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Spendet für Gaza! Ein Aufruf und eine Kritik

Die humanitäre Situation im Gazastreifen ist katastrophal: Seit Oktober wurden durch das zionistische Kolonialregime offiziell über 30.000 Palästinenser ermordet, die Dunkelziffer dürfte noch weit höher sein. In den nächsten Wochen könnten die Todeszahlen noch drastisch steigen, und zwar aufgrund des systematischen Aushungerns der Bevölkerung in Gaza durch Israel. Der Internationale Gerichtshof  (IGH) stellte Ende März fest, dass „die Hungersnot bereits begonnen hat“.i Der UN-Sonderberichterstatter Michael Fakhri betonte zudem, dass diese Hungersnot vorsätzlich von Israel verursacht wird.ii Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass zuletzt einige Lebensmittel in den zuvor besonders stark betroffenen Norden des Gazastreifens gelangten. Denn auch wenn die meisten Menschen dort seit Kurzem wieder an Grundnahrungsmittel kommen können, trifft dies weder auf Medikamente noch auf Treibstoff zu.iii

Kritik der humanitären Hilfe

Um die Situation in Palästina tatsächlich etwas zu verbessern, braucht es finanzielle Unterstützung. Damit verbinden die meisten Menschen zunächst Spenden für humanitäre Hilfe, und das ist auch richtig. Allerdings handelt es sich beim Spenden häufig um eine Ersatzhandlung, um zu kompensieren, dass man nicht politisch kämpft und die Probleme an den Wurzeln anpackt. Besonders problematisch wird das Spenden allerdings – unabhängig davon, ob man es statt oder zusätzlich zum politischen Kampf praktiziert – dann, wenn man sich nicht damit auseinandersetzt, wofür und an wen man eigentlich spendet. Immer nach dem Motto: „Hauptsache man tut irgendwas!“ Beziehngsweise: „Besser als nichts!“

Zunächst muss man in Bezug auf den Gazastreifen nämlich verstehen, dass das Problem der Menschen dort nicht ist, dass weltweit zu wenig für sie gespendet würde. Ihr Problem ist, dass diese Spenden aufgrund der See- und Landblockade Israels und Ägyptens nicht zu den Menschen gelangt. Unzählige Spenden vergammeln in den LKWs, die in der Sonne auf dem Sinai am Grenzübergang Rafah warten und nicht eingelassen werden. Dasselbe gilt für die, die über das Meer oder gar über Israel kommen sollen. Sprich: Israel entscheidet, was in den Gazastreifen gelassen wird und was nicht. Das gilt auch für jene Hilfslieferungen, die aus der Luft abgeworfen werden, die nicht nur lebensgefährlich für die Menschen,ivsondern zugleich auch eine billige Charity-Propagandashow etwa für das jordanische Regime sind.

Derweil ist das zionistische Regime bemüht, mittels seiner – mittlerweile widerlegten – Propaganda-Kampagne gegen die UNRWAv auf der einen und Massakern und gezielten Morden auf der anderen Seite die UNO, private NGOs, lokale Volkskomitees, Familienverbände und die Beamtenschaft in Gaza daran zu hindern, humanitäre Hilfe zu leisten.vi So stellte zuletzt die Organisation World Central Kitchen (WCK) ihre Arbeit im Gazastreifen ein, nachdem sechs ihrer Mitarbeiter gezielt von der zionistischen Luftwaffe ermordet wurden.vii

Es stellt sich also zunächst die Frage, ob oder wie die Organisationen, an die man spendet, überhaupt Nahrung, Medikamente, Treibstoff etc. in den Gaza-Streifen hineinbringen. Anschließend stellt sich die Frage, wie es verteilt wird. Dafür gibt es meist zwei Möglichkeiten: Entweder wird es blind verteilt bzw. abgeworfen. Dann läuft der Verteilungskampf nach dem Motto: Die Stärksten (oder Schnellsten) überleben. Kinder, Alte, Kranke und Versehrte ohne Angehörige haben kaum eine Chance. Oder aber die Lieferungen werden von den Hilfsorganisationen verkauft, um überhaupt irgendeine Form der Verteilung zu gewährleisten, wobei die, die weniger oder gar kein Geld haben im Nachteil sind.

