English
русский
عربي

Die Unterwerfung der Ukraine

Von Philipp Kissel

stilisierte Karte mit NATO Ländern in Europa vs Russland

Anmerkung der Redaktion
Dieser Text ist im Rahmen unserer Auseinandersetzung mit dem Krieg in der Ukraine und der Imperialismusdiskussion entstanden. Wir haben 2022 beschlossen uns kollektiv der Einschätzung des Charakter und der Vorgeschichte des Krieges zu widmen.
Hierfür wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die sich u.a. mit den Interessen und der Politik des westlichen imperialistischen Block, mit Russlands Ukrainepolitik sowie mit den Erkenntnissen der sozialistischen Arbeiterbewegung zum Imperialismus und der Bedeutung der Nationalen Frage beschäftigen. Die Ergebnisse werden fortlaufend veröffentlicht und können von jedem unter dem Artikel kommentiert werden. Längere Kommentare können auch direkt an info@kommunistische-organisation.de gesendet und als Beiträge zur Debatte veröffentlicht werden.

Abstract

Die Umwandlung der Ukraine in ein Aufmarschgebiet gegen Russland erforderte die Unterwerfung des Landes unter die westlichen Interessen und Pläne, insbesondere der USA. Diese Unterwerfung erforderte die Trennung und Spaltung des Landes aus seiner engen Verbindung mit Russland. Dies gelang nur über den Aufbau und Einsatz faschistischer Kräfte, die vom Westen seit den 1920er Jahren aufgebaut und eingesetzt wurden und nach 1991 (vermutlich schon vorher) gegen die antifaschistische Mehrheit und Tradition des Landes in Stellung gebracht wurden. Der gesamte Prozess kann als Verwandlung der Ukraine in eine Kriegskolonie bezeichnet werden, also ein Gebilde, das zur Durchführung eines Kriegs gegen Russland eingesetzt wird und aus diesem Grund zur völligen Abhängigkeit vom Westen gebracht und gehalten werden muss. Dieser Prozess funktioniert nur mit Anwendung von Terror und Gewalt und ist daher politisch fragil. In diesem Text sollen die Stationen der militärischen Integration der Ukraine in die NATO und die damit verbundene Faschisierung der Politik dargelegt werden. Viele wichtige Aspekte des Charakters der Kriegskolonie können hier nicht beleuchtet werden, insbesondere die ökonomischen.

Fragestellung

Dieser Text ist im Zusammenhang mit der Arbeit der Vertiefungsgruppe NATO-Strategie zur Kriegsvorbereitung entstanden und die ausführliche Version des vierten Abschnitts. Die Fragestellung war: Wie lief die Integration der Ukraine in die NATO ab? Damit zusammenhängende Fragen waren: Welche Widersprüche gab es dabei international und in der Ukraine? Warum gelang es nur über Putsch und Faschismus?

Der Text soll dazu beitragen, zu erklären, wie die NATO und vor allem die USA einen Krieg gegen Russland vorbereitet haben und wie es zur Entscheidung der Russischen Föderation für die spezielle Militäroperation kam.

Bedeutung der Fragestellung

Die strategische Bedeutung der Ukraine ist bekannt und seit über einhundert Jahren Gegenstand von militärischen Planungen gegen Russland verschiedener Mächte, darunter Deutschlands und der USA. Die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO hätte daher eine fatale Bedeutung für die Sicherheit Russlands.

In einer Erklärung des russischen Außenministeriums vom Dezember 2021 ist zu lesen:

„Es wurde der Weg gewählt, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, was mit der Stationierung von Raketen mit minimaler Flugzeit nach Zentralrussland und anderen destabilisierenden Waffen verbunden ist. […] Anstatt ihre ukrainischen Schützlinge zu zügeln, treiben die NATO-Staaten Kiew zu aggressiven Schritten an. Die zunehmende Zahl ungeplanter Übungen der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten im Schwarzen Meer kann nicht anders interpretiert werden. […] In diesem Zusammenhang bestehen wir […] darauf, dass ernsthafte langfristige rechtliche Garantien gegeben werden, die ein weiteres Vordringen der NATO nach Osten und die Stationierung von Waffen an den westlichen Grenzen Russlands, die eine Bedrohung für Russland darstellen, ausschließen würden.“ 1https://www.imi-online.de/2022/01/24/nato-aggression-und-russlands-reaktion/

Diese Forderungen wurden von den USA und der NATO rundweg abgelehnt. Das Territorium der heutigen Ukraine ist für Russland auch deshalb strategisch bedeutsam, weil von dort aus ein schneller Durchmarsch nach Moskau aufgrund des flachen Geländes möglich ist. Diese „strategische Tiefe“ macht eine Verteidigung Moskaus fast unmöglich. Aus diesen Gründen spielt die Ukraine für die Strategie des Westens gegenüber Russland eine Schlüsselrolle. Die Kontrolle über sie oder Teile von ihr ermöglicht eine permanente Erpressung Russlands.

Da die Ukraine Teil der Sowjetunion war und große Teile ihres Territoriums schon sehr lange eng mit Russland verbunden sind bzw. Teil Russlands waren; weil die Ukraine außerdem ein starkes industrielles Zentrum der UdSSR war, ist die Erlangung der Kontrolle über die Ukraine dem Westen keineswegs leichtgefallen. Die Widersprüche und Hindernisse sagen etwas über die Ukraine aber auch über die politischen Möglichkeiten und Grenzen des Westens aus.

Für die Frage nach den Ursachen des Kriegs bzw. dem Anlass der Russischen Föderation mit einer militärischen Operation zu reagieren, ist die Untersuchung des Prozesses, mit dem die Ukraine vom Westen unterworfen wurde, relevant, weil von hier aus die Provokation und Eskalation vorbereitet wurde. Um also beurteilen zu können, ob die Operation gerechtfertigt ist und ob sie vom Westen herbeigeführt wurde, sowie um zu beurteilen, welche Ergebnisse der Operation als Erfolg beurteilt werden können, muss die Entwicklung in der Ukraine nachvollzogen werden und für diese ist die Interventionspolitik des Westens von zentraler Bedeutung. Sie prägte und prägt bis heute das Schicksal des Landes. Was hier nicht geleistet werden konnte, aber zentrale Aspekte der Unterwerfung oder Kolonisierung der Ukraine sind, ist die ökonomische Kolonisierung und damit verbundene Deindustrialisierung der Ukraine. Der Einsatz der Ukraine als Kriegskolonie des Westens gegen Russland ist mit hohen Kosten verbunden (die Absicherung des Haushalts durch Milliardensubventionen, Rüstung, etc.). Diese Kosten müssen zumindest zum Teil kompensiert werden durch Privatisierung des Grund und Bodens, der Industrie und des Finanzmarkts. Dieser Prozess ist bei einem Land der Größe der Ukraine und seines Reichtums an fruchtbaren Böden sowie entwickelter Industrie von großer ökonomischer Bedeutung.2Siehe hierzu IMI-Ausdruck Juni 3/2014. „Ein erstes Interesse des Westens besteht darin, der Ukraine dauerhaft die Kontrolle über ihre Wirtschaftspolitik zu entziehen und genau für diesen Zweck sollen sich die Kredite als vortreffliche Möglichkeit erweisen, diesbezügliche ‚Reformen‘ zu ‚ermuntern‘: ‚Ansonsten verpflichtet sich Kiew gegenüber dem IWF keine neuen Kapitalverkehrskontrollen einzuführen und auch den Wechselkurs der Währung dem Markt zu überlassen. Damit gibt sie zwei wichtige Instrumente aus der Hand, mit denen Regierungen einst, in einer Zeit, bevor neoliberale Ideologen die Herrschaft übernahmen, ihre Volkswirtschaften schützten.‘ (Telepolis, 15.5.2014)“ https://edoc.vifapol.de/opus/volltexte/2014/5577/pdf/Juni2014_05wagner.pdf

Phase 1: Das Netz wird ausgeworfen (1991-2002)

Schnelle Schritte zur Integration der Ukraine

Die NATO und vor allem die USA werden bereits bei der Konterrevolution 1991 in der Ukraine eine zentrale Rolle gespielt haben, unter anderem beim Aufbau der sogenannten „Ruch“-Bewegung, die als Sammelbecken für Faschisten gedient hat und eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung insbesondere von Studenten für die Abtrennung der Ukraine von der Sowjetunion gespielt hat.3Gerhard Simon: Die Nationalbewegungen und das Ende des Sowjetsystems, Osteuropa, Vol. 41, No. 8 (August 1991), pp. 774-790 Insofern wäre es falsch, die NATO-Ukraine-Beziehungen mit 1991, der Lostrennung der Ukraine aus der Sowjetunion zu beginnen. Der Aufbau von Strukturen der NATO in der Ukraine begann auch unmittelbar nach 1991, es müssen also Kontakte und Vorbereitungen existiert haben.

North Atlantic Cooperation Council

Am 20. Dezember 1991 trat die Ukraine dem North Atlantic Cooperation Council (NACC) bei, später umbenannt in Euro-Atlantic Partnership Council.4https://web.archive.org/web/20070413141551/http://www.nato.int/issues/nato-ukraine/evolution.html Während (!) der ersten Sitzung des NACC wurde die Sowjetunion aufgelöst und die Folgestaaten nahmen somit unmittelbar an einer NATO-Sitzung teil.5https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_69344.htm Diese historische Symbolik beschreibt die NATO: „The inaugural meeting of the NACC between Allies and non-NATO countries took place on 20 December 1991. As the final communiqué was being agreed, the Soviet ambassador announced that the Soviet Union had dissolved during the meeting and that he now only represented the Russian Federation.“6Ebd. Der NACC diente unter anderem dazu, den Abzug der dann russischen Truppen aus den nun ehemaligen sowjetischen Republiken zu organisieren und leitete die Struktur des „Partnership for Peace“ ein, das 1994 etabliert wurde und einer direkten Vorbereitung eines NATO-Beitritts dienen sollte.

Partnership for Peace (PfP)

Die Ukraine trat nicht nur dem NACC bei, sondern eröffnete 1992 eine Botschaft in Brüssel, die vor allem für die Kontakte zwischen NATO und der Ukraine genutzt wurde. Die Ukraine war das erste ehemals sowjetische Land, das dem PfP-Programm beitrat. Das Programm „umfasst sechs Kooperationsbereiche, die darauf abzielen, Beziehungen zu Partnern durch militärische Zusammenarbeit in den Bereichen Ausbildung, Übungen, Katastrophenplanung und -reaktion, Wissenschaft und Umweltfragen, Professionalisierung, Politikplanung und Beziehungen zur Zivilregierung aufzubauen.“7https://en.wikipedia.org/wiki/Partnership_for_Peace

Trinkwasser-Katastrophe Charkow

1995 ereignete sich eine Überschwemmung in Charkow, in deren Folge es zu einer Verunreinigung des Trinkwassers kam. Die Trinkwasserversorgung musste eingestellt werden, der Katastrophenfall wurde ausgerufen, es drohte die Ausbreitung von Cholera, da bereits solche Keime gefunden wurden. Die ukrainische Regierung bat internationale Organisationen um Hilfe, darunter die NATO. Das war der erste offizielle NATO-Einsatz in der Ukraine. Das ist insofern von Bedeutung, weil Katastrophenfälle häufig genutzt werden, um umstrittene oder unbeliebte Maßnahmen durchzusetzen. Die NATO war zu diesem Zeitpunkt insbesondere in der Ostukraine (Charkow ist dort ein wichtiges Zentrum) keineswegs beliebt und wurde abgelehnt.8https://en.wikipedia.org/wiki/1995_Kharkiv_drinking_water_disaster

NATO Dokumentations- und Informationszentrum (NDIC)

1997 wurde das „NATO Dokumentations- und Informationszentrum“ (NDIC) in Kiew eingerichtet. Das ist insofern ein bemerkenswerter Schritt, weil es das erste dieser Art überhaupt war. Diese besondere Maßnahme war in der Ukraine aufgrund der Tatsache, dass in der Bevölkerung die NATO keineswegs akzeptiert war und politisch starke Kräfte vorhanden waren, die sich gegen eine Orientierung auf die NATO gestellt haben, nötig. Das NDIC ist eine politische Schaltzentrale, um die Verhältnisse so zu beeinflussen, dass sie den Bedürfnissen der NATO entsprechen. Dabei werden, wie wir wissen, alle Mittel angewendet. Im weiteren Verlauf spielte das NDIC eine wichtige Rolle.

