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Hintergründe und Standpunkte zum Wagner-Aufstand

Stellungnahmen und Analysen von KPRF, RKAP und Borotba

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Einleitung

Der Putschversuch der Privatarmee Wagner hat die Hoffnungen des Westens nicht erfüllt – soweit so gut. Der schnelle Vormarsch aus Rostow, das unweit der Ukraine liegt, in Richtung Moskau hat die Gefahr verdeutlicht, die von einer möglichen Stationierung von NATO-Truppen und Raketen in der Ukraine ausgehen würde. Der Putschversuch konnte abgewendet werden, es scheint auch keine größere Unterstützung aus Staatsapparat oder Armee gegeben zu haben.

Viele Fragen, wie es dazu kam und was das über die Verhältnisse in Russland aussagt, stellen sich trotzdem. Wir wollen in diesem kompakten Dossier Positionen in der russischen und ukrainischen kommunistischen Bewegung darstellen. Hervorgehoben werden muss, dass die kommunistischen Kräfte aus beiden Ländern sich einig sind, dass der Putschversuch nicht nur abzulehnen ist, sondern der Kampf gegen Imperialismus und Faschismus einheitlich und konsequent geführt werden muss. Die Erklärungen enthalten interessante Hintergründe zu den politischen Entwicklungen der Russischen Föderation.

Der erste Beitrag ist eine Erklärung des Präsidiums des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF). Die Erklärung ruft das Volk und die Wagner-Kämpfer auf, sich in einer Situation, in der sich Russland im Kampf gegen die drohende Zerstörung durch die NATO und den von ihr aufgebauten Faschismus in der Ukraine befindet, nicht spalten zu lassen, da dies genau der Wille des Westens sei. Sie erinnert daran, dass der Sieg der Roten Armee über den Faschismus gelingen konnte, weil sie eng mit dem Volk verbunden war und lehnt die Schaffung von Privatarmeen strikt ab. Sie betont, „wie wichtig die öffentliche Kontrolle über die Tätigkeit der staatlichen Organe ist.“

Die Russische Kommunistische Arbeiterpartei (RKAP) befasst sich mit den Klassenhintergründen des bürgerlichen Russlands, die in diesem Putsch zum Ausdruck gekommen seien und geht genauer auf Prigoschins Rolle und sein Verhältnis zur Staatsführung ein. Der Putsch und der Verlauf der Speziellen Militäroperation im Allgemeinen würden zeigen, dass der Kampf für die nationale Souveränität und gegen die NATO durch die kapitalistischen Bedingungen in Russland verunmöglicht werden. Der Kampf gegen Faschismus müsse konsequent geführt werden. „Um dieser Zukunft willen ist es heute notwendig, den Sieg des imperialistischen Blocks der USA und der NATO über Russland, die Ukraine und ihre Völker durch den ukrainischen Nazismus zu verhindern. Der Faschismus kann und darf keine Souveränität haben.“

Die Erklärung der ukrainischen Organisation Borotba stammt noch von einem Zeitpunkt vor der Beendigung des Aufstands. Sie führt aus, dass vielen Kritikpunkten Prigoschins an der Durchführung der Speziellen Miliäroperation nicht widersprochen werden könne. Ein damit begründetes „bewaffnetes Abenteurertum“ gegen die russische Führung werde Russland aber in die Niederlage führen. Sie appelliert an die Soldaten: „Genossen! (…) Wir haben nie dazu aufgerufen, Schwierigkeiten zu vertuschen oder die Realität zugunsten der Vorgesetzten zu beschönigen. Wir haben diese Erfahrung genauso gemacht wie ihr. Aber jetzt sind wir davon überzeugt, dass bewaffnetes Abenteurertum nicht zu einer Verbesserung des Systems führen wird, sondern nur zu unserer gemeinsamen Niederlage führen kann. (…) Angesichts der Konfrontation mit dem Imperialismus müssen die inneren Widersprüche friedlich und demokratisch gelöst werden, auf der Grundlage einer breiten öffentlichen Debatte unter Beteiligung des Volkes, und nicht durch Intrigen von oben und persönliche Abenteuer.“

Kommunistische Partei der Russischen Föderation:
Den Faschismus besiegen und nicht der Provokation nachgeben!

Erklärung des Präsidiums des Zentralkomitees der KPRF

https://kurzelinks.de/dp1u

In der Nacht zum 24. Juni haben Vertreter der PMC Wagner die Aktivitäten der Militärleitung in Rostow am Don blockiert und eine Reihe von lautstarken Erklärungen abgegeben. Das blutige Selenskiji-Regime versucht natürlich, diese Situation auszunutzen. Es konzentriert in aller Eile zwei Marineinfanteriebrigaden für eine mögliche Offensive auf Artjomowsk.

