Ein Plan, um Russland zu schwächen

Themen: Imperialismus und Neokolonialismus, Ukraine-Krieg

Washington D.C.: Meeting von europäischen und US-amerikanischen Staats- und Bündnisführern mit dem ukrainischen Präsidenten, 18.08.2025. | Via flickr, Urheber: Simon Dawson / No 10 Downing Street

Der „Trump-Ukraine-Plan“, seine Bedeutung für Russland und die Reaktion von Friedens- und kommunistischer Bewegung

Mit diesem Text wollen wir eine Einschätzung des „Trump-Plans“ und insbesondere der damit verbundenen psychologischen Kriegsführung vornehmen und aufzeigen, warum die äquidistante Haltung vieler Linker und auch Kommunisten sowie die pazifistische Haltung der Friedensbewegung ein Problem ist und ein Klärungsprozess ganz praktisch notwendig ist.

Die jüngsten „Verhandlungen“ zwischen EU, Ukraine und USA über den „Plan“ sind noch nicht abgeschlossen, aber es zeichnet sich ab, dass „multinationale“ (also: NATO-) Truppen in der Ukraine vorgesehen sind. 800.000 statt ursprünglich 600.000 Truppenstärke der ukrainischen Streitkräfte und die Konfiszierung von Russlands Auslandsvermögen für den „Wiederaufbau“ in Höhe von insgesamt über 200 Mrd. US-Dollar (was ca 1/3 des russischen BIP entspricht) sind vorgesehen. Desweiteren sollen Tomahawk- und Taurus-Raketen in der ganzen Ukraine stationiert werden. Das ist eine unverhohlene Ankündigung der Fortsetzung und Steigerung der westlichen Aggression.

Der Kontrast zwischen der westlichen Propaganda zum ursprünglichen „28-Punkte-Plan“ und der Einschätzung in Russland könnte kaum größer sein. Medien und Politik hierzulande behaupten, der „Plan“ sei zugunsten Russlands und „von Putin diktiert“ gewesen. Dem widerspricht die Einschätzung der meisten Analysten in Russland, die hervorheben, dass der Abschluss sehr schlecht für Russland wäre. Die Kriegsziele würden nicht erreicht und im Ergebnis wäre eine sehr große ukrainische Armee (600.000 Mann) direkt vor der Grenze stationiert, die über eine volle NATO-Unterstützung und Einbindung verfügt und damit – weiterhin – eine existenzielle Gefahr für die Russische Föderation darstellen würde.

Das Regime in Kiew, das sich in voller Abhängigkeit vom Westen befindet, wäre weiterhin ein faschistisches Regime, das Antifaschisten verfolgt und bereits seine Brutalität im Krieg gegen die russischsprachigen Teile der Bevölkerung gezeigt hat. Die Bedrohung der russischen Bevölkerung in der Ukraine ist eine wichtige Realität, die aber in Deutschland nicht anerkannt und als Propagandalüge abgetan wird.

Kompradoren unter Druck setzen

Der „Trump-Plan“ war nie eine reale Option, sondern diente der gezielten Verschärfung der zersetzenden Widersprüche in der politischen Front in Russland. Die auf Kollaboration mit dem Westen setzenden Kräfte der Kompradoren-Bourgeoisie sollen gezielt unter Druck gesetzt und gelockt werden.

Der „Plan“ steht im Zusammenhang mit den zeitgleich stark verschärften Sanktionen. Sie richten sich unter anderem insbesondere gegen Rosneft, der für die Gesamtwirtschaft wichtige Ölkonzern, der sich zugleich sehr opportunistisch verhält und daher gezielt von den USA unter Druck gesetzt wird, um wiederum Druck gegen die patriotischen Kräfte aufzubauen.

Der „Trump-Plan“ ist daher Teil der Kriegsführung des Westens: eben auf der Ebene der Kriegspsychologie. Er ist die Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln, so wie der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Russland hat die Militäroperation aus bestimmten Gründen begonnen, die noch nicht erfüllt sind, zugleich aber als von zentraler Bedeutung für die Russische Föderation (und darüber hinaus) angesehen werden. In der westlichen Linken werden diese politischen Ziele bis heute weitgehend nicht anerkannt – und damit der Kampf gegen die NATO und den Faschismus für Russland nicht als überlebenswichtig betrachtet.

Voraussetzungen für die Verteidigung des Landes

Die KPRF weist zuerecht darauf hin, dass eine Reintegration Russlands in den Club des Westens ein Mittel ist, um Russland zu schwächen. Stattdessen braucht es eine Politik der Souveränität und der Annäherung an BRICS und China.