Andere Formen der Spenden landen bei den Menschen in Form von Geldüberweisungen, wobei meist direkt ein großer Anteil bei den Überweisungsdienstleistern bleibt. Dabei muss man sich zunächst klar machen, dass dieses Geld den Menschen dabei hilft, sich die notwendigen Lebensmittel meist auf dem Schwarzmarkt zu kaufen, und zwar zu völlig überteuerten Preisen. Diese Spenden sind einerseits notwendig, befeuern aber andererseits das System des Hortens, des Wuchers und der Monopolisierung. Hinzu kommt die Frage, an wen das Geld konkret geht: Menschen mit Verwandten oder Freunden im Ausland erhalten häufig private Überweisungen. Aber auch die NGOs müssen sich auf Leute vor Ort stützen, die wiederum selbst in Gaza leben und dort meist auch Angehörige haben. Dass dabei Korruption und Vetternwirtschaft blühen, weil man geneigt ist, dem eigenen Umfeld zu helfen, ist nur logisch. Weil die offiziellen Geldwechselstuben mittlerweile von Israel zerstört sind, hat eine regelrechte „Transaktionsmafia“ das Geschäft der Bargeldausgabe übernommen, die große Teile der Überweisungen einstreicht. Zu alledem kommt noch die Tatsache, dass das Bargeld mittlerweile so rar und so stark monopolisiert ist, dass die ohnehin schon wegen der Lebensmittelknappheit starke Inflation immer weiter und schneller wächst.

Daneben gibt es zahlreiche private Sammelaktionen, um Menschen – meist Angehörige, Kinder, Alte, Kranke – aus dem Gazastreifen herauszuholen. Auch hier sind die Preise seit Beginn des Genozids in die Höhe geschossen und betragen mittlerweile mehrere Tausend Euro pro Person. Auch diese Aktionen sind wichtig, denn es geht um Menschenleben. Auf der anderen Seite ist es natürlich Israels Ziel, so viele Menschen wie möglich aus Gaza zu vertreiben und die Flucht ist nur der bittere Ersatz für ein sofortiges Ende der Massaker, der Zerstörungen und der raschen flächendeckenden Hilfe und des Wiederaufbaus.

Was es braucht: „10 Euro für den palästinensischen Widerstand“

Es steht außer Frage, dass die Versorgung mit Hilfsgütern für die Bevölkerung im Gazastreifen eine Grundbedingung für das Überleben und damit weitere Widersetzen gegen den akuten Völkermord und darüber hinaus den Siedlerkolonialismus in Palästina ist. Dennoch braucht es für den Widerstand mehr als das: Es braucht auch die finanzielle Unterstützung für alle Teile der Befreiungsbewegung. Denn der aktuelle Genozid im Gazastreifen ist nur die Fortsetzung und Zuspitzung des langanhaltenden, in den meisten Phasen schleichenden Völkermords an den Palästinensern, der von der zionistischen Bewegung seit 1947 durchgeführt wird. Und diese Vernichtung der Ureinwohner Palästinas durch den zionistischen Siedlerkolonialismus kann nur aufgehalten werden, wenn der palästinensische Widerstand in all seinen Formen stark bleibt bzw. noch stärker wird. 

Zum Glück hat der palästinensische Widerstand einige wichtige ausländische Unterstützer und Geldgeber, vor allem den Iran.viii Aber als internationale Bewegung, die solidarisch mit dem palästinensischen Befreiungskampf ist, ist es auch unsere Aufgabe, den politischen Freiheitskampf der Palästinenser aktiv und effizient zu unterstützen. Dazu gehört neben Solidaritätsbekundungen, Protesten und Aufklärungsarbeit traditionell vor allem der Kampf gegen die Unterstützung des Kolonialismus durch unsere eigene herrschende Klasse, also: politischer Druck und im besten Fall Streiks und/oder Sabotage-Aktionen gegen Waffenlieferungen etc. Aber auch finanzielle Hilfe für die antikoloniale Befreiungsbewegung gehört ins Repertoire der internationalen Solidarität. In der BRD gab es beispielsweise die Aktion „Waffen für El Salvador“ix und die Kampagne „10 Euro für den irakischen Widerstand“.x Beide lösten Proteste der Herrschenden aus, aber beide wurden nicht unterbunden.xi

