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Kasachstan – Hintergründe und Zusammenhänge

Von Yana Zavatsky (Vorsitzende der Internationalen Kommission der KPD)

Der folgende Text ist in der Ausgabe von März-April 2022 von offen-siv erschienen.


Im Januar wurde die ganze Welt Zeuge der massiven Proteste in einem asiatischen Land, das früher eine der Sowjetrepubliken war, in Kasachstan. Es wurde viel darüber geschrieben, die Solidarität mit den streikenden Arbeitern haben viele (allerdings nicht alle) ausgedrückt. Dennoch stellte sich heraus, dass noch Bedarf besteht, hier Klarheit zu schaffen, um vielleicht auch die allgemeine Lage und die Vorgehensweise bei solchen Ereignissen besser zu verstehen. 

Es entstanden einige Fragen und sogar Mythen und es wäre besser, sofort auf diese Fragen einzugehen. Aber leider, bevor wir damit anfangen, muss ich die Geschichte im Ganzen von Anfang an darstellen. 

Kasachstan ist ein Land mit typischer Peripherie-Wirtschaft und es ist keineswegs Richtung Russland oder China orientiert, auch wenn diese Länder unter anderen eine gewisse Rolle in seiner Wirtschaft spielen. Nursultan Nasarbajew, früherer erster Sekretär der KPdSU in Kasachstan, Anhänger von Gorbatschow, hat direkt nach der Konterrevolution persönlich damit angefangen, die großen kasachischen Unternehmen zu privatisieren und deren Aktien an US-Amerikaner übergeben. 

Es handelt sich um eine typische Rohstoff-Ökonomie, das Land, wohin die imperialistischen Zentren ihre Kapitale exportieren und daraus immense Profite  erzielen. 

Hier stelle ich die Länder nach ihrem Investitionsvolumen dar (2021; die Zahlen können sich etwas unterscheiden von Jahr zu Jahr, aber nicht massiv).

Investitionsvolumen ausländischen Kapitals in Kasachstan:

Niederlande 30,2%

USA 24,3%

Schweiz 10,9%

China 6,1%

Frankreich 4,3%

Russland 3,9%

Belgien 3,7%

Großbritanien 2,4%

Südkorea 1,7%

Japan 1,7%

Zu 50% ist die kasachische Wirtschaft von den USA und der EU abhängig. Es werden vor allem Rohstoffe exportiert (Öl, Gas, Metalle, Mineralien), und Produkte nach der Erstbearbeitung (Metallurgie). (Quelle: https://mangystau.invest.gov.kz/ru/about-kazakhstan/economy/)

Wirtschaftsstruktur von Kasachstan:

Rohstoffgewinnung 15%

Rohstoffbearbeitung 11%

Handel 17%

Bauwesen 6%

Lager- und Transportwesen 8%

Andere Branchen sind weniger bedeutend. Daraus kann man auf jeden Fall die Schlussfolgerung ziehen, dass die klassische industrielle Arbeiterklasse in Kasachstan eine sehr große Rolle spielt. (Quelle: https://raexpert.ru/researches/int_fin/central_asia_2021/#part1)

Was die kasachische Bourgeoisie betrifft, handelt es sich um eine klassische Kompradoren-Bourgeoisie. Weder Nasarbajew (der fast 30 Jahre Präsident war) noch Toqajew und sein Kabinett haben einmal die massive Rohstoffausbeutung von ausländischen (vor allem westlichen) Konzernen in Frage gestellt. Ökonomisch ist diese Bourgeoisie und ihre Staatsangestellten alles andere als national (und auch nicht gen Russland und China orientiert). Sie stört nicht, dass die massiven Gewinne aus dem Land verschwinden, wichtig ist nur, dass sie selbst ein paar Krümmel davon abbekommen. 

