English
русский
عربي

Imperialismus: Ein Herrschaftsverhältnis!


Textanalyse der Imperialismusschrift Lenins – Ein Zwischenstand

Vertiefungsgruppe 12 zum Thema Imperialismus

von Klara Bina

Redaktioneller Hinweis: Dieser Text ist im Rahmen unserer Auseinandersetzung mit dem Krieg in der Ukraine und der Imperialismusdiskussion entstanden. Wir haben 2022 beschlossen, uns kollektiv der Einschätzung des Charakter und der Vorgeschichte des Krieges zu widmen. Hierfür wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die sich u.a. mit den Interessen und der Politik des westlichen imperialistischen Block, mit Russlands Entwicklung sowie mit den Erkenntnissen der sozialistischen Arbeiterbewegung zum Imperialismus und der Bedeutung der Nationalen Frage beschäftigen. Veröffentlicht wurden in diesem Rahmen bereits Beiträge zur Kriegsvorbereitung der NATO, zur Unterwerfung der Ukraine, zu Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg, zur Entwicklung der Volksrepubliken, zur Entwicklung des russischen Kapitalismus und zum Verhältnis von Nationaler Selbstbestimmung und sozialistischer Revolution.

Abstract

Was ist eigentlich mit Imperialismus gemeint? Darüber scheiden sich innerhalb der linken und kommunistischen Bewegung, aber auch in der Akademie die Geister. Unübersehbar ist, dass die Imperialismusschrift von Lenin für alle einen Referenzpunkt darstellt und für viele die Grundlage ihrer Argumentation ist. Aus der Tatsache, dass sehr unterschiedliche Schlussfolgerungen auf Grundlage dieser Schrift gezogen werden, widmet sich die vorliegende Textanalyse der Fragestellung, welche Bedeutung mit dem Begriff ‚Monopol‘ transportiert wird und wie er als ein Herrschaftsverhältnis verstanden werden kann. Das Ergebnis ist eindeutig: Lenin verwendet den Begriff des ‚Monopols‘ als eine konkrete Abstraktion, um die Epoche des Imperialismus als eine Epoche der Herrschaft weniger monopolistischer Entitäten über den Rest der Welt zu charakterisieren. Diese Epoche ist, so Lenin, durch die Tendenz zu monopolistischer Weltherrschaft gekennzeichnet. Andere Interpretationen, die entweder ein Ende der nationalen Unterdrückung oder eine mögliche Einebnung dieser Herrschaftsverhältnisse unterstellen, können sich nicht auf Lenin stützen.


Einleitung

Politische Einordnung

Die zeitgenössische Anti-Kriegs-Bewegung1 entfaltete sich als pazifistisch- teilweise proimperialistische2 Bewegung. Teils mit linksradikalen Charakteristika, zeitgleich mit der so genannten Zeitenwende, die vom bald Ex-Kriegskanzler Scholz mit der Ansage eingeläutet wurde, jetzt gelte es den Westen zu verteidigen gegen den „imperialistischen Angriffskrieg“ Russlands. Gemeint war die Militäroperation der Russischen Föderation im Osten der Ukraine. Von Seiten der herrschenden Kreise wurde beabsichtigt, dass dem deutschen Imperialismus, argumentative Schützenhilfe im kriselnden kommunistischen Lager geleistet wird. Dabei reichte es völlig aus, den Krieg der NATO gegen die Russische Föderation als einen beidseitig imperialistischen Krieg zu bezeichnen und mindestens zu verhindern, dass die NATO als der Aggressor entlarvt wird.

Es sollte verhindert werden, dass sich in der noch rest-antiimperialistischen Blase in der BRD etwas zusammenbrauen könnte, was den Kriegsplänen des deutschen Imperialismus im Wege stand. Nichts leichter als das: mit Referenz auf Lenins Imperialismusschrift (1916)3, der den Ersten Weltkrieg als einen zwischen-imperialistischen Krieg identifizierte, musste nicht viel Eigenleistung erbracht werden. Abschreiben war angesagt. Das Konstrukt – beidseitiger imperialistischer Krieg – basiert auf der Behauptung, dass im jetzigen Stadium des Imperialismus alle kapitalistischen Länder das monopolistische Stadium „mehr oder weniger“ erreicht hätten und sich deshalb als Konkurrenten gegenüberstehen würden – es könnte unter wesentlich Gleichen keine gerechten Kriege geben, so heißt es.

Es mag Nuancen in der Beschreibung der Unterschiede der Länder geben, aber nicht eine grundlegende Differenz in ihrer Charakterisierung4. Länder, die Monopole besitzen, seien „Teilnehmer im imperialistischen Weltsystem“ und damit selbst im imperialistischen Entwicklungsstadium. Diese Argumentation wird affirmativ mit Referenz auf Lenin begründet., konkret bezogen auf die Aussage, dass das „Monopol“ der ökonomische Kern des imperialistischen Stadiums ist. Dabei wird „Monopol“ als ein isoliertes Phänomen betrachtet, so meine die These. Seine Existenz wird in formaler Hinsicht als Marker für das Erreichen des imperialistischen Stadiums genommen. Im Großen und Ganzen sei „das Weltsystem ein System gegenseitiger Abhängigkeiten“- man gibt zuweilen zu, es seien „asymmetrische“ oder „ungleiche“ Beziehungen5.

Nach den erfolgreichen Befreiungskämpfen vor allem Mitte des 20. Jahrhunderts sei die Kolonialzeit jedoch vorbei und damit die Phase im Imperialismus, die durch einseitige Abhängigkeitsverhältnisse geprägt war. Das durchaus auch in der sozialistischen Literatur intensiv beschriebene Phänomen des Neokolonialismus, das auf Lenins Beschreibung halbkolonialer Länder referiert6, findet in der oben beschriebenen Darstellung der heutigen Weltordnung keine Erwähnung.

Interessanterweise vereinigen sich hier – mit Sicherheit unfreiwillig und unbewusst – die verschiedenen Strömungen der kommunistischen Weltbewegung in ihren Imperialismusvorstellungen. Dazu sei beispielhaft aus Deutschland die MLPD7 und Marx218 genannt.

Die geistige Misere beschränkt sich aber keineswegs auf Deutschland. Sehr zu empfehlen ist hier auch der Überblick von John Bellamy Foster im Monthly Review9. Er liefert zwar keinen vollständigen Überblick, aber eine Erkenntnis ist treffend formuliert: „Hence, the gap between the views of imperialism held by the Western left and those of revolutionary movements in the Global South is wider than at any time in the last century.“10 Während viele Nationen der Welt im Kampf gegen ihre Erdrosselung bis hin zur Vernichtung durch das von den USA angeführte imperialistische Ungeheuer nach solchen Tiefenanalysen lechzen wie sie Lenin seinerzeit für den Imperialismus lieferte, wird in den Zentren des Imperialismus Lenin tunlichst entsorgt.

In diesem Beitrag soll gezeigt werden, dass verkehrte Vorstellungen, wie sie oben skizziert wurden, auf groben Fehlern in der Interpretation bzw. Anwendung der Leninschen Imperialismusschrift beruhen. Dabei ist die falsche und völlig unzureichende Kritik des Imperialismus, die diesen als Interventionismus, also auf seine politische Seite reduziert, weiterhin richtig. Diese falsche Imperialismus-Kritik wird von Lenin in seiner Schrift zu Genüge analysiert und vernichtend kritisiert.

Mir geht es in diesem Text vor allem um die neuen Imperialismusvorstellungen, die sich auf Lenin beziehen. Ich stelle die These auf, dass die „Theorie“ des Imperialismus als ein „Weltsystem gegenseitiger Abhängigkeiten“, so wie sie u.a. die Griechische Kommunistische Partei (KKE)11 vertritt, eine Neuinterpretation, aber vor allem eine Verfälschung der Leninschen Imperialismusanalyse darstellt. Solche Vorstellungen verfälschen und relativieren die wirklichen Machtverhältnisse und präsentieren eine Welt voller Monopole, die in einem Konkurrenzverhältnis zueinanderstehen sollen. Der Konkurrenzkapitalismus ist aber vorbei und wird auch nie wieder Wirklichkeit werden.

Ich denke, es wäre angebracht, dass Parteien und Einzelpersonen, die eine solche Neuinterpretation vorlegen, transparent und ehrlich ihre Positionen als eine von Lenin abgekoppelte und ihm widersprechende Sichtweise auf den Imperialismus präsentieren. Sie müssten sagen: Lenin hatte grobe Fehler in seiner Analyse. Eine Analyse, die nicht imstande war, die kommende Entwicklung zumindest in ihrer grundlegenden Tendenz darzulegen. Viele seiner Feststellungen sind heute obsolet geworden. Wir leben in einer anderen internationalen Wirklichkeit als die, die Lenin seinerzeit beschrieben hat.

