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Antwort der Russischen Kommunistischen Arbeiterpartei (RKAP) auf Fragen zu Kasachstan

Als die Proteste in Kasachstan in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt sind, hat sich auch in unseren Reihen eine Diskussion um die Bewertung der Ereignisse ergeben (siehe unsere Stellungnahme). Die Diskussionen betreffen zum einen konkrete Fragen der Situation in Kasachstan, den Charakter der Proteste in deren Verlauf, die Rolle der Arbeiterbewegung und die Einschätzung des Einsatzes der OVKS-Truppen. Zum andern sind auch Fragen und kontroverse Standpunkte aufgekommen, die den konkreten Rahmen sprengen und die allgemeineren Charakteristika des Imperialismus als Weltsystem sowie die Rolle der unterschiedlichen Länder darin betreffen.

Um unsere Diskussion zu qualifizieren, haben wir unterschiedliche Parteien und Organisationen um ihre Einschätzung zu einigen Fragen gebeten. Wir werden nach und nach die erhaltenen Antworten veröffentlichen. Heute beginnen wir mit der Russischen Kommunistischen Arbeiterpartei (RKAP), Mitglied in der Europäischen Initiative Kommunistischer und Arbeiterparteien. Die RKAP verfügt über eine enge Beziehung zur Sozialistischen Bewegung Kasachstans und beobachtet die Kämpfe der kasachischen Arbeiterklasse schon lange aufmerksam.

Hier die, von uns aus dem russischen übersetzte, Antwort der Genossen der Russischen Kommunistischen Arbeiterpartei:


Sehr geehrte Genossen, die Ideologische und die Internationale Kommission des Zentralkomitees der Russischen Kommunistischen Arbeiterpartei (RKAP) hat zu Ihren Fragen zur Situation in Kasachstan Antworten erarbeitet (wir haben keine Einwände gegen die Veröffentlichung unserer Standpunkte auf Ihrer Plattform).

Wie schätzt ihr die Gefahr einer Destabilisierung in Kasachstan ein, selbst wenn die Arbeiterbewegung sich unabhängig von den Interessen der westlichen Imperialisten positioniert? War diese Gefahr zumindest in Teilen des Landes vor dem Einsatz der OVKS Truppen gegeben?

Wir sind der Ansicht, dass die „Stabilität“ in der Republik Kasachstan in den drei vorangegangenen Jahrzehnten auf der ständigen Zunahme der Ausbeutung von Arbeitern beruhten, d.h. der kontinuierlichen Umverteilung des Nationalvermögens in das Eigentum der Oligarchen-Gruppe und der Verschlechterung der Lage der Arbeiter. Nach dem offenen Massaker an demonstrierenden Arbeitern in Zhanaozen im Jahr 2011 erinnerte die „Stabilität“ Kasachstans immer mehr an eine halbfaschistische Diktatur, ähnlich dem Salazar-Regime in Portugal. In den letzten 10 Jahren wurden in Kasachstan Gewerkschafter verhaftet und die Repressionen gegen Gewerkschaften und Kommunisten wurden verstärkt. Nichtsdestotrotz zog sich die Arbeitsbewegung nicht zurück. Davon zeugen die dutzende Proteste von Arbeitern aus Unternehmen in Kasachstan, insbesondere im vergangenen Jahr.

Wir sind uns sicher, dass in einem Umfeld, in dem das vorherrschend große Kapital die Repression gegen Gewerkschaften und Arbeiteraktivisten verstärkt, jedoch die Arbeiterbewegung selbst wächst und reichlich Protesterfahrung sammelt, jede „Stabilität“ eine vorübergehende Angelegenheit ist.

Kein Wunder, dass ein erneuter Druck auf die Arbeiter im Zusammenhang mit dem Anstieg der Gaspreise zu einer massiven Empörung in der kasachischen Gesellschaft führte. Die Grundlage für die Ereignisse in Kasachstan vom Januar 2022 bildete das spontane Aufstehen der Arbeiterbewegung, die sich auf gewonnene Erfahrungen und der bereits bestehenden organisierten Strukturen (Gewerkschaften, Ausschüsse) stützen konnte.