Politisch wurde Kasachstan fast 30 Jahre autoritär von Nursultan Nasarbajew geführt, der später seinen Präsidentensessel an Qassym-Schomart Toqajew übergeben hat, besitzt aber bis dato noch einen sehr wichtigen Posten in der Regierung, das ihn auch teilweise über den Präsidenten stellt. Als Ergebnis des Aufstandes im Januar ging Nasarbajew endgültig in Rente (das war auch die Forderung des Volkes). 

Auch politisch ist Kasachstan keineswegs prorussisch orientiert. Das Land hat sich nicht antirussisch gestellt, das ist wahr und es ist mit Russland durch verschiedene Verträge, auch über die Zusammenarbeit in militärischem Bereich, verbunden. Russland mietet in Kasachstan z.B. den Weltraumhafen Baikonur. 

Dennoch ist Kasachstan ökonomisch vom Westen abhängig und mit diesem pflegte es einen genauso freundlichen Umgang. Die Zusammenarbeit der Republik Kasachstan mit der NATO basiert auf dem 1994 unterzeichneten Rahmendokument der Partnerschaft für den Frieden (PfP). (Quelle: https://www.gov.kz/memleket/entities/mfa-brussels/activities/1678?lang=ru)

2016 wurde in Almaty ein amerikanisches Labor eröffnet, angeblich um besonders gefährliche Krankheitserreger zu verarbeiten, die aus dem sowjetischen militärbiologischen Programm übrig geblieben waren. Dieses Labor kostete das US-Pentagon 130 Millionen Dollar und wird vom US-Verteidigungsministerium verwaltet. Die russischen Behörden, vertreten durch den Außenminister der Russischen Föderation Lawrow, äußerten diesbezüglich im Juni dieses Jahres ihre Besorgnis und forderten Zugang zur Arbeit dieser Labors.

Seit 2008 existiert in Kasachstan das NATO-Ausbildungszentrum „Kaz Cent“, das einzige zertifizierte NATO-Ausbildungszentrum in Zentralasien. (Quelle: https://forum-msk.org/material/news/14910557.html)

Regelmäßig werden gemeinsame Übungen der NATO und der Armee von Kasachstan „Stepnoi Orjol“ (Steppenadler) durchgeführt. 

Aber vielleicht ist Kasachstan dann besonders freundlich gegenüber Russland und dankbar für die gemeinsame sowjetische Vergangenheit und pflegt wenigstens keine Feindschaft gegen Russen?

Leider ist auch das nicht der Fall. Von 1989 bis 2021 sank der Bevölkerungsanteil slawischer Herkunft (überwiegend Russen) von 7,3  auf 3,7 Millionen. Und die meisten russischen Anwohner blieben vor allem im Norden der Republik, im Süden sind sie kaum noch vorhanden. Gleichzeitig gewann auf Anregung der kasachischen Behörden eine aktive antirussische Propaganda an Fahrt, in der die Russen, die seit Jahrhunderten auf dem Territorium des modernen Kasachstan leben, zu „Eroberern“ und „Besatzern“ erklärt wurden und vertrieben werden. Das kasachische Alphabet, das zu Sowjetzeiten auf der Grundlage des kyrillischen Alphabets erstmalig geschaffen wurde, wurde ins Lateinische übersetzt. (Quelle: https://news-front.info/2022/01/11/tridtsat-let-etnotsida-russkih-v-kazahstane-strashnye-tsifry-i-pechalnye-itogi)

Konterrevolutionäre und nationalistische Aufstände werden bejubelt und mehrere Lenin-Denkmale wurden abmontiert.

Kämpfe der Arbeiterklasse in Kasachstan

Ferner müssen wir etwas über die Vorgeschichte der Arbeiterbewegung in Kasachstan berücksichtigen. Für Menschen, die sich mindestens ansatzweise für das Land interessieren, sind die Januar-Ereignisse keineswegs neu, die Beteiligten sagen: „Kasachstan lebt bereits seit 10-15 Jahren wie auf dem Pulverfass“. 

