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Der Richtige zur richtigen Zeit

Ausblick nach der Bundestagswahl

Die Wahlen sind vorbei und als Sieger gehen AfD und CDU hervor. Während die CDU sich zur Vollstreckerin der Zeitenwende erklärt, ist die AfD schon jetzt ein wesentlicher Faktor für die Kriegsvorbereitung. Ob die neue Regierung im Gegensatz zur Ampel-Koalition die gesamte Legislatur durchhalten wird, ist noch offen. Ein Blick in andere Länder wie Frankreich zeigt, dass die Krise des Imperialismus auch die politische Instabilität erhöht. Eine Regierungsbeteiligung der AfD steht zwar aktuell noch nicht an – nach den nächsten Wahlen wird das vermutlich anders aussehen. Wir werfen einen kurzen Blick auf die zentralen Punkte, die wir aus der Wahl mitnehmen können. Einiges davon haben wir in unserer Broschüre zu Zeitenwende und Kriegsvorbereitung weiter ausgeführt.

Krise heißt Kriegsvorbereitung

Der deutsche Imperialismus steckt in der Krise. Hintergrund ist die Bedrohung der imperialistischen Ordnung unter der Vorherrschaft der USA, die wohl als allgemeine Krise des Imperialismus verstanden werden muss. Ursula von der Leyen beschrieb diese Lage kürzlich auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos so: „Die auf Zusammenarbeit ausgerichtete Weltordnung, wie wir sie uns vor 25 Jahren vorgestellt haben, ist nicht Wirklichkeit geworden. Stattdessen sind wir in eine neue Ära des rauen geostrategischen Wettbewerbs eingetreten (…) der Wettlauf hat begonnen.“

Und daher müssen die USA den Krieg gegen China wollen. Mit der Wahl Trumps werden sich die Aggressionen gegen die Volksrepublik noch verstärken und die aktuellen Verhandlungen im Ukraine-Krieg müssen als Teil dieser Kriegsvorbereitung verstanden werden: Der Konflikt soll eingefroren werden, um ein noch engeres Bündnis zwischen China und Russland zu verhindern und China so zu schwächen. Der deutsche Imperialismus kann (noch) nicht ohne die USA, und muss sich dem Kurs im Wesentlichen anpassen. Die widersprüchlichen Interessen werden mit immer härteren Bandagen ausgehandelt – Stichwort Zollpolitik. Einigkeit besteht jedoch in der Vorbereitung des Krieges zur Aufrechterhaltung ihrer Weltordnung. Deutschland soll bis 2029 kriegsbereit gegen Russland sein. Daran ändern weder die Verhandlungen im Ukraine-Krieg noch die Ablösung der Ampel-Koalition durch eine neue Bundesregierung etwas. Im Gegenteil: Die Kriegsvorbereitung wird in der kommenden Legislatur noch verstärkt werden.

Vollstrecker für die Zeitenwende

Der Tenor der Herrschenden vor der Wahl ging ungefähr so: Die Militarisierung sei zu langsam, zu träge, zu ineffektiv. 2% des BIP für Militärausgaben seien das absolute Minimum, eigentlich müsse man mindestens über 3,5% kommen und ein neues Sondervermögen von mindestens 300 Milliarden sei sowieso schon längst überfällig. Das Motto der Wahl: Vollstrecker für die Zeitenwende und Kriegsvorbereitung gesucht!

Die CDU mit Neu-Kanzler Merz titelt „Der Richtige zur richtigen Zeit“ und trifft damit einen Punkt: Mit ihren angekündigten Angriffen auf Arbeitslose, Migranten und Werktätige zugunsten einer verstärkten Kriegsvorbereitung scheint die schwarze Partei tatsächlich die richtige politische Kraft für die aktuelle Zeit zu sein. Voraussichtlich wird sich die CDU die SPD mit ins Boot holen – eine politische Kraft, die immer stärker an politischen Einfluss verloren hat, insbesondere in den Gewerkschaften. Hier entsteht eine Lücke, die in näherer Zukunft nochmal zu wichtigen Dynamiken und Einflusskämpfen führen kann. Es scheint fast so, als wäre auch hier die AfD potentiell am ehesten aufgestellt den Kampf um freiwerdende Plätze der SPD aufzunehmen.

Keine Kriegsvorbereitung ohne Rechte und Faschisten

Der AfD-Sieg bringt zum Ausdruck, dass Teile der herrschenden Klasse sehr bewusst und gezielt diese Partei nicht nur aufgebaut, sondern so weit gestärkt haben, dass sie an diese Stelle kommen konnte und sollte. Darin stimmen sie mit den Herrschenden der USA überein. Das ist der zweite wichtige Faktor. Beides weist darauf hin, dass der Krieg gegen Russland, nach einer möglichen Neugruppierung durch die anlaufenden Verhandlungen, intensiviert werden soll. Dafür ist insbesondere in Deutschland, als größte Macht in Europa, ein ultra-reaktionärer Kurs notwendig. Aufrüstung, Mobilisierung und Kriegsführung werden ohne weitreichenden Sozial- und Demokratieabbau nicht möglich sein, ohne Verhetzung und Verrohung der Gesellschaft. Sie muss weiter nach rechts gebracht werden. Ihr, und insbesondere der Arbeiterklasse, wird zugesetzt werden müssen. Im Zweifelsfall ist dann auch Terror notwendig.

