verbindungen überhaupt nicht bestehen. Wir begrüßen natürlich alle Widerstandskräfte Palästinas, aber Samidoun ist kein Teil irgendwelcher palästinensischen Fraktionen. Es ist eine selbstständige Organisation von Aktivisten, die weltweit für die palästinensischen Gefangenen arbeitet. Zum zweiten Teil: Also Samidoun hat natürlich nie zu Gewalt aufgerufen. Ich würde zu nichts aufrufen, was ich selbst nicht mache. Aber was sie hier versuchen zu sagen, ist, dass der palästinensische Widerstand illegitim ist, dass die Unterstützung des Widerstands bereits ein Aufruf zur Gewalt sei. Der palästinensische Widerstand ist legitim. Und das ist er nicht nur, weil wir Palästinenser sind und wir denken, wir müssen uns befreien etc. sondern das ist auch vom internationalen Recht garantiert, besetzte Völker haben das Recht auf bewaffneten Widerstand. Der Staat versucht irgendwie dieses Bild herzustellen, dass der palästinensische Widerstand terroristisch sei, als ob Deutschland, die USA, Großbritannien, Frankreich oder die EU überhaupt in der Lage wären zu bestimmen, wer als terroristisch einzustufen ist. Das sind die Länder, die in den letzten 100 Jahren massenhaft Mord und Tod und Genozid in der ganzen Welt verübt haben. 

Hunderte von Millionen von Menschen sind von diesen Ländern getötet worden. Durch die Weltkriege, durch die kolonialen Aktivitäten dieser Länder. Die Kriege im Irak, in Afghanistan, in Libyen etc…sie haben kein Recht darauf zu sagen, wer terroristisch ist, sie selbst sind die Terroristen. Und der palästinensische Widerstand hat nie auf die Zustimmung dieser westlichen barbarischen Regierungen gewartet. Das palästinensische Volk und die Völker der Welt akzeptieren und unterstützen diesen Widerstand. Sie brauchen die Unterstützung der westlichen Regierungen nicht und das erwarten wir auch nicht.

Diese Forderung, sich von Hamas zu distanzieren. Es gibt zwei unterschiedliche Ausgangspunkte. Aus der Sicht des Staates ist kein Widerstand legitim. Also der deutsche Staat sieht keinen palästinensischen Widerstand. Er sieht nur Terrorismus gegen die Bevölkerung der Siedler im besetzten Palästina. Da kann man nicht wirklich argumentieren, da dort das grundlegende Verständnis dafür fehlt, dass Palästina besetzt ist und Widerstand legitim ist. Andererseits gibt es andere Akteure wie zum Beispiel die deutsche Linke. Die haben dieses Verständnis: Es [Israel] ist eine Kolonie im Nahen Osten, es ist eine Kolonie in der arabischen Welt, die die Interessen der Imperialisten vertritt. Widerstand gegen diese Besatzung ist legitim. Aber sie wünschen sich einen kommunistischen Widerstand, damit sie diesen Widerstand von ihren Sofas aus unterstützen können. Und ich glaube, da gibt es ein enormes Missverständnis, auch eine enorm eurozentristische Ansicht gegenüber Palästina. Palästina ist ein Teil der arabischen Welt und der Islam gehört zur arabischen Welt, gehört zur Gesellschaft und gehört auch zum palästinensischen Befreiungskampf. Zum Beispiel der militante Arm von Hamas, der Al-Qassam-Brigaden heißt. Izz ad-Din al-Qassam ist ein Imam, der 1935 im heutigen Syrien geboren wurde. Er kämpfte gegen die Franzosen, kam dann nach Palästina und hat da die ersten organisierten Zellen gegen die Briten aufgebaut und ist dann in diesem Kampf gestorben. 

Und sein Tod hat die Revolution von 1936 bis 1939 gestartet. Und diese Revolution war so enorm in Palästina, dass es am Ende der Revolution mehr britische Soldaten in Palästina gab als in Indien. Da gab es einen Generalstreik über Monate in Palästina. Zur Rolle des Islams: er organisierte die Leute in den Moscheen. Auch heutzutage spielt der islamische Widerstand eine Führungsrolle im Befreiungskampf. Es gab eine Zeit, in der die PFLP, also die marxistisch-leninistische Widerstandsfraktion oder Fatah, die nationalistische Widerstandsfraktion, den Kampf geführt haben. Heutzutage haben sie eine kleinere Rolle und die islamischen Kräfte sind stärker. Und man muss dann auch verstehen, dass im nationalen Befreiungskampf der Hauptwiderspruch zur Besatzung besteht und andere Widersprüche innerhalb der Bewegung sekundär sind.