Leider ist diese Art Ehrlichkeit in der politischen Auseinandersetzung nicht wahrnehmbar. Genauso wenig ist Transparenz bezüglich der theoretischen Quellen der Positionen gegeben, zumindest in den mir vor liegenden Texten. Die Textanalyse soll prüfen, ob solche Neuinterpretationen sich in irgendeiner Weise mit Lenin argumentieren lassen.


Monopol als Herrschaftsverhältnis – die Fragestellung

Der vorliegende Beitrag sollte zunächst einmal nur herausarbeiten, was Lenin tatsächlich unter weltbeherrschenden Monopolen versteht. Diese Frage war deshalb so wichtig, weil in der Debatte die These vertreten wurde, dass alle Länder der Welt – mit sehr wenigen Ausnahmen – die monopolistische Phase insofern erreicht hätten, dass sie Monopole aufzuweisen hätten. Mit ‚Monopol‘ wird dabei ein großer Konzern in einem Land gemeint. Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Sektor der Konzern ist oder welche (Aktien-) Beteiligungen es gibt.. Die Länder, die nachweislich Monopole vorzuweisen hätten, wären imperialistische Länder12, so z. B. Russland.

Diesen Vorstellungen wurde entgegnet, dass Monopole weder nur als große Konzerne vorgestellt noch isoliert betrachtet werden können, sondern immer nur im Verhältnis zur höchsten und entfaltetsten Form des Monopols in der imperialistischen Epoche, nämlich dem Finanzkapital, überhaupt erst einsortiert und als empirische und historisch spezifische Phänomene verstanden und im internationalen Machtgefüge eingeschätzt werden können. Vor diesem Hintergrund wurde zunächst die Frage nach der Bedeutung des Monopolbegriffs bei Lenin im Zusammenhang mit Weltbeherrschung aufgeworfen. Im Laufe der Arbeit wurde die Fragestellung jedoch allgemeiner gefasst und die Imperialismusschrift Lenins mit Blick auf die Konzepte ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘ untersucht. Diese Verfeinerung erlaubte es, den Text etwas umfassender zu behandeln.

Warum ist eine Textanalyse nötig?

Der zentrale theoretische Bezugspunkt der heutigen Imperialismusdebatte steht zur Disposition. Natürlich ist mir bewusst, dass seit der Existenz des Kommunismus in dieser Frage alle theoretischen Aussagen von allen möglichen Akteuren beliebig interpretiert und angewendet wurden. Ein Teil des ideologischen Kampfes bestand und besteht bis heute darin, um die richtige Auslegung und Interpretation zu streiten. In diesem Sinne fühlen sich bitte alle eingeladen, ihre eigene/widersprüchliche Interpretation in den Ring zu werfen. Jedoch muss es auch hierfür Spielregeln geben. Diese sind primitiver Natur: Nachweise müssen erbracht werden, Textstellen dürfen nicht verzerrt oder verfälscht werden oder in einer Weise gekürzt werden, dass der Sinnzusammenhang verloren geht. Ich denke nicht, dass das zu viel verlangt ist.

Doch ist es überhaupt nötig, einen Text, der über 100 Jahre existiert und Gegenstand vieler Untersuchungen und Erörterungen gewesen ist, einer akribischen Untersuchung zu unterziehen? Womit ließe sich eine solche Mühe rechtfertigen? Die Antwort ist einfach. Wenn er bis heute noch unterschiedlich interpretiert wird, dann ja.

Offensichtlich wird dieser Text, um den es hier geht – die Imperialismus-Broschüre von Lenin, geschrieben 1916 –, von diametral entgegengesetzten Positionen zum Imperialismus als Beleg für die eigene Argumentation herangezogen.

Wie kann das sein? Ist der Text so ambigue und entsprechend für verschiedene Interpretationen offen? Die unterschiedlichen Lesarten reichen von der in der maoistischen Strömung besonders verbreiteten Vorstellung eines so genannten ‚Sozialimperialismus‘, der der Sowjetunion (SU) eine imperialistische Politik unterstellt, bis hin zu Positionen, die von einem ‚Weltsystem gegenseitiger Abhängigkeiten‘ sprechen und der Vorstellung, dass die Welt immer noch in ‚unterdrückende und unterdrückte Nationen‘ aufgeteilt werden kann. Ohne Zweifel würden die Protagonisten der verschiedenen Positionen für sich die richtige Auslegung in Anspruch nehmen. Alle Seiten würden es negieren müssen, dass der Text interpretationsoffen ist.

Dieses Festhalten an der Imperialismusschrift hat etwas mit dem welthistorischen Stellenwert dieses Textes zu tun. Immerhin ist er von Wladimir Iljitsch Lenin, dem großen Führer der bolschewistischen Partei in Russland und nicht zuletzt der siegreichen Oktoberrevolution unter dem Eindruck des ersten imperialistischen Weltkrieges geschrieben worden. Seine Wirkung und Ausstrahlung sind kaum zu überschätzen. Und da es hier um Positionen innerhalb der kommunistischen Bewegung geht, ist eine positive Bezugnahme auf Lenin und ganz besonders auf seine Imperialismusschrift zum regelrechten Glaubensbekenntnis geworden. Dort, wo Identität und Glauben herrschen, ist Objektivität nicht gerne gesehen, auch und gerade dann nicht, wenn die eigenen Grundlagen als Objekt der Untersuchung dienen,– entsprechend ist auch die Analyse eines solchen Textes schnell tabuisiert. Das ist verständlich. Denn erstens erfordert eine Analyse eine gewisse Distanz zum Objekt der Analyse und das fällt bei einer hohen Identifikation mit einem Text sehr schwer. Zweitens birgt Analyse die Gefahr der Entdeckung von Problemen, Leerstellen, offenen Fragen oder gar gegenteiligen Inhalten, als die, die man sich in der eigenen Position zurechtgelegt hat. Klärungsarbeit oder die Schaffung von Klarheit ist nicht nur mühsam, sondern auch riskant.

Die Notwendigkeit einer Textanalyse von Lenins Imperialismusschrift bleibt bestehen, solange erstens die Interpretationen derart auseinanderfallen und zweitens der Text der Hauptbezugspunkt für die Imperialismusanalyse innerhalb der kommunistischen Bewegung ist. Die langen Ausführungen zur Notwendigkeit einer solchen Textanalyse werden angeregt dadurch, dass es nachvollziehbare Zweifel und viele Fragen bezüglich der Notwendigkeit einer solchen Arbeit gegeben hat und sicherlich noch gibt.

Eine weitere Begründung für eine solche Arbeit ist auch, dass sich die Imperialismusschrift dem Leser nicht einfach erschließt. Sie erscheint auf den ersten Blick als eine Broschüre für den schnellen Gebrauch und wie der Autor verspricht, soll sie in allgemeinverständlicher Sprache auch den Massen zugänglich sein. Mehr als ein Jahrhundert nach dem Erscheinen der Imperialismusschrift ist eine Einigung auf den Inhalt der Aussagen nicht einfacher geworden. Nach etlichen Kontroversen, Spaltungen bis hin zu blutigen Kämpfen in der kommunistischen Bewegung und nicht zuletzt nach dem Sieg und der (zeitweiligen) Niederlage des Sozialismus, nach den Siegen und vielen Niederlagen der nationalen Befreiungskämpfe, leider auch nach dem massiven Vormarsch der imperialistischen Länder, aber auch der Infragestellung ihrer kriegerischen Politik, nach all diesen Erfahrungen scheinen sich die Strömungen und festgefahrenen Positionen in der kommunistischen Weltbewegung kaum bewegt zu haben.

Zugegeben, es wäre viel einfacher gewesen, eine Unmenge an Zitaten aus der Imperialismus-Broschüre herauszupicken und meine eigene Position damit zu begründen. Motiviert wird die Arbeit nicht durch die Absicht der Bestätigung der eigenen Position, sondern davon, nachvollziehen zu wollen, ob es der Text ist, der bestimmte Interpretationen ermöglicht oder ob es richtig ist, zu behaupten, er würde falsch ausgelegt, ja vielleicht sogar revidiert werden.

