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Ein Schritt in Richtung Befreiung Afghanistans!

Es sollte die symbolische Umwandlung der Niederlage in einen Sieg sein: Für den 11. September 2021, genau 20 Jahre nach den Anschlägen in New York, hatte US-Präsident Biden geplant, den vollständigen Abzug der Truppen aus Afghanistan zu verkünden. Mit dieser Geste und einem geordneten Rückzug wollte die US-Führung kaschieren, dass sie in Afghanistan vollständig versagt hat. Daraus wurde nichts: Der mit den Taliban ausgehandelte Abzug geriet zu einer regelrechten Flucht. Kriegsgerät musste im großen Stil zurückgelassen werden, weil die afghanischen Hilfstruppen zu Zehntausenden desertierten oder überliefen. Wenige Tage nachdem die USA ihre Einschätzung, dass sich ihr Marionettenregime noch ein Jahr werde halten können, auf einige Wochen herunter korrigiert hatte, standen die Taliban vor Kabul. Jetzt wurden Akten geschreddert, Botschafter und Agenten evakuiert und die letzten Soldaten zusammengezogen, um die Flucht abzusichern. Aktuell befinden sich zwar noch NATO-Truppen in Afghanistan, dies aber nur mit Duldung der Taliban, die den Abzug gewähren lassen. Es gibt jedoch kein Halten mehr für das ausländische Militär. Die Taliban haben die Besatzungstruppen weitgehend aus dem Land gefegt – und das ist objektiv ein Sieg für das gesamte afghanische Volk! 

Ein imperialistischer Krieg durch und durch

Die Invasion in Afghanistan 2001 war der Eröffnungszug für das Greater Middle East Project der USA: Zehn Jahre zuvor, unmittelbar nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers, hatten sie mit der Bombardierung des Irak und der anschließenden Hungerblockade gegen das Land ihre Saat gelegt. Nun sollte die Ernte eingefahren werden: 9/11 gab den Anlass, die Umgestaltung des Nahen und Mittleren Ostens endlich anzugehen. Der Reihe nach sollten Afghanistan, Irak, Syrien und schließlich Iran überfallen und dort US-freundliche Regime installiert werden. Außerdem winkten in Afghanistan wertvolle Bodenschätze und ein Pipeline-Projekt.

Auch die BRD mischte von Anfang an mit. Für sie war es nach Jugoslawien der zweite Krieg seit 1945. Den deutschen Imperialisten ging es vor allem darum, Kriegserfahrung zu sammeln und auf der Weltbühne wieder mitzuspielen. Zugleich erhoffte man sich, einen Teil der afghanischen Beute abzubekommen. Offiziell waren es vor allem die Frauenrechte, für die man vorgeblich in den Krieg zog. In gleicher Weise versucht man sich auch aktuell ein humanitäres Image zu geben, indem man sich öffentlichkeitswirksam um die Rettung der sog. »Ortskräfte« kümmert. Der eigentliche Grund liegt darin, dass die deutsche Führung zurecht befürchtet, dass sie bei künftigen Kriegen Probleme haben wird, Kollaborateure für sich zu gewinnen, wenn sich herumspricht, dass man sie im Zweifel einfach im Stich lässt. Ignoriert man die Krokodilstränen, erblickt man hier die hässliche Fratze des deutschen Imperialismus besonders deutlich: Noch unmittelbar bevor Kabul an die Taliban fiel, schob die BRD Menschen nach Afghanistan ab. Im ganzen Medienspektakel um die »Rettung der Ortskräfte« geht zudem völlig unter, dass Deutschland 20 Jahre lang an der Unterdrückung eines Volkes beteiligt war und dafür jetzt mit Gewalt aus dem Land vertrieben wurde.

Eine Niederlage für die westlichen Imperialisten

Der Krieg in Afghanistan lief fast von Beginn an anders, als von den westlichen Imperialisten erhofft: Den Besatzern gelang es zwar schnell, die Taliban zu stürzen. Umso schwerer fiel es ihnen aber, ihr Besatzungsregime zu festigen und eine stabile Regierung einzusetzen. Faktisch kontrollierten sie nie viel mehr als ihre Militärstützpunkte und ein paar Großstädte – und das, obwohl zwischenzeitlich mehr als 100.000 US-Soldaten im Land waren. Der Hass der Bevölkerung auf die Invasoren und ihre Helfershelfer, und mit ihm auch der Widerstand, nahmen mit der Zahl getöteter Afghanen und den Jahren des Elends unter der Besatzung zu. Die Taliban gewannen immer mehr Zulauf, vor allem weil sie den Widerstand am effektivsten organisierten und zugleich politisch und ideologisch pragmatischer wurden. 