Das verstehen auch die marxistisch-leninistischen Fraktionen in Palästina, die PFLP oder DFLP. Sie unterstützen Hamas vollständig. Sie sind Teil des Kampfes in Gaza heutzutage. Sie verteidigen Gaza mit Hamas, mit al Dschihad etc. gegen die Besatzung. Es ist also tatsächlich eine sehr arrogante Vorstellung von Menschen, die zwei Bücher gelesen haben und keine materielle Erfahrung in einer Revolution und im Befreiungskampf haben. Sie denken, sie sind in der Lage, diese Leute, die an der Front kämpfen und ihr Leben für Palästina opfern, zu verurteilen. Also wenn das kein Eurozentrismus ist, dann habe ich keine Ahnung, was das sein soll. Wenn du siehst, dass du mit der Position des Staates 100 % übereinstimmst, dann musst du dich fragen, was mache ich hier falsch? Habe ich was falsch verstanden? Und es ist die Vorstellung des Staates. Insbesondere in Zeiten der Krise, spielt der Staat eine enorme Rolle und die Kriegsmedien spielen eine enorme Rolle für die Emotionalisierung der Gesellschaft, damit plötzlich alles geht. 

Sie können auf einmal alles machen, was sie wollen. Sie haben Demos verboten, sie haben Slogans verboten. Jetzt werden Leute bestraft, weil sie “Kindermörder Israel” sagen, weil sie sagen, dass es einen Genozid in Gaza gibt, weil sie sagen “From the river to the sea – Palestine will be free”. Personen werden auf Demos festgenommen, weil sie Schilder mit diesen Slogans haben. Gleichzeitig, in einem größeren Sinne, wird die Flüchtlingspolitik enorm verschärft. Der Waffenhandel Deutschlands mit der Besatzung hat sich in den letzten Monaten verzehnfacht und die militärische Unterstützung für die Ukraine wird sich nächstes Jahr verdoppeln. Und gleichzeitig sind die Lebensbedingungen in Deutschland schlimmer geworden. Leute können sich nichts mehr leisten etc. Aber in dieser Situation werden die “bösen, barbarischen Palästinenser auf unseren Straßen” zum Feind erklärt. Der Staat macht es immer so. In Zeiten der Krise sucht man sich immer einen Feind und nutzt die Chance, um die Bevölkerung zu emotionalisieren, und dann können sie alles machen, was sie wollen. Es war dasselbe bei 9/11, es war dasselbe vor dem Krieg in Afghanistan, vor dem Krieg im Irak, vor dem Krieg in Libyen. Wenn diese imperialistische Staaten Scheiße bauen wollen, dann fängt es mit den Medien an, der Dämonisierung von bestimmten Teilen der Gesellschaft und anderer Gesellschaften. Das ist typisch und es passiert die ganze Zeit. Wir haben das so oft gesehen. Und nach zehn Jahren denkt man: “Ah, dieser Krieg in Irak war nicht gut”; “Die Unterstützung vom Apartheidregime in Afrika war nicht wirklich gut”; “Dieser Krieg in Afghanistan war nicht gut”; “Was in Libyen passiert ist, ist eigentlich schlimm, aber das wussten wir nicht” etc.. Aber danach wiederholen sie die Muster doch wieder und wieder. Deutschland war immer auf der falschen Seite. Es war auf der falschen Seite mit Südafrika sogar, also Westdeutschland damals. 

Jetzt sind sie die Helden, aber in der Zeit waren sie die Terroristen, die Barbaren, die die Zivilbevölkerung töteten und keine Ahnung was. Das ist historisch, Deutschland lernt nicht aus seiner Geschichte. Wenn es etwas gelernt hätte, dann wären jetzt alle Deutschen auf der Straße, weil Deutschland jetzt aktiv den Genozid in Gaza unterstützt. Dann wäre zum Beispiel Olaf Scholz jetzt in Den Haag. 