Es kann jetzt schon verraten werden, dass es ein paar solche Stellen in der Imperialismusschrift gibt, die so interpretiert werden könnten, dass nicht-imperialistische Länder, – Beraubte, nicht Räuber – zu imperialistischen Mächten aufsteigen können. Eine solche Interpretation ist aber nur möglich, wenn der Gesamttext ausgeblendet wird und ganz besonders die Stellen, die sich explizit auf diese ‚Möglichkeiten‘ beziehen, aus dem Kontext gerissen werden. Das nennt man selektives Lesen.

Es gibt eine weitere Schwierigkeit mit dem Text. Das sind die verschachtelten Abstraktionsebenen und der ständige Wechsel zwischen abstrakten Begriffen und empirischen Beschreibungen. Die Unterscheidung zwischen diesen verschiedenen Ebenen drängt sich dem Leser nicht unbedingt auf. Es ist möglich und wahrscheinlich sehr geläufig, dass der Text als ein historisches Zeugnis, als eine Beschreibung der Zeit, in der er geschrieben wurde, gelesen wird. Das heißt nicht, dass die Textstellen, in denen offenkundig von Gesetzmäßigkeiten oder von grundlegenden Merkmalen die Rede ist, nicht als solche erkannt und als allgemeingültige Aussagen verstanden werden. Was bei einer solchen Lesart passiert, ist, dass die Analyse des Imperialismus durch Lenin auf zwei Ebenen lediglich registriert, nicht begriffen wird. So stellen wir fest, dass am Anfang des Textes das Monopol in seiner historischen Genese beschrieben ist, und könnten diese Eröffnung als zufällig oder rein historisch verstehen. Dass aber hierbei eine begriffliche Abstraktion eingeführt wird, aus der sich die nächsten Bestimmungen ableiten lassen, das ist nicht unmittelbar begreiflich. Die Textanalyse konnte zumindest den Blick für solche Fragestellungen schärfen und hoffentlich für die weitere Arbeit damit produktiv sein.

Ein paar allgemeine Anmerkungen zur Textanalyse

Zunächst einmal sehr einfach formuliert: Texte sind in ihrer allgemeinsten Form13 – metaphorisch gesprochen – der Transmissionsriemen zwischen Praxis und Theorie, zwischen dem lebendigen Austauschprozess von Natur und Gesellschaft auf der einen Seite und dem Spiegeln dieses Austausch- und Produktionsprozesses im Bewusstsein der Menschen. Nun wissen wir aber, dass die Menschen gesellschaftliche Wesen sind und als solche treten sie sich in Klassengesellschaften als Klassen gegenüber. So sind Texte immer auch klassenparteiische14 Texte. Aber Achtung: sie sind nicht nur klassenmäßig geschriebene oder gesprochene Texte, sondern auch genauso klassenparteiisch gelesene Texte. der gleiche Text ganz gleich welches Klasseninteresse tatsächlich darin zum Ausdruck gebracht wird, wird auch in seiner Rezeption nicht klassenneutral gelesen. Für die vorliegende Arbeit ist das deswegen relevant, weil dieser Fakt den Anlass für die Analyse des Textes darstellt. Wir haben gegenwärtig in der kommunistischen Bewegung sehr unterschiedliche Lesarten dieses Textes. Gibt es eine andere Möglichkeit, als dass jede dieser Lesarten eine klassenmäßige Interpretation darstellt? Ich meine nicht. Es gilt herauszufinden, welche Lesart welches Klasseninteresse zum Ausdruck bringt.

Bezüglich der Textanalyse ist vorausgesetzt, dass wir wissen und anerkennen, dass sich rund um die Frage der Textanalyse eine ganze Wissenschaft entwickelt hat (etwa seit den 1950/60er Jahren), diesehr präzise Methoden der Textanalyse hervorgebracht hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir von diesen Wissenschaften profitieren können, wenn wir lernen, sie anzuwenden. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir das müssen, wenn wir bestimmte Fehler vermeiden wollen: Phraseologie, arbeiterfeindliche Interpretation unserer Geschichte und Theorie, Prahlerei und Profilneurose in der Bewegung und so weiter und so fort. Und: Kritik und Selbstkritik als eine Kunst der Kommunikation mit den entwickeltesten Methoden kommt meines Ermessens nicht ohne solche Methoden aus.

Einen Text zu analysieren, heißt grundsätzlich ihn zuerst zerlegen und wieder zusammensetzen (Analyse und Synthese)15. Dieser Prozess findet auf unterschiedlichste Weise und mit den unterschiedlichsten Methoden statt, wobei sich die Methoden überschneiden und ergänzen. Die hermeneutische Methode hilft uns dabei, den Text im Verhältnis zum Lesenden in sich wiederholenden so genannten hermeneutischen Spiralen (Zirkeln) in seiner Gesamtbedeutung und in seinem Zusammenhang (seinen Zusammenhängen) zu erschließen, aber auch gleichzeitig zu kontextualisieren und den Lesenden als Subjekt (mit einem bestehenden und sich wandelnden Vorwissen) transparent zu machen, jedoch mit dem Ziel eine so weit wie möglich objektive Darlegung der Textaussage(n) herauszufiltern.

Diese Methode hängt eng mit der Kohärenzanalyse (Linguistik) zusammen, aber auch mit einer Analyse des Textes nach seiner inneren Methodologie, z. B. im vorliegenden Text danach, ob die materialistisch-dialektische Methode darin erkennbar ist und wenn ja wie und woran genau. Des Weiteren können quantitative Methoden die Analyse ergänzen, z. B., indem man den Text danach scannt, wie viele Anteile Objektsprache oder Metasprache sind, wieviel Empirie/Theorie oder welche Wörter/Ausdrücke wie häufig wiederholt werden. Es gilt hier zu beachten, die Aussagekraft der Ergebnisse weder zu überbewerten noch isoliert von den anderen Methoden zu verwenden. Schließlich kann auch eine formal logische Analyse (fragt nach der inneren Schlüssigkeit und Korrektheit der Argumente, ohne etwas über ihre Wahrheit auszusagen) oder sprachanalytische Anwendung (z. B. etymologische oder Kohäsionsanalyse) sehr hilfreich sein, um Texte oder Textstellen oder sich wiederholende semantische Elemente zu analysieren. Schließlich ist die Analyse des Textes nach bestimmten Kategorien, Begriffen, Wörtern und zusammenhängenden Inhalten, die sich von der Fragestellung ableiten, notwendig. Ist diese Arbeit geleistet, gilt es den Text als Ganzes (Synthese) wieder greifbar zu machen. Jedoch findet die Betrachtung des Gesamtzusammenhangs in Arbeitsschleifen statt. Teilweise beinhalten Methoden schon die Herstellung des Zusammenhangs, wie z. B. die hermeneutische, die dialektische und etwas abgestufter die Kohärenzanalyse.

Um welchen Text geht es? Es geht um den deutschsprachigen Text „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus “, Lenin Werke, Band22. Achtung: es geht nicht um den Originaltext oder eine intertextliche Analyse nach Kohärenz / Übereinstimmung / Veränderung. Es geht also nicht um einen Vergleich des deutschen Textes mit dem russischen Original. Die Textanalyse beschäftigt sich mit dem oben genannten deutschen Text und bezweckt eine wissenschaftliche Begründung für eine – möglichst objektive16 – Lesart dieses Textes.

Wie steht die allgemeine Analyse des Textes mit der oben genannten konkreten Fragestellung im Zusammenhang? Die Textanalyse steckt einerseits den Rahmen für die Beantwortung der Fragestellung ab, andererseits dient sie teilweise als Instrument für die Beantwortung der Fragestellung. Es stellt sich hier vielleicht manchen Lesern die Frage, warum es nicht ausreicht, nur nach den Textstellen Ausschau zu halten, die unmittelbar mit der Fragestellung zusammenhängen. Diese Herangehensweise würde insofern nicht ausreichen oder sogar fehlerhaft sein und sicherlich auch zurecht kritisiert werden, weil sie die Aussagen, die in einem textlichen Zusammenhang stehen, aus genau diesem Zusammenhang herausreißen und sie isoliert behandeln würde. Hier gilt es einem Missverständnis vorzubeugen: natürlich ist es völlig legitim und auch notwendig, Zitate zu verwenden, wenn man einen bestimmten Inhalt behandelt und Verweise auf andere Literatur etc. verwendet. Jedoch nimmt eine allgemein thematische Behandlung einer Fragestellung nicht für sich in Anspruch, einen konkreten vorliegenden Text zu analysieren, sondern eben ein Thema zu behandeln. Hier aber beinhaltet die Fragestellung die Frage nach dem Sinn des Textes, also danach welcher Gedanke mit den artikulierten Sätzen/Begriffen verknüpft ist,ob diese stringent nachvollziehbar sind und ob dessen theoretischer Hintergrund als intentionaler Akt erkennbar ist. Aus diesem Grund kann diese Art der Fragestellung (nach dem Sinn eines Textes) nicht ohne eine Textanalyse auskommen.