Die AfD hält dafür nicht nur die entsprechende Ideologie bereit, sondern auch das Personal. Sie ist die Sammelpartei der faschistischen Kräfte. Vom ehemaligen Institut für Staatspolitik über Höcke bis hin zu den Straßenterror-Gruppen sind alle relevanten faschistischen Strukturen an die AfD angedockt oder Teil von ihr. In den letzten Jahren und insbesondere im Wahlkampf ist die AfD trotz aller „Brandmauer“-Beteuerungen normalisiert und gestärkt worden. Durch das Abstimmungsmanöver von Merz im Bundestag, aber auch durch BSW, das nicht nur mit zugestimmt hatte, sondern permanent von der Berechtigung der AfD-Forderungen gesprochen hatte.

Ideologisch haben die AfD bzw. die Medien und die sie lenkenden Kreise eine ideologische Oberhoheit gewonnen. Ihre scheinbar für Frieden und Verhandlungen verbreiteten Parolen sind nicht nur von geringer Bedeutung im Wahlkampf gewesen, sondern sie sind von ihrer Bedeutung her ohnehin gering, da die AfD vor allem für Aufrüstung, Wehrpflicht und Kriegsfähigkeit steht. Diese durchzusetzen ist die Hauptsache. Dass Leute zunächst glauben sollen, die AfD wende sich gegen einen Krieg gegen Russland, nutzt ihr und ihrer Politik, aber es entspricht nicht den politisch zu erwartenden Tatsachen. Die offenen Werbemaßnahmen der US-Republikaner für die AfD sind eindeutig: Sie wollen, dass diese Partei Deutschland zu einer Kriegsmacht aufbaut, die den Krieg gegen Russland fortsetzt und sie sich dafür umso aggressiver gegen China wenden können.

Aufgebaut für ein Ziel: Krieg und Krise

Die AfD hat ideologische Siege errungen, insbesondere was die Verhetzung und Aufstellung von Sündenböcken anbetrifft, als auch die Verrohung. Aber auch die Verbreitung des Nationalismus, die Akzeptanz für Geschichtsrevisionismus und Militarismus und eine starke Hand. Es kann sein, dass sie bei bestimmten Teilen der Bevölkerung auch schnell wieder an Zuspruch verlieren wird. Das ist nicht so relevant. Relevant ist, dass es ihr gelungen ist, Teile der Gesellschaft fest, um sich zu scharen und zu binden. Das konnte sie auch, weil erfahrene Stratege und ehemalige CDU-Politiker wie Gauland daran stark gearbeitet haben. Gauland, der auch Kubitschek vom Institut für Staatspolitik aktiv in die Strategieentwicklung der Partei eingebunden hat.

CDU-Konservative, die Nazi-Parteien aufbauen. Das ist kein neues Phänomen. Ähnlich war es bei der Deutschen Volksunion in den 70er Jahren und bei den Republikanern in den 80ern. Dieses Mal ist der Unterschied, dass die Planungen des deutschen Imperialismus sehr weitreichend sind und nicht nur die Abschaffung des Asylrechts durchzusetzen sind (wie in den 90er Jahren) oder die Ostverträge zu verhindern bzw. möglichst schwer zu verhandeln (wie in den 60er/70er Jahren), sondern es darum geht einen größeren Krieg zu organisieren.

Die Angriffe werden schärfer

Ein Blick in die Wahlprogramme zeigt, dass uns in der nächsten Legislatur ein massiver Angriff auf die Arbeiterklasse erwartet. Das Bürgergeld soll abgeschafft und durch eine Grundsicherung mit Arbeitszwang ersetzt werden. Das Asylsystem wird weiter ausgehöhlt und damit schrittweise abgeschafft. Die Arbeitszeit soll „flexibilisiert“, Ruhezeiten verkürzt und eine Einschränkung des Streikrechts durchgesetzt werden. Die Monopole sollen in noch größerem Ausmaß mit den Steuerabgaben der Arbeiterklasse subventioniert werden. Repressive Maßnahmen werden weiter zunehmen. Gerade gegen politische Organisationen, die vermeintliche „Feindpropaganda“ verbreiten, also Inhalte, die der deutschen Staatsräson widersprechen. Darüber hinaus deutet viel darauf hin, dass die Wiedereinführung der Wehrpflicht mit der neuen Regierung vollstreckt wird.