Die NATO selbst schreibt 2017 im Rahmen des 20-jährigen Jubiläums des NDIC, was es „geleistet“ hat: „Das NDIC hat stets die Zivilgesellschaft der Ukraine unterstützt und zum offenen Dialog über die NATO beigetragen. Während der Revolution der Würde [Anmerkung PK: Das ist im englischsprachigen Raum der NATO-Propagandabegriff für den Maidan-Putsch 2014] unterstützte es aktiv viele nicht-staatliche Akteure, wie zum Beispiel das ukrainische Krisen-Medienzentrum, um die Welt mit sachlichen Informationen und Nachrichten über die Ereignisse vor Ort zu versorgen. Wir leisteten finanzielle Unterstützung für Basisaktivisten, die gegen die russische Propaganda kämpften, und wir halfen bei der Bildung neuer unabhängiger ukrainischer Medien.“9https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_143930.htm In den nächsten fünf Jahren wurde ein umfangreiches Kooperationsprogramm in einem breiten Spektrum von Bereichen entwickelt, darunter die Reform des Verteidigungswesens, wirtschaftliche Aspekte der Verteidigung, militärische Zusammenarbeit, Rüstung, zivile Notfallplanung sowie Wissenschaft und Umwelt.

Charta on Distinctive Partnership

1997 unterzeichnete die Ukraine die „Charter on a Distinctive Partnership“, die ein weiterer Rahmen zur Vorbereitung eines Beitritts darstellt. „In der Charta wurden Grundsätze und Regelungen für die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen der NATO und der Ukraine festgelegt, Bereiche für Konsultationen und Zusammenarbeit festgelegt und die NATO-Ukraine-Kommission eingesetzt, um die Arbeit voranzutreiben.“10https://web.archive.org/web/20070413141551/http://www.nato.int/issues/nato-ukraine/evolution.html

NATO-Ukraine-Commission (NUC)

Im Rahmen der Charta wurde die NATO-Ukraine-Commission (NUC) eingerichtet, die organisatorisch diese Schritte umsetzen sollte und eine permanente, sehr enge Zusammenarbeit von NATO und Ukraine herstellte. Im Rahmen der NUC fanden und finden regelmäßig Treffen auf Ministerebene mehrerer NATO-Staaten und der Ukraine statt, also auf höchstem politischem Rang.

Die Bereiche beziehen sich stark auf militärische Aspekte und dienten dazu, die ukrainische Armee und das Rüstungswesen an die NATO heranzuführen. Die Themen der Arbeitsgruppen waren: „[…] defence and security sector reform, armaments, economic security, scientific and environmental cooperation.“11https://web.archive.org/web/20090805202843/http://www.nato.int/issues/nuc/index.html

Von besonderer Bedeutung ist die Integration der Ukraine in militärische Maßnahmen und strategische Herangehensweisen der NATO:

„The NUC provides a forum for consultation between the Allies and Ukraine on security issues of common concern, such as the situation in the Balkans, in Iraq, the fight against terrorism, frozen conflicts, and other regional security issues.“12Ebd.

Vor dem Hintergrund des Konflikts, den die NATO selbst in der Ukraine auslöst, insbesondere in Bezug auf die Krim, aber auch bereits auf die Ostukraine sind diese „Lernziele“ von Brisanz.

Kampfeinsätze in NATO-Missionen

Die Ukraine wurde in mehrere NATO-Einsätze integriert, darunter KFOR im Kosovo, SFOR in Bosnien, sowie im Irak. Sie ist das einzige Nicht-Mitglied, das jemals an NATO-Einsätzen beteiligt wurde.13https://www.lpb-bw.de/ukraine-eu-nato Diese Einsätze dienten zielgerichtet dazu, die militärischen Fähigkeiten und Erfahrungen der ukrainischen Armee auszubauen. Im Hinblick auf die späteren Einsätze gegen die Volksrepubliken sind diese Maßnahmen als zentral einzuschätzen.

Drehscheibe Jaworiw

Diese bereits weitreichende Integration der Ukraine wurde ab 1999 koordiniert vom NATO Liaison Officer in Kiew. Die auf der Website dargestellten Aktivitäten zeigen, wie schnell sehr weitreichende Netzwerke und Institutionen aufgebaut wurden.14https://www.nato.int/structur/nmlo/nmlo_kyiv.htm

Hier sei das „Jaworiw Training Centre“ genannt, ein großes Trainings- und Manöverzentrum, das explizit eingerichtet wurde, damit NATO-Truppen aus vielen verschiedenen Ländern dort trainieren können.15https://www.nato.int/structur/nmlo/links/yavoriv-training-centre.pdf Die Liste der Aktivitäten von 2003 zeigt unter anderem Kurse und Manöver unter US-amerikanischer und britischer Führung.16https://www.nato.int/structur/nmlo/links/yavoriv_training_conducted_2003.htm Dieses Truppenzentrum wurde zur zentralen Drehscheibe von NATO-Manövern und der Ausbildung der ukrainischen Armee durch NATO-Offiziere, insbesondere aus den USA. Es wurde 2022 von russischen Raketen zerstört und dabei nach russischen Angaben 180 ausländische Söldner getötet.17https://en.wikipedia.org/wiki/Yavoriv_military_base_attack

Neutralität, Verfassung und Krim

Diese schnelle Integration der Ukraine in die NATO war von Anfang an umstritten, sowohl im Land selbst als auch international. Mit der Staatsgründung wurde die Neutralität als weitgehend anerkannter Status betrachtet, unter anderem auch, weil das fragile Gebilde wohl sonst recht schnell auseinandergefallen wäre. Die Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit der Ukraine vom 1. Juli 1990 führte aus: „The Ukrainian SSR solemnly declares its intention of becoming a permanently neutral state that does not participate in military blocs.“18rada.gov.ua Die Verfassung der Ukraine vom August 1992 bestätigt diese Prinzipien.19https://www.e-ir.info/2010/11/30/ukraine’s-neutrality-a-myth-or-reality/ Unter Präsident Kutschma (1994-2005) wurden Anstrengungen unternommen, die Gesetzeslage zu verändern und wie oben dargestellt, wurden weitreichende Integrationsschritte gegangen und die NATO wurde zu einem politischen Faktor in der Ukraine. Zugleich sollte eine völlige Abwendung von Russland nicht durchgesetzt werden.

Krim

Die Frage der Neutralität hängt eng mit der Krim zusammen. Die Halbinsel ist nicht nur mehrheitlich russisch und wurde erst 1954 von Russland zur Ukraine gegliedert – wohlgemerkt im Rahmen der Sowjetunion, in der es sich nicht um zwei getrennte Staaten handelte. Die Schwarzmeerflotte ist von zentraler Bedeutung für die Verteidigung der Russischen Föderation sowie für deren außenpolitischen Optionen. Nach 1991 stellte sich sofort die Frage des Status der Krim. Das Parlament der Halbinsel rief eine eigenständige Republik aus, deren Verfassung aber von Kiew nicht akzeptiert wurde. 1992 einigte man sich auf den Status einer autonomen Republik innerhalb der Ukraine. 1995 annullierte Kiew allerdings zahlreiche Gesetze der autonomen Republik, setzte den Präsidenten der Krim ab und schaffte dieses Amt insgesamt ab. 1998 wurde die Verfassung der autonomen Republik Krim in Kraft gesetzt.20https://en.wikipedia.org/wiki/Constitution_of_the_Autonomous_Republic_of_Crimea#cite_note-UPCC27313-6 Aber auch die Ost- und Südukraine mit Charkow, Donezk und Odessa als bedeutende Städte, forderten mehr Autonomie innerhalb der Ukraine, insbesondere nach dem Putsch von 2004, der dort stark abgelehnt wurde.

In diese Phase gehört auch der Krieg der NATO gegen Jugoslawien und dessen Zerstörung. Insbesondere die Abtrennung des Kosovo von Serbien durch die NATO-Intervention stellt nicht nur einen schwerwiegenden Völkerrechtsbruch dar, sondern war auch explizit gegen Russland gerichtet. In diese Phase fällt außerdem die erste Runde der NATO-Osterweiterung 1999. Die seit ihrer Gründung bestehende Aggressivität der NATO wurde fortgesetzt und fand Ende der 1990er Jahre einen Höhepunkt. Das ist insofern von Bedeutung, weil die Aktivitäten der NATO in der Ukraine im Kontext dieser Expansion zu verstehen sind und ihr Charakter nicht relativiert werden sollte.

Kommunistische Partei der Ukraine

Für die Umwandlung der Ukraine in ein Aufmarschgebiet gegen Russland stand für lange Zeit auch die relativ starke Verankerung der Kommunisten in Politik und Gesellschaft im Weg, die in den 1990er Jahren hohe Wahlergebnisse erzielen konnten und nach einer Phase niedrigerer Ergebnisse nach 2012 auch wieder zunehmen konnten. Die Kommunisten und Antifaschisten wurden im Zuge des Maidan-Putsches verfolgt und viele ermordet. Die Partei, sowie alle sowjetischen Symbole und Lieder wurden 2015 verboten.21https://en.wikipedia.org/wiki/Communist_Party_of_Ukraine

Phase 2: Erster Durchsetzungsversuch (2002-2008)

Ab 2002 begann eine neue Phase der NATO-Ukraine-Beziehungen, die sowohl von Widersprüchen als auch von weiterer Integration und schließlich in die erste Eskalation in dem Putsch von 2004 mündete.

NATO Ukraine-Action-Plan

2002 trat die Ukraine dem NATO Ukraine Action-Plan (NUAP) bei und Präsident Kutschma gab als Ziel die NATO-Mitgliedschaft aus. Allerdings stellte der NUAP keinen Membership Action Plan (MAP) dar, der eine verbindlichere Vorbereitung des Beitritts gewesen wäre. Die Ukraine scheiterte viermal mit der Aufnahme in den MAP, vor allem aus innenpolitischen Gründen.22bpb.de

2002 kam es zu einem Skandal und zu einer anschließenden Anti-Kutschma-Bewegung („Ukraine without Kuchma“), die bereits viele Elemente der „Orangenen Revolution“ von 2004 und dem Maidan von 2014 hatte, allerdings in noch weniger entwickelter Form. 2002 verkündete Kutschma im Rahmen eines NATO-Gipfels, dass die Ukraine anstrebe, Mitglied der NATO zu werden, ukrainische Truppen nahmen an der US-Invasion des Iraks teil.

Der erste Putsch

2004 kam es zu mehreren sich widersprechenden Gesetzesinitiativen in der Ukraine. Zunächst wurde ein Gesetz angenommen, das NATO-Truppen freien Zugang zum Territorium der Ukraine geben sollte, dann sollte die Militärdoktrin neu formuliert werden, um dort zu bestimmen, wie die euro-atlantische Politik in der Ukraine mit dem Ziel der Mitgliedschaft in der NATO umgesetzt werden kann.

Schließlich aber erließ Kutschma im Juli 2004 ein Dekret, das die NATO-Mitgliedschaft nicht länger als Ziel des Landes bestimmte, sondern nur eine „signifikante Vertiefung der Beziehungen“ mit der NATO und der EU.23https://www.e-ir.info/2010/11/30/ukraine’s-neutrality-a-myth-or-reality/
https://www.rferl.org/a/1054044.html
Es wurde vermutet, dass Kutschma die Ukraine damit in eine bessere Position in Verhandlungen sowohl mit der EU und NATO als auch mit Russland bringen wollte oder die Folgen einer schnellen Eskalation gegenüber Russland doch eher als schädlich gesehen wurden und eine solche offensive NATO-Beitrittspolitik das Land zerreißen und in große Probleme stürzen würde.