Darstellung und Ergebnisse der Textanalyse

In diesem Abschnitt möchte ich dem Leser die Möglichkeit geben, sich ein Bild von der Vorgehensweise und Methodik zu machen und die inhaltlichen Fragen, die mich beschäftigt haben, nachvollziehen zu können. Vor der Lektüre und Arbeit mit dem Text in der ersten Runde wurde die Fragestellung und die damit zusammenhängenden inhaltlichen Standpunkte ins Bewusstsein gerufen. Dieses Herangehen hat die Funktion, noch einmal von einer Metaebene aus auf sich und die beteiligten Diskussionsteilnehmer mit ihren jeweiligen Sichtweisen zu blicken. Dafür wurden noch einmal Artikel aus der Debatte gelesen und ein paar Notizen gemacht. Da ich nicht unvoreingenommen an diesen Text und auch nicht an die Debatte herantrete, ist diese Methode der Vergewisserung und Überprüfung ein wichtiger erster Schritt, um nicht unbewusst Aspekte der Debatte, die vielleicht nicht zu meinen Vorstellungen passen, zu vernachlässigen.

Die Fragestellung wurde noch einmal durchdacht. Ist die Kernfrage tatsächlich die nach Weltbeherrschung? Ja, meiner Ansicht nach ist die Kernfrage in der Debatte, ob es sich im Imperialismus um die Herrschaft Weniger, sowohl weniger Hände, in denen Kapital konzentriert ist, als auch weniger Staaten – über die gesamte Welt handelt oder nicht. Dabei sind es die unterschiedlichen Formulierungen wie einseitige versus gegenseitige Abhängigkeit, Weltsystem versus unterdrückende und unterdrückte Länder etc., die teilweise kaschieren, dass es sich letztlich um die Frage dreht, ob der Imperialismus notwendig ein System ist, bei dem es sich um die Herrschaft weniger Staaten über die absolute Mehrheit handelt.

In einer ersten Runde wurde der Lenin-Text recht schnell gelesen. Hierbei wurden alle Wörter, die in einem Sinnzusammenhang mit „Herrschaft“, „Monopol“ und aber auch mit Begriffen aus der Debatte wie „Abhängigkeit“ oder das Wortpaar „ungleichmäßige Entwicklung“ stehen, markiert. In dieser ersten Runde sollte gerade durch das schnelle Lesen das Gesamtbild des Textes erfasst und festgehalten werden. In der Reflexionsphase über die erste Runde wurde außer der Konkretisierung der Schlüsselbegriffe auch die Gesamtstruktur des Textes reflektiert.

Hinweise durch die Gesamtstruktur des Textes

Folgende auf sehr unterschiedlichen Ebenen zu verortende Einsichten sind ein Ergebnis einer expliziten Anschauung der Gesamtstruktur des Textes: erstens ist die Gesamtaufteilung des Textes in vier verschiedene Teile, die nicht als solche gekennzeichnet sind, auffällig. In den ersten drei Kapiteln werden die drei Erscheinungsformen des monopolisierten Kapitals, das Industriekapital, das Bankkapital und das Finanzkapital vorgestellt. In den darauf folgenden drei Kapiteln wird ihre Wirkungsweise, das ist vornehmlich ihre Herrschaftsweise, dargestellt. Im siebten und achten Kapitel werden Blüte und Verfall, dann in den letzten beiden Kapiteln die Reflexion des Imperialismus als Stadium analysiert. Zweitens also sind die ersten acht Kapitel der Darstellung der objektiven Seite, die letzten zwei Kapitel der subjektiven Seite der Entwicklung des Imperialismus gewidmet. Drittens ist die organische Darstellungsweise der verschiedenen Seinsweisen der jeweiligen Erscheinungen festzustellen: die empirische, die historisch-genetische, die wesentliche Weise, wobei letztere sich wie ein roter Faden vom ersten Kapitel bis zum letzten durchzieht und am Begriff des Monopols festmachen lässt – anders gesagt an der zentralisierten Form des konzentrierten Kapitals, eigentlich müsste man korrekterweise den prozessierenden Charakter wie folgt ausdrücken: die sich notwendig und stets zentralisierende Form des unvermeidlich konzentrierenden Kapitals.

Diese ‚Hinweise‘ durch die Beachtung der Gesamtstruktur des Textes waren sehr hilfreich für die Analyse des Textes und sollen hier nicht als fertige Analyse oder feste Annahme postuliert werden, sondern lediglich als Auffälligkeiten festgehalten werden. Inwiefern diese Struktur wirklich Sinn ergibt oder tatsächlich in diesem Sinne bewusst von Lenin angelegt wurde, kann nicht nachgewiesen werden.

Jedenfalls lassen diese Hinweise nicht nur den Blick für die verschiedenen Ebenen des Textes, also seine Tiefenstruktur, schärfen, auch wird durch die Gesamtstruktur die Einordnung der einzelnen Teile in das Ganze zugänglicher. Wir werden weiter unten sehen, welche Bedeutung der Blick für die Gesamtstruktur des Textes für die Textanalyse hatte, sowohl was die Formanalyse des Monopols, die Frage nach dem Anfang der Analyse für Lenin (Monopol) und die Frage nach der dialektischen Logik der Imperialismusschrift angeht.

Analyse und Synthese: ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘

Um zu verstehen, was Lenin mit dem Herrschaftsverhältnis als das Typische des Monopolkapitalismus (LW 22, S. 211) meint, wurde die Imperialismusschrift zunächst nach den Stichworten ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘ durchsucht, die damit transportierten Sinnzusammenhänge untersucht und diese dann wieder im Zusammenhang betrachtet. Der Sinnzusammenhang Monopol und Herrschaftsverhältnis wurde nach den einzelnen Begriffen zergliedert, um ihre jeweiligen Erscheinungsformen und Bedeutungen genauer analysieren zu können.

Schon auf dieser Ebene der Untersuchung konnte die gegenseitige Durchdringung der beiden Begriffe festgestellt werden. So ist das Monopol in seinen verschiedensten Erscheinungsformen das Subjekt der Herrschaft, wobei die Objekte der Herrschaft des Monopols aus der Analyse des Begriffs ‚Herrschaftsverhältnis‘ herausgearbeitet werden konnten. Es wird ersichtlich, dass beide Wörter in ihren unterschiedlichen Verwendungen wesentlich das Gleiche beinhalten. Monopol ist nichts anderes als ein Herrschaftsverhältnis. Die weiteren Implikationen werden weiter unten dargestellt.

Die beiden Begriffe ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘ wurden nach ihrer jeweiligen Kohärenz17 und nach ihrem Verhältnis untersucht. Es ist festzustellen, dass außer kleinen Unterschieden in den quantitativen Angaben in Bezug auf die Subjekte der Herrschaft (mal drei, mal fünf, mal sieben Länder) keine inhaltlichen Inkohärenzen und widersprüchliche Bedeutungszuschreibungen zu verzeichnen sind.

Jedoch gibt es – wohlwollend im Sinne einer Gegenprobe durch die Brille der oben dargestellten Position gelesen – durchaus sprachliche Ambiguitäten, die zu offenen Interpretationen verleiten könnten. Diese sind aber nur möglich, wenn die Textstellen aus dem Kontext gerissen werden und / oder der Gesamtzusammenhang des Textes und damit der Sinnzusammenhang der Begriffe nicht beachtet wird. Die Gegenproben werden weiter unten ausgeführt.

Die Zusammensetzung (Synthese) der analysierten Einzelteile (Begriffe und ihre Vorkommnisse) und ihre verschiedenen Aspekte ergibt ein eindeutiges Bild: das Monopol bedeutet nichts anderes als die Herrschaft von tendenziell Wenigen, letztlich von tendenziell immer weniger werdenden Finanzkapitalzentren, also Staaten, aufbauend auf der zentralisierten Macht des konzentrierten Kapitals, also über tendenziell mehr Nationen, Menschen, Kapital etc. Das Monopol ist insofern das Wesen des Imperialismus, dass es dieses prozessierende Herrschaftsverhältnis wie ein Nucleus in sich trägt.

Analyse „Monopol“

Die Untersuchung der mit Monopolen zusammenhängenden Textstellen, wurde entlang von sieben Weisen sortiert, in denen ‚Monopol‘ vorkommen kann18. Damit wurde jede Weise erfasst, in der das Wort ‚Monopol‘ tatsächlich im Text auftritt, aber auch welche empirischen Erscheinungen, Merkmale, Instrumente usw. dem Monopol zugeordnet werden.