In Sachen Palästina sähe das anders aus: Angesichts der massiven Repression gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung, die spätestens seit Oktober offen gegen das Grundgesetz verstößt, können wir uns lebhaft vorstellen, was jedem blühen würde, der offen Geld für den palästinensischen Widerstand Geld sammeln wollte. Hinzu kommt, dass fast alle palästinensischen Widerstandsorganisationen auf der EU-Terrorliste stehen. Das vom deutschen Innenministerium verhängte Betätigungsverbot der Hamas kam im November noch erschwerend hinzu. Die Razzien gegen vermeintliche Hisbollah-Vorfeldstrukturenxii im Jahr 2014 führen uns außerdem vor Augen, dass das verdeckte Spenden-Sammeln für Widerstandsorganisationen nicht leicht ist. Die Risiken angesichts von Paragraphen wie dem §129 b StGB sind zugleich sehr hoch.

Daher halten wir es für eine politisch wichtige Aufgabe, für die Legalisierung des palästinensischen Widerstands zu kämpfen, an deren Ende nicht zuletzt die Möglichkeit stünde, legal Gelder für diesen Widerstand zu sammeln.

Spendenaufrufe

Dieser Kampf aber wird nicht nur schwer, sondern auch langwierig. Auch deshalb ersetzt er nicht die Notwendigkeit der humanitären Soforthilfe für Gaza. Wir teilen daher Nachfolgend drei ausgewählte Spendenaufrufe. Der erste stammt von unseren Genossen der Palästinensische Kommunistischen Partei, die über ihre Leute vor Ort humanitäre Hilfe leistet. Der zweite Aufruf stammt von der SDAJ, die Gelder für die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP), die einzige in der EU legale palästinensische Widerstandsfraktion, sammelt. Der dritte ist für die Gaza Flotilla, die in Kürze aufbrechen soll, um die zionistische Seeblockade gegen Gaza zu durchbrechen und humanitäre Hilfsgüter zu liefern.

Spendenaufruf der Palästinensischen Kommunistischen Partei:

„Die Palästinensische Kommunistische Partei setzt ihre  Spendensammelaktion fort

Wir arbeiten daran, die Grundbedürfnisse der Betroffenen im Gazastreifen zu decken. Bei unserer letzten Kampagne konnten wir mit den Spenden, die wir von Ihnen erhalten haben, einige Lebensmittelpakete bereitstellen und einige Bargeldbeträge für die Kosten ihrer Unterkunft oder für ihre Bedürfnisse bezahlen. Heute sind wir wieder aktiv. Wir wollen eine neue Bevölkerungsgruppe und neue Menschen erreichen, die Hilfe brauchen.“

Zum Spenden einfach auf die Überschrift klicken oder per PayPal an: palcp1917@gmail.com

Spendenaufruf der SDAJ für die DFLP:

„Die humanitäre Lage in Gaza ist weiterhin katastrophal:

Millionen wurden vertrieben und sind Opfer von Bombardierungen und der Bodenoffensive. Krankenhäuser und andere humanitäre Einrichtungen wurden zerstört und nur wenige sind übrig geblieben. Wohltätige Organisationen können kaum noch operieren und die Zufahrt von Hilfsgütern wird weiterhin durch Israel reglementiert. Es gibt viel zu wenig, um der Lage auch nur annähernd gerecht zu werden und trotzdem können und müssen wir helfen.

Eine linke fortschrittliche Organisation des palästinensischen Befreiungskampfes, die DFLP (Demokratische Front für die Befreiung Palästinas), leistet vor Ort Hilfe. Gerade arbeitet sie daran, verschiedene Güter in das Kriegsgebiet zu importieren, um die Menschen mit Lebensnotwendigem zu versorgen.