Die kasachische Arbeiterklasse kämpft erbittert für ihre Rechte. Die Regierung antwortet mit Repression. Mehrere sitzen in Gefängnissen oder sollten aus dem Land fliehen. Die Kommunistische Partei wurde verboten, es blieb ein opportunistisches Überbleibsel namens „Kommunistische Volkspartei“, diese änderte 2020 ihren Namen um in schlicht „Volkspartei Kasachstans“, was auch ihrem bürgerlichen Charakter entspricht. Die neu entstandene „Sozialistische Bewegung Kasachstans“ wird hingegen hart verfolgt. Die „Unabhängige Vereinigung der Gewerkschaften“ wird 2014 verboten, Gewerkschaftsaktivisten werden verfolgt.

2006 wurde der Aufstand der Bewohner der Siedlung „Shanyrak“ blutig niedergeschlagen. 2011 wurden in Schangaösen streikende Ölarbeiter brutal erschossen, dieses Verbrechen wird nie vergessen, weder in Kasachstan noch in Russland und in der internationalen kommunistischen Bewegung. 

Die Streiks in Kasachstan haben in den letzten 10 Jahren einen regelmäßigen und harten Charakter. Das ist keine Seltenheit, schauen wir, z.B. in das Jahr 2021:

September: in Tainschyn halten die Arbeiter von „Obuchowsky GOK“ 27 Tage Hungerstreik gegen die Schließung des Werkes.

30. September: Streik und Kundgebung der Kraftfahrer in Schymkent. 

12. Oktober: mehrere Tage Streik der Transportarbeiter in Schangaöseng.

22. Oktober: Kurier-Streik in Nursultan und Almaty.

22. Oktober: politische Kundgebungen der Lehrkräfte im Turkestan-Gebiet.

23. Oktober: Streik der Müllmänner in Semej. 

11. November: Streik der Pflegekräften und Ärzte in Aktau.

10. – 12. November: Streik der Arbeiter des deutschen Konzerns „Heidelberg Zement“ in Mangystau.

30. Dezember: Streik der Ölarbeiter in drei Betrieben in Kysyl-Orda (direkt vor den Ausschreitungen im Januar!)

(Quelle: http://socialismkz.info/?cat=24)

Das ist nur eine unvollständige Liste der ganzen Streiks und Proteste im Land in den letzten sechs Monaten, aber das vermittelt auch so bereits eine gute Vorstellung über die Situation im Land. Wir müssen betonen, die Arbeiterbewegung ist spontan. Nichts ist einstudiert wie in Deutschland, durch die bezahlten, gut sozialisierten DGB-Gewerkschafter; die Arbeiter organisieren sich selbst und formen Arbeiterkomitees und neue Gewerkschaften. Die Streiks tragen oft politischen Charakter. 

So wird z. B. in Schangaösen regelmäßig die Nationalisierung der Öl-Betriebe zur Forderung erhoben. 

Gleichzeitig ist im Land auch Arbeitslosigkeit vorhanden, insbesondere bei der Jugend und besonders betroffen sind die südlichen Regionen und Almaty. (Quelle: https://marketingcenter.kz/20/economy-kazakhstan.html#invest)

Und nun, nach dieser Vorgeschichte, kommen wir zu den Fragen und Mythen, die um die Januar-Aufstände gebaut worden sind. Ich fange zunächst mit 5 bekannten Mythen an.

Mythos 1: Die Informationslage

Viele sagen „Wir haben ja einfach nicht genug Informationen, um diese Proteste richtig einzuschätzen“. Das hat wirklich keiner. Deswegen sollen wir feststellen, welche Informationsquellen wir dazu nutzen, und in welche Reihenfolge, um ein objektives Bild zu schaffen.

