Zur Veranstaltungsreihe „Good bye Stalin?!“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat 2023 in Leipzig die Veranstaltungsreihe „Good bye Stalin?! Wider den autoritären Kommunismus.“ gestartet. Diese hetzte nicht nur gegen kommunistische Organisationen wie uns als Kommunistische Organisation oder den Kommunistischen Aufbau, sondern auch gegen die Geschichte der DDR und Sowjetunion. Das selbst gesteckte Ziel der Reihe sei „eine wirkliche Alternative zum heutigen Kapitalismus, aber eben auch zum untergegangenen „real existierenden Sozialismus“. Was damit konkret gemeint ist, wurde dann spätestens bei der letzten Veranstaltung „Der Verräter, Stalin, bist Du!“ vergangene Woche deutlich: die Einreihung der Linken in die Zeitenwende-Politik. Notwendig erscheint das den Veranstaltern angesichts der Präsenz von politischen Gruppen in der Stadt, „deren Auftreten wie Äußerungen sich kommunistisch, klassenkämpferisch, proletarisch geben und sich dabei positiv auf historische Personen, Organisationen und Systeme beziehen“1. Was hier etwas vernebelt umschrieben wird, heißt im Klartext: Die Antideutschen sehen in Leipzig ihre Felle davonschwimmen.
Die Leipziger Antideutschen in der Krise
Während Leipzig vor einigen Jahren noch als Hochburg der Antideutschen galt und antideutsche Veranstaltungen und Demonstrationen das politische Stadtgeschehen dominierten, hat sich mit der Etablierung von kommunistischen und roten Gruppen sowie einer aktiven Palästina-solidarischen Bewegung das Kräfteverhältnis verändert. Jetzt sind die IDF-T-Shirt-Aktivisten zwar noch in Institutionen anzutreffen, sei es im DGB, in der Linkspartei oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung – die Nachwuchsrekrutierung gestaltet sich aber scheinbar zunehmend schwerer.
Die Mittel, die die Antideutschen zum Umgang mit ihrer Krise anwenden, sind vielfältig: Nachdem die wenigen Versuche, auf die Straße für Israel und seinen Völkermord zu mobilisieren, peinlich gescheitert waren2 und auch die alte Hegemonie an der Uni zunehmend wackelte3, wurde versucht, Palästina-solidarische Orte und Aktivisten physisch anzugreifen und einzuschüchtern.4
Ein weiterer Versuch sind Angebote an die linksliberale Szene, um sich dort weiterhin eine gewisse Stellung zu sichern. So auch die Veranstaltungsreihe „Good bye Stalin?!“, deren Hauptinhalt antikommunistische, antisowjetische und Anti-DDR-Propaganda ist und die sich nahtlos in die Kriegsmobilisierung gegen Russland einfügt. Die Beteiligung der Rosa-Luxemburg-Stiftung an der ideologischen Front gegen Russland sollte nicht mehr verwundern. Ebenso wenig die Beteiligung des Parteibüros linxxnet von Juliane Nagel. Dieses gewährt schließlich auch Akteuren wie LA-PRESSE-ORG seine Räumlichkeiten, die vor zweieinhalb Jahren eine Ausstellung organisierten, in der der politische Arm des faschistischen Asow-Regiments als Vorbild eines „positiven Nationalismus“ beworben wurde.
Eine neue Stufe ist jedoch die Beteiligung der Leipziger Ortsgruppe der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) an der letzten Veranstaltung, deren Hauptinhalt die Relativierung des deutschen Faschismus war. Die Ausrichtung der VVN-BdA ist schon länger umstritten und ein sicherlich nicht unbedeutender Faktor für diese Negativentwicklung ist die Wahl der ehemaligen Linken-Politikern Kerstin Köditz zur Landessprecherin der Vereinigung in Sachsen. Diese machte bereits im letzten März auf sich aufmerksam, indem sie ein Verbot der Leipziger Palästina-Gruppe Handala forderte.5
„Am neuen deutschen Wesen soll Europa genesen“
Die Zeiten für antikommunistische und antisowjetische Propaganda sind so günstig wie lange nicht mehr: Deutschland wird militärisch und ideologisch in Rekordtempo aufgerüstet, das erklärte Kriegsziel heißt Russland. Dieser Kriegsvorbereitung stehen jedoch die Erinnerung an den deutschen Vernichtungskrieg in der Sowjetunion sowie die Alleinschuld des deutschen Imperialismus am Zweiten Weltkrieg störend im Weg. Diese müssen daher beseitigt, verdreht oder relativiert werden.
