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Zeitungseditorial: Krieg, Imperialismus und die Kommunistische Bewegung

Der Kommunismus-Kongress will Standpunkten auf den Zahn fühlen und die Diskussion voranbringen

Die Außenministerin ruft: „Russland muss ruiniert werden!“ und „die Deutschen werden kriegsmüde!“ Die Vertreter der Herrschenden verlangen nach mehr Führung, nach mehr Krieg, nach mehr Weltmachtrolle. Und setzen es in die Tat um.

Und die Kommunisten diskutieren?
 
Tatsächlich darf die Diskussion nicht der Diskussion wegen geführt werden. Es geht darum, sie zu verändern, die Welt. Aber dafür müssen wir sie verstehen. Deshalb wollen wir eine Bühne für die wissenschaftliche Debatte eröffnen und durch Austausch, Prüfen und Vertiefen von Argumenten um Klarheit ringen. Es geht uns auf dem Kommunismus-Kongress darum, die wichtigsten und wesentlichsten Punkte der aktuellen Debatte aufzugreifen und diese zu bearbeiten.
 
Es gehen größere Ereignisse vor sich. Damit ist nicht die „Zeitenwende“ von Kanzler Scholz gemeint, der damit die Offensive seiner Regierung meint – Aufrüstung, Sozialabbau und Wirtschafts- und Stellvertreterkrieg gegen Russland. Das meiste davon war schon lange geplant und offen angekündigt. Von historischer Bedeutung ist, wie sich die Kräfte gegen diese Aggressoren aufstellen, wie die kämpfenden Massen und Organisationen die nächsten Schritte abwägen und mit welchen Widersprüchen sie konfrontiert sind. Und dazu gehört auch, wie sie die ganz konkreten Verhältnisse, in die sie verwickelt sind, verstehen und begreifen.
 
Der Dissens in der internationalen kommunistischen Bewegung ist recht groß und tiefgreifend, die Diskussion wird aber selten offen geführt. Vielleicht gibt es dafür manchmal nachvollziehbare Gründe. Aber es muss einen Raum und einen Rahmen geben, wo die strittigen Fragen systematisch angepackt werden. Auf dem Kommunismus-Kongress sollen Vertreter mit verschiedenen Positionen präsent sein und ihre Einschätzung zur aktuellen Lage mit uns teilen.

Wenn wir auf dem Kommunismus-Kongress verschiedene Positionen diskutieren, geht es nicht darum, nur munter zu streiten, und auch nicht darum, alle Standpunkte nur nebeneinander zu stellen. Die Diskussion soll dazu dienen, die neuralgischen Punkte besser herauszuschälen, die Punkte zu bestimmen, an denen weiter gearbeitet werden muss.
 
Es geht nicht um abstrakte Lehrweisheiten, sondern darum, wie sich zu Krieg und Imperialismus aufzustellen ist, welches die richtige Analyse und die richtige Losung ist. Das ist aber kein Gegensatz zur Theorie – es kommt darauf an, sie richtig anzuwenden und zu durchdringen. Die Herausforderung ist, genau sagen zu können: Das sind die Widersprüche und das ist nun zu tun! Weltweit werden dabei gerade wichtige Erfahrungen gesammelt, Probleme reflektiert und Schlüsse gezogen.

Wir wollen versuchen, verschiedene Erfahrungen und Positionen auf den Kongress zu holen und fruchtbar zu machen. Wir sehen bei uns und in der Debatte Mängel der Wissenschaftlichkeit und Fragen der Methoden und Herangehensweise. Wir wollen etwas dazu beitragen, den Mangel an Wissenschaftlichkeit zu überwinden, um uns in diesem Prozess weiter nach vorn zu bewegen und der Arbeiterklasse richtige Antworten zu liefern.
 
Die Geschichte der Arbeiterbewegung zeigt uns, wie notwendig eine intensive Debatte um die Verhältnisse und die ideologischen Grundlagen unserer Weltanschauung ist. Die Bolschewiki beschritten über Jahre einen solchen Weg in der Auseinandersetzung mit den Menschewiki um Ideologie und revolutionäre Strategie und Taktik. Weil sie genauer und näher an den tatsächlichen Veränderungen waren, konnten sie gewinnen. Aber auch weil sie umfassender und in diesem Sinne allgemeiner – mit dem Blick für das Ziel – an die Fragen herangegangen sind und schließlich beides richtig miteinander verbinden konnten.
 
