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#ZeroCovid: Es ist im Interesse der Arbeiterklasse, die Pandemie in die Knie zu zwingen

Eine Kampagne ist in aller Munde. Kapitalisten zittern vor Wut, wenn sie von ihr hören.1 Gewerkschaftsfunktionäre fürchten ein Zusammenbrechen der kapitalistischen Wirtschaft, wenn sie sich durchsetzt.2 Linksliberale halten sie gar für eine halbtotalitäre Fantasie, die völlig weltfremd und nicht zielführend ist.3 Einige Kommunistinnen und Kommunisten sehen in ihr auch die Forderung nach einem autoritären Staatsumbau4 und Rückenwind für die Regierungspolitik.5 Einige kommunistische Organisationen stellen sich aber auch kritisch-solidarisch an ihre Seite.6 7 8

Schließung der nicht lebensnotwendigen Betriebe bei vollem Lohnausgleich

Die Kampagne #ZeroCovid9 kritisiert die grundsätzliche Strategie der Pandemiebekämpfung in Europa, die ein Abflachen der Ansteckungen (flatten the curve) und eine Kontrolle der Pandemie zum Ziel hat. Sie fordert einen Strategiewechsel mit dem ersten Ziel, die Zahl der Neuinfektionen auf Null zu drücken und zwar europaweit koordiniert. Zu diesem Zweck sollen auch „Fabriken, Büros, Betriebe, Baustellen, Schulen“ geschlossen und „die Arbeitspflicht ausgesetzt werden.“

„Die notwendige Pause für die Unternehmen muss solidarisch finanziert werden durch einen vollen Lohnausgleich. Nur lebensnotwendige Betriebe dürfen unter maximalem Infektionsschutz weiterlaufen“, heißt es in einer Pressemittlung vom 19.01.2021.10

Weiter fordert sie, dass das mit einem Rettungspaket für diejenigen einhergehen muss, die besonders hart von den Auswirkungen des Shutdowns betroffen sind. Diese Punkte werden damit verbunden, dass es zu einem (Wieder-)Ausbau der sozialen Gesundheitsinfrastruktur kommen müsse, die Impfstoffe globales Gemeingut werden sollen und die Kosten für die Pandemiebekämpfung durch eine europaweite Covid-Solidaritätsabgabe auf hohe Vermögen, Unternehmensgewinne, Finanztransaktionen und die höchsten Einkommen gedeckt werden sollen.

Mit ihrem Aufruf wollen sie „die politische Lähmung in Bezug auf Corona überwinden“. Und sie weisen darauf hin, dass wir den Schutz unserer Gesundheit nur „gegen kurzfristige Profitinteressen und große Teile der Politik erkämpfen“ können.

Sie fordern die Gewerkschaften auf, sich „entschlossen für die Gesundheit der Beschäftigten einzusetzen, den Einsatz von Beschäftigten für ihre Gesundheit zu unterstützen und die erforderliche große und gemeinsame Pause zu organisieren.“

Alle setzten sich in ein Verhältnis zu #ZeroCovid

Der Aufruf und die damit einhergehende Petition haben ein großes Medienecho hervorgerufen. In bürgerlichen Medien gibt es eine Vielzahl an Berichterstattungen und Kommentaren, die der Initiative stark ablehnend bis wohlwollend gegenüberstehen. Von vielen linken Organisationen und Einzelpersonen gibt es Stellungnahmen zu #ZeroCovid, sie reichen von Ablehnung (KA)11, über solidarische Kritik (Demirovic12, SoL13) bis hin zu einem positiven Aufgreifen der Initiative (klassegegenklasse14, offensiv15, DKP/SDAJ16, MLPD17).