Uns wird auch vorgeworfen, dass wir das friedliche Zusammenleben der Völker in Deutschland gefährden würden. Wir sagen: Deutschland und der deutsche Staat gefährden das friedliche Zusammenleben in Deutschland. Weil dieser Staat in den letzten Monaten Millionen von Menschen, Millionen von Palästinenser, Araber, Türken, Kurden, auch Deutsche entfremdet und ihnen extreme Gewalt angetan hat, mit Demoverboten, physischer Gewalt und Angriffen der Bullen auf friedliche Demonstrationen. Diese Leute fühlen sich nicht mehr sicher. Und es sind Leute, die sich in Deutschland wirklich entfremdet fühlen. Das sehen wir auch in unseren Kreisen. Leute sehen Deutschland jetzt ganz anders. 

Das alles wird unter dem Deckmantel der Bekämpfung des Antisemitismus gemacht. Und das ist auch gefährlich für die Juden in Deutschland. Was sie sagen, ist mehr oder weniger: wenn du sagst, das, was in Gaza passiert, sei ein Genozid, dann bist du Antisemit. Wenn du dich für die Befreiung Palästinas einsetzt, dann bist du Antisemit. Das führt dazu, dass die Besatzung die Juden repräsentiert. Der Genozid in Gaza repräsentiert die Juden und das wird immer und immer wiederholt. Dass irgendwelche Kritik gegenüber dieser Besatzung ein Angriff auf Juden sei. Das wird dazu führen, dass das Leute tatsächlich glauben. Wenn der Staat das die ganze Zeit wiederholt, werden die Leute auch glauben: “Ah, das sind doch die Juden, die den Genozid in Gaza verursacht haben, und das sind Juden, die auch hier wohnen”. 

Das ist gefährlich, das ist extrem gefährlich. Es war Samidoun’s Arbeit und auch die Arbeit von allen Palästinensern, diese Gleichsetzung zwischen den Verbrechen in Palästina und Judentum zu trennen. Wir denken nicht, dass das, was gerade in Gaza passiert, das Judentum in irgendeinem Sinne repräsentiert. Es ist eine Kolonie, eine europäische Kolonie in Palästina, die ganz normal handelt wie alle anderen Kolonien in der Geschichte. Sie sieht das einheimische Volk als Untermenschen, die getötet werden können, die vernichtet werden können, die vertrieben werden können. Das ist typisch für die Kolonialisten, das haben wir in französischen Kolonien gesehen, in belgischen Kolonien gesehen, in deutschen Kolonien gesehen. Alle Kolonien der Welt haben diese Vorstellung und haben auch entsprechend gehandelt. Wir haben ein Problem mit dieser Kolonie und nicht mit Juden oder dem Judentum. 

Und hier ist es extrem geschmacklos, das Wort Vernichtung zu nutzen. Besonders, wenn es von Deutschland kommt. Denn die Vernichtung der Juden ist die deutsche Geschichte. Es war nie die palästinensische Geschichte und wird nie die palästinensische Geschichte sein. Es ist die palästinensische Revolution und der palästinensische Befreiungskampf, der immer diese Gleichsetzung zwischen Judentum und Zionismus abgelehnt hat. Das steht sogar in der Charta von 1967, das in den Flüchtlingslagern in Jordanien geschrieben wurde, von allen Widerstandsfraktionen. Da ist diese klare Trennung zwischen beidem zu lesen. Wenn man sagt, wir wollen die Besatzung zerstören, wir wollen ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer, dann heißt es, wir wollen ein freies Palästina, wo alle zusammen leben können. Das ist die Alternative zur Apartheid, das ist die Alternative zum Kolonialismus, das ist die Alternative zur Vertreibung der Palästinenser. Das ist die Alternative dazu, die Palästinenser wie Untermenschen zu behandeln, zum täglichen Töten, zum Genozid, den wir heute in Gaza sehen und zu den tatsächlichen Vernichtungsversuchen in Gaza. Und nicht weil ich das sage, sondern weil hochrangige israelische Politiker, Minister, Premierminister explizit gesagt haben, dass sie alle Palästinenser in Gaza töten und vernichten wollen. 

Es gab auch dem Vorschlag, eine Atombombe auf Gaza zu schießen- das ist Vernichtung, das sind Vernichtungsideologien und das sind Vernichtungspraktiken, die wir heute sehen. Sie greifen Krankenhäuser an, sie greifen Schulen an, sie greifen Journalisten an, sie greifen alle, jegliche Personen an. Mehr als 10.000 sind getötet, fast 5000 davon sind Kinder. Und man sieht keine Empörung in Deutschland. Was sie natürlich zeigen, sind die Fake News mit 40 getöteten Kindern in den Siedlungen. Das zeigt offensichtlich, dass es nicht um humanitäre Vorstellungen Deutschlands gegenüber der Welt geht. Wegen fake 40 Kinder gab es diese enorme Kampagne gegen alle Palästinenser, Verschärfung der Flüchtlingspolitik, diese Angriffe gegen Demos, alles ging. Aber jetzt gibt es 5000 reale Kinder, die getötet wurden. Wo ist die Empörung? Wo sind die deutschen Politiker, die das nicht akzeptieren? Andersherum: Sie unterstützen den Genozid aktiv. 