Die Stichwortanalyse bezüglich des Begriffs „Monopol“ ergibt, dass die Verwendungsarten des Wortes ‚Monopol‘ variieren. Wir treffen im Text viele konkrete Formen des Monopols an: Syndikate, Konzerne, branchenspezifische Monopole usw. Jedoch ist der gesamte Text durchzogen von der Verwendung eines abstrakten Monopolbegriffs, der im Laufe des Textes in seine konkreten Erscheinungsformen und Charakteristika entfaltet wird. Diese Erscheinungsformen sind Industriemonopole, Bankmonopole und Finanzkapital, wobei Letzteres die entwickelteste Form des Monopols darstellt. Im Begriff des Finanzkapitals heben sich die vorher entfalteten Formen (Bank- und Industriekapital bzw. Bank- und Industriemonopole) auf, sie sind sozusagen im Begriff des Finanzkapitals enthalten.

Auch wenn die wichtigste Erkenntnis der Analyse auf dieser Ebene ist, dass die Verwendung des Wortes ‚Monopol‘ in seinen verschiedenen Weisen eine begriffliche Verwendung darstellt, soll hier hervorgehoben werden, dass der Text mit einem Reichtum an konkreten, empirischen Beispielen aufwartet und es deshalb vorstellbar ist, dass eine Lesart, die vor allem die Darstellung von vielen konkreten empirischen Monopolen wahrnimmt, möglich ist.

Unübersehbar ist jedoch, dass Lenin ‚Monopol‘ als allgemeines und wesentliches Merkmal der imperialistischen Epoche versteht. Zur Veranschaulichung hier einige Beispiele, die deutlich machen, dass das ‚Monopol‘ einen Wesenszug und nicht ein ausschließlich empirisches Phänomen darstellt19:

„Diese Verwandlung der Konkurrenz in das Monopol ist eine der wichtigsten Erscheinungen – wenn nicht die wichtigste – in der Ökonomik des modernen Kapitalismus.“ (LW 22, S. 201/202).

Und: „Das von uns hervorgehobene Wort deckt das Wesen der Sache auf, das von den bürgerlichen Ökonomen so ungern und selten zugegeben wird und um das die heutigen Verteidiger des Opportunismus mit K. Kautsky an der Spitze so eifrig herumzureden versuchen. Das Herrschaftsverhältnis und die damit verbundene Gewalt – das ist das Typische für die ‚jüngste Entwicklung des Kapitalismus, das ist es, was aus der Bildung allmächtiger wirtschaftlicher Monopole unvermeidlich hervorgehen mußte und hervorgegangen ist.“ (LW 22, S. 211)

Und: „Das Monopol ist der Übergang vom Kapitalismus zu einer höheren Ordnung. Würde eine möglichst kurze Definition des Imperialismus verlangt, so müßte man sagen, daß der Imperialismus das monopolistische Stadium des Kapitalismus ist.“ (LW 22, S. 270)

Und: „Die tiefste ökonomische Grundlage des Imperialismus ist das Monopol. Dieses Monopol ist ein kapitalistisches, d.h. ein Monopol, das aus dem Kapitalismus erwachsen ist und im allgemeinen Milieu des Kapitalismus, der Warenproduktion, der Konkurrenz, in einem beständigen und unlösbaren Widerspruch zu diesem allgemeinen Milieu steht.“ (LW 22, S. 280/281)

Und: „Wir haben gesehen, daß der Imperialismus seinem ökonomischen Wesen nach Monopolkapitalismus ist.“ (LW22, S. 304)

Bei genauerer Betrachtung der Verwendung des Wortes „das Monopol“ in diesen Zitaten:, kann man zweifellos von einer Verallgemeinerung sprechen, die dem ‚Monopol‘ eine Stellung zuweist, die als Charakterisierung bzw. als Attribut verwendet werden kann. Das ‚Monopol‘ in dieser Weise verstanden, ist eine Verallgemeinerung eines Prinzips. Was sind aber seine wesentlichen Merkmale und wie werden sie im Text herausgearbeitet?

Die Anordnung der empirischen Beispiele und Zitate, die den allgemeinen und konkreten Prozess und die Wirkungsweise der vor sich gehenden Monopolisierung darstellen, sind so zusammengestellt, dass sie systematisch folgende Grundzüge des Monopols veranschaulichen:

Zusammenziehen bzw. Kontraktion von Kapital (Konzentration und Zentralisation): Ein Wesenszug, der in der Wortzusammensetzung Mono-Pol20zum Ausdruck kommt. Das ist hier in dem Sinne gemeint, dass Viele sich tendenziell zu Einem zusammenziehen.

Ein weiterer Wesenszug ist die Dynamik in dem Sinne, dass es keinen Stillstand gibt, sondern das Monopol dauernde Monopolisierung beinhaltet. Anhand vieler Beispiele und Beschreibungen der Prozesse wird diese Dynamik, die im Begriff enthalten ist, regelrecht dramatisch dargestellt. Eine weitere Seite des ‚Monopols‘ ist der notwendige Formwandel bis zur flexibelsten und flüssigsten Form . dem Finanzkapital. Und schließlich die Seite des ‚Monopols‘, die darin besteht, dass es sich in seiner Bewegung im dauernden Widerspruch zum Kontext seiner Entstehung, seines Werdens und seines Vergehens befindet.

Diese Widersprüche sind: Widerspruch zum kapitalistischen Umfeld, aus dem das ‚Monopol‘ entsteht, also zum Konkurrenzkapitalismus; Widerspruch zu ‚sich selbst‘ als Erscheinung. Das bedeutet, dass Monopole im Plural ein Widerspruch in sich trägt und zur Aufhebung drängt, – anders gesagt: das Monopol tendiert zu einem Monopol; der Widerspruch zwischen dem Prozess der Monopolisierung auf internationaler Ebene und den nationalen Schranken; Widerspruch zwischen dem Prozess der Vergesellschaftung der Produktion und der privaten Aneignung, ein Widerspruch, der zwar schon im Allgemeinen in der kapitalistischen Produktionsweise existiert, aber durch den Prozess der Monopolisierung unvermeidlich zum Antagonismus werden muss, da die Konzentration und vor allem die Zentralisierung eine zentrale Planstelle einfordern, die aber u.a. durch die private Aneignung gehemmt werden.

Die Grundzüge des Wesens von ‚Monopol‘ sind durch die Textanalyse erfasst worden, in dem alle Vorkommnisse, die sich einer Metaebene oder einer Abstraktion zuordnen ließen, herausgefiltert wurden. Die Erscheinungsformen des ‚Monopols‘ wurden wie folgt ausgemacht: Industriemonopol, Bankmonopol, Finanzkapital. Hierzu ist erstens zu sagen, dass das keine Reihenfolge darstellt, auch nicht historisch gemeint ist, aber durchaus hierarchisiert auftritt. Das bedeutet, dass die Darstellungsweise chronologisch und eindeutig inhaltlich schließen lässt, dass das Finanzkapital die Form ist, die alle anderen Formen in sich aufhebt, aber auch die letzte Form ist. Es gibt keine weitere Erscheinungsform, die folgt. In Aussagen wie der folgenden ist diese Form als letzte Form dargelegt: „Der Kapitalismus, der seine Entwicklung als kleines Wucherkapital begann, beendet seine Entwicklung als riesiges Wucherkapital.“ (LW 22, S. 237)

Des Weiteren ist zu diesen Formen zu sagen, dass sie die Formen des Monopolkapitals auf einer abstrakten Ebene begrifflich zusammenfassen. Gerade im Begriff des Finanzkapitals ist es sehr klar, dass es sowohl industrielles Kapital, also das Kapital, das in der Industrie angelegt ist, als auch gleichzeitig Bankkapital ist, wobei letzteres die Kontrollfunktion hat, da hier – in der ‚Bank‘ – das Kapital nicht nur konzentriert, sondern auch zentralisiert ist.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass das Staatsmonopol als solches nicht als Erscheinungsform des ‚Monopols‘ aufgefasst wurde, weil diese bei Lenin fast ausschließlich eine Hilfsfunktion im Verhältnis zu den verschiedenen Erscheinungsformen des Monopolkapitals einnimmt. Besonders klar wird das durch die Aussage, dass anschaulich gesehen werden kann, „wie sich in der Epoche des Finanzkapitals private und staatliche Monopole miteinander verflechten und die einen wie die anderen in Wirklichkeit bloß einzelne Glieder in der Kette des imperialistischen Kampfes zwischen den größten Monopolisten um die Teilung der Welt sind.“ (LW 22, S. 253)

Eine weitere Anmerkung ist nötig. Es geht um eine Textstelle, die auf den ersten Blick eine andere Zuordnung erfordert als die, die hier unter „Erscheinungsformen“ vorgenommen wurde. Gegen Ende des Textes (S. 304/305) spricht Lenin von „den vier verschiedenen Hauptarten der Monopole oder den Haupterscheinungsformen des Monopolkapitalismus“: den Monopolverbänden, den Rohstoffmonopolen, den Monopolisten des Finanzkapitals und schließlich dem Monopol über das Wirtschaftsgebiet überhaupt. Hier befindet sich der Text auf der konkretesten Ebene der Darstellung. Die Formen wurden in ihrer Abstraktheit Schritt für Schritt entfaltet und sind jetzt auf der Oberflächenebene angelangt.