In einer schwierigen Zeit des Kampfes gegen den imperialen Westen haben maßlose persönliche Ambitionen für eine Gruppe von Personen Vorrang vor militärischen und patriotischen Pflichten. Diese Leute können jede beliebige Erklärung für ihr Handeln geben, aber die Sache des Kampfes gegen den Faschismus durch den Versuch der Machtergreifung zu ersetzen, ist Verrat an ihren Kampfgenossen und ein Verbrechen am Volk.

In dieser verantwortungsvollen Situation verdient der Aufruf des Präsidenten der Russischen Föderation zur Einheit unserer Mitbürger angesichts der äußeren Bedrohungen Verständnis und Unterstützung. Die Versuche der Globalisten, Russland zu zerstören, bedeuten, dass wir alle Ambitionen zurückstellen und die Heimat verteidigen müssen – so wie unsere Väter und Großväter es verteidigt haben.

Es muss daran erinnert werden, dass die herausragendsten Beispiele für die Einheit des Volkes von der sowjetischen Regierung demonstriert wurden. Sie gab Antworten auf die Bedrohung durch den aufkommenden Faschismus, was das Unterpfand zum großen Sieg im Mai 1945 war. Durch die Überwindung von Klassenunterschieden, die Zusammenführung der Nationen und Nationalitäten der UdSSR und die Überwindung nationalistischer Vorurteile sorgte sie für eine echte nationale Einheit.

Versuche, heute vor dem Hintergrund eines immer komplexeren internationalen Umfelds politische Auseinandersetzungen zu inszenieren, sind inakzeptabel. Darüber hinaus sind sie eine Beleidigung für unser Volk, das sich aktiv, aufrichtig und selbstlos an der großen und vielseitigen Aufgabe beteiligt hat, denen zu helfen, die unter Einsatz ihres Lebens zum Kampf gegen den Faschismus aufgestanden sind.

Die Kommunisten hatten wiederholt davor gewarnt, dass die neoliberalen Methoden für Russland in allen Bereichen schädlich sind, sei es in der Wirtschaft oder in der Kultur, im sozialen Leben oder beim Aufbau der militärischen Strukturen. Das System der privaten Militärunternehmen ist ein Produkt der liberalen Ansichten über die Organisation der Gesellschaft. Ungeachtet des Heldentums und der Aufopferung der Wagner-Soldaten im Kampf gegen den Nazismus ist die Organisation der militärischen Angelegenheiten nach den Prinzipien der privater Militärunternehmen verfehlt. Die Stärke der siegreichen Roten Armee bestand vor allem in ihrem Blutsbande mit dem Volk.

Die KPRF unterstützt aktiv die Menschen, die an der Front gegen Nazismus und Banderismus kämpfen. Unsere große humanitäre Arbeit zur Unterstützung des Donbass seit 2014 ist weithin bekannt. Wie schon mehr als einmal im zwanzigsten Jahrhundert sind die Kommunisten auch heute die konsequentesten Gegner des Faschismus und aller Erscheinungsformen der kapitalistischen Reaktion.

Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger Russlands auf, vollständig die Ruhe zu bewahren. Es ist notwendig, die Schwierigkeit der Situation zu verstehen und nicht auf Provokationen einzugehen. Die Kämpfer der Militärkompanie Wagner sollten bald nachdenken und aufhören, sich an politischen Spielen zu beteiligen, die darauf abzielen, die Lage im Land zu destabilisieren. Das ist genau das, worauf die äußeren Feinde Russlands am meisten warten.

In einer so schwierigen Zeit für das Vaterland einen bewaffneten Aufstand aufzunehmen, bedeutet, sich auf die Seite des Feindes zu stellen. Das Gesetz stuft diese Art von Aktion als äußerst ernste Form des Verbrechens ein. All jene, die behaupten im Namen ihrer Kampfbruderschaft zu handeln, müssen aufhören, ihre Genossen zu ungesetzlichen Handlungen zu drängen.

Wir sind sicher, dass es unter den tapferen Soldaten, den Befreiern von Artjomowsk und den Teilnehmern anderer Ereignisse des Kampfes gegen den Neonazismus viele aufrichtige Patrioten gibt, die gegen ihren Willen in ein bewaffnetes Abenteuer hineingezogen wurden. Wir halten es für notwendig, die nötige Sorge um diese Menschen zu zeigen, falls die Lösung der Situation die möglichst entschiedene Aktionen erfordert.