Diesem für die NATO ungünstigen Vorgang folgte die „Orangene Revolution“, die ein vom Westen orchestrierter und mit Beteiligung faschistischer Kräfte durchgeführter Putsch war, der zur Präsidentschaft Juschtschenkos führte. Wichtiger Vorläufer war die Putschbewegung in Serbien und deren Organisation “Otpor”, die vom Westen finanziert und geleitet wurde und auch in der Ukraine aktiv war, um die Putschbewegung vorzubereiten. Juschtschenko, ein Mann Washingtons, bildete mit Julia Timoschenko zusammen die Regierung. Timoschenko führte zentrale Netzwerke von Faschisten an, die in der „Orangenen Revolution“ bereits eine wichtige Rolle spielten. Das „National Salvation Komitee“ unter Führung Timoschenkos diente als Schaltzentrale zur Koordinierung der Blockade-Aktionen gegen das Parlament, den Wahlausschuss und gegen weitere Institutionen, sowie die Ausrufung der Nicht-Anerkennung Janukowitschs in der Westukraine. Diese Kräfte dienten dazu, eine Drohkulisse des Bürgerkriegs bzw. gewaltsamer Auseinandersetzungen aufzubauen.24Das National Salvation Committee unter Timoschenko war das Nervenzentrum der “Orangenen Revolution 2004”, dem mehrere paramilitärische Gruppen unterstanden, die bewaffnet und trainiert waren und jederzeit zum Einsatz bereit waren. Siehe Taras Kuzio: State-led violence in Ukraine’s 2004 elections and orange revolution, Communist and Post-Communist Studies, December 2010, Vol. 43, No. 4 (December 2010), pp. 383-395 Published by: University of California Press. In der Westukraine wurde in zahlreichen Städten die Lostrennung angedroht und Behörden verweigerten die Unterordnung unter die zentralstaatlichen Behörden. In Kiew und anderen Städten wurden die bewaffneten Organe zum Umsturz aufgerufen. Das Komitee arbeitete eng mit der „Ukrainian National Assembly“ zusammen, einem Zusammenschluss militanter Bandera-Faschisten, die 2014 im Rechten Sektor aufgegangen sind. 2004 waren bereits alle Elemente des Euro-Maidan von 2013/14 vorhanden, der Maidan selbst war bereits 2004 ein straff organisiertes Zeltlager mit Bühne, Konzerten und Dauerindoktrination. Der Einsatz von Straßenblockaden, Blockaden von Parlamenten und anderen Regierungseinrichtungen war ein wichtiges Mittel der Umsturzbewegung.25Weitere Einzelheiten zum Putsch von 2004 in Jack A. Goldstone, Leonid Grinin, Andrey Korotayev: Handbook of Revolutions in the 21st Century, Springer Cham, 2022, p. 501 ff.

Der Putsch von 2004 löste Sezessionsbestrebungen im Osten und Süden der Ukraine aus. 3500 Vertreter der Regionen versammelten sich bei einem Kongress im November 2004, wo sie zum Ausdruck brachten, dass sie dem eine Lostrennung mindestens aber eine starke Föderalisierung der Ukraine entgegenstellen wollen. Es sollten Referenden in den südlichen und östlichen Oblasten stattfinden. Der Kongress fand als direkte Reaktion auf die Aberkennung der Wahl Janukowitschs und die Erklärung Juschtschenkos zum Präsidenten in den westukrainischen Städten Lwiw, Volyn, Ternopil, Ivano-Frankivsk sowie in Kiew statt.26https://en.wikipedia.org/wiki/Sievierodonetsk_Congress

Die Regierung Juschtschenko stellte einen drastischen Einschnitt in der Entwicklung der Ukraine dar und ist auch für die zusammenhängenden Prozesse der Faschisierung als auch der NATO-Integration von zentraler Bedeutung. Zugleich ist diese Phase von Instabilität und wachsendem Widerstand gegen die Regierung geprägt. Das Juschtschenko-Timoschenko-Regime war aber instabil und verlor sehr schnell Unterstützung. Das lag daran, dass es sofort Maßnahmen umsetzte, die der IWF diktierte, um Kredite auszuzahlen. Die Lage der Bevölkerung verschlechterte sich noch einmal drastisch.

2006 wurde die Partei der Regionen (PdR) zur stärksten Partei und bildete mit der Kommunistischen Partei und der Sozialistischen Partei eine Koalition, Janukowitsch wurde zum Ministerpräsidenten gewählt. Diese Koalition wurde von Juschtschenko bekämpft, was eine politische Krise auslöste. 2007 wurde das Parlament von Juschtschenko aufgelöst und es kam zu Neuwahlen. Aus diesen ging erneut die PdR als stärkste Partei hervor, allerdings konnte der Timoschenko-Block eine Koalition bilden, Timoschenko wurde Ministerpräsidentin. Sie blieb bis 2010 im Amt.

NATO will Situation nutzen

In dieser Zeit, in der die politischen Kräfteverhältnisse günstig erschienen, wurde der Druck seitens der USA zur Aufnahme der Ukraine in die NATO massiv erhöht, scheiterte aber beim Bukarester Gipfel 2008 zumindest auf der Ebene der formalen Einleitung des Verfahrens.

Unmittelbar nach Regierungsantritt 2005 fand ein Treffen der NATO-Außenminister im Rahmen der NUC statt und beschloss, der Ukraine einen „intensiven Dialog“ mit dem Ziel der Mitgliedschaft anzubieten. Im selben Monat änderte die Regierung die Militärdoktrin, in der nun die volle Mitgliedschaft in NATO und EU angestrebt wurde. 2006 bekräftigte die NATO auf mehreren Treffen die Absicht, die Ukraine aufzunehmen, was auf starken Widerstand Russlands sowie weiterer Staaten traf.

2008: Ein fast bedeutungsloses Nein

Ende 2007 kam es zum zweiten Kabinett Timoschenko. Die Situation umgehend nutzend und vermutlich auf Anweisung der USA beantragte die Regierung Timoschenko mit Juschtschenko und dem Parlamentspräsidenten Jazenjuk (dem späteren Ministerpräsidenten des faschistischen Maidan-Putschregimes) im Januar 2008 die Aufnahme der Ukraine in den MAP. Der NATO-Gipfel von 2008 ist einer der entscheidenden Momente der Bestrebungen der USA, die Ukraine in die NATO aufzunehmen. Sie scheiterten allerdings am Widerstand Deutschlands und Frankreichs.27https://en.wikipedia.org/wiki/2008_Bucharest_summit Die Integration der Ukraine in die EU wurde seit 2008 stärker vorangetrieben und stellte ein wichtiges Element in der prowestlichen Umwälzung dar.

Das „Nein“ von Bukarest ist sehr relativ, wie IMI ausführt: „Letzteres war für US-Präsident George W. Bush ein Grund, seine Bemühungen um die Aufnahme der Ukraine und Georgiens in den ‚Membership Action Plan‘ zu betonen. Der Fortschritt der Integration in die NATO-Verteidigungsstrukturen relativiert die während des Bukarest-Gipfels aufgekommene Frage des weiteren Vorgehens der Ukraine und Georgiens nach dem vorläufigen ‚Nein‘ zur Aufnahme in den Membership Action Plan. Ihr Weg wird sie zwangsläufig in die NATO führen.“28https://www.imi-online.de/2009/02/15/imperiale-geopolitik/

Zu Deutschlands Rolle: „Deutschland spielt dabei eine Doppelrolle. Zwar hat man ein beschleunigtes Beitrittsverfahren für die Ukraine, wie es die USA wollten, zusammen mit Frankreich abgelehnt, anderseits zündelt man mit und legte einer grundsätzlichen Befürwortung des NATO-Beitritts der Ukraine keine Steine in den Weg. Das Auswärtige Amt beschreibt diese Doppelrolle selbst treffend: „Auf dem NATO-Gipfel in Bukarest im April 2008 erhielt die Ukraine eine grundsätzliche Beitrittsperspektive (‚Wir kamen heute überein, dass diese Länder‘ (gemeint sind die Ukraine und Georgien) ‚NATO-Mitglieder werden.‘). Ein Mitgliedschaftsaktionsplan (‚MAP‘) wurde der Ukraine in Bukarest nicht gewährt, vielmehr ein umfassender Überprüfungsprozess eingeleitet.“ Diese erstmalig eingeräumte Beitrittsperspektive, gepaart mit der georgischen Aggression gegen Abchasien und Südossetien kurze Zeit später, brachte für Moskau das Fass endgültig zum Überlaufen.“29https://www.imi-online.de/2009/02/15/imperiale-geopolitik/

Annual National Programme

Das Scheitern des Antrags beim Bukarester Gipfel 2008 führte nicht dazu, die Integration der Ukraine zu stoppen, im Gegenteil sie wurde intensiviert. Ende 2008 wurde ein jährliches politisches Programm, Annual National Programme (ANP)30https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_37750.htm, installiert, das Reformen in der Ukraine umsetzen sollte, die notwendig für einen Beitritt sind. Diese jährlichen Zielpläne waren sehr umfangreich und detailliert und betrafen sowohl die militärische als auch die politische und ökonomische Ebene. Man kann davon sprechen, dass es sich hier um einen umfassenden Staatsumbau handelt. Die NATO-Integration ist nicht einfach ein militärischer Prozess, sondern sogar in erster Linie ein politischer, der die Umwälzung eines Landes beinhalten kann, wie im Fall der Ukraine. Ein Blick in diese Pläne ist hilfreich, um die Dimensionen zu verstehen.31https://www.nato.int/docu/basictxt/b080401nuc-atp-e.pdf Eine genauere Untersuchung der Umsetzung dieser Maßnahmen wäre hilfreich.

In diesen Zeitraum fällt auch die Provokation Russlands durch Georgien im Jahr 2008, die auch eine Testfunktion gehabt haben könnte, inwiefern Russland zur Reaktion bereit und fähig ist. 

Phase 3: Rückschlag und Vorbereitung für zweiten Putsch (2010-2014)

Mit dem Sieg Janukowitschs bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2010 gerieten die Pläne der USA in Schwierigkeiten. Das Ziel der Mitgliedschaft wurde durch die Regierung aus der Militärdoktrin gestrichen, allerdings nicht die Absicht der „europäischen Integration“. Janukowitsch hielt an der Orientierung auf Neutralität fest, die NATO-Kooperation wurde etwas reduziert, aber sie wurde keineswegs beendet. Das Parlament verabschiedete ein Gesetz, das die Präsenz von NATO-Truppen im Rahmen von Manövern in der Ukraine zuließ,32https://web.archive.org/web/20100528085607/http://www.kyivpost.com/news/nation/detail/67694/ die Ukraine nahm in der Folgezeit an gemeinsamen Manövern teil.

Die ANP wurden fortgesetzt und vertieft. Sie enthielten:

  • „Involvement of Ukrainian aviation and transport material in the transportation of cargo and personnel of the armed forces of NATO’s member states and partners participating in NATO-led peacekeeping missions and operations
  • The continuation of Ukraine’s participation in a peacekeeping operation in Kosovo
  • Possible reinforcing of Ukraine’s peacekeeping contingents in Afghanistan and Iraq
  • Ukraine’s participation in a number of international events organized by NATO
  • Training of Ukrainian troops in the structures of NATO members.“33https://en.wikipedia.org/wiki/Ukraine–NATO_relations#cite_note-securityexer-68

Es wurden weitere zahlreiche Seminare und Übungen mit der NATO durchgeführt. Die existierenden Strukturen blieben bestehen.

2010 schloss sich die Ukraine der Schnellen Eingreiftruppe („Rapid Response Force“) der NATO an, die von dem Bündnis als „höchst einsatzbereite und technologisch moderne internationale Streitmacht“ beschrieben wird. Das Land war das erste Nichtmitglied, das 2019 die Zertifizierung einer Einheit von Sondereinsatzkräften zur Beteiligung an der Schnellen Eingreiftruppe erhielt.34https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/257/die-kooperation-im-bereich-der-militaerreform-zwischen-nato-und-ukraine-seit-2014/

Phase 4: Zweiter Putsch und Beginn des Kriegs gegen die Ostukraine (2014-2021)

Trotz der fortbestehenden Kooperation – auch unter Janukowitsch – musste der Zustand beendet werden, dass die Integration der Ukraine in die NATO immer wieder von politischen Kräften gestört wird. Der Prozess seit 2004 zeigt die Labilität der politischen prowestlichen Kräfte und ihre Schwierigkeit, die Hürden zu nehmen. Das liegt auch einfach daran, dass mindestens die Hälfte des Landes konstant gegen die Bestrebungen der NATO waren. Was hier nicht ausgeführt werden kann, aber wichtig wäre, um die Lage zu verstehen, ist, dass seit 2004 auf der einen Seite faschistische Kräfte der Westukraine massiv (weiter) aufgebaut und finanziert wurden und unter Juschtschenko in den Staatsapparat integriert wurden. Der Banderismus wurde unter Juschtschenko, der selbst Anhänger dieser faschistischen Bewegung war, zur nationalen Ideologie erhoben und Bandera zum „Held der Nation“ erklärt.35Allerdings begannen die Rehabilitierung faschistischer Kollaborateure und die Kreierung einer neuen „Nationalidentität“ unmittelbar nach 1991 und unter den vorher regierenden Präsidenten Krawtschuk und Kutschma. Vgl. Wilfried Jilge: Nationalukrainischer Befreiungskampf: Die Umwertung des Zweiten Weltkrieges in der Ukraine, Osteuropa, Vol. 58, No. 6, Geschichtspolitik und Gegenerinnerung: Krieg, Gewalt und Trauma im Osten Europas (JUNI 2008), pp. 167-186
Zum Bandera-Faschismus, seinen Wurzeln, Entwicklung und Funktion siehe außerdem die zahlreichen, informativen Artikel von Susann Witt-Stahl in der Jungen Welt, exemplarisch hier: https://www.jungewelt.de/artikel/451151.ukraine-der-ruf-des-blutes.html?sstr=susann|wittstahl

Rückblick und Maidan-Putsch – der Aufbau faschistischer Kräfte

Um diese Situation aufzulösen, soll hier kurz zeitlich zurückgegriffen werden, um aufzuzeigen, dass bereits seit 2004 faschistische Paramilitärs bewaffnet und trainiert wurden und mit Swoboda eine faschistische Scharnierpartei aufgebaut wurde. Hier seien einige Elemente genannt, die aufzeigen, dass bereits die Phase 2005-2010 von der NATO genutzt wurde, um die politische Landschaft der Ukraine stark zu verändern.