Die Partei betont, dass es angesichts der militärischen Lage keine Notwendigkeit für einen Deal gibt, der vielmehr ein Kompromiss mit denen wäre, die ihre Feindschaft nicht aufgegeben haben und nicht im Sinne der Bevölkerung, sondern im Sinne des großen Kapitals handeln.

Die Enteignung des Kapitals in Russland und der Aufbau des Sozialismus in einem Land sind laut der KPRF die notwendige Voraussetzung für eine richtige Verteidigung des Landes gegen die imperialistische Aggression. Darin stimmen sie mit anderen kommunistischen Kräften überein. Die KPRF sieht die Befreiung der übrigen Teile der Ukraine, in denen v.a. russische Bevölkerung lebt, als notwendig an und hebt insgesamt die politische Bedeutung der Kriegsziele hervor.

Konsequenz und Unzulänglichkeit der Staatsführung

Bisher scheint die Staatsführung nicht auf die Scheinangebote einzugehen und hält an der Notwendigkeit der Militäroperation fest. Inwiefern der Druck seitens des Westens in Zukunft zu Verschiebungen führen wird, bleibt abzuwarten. Trotz des zunächst konsequenten Fortsetzens des Kurses der Staatsführung gibt es Punkte, die kurz angesprochen werden sollen.

Die Regierung hat eine breite patriotische Mobilisierung für den Krieg unterlassen und seine Kriegsziele wenig erklärt. Gleichzeitig gibt es eine Kultur der Relativierung der „Spezialoperation“ als „Tragödie“ und keine Erklärung, dass Russland sich hier der Aggression des Imperialismus widersetzt. Es wird nicht ausreichend erklärt, warum die NATO den Krieg gegen Russland führt. Es gibt große Illusionen, geschürt durch die Medien, dass mit einer anderen, „russlandfreundlicheren“, „konservativen“, „rationaleren“ Politik die westlichen Staaten wieder zur Vernunft kommen würden. Entsprechend hoffen viele Menschen dort auf einen „Frieden“.

Die Ablehnung des Deals durch die russische Führung wird international, aber auch in Russland zum Teil auf Unzufriedenheit stoßen, auch weil die wirtschaftliche Situation aufgrund des Sanktionsdrucks sich verschlechtert. Dieser Druck kann aber wiederum nur so wirken, weil die Volkswirtschaft zum Teil von Kollaborateuren beherrscht wird.

Diese Schwächen und politische Inkonsequenz kann zu einer Schwächung der politischen Einsicht in die Notwendigkeit der Verteidigung des Landes führen und ist damit direkt kriegsrelevant. Diese Bedeutung der Kriegspsychologie, der Moral, ist dem Imperialismus voll bewusst, und er benutzt dies als Waffe.

Die Widersprüche zwischen USA und EU und das Bündnis zwischen Russland und China

Der Trump-Plan hat auch Widersprüche zwischen den USA und der EU gezeigt, wobei noch nicht abzuschätzen ist, was davon ernsthafte Widersprüche und was Taktik ist. Die USA bereiten eine größere Kriegsführung gegen China vor. Dafür ist die Spaltung des Bündnisses von Russland und China notwendig, die mit diesem Deal und den Sanktionen angestrebt wird. Inwiefern die Entwicklung dahin geht, dass Deutschland und die anderen EU-Staaten den Krieg gegen Russland übernehmen sollen, damit die USA sich voll auf China konzentrieren können, muss weiter beobachtet werden.

Die ökonomische Trennung von Russland und der EU ist Teil der US-Strategie, wie besonders deutlich an der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines zu sehen war. Die USA streben an, Russland zu unterwerfen und unter eigene Kontrolle zu bringen und dabei die Position Deutschlands zu schwächen.

Der zwischenimperialistische Widerspruch zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union und damit vor allem mit Deutschland als Führungsmacht der EU sollte nicht unterschätzt werden. Wie genau der Widerspruch verläuft und welche Auswirkungen er auf die gemeinsame Frontstellung gegen Russland und China hat, muss besser analysiert werden.

Das Manöver des „Trump-Plans“ für die Ukraine hat in jedem Fall auch das Ziel, einen Keil zwischen Russland und China zu treiben und damit die Steigerung der Aggression gegen China und seine Erpressung abzusichern. Politisch dürfte dieser Plan nicht aufgehen, aber die ökonomischen Sanktionen wiegen schwer und zeigen die Angreifbarkeit auf der Seite Russlands und Chinas und die Gefährlichkeit dieser Waffen im Arsenal der USA und der EU.