Die Zweistaatenlösung ist, was wir gerade haben. Das ist die natürliche Entwicklung des Zweistaatenlösungs-Versuchs. Wir haben Siedlungen überall in der Westbank. Wir haben eine quasi Regierung, die von Kollaborateuren geführt wird und als Werkzeug der Besatzung arbeitet. Wir haben ein belagertes Gaza, das heute vernichtet wird. Das ist die Zweistaatenlösung. Die Leute oder die Organisationen, die zur Zweistaatenlösung aufrufen – es gibt manche, die das aus einem Unverständnis heraus machen und es gibt manche, die wissen, was sie machen, zum Beispiel die USA. Für die USA ist so: Wir halten die Lage im Schwebezustand, sodass keiner irgendwas machen kann und gleichzeitig wird die Besatzung mit ihrer Politik einfach weitermachen und stärker werden. 

Und so weiter und so fort, sie kann alles machen, was sie möchte. Gleichzeitig, wenn die Palästinenser irgendetwas sagen: “warte, ihr gefährdet die Zweistaatenlösung”. Es gibt auch komische Vorstellungen, wo die Arbeiterklasse aus Palästina mit der Arbeiterklasse in Israel zusammenkommen soll, um die Besatzung zu zerschlagen. Das ist einfach Schwachsinn. Die Arbeiter in der Besatzung sind Siedler, die von dieser Besatzung aktiv profitieren. Und diese Besatzung hat als Kernideologie Expansion, Vertreibung, Vernichtung, Tötung etc.. Das ist Kern der Praktiken dieser Besatzung. Zweistaatenlösung ist, noch mal, was wir heute sehen, es gibt keine Lösung für Palästina, ohne diese Besatzung zu zerschlagen. Bezüglich der Vorstellung von Zweistaatenlösung kann man sich die Geschichte angucken. Was ist mit historischen Kolonien passiert. Es gibt entweder die Zukunft, wo Palästina sich wie Algerien von den Franzosen befreit, wie die Leute in Südafrika, die das Apartheidregime zerstört haben, wie die Leute in Vietnam, die die amerikanische Besatzung rausgeschmissen haben. Und danach können dann die Leute in Würde und Gerechtigkeit leben. Und das ist ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer, wo Leute einfach als Gleichberechtigte, egal welcher Religion, in Ruhe und in Frieden zusammen leben können. Die zweite Alternative ist dann, wie die Kolonien von Kanada, von USA, von Australien, von Neuseeland, wo die Kolonialisten die einheimische Bevölkerung vernichten. Das sind die beiden Möglichkeiten. Die erste, wo Leute einfach zusammenleben können, wie vor der Besatzung, und die zweite ist die Vernichtung. Und wenn der deutsche Staat denkt, dass ein friedliches Zusammenleben nicht geht und dass diese Siedler ihr eigenes Land haben müssen, dann können sie ihnen einfach Sachsen zur Verfügung stellen. Sie haben nichts in Palästina zu suchen. 