Der von Juschtschenko 2005 eingesetzte Gouverneur von Charkow, Arsen Awakow, baute mit Kräften der SNPU (Sozial Nationale Partei der Ukraine, dem Vorläufer der Swoboda-Partei)36https://en.wikipedia.org/wiki/Social-National_Party_of_Ukraine das spätere Asow-Bataillon auf. Awakow war Innenminister der Putschregierung von 2014 bis 2021 und leitete Teile des Kriegs gegen den Donbass. Ihm war die Nationalgarde unterstellt, in die einige der faschistischen Einheiten eingegliedert wurden.

Der paramilitärische Arm der SNPU wurde 2004 aufgelöst, um die Beziehung nicht allzu offensichtlich werden zu lassen und 2005 unter dem Namen „Patriot of Ukraine“ neu gegründet unter anderem von Belitsky, dem späteren ersten Kommandeur von Asow (ebenfalls aus Charkow).37Rudolph/Markus, Kriegsherd Ukraine, S. 227 Die Organisation nutzte die schwarze Wolfsangel auf gelbem Grund als Zeichen. Das Netzwerk „Social National Assembly“ wurde 2008 gegründet, dessen bewaffneter Arm erst „Patriot of Ukraine“, dann Asow war. Juschtschenko trat öffentlich für ihre Anhänger ein.

Die zentrale Partei des Faschismus, Svoboda (Vorsitzender Tjagnibok), erzielte in den Jahren 2004 bis 2010 einen starken Aufschwung und konnte ihre Mitglieder von 1000 auf 15.000 steigern, sowie Wahlerfolge in der Westukraine erzielen. Der Durchbruch gelang dann 2012 bei den Wahlen mit 10% landesweit, im Westen 30-40%, im Osten 1%. Svoboda hatte bereits zuvor auf der Straße Gewalt gegen Antifaschisten und Vertreter der Partei der Regionen angewandt. Nun setzte die Partei die terroristischen Mittel im Parlament fort, in dem sie Abgeordnete angriff, Reden, die auf russisch gehalten wurden, permanent unterbrach, etc.

Svoboda spielte nicht nur diese Rolle auf der Straße und im Parlament, sondern auch eine Scharnierfunktion zum Aufbau paramilitärischer Truppen, die in direkter Verbindung mit der NATO, bzw. vor allem den USA, standen. Das sollte beim Putsch von 2014 eine zentrale Rolle spielen. Die militärische Ausbildung von Mitgliedern der Jugendorganisation der Svoboda-Partei unter der Leitung von NATO-Instrukteuren begann bereits 2006 in Estland.38Rudolph/Markus, S. 65 Der Vorsitzende Tjagnibok hatte 2013 Kontakte zur deutschen Botschaft und es gab Gespräche mit EU-Diplomaten auf höchster Ebene. Im August eröffnete die Partei ein Büro in Brüssel (!), um die Beziehungen zu NATO und EU zu pflegen. Im Januar 2014 verhandelte die stellvertretende EU-Außenbeauftragte der EU, Helga Schmid, mit Tjagnibok über die aktuelle Situation in der Ukraine.39Rudolph/Markus, Kriegsherd Ukraine, S. 73

Die andere Stütze des Euro-Maidan-Putsches von 2014 war die Jazenjuk-Partei, die direkt aus Washington geleitet wurde und quasi den Nachfolger Juschtschenkos darstellt, nachdem dieser verbraucht war. Alle zentralen Akteure wie Juschtschenko, Tjagnibok, Timoschenko und Jazenjuk waren Figuren des Westens, insbesondere der USA. Die Institutionen der NATO in der Ukraine spielten für sie eine wichtige Rolle in der Durchsetzung ihrer Politik und seitens der USA in der Beratung, Anleitung und Anweisung ihrer Stellvertreter. Das „Ukraine Crisis Media Center“, die „Renaissance Foundation“ von George Soros und weitere von der NATO finanzierte oder direkt aufgebaute Medien, Thinktanks und Institute sind hier zu nennen.

Rechter Sektor und CIA

Hier soll kurz genauer auf den Rechten Sektor eingegangen werden, weil er eine wichtige Rolle im Putsch gespielt hat und exemplarisch für die Methoden der USA gesehen werden kann.

Als Speerspitze des koordinierten Terrors, des ab November 2013 beginnenden Putsches, wurde der „Rechte Sektor“ herausgebildet: ein Zusammenschluss mehrerer faschistischer Terrorgruppen. Chef war Dmitry Jarosch. Sie agierten als sehr gut ausgebildete und koordinierte militante Kraft, die die Dynamik ab Januar 2014 bestimmte und zu der Gewalt führte, die notwendig war, um die Regierung Janukowitsch zu stürzen und alle Kräfte der Opposition auf Linie zu bringen.

„Der Rechte Sektor baute mit diversen Nichtregierungsorganisationen, die von westlichen Geheimdiensten teilweise sogar noch in der Sowjetzeit gegründet worden waren, auf dem Maidan ein Koordinierungszentrum auf. Dort waren auch westliche Analytiker und Koordinatoren tätig. Nach Aussagen von Mitarbeitern des ukrainischen Geheimdienstes, die an den Untersuchungen der Geschehnisse in der ukrainischen Hauptstadt beteiligt waren, sollen die radikalen Gruppierungen und die Opposition von der US-Botschaft in Kiew etwa 20 Millionen US-Dollar für die Finanzierung der Kämpfer und für ihren Lebensunterhalt bekommen haben.40Anmerkung PK: Victoria Nuland sagte 2013, dass die USA seit 1991 5 Milliarden (!) Dollar in die politische Entwicklung der Ukraine investiert haben (https://www.youtube.com/watch?v=2y0y-JUsPTU#t=447), was bereits eine gigantische Summe ist, aber vermutlich nicht alles abdeckt, wenn man Institute, Thinktanks, etc. einberechnet Die ‚besten‘ Kämpfer und Funktionäre sollen über 200 Dollar pro Tag erhalten haben. Das legt den Verdacht einer direkten Steuerung des Rechten Sektors durch den amerikanischen Geheimdienst CIA nahe. (…) [Es war] der Rechte Sektor, der nach Unterzeichnung des Abkommens mit Präsident Janukowitsch am 21. Februar das Scharfschützenfeuer auf die Ordnungskräfte Janukowitschs steuerte und – offenbar im Auftrag der CIA – die Proteste eskalierte. Die Organisation war so die treibende Kraft des Staatsstreichs, der von Kiew ausgehend auch im Osten des Landes stattfinden sollte. Bereits am 15. März brach eine Autokolonne mit bewaffneten Söldnern nach Donezk und Lugansk auf. Die Führung des Rechten Sektors hatte die Eröffnung der ‚Ost-Front‘ angekündigt.“41Rudolph/Markus, Kriegsherd Ukraine, S. 75

Der NATO-Kiewer Krieg gegen die Ostukraine

Die Folgen des Maidan-Putsches sind nicht hoch genug einzuschätzen. Sie sind de facto der Übergang der USA und der NATO in eine offene Kriegsführung gegen Russland. Nicht in dem Sinne, dass NATO-Soldaten als solche in offizieller Mission die Grenze überschreiten, sondern in dem Sinne, dass ab 2014 die Ukraine in einen Krieg gestürzt wurde, der von den von der NATO ausgebildeten und dann zunehmend bewaffneten Truppen der ukrainischen Armee und der faschistischen Paramilitärs gegen die Ost- und Südukraine geführt wurde. Die Ukraine war nicht einfach nur de facto in die militärischen Strukturen der NATO integriert, sie führte bereits einen Krieg im Auftrag der NATO bzw. der USA.

Die Staats- und Regierungsführung war nun ausschließlich mit Leuten Washingtons und in geringerer Dimension europäischer Staaten besetzt. Die Regierung Jazenjuk strebte unmittelbar Schritte zur NATO-Integration an. Die Ukraine verließ alle Gremien, in denen Russland vertreten war, darunter die Eurasische Wirtschafts-Union (EEU). Die Regierung beschloss ab Oktober 2014 das Ziel der Aufnahme in die NATO,42https://web.archive.org/web/20190107090219/,
https://www.rferl.org/a/ukraine-parliament-coalition-agreement/26703123.html
im Dezember 2014 hob das Parlament das Gesetz zur Neutralitätsverpflichtung auf. Poroschenko kündigte ein Referendum über den NATO-Beitritt an, zu dem es aber nie kam.

Während sich die Krim der Russischen Föderation anschloss, ging der Widerstand in der Ost- und Südukraine gegen das faschistische Putschregime in bewaffnete Form über, nachdem faschistische Milizen und die Armee mit militärischer Gewalt vorrückten.

In dieser Situation führte die NATO mehrere Manöver in unmittelbarer Nähe durch. Im April 2014 kreuzten mehrere große Kriegsschiffe der USA ebenfalls in unmittelbarer Nähe. Die USA begannen eine dauerhafte militärische Präsenz im Schwarzen Meer aufzubauen, was völkerrechtlich illegal ist.43Rudolph/Markus, Kriegsherd Ukraine, S. 147 Im Herbst 2014 fanden mehrere große Manöver in der Ukraine unter Beteiligung hunderter Soldaten aus NATO-Staaten statt, darunter im Übungszentrum Jaworiw, aber auch im Schwarzen Meer (Sea Breeze) mit 1.800 Soldaten, Manöver in der Luft, von Spezialeinheiten und der Militärpolizei. In der Ukraine soll das bisher größte Ausbildungsprogramm der NATO für Unteroffiziere stattgefunden haben.44Rudolph/Markus, Kriegsherd Ukraine, S. 149

Der Krieg gegen das eigene Volk

Neben den Manövern spielt die sogenannte „Anti-Terror-Operation“ (ATO) des Kiewer Regimes gegen die Ostukraine eine zentrale Rolle bei der Integration der Ukraine in die NATO. Die ATO diente als große Gefechtsübung und sie war zugleich ein Terror-Feldzug, der die gesamte Ukraine disziplinierte und in eine kriegsgewöhnte, wenn nicht kriegsgeübte Gesellschaft verwandelte.

Dabei ist relevant, wie die ATO geführt wurde oder geführt werden sollte. Sie bestand vor allem in größter Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung. Darauf soll hier genauer eingegangen werden, weil es zeigt, in welcher Form die Unterwerfung der Ukraine durch die NATO stattfinden sollte und stattfand, allerdings mit großem Widerstand, der insbesondere von der Bevölkerung des Donbass heldenhaft geleistet wurde und nicht ins Drehbuch der NATO passte. Die ukrainische Armee ging mit Raketen, Panzern und Streumunition gegen die Zivilbevölkerung im Donbass vor, was nicht nur schwere Kriegsverbrechen sind, sondern Zeichen der Verbrechen der NATO-Staaten, die diesen Krieg finanzierten, steuerten und nach und nach bewaffneten. Die Strategie der RAND-Corporation wird bei Rudolph/Markus angeführt, die aber leider nicht nachrecherchiert werden konnte. Die Ausführungen werden hier trotzdem zitiert, da davon auszugehen ist, dass dies der Kriegsführung Kiews entspricht.

Kolonialer Kriegscharakter

„Zuerst sei die von Rebellen beherrschte Region zu isolieren, wobei davon auszugehen ist, dass alle Bewohner potentielle Terroristen sind. Die Region solle komplett von militärischen Kräften eingeschlossen und die Versorgung gekappt werden. Das schließt die Verhinderung von Nahrungsmittel- und Medikamentenlieferungen ein. Sämtliche Verkehrs- und Nachrichtenwege sollten unterbrochen werden. Sodann sollten Luftschläge gegenstrategische Einrichtungen und Truppenkonzentrationen in der Rebellenregion erfolgen, wobei man sich auch nichtkonventioneller Waffen bedienen könne. Zur Durchsetzung des Besatzungsregimes in eroberten Gebieten sollte jeder, der eine Waffe trägt oder Widerstand leistet, sofort erschossen werden. Außerhalb der eingeschlossenen Gebiete seien Internierungslager einzurichten, in denen Personen aus Rebellengebieten verhört und gegebenenfalls angeklagt werden. Selbst Kinder unter 13 Jahren und Personen über 60 Jahren sollten in speziell Lagern interniert werden. In der sich daran anschließenden Normalisierungsphase sollte die Versorgung der Bevölkerung wieder ermöglicht werden, zugleich sei nach Unterstützern der Rebellen zu fahnden, die im günstigsten Fall in Umerziehungslager einzuweisen seien. Die Medien sollten weitgehend zensiert werden.

