English
русский
عربي

Israels Propagandasystem und dessen Auswirkungen

Von Martha Stern

Dieser Artikel widmet sich der Bedeutung des medialen Propagandakrieges, sowie der Funktion der israelischen Propaganda. Martha Stern nimmt dafür auch die Entstehung und Narrative der israelischen Propaganda in den Blick. Bei Artikeln handelt es sich nicht zwangsläufig um Positionen der Kommunistischen Organisation.

Nach dem 7. Oktober 2023 startete Israel seine jüngste Militäroperation gegen das palästinensische Volk in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. Israel begeht seither erwiesenermaßen zahlreiche Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen. Schon vier Wochen nach Beginn des Angriffs überstieg die Zahl der zivilen Todesopfer die Anzahl der in zwei Jahren des russisch-ukrainischen Krieges getöteten Menschen. Die Zahl der getöteten Kinder überstieg bereits innerhalb der ersten drei Wochen die Anzahl der seit 2019 jährlich in Krisengebieten getöteten Kinder. Nach der Völkermordkonvention von 1948 erfüllt dieses Vorgehen Bedingungen für einen Völkermord, mit der Absicht, eine Nation oder eine ethnische Gruppe auszulöschen. Die Palästinenser leiden und werden vertrieben, während die Welt zusieht. Was ist also der Grund dafür, dass Israel bislang ungestraft bleibt und darüber hinaus in der westlichen Medienlandschaft durch eine bedingungslose Positiv-Darstellung unterstützt wird?

Entstehung und Strategien von Israels Propaganda

Dem israelischen Apartheitsregime ist die Bedeutung der westlichen Öffentlichkeit und deren Unterstützung bewusst. Die Kulturindustrie und Medienmonopole des Westens sind eine scharfe Waffe für Israels Propagandakrieg. Zur Rechtfertigung und Verharmlosung des Genozids wird ein vorherrschendes Narrativ produziert: die Hamas und Gaza gelten dabei als Bedrohung der Existenz Israels und des Judentums. Unter anderem zieht Israels Premierminister Benjamin Netanyahu einen Vergleich zwischen den Palästinensern und Nazi-Deutschland, sowohl in Bezug auf Brutalität als auch militärische Leistungsfähigkeit. Infolgedessen wird der Holocaust für Israels Angriffskriege häufig instrumentalisiert.

Die Bewertung der Existenz Israels hängt nicht nur von einem abstrakten „Existenzrecht“ ab, sondern auch vom Charakter und den Alternativen seines Bestehens. Israel ist ein Siedlerstaat, welcher von europäischen Zionisten im Zuge der Ausdehnung der europäischen Imperien gebildet wurde und sich somit nicht von früheren Kolonialbewegungen unterscheidet, die sich ebenfalls auf Kosten der einheimischen Bevölkerung ausbreiteten. Zusätzlich stellt Israel eine mit Atomwaffen ausgestattete regionale Supermacht dar, die mit Unterstützung der USA und NATO einen Brückenkopf des Westens im arabischen Raum bietet. Solch eine Ausstattung ermöglicht ihnen regelmäßige Machtdemonstrationen, wie unter anderem die Belagerung des Gazastreifens, um dessen Wasser- und Energieversorgung sowie deren Grenzen zu kontrollieren und militärisch zu besetzen.

Infolge des Libanonkrieges im Jahr 2006 wurde Israels internationales Ansehen massiv beschädigt, nachdem israelische Militärbehörden von „Säuberungen“ und „Aufräumaktionen“ sprachen. Israel reagierte damals auf die Gefangennahme von zwei israelischen Soldaten durch die Hisbollah mit einem übereilten und massiven Bombenangriff, der eine immense Schädigung der Zivilbevölkerung im Libanon zur Folge hatte. Die UN-Experten sprachen schon damals von „offensichtlichen Verletzungen des Völkerrechts“. Daher wurde ein allmählicher Wandel innerhalb der israelischen Propagandamaschinerie notwendig, der sich zunehmend auf die aufkommende Digitalisierung und die sozialen Medien beziehen sollte. Ab 2014 weitete die Besatzung den Krieg gegen Gaza erheblich „im Sinne der existenziellen Bedrohung“ aus, wobei jedoch das Ausmaß der weltweiten Empörung unterschätzt wurde. Die Kriegsverbrechen Israels nehmen seit seiner Gründung konstant zu und erfordern somit die Entwicklung gezielter PR-Kampagnen.