Die DFLP hat uns um dringende Unterstützung gebeten. Wir rufen deshalb zu einer Spendensammlung auf!

Wir möchten mit unserem erklärten Spendenziel von 750 Dollar (678 Euro) dazu beitragen, dass die humanitäre Hilfe der DFLP vor Ort weiter gehen kann – jeder weitere Cent kommt ebenfalls der DFLP zugute.

Wir Freuen uns über jeden Beitrag der den Menschen in Gaza zu Hilfe kommt. 

Hoch die internationale Solidarität!

Überweisungen mit dem Stichwort „Solidarität Gaza“ an:

DKP-Parteivorstand:

GLS-Bank

BIC: GENODEM1GLS 

IBAN:DE63 4306 0967 4002 4875 01“

Spenden für die Gaza Freedom Flotilla:

Die Freedom Flotilla Coalition (FFC) umfasst zahlreiche internationale Palästina-Solidaritätsorganisationen. Das Ziel der Flotilla ist es, mit mehren Schiffen von Istanbul aus nach Gaza zu fahren, die völkerrechtswidrige Seeblockade zu durchbrechen und die 5.500 Tonnen humanitäre Hilfe an Board zu den Menschen im Gazastreifen zu bringen. Sollte es ihr gelingen, wäre der politische Sieg allerdings noch größer als der unmittelbare humanitäre Hilfsakt. 2010 wurden beim letzten Durchbruchversuch der Flotillazehn türkische Aktivisten von der israelischen Armee massakriert.

i https://occupiednews.com/igh-weist-israel-an-hungersnot-in-gaza-zu-beenden/

ii https://occupiednews.com/un-experte-israel-plant-hungersnot-in-gaza/

iii https://t.me/occupiednews/1471

iv https://taz.de/Humanitaere-Hilfe-fuer-Gaza/!5999177/#:~:text=Lufthilfen%20sind%20ineffektiv%2C%20teuer%20und,Spektakel%20mit%20der%20dazugehörigen%20Machtdemonstration

v https://www.jungewelt.de/artikel/473927.krieg-gegen-gaza-keine-beweise-gegen-unrwa.html

vi https://occupiednews.com/israels-versuch-un-zu-umgehen-verschlimmert-lage-in-gaza/

vii https://www.jungewelt.de/artikel/472570.krieg-gegen-gaza-helfer-gezielt-ausgeschaltet.html

viii https://kommunistische-organisation.de/artikel/15-gaengige-mythen-ueber-die-hamas-und-wieso-wir-gegen-ihr-verbot-kaempfen-muessen/#mythos-13-die-hamas-ist-eine-marionette-des-iran

ix https://taz.de/Waffen-fuer-El-Salvador/!1686383/

x https://www.antiimperialista.org/de/node/3305

xi Die Kampagne „Waffen für Rojava“ hatte einen anderen Charakter, da parallel zu dieser Kampagne der linksradikalen Szene in Deutschland der Schulterschluss zwischen YPG und USA/NATO stattfand.

xii https://www.spiegel.de/politik/deutschland/polizei-startet-razzia-gegen-hisbollah-unterstuetzer-in-deutschland-a-963176.html

Aktuelles

Palästina und die DDR – Befreiungskampf als Staatsräson?

Während in der BRD die bedingungslose Unterstützung Israels als „Ersatz- Antifaschismus" spätestens ab 1952 zunehmend zur „Staatsräson" wurde, erkannten sich die DDR und Israel bis zur Konterrevolution 1989/90 nicht gegenseitig an. Stattdessen wurde die DDR zu einem wichtigen Alliierten der palästinensischen Befreiungsbewegung.

Interview: „The crisis in Germany“

Two of our comrades were guests on the Marx, Engels, Lenin Institute podcast to discuss the current political and economic situation in Germany. Starting with the end of the ‘Ampel’ coalition government, and moving on to an assessment of the AfD and BSW and the development of the German economy, we talk about topics and issues that continue to cause controversy and raise questions within the left-wing and communist movement in Germany.