Ähnliche explosionsartige Protestwellen warten auf Kasachstan in der Zukunft, da keine der Klassenwidersprüche, die die Zusammenstöße im Januar verursacht haben, gelöst wurden.

Gleichzeitig sind wir uns sicher, dass imperialistische Länder ähnliche Versuche an der „Stabilität“ zu rütteln,  im Rahmen des kapitalistischen Wettbewerbs, für ihre Zwecke nutzen können. Chinesen, Amerikaner, Briten, Russen und andere imperialistische Länder kämpfen um die Kontrolle Kasachstans. Zweifellos besteht ihr Interesse darin, ihren Einfluss zu erhöhen und denen der Gegner zu schwächen. Solche Prozesse sind unter den Umständen, in denen die Arbeiterbewegung nicht ausreichend entwickelt ist, um die Frage der Machtübernahme und der Veränderung der gesamten Lage bis an ihre Wurzel zu stellen, unvermeidlich.

Im imperialistischen Weltsystem nehmen der russische und der US-Imperialismus eine unterschiedliche Stellung ein, wobei es die USA und ihre Bündnispartner sind, die Russland aktuell politisch unter Druck setzen und militärisch einkreisen, während Russland aus der Defensive heraus agiert. Teilt ihr diese Einschätzung und welche Konsequenzen zieht ihr daraus für die Agitation und Propaganda der Kommunisten und für die Einschätzung von Protesten in der russischen Einflusssphäre, auf eure Einschätzung von russischen Militäreinsätzen? Muss die Kommunistische Bewegung ihren Kampf vor allem gegen den Imperialismus der USA und NATO-Staaten ausrichten, weil von ihm die größte Bedrohung ausgeht und welche Auswirkung hat das auf die Praxis der Kommunisten? Welche Rolle spielt die Bedrohung durch den Westen für die Kampfbedingungen der Arbeiterklasse?

Wir glauben, dass die unterschiedlichen Positionen der imperialistischen Zentren, ihr ständiger Kampf und die Versuche die Ressourcen und Märkte des jeweils anderen abzugreifen, die ständige Umverteilung von Eigentum und Einfluss integrale Bestandteile des Imperialismus sind. Die imperialistische Konkurrenz führte bereits zweimal in der Geschichte zu Weltkriegen und oftmals zu kleineren Kriegen. Wir stimmen mit dem überein, dass die Russische Föderation als imperialistisches Zentrum in jeder Hinsicht viel schwächer ist als die Vereinigten Staaten, mit ihrer noch immer weltweit vorherrschenden Wirtschaft, militärischen Macht, Dutzenden von Satellitenstaaten und dem ihr untergebenen größten militärischen Block der Welt – der NATO. In vielerlei Hinsicht sind die Ereignisse in der Ukraine, das Wiederaufleben des offenen Faschismus und dem Krieg im Donbass, mit der imperialistischen Konkurrenz der USA und der EU auf der einen und Russland auf der anderen Seite zu erklären. Die Risse im imperialistischen Lager können und sollten von linken Kräften für die Entwicklung des Klassenkampfes genutzt werden. Daher unterstützen die Kommunisten nicht nur die Hilfe der russischen Behörden für die Republiken des Donbass bei der Bekämpfung der Strafoperationen Kiews, sondern haben auch weitgehendere Forderungen, einschließlich der Hilfe bei der Wiederherstellung der Wirtschaft.

Wir sind jedoch nicht der Ansicht, dass wir das russische Kapital in irgendeiner Weise in ihrer Konkurrenz mit dem Kapital der USA und ihren Verbündeten, unterstützen sollten. Den Genossen in Donbas erklären wir, dass die Vlasov-Anhänger (die während des Großen Vaterländischen Krieges[1] auf die Seite des faschistischen Deutschlands wechselten. Verräter, vorwiegend russischer Herkunft) nicht besser sind als die Bandera-Anhänger (die während des Großen Vaterländischen Krieges auf der Seite des faschistischen Deutschlands wechselten. Verräter, vorwiegend ukrainischer Herkunft). Wir erklären, dass während die Menschen kämpfen, die Bourgeoisie hinter den Kulissen verhandelt und immer zum Verrat und Verkauf bereit ist.