Zurückgreifen konnten die zionistischen Kriegsverbrecher hierbei auf ein altes und altbewährtes Instrument zur Öffentlichkeitsarbeit, die sogenannte „Hasbara“ (wörtlich: „Erklärung“). Die zionistische Bewegung entwickelte schon im frühen 20. Jahrhundert eine moderne Form der Propaganda, welche der polnische Zionist Nahum Sokolow später als „Hasbara“ populär machte. Der Journalist verknüpfte die biblische Erzählung vom Kampf zwischen „David und Goliath“ mit dem ausgeprägten Antisemitismus, der in diesem Jahrzehnt vorherrschte. Der vermeintlich schwächere Außenseiter sollte auch hier den stärkeren Feind besiegen, so wie ein einzelner Stein den Riesen Goliath zu Fall brachte.

In den folgenden Jahren und im Zuge der wiederholten propagandistischen Herausforderungen seit der Nakba entwickeltet sich die „Hasbara“ zu einem breiten Propagandanetzwerk.

Heute existiert in den USA beispielsweise das sogenannte „Hasbara-Fellowship“ Programm. Hasbara Fellowships ist eine Organisation, die jährlich hunderte Studenten nach Israel bringt und sie zu „effektiven Pro-Israel-Aktivisten“ an Hochschulen ausbildet. Die Organisation mit Sitz in New York wurde 2001 von Aish HaTorah in Zusammenarbeit mit dem israelischen Außenministerium gegründet. Die Organisation gibt an, fast 2.000 Studenten an über 220 nordamerikanischen Universitäten ausgebildet zu haben. Darüber hinaus unterstützen und finanzieren sie Medienanstalten zugunsten prozionistischer Propaganda und wirken als Think-Tank.

Dieses Propagandanetzwerk schließt dabei dutzende weitere Organisationen und Gruppen ein, deren grundlegende Aufgabe darin besteht, Israel nicht angreifbar zu machen. Nennenswert sind hierbei unter anderem die teils extrem rechten und islamophoben Gruppierungen „Internet-Haganah“ oder „Jihad Watch“, die im Internet Hexenjagden auf Antizionisten betreiben.

In der öffentlichen Ausschreibung des „Hasbara-Fellowship“ Programms wird z.B. geschrieben: „Der Schwerpunkt der Mission wird darauf liegen, den Studierenden Berichte aus erster Hand über die Geschehnisse zu liefern sowie Informationen, Ressourcen und Werkzeuge bereitzustellen, um pro-israelische Studentenführer an wichtigen Campusstandorten besser auszurüsten, damit sie ihre Bemühungen zur Bekämpfung von Antisemitismus und antiisraelische Propaganda effektiver durchführen können und auf ihrem Campus eine wirksame und nachhaltige proisraelische Botschaft artikulkieren. Die studentischen Teilnehmer werden auf der Grundlage ihrer aktuellen Erfahrung als pro-israelische Führungskräfte auf dem Campus und ihrer Präsenz in den sozialen Medien ausgewählt.“

Insbesondere die Verbindung zum Deutschen Staat ist dabei hervorzuheben, denn dieser ist der wichtigste Partner Israels. Über gemeinsame Forschungsprogramme entstand eine „einzigartige Kooperationsstruktur zu der neben der Zusammenarbeit der Ministerien Stiftungen und langjährige Programme beitragen“, wie es das internationale Büro im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beschreibt. Mehrere Stiftungen und Forschungsprogramme, wie Minerva, die Hans-Seidel-Stiftung oder GIF (German Israel Foundation) bilden die Basis dieser Zusammenarbeit.

Es wird viel Wert auf die Beeinflussung von Meinungsmachern gelegt; Reporter reisen dazu regelmäßig in Begleitung von Regierungsbeamten nach Israel. Andersherum kommt es zu Besuchen in Schulen oder Universitäten.

Das entstandene Propagandasystem agiert durch das Verfälschen von Fakten und die Verdrehung von Tatsachen, um eine bestimmte Darstellung von Ereignissen zu schaffen und das westliche Gewissen anzusprechen. Dies soll dazu dienen, die internationale Medienverbreitung zu kontrollieren, um ein Narrativ zu verbreiten und die arabische Bevölkerung, insbesondere die Palästinenser, negativ darzustellen.