Also der 7. Oktober war tatsächlich eine Wiedergeburt der modernen palästinensischen Revolution. Er hat gezeigt, dass der palästinensische Widerstand in der Lage ist zu kämpfen, initiativ zu handeln. Mehrere Normalisierungsversuche mit arabischen Staaten wurden komplett gestoppt. Es hat dazu geführt, dass mehrere Fronten gegen die Besatzung und gegen Amerika, in Irak und Jemen und so weiter eröffnet wurden. Es hat das wahre Gesicht der Besatzung in der ganzen Welt gezeigt. Was die Besatzung heute in Gaza macht, der Genozid und Tötung von Kinder und Angriffe auf Krankenhäuser und so weiter und so fort- das sehen die Palästinenser täglich seit 75 Jahren. Die Welt wollte es nicht sehen. Aber heute kann man nicht mehr wegschauen. Es ist zu offensichtlich. Und das ist ein klares Signal für jeden, der sagt, erstmal Zweistaatenlösung. Es geht nicht. Der Widerstand hat auch in der Praxis gezeigt, wie die Belagerung von Gaza gestoppt werden kann. Weil in den 17 Jahren, also seit dem Anfang der Belagerung, gab es mehrere diplomatische und politische Kampagnen, Initiativen und so weiter und so fort, um diese Belagerung zu beenden. Es gab diese “marches of return”, wo Leute aus Gaza zur Mauer gelaufen sind. Hunderte wurden getötet. Tausende wurden verletzt, sie schießen gezielt auf die Knie. Es gibt jetzt eine große Bevölkerungsgruppe, die im Rollstuhl sind. Es gab auch mehrere Angriffe auf Gaza, wo der Widerstand sogar nicht geantwortet hat. Wo die Besatzung ein Attentat in Gaza verübte oder einen Angriff auf irgendwelche Stützpunkte oder irgendwelche Gebäude, wo die denken, da gibt es dies und das, wo hunderte von Leuten auch gestorben sind und der Widerstand hat nichts gemacht. Die 17 Jahren haben gezeigt, dass nichts funktioniert hat. Und die internationale Community und UN und EU und keine Ahnung was und auch die arabischen Länder können diese Belagerung nicht stoppen. 

Der Widerstand hat einen klaren Weg zur Aufhebung dieser Belagerung gezeigt. Der 7. Oktober hat auch wiederum die palästinensische Sache zum Ersten Punkt der geopolitischen Diskussionen gemacht. Man hat sehr schnell gesehen, wie sich imperialistische Länder hinter die Besatzung stellten und dass diese Besatzung tatsächlich eine Kolonie des Westens in der arabischen Welt ist. 

Aber besonders in Deutschland, mit den repressiven Mitteln, die wir gesehen haben. Es war tatsächlich absurd. Es war und ist absurd, was in Deutschland passiert ist. Und es ist auch Teil eines globalen Trends, in dem die westliche Staaten versuchen, mit allen Mitteln die Wahrnehmung der Bevölkerung bezüglich geopolitischer Ereignisse zu kontrollieren. Und das machen sie, indem sie Leute angreifen, Medienartikel nach Medienartikel, wo die Leute sich unsicher fühlen und geärgert werden, und so weiter und so fort. Und dann nutzen sie diese Chance, um Gesetze zu schaffen, die sie dann später auch auf allen anderen Gebieten benutzen können. Deswegen also muss es wirklich ein Alarmsignal für alle Personen in Deutschland sein. Samidoun hat ganz normale politische Arbeit geleistet. Sie haben Demos organisiert, Kundgebungen, alles beim Staat angemeldet, Vorträge. Das war ganz normale politische Arbeit. Aber die politische Linie gefällt dem Staat nicht. Und weil es dem Staat nicht gefällt und weil die Lage sich so entwickelt hat, hat der Staat dann diese Mittel auf den Tisch gebracht, womit sie eigentlich jegliche politische Organisation mehr oder weniger verbieten könnten. Denn es gibt keinen strafrechtlichen Hintergrund dahinter. Es geht nur darum, diese Leute haben etwas gesagt, was wir nicht mögen. Und deswegen werden die Rechte, die ja im Grundgesetz stehen, mit Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und keine Ahnung was, sie werden komplett abgeschafft. 

Ich bekam einen Brief vom BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, wo sie sagten, dass der Staat meinen Aufenthaltstitel entziehen möchte, weil ich Mitglied von Samidoun sei. 

Dieselben Gründe, die wir beim Verbot von Samidoun gesehen haben, wurden auch bei mir benutzt. Also Unterstützung der PFLP, Gefährdung für das Zusammenleben der Völker in Deutschland und der demokratischen Grundordnung. Seit dem letzten Monat gibt es noch zwei weitere Personen, die von Abschiebung bedroht sind. Musaab, der ein politisches Verbot hatte, sein Verbot wurde verlängert bis Ende des Jahres. Er darf an keiner politischen Veranstaltungen teilnehmen, was natürlich absurd ist. Es ist sehr wichtig zu sehen, wie widerwärtig dieser Angriff ist, denn sie greifen palästinensische Flüchtlinge mit ihren Papieren, mit ihrem Aufenthaltsrecht an. Sie wissen, dass diese Leute unsichere Papiere haben. Sie wissen, dass diese Leute prekäre Lebenssituationen haben und sie nutzen das aus, um diese Personen zum Schweigen zu bringen. Sie können diese Personen nicht strafrechtlich verfolgen. Und deswegen nutzen sie dann das Aufenthaltsrecht. Das überschreitet alle Linien des menschlichen Anstands. Zu meinem Fall konkret: Wir haben Widerspruch eingelegt. Wir warten immer noch. In ähnlichen Fällen hatte ein solches Verfahren zwei Phasen. Die erste ist der Entzug des Flüchtlingsstatus. Und das zweite ist dann ein Abschiebeverfahren. Wir werden gucken, wie sich die Lage entwickelt, besonders in dieser Atmosphäre der allgemeinen anti-palästinensischen Repressionen in Deutschland und nach dem Verbot von Samidoun. Also es wird sehr gefährlich. Weil sie damit die politische Legitimität haben, alles zu machen, was sie wollen. 