Heutzutage, mit Übersetzungshilfen von Google und co., gibt es kein Problem, eine zuverlässige Information direkt vor Ort zu bekommen. Die Ansprechpartner müssen die Bewegungen und Parteien sein, die unseren Ansichten an nahesten stehen. Diesen Ansprechpartner haben wir in Kasachstan, und das ist die Sozialistische Bewegung Kasachstans. (Quelle: http://socialismkz.info/)

Sie arbeitet eng mit der russischen RKAP zusammen und ist ein Mitglied in Solidnet. Wenn wir unseren Genossen, den Marxistisch-Leninisten in anderen Ländern nicht trauen, wem sollen wir dann mehr trauen? Russischen Opportunisten und bürgerlichen Medien? 

Selbstverständlich kann sich auch eine Partei vor Ort irren. Deswegen gibt es auch andere Quellen: 

  • Die anderen Solidnet-Parteien, vor allem aber die russischen RKAP und VKP (letztere gehört nicht zu internationalen Vereinigungen, es existiert aber ein Einigungsprozess zwischen RKAP und VKP). 
  • Die bürgerlichen Medien, die man natürlich mit Bedacht auswerten soll. Medien aus Russland und China sollte man genauso vorsichtig nutzen, wie auch die westlichen Medien und immer daran denken, dass die Bourgeoisie in jedem Land vor allem ihre eigenen Interessen verteidigt. Die Stellungsnahmen von opportunistischen „Kommunisten“ wie KPRF muss man genauso vorsichtig auswerten. 

Es ist leider nicht der Fall und in unseren Parteimedien konnten wir Stellungsnahmen und Aussagen vor allem der russischen Staatsbeamten und der opportunistischer KPRF lesen. 

Mythos 2: Kasachstan ist angeblich ein prorussisches Land, vergleichbar mit Belarus. 

Falsch! Wie oben gezeigt, ist Kasachstan alles andere als prorussisch. Der Nationalismus wird dort auf Staatsebene betrieben. Die sowjetische Vergangenheit wird offen als „Okkupation“ bezeichnet. Derzeit hält der bekannte antirussische Nationalist Askar Umarov den Posten des Ministers der Information. 

Selbst die Mitbürger slawischer Nationalitäten wurden aus dem Land rausgepresst. 

Was ist da noch vergleichbar mit Belarus? 

  • Eigenständige unabhängige Politik? – nein.
  • Nationale unabhängige Ökonomie, kein ausländisches Kapital? – nein. 
  • Keine Zusammenarbeit mit NATO? – doch!
  • Feiern der sowjetischen Feiertage, sowjetischer Geschichte als glorreichem Teil der Landesgeschichte? – nein. 

Einzige oberflächliche Ähnlichkeit zu Belarus ist, dass Nasarbajew genauso wie Lukaschenko lange Zeit im Präsidentensessel blieb. Dabei wird Lukaschenko als„der brutale Diktator“ dargetellt, Nasarbajew in westlichen Medien hingegen als „gewählter Präsident“.

Mythos 3: Es geht um die „Farbenrevolution“/regime change, die dazu bestimmt ist, die Lage an der Grenze Russlands zu destabilisieren, genauso, wie es in der Ukraine gemacht wurde.

(Dieser Standpunkt wurde besonders von Gen. Brigitte Queck, sowie in offiziellen Standpunkten der russischen und chinesischen Regierung vertreten). 

Falsch! Eine Farbenrevolution wird normalerweise von ausländischen interessierten Kräften angestiftet, um ihre Herrschaft im Land zu etablieren. Aber die bestehende Regierung ist bereits der beste Dirigent des westlichen Einflusses. Sie erlaubt den westlichen Konzernen ihre Profite ungestört aus dem Land zu ziehen und zeigt keinerlei Anzeichen von Widerstand. 

Auch die militärische Barriere gegen Russland könnte die NATO bei dem bestehenden Vertrag ohne Staatsstreich stärken, einfach, indem sie ihre Anwesenheit im Land mit Erlaubnis der Regierung erweitert. 