Seit Jahrzehnten ist offensichtlich, dass sich die moderne Kriegsführung erweitert hat. Es reicht schon lange nicht mehr aus, militärisch überlegen zu sein, um Kriege gewinnen zu können. Die Besatzung braucht Methoden zur Rechtfertigung der entmenschlichten und feigen Folterung des palästinensischen Volkes, die ohne Fluchtmöglichkeit in einem belagerten Freiluftgefängnis eingesperrt sind, während sie von den fortschrittlichsten Kriegswerkzeugen der US-Militärtechnologie dem Erdboden gleichgemacht werden. All das in einem Einsatz, der gegen internationales und sogar US-Recht verstößt.

Eine weitere Schlüsselfunktion der modernen Propaganda besteht darin, Israel in die Opferrolle zu stellen und den palästinensischen Widerstandskampf als Terror zu diffamieren. Absicht der Hasbara ist eine bewusste Verdrehung der Beweggründe der Hamas, des palästinensischen Widerstandskampfes und der zionistischen Regierung Israels und deren Siedlerpolitik.

Diese Terminologie soll der außenstehenden Bevölkerung glauben machen, Israel sei berechtigt, einen derart heftigen Krieg um sein nationales Überleben zu führen, um die menschenrechtsverletzenden Angriffe auf das palästinensische Volk zu rechtfertigen. Die Propaganda greift also zu verzweifelten Maßnahmen und nutzt gezielte Strategien, wie wir sie aktuell auch ganz klar in unseren Medien erkennen können. Ziel ist es, einen Zwang innerhalb der Öffentlichkeit zu generieren, sich zu Israels Gunsten zu positionieren, vor allem im „Kampf zwischen Israel und der Hamas“. Die Taktik der Zionisten besteht in der Darstellung Israels als angeblich rationalen und unschuldigen Akteur, welcher sich in Gefahr vor terroristischen Angriffen befindet und zur vermeintlichen Verteidigung gezwungen wird.

Diese bewusste Verdrehung folgt dem Ziel, jede Kritik an Israel schlussendlich als Entschuldigung und Verharmlosung der “terroristischen“ Anschläge wirken zu lassen.

Die Umsetzung erfolgt durch internationale Diplomaten, Politiker sowie Massenmedien oder wendet sich an verschiedene Institute, Forschungszentren oder Lobbyfirmen. Der israelische Staat bietet in diesem Zusammenhang Stipendien und Zuschüsse zur gezielten Förderung pro-israelischer Interessensvertretungen an, unterstützt von „Journalisten“, deren einzige Aufgabe es ist, ein positives Bild des Landes nach außen zu tragen. 

Funktionsweise und Umsetzung der Propaganda

Um das brutale Vorgehen in Gaza im Westen zu verschleiern, wurden neue Initiativen in einer entstandenen Online-Abteilung synchronisiert, in Verbindung mit einem Team für strategische Angelegenheiten, um die Kommunikationskanäle der sozialen Medien zu nutzen. Schon im Jahr 2012 kündigte Israel auf Basis des „Zwanges zur eigenen Verteidigung sowie nationalen Sicherheit“ seinen Krieg gegen Gaza auf Twitter an. Es prägte also das Narrativ eines unschuldigen Opfers mit dem souveränen Recht auf Verteidigung gegenüber dem palästinensischen Terror. Diese Umsetzung einer modernen Propaganda, wie der Hasbara, schlägt an: Wir sehen eine pro-israelische Einstellung innerhalb westlicher Gesellschaften. Diese reichen von offen rassistischer Hetze gegen Palästinenser bis zu woke-aufgeklärter „Islamkritik“. Von AfD bis Linkspartei bekommt jeder die passenden Argumente geliefert, um sich hinter den Siedlerkolonialismus zu stellen.

Sie alle stellen sich der Staatsräson treu gegen den „Hamas-Terror vom 7.Oktober“. Ohne viel Aufwand ist es in Deutschland kaum möglich, die Ursachen und Hintergründe des 7. Oktober zu erfahren. Selbst israelische Zeitungen und Journalisten arbeiten da offener und investigativer.

Die israelische Propaganda trägt Früchte, denn die häufigste Taktik, die propagandistisch genutzt wird, besteht darin, jede Kritik an der israelischen Politik, die von Kolonialisierung und Tötung geprägt ist, als Antisemitismus zu deklarieren. Zusammengefasst: Wer Israel kritisiert, wird als Antisemit diffamiert. Der Diskurs gegen die „rückständigen“ Palästinenser wird ausgebaut, um sie weitgehend zu entmenschlichen, wie wir es momentan in den Medien sehen. Fortwährend werden Methoden wie „Pinkwashing“ als Gegenstück verwendet, um ein vermeintlich fortschrittliches Auftreten der Zionisten zu erzeugen.