Wir sind der Ansicht, dass die Kommunisten eines jeden Landes sich gegen das Weltsystem des Imperialismus in seiner Gesamtheit positionieren sollten. Jedoch müssen die Kommunisten in der Praxis zunächst den Kapitalismus in ihrem eigenen Land, welches ohnehin einen bestimmen Platz im weltimperialistischen System einnimmt, bekämpfen.

Wie analysiert ihr den Einsatz der OVKS in Kasachstan im Zusammenhang mit der imperialistischen Konkurrenz zwischen USA, Russland, China und EU?

Der Beitritt der OVKS-Truppen nach Kasachstan zum Zeitpunkt der Krise im Januar 2022 beinhaltete zwei Ziele von Russland, dem führenden Land dieses militärischen Blocks.

Erstens hat die Entsendung der Truppen allen imperialistischen Konkurrenten Russlands ein klares Signal gegeben und die Bereitschaft des russischen Kapitals gezeigt, für seine Investitionen und seinen Einfluss in Kasachstan zu kämpfen. Die rasche militärische Reaktion demonstrierte den USA und ihren Verbündeten, die Russland in verschiedene Richtungen beeinflussen (einschließlich in der Ukraine), die Mobilität der russischen Armee und den Ausbildungsstand der Truppen, die in der Lage sind innerhalb von wenigen Stunden, über einen große Entfernung hinweg, große Truppenteile zu bewegen. Wäre Russland nicht in der Lage eine derartige militärische Demonstration abzuhalten, so wäre der Standpunkt des russischen Kapitals wahrscheinlich nicht nur in Zentralasien erheblich untergraben.

Zweitens äußerte sich die Tatsache, dass die Unruhen in der Bevölkerung, die nicht wie oftmals auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR, nur auf kleinbürgerlichen Demonstrationen beruhten, sondern auf der Arbeiterbewegung, die bereits Erfahrung des Kampfes hat und selbstbewusst auf den Weg der Stärkung der Organisierung und des Bewusstseins der Klasse zusteuert, die russischen bürgerlichen „Eliten“ erschrecken. Man sollte berücksichtigen, dass die Arbeiterklasse seit langem in Russland und den Nachbarländern ihre subjektive Rolle nicht eingenommen hatte und nicht in ihrem eigenen Interesse als organisierte Kraft gehandelt hat. Aber im Januar 2022 hat sich in Kasachstan gezeigt, dass Proteste der Arbeiter spontan waren. Dennoch zeigten diese, dass das Organisationsniveau der Arbeiter wächst, ebenso wie ihr angemessenes Verständnis ihrer Stellung und ihrer Klasseninteressen.

Unter diesen Umständen war der Einsatz von Truppen durch die OVKS auch ein Ausdruck der Solidarität des russischen Kapitals mit dem kasachischen, d.h. sie erfüllte Gendarm-Funktionen[2]. Wir wissen, dass die russischen Truppen, sowie die der anderen OVKS-Länder, dieses mal nicht an der Unterdrückung der Arbeiterproteste beteiligt waren. Aber ihre Anwesenheit und die Drohung mit Maßnahmen erfüllten zweifellos ihre reaktionäre Rolle. Wir sind uns sicher, dass das Kapital zweifellos alle Truppen in der Region genutzt hätte, wenn die Arbeiter die Frage nach Eigentum und Macht ernsthaft gestellt hätten.

Grundsätzlich unterstützte die RCWP die Proteste der Arbeiter Kasachstans und hält diese Erfahrung zweifellos für nützlich. Die Maßnahmen der kasachischen Regierung – das eingestehen der gigantischen sozialen Ungerechtigkeit, des Rücktritts der Regierung, die Einschränkung der Funktionen Nazarbayews, die Senkung der Gaspreise etc., bestätigen unsere Schätzungen. Der Kampf war nicht umsonst.

08.02.2022  RCWP International Department.


[1] In Deutschland: 2. Weltkrieg.

[2] Für Ruhe und Ordnung sorgen.

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