Das funktioniert über folgende Erzählung: Deutschland trage nicht die Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg, sondern teile sich diese mit der Sowjetunion. Im Gegensatz zu Russland habe Deutschland diese eigene Geschichte des Weltherrschaftsstrebens und der Aggression aber überwunden. Aufgrund seiner faschistischen Vergangenheit sei es also prädestiniert dafür, „Faschismus“ bzw. „autoritäre Systeme“ zu erkennen und zu bekämpfen. Daraus erwachse schließlich die historische und moralische Verantwortung des neuen, demokratischen Deutschlands, das heutige autoritäre Russland in die Schranken zu weisen – auch mit Krieg. Diese geschichtsrevisionistische Betrachtung ist mittlerweile auch EU-Konsens. 2019 wurde eine EU-Resolution auf den Weg gebracht, die das ideologische Werkzeug für diese revanchistische Politik bietet.6
Geschichtsrevisionismus, gefördert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Genau an diese Resolution und den darin enthaltenen Geschichtsrevisionismus knüpfte die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen mit ihrer letzten Veranstaltung „Der Verräter, Stalin, bist Du!“ am 26. November an. Die Lesung setzte sich laut Ankündigungstext zum Ziel, die „Pervertierung des Antifaschismus“ durch die „deutsch-russische Zusammenarbeit 1939-1941“ aufzuzeigen. In der ursprünglichen Ankündigung hieß es in geschichtsrevisionistischer Manier, eben diese Zusammenarbeit „brachte den Zweiten Weltkrieg hervor“.7 Dass dies selbst den zugeneigten Lesern offenbar zu viel war, offenbart der Hinweis auf der Internetseite, man habe nach Feedback und Kritik nun den Ankündigungstext überarbeitet.8 Dort findet sich nun als Ursache des Zweiten Weltkrieges die „rassenideologisch begründete Raub- und Vernichtungspolitik des deutschen Faschismus“. Ein Zitat von Bertolt Brecht am Rand des Textes suggeriert jedoch weiterhin, die Sowjetunion unter Stalin hätte an der Seite Hitlers gestanden – eine in Anbetracht der hinlänglichen bekannten Haltung Brechts wohl absichtlich dessen Aussage verdrehende Verwendung. Entsprechend sah sich die Moderatorin zu Beginn der Veranstaltung dazu gezwungen, sich dafür zu entschuldigen, dass diese Alleinschuld Hitlerdeutschlands zunächst eventuell missverständlich kommuniziert worden sei. Dass es diese Beteuerung brauchte, zeigte dann die Veranstaltung selbst.
Der als Referent eingeladene „Kommunismusforscher“ Bernhard Bayerlein sowie die beiden anderen Lesenden versuchten, während der Lesung mit Zitaten und Dokumenten herauszustellen, dass Nazideutschland den Zweiten Weltkrieg angeblich nicht vom Zaun gebrochen hätte, wenn es den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag nicht gegeben hätte. Es sei also die Sowjetunion, respektive Stalin höchstpersönlich, der eine Mitschuld am faschistischen Raubzug trage. Motive „beider Diktatoren“, so der Historiker, seien es gewesen, ganz Europa zu erobern. In diesem Sinne hätten sie am 23. August 1939 ihren Pakt geschlossen. Dieser habe es durch die darin verabredeten Wirtschafts- und Handelsbeziehungen Deutschland ermöglicht, seinen Feldzug gegen Polen zu beginnen. Ohne diese Vereinbarung, so Bayerlein, hätte Deutschland Polen nicht angegriffen. Der Pakt sei letzten Endes, neben den persönlichen Machtinteressen Stalins, auch als Abkommen zwischen zwei aggressiven Systemen, dem deutschen Faschismus und der, so die Moderation, „nationalistischen Sowjetunion“, zu sehen. Beide hätten sich gemeinsam den Griff nach der Weltmacht zum Ziel gesetzt.