Außerdem können wir die Information in den westlichen Medien als zusätzlichen Faktor auswerten. Die realen Farbenrevolutionen (wie in Syrien oder Belarus) werden immer von einer massiven Propagandakampagne gegen die bestehende Regierung begleitet. 

Das war hier nicht der Fall. Toqajew wurde nie als „blutiger Tyrann“ oder „Diktator“ bezeichnet, wie wir das bei Lukaschenko, Janukowitsch, Assad, Gaddafi u. a. beobachteten. Toqajew wird immer nur „Präsident“ genannt, und die deutschen Medien wünschten höchstens eine friedliche Lösung des Konflikts. 

Mythos 4: Es heißt häufig: Ja, es gab Arbeiterproteste, aber nur im Westen Kasachstans und zwischen den Arbeiterstädten im Westen des Landes und der Stadt Almaty bestünde ein Riesenunterschied, da liegen angeblich Welten dazwischen.

Falsch! Es gibt keinen „Riesenunterschied“ zwischen den verschiedenen Gebieten Kasachstans. Die Rohstoffquellen sowie die Verarbeitungsindustrie befinden sich nicht nur im Westen. Vor allem muss man Karaganda in Zentrum des Landes erwähnen, ein riesiges Kohlen- und metallurgisches Zentrum, vergleichbar mit Donetzk oder Kuznetzk. Aber auch im Süden befinden sich Gas-Quellen, z. B. zwischen Frunse und Almaty, und in Almaty selbst, sowie auch im südlichen Schymkent, sind überall industriellen Städte mit Maschinenbau, Metallurgie, chemischer Produktion, Fabriken der Leichtindustrie usw. 

Es ist wahr, dass die Streiks im Januar im Westen des Landes, in Mangystau (wo sich auch Schangaöseng) befindet, angefangen haben. Diese Streiks verbreiteten sich aber auch sofort auf andere Gebieten des Landes: Es protestierten die Bergarbeiter in Karaganda, Jeskasgan, die Arbeiter in Aktjubinsk, Uralsk, Kysyl-Ordy, Schymkent, Kokschetau, Kostanai und vielen anderen Städten und Orten, in Schymkent haben die Lastwagenfahrer die Straßen gesperrt. Somit ist praktisch das ganze Land mit Protesten bedeckt. (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=48bWYu748sA)

Mythos 5: Man kann doch nicht Provokateure befürworten, die Autos in Brand setzen und Frauen vergewaltigen 

Nirgends haben Kommunisten Provokateure befürwortet, außerdem hat die RKAP in ihrer Erklärung erwähnt:

„Wir verurteilen aufs schärfste die Aktionen deklassierter Elemente, von Provokateuren und Plünderern, die sich dem Volksprotest angeschlossen haben, die Leistung des multinationalen Proletariats Kasachstans diskreditieren und es den Behörden erleichtert haben, Streiks, Kundgebungen und Demonstrationen unter dem Deckmantel des „Schutzes der Bevölkerung vor Terroristen“ gewaltsam zu unterdrücken.“ (Quelle: http://www.solidnet.org/article/RCWP-/)

Auch die Nationalisten und islamischen Fundamentalisten haben versucht, die Proteste zu ihrem Zweck auszunutzen. Das alles kann man nicht befürworten und begrüßen. Ich möchte hier aber fragen: wie stellen die heutigen Kommunisten sich die Revolution vor? Vielleicht denken sie, dass z. B. die Große sozialistische Oktoberrevolution oder die Revolution von 1905 in Russland ausschließlich von ruhigen, disziplinierten Arbeitertruppen durchgeführt wurde, dass es keine Plünderungen und anarchistische Elemente gab, kein Chaos, keine konterrevolutionären Aufstände usw.? Keine Kräfte haben je versucht, die Situation für sich auszunutzen? Ich muss nur sagen: solche Kommunisten täuschen sich gewaltig. Leider ist Chaos eine Begleiterscheinung in jedem Aufstand, das ist eine soziale Explosion, wo auch das Lumpenproletariat beteiligt ist, mit bekannten Folgen. 