Die Bewegung befindet sich seit der Konterrevolution 1989/91 in einer Krise. Diese zeichnet sich durch verschiedene Formen des Revisionismus und Opportunismus aus. Ideologische Verwirrung, diverse Strömungen und die dazugehörigen Organisationen und Parteien sind Ausdruck davon. Der Kampf gegen Revisionismus und Opportunismus ist aber nur durch hartnäckige Arbeit und Selbstkritik möglich. Also einmal tief durchatmen, das Kampffeld abstecken und gemeinsam Richtung revolutionäre Einheit schreiten!
 
Ein solcher Klärungsprozess ist nichts Abgesondertes von der wirklichen Bewegung und auch nicht von uns selbst, er bestimmt unsere Aufgaben. Er wird auch nicht in kurzer Zeit abzuhandeln sein. Ein Blick in die Welt zeigt, dass wir unsere Vorstellungen, von dem was geschieht, schärfen müssen und die verschiedenen Einordnungen und Interpretationen der Vorgänge besser verstehen sollten.

Wir versuchen im Moment, die verschiedenen Positionen der kommunistischen Bewegung zu erfassen, erste Ergebnisse und Eindrücke wollen wir auf dem Kommunismus-Kongress sichtbar machen. In der aktuellen Phase unseres Prozesses geht es vor allem darum, Lücken zu erkennen, Fragen und Dissense sachlich zu beschreiben und Transparenz zu schaffen. Wie werden Thesen aufgestellt, Standpunkte eingenommen, Theorien hergeleitet und in der Praxis umgesetzt?
 
Im nächsten Schritt müssen die Einschätzungen und Positionen einer wissenschaftlichen Prüfung unterzogen werden. Entsprechen sie den Tatsachen? Sind sie genau genug vorgegangen? Haben sie wesentliche Beziehungen übersehen? Haben sie Grundlegendes über Bord geworfen oder haben sie es zu starr aufgefasst? Weiter geht es darum, zu hinterfragen und zu betrachten, wie die jeweiligen Akteure der Weltgeschichte und die Kräfte der verschiedenen Länder die aktuelle Lage bewerten und sich zu ihr in ein bestimmtes Verhältnis setzen. Durch welche Umstände sind sie bestimmt?
 
Es ist klar, dass eine solche Aufgabe letztlich nur durch eine koordinierte Aktion mehrerer Kräfte gelingen wird. Im Moment stellt sich die kommunistische Bewegung eher als eine Sammlung verschiedener Standpunkte dar – mal mehr, mal weniger isoliert voneinander. Zum Teil erscheint es, als habe jeder für sich seine richtige Antwort und grenze sich von den anderen Teilen ab.
 
Die Ereignisse und die Kämpfe zwingen uns, diesen Zustand zu überwinden und zu einer Verständigung, zu einem Prozess zu kommen, der nicht Beliebigkeit bedeutet, sondern wissenschaftliche Gründlichkeit und umfassenden Blick, damit wir uns in die Lage versetzen, sagen zu können, was die nächsten Schritte zum Ziel Sozialismus sind.


Unsere zweite Ausgabe der Kommunismus Kongress-Zeitung liegt druckfrisch vor. Die 12 Seiten sind vor allem mit einer Vorstellung der Workshops und Podien des Kongresses gefüllt. Hier findet ihr eine Übersicht über unsere Ortsgruppen bei denen ihr auch vor dem Kongress ein Exemplar bekommen könnt.

Aktuelles

Vortrag zur Geschichte des Zionismus

Im Oktober hielten wir als KO in Leipzig im Rahmen der Aktionswoche des Kufiya-Netzwerks einen Vortrag zur Geschichte des Zionismus. Der Vortrag soll einen Einstieg in das Thema leisten und gibt Argumentationshilfen für die politische Auseinandersetzung an die Hand.

Lenin und seine Imperialismus-Broschüre

Paul Oswald setzt sich im folgenden Beitrag mit Teilen des Quellenmaterials von Lenins Imperialismus-Broschüre auseinander. Anhand eines vergleichenden Blicks zwischen Lenins Broschüre und vorangegangenen theoretischen Auseinandersetzungen innerhalb der Arbeiterbewegung sowie der bürgerlichen Wissenschaft wird das Alleinstellungsmerkmal von Lenins Untersuchung herausgearbeitet. Durch diesen Vergleich wird insbesondere Lenins Entwicklung des Begriffs des Imperialismus aufgezeigt und damit ein Zugang zur Imperialismus-Broschüre eröffnet wird, der in der Debatte unterrepräsentiert ist.