Die deutsche Friedensbewegung und ihr „Verhandeln um jeden Preis“

Viele Kommentare auch aus der Friedensbewegung begrüßen den „Trump-Plan“ grundsätzlich, damit der Krieg aufhöre. Verhandlungen müssten um jeden Preis stattfinden. Das ist eine Missachtung der politischen Fragen und eine Nichtbeachtung der Gründe, aus denen die Russische Föderation die Militäroperation gestartet hat. Außerdem wird dem Westen zugesprochen, ernsthaft „verhandeln“ zu wollen und damit unter anderem ignoriert, dass alle bisherigen Abkommen (Minsk I und II) nur dazu genutzt wurden, die ukrainische Armee in die Lage zu versetzen gegen Russland zu kämpfen.

Insbesondere die Ablenkungsmanöver der Trump-Regierung, die sich als „pro-russisch“ maskiert, werden zum Teil abgekauft und damit die Kriegspsychologie der NATO gestärkt. Denn Trump und die EU haben mit diesen Manövern einzig das Ziel, Zeit zu gewinnen, neu und stärker aufzurüsten und dann umso aggressiver gegen Russland und China zuzuschlagen.

Die „Äquidistanz“ von Teilen der Kommunistischen Bewegung

Große Teile der kommunistischen Bewegung vertreten weiter die Äquidistanz und eine Anti-Russland-Position. Sie werden den Plan als Bestätigung interpretieren – die Großen teilen sich die Ukraine auf; die russische Bourgeoisie und „ihre Regierung“, also „Russland“ wollten diesen Krieg angeblich für Territorium, Ressourcen und den ukrainischen Markt. Es wird auch die Interpretation geben, dass Russlands Bourgeoisie mit diesem Krieg erreicht habe, mit einer neuen, verstärkten Position in die imperialistische Konkurrenz einzusteigen.

Dabei ist das Gegenteil der Fall: Der „Plan“ ist Teil der NATO-Aggression und dient der Sprengung der politischen Ziele Russlands. Er ist damit Teil seiner Unterwerfung. Russlands Kapital ist zum Teil Kollaborateur dieser Unterwerfungsstrategie und würde lieber heute als morgen einen Deal schließen – mit allen politischen Schlussfolgerungen, einschließlich einer Fortexistenz des faschistoiden Kiewer Regimes und seiner Wiederbewaffnung.

„Russland“, also die Bevölkerung, der Staat und das Kapital sind nicht das gleiche – wer das sagt, versteht das Klassenverhältnis in diesem Land im Verhältnis zum internationalen Finanzkapital nicht. Auch die Regierung Putin ist keine verlässliche Kraft, allerdings zeigt sie bisher eine gewisse Konsequenz und lehnt den „Plan“ auch ab.

Ein Fall für den Klärungsprozess

Als Kommunistische Organisation haben wir gelernt, dass eine intensive Debatte und Befassung mit zentralen Fragen unbedingt notwendig ist. Wir haben eine Debatte innerhalb der Organisation und öffentlich geführt, die wesentliche Züge der opportunistischen Haltung der Äquidistanz hervorgebracht hat (unter anderem I II III IV). Angespornt durch den Drang, verstehen zu wollen, warum die Russische Föderation so gehandelt hat, wie der Imperialismus aufgestellt ist und was das für die Arbeiterklasse heißt, haben wir in Vertiefungsgruppen gearbeitet und Thesen zum Ukraine-Krieg veröffentlicht, in denen wir herausgestellt haben, dass Russland sich in der Ukraine dem Imperialismus widersetzt. Diese Schritte haben sich unserer Ansicht nach als wertvoll und nützlich herausgestellt, um die weitere Entwicklung besser zu verstehen. Das heißt nicht, dass die konkrete Analyse der konkreten Situation und ihrer Entwicklung abgeschlossen ist.

In der internationalen kommunistischen Bewegung ist die Einschätzung des Kriegs und des Imperialismus weiter stark umstritten, eine echte Debatte findet kaum statt. Die Entwicklungen rund um den „Trump-Plan“ zeigen, warum ein Klärungsprozess und eine intensive Debatte in der Kommunistischen Bewegung dringend nötig sind! Nicht nur weil falsche Vorstellungen existieren, sondern weil mit jeder weiteren Entwicklung mehr Verwirrung, Ablenkung und falsche Hoffnungen (auf einen Verhandlungsfrieden durch den Aggressor NATO) oder falsche Schemata („alles Imperialisten“) zunehmen.

Wenn keine Klarheit über die politischen Ziele der Russischen Föderation, ihrer Stellung im Verhältnis zum Imperialismus und der Notwendigkeit der Verteidigung der nationalen Souveränität für die Arbeiterklasse existiert, können pazifistische und opportunistische (äquidistante) Positionen gewinnen. Damit einher geht auch eine Entpolitisierung der Diskussion, die sich gar nicht mehr ernsthaft mit den politischen Fragen beschäftigt, die aber für die Völker Osteuropas und auch Westasiens von großer Bedeutung sind.