Nach diesen 5 Mythen möchte ich auf die Fragen der Kommunistischen Organisation eingehen, die sie in ihrer offenen Diskussion gestellt hat und sie beantworten.

Frage 1:

Wie schätzt ihr die Gefahr einer Destabilisierung in Kasachstan ein, selbst wenn die Arbeiterbewegung sich unabhängig von den Interessen der westlichen Imperialisten positioniert? War diese Gefahr zumindest in Teilen des Landes vor dem Einsatz der CSTO Truppen gegeben?

Antwort: Eine Revolution, die Kommunisten eigentlich bestreben sollten, setzt eine Destabilisierung des alten Regimes voraus. Daher ist die Frage unverständlich. Man könnte die Regierung Kasachstans unterstützen, wenn sie antiimperialistisch oder zumindest prorussisch und antiwestlich wäre, aber wie wir oben gezeigt haben, ist das nicht der Fall. Auch wenn die Regierung gestürzt wäre, hätte das die Situation der Arbeiterklasse und die Grenzsituation für Russland kaum zum negativen verändert.

Aus allen bekannten Quellen kann man allerdings schließen, dass ohnehin keine Gefahr für die Regierung bestand. Die Proteste waren gegen Nasarbajew, jedoch nicht gegen Toqajev gerichtet und Nasarbajew hat seinen Platz freiwillig geräumt. Es wird deswegen nachvollziehbar spekuliert, dass die Volksproteste als Mittel des Kampfes zwischen den Regierungseliten benutzt worden sind. 

Frage 2:

Im imperialistischen Weltsystem nehmen der russische und der US-Imperialismus eine unterschiedliche Stellung ein, wobei es die USA und ihre Bündnispartner sind, die Russland aktuell politisch unter Druck setzen und militärisch einkreisen, während Russland aus der Defensive heraus agiert. Teilt ihr diese Einschätzung und welche Konsequenzen zieht ihr daraus für die Agitation und Propaganda der Kommunisten und für die Einschätzung von Protesten in der russischen Einflusssphäre, auf eure Einschätzung von russischen Militäreinsätzen? Muss die Kommunistische Bewegung ihren Kampf vor allem gegen den Imperialismus der USA und NATO-Staaten ausrichten, weil von ihm die größte Bedrohung ausgeht und welche Auswirkung hat das auf die Praxis der Kommunisten? Welche Rolle spielt die Bedrohung durch den Westen für die Kampfbedingungen der Arbeiterklasse?

Antwort: Hier darf man nicht verallgemeinern. Die westliche kommunistische Bewegung muss ihren Kampf vor allem gegen den Imperialismus der USA und NATO richten, weil es der eigene Imperialismus ist („Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ Karl Liebknecht). Und ja, weil Russland im Moment eher aus der Defensive heraus agiert. Der Kampf für den Frieden ist natürlich auch gegen die feindlichen Angriffe auf Russland gerichtet. 

Dennoch sollte man Russland nicht überschätzen (wie es manche leider weiterhin tun). Es ist ein kapitalistisches Land mit eigenen schwach entwickelten imperialistischen Interessen. Da, wo Russland sich um den eigenen Schutz kümmert oder die berechtigten Interessen des Volkes beschützen soll (wie im Fall Donbass), gilt es, die Russische Föderation zu unterstützen. Da, wo das gegenwärtige Russland sich aber einer rechtskonservativen Reaktion anschließt oder auch hilft, die Arbeiterbewegung niederzuschlagen, da kann keine Unterstützung für die russische Regierung sein.

Deswegen gibt es leider kein einfaches Rezept für  die Agitation und Propaganda, außer vielleicht „Wir sind gegen Krieg mit Russland“. Ähnlich haben auch Liebknecht und Luxemburg agiert: sie haben sich klar gegen den Krieg positioniert, vergaßen aber zu keiner Zeit, dass das zaristische Regime in Russland konservativ und brutal ist und das eigene Volk Repressionen aussetzt. 