In den ersten drei Kapiteln wurde das Kapital in seiner monopolisierten Form in seinen Grundzügen, seinem Wesen nach dargestellt. Die Darstellung erfolgte immer organisch mit empirischen und historischen Beispielen. Jedoch ist die Quintessenz dieser Darstellung, das ökonomische Wesen des Monopols aufzudecken und zu zeigen, dass es seine höchste Form im Finanzkapital findet, ohne die anderen Formen zu eliminieren.

Im letzten Kapitel, aus dem die „vier Hauptarten“ (siehe oben) zitiert wurden, wird die konkrete Erscheinungsform beschrieben. Im Folgenden betrachtet Lenin diese Hauptarten historisch und beschreibt ihre Genese, die letztlich „zum endgültigen Sieg des internationalen Finanzkapitals“ (LW 22, S. 305) geführt hat.

Für die Textanalyse ist es relevant, diese unterschiedlichen Ebenen zu registrieren und die einzelnen Ausführungen in diese Gesamtstruktur einzuordnen. Alle weiteren Weisen, in denen das ‚Wort‘ Monopol im Text verwendet wird, dienten in der Analyse lediglich als Kohärenznachweis, der hiermit bestätigt wird. Es wurden keine Inkohärenzen in den verschiedenen Verwendungsweisen vorgefunden.

Die begriffliche Entwicklung ist nicht oder nicht nur historisch, auch wenn die eine Form unvermeidlich aus der anderen erwächst. ‚Historisch‘ hieße, dass der Übergang der einen in die andere Form einen historischen Abschluss der vorhergehenden Form markiert. Auch wenn das tendenziell geschieht, bleiben alle Formen noch weiter bestehen, während sich die nächste Form entfaltet. So ist die Epoche der Monopole zwar durch das Finanzkapital erzeugt worden (LW 22, S. 248), jedoch kommt das Finanzkapital erst durch die Entfaltung des Monopolkapitalismus zu seiner alles durchdringenden Entwicklungsstufe und wird zur herrschenden Form des Monopols. So hebt das Bankmonopol zwar das Industriemonopol auf, aber vernichtet dieses nicht. Lenin nimmt das Monopol zu seinem Ausgangspunkt und setzt die Konzentration und Zentralisation des Kapitals als den Motor der Monopolisierung voraus. Diese Monopolisierungstendenz beschleunigt die Konzentration und Zentralisation und diese wiederum die Monopolisierungstendenz.

Die Untersuchung der gesamten Textstruktur stützt die Annahme, dass ‚Monopol‘ eine begriffliche Ebene darstellt, in der viele der weiteren Bestimmungen enthalten sind. Der Text beginnt mit der Darstellung des Monopols, wobei hier die Betonung darauf liegt, dass die Untersuchung mit dem Phänomen ‚Monopol‘ anfängt. Wenn auch die Darstellung am Anfang selbst historisch-konkret vorgenommen wird, ist der Ausgangspunkt der Untersuchung insofern gesetzt, als dass alle weiteren Erscheinungsformen sich wesentlich vom ‚Monopol‘ ableiten lassen bzw. ihm zugeordnet werden können. So werden in jedem weiteren Kapitel verschiedene Seiten des Monopols aufgeschlüsselt.

Fritz Kumpf, der 1968 eine Studie zur dialektischen Logik der Imperialismusschrift vorlegte, kommt zu folgendem Ergebnis: „Das Monopol ist im System des Imperialismus eine solche konkrete Abstraktion, die den Übergang zu anderen Bestimmungen und zu deren systematischer Entwicklung notwendig in sich einschließt. Die Notwendigkeit des Übergangs liegt vor allem darin, daß das Monopol das ökonomische Wesen des Imperialismus darstellt.“ (Kumpf 1968, S. 98)

Dabei markiert das ‚Monopol‘ deshalb den Beginn, weil alle weiteren Bestimmungen, die für das System ‚Imperialismus‘ bestimmend sind, diese zur Voraussetzung haben, aber nicht umgekehrt. „Wir können daher aus zwei Gründen von einer konkreten Abstraktion sprechen. Einmal deshalb, weil das Monopol die einfachste Kategorie im Hinblick auf ein konkretes System, auf den Imperialismus, nicht aber für den Kapitalismus oder die Gesellschaft schlechthin ist. Zweitens, weil diese abstrakte Bestimmung in Relation zum System des Imperialismus zugleich eine konkrete Bestimmung ist, da sie den Reichtum der Bestimmungen des vormonopolistischen Kapitalismus in sich enthält.“ (Kumpf 1968, S. 94)

Das Monopol wird im weiteren Verlauf des Textes von Lenin nach seinen Charaktermerkmalen und Dynamiken entfaltet. Das Hauptmerkmal, das Wesen des Monopols wird als „Herrschaftsverhältnis“ identifiziert. Darunter fallen Eliminierung anderer Unternehmen, auch von Monopolen, Steigerung der Macht, (Neu-)Aufteilung der Welt, Verschärfung der nationalen Unterdrückung. Des Weiteren werden Widersprüche verschärft: höhere Vergesellschaftung der Produktion bei gleichzeitig steigender Tendenz zur privaten Aneignung, Verschärfung der Krisenhaftigkeit und Chaos in der Produktion bei gleichzeitiger Erhöhung der Plan-Notwendigkeit, Tendenz zur Stagnation und Fäulnis und gleichzeitig Übergang zu einer höheren Gesellschaftsordnung, und Entstehung der Arbeiteraristokratie in den imperialistischen Ländern bei Verschärfung der Ausbeutung anderer Nationen, um hier nur einige Aspekte zu nennen, die im Text entfaltet werden.


Analyse ‚Herrschaftsverhältnis‘

Der Sinnzusammenhang „Herrschaftsverhältnis“ wurde in Mengen- und Ortsangaben, Subjekt und Objekt der Herrschaft und verschiedene Herrschaftsweisen und -instrumente aufgeteilt. Das Subjekt der Herrschaft sind ökonomische und politische Entitäten, Konzerne, Trusts, Banken, das Finanzkapital und Staaten. Objekt der Herrschaft sind andere Unternehmungen, darunter auch Konzerne, sogar Monopole, Kolonien, Halbkolonien, auch nicht-abhängige Länder und zuallerletzt Menschen.

Quantitative Angaben im Sinnzusammenhang „Herrschaftsverhältnis“ bleiben konsistent durch die gesamte Schrift: auf der Seite der Subjekte der Herrschaft werden durchgehend wenige Herrschende, Unterdrückende etc. angegeben, auf der Seite des beherrschten Objekts durchgehend eine große Menge mit Zahlenangaben oder mit quantitativen Zuschreibungen der Menge, „viele“, „meisten“ usw. Häufig findet sich im Text eine Tendenzaussage mit „immer weniger“ oder „immer mehr“. Ortsangaben bezüglich der Subjekte der Herrschaft sind entweder eindeutige Ländernamen oder kontinentale Attribute wie z. B. „das europäische Kapital“ oder bezüglich der Objekte Kontinente, häufig Afrika und Asien.

Des Weiteren wurden alle Textstellen, die in irgendeiner Weise ein Synonym für ‚Herrschaft‘ darstellen bzw. als Akt der Beherrschung interpretiert werden können, herausgefiltert. Diese Synonyme sind folgende: (u.a. koloniale) Unterdrückung, finanzielle Erdrosselung, weltbeherrschende Räuber, Ausplünderung, Bemächtigung, Gewalt, Kontrolle (u.a. Kapital über Kapital), Ausbeutung, Unterwerfung, ‚an sich reißen‘, Abhängigkeit, Aufteilung, Eroberung zwecks Sicherung der eigenen Hegemonie, Untergrabung der Konkurrenten, ‚schalten und walten, wie sie wollen‘, Annexion, Verletzung der nationalen Unabhängigkeit.