Es ist erkennbar diese Strategie, die ukrainische Truppen und Freikorpsbataillone bis zur Gegenoffensive der Rebellen Ende August 2014 in der Region umsetzten. Potentielle Unterstützer der Aufständischen verschwanden in sogenannten Filtrationslagern, wurden verhört, gefoltert und ermordet. Mit Gegnern der Putschregierung wurde ‚kurzer Prozess‘ gemacht. Hinzu kamen Übergriffe der enthemmten Soldateska zur Einschüchterung der ostukrainischen Bevölkerung. Mittels schwerer Waffen wurde die Infrastruktur systematisch zerstört, die Gebiete sollten zudem ausgehungert werden. Deshalb wehrte sich Kiew auch gegen die im August 2014 von Moskau entsandten Hilfskonvois für die notleidende Bevölkerung von Donezk und Lugansk.“45Rudolph/Markus, Kriegsherd Ukraine, S. 57

Die Massaker von Odessa und Mariupol im Mai 2014 waren Strafexpeditionen, die durch Terror die gesamte Bevölkerung einschüchtern sollten. Sie waren Teil der ATO und wurden von der Staatsspitze organisiert.46Siehe dazu die sehr informativen Kapitel in Rudolph/Markus, Kriegsherd Ukraine, S. 159 ff.

Diese Kriegsführung hat kolonialen Charakter und darin haben die NATO und ihre führenden Mitglieder viel Erfahrung. Mit dem Krieg gegen die Menschen in der Ostukraine sammelte sie weitere Erfahrung. In einem gemeinsamen Seminar 2015 werteten Ukrainer und die NATO ihre Erfahrungen aus. In dem Bericht heißt es: „General Petr Pavel, Chairman of the NATO Military Committee, delivered opening remarks in which he thanked the Ukrainian military personnel, many of whom have been recently serving in Eastern Ukraine, for their readiness to share their experiences which will help ‘develop and refine the tools in our toolbox in order to fight terrorism in all its guises’.“47https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_126085.htm

Die Kiewer Junta scheiterte militärisch weitgehend, was sie nicht an der Fortsetzung der brutalen Angriffe auf die Volksrepubliken hinderte. Der Widerstand der Bevölkerung und der Aufbau der Volksrepubliken ist die andere Seite dieses Prozesses der Unterwerfung der Ukraine, der für die antiimperialistischen Kräfte von großer Bedeutung ist, aber hier nicht weiter ausgeführt werden kann.

2015-2021: Aufrüstung und Kriegsvorbereitung

Der Krieg Kiews wurde ermöglicht vom Westen. „Gleichzeitig erfreut sich auch die ukrainische Regierung massiver Unterstützung seitens des Westens. Zuerst beschränkte sich dies offiziell auf finanzielle ‚Hilfen‘, wobei allerdings beispielsweise beträchtliche Teile der EU-Gelder augenscheinlich für die Kriegsführung vorgesehen waren: ‚Die Ukraine kann von den 2 Milliarden Euro Finanzhilfen der EU aus dem Jahr 2014 ganze 1,36 Milliarden ohne Zweckbindung verwenden.‘ Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung hervor. Der deutsche Anteil liegt demnach bei 272 Millionen Euro. Die Bundesregierung behauptet schlichtweg, dass die ukrainische Regierung keinen Krieg gegen die Bürger in der Ostukraine führe und lässt eine entsprechende Frage unbeantwortet, inwiefern sie die Verwendung der Gelder für den Krieg ausschließen kann.“48https://www.imi-online.de/download/Ukraine-Broschuere-web.pdf, S. 33 ff.

„Sukzessive wurde aber zu einer immer direkteren Unterstützung übergegangen. So berichtete die Deutsche Welle im Februar 2015, Großbritannien habe 75 Militärberater in die Ukraine entsandt (…). Auch Washington lieferte bereits frühzeitig „nicht-letale Waffen“ und schickte im April 2015 ebenfalls Ausbilder ins Land: Rund 300 US-Fallschirmjäger sind zu einer Ausbildungsmission in der Ukraine eingetroffen. […] Das Training für 900 Soldaten der Nationalgarde, die dem ukrainischen Innenministerium untersteht und vor allem aus früheren Maidan-Kämpfern besteht, soll demnach sechs Monate dauern und bei einer gemeinsamen Militärübung stattfinden. Die USA unterstützen Kiew außerdem mit militärischer Ausrüstung wie gepanzerten Fahrzeugen, Schutzwesten, Radarsystemen und Nachtsichtgeräten.“49https://www.imi-online.de/download/Ukraine-Broschuere-web.pdf, S. 33 ff. Ein plastisches Beispiel für den engen Zusammenhang von Faschismus und NATO – die von den USA zum Putsch hochgezüchteten Faschisten werden in einer Nationalgarde zusammengefasst und trainiert, die unter Führung der USA stehen.

NATO und EU bauen den Staat um

Mit dem Putsch von 2014 waren alle Hindernisse aus dem Weg geräumt, um die Ukraine auf staatlicher, militärischer und ökonomischer Ebene unterzuordnen. Dabei spielten sowohl NATO als auch die EU eine aktive Rolle. Die NATO in allen Bereichen der bewaffneten Organe, Armee und Polizei, sowie auch des Geheimdienstes, der Ministerien und des Parlaments. Die EU-Mission EUAM im Bereich der Polizei, des Geheimdienstes, Grenzschutzes und der Strafverfolgungsbehörden. Die NATO hatte darin die führende Rolle und richtete eine informelle „Internationale Beratungs-Gruppe“ ein, deren Teil auch die EUAM war und die unregelmäßig, aber in bestimmten Phasen täglich zusammenkam. Im Zentrum stand die Verankerung der NATO-Richtlinien in den ukrainischen Gesetzen, der Umbau der Behörden und die Organisierung der Waffen- und Militärhilfe, vor allem aus den USA. Die Ukraine wurde aufgerüstet und angeleitet im Krieg gegen die Ostukraine.50https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/21599165.2021.1878151 – eine interessante Studie über den Staatsumbau durch NATO und EU und ihre unterschiedlichen Rollen dabei

Ausbildung von Aufstandstruppen

Eine militärische Maßnahme ist von besonderem Interesse, da sie Auskunft gibt über die mögliche und wahrscheinliche Strategie der USA, die darin bestand, Russland zu einer militärischen Reaktion zu provozieren. Seit 2015 wurden ukrainische Offiziere und Soldaten in den USA durch ein Spezialprogramm der CIA ausgebildet und dann auch in gemeinsamen Einsätzen im Krieg gegen die Ostukraine trainiert. Es handelte sich um ein geheimes, intensives Trainingsprogramm mit dem Ziel, einen Aufstand gegen feindliche Invasionstruppen zu führen – wohl gemerkt zu führen, nicht einen Aufstand zu bekämpfen. Das spricht dafür, dass man sich intensiv auf ein solches Szenario vorbereitet hat. Dieses Programm wurde unter Trump und besonders unter Biden stark ausgeweitet.51https://news.yahoo.com/cia-trained-ukrainian-paramilitaries-may-take-central-role-if-russia-invades-185258008.html?guccounter=1 Manche Analysten gehen davon aus, dass es ein Teil einer Strategie der USA ist, Russland in eine Falle zu locken, zu einer militärischen Operation zu zwingen, dadurch innenpolitisch zu destabilisieren und einen Regime-Change herbeizuführen.52https://blogs.lse.ac.uk/europpblog/2022/03/30/why-the-us-and-nato-have-long-wanted-russia-to-attack-ukraine/ Es kann allerdings auch sein, dass es parallel die Vorbereitung anderer militärischer Provokationen und Strategien gegen Russland gab.

Die ukrainische Armee – oder besser gesagt die Streitkräfte des Kiewer Putschregimes und ihre faschistischen Truppen – wurden Schritt für Schritt ausgerüstet, trainiert und NATO-Standards angepasst. Eine Studie der Carnegie-Stiftung von 2018 geht auf einige wichtige Aspekte dieses Prozesses ein.53https://carnegieendowment.org/2018/02/22/ukraine-s-toughest-fight-challenge-of-military-reform-pub-75609

In den folgenden Jahren fanden regelmäßig große Manöver in der Ukraine statt, unter anderem mit deutscher Beteiligung54https://www.imi-online.de/2015/07/06/ukraine-nato-manoever-2/. Die NATO hat weitreichende militärische Infrastruktur von Waffen- und Munitionslagern bis zu Militärtechnik in der Ukraine installiert, im Land befanden sich hunderte NATO-Offiziere. Allein an der Übungsoperation “Fearless Guardian” nahmen insgesamt 2200 Soldaten teil, darunter 1000 US-Soldaten. Trainiert wurde die neu aufgebaute Nationalgarde, finanziert wurde dessen Aufbau durch den Global Security Contingency Fund (GSCF) des US-State Department, in dessen Rahmen die US-Armee drei Bataillone der ukrainischen Armee ausgebildet hat.55https://en.wikipedia.org/wiki/Ukraine–NATO_relations Das Training der Kiewer Truppen nutzte dem US-Militär auch in der Hinsicht, dass es lernen konnte, welche Schlussfolgerungen aus dem realen Kampf gegen russische Einheiten für das eigene Militär gezogen werden können, wie ein US-Leutnant ausführte: „We saw this as a great opportunity to learn because no Americans have been under Russian artillery or rocket fire or that kind of lethal environment with Russian capabilities. And so we were able to learn a lot from Ukrainian soldiers and officers.“56https://www.npr.org/2019/12/18/788874844/how-u-s-military-aid-has-helped-ukraine-since-2014

Die USA hatten bereits vor 2014 Waffen an die Ukraine geliefert. 2014 hat der Kongress ein Waffenlieferungspaket im Umfang von 350 Millionen Euro beschlossen. Waffen gelangten auch an die faschistischen Korps, darunter Asow, was wiederum in den USA selbst umstritten war. Granatwerfer, wie die Javelins, spielten eine zentrale Rolle. Weitere NATO-Staaten lieferten Waffen an die Ukraine.57https://www.atlanticcouncil.org/blogs/ukrainealert/lethal-weapons-to-ukraine-a-primer/ Die NATO investierte ebenfalls Millionensummen in die Ausstattung der ukrainischen Armee. Der Anstieg der finanziellen Mittel ab 2014 ist signifikant. Die US-Militärhilfen stiegen 2014 auf 91 Millionen Dollar, verdoppelten sich 2015 und wuchsen auf eine Summe zwischen 2014 bis Februar 2022 von 2,8 Milliarden Dollar.58https://www.stimson.org/2022/u-s-security-assistance-to-ukraine-breaks-all-precedents/

Neben den Waffenlieferungen und direkten finanziellen Mitteln für die Armee flossen zahlreiche weitere Mittel zur Umgestaltung der ukrainischen Ökonomie und des Staates. Zwischen 2014 und 2016 wurden 1,3 Milliarden Dollar für die Beratung für Reformen, „Stärkung demokratischer Institutionen und Zivilgesellschaft“, Verstärkung der Verteidigung, Grenzsicherung, etc. vergeben.59https://obamawhitehouse.archives.gov/the-press-office/2016/06/15/fact-sheet-us-assistance-ukraine-february-2014 Hier müssten alle verschiedenen Töpfe und Ausgaben zusammen gestellt werden, um einen Eindruck der Herstellung der Abhängigkeit des Landes zu gewinnen.