In der anschließenden Diskussion fanden sich einige Befürworter der von der Bühne vorgelebten Geschichtsklitterung. Auf die Spitze trieb es ein junger Mann im Publikum. Nachdem ein Vorredner argumentiert hatte, ohne den Pakt als Voraussetzung für den Sieg über Hitlerdeutschland hätte es auch keine Befreiung der Konzentrationslager gegeben, behauptete dieser, dass es Konzentrationslager in Polen ohne den Vertragsschluss 1939 überhaupt nicht gegeben hätte. Dass also logisch weitergedacht nun die Sowjetunion mitschuldig am Aufbau der Konzentrationslager sein soll, dürfte selbst im „Zeitenwende“-Deutschland eine neue Qualität des Geschichtsrevisionismus darstellen.
Es meldeten sich jedoch auch Einzelstimmen zu Wort, die diese Veranstaltung als das kritisierten, was sie war: eine geschichtsrevisionistische Relativierung der Alleinschuld des deutschen Faschismus am Zweiten Weltkrieg. Mehrere Redner wiesen darauf hin, dass in der Veranstaltung das Bemühen der Sowjetunion um eine Anti-Hitlerkoalition mit den Westalliierten verschwiegen wurde. Ebendiese Westmächte lehnten ein solches Bündnis aber unter anderem wegen ihrer eigenen Appeasementpolitik gegenüber Hitler ab. Außerdem hatte die Sowjetunion durch den Pakt Zeit gewonnen, um die militärischen Produktionskapazitäten bedeutend zu steigern und tendenziell von der Westgrenze ins Landesinnere zu verlagern. Ohne diese Maßnahmen wäre der spätere Sieg über den Nazifaschismus nicht möglich gewesen. Diese Ausführungen wurden von den Veranstaltern mit der Bitte, „keine Co-Referate zu halten“, abmoderiert. Kritisiert wurde aus dem Publikum außerdem, dass eine solche Veranstaltung im Rahmen der Kriegsvorbereitungen gegen Russland stattfindet. In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Relativierung der faschistischen Kriegsverbrechen zugunsten der These, dass die Sowjetunion eine Mitschuld am zweiten Weltkrieg trage. Diese Verdrehung der Tatsachen dient der Rechtfertigung einer neuen deutschen aggressiven Politik gegenüber Russland, die mit Waffenlieferungen und Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen bereits begonnen hat. Auf die empörte Frage der Moderation, wo genau bei dieser Veranstaltung solche Aussagen getroffen wurden, beantwortete dies Bayerlein selbst: Die „vermaledeite deutsch-russische Zusammenarbeit“ müsse endlich abgebrochen werden.
Die letzte Veranstaltung der Reihe „Good bye Stalin?!“ zeigte deutlich, dass die ideologische Kriegsvorbereitung gegen Russland schon lange nicht mehr das alleinige Geschäft der Rechten ist. Die Einreihung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des linxxnet ist, wie bereits gesagt, wenig verwunderlich. Die Beteiligung der VVN-BdA ist jedoch ein weiterer Schritt in der fortschreitenden Zeitwende-Politik. Das sollte jedoch nicht zum Aufgeben der VVN-BdA verleiten, denn sicherlich lehnen viele ihrer Mitglieder diese Entwicklung klar ab. Hier gilt es nun, die Stimme zu erheben und für die eigentlichen Grundsätze der Vereinigung einzutreten.
1https://sachsen.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/NOZ1L/standortbestimmung-autoritaerer-kommunismus-als-ausweg-aus-der-linken-krise
2Es gab mehrere pro-zionistische Demonstrationen, die meist jedoch eher kläglich besucht waren.
3Der StuRa Leipzig lehnte letztes Jahr einen Antrag von antideutschen Kräften ab, der jegliche Arbeit zu Palästina an der Uni hätte verbieten sollen und nahm stattdessen einen Gegenantrag an. https://www.lvz.de/lokales/leipzig/uni-leipzig-streit-um-pro-palaestinensische-aktivisten-F3F4GVB4RNF7NELPXKV2UEDH2I.html
4Zuletzt wurde ein Infostand der Gruppe students for palestine Leipzig angegriffen: https://www.instagram.com/studentsforpalestine.leipzig/
5https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/antisemitismus-straftaten-rechtsextremismus-hamas-polizei-100.html
6Hier lässt sich die EU-Resolution nachlesen: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2019-0021_DE.pdf
7Die ursprüngliche Version ist noch im Web-Archiv zu finden: https://web.archive.org/web/20241114104322/http://neuesschauspielleipzig.de/spielplan/verrater-stalin/date:1732647600
8Hier die überarbeitete Version. Die erste Ankündigung wurde mittlerweile von der Website entfernt: https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/WSVHF