#ZeroCovid könnte Risse in der Strategie der Herrschenden aufbrechen

Wir, die Kommunistische Organisation, begrüßen den Aufruf. Die inhaltliche Hauptforderung nach einem wirklichen Lockdown, der die Ausrottung des Virus zum Ziel hat mittels der Einstellung „der Produktion in den Bereichen, die nicht lebensnotwendige Güter herstellen (…) – und zwar sofort und bei Fortzahlung des Gehalts“ – haben wir bereits vor knapp einem Jahr aufgestellt.18 Sie ist heute so richtig wie damals. Die Pandemie ist weiterhin gefährlich. Aktuell sterben jeden Tag ca. 1000 Menschen an Corona, Zehntausende infizieren sich täglich. Und das allein in Deutschland. Die gesundheitlichen Folgeschäden sind noch unzureichend erforscht. Die Mutationen mit einer höheren Infektiösität aus England und Südafrika zeigen auch, wie wichtig es ist, das Reservoir an Wirten möglichst schnell zu verkleinern, weil die Gefahr gefährlicher Mutationen direkt damit zusammenhängt. Auch die neuen Antikörper-Medikamente ändern daran nichts. Die Strategie einer langsamen Verbreitung, gleichbedeutend mit einer kontrollierten, langsamen Durchseuchung sorgt für ein Massensterben auf Raten. Die deutsche Regierung hat dies von Beginn an einkalkuliert und hält an ihrer Strategie – die in erster Linie die Wirtschaft und nicht die Gesundheit der Bevölkerung im Blick hat – fest.

#ZeroCovid könnte in der Lage sein Risse in der Strategie der Herrschenden aufzubrechen, denn die Kampagne wendet sich im Kern gegen die Hauptstoßrichtung der Durchseuchungsstrategie. Insofern stellt sie keinen Rückenwind für die Regierung dar, sondern bläst ihr ordentlich entgegen.

Die Kritik, man solle sich nicht mit Forderungen nach einem Shutdown an den Staat wenden, weil das Illusionen schüre, ist falsch. Die Arbeiterklasse muss sich, so lange sie die bürgerliche Herrschaft nicht gestürzt hat, auch mit Forderungen an den Staat wenden – sei es beim Mindestlohn, beim Gesundheitsschutz oder beim Abwenden von Angriffen auf Arbeiterrechte. Es kommt auf die konkrete Forderung und die Orientierung des Kampfs an, ob damit eine Illusion in den bürgerlichen Staat einhergeht.

Es ist im Sinne der gesamten Bevölkerung das Virus auszurotten

Eine britische Studie deckt auf, dass Corona die Arbeiter mit einer geringen Qualifizierung (Industrie, Sicherheitskräfte, Köche und Taxifahrer) am härtesten trifft. Unter den Arbeiterinnen seien Fließbandarbeiterinnen und Näherinnen sowie Pflegekräfte am stärksten betroffen.19

Die klare Perspektive auf die arbeitende Klasse mit dem Bestandteil des Shutdowns von Betrieben, den das Kapital selbst zahlen soll, in Verbindung mit einem sozialen Programm ist deshalb zentral und unterscheidet die Kampagne von anderen wie #nocovid.20 Die Betriebe zu schließen würde viele Probleme lösen, die von Schulen und Kitas, die Mobilität und die undurchsichtige Lage in Großbetrieben. Diese gehören vermutlich zu den größten Infektionsherden, da hier weiterhin täglich hundert oder gar tausend Menschen auf engstem Raum zusammenkommen. Zahlen hierzu werden jedoch nur in äußert extremen Fällen (Airbus21, Tönnies22) veröffentlicht. Eine Studie zeigt allerdings, dass „ein Prozentpunkt mehr Arbeitnehmer im Homeoffice die Infektionsrate um bis zu 8 Prozent verringern“ kann.23 Das lässt darauf schließen, dass der Weg in die Betriebe und der Aufenthalt dort extrem zum Infektionsgeschehen beiträgt. Dass die Gewerkschaftsführung – obwohl sie in einer eigenen Studie24 ermittelt hat, dass sich sogar im April 2020 gerade einmal 27% und im November 14% der Beschäftigten im Homeoffice befunden haben – weiterhin an Appelle nach besserer Kontrolle der Hygienemaßnahmen glaubt und bei einem kompletten Herunterfahren der Industrie zuerst an das Zusammenbrechen der Wirtschaftskraft und nicht an die Rettung der Bevölkerung denkt,25 zeigt, auf wessen Seite die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung in letzter Konsequenz immer steht. An der Seite der Herrschenden.

Im Sinne der Arbeiterklasse wäre es die Pandemie schnellstmöglich zu beenden und das Virus auszurotten.

Harter Lockdown mit sozialem Programm ist die einzige Lösung

Die Forderung nach einem harten Lockdown, der auch die Wirtschaft lahm legt, entspricht dem einzigen Schema der Bekämpfung der Pandemie, das bisher als erfolgreich gelten kann. Das sozialistische Kuba hat mit dieser Strategie schnell die Infektionszahlen nach unten gedrückt und selbst das kapitalistische Australien konnte mit ihr tausende Menschenleben retten.