Wie sich Israels Propaganda auswirkt

Auch für die linke/kommunistische Bewegung hat diese Propaganda erhebliche Folgen. Es folgen Argumente, die besagen, dass die palästinensische Militanz das zunehmende Elend der Bevölkerung verschlimmert und sogar provoziert, anstatt es zu verhindern. Infolgedessen sollten Organisationen an lokalen Orten zum gewaltlosen Widerstand aufrufen, um die USA und die NATO zu stoppen, anstatt den Widerstandskampf der Hamas zu „glorifizieren“. Lösungsansätze wie die „Zwei-Staaten-Lösung“, die auch von der Partei „Die Linke“ vertreten werden und das alleinige Existenzrecht Israels anerkennen, werden diskutiert.

Zusätzlich hat die israelische Regierung und Gruppen wie Hasbara enormen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung, da einflussreiche soziale Medien die Arbeitsdefinitionen von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance übernehmen. Dadurch wird der vermeintliche Vorwurf des Antisemitismus auch auf Kritik an Israel ausgeweitet. Die Kritik am israelischen Staat wird aktuell mittels westlicher Regierungsapparate verhindert, mit massiver Repression verfolgt und als Volksverhetzung deklariert. Dadurch wird die Bedeutung von Antisemitismus verwässert und der Vorwurf zu einem gefährlichen Herrschaftsinstrument, um Gesetzesverschärfungen und Disziplinierungen durchführen zu können. Die Diskussion wird zusätzlichen von sogenannten „Antideutschen“ verhindert und untergraben.

Doch auch Israels Propaganda hat Grenzen. Beispielsweise ergaben Untersuchungen, dass die Behauptungen, die Hamas habe am 7. Oktober 40 Babys geköpft oder ihre Hauptkommandozentrale befände sich unter dem Al-Shifa-Krankenhaus, nicht der Wahrheit entsprechen. Auch das Interview mit einer freigelassenen Geisel stellte sich für die israelische Propaganda als Fehler heraus, da die Aussagen dem vorangegangenen Narrativ widersprachen. Die brutalen Ermordungen und Verstümmelungen tausender Palästinenser offenbaren Israels „David-gegen- Goliath“ Narrativ langfristig und öffentlich als Farce.

Die Kriegsverbrechen nehmen weiter zu und somit auch die Anteilnahme vieler am Leid der Palästinenser. Diese Gelegenheit muss genutzt werden, um auf die Heuchelei aufmerksam zu machen und sich gegen dieses entmenschlichte Vorgehen zu wehren. Als Kommunisten sind wir dazu aufgerufen, Medien und ihre Propaganda zu erkennen, zu analysieren und aufzudecken.

Quellen:

https://www.newarab.com/news/understanding-hasbara-israels-propaganda-machine

https://www.trtworld.com/magazine/the-art-of-deception-how-israel-uses-hasbara-to-whitewash-its-crimes-12766404

https://www.972mag.com/hasbara-why-does-the-world-fail-to-understand-us

https://znetwork.org/de/znetarticle/manufacturing-hasbara-cataclysm-in-gaza

https://www.marxists.org/deutsch/archiv/harman/2006/xx/hisbollah.htm

https://znetwork.org/de/znetarticle/deconstructing-hasbara

https://thecradle.co/articles-id/18488

https://www.internationales-buero.de/de/israel.php

Aktuelles

Palästina und die DDR – Befreiungskampf als Staatsräson?

Während in der BRD die bedingungslose Unterstützung Israels als „Ersatz- Antifaschismus" spätestens ab 1952 zunehmend zur „Staatsräson" wurde, erkannten sich die DDR und Israel bis zur Konterrevolution 1989/90 nicht gegenseitig an. Stattdessen wurde die DDR zu einem wichtigen Alliierten der palästinensischen Befreiungsbewegung.

Interview: „The crisis in Germany“

Two of our comrades were guests on the Marx, Engels, Lenin Institute podcast to discuss the current political and economic situation in Germany. Starting with the end of the ‘Ampel’ coalition government, and moving on to an assessment of the AfD and BSW and the development of the German economy, we talk about topics and issues that continue to cause controversy and raise questions within the left-wing and communist movement in Germany.