Es kam also das Verbot von Samidoun und Hamas. Und der große Unterschied in der Rolle und den Strukturen zwischen diesen zwei Organisationen zeigt einfach, wie enorm der Angriff gegen Palästinenser in Deutschland ist. Hamas auf der einen Seite ist eine Massenorganisation, eine militante Organisation, die den Widerstand in Palästina führt. Samidoun andererseits ist eine Gruppe von Aktivisten, die weltweit für die Sache der Gefangenen in Palästina arbeitet. 

Samidoun wurde 2011 gegründet als eine Webseite, auf der die Erklärungen der palästinensischen Gefangenenbewegung übersetzt und veröffentlicht wurden, die davor nur auf Arabisch zu lesen waren. Und diese Arbeit hat sich dann mit der Zeit entwickelt und Samidoun ist jetzt in mehreren Ländern aktiv auf der Straße. Sie machen Demonstrationen, Kundgebungen, Vorträge, und so weiter und so fort, verbinden die Kämpfe der palästinensischen Gefangenen mit internationalen Kämpfen, denn jede Befreiungsbewegung hat Gefangene und jede Befreiungsbewegung hat die Gefangenen als Zentralpunkt ihres Kampfes. Also, das ist Samidoun und heutzutage ist die Arbeit von Samidoun wichtiger denn je. 

Die Lage in den Gefängnissen jetzt ist schlimmer als je davor. Die Anzahl an palästinensischen Gefangenen hat sich verdoppelt. Die Bedingungen in den Gefängnissen. Ihnen wird Wasser abgeschaltet, ihnen wird Strom abgeschaltet, ihre Kleidung, ihre Bücher, alles wird weggenommen. Sie dürfen keine Besuche bekommen, sie dürfen kein Fernsehen schauen, sie dürfen kein Radio hören. Sie sind komplett von der Welt getrennt. Und bis zu diesem Tag sind, wenn ich mich nicht irre, mindestens fünf Personen im Gefängnis durch Folter gestorben. An einem Punkt gab es mehr als 10.000 Gefangene. Jetzt kann man sie nicht genau zählen. Ein Teil der gefangenen Arbeiter von Gaza wurde rausgelassen, ein anderer Teil von ihnen ist immer noch da. Die Zahl wird sich auch erhöhen, weil die Festnahmen in der Westbank extrem hoch sind. Eine genaue Anzahl haben wir nicht. Aber es gibt mehr als 1000 Gefangene, die in Administrativhaft sind. Das ist Haft ohne einen Gerichtsprozess. Dieses Instrument hat die Besatzung von der britischen Besatzung geerbt. Es erlaubt der Besatzung, irgendwelche Personen ohne Grund festzunehmen und im Gefängnis für eine unbegrenzte Zeit zu verhaften. 

Masar Badil ist eine Bewegung, die 2021 gegründet wurde. Samidoun ist Teil dieser Bewegung. Samidoun hat natürlich einen Fokus auf die palästinensischen Gefangenen, aber ist ein Teil eines größeren Projekts. Masar Badil hat zum Hauptziel, die Rolle der palästinensischen Diaspora in der palästinensischen Sache wieder zu gewinnen. Weil besonders nach dem Oslo-Abkommen wurde die palästinensische Diaspora komplett rausgelassen. Und jetzt, wenn wir über Palästinenser reden oder über Palästina, dann heißt das: Westbank und Gaza. Da seien die einzigen Leute, die irgendwas für Palästina machen könnten, alle anderen seien nur solidarisch. In den 70er Jahren war die palästinensische Revolution im Ausland, nicht in Palästina. Und wir glauben, dass die palästinensische Diaspora eine enorme Rolle bei der Befreiung Palästinas zu spielen hat, und wir versuchen, diese Rolle wieder zu stärken. Und das macht man, indem man erstmal die Werkzeuge der palästinensischen Diaspora wieder aufbaut. Es gab mehrere Organisationen, mehrere Gewerkschaften, Studentenorganisationen, etc.. Durch diese haben sich die Palästinenser im Ausland organisiert. Sie wurden nach dem Oslo-Abkommen komplett zerstört. Wir müssen sie erst wieder aufbauen. 