Die sozialen Auswirkungen eines Shutdowns dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden. Auch hier sind die Forderungen von #ZeroCovid richtig und anschlussfähig. „Die Menschen, die von den Auswirkungen des Shutdowns besonders hart betroffen sind, werden besonders unterstützt – wie Menschen mit niedrigen Einkommen, in beengten Wohnverhältnissen, in einem gewalttätigen Umfeld, Obdachlose. Sammelunterkünfte müssen aufgelöst, geflüchtete Menschen dezentral untergebracht werden. Menschen, die im Shutdown besonders viel Betreuungs- und Sorgearbeit leisten, sollen durch gemeinschaftliche Einrichtungen entlastet werden. Kinder erhalten Unterricht online, notfalls in Kleingruppen.“26

Trotzdem dürfen die Kommunistinnen und Kommunisten nicht aus dem Blick verlieren, dass es in erster Linie darum geht, die Pandemie zum Erliegen zu bringen. Die sozialen Probleme werden nicht schwächer, wenn ein nicht effektiver halbherziger Lockdown aufrechterhalten bleibt. Der Aufruf verknüpft die Frage des Shutdowns richtigerweise damit, dass soziale Hilfen aufrechterhalten und ausgebaut werden müssen. Der Zickzackkurs der Bundesregierung sorgt für einen längeren Zeitraum der privaten Einschränkungen und verschärft damit die sozialen Probleme.

Kommunistische Handlungsorientierung

Die kommunistische Bewegung darf den Aufruf und den dadurch bestehenden Impuls nicht liegen lassen, sie muss ihn aufgreifen. Wir sollten die Forderungen in die Gewerkschaftsgliederungen, Universitäten, Schulen und Stadtteile mitnehmen und dort Diskussionen führen. Dabei muss der Blick in die Betriebe gelenkt werden. Die Schichtgeschichten auf der Facebookseite der Kampagne27 sind hier ein guter Anfang. Hier werden Erlebnisse von Beschäftigten veröffentlicht. Daran können sich gewerkschaftliche Strukturen ein Beispiel nehmen, um auf die Gesundheitsgefahr, die von den Betrieben ausgeht, hinzuweisen. Die Friedenspflicht der bestorganisierten Branche der größten Gewerkschaft Europas endet am 1. März. Die IG Metall sollte dazu gedrängt werden in der Metall- und Elektroindustrie ihre Forderung nach einer 4-Tage-Woche28 in eine Forderung nach einem 10-Monate-Jahr umzuwandeln und so den Startschuss für den Kampf um einen weltweiten gemeinsamen Lockdown zu setzen. Auch Berichte aus Schulen können helfen, um auf die prekäre Situation hinzuweisen und ein schnelles Ende der Pandemie durch einen harten weltweiten Lockdown zu fordern. Im Gesundheitswesen sollte dieser Kampf verbunden werden mit dem Kampf um den sofortigen Stopp aller Krankenhausschließungen und um Enteignung der privaten Krankenhausgesellschaften. Studierende und Arbeitslose können für die Verbreitung der Berichte und Forderungen sorgen und Streiksolidarität leisten, denn auch sie haben ein objektives Interesse an #ZeroCovid.

Ob die Arbeiterklasse bereit ist einen politischen Streik für das Überleben von Millionen ihrer Klassengeschwister zu führen, ist fraglich, da der Bewusstseinsstand leider nicht fortgeschritten genug ist und die praktischen, organisatorischen Möglichkeiten nicht gegeben sind. Dennoch bleiben die Forderungen richtig und der gewerkschaftliche Kampf ist der einzig erfolgversprechende. Sinnvoll ist es, am Gesundheits- und Arbeitsschutz anzusetzen und darauf hinzuwirken, dass die Betriebe geschlossen werden müssen, wenn der Schutz nicht eingehalten werden kann.

Die Arbeiterklasse wird sich aus der Pandemie nur selbst befreien können, mit gut organisierten und harten Schlägen gegen die Profitinteressen der Herrschenden, die allein in der Coronapandemie schon 2 Millionen Todesopfer gefordert haben.