Das Versagen in Afghanistan reiht sich ein in eine Reihe von Niederlagen des westlichen Imperialismus in der Region: Auch im Irak scheiterte die US-Strategie am vehementen Widerstand der Bevölkerung; im Libanon bescherte die Hisbollah der israelischen Armee 2006 die erste verheerende Niederlage ihrer Geschichte. Danach war an einen offenen Krieg gegen Syrien und Iran nicht mehr zu denken. Dadurch verlor die Besatzung Afghanistans noch einmal massiv an strategischem Sinn. Das lange Festhalten an dem Militäreinsatz zeigt, dass die USA weder vor noch zurück wussten und dass selbst ein geordneter Abzug bereits als zu schmachvoll angesehen wurde. Daher ist es umso beschämender für die US-Imperialisten, dass sie jetzt wie Hunde aus dem Land getrieben werden. Diese Niederlage wird nicht zu Unrecht mit dem Fall Saigons verglichen. Für die USA markierte die Befreiung Vietnams das vorläufige Ende ihrer offenen Kriege bis 1991. Und auch jetzt könnte die Vertreibung aus Afghanistan als Höhepunkt des Scheiterns der amerikanischen Nahost-Pläne ein Wendepunkt für ihre weltweite Vormachtstellung sein. Diese Möglichkeit bleibt vorerst Spekulation – außerdem birgt sie weiteres Konfliktpotenzial zwischen den imperialistischen Großmächten. Für uns gilt jedoch: Auch wenn Afghanistan heute weit vom Sozialismus entfernt sein mag, so ist ein zweites Vietnam für die USA doch ein Grund zur Freude. Für sie sind Saigon und Kabul gefallen, für uns und die Völker Vietnams und Afghanistans wurden sie von Krieg und Besatzung befreit!

Eine Hoffnung für das afghanische Volk

Wenn jetzt darüber diskutiert wird, ob die Taliban fortschrittlich sind oder nicht, wird vor allem über ihre Ideologie gesprochen. Diese ist aber nicht ausschlaggebend, sondern die Rolle, die die Taliban objektiv einnehmen. Afghanistan war die letzten 20 Jahre nicht einfach ein Land am unteren Ende des imperialistischen Weltsystems. Es war ein besetztes, ein unterdrücktes Land, ein Land ohne jegliche Souveränität. Es herrschte Krieg, das heißt völlige Zerstörung der Wirtschaft, der Infrastruktur und der Produktionsmittel. Die inoffiziellen Arbeitslosenquoten liegen bei bis zu 40 Prozent. Opiumanbau, Schmuggel und die Besatzungsmacht gehören zu den wichtigsten Wirtschaftssektoren. Die Armut ist extrem hoch, genau wie die Gefahr, getötet zu werden. In einer solchen Situation sind die Bürgerrechte, die von den Besatzern zur Verschleierung ihrer Verbrechen und zur Legitimierung ihrer Herrschaft hochgehalten werden, das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Das gilt auch für die Frauen, deren Rechte angeblich erst jetzt wieder bedroht sein sollen. Für die absolute Mehrheit der afghanischen Frauen galt schon vorher, dass sie keine Rechte hatten – genau wie für die Mehrheit der afghanischen Männer. Sie waren wegen des Krieges und der Besatzung permanenter Todesgefahr ausgesetzt. Deshalb ist nicht die Frage, ob die Taliban nun eine »Schreckensherrschaft« errichten oder nicht. Die Schreckensherrschaft besteht seit 20 Jahren, seit die NATO-Truppen ins Land eingefallen sind. 

Daher steht die Vertreibung der Besatzungsmächte und die Herstellung der nationalen Souveränität im Vordergrund, ob als säkularer Staat, als »Islamische Republik« oder als Emirat ist dabei zweitrangig. Denn die nationale Befreiung ist der erste, notwendige Schritt in Richtung einer möglichen Zukunft, in der das Volk seinen eigenen Weg geht und in der sich die werktätigen Massen wieder als Klassen formieren können, statt tagtäglich nur ums nackte Überleben zu kämpfen. Die Taliban wurden lange von den USA und anderen Imperialisten unterstützt und bewaffnet, vor allem im Kampf gegen das sozialistische Lager. Welche Rolle sie in der nächsten Zeit spielen werden – ob sie erneut zum Handlanger der Imperialisten werden oder tatsächlich Schritte zur Unabhängigkeit Afghanistans gehen, bleibt vorerst offen. 

Solidarität mit dem afghanischen Volk und seinem Widerstand!

Nieder mit dem Imperialismus!

Aktuelles

Warum gründet man eine KP?

Die KO/ML hat bekannt gegeben, die "KP" gegründet zu haben. Anlass war vor allem die Verwechslung mit uns. Der Schritt führt das Vorhaben der KO ad absurdum und ist Ausdruck einer gewissen Ignoranz gegenüber den Verhältnissen und seinen eigenen Potentialen. Der gewählte vermeintliche Ausweg wird aber tiefer ins Labyrinth führen, denn Selbstüberschätzung wird nicht dazu führen, die Probleme besser zu erkennen. Das größte Problem besteht aber in den Inhalten der Gruppe, die vor allem in Äquidistanz und dem Irrweg des "gegen alle Imperialismen" bestehen.

Von der Demokratiebewegung zur kriegstüchtigen Volksgemeinschaft

Der Beitrag von Milo Barus beleuchtet, wie die neue `Demokratie-Bewegung` zum Ausdruck einer neuen Burgfriedenpolitik geworden ist. Gewerkschaften und „linke“ Organisationen werden darin zu Kettengliedern einer neuen Gesinnungsgemeinschaft. Einer Gemeinschaft, in der es keine Klassengegensätze, sondern nur noch „liberale Demokraten“ gibt und in der die Kritik an Krieg und Verarmung einer unerschütterlichen und klassenübergreifenden Kriegsbegeisterung und Opferbereitschaft weicht. Eine Gemeinschaft, in der die rassistische Hetze gegen Araber und Muslime, aber auch gegen Russen und Chinesen als Voraussetzung für die Zustimmung zu den gegenwärtigen und zukünftigen Kriegsprojekten normalisiert wird. Bei Beiträgen handelt es sich nicht zwangsläufig um Positionen der Kommunistischen Organisation.