Auch in dieser repressiven Atmosphäre, trotz all der Mittel, die der Staat benutzt hat, gab es Massendemonstrationen in Berlin und in Düsseldorf, und so weiter und so fort. Die Völker der Welt unterstützen Palästina. Gleichzeitig müssen alle politischen Parteien Deutschlands, Olaf Scholz, die Botschafter und keine Ahnung welche Diplomaten alle eine Kundgebung vor dem Brandenburger Tor organisieren und dazu einladen und zehntausende von Euros darin investieren, damit 5000 Personen kommen, um Israel zu unterstützen und die meisten davon sind Parteimitglieder. Es ist offensichtlich, die Völker der Welt unterstützen Palästina. Das sehen wir in den Straßen aller Städte der Welt. Es gibt auch Massendemonstrationen in Afrika, in Mali, es gibt Demonstrationen in Südafrika, in Niger, es gibt Massendemonstrationen in Bangladesch, in Nepal, in Peru. 

Also nicht nur in den USA und Kanada und Frankreich und dem Vereinigten Königreich, usw.  Es gab sogar tatsächlich eine Demo in Katar. Normalerweise gibt es in den Golfstaaten diese Atmosphäre nicht, wo Leute auf die Straße gehen. Aber ich glaube, es ist sehr wichtig, eine klare politische Linie zu haben. Die Befreiung Palästinas vom Fluss bis zum Meer ist nicht verhandelbar. Diese Position darf man strategisch nicht aufgeben. Die Unterstützung des Widerstands ist jetzt wichtiger als in den letzten 30 Jahren. Das heißt, es braucht jetzt diese klare Position: der palästinensische Widerstand ist legitim und der palästinensische Widerstand ist das einzige, was das palästinensische Volk verteidigen kann. Und das sehen wir heute in Gaza. International Community, EU, UN, auch die arabischen Länder können die Palästinenser nicht verteidigen. Es ist nur der palästinensische Widerstand, der die Palästinenser verteidigen kann und wird und der Palästina befreien wird. Es ist extrem wichtig, diese klare politische Position auf die Straße zu tragen und sich nicht einschüchtern zu lassen. 

Die Repression, die wir heute in Deutschland sehen, richtet sich natürlich gegen die gesamte pro-palästinensische Bewegung. Aber insbesondere gegen den Teil der Bewegung, der sehr klar für die Befreiung Palästinas steht und den Widerstand sehr klar unterstützt. Während des Angriffs auf diesen Teil der Bewegung, wird ein anderer Flügel der Bewegung bestärkt. Sie dürfen jetzt zum Beispiel Demos veranstalten, Kundgebungen machen, wo mehrere 1000 Leuten hingehen, aber unter den Bedingungen des Staates. Sie dürfen jetzt nicht mehr “from the river to the sea” sagen, sie dürfen jetzt nicht mehr sagen, dass es einen Genozid in Gaza gibt. Sie dürfen nicht mehr sagen “Kindermörder Israel”. Die Palästinenser, die diese Demos veranstalten, machen dann die Arbeit der Bullen. Sie gehen zu den Demonstranten und zwingen sie dieses und jenes nicht mehr zu sagen, weil man die Demonstration gefährden würde, sie könnte aufgelöst werden. Das ist auch extrem gefährlich. 

Es ist viel wichtiger, 1000 Personen auf der Straße zu haben, die offen und klar sagen: wir sind für die Befreiung Palästinas vom Fluss bis zum Meer, als 10.000 Leute zu haben, die nichts sagen. Besonders in diesem Klima der Repression ist es sehr, sehr wichtig, eine klare Position und klare Unterstützung Palästinas zu zeigen. Man darf keinen einfachen Ausweg suchen, nicht im Angesicht dieser Repression. Weil wenn man sich zurückzieht, wird die Repression noch mehr, wenn man einen Schritt nach hinten geht, wird der Staat mit aller Stärke nach vorne gehen. Man muss unbedingt standhaft bleiben. Man macht auch nichts Falsches. Es ist einfach eine politische Position, die in der ganzen Welt bekannt ist, von allen Völkern auch unterstützt wird. Und das sagt man einfach auf der Straße. Also man begeht keine Strafe, man verursacht keinen Schaden. Man sagt einfach, was man denkt. Und der Staat darf das nicht diktieren. 