Die Situation wirft einmal mehr die Frage auf, wie wichtig die öffentliche Kontrolle über die Tätigkeit der staatlichen Organe ist. Die Regierung muss sich auf die Bevölkerung stützen, wenn sie das Vertrauen der Bevölkerung haben will. Kampfaufgaben und Fragen und der nationalen Sicherheit können nicht von kommerziellen Einrichtungen behandelt werden. Die Streitkräfte benötigen ein einheitliches Kommando. Gleichzeitig müssen die Bürger Mechanismen der Kontrolle über die Handlungen der militärischen Strukturen haben, damit ihre Vertreter nicht in Versuchung geraten, sich auf Abenteuer einzulassen.

In erster Linie müssen alle Spiele mit der Willensbekundung der Bürger bei Wahlen unterbunden werden. Die dem Land aufgedrängten Fernabstimmungen, elektronischen und tagelangen Abstimmungen müssen gestoppt und ein völlig transparentes und ehrliches Wahlsystem eingeführt werden. Es ist äußerst wichtig, Bedingungen zu schaffen, unter denen das russische Volk kluge, ehrliche und aktive Patrioten frei in die Staatsorgane wählen kann. Die bevorstehenden Wahlen sollen die Gesellschaft festigen und nicht spalten. Wir bestehen darauf, dass eine wirksame und vollständige Lösung der Aufgaben der Entmilitarisierung und Entnazifizierung in der Ukraine nur auf der Grundlage einer Änderung des alten Kurses in Russland selbst möglich ist. Die vollständige Ablehnung des Neoliberalismus im Leben des Staates ist das Gebot der Stunde. Die Umsetzung des neuen Schaffens- und Entwicklungsprogramms kann nicht mehr um einen einzigen Tag verschoben werden.

Mit der Intensivierung der militärischen Operationen an der Front muss der militärische Aufstand im Rücken der Armee im Einsatz beseitigt werden. Diese Provokation muss gestoppt werden, und es muss alles getan werden, um den vollständigen Sieg über den Faschismus im Gebiet der speziellen Militäroperation sicherzustellen. Die Ziele der Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine sind eine Frage der Zukunft des russischen und des ukrainischen Volkes, aller Völker im weiten eurasischen Raum und damit der ganzen Welt.

Im Jahr 2023 jähren sich die schicksalhaften Ereignisse zum 80. Mal, als unsere Väter und Großväter nach dem Sieg über die faschistischen Horden in Stalingrad eine umfassende Offensive starteten. Sie errangen bemerkenswerte Siege bei Orjol, Kursk und Belgorod und begannen die Befreiung der leidgeprüften Ukraine von Hitlers Abschaum. Die Erinnerung an diese großen Taten und ihre Helden ist heilig! Heute ruft sie die Soldaten und Offiziere der russischen Armee und uns alle zu einem kompromisslosen Kampf gegen den Faschismus auf!

Unser Volk hat starke Nerven und einen starken Willen! Es wird vor der braunen Pest nicht in die Knie gehen!

Der Feind wird zerschlagen werden, der Sieg wird unserem Volk gehören!

Der Vorsitzende des Zentralkomitees der KPRF

G.A. Sjuganow.

Übersetzung: Renate Koppe

Russische Kommunistische Arbeiterpartei:
Was der Marsch der Wagner-Gruppe zeigt – eine kommunistische Klassenanalyse

https://kurzelinks.de/r4lq

Die Ereignisse vom 22. und 24. Juni, als die bewaffneten Einheiten der Privaten Söldnertruppe (PMC- Private Military Corporation, Anm. d. Red.) Wagner unter der Führung von Jewgeni Prigoschin aktive Maßnahmen ergriffen, die in allen offiziellen Dokumenten als Meuterei bezeichnet wurden, haben die regierungsfreundlichen Kreise der russischen Gesellschaft, die rechten und linken politischen Bewegungen, die russische und sogar die internationale Gemeinschaft stark erschüttert.

Heute, da sich die Spannungen durch die Vermittlung Lukaschenkos vorübergehend zu entspannen scheinen, Prigoschin auf eine weitere Verschärfung der Lage verzichtet, seinen Marsch auf Moskau eingestellt und sich selbst in Belarus niedergelassen hat, fragen sich Experten, politische Analysten und alle Medien, was geschehen ist. In den Einschätzungen (einschließlich offizieller Erklärungen von Spitzenbeamten des Staates und Entschließungen der Strafverfolgungsbehörden) werden die schärfsten Begriffe genutzt: Verrat, Verschwörung, Hochverrat, Dolchstoß usw. usw. Wir werden nicht den Verlauf der Ereignisse, die Verbindungen und gegenseitigen Beziehungen der Teilnehmer der Speziellen Militäroperation (SMO) und der Behörden sowie verschiedene Verschwörungstheorien analysieren. Wir werden nur die wichtigsten Momente der Klassenverhältnisse [in der Russischen Föderation, Anm. d. Red] festhalten, die durch die die Geschehnisse noch einmal offenbart worden sind.

1. Einmal mehr hat sich nicht nur die Heterogenität der herrschenden Bourgeoisie der Russischen Föderation, sondern auch der ständige Kampf zwischen Clans und Gruppen von Kapitalisten deutlich gezeigt. Während früher dem so genannten Block der Rechtsliberalen der Jelzin-Linie mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde, kämpft heute die angeblich und, eher den Worten nach, national orientierte Bourgeoisie mit patriotischen Parolen der Verteidigung des Vaterlandes um ihren Platz im System, ihre Nähe zur Macht und festigt ihre Positionen.

Die Besonderheit des russischen Kapitalismus besteht darin, dass das Kapital durch die gewaltsame Ausplünderung, die so genannte Privatisierung, des integrierten nationalökonomischen Komplexes, der in jahrelanger Arbeit des gesamten sowjetischen Volkes geschaffen wurde, entstanden ist. Der russische Kapitalismus hat keine jahrhundertelange Entstehungs- und Herrschaftsgeschichte hinter sich, wie seine westlichen Pendants. Er befindet sich noch in einer Periode der Kapitalakkumulation und -umverteilung, in der die Nähe zur Macht und die persönliche Nähe zu den Spitzenfunktionären (früher Jelzin, heute Putin) von großer Bedeutung sind. Saubere und ehrliche Menschen gibt es hier nicht und kann es auch nicht geben, aber es gibt eine hohe Dichte an Menschen mit krimineller Erfahrung und Vergangenheit. Dieses ständige Gerangel um das Kapital sowie die seit der Gaidar-Tschubais-Privatisierungsära (Gaidar und Tschubais waren Spitzenbeamte bzw. Minister der Regierung Jelzin und maßgeblich an der Privatisierung des sowjetischen Volkseigentums beteiligt, Anm. d. Red.) vorherrschende Konzentration auf die Beziehungen zu den westlichen Hauptstädten schafft nicht nur Schwächen in der Regierungsführung, sondern auch die potenzielle Gefahr interner Konflikte und Spaltungen, die die Anfälligkeit des Staates für eine Subversion durch imperialistische Rivalen unter Führung der USA erhöhen.

2. Der heutige russische bürgerlich-bürokratische Staat und die Gesellschaft haben einen so auffallend anderen Charakter als der sowjetische, dass es falsch wäre, bei der Beurteilung der laufenden MSO irgendeine ernsthafte Analogie zum Großen Vaterländischen Krieg zu ziehen, nicht nur in Bezug auf ihren unterschiedlichen Klassencharakter, sondern auch in Bezug auf die Klassenstruktur und den Zustand der Gesellschaft selbst. Auch in der sowjetischen Gesellschaft gab es einen gewissen Teil des Volkes, der unter einer anderen Flagge auf der Seite der Nazis kämpfte, aber dieser Teil und sein Einfluss waren im Vergleich zur Einheit des gesamten Volkes mit der Idee der Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes vernachlässigbar. Heute ist die Situation qualitativ anders und stellt eine große Bedrohung für die Integrität des Landes dar. Auch nach dem Ende der MSO, insbesondere im Hinblick auf den unvermeidlichen, früher oder später stattfindenden Machtübergang im Präsidentenamt.

Offizielle Reden betonen den Zusammenhalt und die Einheit des russischen Volkes, das angeblich den Erfolg der Rebellion verhindert habe. Die Mehrheit jedoch verfolgte Prigoschins Handeln mit schlichter Neugier, da sie ihn für einen Mann hielten, der dem Präsidenten nahestand und die unbestrittene Autorität eines furchtlosen Kämpfers gegen die Nazis besaß. Sie warteten ab, für welche Seite sich der Präsident entscheiden würde.

Tatsächlich ist es so, dass die Wagnerianer eine Großstadt, ein regionales Zentrum mit dem Hauptquartier des Militärbezirks (Rostow am Don, Anm. d. Red), kampflos besetzt haben. Gleichzeitig verteidigte kein einziges staatliches Organ, einschließlich der Sicherheitskräfte ­­­­– die Militärgarnison, die Polizei, der Föderale Sicherheitsdienst, Rosgwardija und andere, sowie die Zivilverwaltung – die Staatsmacht. Keiner leistete den PMC-Kämpfern Widerstand. Die Wagner-Truppen marschierten in ihren Kolonnen viele Kilometer tief in das russische Territorium in Richtung Moskau ein, und niemand versuchte oder konnte sie aufhalten. Einzelne Versuche einer bewaffneten Behinderung der vorrückenden Kolonnen durch die Luftfahrt blieben erfolglos (die Kämpfer zeigten ihre Zähne und schossen mehrere Fahrzeuge ab). Dafür ist die Nachfrage nach Flugtickets aus Moskau und anderen Großstädten im Ausland stark angestiegen, was zu einer Verdoppelung der Ticketpreise geführt hat.

So haben diese Ereignisse gezeigt, dass die bürgerliche Diktatur das Land nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Armee und der staatlichen Verwaltung in den Niedergang geführt hat, worauf Prigoschin übrigens selbst hingewiesen und spekuliert hat. Prigoschin selbst ist ein Oligarch mit einer kriminellen Vergangenheit, ein Oligarch, der seine Milliarden auf nicht sehr transparente Weise gemacht hat. Prigoschin konkurrierte einfach mit den anderen Oligarchen um einen besseren Zugang zum Geschäft. Und er selbst weiß sehr wohl, dass er die gleiche Politik betreiben wird, wenn er an der Macht ist. Denn praktisch alles in der Politik des bürgerlichen Staates wird nur von wirtschaftlichen Interessen bestimmt, einfach gesagt – von den Interessen des Profits.

3. Prigoschins langwierige Konfrontation mit Spitzenvertretern der militärischen und politischen Führung des Landes und dem dahinter stehenden Großkapital basierte auf der Kritik an den tatsächlichen Mängeln, dem Versagen des Führungspersonals, der mangelnden Kriegsbereitschaft der Armee und der Wirtschaft, den Fehlkalkulationen und Versäumnissen in der Durchführung der MSO, dem riesigen Ausmaß an Korruption und Diebstahl im Zusammenhang mit der Versorgung der MSO, der untauglichen Personalpolitik und dem moralischen Verfall in den höheren Rängen der Macht. Diese im Internet und in den Medien offen geführte Propagandakampagne hat in der Bevölkerung und in den Streitkräften erhebliche Sympathien geweckt, eben weil die Verkommenheit des Systems für alle sichtbar und spürbar ist.

Für die Behörden war es äußerst unvorteilhaft, eine öffentliche Auseinandersetzung mit Prigoschin zu führen. Dies ist wahrscheinlich der Grund, warum er auf die groß angekündigte Einladung des stellvertretenden Vorsitzenden der russischen Staatsduma, Sergej Neverow, im Mai nicht im Parlament erschienen ist. Dieser hatte die Einladung ausgesprochen, nachdem er ein viel beachtetes Interview veröffentlicht hatte, in dem sich Prigoschin über die „Elite“ aus Wirtschaft und Politik äußerte, von der einige seiner Ansicht nach durch ihr Handeln Russland absichtlich schaden, verraten und verkaufen. Prigoschin selbst erklärte sich bereit, die Dinge zu klären, aber dazu kam es nicht. Vielleicht haben die Behörden einen Ausweg aus der Situation gefunden, indem sie Prigoschin geschickt provozierten, seine Einheiten zu organisieren, um sich angeblich für die Gerechtigkeit zu äußern.

4. Prigoschin selbst hat sich nie gegen Putin ausgesprochen, und er hat heute bereits erklärt, dass er nicht die Absicht hatte, die Regierung zu stürzen. Er sagt, dass er nur das Ziel verfolgte, Gerechtigkeit herzustellen. Dafür habe er die Märsche organisiert, die aber erst begannen, nachdem das Verteidigungsministerium seine Kampagne zur Übernahme der PMCs startete. In dieser Kampagne verlangt es von seinen Kämpfern und Kommandanten, Verträge mit dem Verteidigungsministerium abzuschließen.

Gerechtigkeit forderte Prigoschin also vor allem für sich selbst, für seine PMCs (Angestellte der Wagner-Gruppe, Anm. d. Red.), aber nicht für das Volk. Prigoschins Forderung nach einer weiteren Privatisierung staatlicher Unternehmen unter dem Vorwand ihrer Korruption entlarvt diesen schlichten Patrioten als einen avancierten Ultraliberalen.

Gleichzeitig erwähnt keiner der Beamten in seinen Reden und Ansprachen, dass die Existenz einer privaten Söldnerarmee im Lande durch das geltende Gesetz verboten ist. Und folglich wurde ihr illegales Funktionieren auf höchster Regierungsebene geduldet, gefördert und unterstützt. Einheiten und Formationen von Wagner erhielten vom Staat moderne schwere Waffen – Artillerie, Panzer, andere gepanzerte Fahrzeuge, Hubschrauber… Nach Angaben des Präsidenten belief sich die jährliche Finanzierung der PMCs auf 86 Milliarden Rubel. Mit welcher Begründung? Die Frage ist rhetorisch. Solange die Behörden es brauchten, war alles im Einklang mit dem Gesetz, doch jetzt hat sich dieses Gesetz in einen juristischen Schlagstock verwandelt.

5. Die russischen Behörden, allen voran Präsident Putin, die russische Bourgeoisie und ihre Vertreter, unterstützt durch bürgerliche Propagandisten, können ihre Verantwortung nicht einräumen, dass das Land, die Armee, die Verwaltung, die Wirtschaft auf eine solche Situation nicht vorbereitet waren. Und schon gar nicht können sie zugeben, dass es der konterrevolutionäre Putsch in der UdSSR und der Kapitalismus waren, die Russland und die anderen Republiken in blutige Konflikte geführt und am Ende die ehemals brüderlichen Völker Russlands und der Ukraine in einem blutigen Krieg gegeneinander ausgespielt haben. Liberale und Nationalliberale, Opportunisten und Abenteurer, die mit ihren eigenen Händen die Grundlagen der Einheit der großen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken – Volkseigentum, Sozialismus, Sowjetmacht – zerstört haben, versuchen wieder einmal, die Schuld auf Lenin und die Bolschewiki zu schieben, die das angeblich explosive föderale Sowjetkonstrukt geschaffen haben – ohne zu bemerken, dass dieses Konstrukt dem Krieg mit dem deutschen Faschismus, seinen imperialistischen Sponsoren und seinen Satelliten standgehalten hat.

6. Putin versucht erneut, die Bolschewiki des Verrats an den Interessen des zaristischen Russlands während des Ersten Weltkriegs zu bezichtigen und versucht, historische Parallelen zur sogenannten Wagner-Meuterei zu ziehen. Er beschuldigt Prigoschin und seine Mitarbeiter sowie andere Oppositionelle, Verräter zu sein. Putins historischer Analphabetismus, oder besser gesagt seine Heuchelei, seine absichtliche Verzerrung der Geschichte, um der Bourgeoisie zu gefallen, und seine Voreingenommenheit gegenüber den großen historischen Errungenschaften des Volkes sind jedoch mit bloßem Auge erkennbar. Erstens haben die Bolschewiki unter der Führung Lenins das zerfallende Russland gerettet, auch vor den Begehrlichkeiten der „zivilisierten“ Verbündeten, die sehr bald zusammen mit den gestürzten Ausbeuterklassen – den wahren Verrätern, die russischen Boden und russischen Reichtum im großen Stil verhökerten – eine Intervention von 14 Mächten in Sowjetrussland arrangierten. Und zweitens ist der Vorwurf des Verrats viel angebrachter für jene „einheimischen“ Reaktionäre, die die Träume Hitlers und des Verräters Wlassow Wirklichkeit werden ließen: Sie stürzten die Sowjetmacht und liquidierten den Sozialismus, ließen die Union zusammenbrechen, stellten die Institution der Privateigentümer wieder her und teilten die Menschen in Herren und Knechte ein, benannten Städte und Straßen um, pflanzten die Trikolore der Armee des Verräters Wlassow als Nationalflagge ein… Heute sind sie mit der Entkommunisierung beschäftigt, wie es die ukrainischen Nazis waren. Wer hat denn die Herren gebeten, Amerika zu preisen? Und wer hat sie sonst, außer ihrer eigene Bourgeoisie, darum gebeten, der NATO beizutreten? Wer hat die Asow-Nazis gegen den Kumpel des Präsidenten, einen ukrainischen Oligarchen, ausgetauscht?

7. Wieder einmal ist deutlich geworden, dass die russischen Behörden keinen klaren Plan für den Ausstieg aus dem Krieg und eine Zukunft neben der Ukraine haben. Der Krieg wird nicht umsonst oft als „seltsamer Krieg“ bezeichnet, da gleichzeitig Handel mit dem Feind betrieben wird – sowohl mit der Ukraine als auch mit NATO-Ländern, die die Aufhebung der Handelssanktionen fordern usw. Die Behörden kämpfen mit der Situation und suchen nach einer vorteilhaften Position und einem günstigen Moment, um mit den westlichen Partnern zu verhandeln. Das kann noch sehr lange so weitergehen. Dies liegt im Interesse des US-Imperialismus, dem Hauptnutznießer der Situation, die durch die gegenseitige Zerstörung des russischen und des ukrainischen Volkes geschaffen wurde und seine Position im imperialistischen Lager stärkt.

8. Die Hauptgefahr, dass Russland zusammenbricht und seine Souveränität verliert, besteht auch heute noch. Sie wird auch nach dem Ende der Feindseligkeiten fortbestehen, selbst im Falle eines bedingungslosen Sieges, wie er von den Behörden gewünscht wird. Darüber hinaus ist die größte Gefahr, so seltsam es auch erscheinen mag, gerade von der Option der „Normalisierung“ der Beziehungen, der Aufhebung der Sanktionen und der Wiederherstellung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen zu erwarten, da im Kampf zwischen bürgerlichen Systemen immer das stärkere und besser organisierte Kapital den Sieg davonträgt. Und natürlich, weil die Grundlage für die ständigen und sich anhäufenden Widersprüche bleibt; die Widersprüche, die die bürgerliche Gesellschaft (sowohl in Russland als auch weltweit) in unversöhnliche soziale Klassen spaltet. Diese Grundlage ist das Privateigentum, der Kapitalismus, die Ausbeutung von Menschen durch Menschen, durch Nationen von Nationen.

Die wichtigsten Schlussfolgerungen aus der obigen Analyse lauten:

– Die Streitereien auf höchster Ebene und sogar die gewaltsamen Elemente der Konfrontation haben einmal mehr die Geschwüre und die Fäulnis des russischen Kapitalismus offenbart, die eine potenzielle Gefahr für die Integrität des Landes und die Souveränität des Staates darstellen; 

– Bei allen Entwicklungen, insbesondere negativen an den Fronten in der Ukraine und in der Welt, sollten wir, wenn diese Ereignisse nicht die Tendenz einer revolutionären Bewegung in Richtung Sozialismus annehmen, die es noch nicht gibt, in Russland eine Verstärkung der Reaktion, eine fortgesetzte Entkommunisierung, eine Verschärfung der Schrauben an der Arbeiterbewegung, den demokratischen Rechten und Freiheiten, eine weitere Aushöhlung der gewählten Demokratie erwarten; 

– So konnten wir am Beispiel Prigoschins und des Wagner-Marsches auf Moskau einmal mehr sehen: Kein noch so gut organisierter bewaffneter Aufstand der im Kampf gegen die Nazis abgehärteten Menschen gegen das durch die Existenz der Bourgeoisie selbst geschaffene Unrecht kann soziale Gerechtigkeit erreichen, wenn er unter dem Banner und dem Kommando der Bourgeoisie selbst geführt wird. Die Bourgeoisie hat sich untereinander geeinigt. Sie hat sich wie üblich hinter dem Rücken des Volkes geeinigt. Es ist notwendig und möglich, den Kriegen und dem Faschismus ein Ende zu setzen, indem man sich in der Bewegung zum Sozialismus unter ihren roten Bannern vereint. Das ist unser Orientierungspunkt, unser Ziel, unsere Zukunft. Um dieser Zukunft willen ist es heute notwendig, den Sieg des imperialistischen Blocks der USA und der NATO über Russland, die Ukraine und ihre Völker durch den ukrainischen Nazismus zu verhindern. Der Faschismus kann und darf keine Souveränität haben.

Die Völker der Welt haben keine andere Wahl, als den Kampf gegen die Hauptquelle des heutigen Faschismus – den imperialistischen Block der USA und der NATO – fortzusetzen und zu intensivieren und gleichzeitig den Kampf gegen den Kapitalismus in jedem Land und alle zusammen zu entfalten.

Wir sind alle im gleichen Klassenkampf!
Politischer Rat des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Russlands

28. Juni 2023.

Borotba:
Stoppt den bewaffneten Konflikt an der Heimatfront!

Die Einheit der antifaschistischen Kräfte ist die Garantie für unseren gemeinsamen Sieg

https://kurzelinks.de/cp3e

Die ganze Welt verfolgt aufmerksam die Ereignisse im Zusammenhang mit den Aktionen von Jewgeni Prigoschin und einem Teil des privaten Militärunternehmens Wagner. Der seit langem bestehende Konflikt zwischen Jewgeni Prigoschin und Sergej Schoigu ist auf eine Stufe eskaliert, die den gesamten Staat bedroht.

Jewgeni Prigoschin hatte zuvor Sympathien für seine scharfe Kritik an den Übeln des oligarchischen Kapitalismus, der Korruption sowie an individuellen Fehlern und Fehlentscheidungen bei der militärischen Sonderoperation gewonnen. Mit der Entwicklung der Konfrontation mit der russischen Militärführung nahm diese Kritik jedoch einen übertriebenen Charakter an, und die Motive einer persönlichen Konfrontation mit Sergej Schoigu traten gegenüber der Kritik an der sozioökonomischen Situation und der militärischen Organisation in den Vordergrund.

Eine Situation, in der eine private, nicht staatlich kontrollierte Organisation – faktisch eine Privatarmee – zu einem wichtigen Machtfaktor geworden ist, ist an sich nicht besonders gesund. Ungeachtet möglicher subjektiver Absichten hat E. Prigoschin damit faktisch eine bewaffnete Rebellion von Privatpersonen gegen den Staat in Gang gesetzt.

Als Kritiker des kapitalistischen Systems konnten wir vielen der Kritikpunkte von Prigozhin bisher nicht widersprechen. Auch konnten wir nicht umhin, mit der Widerstandsfähigkeit und dem Mut der Wagner-PMC-Kämpfer in ihrer Konfrontation mit dem faschistischen Regime in der Ukraine zu sympathisieren. Aber indem er einen abenteuerlichen Kurs einschlug und die bewaffnete Konfrontation tief nach Russland hinein verlagerte, gefährdete Jewgeni Prigoschin die Front, was sich das Kiewer Regime und seine Herren im Westen sicherlich zunutze machen werden.

Die Situation entwickelt sich rasch, und wir hoffen, dass alle an der Konfrontation beteiligten Seiten Besonnenheit zeigen und ein Blutvergießen, Dutzende von Kilometern von der Frontlinie entfernt, verhindern werden. Wir sind überzeugt, dass die höchsten Stellen des Landes in der Lage sind, einen Ausweg aus dieser gefährlichen Situation zu finden. Es müssen Schlussfolgerungen gezogen werden, um die aus den 1990er Jahren übernommenen Fehler des Staats- und Gesellschaftssystems zu bekämpfen, die jedoch auch unter den Bedingungen der MSO fortbestehen.

Wir appellieren an die Soldaten und Offiziere, die an der Front kämpfen: Genossen! Wir mögen wenige sein, aber wir sind unter euch. Wir sind uns der Schwierigkeiten bewusst, die bei der Organisation der militärischen Operationen aufgetreten sind und noch auftreten; wir wissen um die Fehler und Ungerechtigkeiten, für die natürlich auch die militärische Führung mitverantwortlich ist. Wir haben nie dazu aufgerufen, Schwierigkeiten zu vertuschen oder die Realität zugunsten der Vorgesetzten zu beschönigen. Wir haben diese Erfahrung genauso gemacht wie ihr. Aber jetzt sind wir davon überzeugt, dass bewaffnetes Abenteurertum nicht zu einer Verbesserung des Systems führen wird, sondern nur zu unserer gemeinsamen Niederlage führen kann.

Wir hoffen, dass die Wagner-PMC-Kämpfer, die ihren Kommandeur unterstützt haben, die Situation mit kühlem Kopf betrachten und erkennen, dass dieser Weg ins Leere führt. Ähnliche Situationen hat es in der Geschichte bereits gegeben – der Aufstand der Linken Sozialistischen Revolutionären Partei, die Rede von M. A. Murawjow im Jahr 1918, der Aufstand von Nestor Makhno, der sich weigerte, der vereinigten Roten Armee beizutreten, der Aufstand von Kronstadt, der Aufstand der katalanischen Anarchisten während des Spanischen Bürgerkriegs. Ungeachtet der manchmal ehrlichen und idealistischen Absichten spielten diese Arten von Aufständen immer den finstersten Kräfte in die Hände .

Jetzt kommt es darauf an, den bewaffneten Konflikt innerhalb des Landes so schnell wie möglich zu beenden und die Kräfte im Kampf gegen das Kiewer Regime und den NATO-Imperialismus zu bündeln. Angesichts der Konfrontation mit dem Imperialismus müssen die inneren Widersprüche friedlich und demokratisch gelöst werden, auf der Grundlage einer breiten öffentlichen Debatte unter Beteiligung des Volkes, und nicht durch Intrigen von oben und persönliche Abenteuer.

Es lebe die Einheit und Solidarität!

Aktuelles

Teilnehmer und Bühne getrennt – Friedensdemonstration in Berlin

Tatsächlich wird die Friedensbewegung gespalten, indem herrschende NATO-Narrative und ihre Vertreter eine Bühne bekommen. Am 3. Oktober zeigte sich das am frustrierten Verlassen einiger Teile des Palästina-Blocks ganz konkret.

Ohne SED keine DDR

Teil 3 von 3Grau, verknöchert, von den Massen entfernt – so wird die SED in der Geschichtsschreibung des Gegners dargestellt und so schilden sie auch viele Linke. Und vielleicht ist das auch für die späte Phase der DDR nicht nur falsch. Aber die SED war die kampfstärkste, größte und politisch erfolgreichste Organisation, die die revolutionäre Arbeiterbewegung in Deutschland hervorgebracht hat. Sie hat eine der größten historischen Leistungen vollbracht: Den Aufbau der DDR.