Ökonomische Unterwerfung

Ein weiterer Aspekt der Herstellung der Ukraine als NATO-Kriegskolonie ist die ökonomische Kolonisierung. Dies ist notwendig, um eigenständige Interessen weitgehend ausschalten zu können, sichert also die Abhängigkeit, dient auch der Schöpfung der Profite zur Deckung der Koloniekosten und ist Teil der ökonomischen Kriegsführung gegen Russland, da wichtige Verbindungsstrukturen zwischen Russland und der EU über die Ukraine verlaufen. Dieser Prozess beinhaltete vor allem Privatisierungen und die Möglichkeit ausländischer Investitionen. Der IWF spielte durch die Kreditvergabe eine wichtige Rolle. So wurden beispielsweise Kredite an ein Gesetz gekoppelt, dass 2021 zum ersten Mal den Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen ermöglichte und in der Ukraine stark umstritten war.60https://www.laender-analysen.de/chronik/?c=ukraine&d1=2020-02-03&d2=2022-02-23&t=&l=3000 Hier kann nicht weiter auf diesen Aspekt eingegangen werden. Eine vermutlich noch wichtigere Rolle als der IWF spielte die EU bei der ökonomischen Unterwerfung der Ukraine unter Anwendung von Erpressung, Druck und massiven innenpolitischen Einmischungen.

CAP

Die Integration der Ukraine in die NATO nahm 2016 den nächsten Schritt. Mit dem NATO-Gipfel in Warschau begann das „Comprehensive Assistance Package“ (CAP). Damit wurden die ukrainischen Staats- und Armeestrukturen weiter umgebaut und NATO-kompatibel gemacht. Im Rahmen des CAP wurde die strategische Beratung durch die NATO im ukrainischen Staat installiert, unter anderem mit Trainings, Seminaren und Ausstattung. Es wurden außerdem zahlreiche Treuhandfonds eingerichtet, um die Ausstattung mit Computern, die Kommando- und Kommunikationsstrukturen, die medizinische Ausstattung und die Personalentwicklung zu finanzieren. CAP wurde 2022 weiter ausgedehnt und finanzierte auch die Versorgung der Armee mit Sprit, Nahrungsmitteln und Ausrüstung bis zu Stiefeln und amphibischen Brückensystemen sowie militärischem Bildungs- und Trainingsmaterial.61https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_37750.htm Die Anzahl an Programmen, Institutionen und Strukturen, mit denen die Ukraine in die NATO integriert wurde, hat stets zugenommen und umfasste nach und nach alle Bereiche. Hierfür müsste eine systematische Übersicht erstellt werden, um einen Eindruck der Breite, aber auch Tiefe der Intervention der NATO in die Ukraine zu erfassen.

Hier seien nur einige Beispiele aufgeführt, die mit dem CAP-Programm einhergegangen sind und noch längst nicht alle umfassen:

  • NATO-Ukraine Platform on Countering Hybrid Warfare,
  • Resilience Advisory Support Team,
  • Partnership for Peace (PfP) Planning and Review Process,
  • NATO Building Integrity (BI) process and the annual BI tailored programme,
  • NATO Defence Education Enhancement Programme (DEEP),
  • Air Situation Data Exchange programme,
  • Military Committee with Ukraine Work Plan,
  • Operational Capabilities Concept Evaluation and Feedback Programme,
  • Science for Peace and Security (SPS) Programme, and
  • many other initiatives organised through the advisory mission of the NATO Representation in Kyiv62Ebd.

NATO-Mitgliedschaft in Verfassung

Im Juni 2017 verabschiedete das ukrainische Parlament ein Gesetz, dass die Aufnahme in die NATO zur außenpolitischen Priorität erklärte. Poroschenko kündigte an, Verhandlungen über den MAP beginnen zu wollen. 2018 wurde die Ukraine in eine Liste von Staaten aufgenommen, die die Mitgliedschaft anstreben, darunter waren auch Georgien und Bosnien. Im selben Jahr wurde ein neues Nationales Sicherheitsgesetz verabschiedet, das die Mitgliedschaft in NATO und EU als Prinzipien der Staatspolitik festlegte. Dieses Ziel wurde 2019 außerdem in die Verfassung aufgenommen.

2018-2019

2018 wurde die ATO umbenannt in „Operation der Vereinten Kräfte“. Als Gegner wurde nun explizit Russland und nicht mehr nur die Volksrepubliken benannt: „Die neue Bezeichnung ‘OOS’ (Operazija Objednanych Syl) soll der Realität gerecht werden und auf den russischen Aggressor als den Hauptfeind hinweisen. General Serhij Najew, der jetzt die Operation der Vereinten Kräfte befehligt, erklärte, da heute im besetzten Teil des Donbass Militärangehörige der 8. Armee Russlands zwei vereinte Korps leiten würden, handele es sich nicht um einen Kampf gegen Rebellen oder Terroristen. Die Ukraine habe es mit einer russischen Aggression zu tun. Nicht der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU), sondern die ukrainische Armee müsse sie bekämpfen.“63https://uacrisis.org/de/66558-joint-forces-operation
Zum Befehlshaber der Operation: „Zwischen 2006 und 2007 war er Hörer an der Nationalen Verteidigungs-Akademie der Ukraine, und zwar an der Fakultät zur Ausbildung von Spezialisten im Bereich Einsatz und Strategie. Als bester Absolvent wurde er mit dem Schwert der Königin von Großbritannien geehrt, das er aus den Händen des britischen Botschafters in der Ukraine erhielt.“
Hier wäre es notwendig, diese Umstrukturierung genauer zu analysieren. Die Namensänderung und deren Begründung weist auf eine Eskalation der Kriegsführung gegen Russland hin.

Im Juni 2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur nationalen Sicherheit. Nach Angaben des Parlamentssprechers und einem der zentralen faschistischen Aktuere vor, während und nach dem Maidan, Andrij Parubij64https://de.wikipedia.org/wiki/Andrij_Parubij, ist das Gesetz ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die „russische Aggression“, für die Reform des Sicherheitssektors sowie ein Schritt in Richtung NATO-Beitritt. Das Gesetz sieht unter anderem vor, die Positionen des Oberkommandeurs der Streitkräfte und des Generalstabsvorsitzenden zu trennen.65https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/chronik?c=ukraine&d1=2018-01-05&d2=2020-12-20&t=&l=3000

2018 fanden mehrere Manöver der NATO in der Ukraine statt, darunter einige im Rahmen des „Partnership for Peace“-Programms, NATO-Militärschiffe auch aus Deutschland liefen in den Hafen von Odessa ein. Im September 2018 begann in der Region Lwiw „Rapid Trident 2018“, eine gemeinsame Übung der ukrainischen Armee mit der NATO, an der sich zehn Mitgliedsstaaten beteiligten. An dem zweiwöchigen Manöver nahmen 2.200 Soldaten teil. Im Oktober 2018 fand die Übung „Clear Sky 2018“ statt, die gemeinsam von der Ukraine und acht NATO-Mitgliedsstaaten durchgeführt wurde. Im Dezember 2018 erreichte das britische Aufklärungsschiff HMS Echo den Hafen von Odessa. Es war das erste Schiff eines NATO-Mitgliedsstaats, das nach der militärischen Eskalation in der Meerenge von Kertsch im November 2018 einen ukrainischen Hafen im Schwarzen Meer anlief.66https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/chronik?c=ukraine&d1=2018-01-05&d2=2020-12-20&t=&l=3000 Diese Aktivitäten belegen, dass die NATO ihre militärische Verankerung in der Ukraine und im Schwarzen Meer stark ausgeweitet hatte.

2019 schrieb die Ukraine das Ziel eines Beitritts zur Europäischen Union und zur NATO in die Verfassung. Nach Gesprächen im NATO-Hauptquartier im Februar 2019 in Brüssel gab der ukrainische Verteidigungsminister Stepan Poltorak bekannt, dass das Militärbündnis seine Flottenpräsenz im Schwarzen Meer in diesem Jahr deutlich verstärken werde. Im Oktober 2019 verabschiedete das Parlament eine Gesetzesnovelle, die Teil der Militärreform ist und die ukrainische Armee in Einklang mit NATO-Standards bringen soll. Das Gesetz sieht unter anderem eine neue Rangordnung für die Streitkräfte des Landes in Anlehnung an die Ränge im US-Militär vor.67https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/chronik?c=ukraine&d1=2018-01-05&d2=2020-12-20&t=&l=3000

2019 wurde Selensky zum Präsidenten gewählt, unter anderem mit dem Versprechen, Frieden herzustellen. Er erwies sich allerdings schnell als willfähriges Instrument der USA. 2020 kam es während einer Parlamentsdebatte zur umstrittenen Bodenreform zu Handgreiflichkeiten zwischen Abgeordneten der Präsidentenpartei „Diener des Volkes“ und der Oppositionspartei „Vaterland“. Selensky plante eine umfassende Bodenreform, die es ermöglichen sollte, landwirtschaftliche Flächen zu verkaufen, was bisher verboten war. Teile der Opposition waren dagegen und versuchten die Abstimmung zu verhindern, woraufhin es zu einem Handgemenge von rund einem Dutzend Abgeordneten kam. In der Nacht vom 30. auf den 31. März verabschiedete das Parlament das Gesetz über den Bodenmarkt. Zunächst wurde der Besitz auf bis zu 100 Hektar beschränkt, später auf 10.000 Hektar ausgeweitet. Über den Verkauf von ukrainischem Boden an Ausländer sollte zu einem späteren Zeitpunkt die Bevölkerung per Referendum entscheiden, wozu es bisher nie kam, aber die Brisanz des Gesetzes zeigt. Mit dem Gesetz kam die Ukraine der zweiten verbliebenen IWF-Forderung für milliardenschwere Finanzhilfen nach.68https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/chronik?c=ukraine&d1=2018-01-05&d2=2020-12-20&t=&l=3000 Dieser Schritt ist angesichts der großen, fruchtbaren und landwirtschaftlich nutzbaren Böden der Ukraine für deren Kolonisierung nicht zu unterschätzen. 2023 befanden sich große Teile des ukrainischen Bodens in den Händen von US-amerikanischen Fonds oder in denen ukrainischer Oligarchen, die wiederum bei US-amerikanischen und europäischen Banken verschuldet waren. Die Privatisierung des Grund und Bodens war ein weiterer Schritt, das Land dem westlichen Finanzkapital zu unterwerfen und damit durch Verschuldung auch Druck für weitere Privatisierungen erzeugen zu können.69https://reliefweb.int/report/ukraine/war-and-theft-takeover-ukraines-agricultural-land

Die politische Stabilität der Ukraine, um sie auf NATO- und Kriegskurs zu bringen, blieb weiterhin relativ. Laut einer repräsentativen soziologischen Umfrage des Rasumkow-Zentrums bezeichneten im Dezember 2020 42 Prozent der Befragten den Präsidenten Wolodymyr Selensky als eine „Enttäuschung des Jahres 2020“. Etwa 20 Prozent der Befragten hielten ihn hingegen für den „Politiker des Jahres 2020“ (im vorangegangenen Jahr waren es 46 Prozent).70https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/chronik?c=ukraine&d1=2018-01-05&d2=2020-12-20&t=&l=3000 Anfang 2019 erließ Präsident Poroschenko ein Sprachengesetz, das russisch weder als Zweitsprache noch als geschützte Minderheitensprache vorsah, stattdessen die Verpflichtung für Medien in ukrainisch zu erscheinen und weitere Maßnahmen zur Durchsetzung der ukrainischen Sprache. Sogar die pro-westliche NGO Human-Rights-Watch kritisierte das Gesetz.71https://www.hrw.org/news/2022/01/19/new-language-requirement-raises-concerns-ukraine

Phase 5: Der Beginn der Eskalation gegen Russland (2021-2022)

PII

Im Juni 2020 wurde die Ukraine in die Partnership Interoperabilität Initiative (PII) aufgenommen. Darin verpflichten sich die Staaten, an NATO-Missionen und Manövern teilzunehmen und ihre Streitkräfte kompatibel zueinander zu machen und die NATO-Standards, Regeln, Prozesses und ähnliches Material zu verwenden. Mit der PII wurde die Interoperabilität, also die Möglichkeit, dass verschiedene Armee gemeinsame Feldzüge durchführen können, verstärkt und eine Struktur für die Einbindung von nicht-NATO-Mitgliedern geschaffen. Für diese wurden maßgeschneiderte Maßnahmen entwickelt, um die Interoperabilität zu erhöhen: „As a result of the PII, NATO granted tailor-made ‘enhanced opportunities’ for deeper cooperation with selected partner countries. The Enhanced Opportunities Partners currently are: Australia, Georgia, Jordan, Sweden and Ukraine.“72https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_132726.htm#:~:text=The%20Enhanced%20Opportunities%20Partners%20currently,%2C%20Jordan%2C%20Sweden%20and%20Ukraine. Dies kann als weiterer Schritt der aktiven Integration der Ukraine gewertet werden.