Synthese von ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘

Bei der Synthese von ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘ sind folgende Aspekte zu unterscheiden: Erstens Herrschaft als Wesen des Monopols oder Monopol als Herrschaftsverhältnis, zweitens die Herrschaftsweise, drittens die Herrschaftsinstrumente und viertens die Subjekte und Objekte der Herrschaft. Da in der Analyse des Monopolbegriffes klar wurde, dass im Begriff selbst die Bedeutung der Herrschaft über andere angelegt ist, wird auf diese Stellen oben verwiesen.

Die Herrschaftsweise des Monopols kulminiert in ökonomische Macht, jedoch ist sie nicht darauf beschränkt, vielmehr ist die Art und Weise der Herrschaft vor allem durch Gewaltherrschaft zu charakterisieren, wenn die dafür verwendeten Wörter zur Charakterisierung dieser Herrschaft betrachtet werden. Die Instrumente der Herrschaft sind vielseitig und durchdringen alle Ebenen der Gesellschaft. Für die heutige Debatte um die Frage der Identifizierung von imperialistischen Ländern oder um die Frage der ökonomischen Abhängigkeit, bzw. Eigenständigkeit (Souveränität) sind die Ausführungen zu den Instrumenten, die bei der Kontrolle von nationalen Monopolen durch internationales Finanzkapital zum Einsatz kommen, besonders interessant.21

Und schließlich fehlt es Lenins Ausführungen bei der Betrachtung der Herrschaftssubjekte und -objekte kaum an Eindeutigkeit. Lenin beschreibt sehr plastisch, wie nicht nur die eigene Arbeiterklasse oder überhaupt die Arbeiterklasse, sondern eben auch andere Monopole und Nationen, auch solche mit scheinbar eigenständiger Staatlichkeit, vom internationalen Finanzkapital unterworfen werden. Seine Zuspitzungen kulminieren in Aussagen, die die Unterdrückung der vielen / meisten Nationen, Ländern, Staaten der Welt durch eine kleine Gruppe von Staaten, die als Vertreter des zentralisierten Finanzkapitals auftreten, beschreiben.

Hierfür ein paar Zitate, die exemplarisch angeführt werden: „Das ist eine neue Stufe der Weltkonzentration des Kapitals und der Produktion, eine unvergleichlich höhere Stufe als die vorangegangenen. Wir wollen sehen, wie dieses Übermonopol heranwächst.“ (LW22, S. 250)

Und: „Der Imperialismus ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die überallhinden Drang nach Herrschaft und nicht nach Freiheit tragen. Reaktion auf der ganzen Linie, gleichviel unter welchem politischen System, äußerste Zuspitzung der Gegensätze auch auf diesem Gebiet – das ist das Ergebnis dieser Tendenzen. Insbesondere verschärfen sich auch die nationale Unterdrückung und der Drang nach Annexionen, d.h. nach Verletzung der nationalen Unabhängigkeit (denn Annexion ist ja nichts anderes als Verletzung der Selbstbestimmung der Nationen).“ (LW 22, S. 302/303)

Und: „Monopole, Oligarchie, das Streben nach Herrschaft statt nach Freiheit, die Ausbeutung einer immer größeren Anzahl kleiner oder schwacher Nationen durch ganz wenige reiche oder mächtige Nationen – all das erzeugte jene Merkmale des Imperialismus, die uns veranlassen, ihn als parasitären oder in Fäulnis begriffenen Kapitalismus zu bezeichnen.“ (LW 22, S. 305)

Die Logik der Imperialismusschrift

Lenin hatte explizit gemacht, dass er mit der Imperialismusschrift eine allgemein verständliche Schrift vorlegen wollte, die als Lektüre für den politischen Kampf geeignet war. Diese Funktion erfüllte die Schrift ohne Zweifel, nicht zuletzt im Kampf gegen revisionistische, faktisch pro-imperialistische Positionen innerhalb der Arbeiterbewegung. Aber ist die Imperialismusschrift nun ein theoretisches Werk oder nicht?

Die meisten würden zustimmen, dass das so ist, weil Lenin explizit Definitionen liefert, Zusammenhänge aufdeckt und nicht nur rein empirische Beobachtungen beschreibt. In diesem Sinne wurde und wird die Imperialismusschrift auch tatsächlich in der Bewegung behandelt. Häufig werden die Definitionen, die darin enthalten sind, herausgeholt und die darin aufgeführten Begriffe wie „Monopol“, „Finanzkapital“ und „faulender Kapitalismus“ als Marker für die Charakterisierung des imperialistischen Entwicklungsstadiums des Kapitalismus – richtigerweise – benannt. Und wer kennt es nicht: die fünf Merkmale werden auswendig gelernt.

Jedoch ist das nicht alles und leider ist auf dem mehr als hundertjährigen, steinigen Weg bis hierher seit Entstehung des Textes, quasi im Eifer des Kampfes um Sozialismus und gegen Imperialismus, einiges an Erkenntnis wieder verloren gegangen und es gilt, diese Erkenntnisse und Anstrengungen, die vor allem in den 50er und 60er Jahren gleistet wurden, wieder zu sammeln und der Bewegung zur Verfügung zu stellen. Zur Frage der logischen Struktur der Imperialismusschrift gibt es, das sei an dieser Stelle vorgemerkt, noch einiges zu tun.

Kurzum: Dass Lenin sehr bewusst eine bestimmte Textstruktur angelegt hat und sich etwas dabei gedacht hat und dass diese Struktur eine logische innere Bedeutung der Begriffe spiegelt und ihre Anordnung konsequent einer Begriffsentwicklung folgt, kann und soll hier als These vertreten werden. Warum ist das von Bedeutung und welche Rolle spielt das in der heutigen Debatte? Es spielt deshalb eine wichtige Rolle, weil die Begriffe, die in der Debatte benutzt werden, sehr unterschiedlich verwendet werden, entweder als Katalogisierungsmarker, so wie es verschiedene Erscheinungsformen des Dogmatismus verwenden oder als Begriffe, die das Wesen einer Erscheinung zum Ausdruck bringen. Letzteres, so hier die These, ist das nachweisbar richtige Verständnis. Diese These wird unter anderem gestützt auf die Arbeit von Fritz Kumpf, der wiederum seine Auseinandersetzung mit der Logik der Imperialismusschrift vor allem auf sowjetische Forscher der Zeit aufbaute.

Der Imperialismus, so Lenin, sollte als monopolistischer Kapitalismus verstanden werden, als Monopolkapitalismus. Monopol ist nicht als ein rein empirisches Phänomen und auch nicht als ein Überbegriff für verschiedenartige monopolistische Unternehmen zu verstehen, sondern als ein Begriff, der das Wesensmerkmal22 des Imperialismus zum Ausdruck bringt: Herrschaft! In ihm ist die gesetzmäßige und unaufhörliche Bewegung des Kapitals, nämlich Konzentration und Zentralisation, aufgehoben. Aus ihm leiten sich notwendigerweise, also gesetzmäßig, alle weiteren Erscheinungsformen und Tendenzen im Imperialismus ab: Industriemonopole, Bankmonopole, das Finanzkapital, die nationale Unterdrückung, die Arbeiteraristokratie und der unauflöslich mit ihr verbundene Opportunismus und der Fäulnischarakter. Alle diese Erscheinungsformen sind wesentlich Ausdruck von Herrschaft tendenziell immer weniger und immer zentralisierterer Monopole und ihrer Staaten gegenüber tendenziell immer größer werdendenTeilen der Welt. Das ist die Quintessenz des Begriffs23 Monopol, wie Kumpf sagt, der konkreten Abstraktion.