1https://www.manager-magazin.de/politik/rainer-dulger-arbeitgeberpraesident-sie-koennen-doch-nicht-alle-betriebe-schliessen-a-f3fbc8b3-f0df-47e4-b55c-b9bbd0c1b3c6

2 https://www.augsburger-allgemeine.de/wirtschaft/Industrie-Lockdown-IG-Metall-Chef-warnt-Wirtschaft-wuerde-zusammenbrechen-id58924146.html

3https://taz.de/Vorschlaege-der-Initiative-Zero-Covid/!5739231/

4https://komaufbau.org/dieser-staat-wird-uns-nicht-vor-corona-schuetzen-kaempfen-wir-entschlossen-gegen-das-imperialistische-krisenregime/

5https://perspektive-online.net/2021/01/ist-zerocovid-die-antwort-von-links/

6https://www.unsere-zeit.de/gesundheit-statt-profit-2-140817/

7https://offensiv.net/index.php/deutschland/zerocovid-ausrottung-des-virus-ist-im-interesse-aller-werktaetigen

8https://solidaritaet.info/2021/01/zerocovid-eine-solidarische-kritik/

9https://zero-covid.org/

10https://zero-covid.org/pressemitteilung-vom-19-01-2021/

11https://komaufbau.org/dieser-staat-wird-uns-nicht-vor-corona-schuetzen-kaempfen-wir-entschlossen-gegen-das-imperialistische-krisenregime/

12https://www.akweb.de/bewegung/zerocovid-warum-die-forderung-nach-einem-harten-shutdown-falsch-ist/

13https://solidaritaet.info/2021/01/zerocovid-eine-solidarische-kritik/

14https://www.klassegegenklasse.org/zerocovid-entsteht-mitten-in-der-pandemie-eine-linke-opposition-gegen-die-regierung/

15https://offensiv.net/index.php/deutschland/zerocovid-ausrottung-des-virus-ist-im-interesse-aller-werktaetigen

16https://www.jungewelt.de/artikel/394796.mehr-als-ein-appell.html

17https://www.rf-news.de/2021/kw04/zero-covid-initiative-kritisch-unterstuetzenswert

18https://kommunistische-organisation.de/stellungnahmen/klassenkampf-in-zeiten-der-pandemie/

19https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/120489/Britische-Behoerde-Arbeiter-sterben-am-haeufigsten-an-COVID-19

20https://www.welt.de/politik/video224846103/Corona-Strategien-Zero-Covid-hat-nichts-mit-No-Covid-zu-tun.html?fbclid=IwAR2WM8TKvNvFG3feBzXL7wDBvfSoX847MUeRwc-zVBYZ7fBVl6KLkH33Hkk

21https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/coronavirus/Corona-Faelle-bei-Airbus-Virus-Mutation-nachgewiesen,airbus1728.html

22https://www.jungewelt.de/artikel/391825.arbeitsschutz-risikogebiet-t%C3%B6nnies.html

23https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-shutdown-homeoffice-wirtschaft-100.html

24https://www.boeckler.de/de/auf-einen-blick-17945-Auf-einen-Blick-Studien-zu-Homeoffice-und-mobiler-Arbeit-28040.htm

25https://www.augsburger-allgemeine.de/wirtschaft/Industrie-Lockdown-IG-Metall-Chef-warnt-Wirtschaft-wuerde-zusammenbrechen-id58924146.html

26https://zero-covid.org/

27https://www.facebook.com/ZeroCovidGerman/posts/107438661336819

28https://www.igmetall.de/tarif/tarifrunden/metall-und-elektro/4-tage-woche-als-wahlmoeglichkeit

Aktuelles

Podcast #45 – On the 20th Anniversary of the CPGB-ML and the Current Situation in Britain

We talked with Ella Rule, chair of the Communist Party of Great Britain (Marxist - Leninist), about the current political situation in Britain after the general election, the party’s work in the Palestine movement, and the repression against them. Additionally, we learned about the party’s development, their origins, challenges, and achievements.

Schönfärberei des Imperialismus: Die westliche „Linke“ und Venezuela

Wir spiegeln einen Debattenbeitrag von Lukas Koerner und Ricardo Vaz, der sich mit einer "linken" Kritik an der Maduro-Regierung im Kontext der jüngsten Wahlen in Venezuela beschäftigt, die uns auch in Deutschland begegnet: "Jedes Mal, wenn die Bolivarische Revolution in Venezuela erneut mit Bedrohungen ihres Überlebens konfrontiert ist, ist eine Schicht von in den USA ansässigen Intellektuellen immer bereit, "linke" Kritik zu üben, die die permanente imperialistische Belagerung des Landes absichtlich verschleiert."