Ende 2020 wurde für den NATO-Gipfel 2021 die Aufnahme Georgiens in den MAP angestrebt, die Ukraine äußerte den Wunsch, ebenfalls diesen Schritt gehen zu können. Beide Länder wurden schließlich nicht in das Programm aufgenommen. In der Diskussion wurde gegenüber Russland allerdings wiederholt deutlich gemacht, dass man die Mitgliedschaft anstrebe und keine Rücksichten auf Sicherheitsinteressen Russlands nehme.

2021: Vorbereitete Eskalation

Diese unmittelbar vor der Militäroperation Russlands stehende Phase muss detailliert und mit allen Faktoren untersucht werden. Bei Sichtung der vorliegenden Daten kann man von zwei Fakten ausgehen, die aber weiter untersucht werden müssen.

  • Erstens plante die Ukraine seit März 2020 eine militärische Eskalation im Donbass und bezüglich der Krim.
  • Zweitens blieb dies nicht nur Propaganda oder Drohkulisse, sondern nahm die konkrete Form der Vorbereitung einer Offensive an.73Spanidis und Vermelho behaupteten, dass es sich nicht um die Vorbereitung eines offenen Kriegs gehandelt haben könne. Sie verzerren die Argumentation, die sie kritisieren. https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/gruende-und-folgen-des-ukraine-kriegs/
  • Drittens ist davon auszugehen, dass dies nicht einfach die Initiative der Kiewer Regierung war, sondern dass sie mit der NATO zumindest den USA abgesprochen war oder eher von den USA ausging.
  • Viertens sind diese Aktivitäten im Zusammenhang mit einer immer wieder angedrohten Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO bzw. der permanenten Weigerung, diese auszuschließen, zu betrachten, da unter anderem daraus die Bedrohung für Russland resultiert.

Ende Dezember äußerte sich Selensky, dass bei einem Angriff Russlands auf die Ukraine ein Krieg in vollem Umfang beginnen würde und alle verfügbaren Personen mobilisiert werden würden. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich keinerlei russische Truppen in Grenznähe.74https://www.laender-analysen.de/chronik/?c=ukraine&d1=2020-12-03&d2=2022-02-23&t=&l=3000 Im Dezember 2020 begann die Ukraine mit einer Eskalation der Situation im Donbass. In einer Mitteilung vom 18. Januar 2021 schreibt der Vertreter der Delegation der Donezker Volksrepublik (DVR) in der Kontaktgruppe im Rahmen der Minsk-Verhandlungen: „Die Lage an der Kontaktlinie verschlechtert sich weiter. Im vergangenen Monat, seit der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe, haben die Streitkräfte der Ukraine den Beschuss des Territoriums der Republik mit dem Einsatz von Waffen intensiviert, die durch die Minsker Abkommen verboten sind. (…) Die Zahl der Verstöße gegen den Waffenstillstand und der auf unserem Territorium abgefeuerten Minen ist derzeit vergleichbar mit der Zahl vor Inkrafttreten der Maßnahmen zur Stärkung des Waffenstillstands.“75https://dnr–sckk-ru.translate.goog/itogi-zasedaniya-rabochej-gruppy-po-voprosam-bezopasnosti-na-peregovorah-kontaktnoj-gruppy-v-minske-18-yanvarya/?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp

Die Frage der Verstöße gegen das Waffenstillstandsabkommen ist schwierig zu beurteilen, da die OSZE nie angegeben hat, von welcher Seite aus die Verletzung stattgefunden hat. Das nutzte natürlich vor allem der Ukraine, die den Minsk-Prozess stets blockiert hat. In der Situation rund um Februar/März 2021 ist zu vermuten, dass es sowohl zu einer Zunahme der Verstöße seitens der Ukraine kam, worauf auch die Meldungen der DVR hindeuten, als auch zu einer propagandistischen Instrumentalisierung der von ihr selbst verübten Verletzungen. Denn hier wollte die Ukraine die Propaganda aufbauen, sie sei die Angegriffene und wehre sich. Eine exakte Untersuchung der Hergänge wäre vor allem nützlich, um zu verstehen, welche militärischen Vorgänge insgesamt in der Ukraine stattgefunden haben, nicht nur an der Kontaktlinie.

Gleichzeitig wurde die Zusammenarbeit der USA mit den ukrainischen bewaffneten Organen ausgedehnt. Nach Angaben des Innenministeriums begann die Nationalgarde der Ukraine mit der Arbeit an einer Einsatzdoktrin, die mit den Konzepten der NATO vereinbar ist. Vertreter aus den USA und Kanada leisteten dabei „Hilfe“.76https://www.laender-analysen.de/chronik/?c=ukraine&d1=2020-02-03&d2=2022-02-23&t=&l=3000 Ende Februar bekräftigte die US-Regierung, dass die Krim ukrainisch sei und kündigte Militärhilfe in Höhe von 300 Millionen Euro an.77https://theowp.org/ukraine-declares-all-options-possible-even-war-to-retake-crimea-from-russia/ Die ukrainische Armee trainierte außerdem Häuser- und Straßenkämpfe und kündigte dies auch an, was als Drohung gegenüber den Volksrepubliken verstanden wurde. Innenpolitische Gegner wurden stärker repressiert, wer die „Existenz einer bewaffneten Aggression gegen die Ukraine“ leugne, sollte bestraft werden.78https://www.jungewelt.de/artikel/397604.donbass-wiederbelebter-krieg.html?sstr=Donbass Die ukrainische Seite verbreitete gezielt Indiskretionen, die auf die Option eines größer angelegten militärischen Angriffs auf die Volksrepubliken verweisen. Dazu gehören Bilder von Transportzügen mit Panzern und Raketenwerfern auf Bahnhöfen im Hinterland der Front.79https://www.jungewelt.de/artikel/398251.krieg-in-der-ukraine-ultimatum-vorbereitet.html

Am 11.03.21 veröffentlichte der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine eine Strategie zur „De-Okkupation und Reintegration des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und Sewastopol“. An der Ausarbeitung der Strategie hatten unterschiedliche politische Akteure wie der Präsident der Ukraine und Vertreter der Krimtataren mehr als ein Jahr gearbeitet.80https://www.laender-analysen.de/chronik/?c=ukraine&d1=2020-02-03&d2=2022-02-23&t=&l=3000

Im März meldeten die Vertreter der DVR mehrmals, dass der Beschuss seitens der Ukraine zunahm und schwerere Waffen zum Einsatz kamen.81https://tass-ru.translate.goog/politika/10929895?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp&_x_tr_hist=true Es wurde außerdem die Vertiefung der Verteidigungsgräben seitens der Ukraine festgestellt.82https://dnr–sckk-ru.translate.goog/narusheniya-vfu-zafiksirovannye-v-otchete-smm-obse-ot-18-marta/?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp Das der „Oppositionsplattform“ nahestehenden Portal Strana.ua meldete, dass die ukrainische Seite gut vorbereitet sei für eine Rückeroberung und der Rückzug der schweren Waffen aus der Frontnähe, wie im Sommer 2020 zur Deeskalation vereinbart, inzwischen rückgängig gemacht sei.83https://www.jungewelt.de/artikel/398820.donbass-kiew-stellt-kriegsfalle.html

Am 24.03.21 erließ Selensky ein Dekret, das die Strategie des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates zur „De-Okkupation und Wiedereingliederung der Krim und der Stadt Sewastopol“ in Kraft setzt. Laut Präsidialamt beinhaltet das Dokument „diplomatische, militärische, wirtschaftliche und humanitäre Maßnahmen zur Rückkehr der von Russland annektierten Halbinsel in die Ukraine.“84https://www.laender-analysen.de/chronik/?c=ukraine&d1=2020-12-03&d2=2022-02-23&t=&l=3000 Laut Michael Snyder, einem Analysten, handelte es sich dabei im Grunde um eine Kriegserklärung gegen Russland, die ohne Zustimmung der Biden-Administration nie erfolgt wäre und die von Russland sehr ernst genommen wurde.85https://www.telesurenglish.net/news/Ukraine-To-Regain-Occupied-Territory-in-Crimea-and-Sevastopol-20210402-0005.html Die Kiewer Regierung selbst bezeichnete das Dokument als das erste seit 2014, das die Hauptrichtung der Staatspolitik bestimme und ein historisches Ereignis sei. Es sei ein breites Programm in Kraft gesetzt worden, um die Rückeroberung zu erreichen.86https://ppu.gov.ua/en/press-center/today-president-of-ukraine-volodymyr-zelenskyy-signed-decree-117-2021-of-march-24-2021-on-the-strategy-of-de-occupation-and-reintegration-of-the-temporarily-occupied-territory-of-the-autonomous-republ/ Die Vertreter der DVR stellten eine weitere Welle der Anhäufung von Ausrüstung und schweren Waffen in der Nähe der Kontaktlinie fest, darunter MLRS, Panzer sowie großkalibrige Haubitzenartillerie an Bahnhöfen in von der ukrainischen Armee kontrollierten Siedlungen.87https://dnr–sckk-ru.translate.goog/mirnyj-plan-po-ukrainski/?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp Ende März zog die RF Truppen an der Westgrenze zusammen.

Anfang April sprach Denis Puschilin, der Chef der DVR, von einem unmittelbar bevorstehenden ukrainischen Angriff.88https://www.jungewelt.de/artikel/399931.säbelrasseln-in-frontnähe.html Die westlichen Regierungen unterstützten das Kiewer Regime und forderten stattdessen Moskau zu Deeskalationsschritten auf, die USA sendeten zwei Kriegsschiffe ins Schwarze Meer.89https://www.jungewelt.de/artikel/400013.konflikt-im-donbass-krieg-und-nervenkrieg.html Bis Ende 2021 wurden die Waffenlieferungen und finanziellen Mittel zur Aufrüstung der Ukraine deutlich gesteigert, insbesondere durch die USA und Großbritannien.90https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8793/ 2021 gestattete die Ukraine die Stationierung von 4.000 NATO-Soldaten, darunter 2.000 US-Amerikaner.91https://www.merkur.de/politik/ukraine-laesst-erneut-hoehere-nato-praesenz-im-land-zu-91179021.html Die Ukraine hatte außerdem für 2022 zehn Manöver der NATO im Land und im Schwarzen Meer gesetzlich erlaubt und damit das Land zu einem ganzjährigen Aufmarschgebiet gemacht.92https://test.rtde.tech/meinung/132986-nato-verfolgt-strategie-spannung/ Russland warnte, dass das Aufflammen des Bürgerkriegs zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit führen werde.93unsere-zeit.de/zuspitzung-im-donbass
imi-online.de/…/nato-aggression-und-russlands-reaktion/
Eine weitere Zusammenstellung der kriegsvorbereitenden Schritte ist hier zu finden: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/zur-kritik-am-joint-statement-und-zur-nato-aggression-gegen-russland/

Zusammenfassung

Dieser Zeitraum ist davon geprägt, dass eine militärische Provokation Russlands eingeleitet und umgesetzt wurde. Die Ankündigungen des Kiewer Regimes sind nicht bloße Propaganda gewesen oder eine reine Fortsetzung der bisherigen Politik. Das waren sie natürlich auch. Aber es ist eindeutig eine Steigerung und neue Qualität sowohl in den militärischen Aktivitäten als auch in der Propaganda zu erkennen, die offen eine militärische Rückeroberung ankündigte und innenpolitisch repressiv umsetzte. Die Aktivitäten der NATO-Staaten sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Die gesteigerte Waffenhilfe und Stationierung von Soldaten sowie der Manöver ist nicht nur eine Rückendeckung Kiews, sondern eine klare Kampfansage an Moskau. Alle Faktoren zusammen genommen hat die RF entsprechend auf die geänderte Situation reagiert und Truppen zusammengezogen. Dadurch konnte zwar ein direktes Treffen zwischen Biden und Putin erwirkt werden, das allerdings auch keine weiteren Wirkungen hatte. Was hier zu untersuchen wäre ist, wie die Integration der Ukraine in die NATO in dieser Zeit auch außerhalb offizieller Programme vorangetrieben wurde. Dazu müsste man beispielsweise die Aktivitäten der verschiedenen Organe der NATO in der Ukraine untersuchen.

Fazit

Historische Abläufe zu untersuchen, birgt immer die Gefahr, sie unter dem Gesichtspunkt selektiv zu erfassen, den man gewählt hat. Dann besteht die Gefahr, die eigenen Thesen leicht belegen zu können, weil keine Gegenargumente belegt wurden. Deshalb ist die kritische Diskussion notwendig. Das gilt auch für die Frage der Integration der Ukraine in die NATO. Es handelt sich unbestritten um einen politisch brisanten und historisch wiederkehrenden Prozess. Geschichte verläuft nicht nach Plan, die Vorhaben der mächtigsten Akteure lassen sich nicht einfach eins zu eins in die Tat umsetzen.