Auch während dieser Repression, die wir in Berlin zum Beispiel gesehen haben und besonders auf der Sonnenallee, die Festnahmen und die physischen Angriffe auf Personen, die nichts gemacht haben. Auch im Angesicht des quasi militärischen Gesichts des Staates auf der Straße, wo hunderte und tausende von Bullen 24/7 auf dieser Straße waren. Sie haben jede Person kontrolliert, alles wurde verboten. Jedes Zeichen von Palästina wird als Bedrohung wahrgenommen. Jede Person ist verdächtig. Das hat dazu geführt, dass die Leute das irgendwann nicht mehr akzeptiert haben. Und sie haben dann auf der Straße für ihr Recht gekämpft. Sie haben die Konfrontation mit den Bullen einfach geführt. Sie haben sich verteidigt. Diese Leute wurden wochenlang angegriffen und danach kam ein Tag, an dem sie sich verteidigt haben. 

Die Palästinenser und Araber und auch die Unterstützer der palästinensischen Sache haben auf jeden Fall gezeigt, dass sie viel weiter sind als alle Organisationen, als Samidoun, egal wer. Sie waren bereit, in diese Konfrontation zu gehen und sich selbst zu verteidigen. Also ohne irgendeine politische Führung und ohne irgendwelche Analysen. Für sie ist alles extrem klar und sogar klarer als in vielen Organisationen. Was passiert gerade in Palästina? Besatzung, Genozid, die Befreiung Palästinas ist legitim, Widerstand ist legitim. Was Deutschland macht, geht nicht. Das akzeptieren wir nicht und wir verteidigen uns. 

Nach diesem Tag, das war der 18. Oktober, glaube ich, hat sich der Staat zurückgezogen und hat plötzlich jetzt Demos und Kundgebungen erlaubt. Aber außerhalb der Sonnenallee, außerhalb dieser Straße, wo die extreme Repression stattgefunden hat und diese Konfrontation stattgefunden hat. Sie haben diese Veranstaltungen außerhalb der Straße erlaubt, um erstmal zu sagen: “Hey, wir sind doch nicht repressiv, wir erlauben doch Demos, wir haben Meinungsfreiheit, wir haben Versammlungsfreiheit, aber unter unseren Bedingungen”. Aber gleichzeitig wollen sie verhindern, dass sich das, was am 18. passiert ist, wiederholt. Nicht auf dieser Straße und nicht auf andere Straßen in Deutschland. Weil es funktioniert. Wenn der Staat extrem repressiv ist und die Leute diese Repression nicht akzeptieren, dann muss der Staat sich zurückziehen, sonst geht es nicht. Diese Personen haben nichts Falsches gemacht, sie waren einfach auf der Straße und sie wurden angegriffen. Eine Woche nach der anderen und dann irgendwann hat es gereicht. Und sie haben gesagt: nee, wir bleiben doch auf der Straße. Und wenn die Bullen uns angreifen, dann werden wir uns verteidigen. 

Aktuelles

Podcast #45 – On the 20th Anniversary of the CPGB-ML and the Current Situation in Britain

We talked with Ella Rule, chair of the Communist Party of Great Britain (Marxist - Leninist), about the current political situation in Britain after the general election, the party’s work in the Palestine movement, and the repression against them. Additionally, we learned about the party’s development, their origins, challenges, and achievements.

Schönfärberei des Imperialismus: Die westliche „Linke“ und Venezuela

Wir spiegeln einen Debattenbeitrag von Lukas Koerner und Ricardo Vaz, der sich mit einer "linken" Kritik an der Maduro-Regierung im Kontext der jüngsten Wahlen in Venezuela beschäftigt, die uns auch in Deutschland begegnet: "Jedes Mal, wenn die Bolivarische Revolution in Venezuela erneut mit Bedrohungen ihres Überlebens konfrontiert ist, ist eine Schicht von in den USA ansässigen Intellektuellen immer bereit, "linke" Kritik zu üben, die die permanente imperialistische Belagerung des Landes absichtlich verschleiert."