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Redebeitrag 15.02.20

Am 09. November 1938 wurden jüdische Mitmenschen, Nachbarn, Bekannte und Verwandte jeden Alters brutal verfolgt und ermordet.

Nur wenige Meter von hier entfernt, in der Steinstraße 8 hat bis zum 10. November 1938 eine der beiden Gießener Synagogen gestanden. Beim Novemberpogrom 1938 wurden beide Synagogen durch SA-Männer geplündert und angezündet. Die anwesende Feuerwehr durfte sich nur auf den Schutz der Nachbarhäuser beschränken. Wenige Tage nach dem Brand ließ die Stadtverwaltung die Brandruinen sprengen und den Schutt abfahren. Mehrere Geschäfte, die noch im Besitz jüdischer Personen waren, wurden ebenfalls demoliert und geplündert. Die meisten jüdischen Männer wurden verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt. Am 14. September 1942 wurden die in der Stadt noch lebenden 141 jüdischen Personen in einem Massenquartier in der Goetheschule eingesperrt. Am 16. September 1942 erfolgte über den Güterbahnhof die Deportation in faschistische Konzentrationslager. Diese Konzentrationslager gab es bereits knapp 10 Jahre. Zur großen Mehrheit waren die Insassen Angehörige der Arbeiterklasse, darunter viele KommunistInnen und andere AntifaschistInnen. Die KZ´s waren die Orte, wo die Faschisten mit all ihren Gegnern auf blutrünstigste Weise abrechneten. So überlebten nur fünf der damals aus Gießen deportierten Personen.

Auch in anderen Städten wurden am 9. und 10. November 1938 jüdische Mitmenschen auf offener Straße massakriert, blutig geschlagen, erhängt, erstochen, zu Hunderten ermordet. Tausende Läden von jüdischen Besitzern wurden in Stücke geschlagen, hunderte Synagogen in Brand gesetzt.

„Nie, nie, Nie wieder Krieg!“ 

Eine Tat des Volkes?

Nein, am 09. November 1938 gab es keinen Massenaufstand gegen Juden. Den weitaus größten Teil der Hetzer und Totschläger machten staatlich gelenkte Trupps der SA aus – nur ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung beteiligte sich freiwillig an dem Pogrom. Auch in Gießen waren es SA-Männer, die die Synagogen anzündeten und die Feuerwehr an den Löscharbeiten behinderte. Denn der Antisemitismus war in der deutschen Bevölkerung keineswegs so verbreitet und verwurzelt, wie es sich die Faschisten damals wünschten und einige noch heute wünschen. Die meisten Menschen standen den Ausschreitungen ablehnend gegenüber, verhielten sich aber passiv. Dies war jedoch nach fünf Jahren faschistischer Terrorherrschaft nicht groß verwunderlich.

Heute wissen wir, dass die angerückte SA sehr häufig aus Auswärtigen bestand. Sie wurden aus völlig anderen Städten und Regionen herbeigekarrt, um gezielt und vorbereitet ihre Schreckenstaten zu begehen. Daraus zeigt sich besonders klar: Die Reichspogromnacht war keine Tat des Volkes, kein „spontaner Volkszorn“, wie Reichspropagandaminister Joseph Goebbels verlautbarte. Sie war eine staatliche Aktion, eine Inszenierung – geplant von der faschistischen Regierung. Wer in den deutschen Genen ein Antisemitismus-Gen sucht, wird vergeblich suchen und ist der Rassenideologie der Faschisten auf den Leim gegangen.

Aber wieso dann das alles?

Die Juden waren für die Regierung unter Hitler von Anfang an Ziel der Hetze. Schon in den 1920er Jahren benutzte die NSDAP die Juden als fiktiven Sündenbock für jedes reale kapitalistische Übel. Damit sollten die Arbeiter, die im Kapitalismus ihren Gegner erkannten, verwirrt und politisch ruhig gestellt werden. Ihr berechtigter Zorn auf das Kapital sollte auf vermeintliches „jüdisches Kapital“ kanalisiert werden. Gleichzeitig wurde damit die Spaltung der Arbeiterklasse betrieben. 

Denn den jüdischen und deutschen ArbeiterInnen sollte auf diese Weise erschwert werden, ihre Gemeinsamkeit zu erkennen. Darüber hinaus war das Pogrom ein wichtiger Schritt für die Arisierung – also den Raub jüdischen Eigentums und dessen Übergabe an den deutschen Staat bzw. „arische“ Besitzer. 

Am 12. November 1938 wurde die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“beschlossen. Damit wurde die Arisierung in Gesetzesform gegossen – drei Tage nach der Hinmetzelung von Jüdinnen und Juden. Bei diesem Verbrechen half u. a. ein gewisser Friedrich Flick – Großkapitalist unter Hitler und später in der BRD der 50er Jahre wieder einer der reichsten Unternehmer.

Was sollen wir tun?

Wir wollen an all den Jüdinnen und Juden gedenken, die unter dem Faschismus gelitten haben und den Tod fanden. 

Aber wir wollen auch all den anderen Opfern des faschistischen Mordens gedenken. Daraus geht dreierlei hervor:

  1. Auch all den gefallenen KämpferInnen gegen dieses bestialische System gehört unser Gedenken. Sie sind uns Vorbild im Kampf gegen ein neues 1933.
  2. Auch all den Opfern des faschistischen Mordens unserer Gegenwart gedenken wir. Sie sind uns Mahnung, dass die Geschichte sich wiederholt, wenn wir nicht aus ihr lernen.
  3. Wir dürfen nicht beim Gedenken verharren. Wir müssen selbst aktiv werden, um Krieg und Faschismus nie wieder möglich zu machen! – Denn: Gedenken heißt kämpfen!

In Gedenken an alle Opfer des Faschismus sagen wir deshalb:

Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

„Hoch die internationale Solidarität!“

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