Aber was hier erkennbar ist, ist die kontinuierliche und beharrliche Umsetzung einer Integration der Ukraine in die Kriegspläne der USA und der NATO. Das ist strategisch von großer Bedeutung und es ist kein verhülltes Geheimnis, sondern eine offen diskutierte Tatsache der US-amerikanischen Außenpolitik, deren Brisanz stets klar war.

Der Einsatz faschistischer Kräfte ist ebenfalls kein neues Phänomen, im Gegenteil ist gerade seine historische Fortdauer ein Grund für ihren Einsatz, im ganz praktischen Sinne, dass es in den USA, Kanada und Deutschland feste und weit fortgeschrittene Netzwerke ukrainischer Faschisten gibt, die wiederum eingebettet sind in internationale faschistische Netzwerke des Westens. Das ist ein unbedingt weiter zu untersuchender und politisch anzugreifender Komplex.94Siehe hierzu die Beiträge der Bandera-Komplex-Konferenz der jungen Welt:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLQSJ1m4IoIwy0PJXDGEY5OSdJJ4JxYBge

Insofern kann man zusammenfassen, dass die Pläne der USA und der NATO weitestgehend umgesetzt werden konnten. Es gibt einen Faktor, der von den Strategen wahrscheinlich einberechnet wurde, sich aber ihrer Kontrolle entzieht und eine wichtige politische Dynamik entfaltet: Der Widerstand, insbesondere der Volksrepubliken in der Ostukraine. Dass es gelungen ist, erfolgreich militärisch Widerstand zu leisten, ist ein politisch gar nicht zu überschätzendes Ereignis. Auch wenn die NATO-Strategen diesen Kampf direkt als Training der Faschisten und Armee ausgenutzt haben: Damit ist ein Akteur auf den Plan getreten, der die weitere Entwicklung maßgeblich beeinflussen sollte. Denn nicht nur, dass er ein scheinbar unüberwindliches Hindernis für die NATO-Faschisten war auf ihrem Weg zur Grenze; wenn es Kiew gelungen wäre, die Gebiete unter Kontrolle zu bekommen, wäre eine Aufnahme in die NATO wahrscheinlicher geworden und damit die Bedrohung Russlands fast unabwendbar geworden. Die Volksrepubliken und ihr mutiger Kampf lösten auch in der RF politisch viel aus. Sie waren letztlich auch ein wichtiger Faktor für die RF, eingreifen zu müssen und dadurch die gesamte Dynamik zu verändern. Die Lehren und Erfahrungen des antifaschistischen Kampfs der Volksrepubliken müssen von allen Antifaschisten und Kommunisten viel stärker genutzt und ausgewertet werden und vor allem darf die Solidarität mit ihm nicht unterschlagen, dass die Militäroperation der RF gerade und zurecht von ihnen gefordert wurde und für ihre Existenz unbestreitbar notwendig war.

Der Beginn der Militäroperation mag eine Falle gewesen sein, in die Russland ging, aber auf die es gar nicht anders hätte reagieren können, wenn man ernst nimmt, dass eine Invasion der Volksrepubliken bevorstand. Russland musste eingreifen, nicht nur, um die Bevölkerung in den Volksrepubliken zu schützen, sondern um die militärische Front der NATO-Ukraine von seinen Grenzen zurückzudrängen.

Die Integration der Ukraine in die NATO fand statt, allerdings nicht als formales Mitglied, sondern als Kriegskolonie, die als Instrument der Kriegsführung gegen Russland diente und dient. Ein Faktor, der hier nicht beleuchtet wurde, ist die ökonomische Ebene. Dabei handelt es sich um einen bemerkenswerten, tiefgreifenden und anhaltenden Prozess. Denn die ukrainische Ökonomie war verschmolzen mit der russischen in der Phase der sozialistischen Sowjetrepubliken und das blieb auch nach 1991 der entscheidende wirtschaftliche Zusammenhang. Diesen zu zerstören und durch extrem unvorteilhafte Beziehungen zur EU zu ersetzen unter Deindustrialisierung und Verarmung ist ein politisch und kulturell frappanter Vorgang, der nur mit Gewaltanwendung möglich war, da ein großer Teil des Landes und insbesondere der ökonomisch entscheidende Teil sich dagegen wehrte.

Die politische Zerstörung der Ukraine geht mit ihrer Unterwerfung einher. Ergebnis ist vorerst ein Gebilde, das große Teile seiner Bevölkerung verloren hat, keine eigene Produktionsbasis mehr hat und vollständig abhängig von Geldern aus dem Westen ist. Die langfristige Perspektive, Söldnerlieferant für den Krieg des Westens gegen Russland zu sein, dürfte kaum auf Begeisterung stoßen, sofern sie als solche erkannt wird. Politisch ist der instabile Charakter kaum mehr zu verhüllen. Damit dürfte die Zielsetzung der NATO, Russland permanent zu bedrohen auch von dieser Seite aus Grenzen haben – neben den sich abzeichnenden militärischen Misserfolgen.

Quellen

Kommentare

4 Kommentare

    • Im Moment ist es so eingestellt, dass wir die Kommentare erst manuell freigeben müssen. Sonst hätten wir zu viel Spam. Einfach ein bisschen warten.

  1. Mit einigem Grund kann man davon ausgehen, dass die ökonomische, politische und militärische Vollintegration der Ukraine in die US- und deutsche Sphäre so oder so in diesen Jahren eine neue Qualität erhalten hätte. Das Ignorieren der in Minsk übernommenen Pflichten durch Deutschland und Frankreich hat die wahre Interessenlage der dortigen Eliten offenbart.

    Zwischen den Karpaten und Moskau gibt es außer Flüssen keine natürlichen Barrieren. Moskau kann natürlich dennoch verteidigt werden, wie die Geschichte zeigt, allerdings geht enorm strategische Tiefe verloren. Es waren vornehmlich unmittelbar militärische Motive, die Stalin bewogen haben, mit den territorialen Regelungen im Vertrag von 39 Deutschland auf Distanz zu halten.

    Die Sicherung von Sevastopol ist historische Verpflichtung einer jeden russischen Regierung. Diesen Stützpunkt und damit die Sicherheit des Zugangs zu den Weltmärkten via Schwarzes Meer zu verlieren, würde das russische Volk über Generationen entscheidender Entwicklungsmöglichkeiten berauben (milde ausgedrückt).

    Wenn das in tausenderlei Hinsicht als russisch zu bezeichnende Volk der Ukrainer auf dem Boden, für dessen Freiheit über die Jahrhunderte russisches Blut vergossen wurde, nun an die germanischen Imperialisten fallen sollte, wäre das ein erheblicher Schlag mit unabsehbaren Folgen für den inneren Zusammenhalt der multinationalen russischen Gesellschaft selbst und das internationale Prestige des russischen Staates. Wie wären unter den Umständen, dass Kiev ein zweites Tallinn wird noch die globalistische urbane Laptopklasse und all die Oligarchen in Sankt Petersburg und Moskau in Schach zu halten?

    Der Status quo im Donbass und perspektivisch in der Krim wäre 2022 ff. belegbar durch NATO/Ukraine infrage gestellt worden – die Wahrscheinlichkeit eines unmittelbar direkten Schlagabtauschs zwischen einer unter noch größerem Zugzwang stehenden russischen Administration und einer noch frecher auftrumpfenden Allianz der Kolonialherren (und -dämchen) hätte eine andere, viel gefährlichere Dynamik mit sich gebracht.

    Wirtschaftlich, militärisch, diplomatisch und administrativ scheint Russland die Minsk-Jahre allemal besser zur Vorbereitung auf diesen Moment genutzt zu haben. Ferner kann Moskau bei geringem Einsatz weiter auf eine Spaltung innerhalb des kolonialen Bündnisses hinarbeiten.

    Da jedoch insbesondere die deutsche Oligarchie und deren Eliten keine Anstalten machen, sich auf eine Atempause mit Russland einzulassen (das wäre ein AFD Kurs), wäre hierzu mindestens auf einer Seite des Atlantiks eine Revolution fällig.

    Strategisch scheint für die deutsche Sektion der Bilderbergers die Kolonialisierung Russlands Mal wieder zur Schicksalsfrage geworden zu sein. Und in der Tat, dieser Weg ist der einzige Weg der sich den unter US Schirmherrschaft stehenden Deutsch-EU-Oligarchen samt Elite aus der Krise bietet um ihr Programm der verschärften Ausbeutung nach innen und rücksichtslosen Plünderung nach aussen fortzusetzen und auszubauen.
    Mehr als das: Kapazitätsüberhang, Rohstoffknappheit und Finanzialisierung (kapitalisierte Dividenden/Renten/Zinsen usw.) inklusive Schuldenberge zwingen sie dazu.

    Wohlgemerkt ist es nicht die Schicksalsfrage des deutschen Volkes Russland zu bezwingen, wie uns Roderich, Analena und die linke Presse weismachen wollen. Die breiten Massen beiderseits der Elbe erlebten den größten Aufschwung in Wohlstand und Kultur als russische Panzer ebendort standen. Umgekehrt erlebte das deutsche Volk nicht nur seine größte Schande sondern auch sein größtes Elend seit dem 30-jährigen Krieg, als deutschen Panzer vor Stalingrad und Kursk der Sprit ausging.

    Die kommende Krise wird mit Sicherheit ein mächtiger Katalysator für vegane Austerität und “erneuerbare” Autarkie sowie Infrastrukturprojekte und Rüstungskeynsianismus. Refugees ab sofort natürlich “Welcome” sich für ihren Aufenthaltstitel im Reichsarbeitsdienst 2.0 oder der Armee zu konskribieren. Grüße aus dem Maschinenraum an die woke left!

    An wen sollen sich Kommunisten, welche der multinationale deutsche Arbeiterklasse HELFEN wollen wenden und wie können sie vorgehen? Dazu habe ich mir erlaubt unter einen Artikel zur Rüstungspolitik der IGM folgenden nicht veröffentlichten Leserbrief zu schreiben:

    Wer sich mit Putschisten und Swoboda Chefs einfindet und Raubktzen mit Balkenkreuz zum Russen töten in die Steppe Zaporischijas schickt ein Steigbügelhalter? – i wo?! Jetzt umso wichtiger weiter die »Einheitsgewerkschaft« als wichtigste Errungenschaft gegen die Stimmen möglicherweise AfD wählender und damit rechtsoffener Proleten zu verteidigen! Im Ernst: Einzelne Individuen der »Gewerkschaftslinken« Arbeiterbürokratie mögen Weggefährten auf Teilabschnitten eines Emanzipationskampfes sein. In unserem Land, wie auch allgemein im Westen, wird dieser Kampf aktuell in erster Linie von Bauern und Truckern geführt. Sollen die Arbeiterinnen und Arbeiter en large tatsächlich noch selbstständig auf die Bühne treten, wird kein Schritt dieser Emanzipation in Zusammenarbeit mit den Apparaten erfolgen können, diese sind bis weit nach links unten integraler Bestandteil des mit staatstragendsten Segments der Laptopklasse. Fürs qed siehe die jüngsten Gewerkschaftstage und Tarifrunden unter Igm und verdi Ägide. Gut meinende Kommunisten gehören seit jeher zu den erfolgreichsten Werbern. Bisher ist noch jeder der »engagiertesten« unter den Geworbenen im Bannstrahl des Apparats gelandet. In den Großbetrieben gerade zu den untersten Schichten (Montage, Logistik…) zu gehen und dort die angesehenen »Wortführer« auszumachen, welche selbst unter halbaristokratischen Bedingungen nicht selten ihre Klasse (auch wenn sie sie nicht so nennen) wirklich lieben und die ausbeuterischen und heuchlerischen Zustände dementsprechend wirklich hassen – wurde nach meiner Beobachtung bisher kaum ernsthaft und konsequent, geschweige denn flächendeckend, versucht.

  2. Eine eche Fleißarbeit.Aber warum finde ich darin nicht die Eingeständnisse von Angela Merkel, Hollande und Poroschenko zur Hinhaltetaktik der EU, um der Ukraine Zeit zur Aufrüstung zu verschaffen.

    Und welche Rolle spielen die Bestrebungen der BRICS-Staaten sich vom Dollar unabhängig zu machen?

    Die Übersetzung des akttuellen Interviews mit Putin sollte hier nicht fehlen.
    https://linkezeitung.de/2024/02/09/putin-interview-mit-tucker-carlson/

    Da wäre dann die Frage, wie kann der Krieg beendet werden?
    Deutschland könnte das, aber nur mit einer völlig neuen Regierung.
    Aber wo soll die herkommen?

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein