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Das blutende Herz Afrikas: Dossier zu den Hintergründen der aktuellen Ereignisse in der DR Kongo

Am 26. Januar 2025 nahmen die von Ruanda unterstützen M23-Rebellen, die seit Jahrzehnten die Demokratische Republik Kongo terrorisieren, Nord Kivu und weitere rohstoffreiche Regionen im Osten des Kongos ein.

Allein zwischen dem 26. Januar und dem 7. Februar sind laut UN 3000 Kongolesen getötet und 2880 verletzt worden. Außerdem soll es in Goma zu mindestens 165 Vergewaltigungen und der Bombardierung von zwei Krankenhäusern gekommen sein.1

Der Kongo wird seit Jahrzehnten im Kriegszustand gehalten, mit fatalen Folgen für die Bevölkerung und die gesamte Region. Schätzungsweise 6 Millionen Menschen wurden seit dem Beginn der Konflikte in den 1990er Jahren getötet. Millionen wurden zu Flüchtlingen, die kaum Zugang zu Grundversorgung haben. Die Bevölkerung lebt in Angst vor den Übergriffen der Rebellengruppen – Vergewaltigungen und die Rekrutierung von Kindersoldaten sind an der Tagesordnung. 

Dabei spielen die Nachbarländer Uganda und Ruanda eine wesentliche Rolle. Es ist bekannt, dass Ruanda die M23-Miliz unterstützt, sowie eigene Truppen im Kongo hat.2 Ruanda und seine westlichen Verbündeten verdienen massiv an Rohstoffen, die aus dem Kongo geraubt werden. Immer wieder werden Stimmen laut, die aufzeigen, dass Ruanda viel mehr Rohstoffe exportiert als es selbst abbaut.3 Seltene Rohstoffe, an denen der Osten des Kongos besonders reich ist. Die EU schloss beispielsweise erst vor einem Jahr ein umfangreiches Abkommen über „Wertschöpfungsketten für Nachhaltige Rohstoffe“4 mit Ruanda. Dabei geht es um den Handel mit genau diesen Rohstoffen, die illegal unter katastrophalen Bedingungen aus dem Kongo gewonnen werden.5

Auch über den Raub von Rohstoffen hinaus gilt Ruanda den westlichen Staaten als zuverlässiger Partner. So verhandelten mehrere europäische Staaten über die Abschiebung von Flüchtlingen nach Ruanda.6 Kein Wunder also, dass Ruanda als Vorzeigestaat in Afrika gilt. Dabei geht Kagame, der ruandische Präsident, mit massiver Brutalität gegen jegliche Opposition vor. 

Beschäftigt man sich tiefergehend mit den Hintergründen der Situation in der DR Kongo, muss man sich unweigerlich auch mit Ruanda auseinandersetzen. Dabei fällt schnell auf, welches Propagandageflecht Kagames Weg an die Macht und Ruandas Rolle in der Region umgibt. Im Westen wurde ein Narrativ aufgebaut, nach dem Kagame und seine Ruandische Patriotische Front (FPR) Freiheitskämpfer gewesen seien. Außerdem wird eine Einteilung propagiert, nach der Hutu kollektiv Täter und Tutsi kollektiv Opfer seien. Während der Genozid an den Tutsi 1994 allgemein bekannt ist, sind die genozidalen Handlungen von Kagames FPR an den Hutu in Europa weitgehend unbekannt. Einen UN-Bericht von 2010, der feststellt, dass die Gewalttaten gegen Hutu im Kongo als Genozid eingestuft werden können und dass Ruanda für diese Gewalt verantwortlich ist,7 versuchte Kagames Regime zu unterbinden. Letztlich erschien er verspätet und blieb eher unbekannt.8

Durch imperialistische Logik muss der Kongo bluten: Schon die dortige belgische Kolonialherrschaft war besonders grausam. Am 17.1.1961 wurde der erste kongolesische Premierminister, Patrice Lumumba, durch Kompradoren und westliche Geheimdienste ermordet. Die Imperialisten wollen an die Rohstoffe und solange die DR Kongo im Chaos versinkt, stehen diese dem Weltmarkt billig zur Verfügung, ohne dass ihre eigentlichen Eigentümer – die Kongolesen – davon profitieren. Dass das Schicksal Kongos zentrale Bedeutung für den Befreiungskampf des gesamten Kontinents hat, sahen viele Revolutionäre schon in den 1960er Jahren: „Lasst uns niemals vergessen: Im Kongo steht unser aller Schicksal auf dem Spiel“, hielt Frantz Fanon fest.9 Lumumba selbst sprach vom Kongo als dem „Herzen des großen Afrika“.10 Und Kwame Nkrumah erklärte nach Lumumbas Ermordung vor der UNO: „Der Kongo ist das Herz Afrikas, jede Wunde, die dem Kongo zugefügt wird, ist eine Wunde für ganz Afrika.“11

In westlichen Medien findet sich kaum je eine Meldung zum Kongo. Wenn doch, dann wird der Kriegszustand als etwas Tragisches, aber Unlösbares dargestellt. Fast schon, als sei im Kongo kein anderer Normalzustand möglich. Verschwiegen bleiben das revolutionäre Erbe von Lumumba und seinen Anhängern, die noch nach seinem Tod gegen das Mobutu-Regime kämpften, oder der Widerstand der Kongolesen gegen die aktuellen Angriffe.

Um zumindest einen ersten Einstieg in das Thema zu ermöglichen, spiegeln wir im Folgenden drei Texte zur aktuellen Situation im Kongo, die wir aus dem Englischen übersetzt haben.

1. Ein Solidaritätsstatement von Pan Africanism Today (PAT), einer  Nachrichtenplattform fortschrittlicher afrikanischer Organisationen mit Sitz in Johannesburg (Südafrika), die u. a. Mitglied in der International Peoples Assembly (IPA) ist.


2. Ein Solidaritätsstatement der West African Peoples Organization (WAPO) zur aktuellen Situation. Das englische Original findet ihr hier.


3. Einen recht langen und zeitlosen Text vom Tricontinental: Institute for Social Research, der die kolonialen Wurzeln der heutigen Probleme im Kongo darstellt, aber vor allem den Widerstand der Kongolesen in verschiedenen historischen Phasen hervorhebt. Der Text klärt auch darüber auf, inwiefern sich der westliche Kampf gegen China im Kongo widerspiegelt: Er zeichnet nach, welche Rolle China konkret in den letzten Jahren in der DR Kongo spielte und hinterfragt kritisch, dass die Aufmerksamkeit für die Situation im Kongo im Westen erst dann größer wurde, als auch die Rolle Chinas im Rohstoffabbau im Kongo kritisiert wurde. Das englische Original findet ihr hier.


4. Ein aktuelles Statement der Communist Party Marxist aus Kenia (CPM-K), welches auf die Rolle Ruandas und anderer afrikanischer Staaten, die Propaganda um die Ereignisse der Region in den letzten 30 Jahren und auch die Rolle imperialistischer Akteure im Kongo eingeht.
Einiges, was der Text der CPM-K darstellt, mag westliche Leser – auch Kommunisten und Menschen, die nicht-westliche und nicht-bürgerliche Medien verfolgen – verwundern, da, wie oben dargestellt, viele Aspekte der Geschichte der Region in der hiesigen Berichterstattung ausgelassen wurden. Damit keine Missverständnisse entstehen, sei hier noch einmal klargestellt, dass der Text den Genozid an den Tutsi keinesfalls leugnet, sondern ihn kontextualisiert, wie uns die Genossen der CPMK auf Anfrage noch einmal bestätigten. Das englische Original findet ihr hier.


  1. https://news.un.org/en/story/2025/02/1159896 ↩︎
  2. https://docs.un.org/en/s/2024/432 ↩︎
  3. https://peoplesdispatch.org/2024/12/30/the-drcs-historic-case-against-apple-over-blood-minerals-in-its-supply-chain/ ↩︎
  4. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_24_822 und https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9865 ↩︎
  5. https://www.aljazeera.com/features/2024/5/2/blood-minerals-what-are-the-hidden-costs-of-the-eu-rwanda-supply-deal ↩︎
  6. Während Dänemark und Großbritannien direkt mit Ruanda verhandelten, (https://zetkin.forum/publications/import-deport-european-migration/#denmark; https://www.bbc.com/news/explainers-61782866) reisten CDU/CSU im Alleingang nach Kigali. (https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9594
    ↩︎
  7. https://www.ohchr.org/sites/default/files/Documents/Countries/CD/DRC_MAPPING_REPORT_FINAL_EN.pdf ↩︎
  8. https://www.dw.com/de/brisanter-un-bericht-%C3%BCber-genozid-im-kongo/a-5975619 ↩︎
  9. Frantz Fanon: Lumumba’s Death. Could We Do Otherwise? In: Toward the African Revolution, Grove Press (USA) 1969, S. 197. ↩︎
  10. Heinrich Loth: Kongo – heißes Herz Afrikas. Geschichte des Landes bis auf unsere Tage, Deutscher Verlag der Wissenschaften (DDR) 1965, S. 5. ↩︎
  11. https://www.youtube.com/watch?v=7p_u4D4w47o ↩︎

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