Frage 3:

Wie analysiert ihr den Einsatz der CSTO* in Kasachstan im Zusammenhang mit der imperialistischen Konkurrenz zwischen USA, Russland, China und EU?

*Collective Security Treaty Organization – Организация Договора о коллективной безопасности – Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit

Antwort: Dieser Vertrag wurde 1992 unterschrieben, aber kam bis heute noch nie zur Anwendung. Es kann sein, dass er zu einem neuen Schritt bei der Erweiterung des militärischen Einflusses Russlands innerhalb seiner „Einflusssphäre“ genutzt wird. 

Dennoch sollte man das nicht überschätzen. Die Kräfte innerhalb der CSTO haben kaum eine Rolle bei den Kämpfen gegen die Aufständischen gespielt, die meiste Arbeit wurde von der kasachischen Armee und Polizeieinheiten durchgeführt. Die Kräfte der CSTO haben lediglich 2 Flughäfen und einige wirtschaftliche Objekte gesichert und das dauerte nur eine Woche. Sie spielten hier eher eine Rolle der möglichen Abschreckung. Die russischen kommunistischen Parteien haben den Einsatz der CSTO scharf verurteilt. Sie vergleichen es mit der Politik des zaristischen russischen Imperiums, das sich überall eingemischt hat, wo die revolutionäre „Gefahr“ drohte. 

Hier sollte man aber vorsichtig sein, denn diese Einmischung war keinesfalls massiv und die Truppen haben kaum eine Rolle in den allgemeinen Ereignissen gespielt und wurden sehr schnell wieder abgezogen. Das kann natürlich einen Präzedenzfall für mögliche zukünftige Einsätze bedeuten. Aber im Moment was das eher harmlos.  

Was wir als Kommunisten nicht vergessen sollen: für uns ist der Aufstand in Kasachstan „vorbei“. Es ist aber nicht so für die kasachischen Arbeitern, Kommunisten und Gewerkschafter. Auch heute gehen die massiven Streiks in Schangaöseng weiter. Die Repressalien gegen die Teilnehmer der Proteste (und nicht nur gegen „chaotischen Provokateure“, sondern auch gegen die Streiksanführer) gehen ebenso weiter. In Gefängnissen werden Menschen gefoltert (Quelle: https://vk.com/ainurkurmanov?w=wall572673964_2024%2Fall)  

Der Abgesandte der USA hat der Regierung Toqajew volle Unterstützung der Biden-Administration zugesagt. 

Die Arbeiter in Kasachstan, die klassenbewussten Arbeiter, die in der schlimmsten Situation ohne legale Kommunistische Partei, ohne ausreichende Organisation kämpfen müssen, brauchen auch weiterhin unsere Solidarität und Unterstützung. 

Das dürfen wir nicht vergessen. 

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Zur Veranstaltungsreihe „Good bye Stalin?!“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung SachsenDie Rosa-Luxemburg-Stiftung hat 2023 in Leipzig eine Veranstaltungsreihe gestartet, deren Hauptinhalt antikommunistische, antisowjetische und Anti-DDR-Propaganda war. Worauf das Ganze hinauslaufen sollte, wurde dann spätestens bei der letzten Veranstaltung deutlich: die Einreihung der Linken in die Zeitenwende-Politik. Die Beteiligung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des lokalen Parteibüros der Linken linxxnet sollte mittlerweile nicht mehr verwundern. Eine neue Stufe war jedoch die Veranstaltungsunterstützung durch die VVN-BdA.

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Im Oktober hielten wir als KO in Leipzig im Rahmen der Aktionswoche des Kufiya-Netzwerks einen Vortrag zur Geschichte des Zionismus. Der Vortrag soll einen Einstieg in das Thema leisten und gibt Argumentationshilfen für die politische Auseinandersetzung an die Hand.