Keine konsequente Anti-Kriegspartei im Bundestag 

Tatsächliche Anti-Kriegspositionen sind im nächsten Bundestag nicht vorhanden. Die Linke ist ideologisch völlig auf den Sanktions- und Aufrüstungskurs eingeschwenkt und wurde als „soziale“ und „moderne“ Partei von den Medien selbst gehypt, nachdem abgesichert war, dass sie nicht ernsthaft gegen den Kriegskurs und die Waffenlieferungen und schon gar nicht ernsthaft gegen die Staatsräson steht. Neben der teilweisen Befürwortung von Waffenlieferungen oder Verschärfung der Sanktionen, ist der neuste Vorfall ihre Mitwirkung beim sogenannten Grünbuch, das den Kriegsverlauf gegen Russland im Jahr 2030 simuliert. Das BSW hat es nicht in den Bundestag geschafft. Sie haben sich zwar bisher noch konsequent gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel gestellt, sowie als einzige Partei gegen die Antisemitismus-Resolution gestimmt. In ihrer Migrationspolitik jedoch schwimmt sie auf Zeitenwende-Kurs und macht mit Aussagen wie `Putin ist ein Verbrecher` oder `Terror der Hamas` klare Zugeständnisse an die NATO-Propaganda. Dies bedeutet jedoch nicht, dass zwischen den Parteien im Bundestag keine Unterschiede existieren bzw. sie gleichgesetzt werden können. Es ist durchaus gut, wenn Parteien im Bundestag abweichende Positionen zur Aufrüstung einbringen, gegen die Wehrpflicht stimmen oder Anfragen stellen können. Eine klare und konsequente Anti-Kriegsposition können wir jedoch nicht erwarten.

Wir Kommunisten laufen hinterher, nicht voran

Das Programm der Herrschenden ist klar: Alles für den Krieg gegen China und Russland. Die Antwort der linken und kommunistischen Bewegung darauf ist leider alles andere als klar: Die einen begreifen die Verhinderung der AfD als dringendste Aufgabe und sehen daher ein Bündnis mit den anderen Kriegsparteien als notwendig an. Die anderen postulieren, dass es zwischen den Parteien keine Unterschiede gebe. Die einzige Antwort sei Klassenkampf, konkreter bestimmt wird dieser jedoch nicht. Auch während des Wahlkampfes hat sich diese fehlende Klarheit gezeigt: Während manche Gruppen für die Wahl der Linkspartei zur Verhinderung der AfD aufriefen, plädierten anderen für den Boykott und wieder andere formulierten indirekt eine Wahlempfehlung für das BSW.

Die Entwicklungen sind schnell, der Klassenkampf von oben nimmt zu. Organisiert werden muss der Widerstand gegen die weiteren Milliardenpakete, gegen die verschärften Asylgesetze, gegen die gesteigerten Abschiebungen, gegen die sozialen Angriffe und die weiteren Spaltungen durch Repression, Chauvinismus und Verhetzung. Doch wir Kommunisten hinken hinterher und erfahren, wie sich unserer politischer Handlungsrahmen immer weiter verengt. Wir nehmen uns als KO keineswegs davon aus, wenn wir das Feststellen und Schwierigkeiten dabei haben, konkrete Orientierung aufzustellen. Nötig ist eine korrekte Analyse der aktuellen Lage: Wir müssen verstehen, welche Widersprüche und Probleme sich dem deutschen Imperialismus aktuell stellen, welche Methoden der Herrschaftssicherung er anwendet und welche Rolle dabei die jeweiligen politischen Akteure spielen, insbesondere die AfD als neue, einflussreiche Kraft. Darauf aufbauend brauchen wir eine Taktik gegen die Zeitenwende, die konkret und realistisch an der Lage und dem Bewusstseinsstand der Arbeiterklasse anknüpft. Es ist klar, dass wir dies nicht als Einzel-Organisation erreichen können – das wäre Selbstüberschätzung – sondern wir diese Aufgabe als gesamte Bewegung angehen müssen.

Aktuelles

„Selenskij will uns umbringen!“ Solidaritätsaufruf der Kononovich-Brüder

Wir teilen hier den Aufruf der Kommunisten und Antifaschisten Michail und Aleksandr Kononovich, die in der Ukraine verhaftet wurden und an die Front geschickt werden sollen. Die beiden wurden bereits 2022 verhaftet und stehen seit 2023 unter Hausarrest. Wir rufen zu schnellen Protestaktionen vor der Botschaft und den Konsulaten der Ukraine auf! Ihr Leben hängt nun in unseren Händen!

Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück: Zu den Verhandlungen zwischen Russland und den USA

Erstmals seit 2021 laufen wieder Verhandlungen zwischen Russland und den USA. In Teilen der Friedensbewegung verbreitet sich die Hoffnung, dass sie eine Chance für Frieden in der Ukraine sind. Dies verstellt den Blick darauf, was die Verhandlungen in der Sache sind: Die Vorbereitung auf den nächsten, großen Krieg. Ein Kommentar von Alexander Kiknadze