In der Nacht auf Donnerstag gab Bundesinnenminister Seehofer (CSU) das vollständige Betätigungsverbot für die libanesische Hisbollah bekannt, zeitgleich kam es zu mehreren Razzien gegen Moscheen und Vereine in Berlin, Bremen, Münster und Dortmund. Das Verbot bedeutet, dass Gelder der Organisation einkassiert werden und das öffentliche Werben für oder das Zeigen von Symbolen der Hisbollah von nun an unter Strafe stehen. Der Erlass des Innenministeriums geht zurück auf einen Antrag von CDU/CSU, SPD und FDP im Bundestag. Der Verfassungsschutz bezeichnet die Hisbollah schon länger als »terroristische Vereinigung«, ihr »militärischer Arm« ist seit 2013 in der EU verboten. Die Medien tragen diesen Kurs mit, indem sie die Partei als »radikal-islamisch« (Deutschlandfunk) und als »Terrororganisation« (Die Welt, Tagesspiegel) bezeichnen.
Teil des bürgerlich-demokratischen Systems im Libanon
Die Hisbollah ist ein Kind des libanesischen Bürgerkriegs (1975 – 1990). Damals kämpften rechte Paramilitärs mit israelischer und US-amerikanischer Unterstützung gegen die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), die in den Flüchtlingslagern im Libanon aktiv war, und gegen deren libanesische Verbündete. Unter dem Eindruck der Revolution im Iran entstand Anfang der 1980er Jahre die Hisbollah (»Partei Gottes«). Anfangs bekämpfte sie nicht nur die israelischen Besatzungstruppen und deren Handlanger, sondern auch linke und nationalistische Kräfte. Im Laufe der 1990er Jahre aber wurde sie unter ihrem Generalsekretär Hassan Nasrallah zunehmend pragmatisch, lies von ihrem Konzept einer »islamischen Revolution« ab und ging auf andere politische Kräfte zu. Seit 1992 nimmt die Hisbollah an den Parlamentswahlen teil, seit 2005 war sie stets Teil der jeweiligen Regierungen. Die Schiiten stellen im Libanon die relative Bevölkerungsmehrheit und zugleich die sozial und politisch am meisten benachteiligte Gruppe des Landes. Als schiitische Partei, die auch Anhänger unter der christlichen Bevölkerung hat, tritt die Hisbollah nicht nur für einen stärkeren Sozialstaat ein, sondern auch für die Abschaffung des undemokratischen libanesischen Wahlsystems. Dieses »Proporz-System« ist ein Relikt des Kolonialismus und spaltet die Bevölkerung entlang ihrer religiösen Zugehörigkeit.
Dem Westen ist sie vor allem wegen ihrer engen Beziehungen zu den Regierungen Irans und Syriens und wegen ihres Kampfes gegen Israel verhasst. Aufgrund eben dieses Widerstands aber genoss sie lange Zeit hohe Popularität, nicht nur unter der libanesischen Bevölkerung, sondern in der gesamten arabischen Welt. Der militärischer Flügel der Partei ist die einzige Miliz, die sich nach dem Ende des Bürgerkriegs nicht auflösen musste, weil sie es war, die die israelischen Truppen im Jahr 2000 aus dem Land verjagte. Im Sommer 2006 leistete die Hisbollah außerdem auf spektakuläre Weise Widerstand gegen den fünften Überfall Israels auf den libanesischen Nachbarn. Neben den militärischen Schlägen gegen den übermächtigen Feind kümmerte sich das hoch effiziente NGO-Netzwerk der Hisbollah auch um die Kriegsopfer der israelischen Aggression, die mehr als tausend Tote forderte. Vor dem Hintergrund des konfessionell aufgeladenen Kriegs in Syrien seit 2011, in dem die Hisbollah an der Seite Damaskus’ steht, hat sie zwar auch an Prestige in der Region verloren, aus den Parlamentswahlen 2018 aber ging sie erneut gestärkt hervor. Nicht zuletzt weil sie vielen als Stabilitätsanker gegen westliche und saudische Aggressionen gilt.
Widerstand ist kein Terrorismus
Die Kriminalisierung der politischen Gegner ist eine beliebte Waffe der Herrschenden. Jede Befreiungsbewegung – von der irischen IRA über den algerischen FLN bis zum südafrikanischen ANC – wurde vor ihrem Sieg als »terroristisch« diffamiert. Wie verlogen diese Politik ist, zeigt sich am Beispiel der kurdischen PKK: Seit den 1990er Jahren sind ihre Anhänger in der Bundesrepublik massiver Verfolgung ausgesetzt, ihre Vereine und Symbole sind bis heute verboten. Gleichzeitig kooperierte ihr syrischer Ableger militärisch eng mit den USA, und wurde entsprechend vom Westen unterstützt. Auch die PLO, die heute die Westbank regiert und dabei mit Israel kooperiert, galt lange als »terroristisch«. Dagegen wird die Hamas, die 2006 die einzigen nach bürgerlichen Standards freien Wahlen in Palästina gewonnen hat, als »Terrororganisation« kriminalisiert, während Israels illegale Blockade und seine regelmäßigen mörderischen Kriege gegen die Bevölkerung Gazas mit einem Achselzucken hingenommen werden. Dasselbe gilt für die ständigen israelischen Luftangriffe auf Hisbollah-Mitglieder im Libanon und in Syrien, die jedes Mal einen Völkerrechtsbruch darstellen und einer Kriegserklärung gleichkommen. Mit der Hisbollah wird nun aber eine Partei verboten, die nicht nur demokratisch gewählt ist, sondern auch in der von niemandem angefochtenen Regierung Libanons sitzt. Das ist nichts anderes, als ein weiterer Anschlag auf die Souveränität des libanesischen Volkes!
Das Verbot der Hisbollah richtet sich aber vor allem gegen den Iran und die palästinensische Freiheitsbewegung. Sie ist vor dem Hintergrund der sich wieder zuspitzenden Kriegsdrohungen Israels und der USA gegen Iran zu sehen. Die EU, und mit ihr Deutschland, verfolgt zwar offiziell den Kurs einer wirtschaftlichen Öffnung gegenüber Teheran (die bis heute nicht realisiert wurde). Dabei handelt es sich aber um ein Spiel mit Zuckerbrot und Peitsche. Zudem ist dies ein weiterer Schlag gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung in Deutschland. Seit einigen Jahren wird eine riesige Kampagne gegen BDS-Aktivisten gefahren, jüngstes Beispiel sind die Verunglimpfungen des prominenten Intellektuellen Achille Mbembe. Nun wurde die Hisbollah als erste Organisation, die sich die Befreiung Palästinas ins Programm geschrieben hat, in der BRD komplett verboten. Dieses Verbot fällt in eine Zeit, in der die neue rechte Einheitsregierung Israels angekündigt hat, zahlreiche illegale Siedlungen in der Westbank zu annektieren und damit den Landraub in Palästina fortzusetzen. Die Bundesregierung deckt damit einmal mehr die Verbrechen, die das israelische Regime im Nahen Osten begeht. Es handelt sich zudem um einen weiteren massiven Angriff auf die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, der nicht der letzte sein dürfte. Der Tagespiegel fordert bereits: »Nun muss aber auch die Hamas ins Visier geraten.«
Wir verurteilen diese imperialistische Anmaßung gegenüber der Regierungspartei eines souveränen Staates! Es handelt sich dabei um die Fortsetzung der kolonialen Bevormundung gegenüber den arabischen Völkern, um psychologische Kriegsführung gegen den Iran und seine Verbündeten und um einen weiteren Schlag gegen die Freiheit der Palästinenser.
Weg mit dem Hisbollah-Verbot – Terrorlisten abschaffen!
Kein Krieg gegen Iran! Freiheit für Palästina!