Die logische Struktur des Textes spiegelt genau diesen Inhalt: Lenin setzt Monopol an den Anfang und leitet alle (Erscheinungs-)Formen des Monopols ab. Dabei ist unübersehbar, dass Lenin, ohne den theoretischen Hintergrund explizit zu machen, eine Form logisch von der anderen ableitet. Jedoch haben wir es hier nicht mit einer formal-logischen Schlussfolgerung, sondern mit der dialektischen Logik, also einer Widerspruchslogik zu tun. So wie der Begriff des Monopols schon in sich den Widerspruch zwischen Vergesellschaftung und privater Aneignung in zugespitzter Weise beinhaltet, so entwickeln sich alle weiteren Erscheinungen aus diesem Widerspruch.24

Die Spannung bzw. auch Schwierigkeit ist dabei – und das ist es immer – die Gleichzeitigkeit der historischen Entwicklungsschritte und die logischen Entfaltungen miteinander zu versöhnen. Die Zick-Zack-Bewegungen der Geschichte verstellen den Blick für die sich durchsetzende dialektisch-logische Gesetzmäßigkeit. Hier kommt es sehr stark auf die Lesart an: liest man empirisch-historisch oder erkennt die gesetzmäßige dialektische Entwicklung, die im Text dargelegt ist. Die erste Lesart kann viele, teilweise sehr unterschiedliche Ergebnisse zeigen. Das wiederum ist logisch, denn Empirie und Geschichte im Sinne einer Beschreibung der Oberflächenphänomene kann relativiert, ergänzt und erweitert werden.

Die Imperialismusschrift wird gerade von den Neuinterpretationen, die oben beschrieben wurden, so verwendet – nämlich als eine historische Arbeit über eine konkrete historische Zeit. Bei dieser Lesart wird unterstellt, dass z. B. eine der wesentlichsten Aussagen der Imperialismusschrift, nämlich die Zuspitzung der Widersprüche zwischen den Unterdrückernationen und den unterdrückten Nationen als eine notwendige Erscheinung des Imperialismus nach den (wohlgemerkt ersten und unvollendeten) antikolonialen Befreiungskämpfen beendet wurde. Würden sie verstehen, dass Lenin sehr deutlich macht, dass das unter monopolistischem Kapitalismus unmöglich sei, weil das Phänomen der nationalen Unterdrückung zum Wesen des Monopolkapitalismus gehört, dann könnten sie diesen Fehler vermeiden. Natürlich wäre das auch möglich gewesen, wenn sie nur die Augen aufgemacht hätten oder wenn man die bürgerliche Presse als Feindespresse liest,– aber ich hatte ja vor, mit so wenig Polemik wie möglich auszukommen.

Zwecks Transparenz möchte ich hier noch aufzeigen, wie im Rahmen der Textanalyse die logische Struktur des Textes ersichtlich wurde und noch einmal bewusst angesehen werden konnte: Die erste Runde ermöglichte es, durch die zeitlich sehr zügige Sichtung des Textes als Gesamttext, den Blick für die Gesamtstruktur des Textes zu schärfen. Dabei ergab sich eine Frage, die zur weiteren Beschäftigung drängte. Zunächst einmal war die Absicht, die Textgesamtstruktur auf einer rein inhaltlichen Ebene kenntlich zu machen bzw. zu berücksichtigen. Das sollte veranschaulichen, welche Themen der Text im Zusammenhang, oder besser gesagt in einem Zusammenhang, umfasst und dass man z. B. Aussagen über die „Beherrschung von Kolonien und Halbkolonien“ nicht trennen kann von der „Beherrschung der Welt durch das Finanzkapital“ und diese wiederum nicht von der „Monopolisierung als Wesen des Imperialismus“. Dieser Zusammenhang war als Ergebnis der ersten Runde durch die innere Verknüpfung der einzelnen Kapitel bzw. Aussagen des Textes erkennbar.

Während der Reflexion über diesen Struktur- und Inhaltszusammenhang, stellte sich die Frage, warum der Text mit der Betrachtung des Monopols beginnt. Offensichtlich beinhalteten die nächstfolgenden Kapitel eine Kontinuität in der Beschreibung des „Monopolcharakters“, nur bezogen auf je verschiedene Erscheinungsformen, z. B. Banken, Finanzkapital, imperialistische Staaten, aber auch schienen die zwei wesentlichen Widersprüche am ‘Monopol‘begriff festgemacht zu werden. Das Monopol gerät in einen Widerspruch zu dem Umfeld, aus dem es entstanden ist und beinhaltet und verschärft den Widerspruch zwischen Vergesellschaftung der Produktion auf der einen und privater Aneignung der Produktionsmittel und produzierten Güter auf der anderen Seite. (LW, S. 209 ff)

Die Frage danach, ob es eine tiefere Bedeutung bzw. eine Implikation hat, dass der Text mit dem „Monopol“ beginnt, wurde durch diese Beobachtungen eher verschärft, nicht beantwortet. Es schien zu vieles einer theoretischen Begründung zu widersprechen: das erste Kapitel „Konzentration der Produktion und Monopole“ ist auf den ersten Blick sehr empirisch und historisch. Außerdem gibt es Textstellen, die darauf hindeuten, dass die nächstbehandelten Phänomene wie ‚Banken‘ und ‚Finanzkapital‘ ‚das Monopol‘ hervorgebracht haben. Hier ist ein Hinweis auf die Gleichzeitigkeit der Darstellung historisch-konkreter Entwicklung einerseits und andererseits die logisch-dialektische Entwicklung zu erkennen. Einerseits also wie sich die Monopolisierung aufgrund der konkret vor sich gehenden Konzentration und Zentralisation des Kapitals in der vormonopolistischen Zeit entwickelte und dass für diese Entwicklung Banken und auch die Entstehung der Verschmelzung von Bank- und Industriekapital relevant waren. Erst aber nach einem bestimmten quantitativen Grad dieser Entwicklung, das ‚System‘ in eine andere Qualität umschlägt, nämlich den monopolistischen Kapitalismus. Dass Lenin das Monopol als Wesen des Imperialismus ausmacht, deutete darauf hin, dass die Auswahl des Anfangs der Darstellung – analog auch bei Marx mit der Ware – nicht zufällig und ebenso nicht einfach nur historisch-konkret gemeint sei.

Für die Beantwortung der Frage nach der begrifflichen Einordnung des Monopols wurde – entgegen dem ursprünglichen Plan – doch zur Sekundärliteratur gegriffen. Dankenswerterweise ging diese Lektüre auf einen Hinweis von Arnold Schölzel zurück, der bei einer Veranstaltung auf dieses Buch hinwies. Fritz Kumpf hatte eine Studie zur dialektischen Logik der Imperialismusschrift von Lenin vorgelegt, die seinerzeit mäßig in marxistischen Kreisen beachtet wurde.

Das Heranziehen von Kumpfs Arbeit stellte sich als sehr produktiv heraus, denn er beschäftigt sich genau mit dieser Fragestellung. Er fragt nach dem Ausgangspunkt der Untersuchung bei Lenin. „Das Monopol bedarf für sein Verständnis keiner weiteren Kategorie, die der Erfassung des Begriffes Imperialismus angehört. Das zeigt sich schon äußerlich in der Tatsache, daß Lenin bei der Analyse des Monopols an keiner Stelle genötigt war, auf Kategorien und Begriffe und damit auch auf die von ihnen erfaßten Sachverhalte zurückzugreifen, die erst später entwickelt werden.“ (Hervorhebung KB; Kumpf 1968, S. 93)

Alle weiteren „Momente“, die in der Imperialismusschrift behandelt werden, werden durch das Monopol bestimmt. Noch einmal zur Bedeutung der Tiefenstruktur der Imperialismusschrift für die Imperialismusdebatte. Es gibt in der Debatte zwei einander diametral gegenüber stehende Positionen: die Neuinterpretation behauptet, dass das imperialistische Stadium vor allem durch Monopolisierung im Sinne des Vorhandenseins von Monopolen, also empirisch existierenden großen Konzernen, alle Länder der Welt erfasst habe und somit die gesamte Welt, also alle Nationen der Erde ausnahmslos im imperialistischen Stadium angekommen seien, de facto also kein Land der Welt mehr eine unterdrückte Nationen sein kann oder, wie es gerne heißt, nicht einseitig abhängig, sondern die Nationen in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. Sie verstehen Monopolisierung oder Monopol als Wesen des Imperialismus in dem Sinne, dass das empirische Phänomen Monopol überall existiert bzw. in irgendeiner Weise auffindbar ist.

Es wird jedoch eingeräumt, dass es unterschiedliche Stärken gibt, also die einen Monopole zeitweise stärker als die anderen sind. Durch das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung komme es aber zu einer ständigen Veränderung in der Machtstellung. Das Bild, das wir hier vom imperialistischen Stadium des Kapitalismus erhalten ist mehr oder minder ein Bild der weltweiten Konkurrenz zwischen verschiedenen wesentlich gleichen Akteuren, nämlich Monopolkapitalisten.

Die andere Lesart der Imperialismusschrift versteht Monopol als Charakterisierung, als Wesenszug des Imperialismus in dem Sinne, dass der Kapitalismus mit seinem monopolistischen Stadium ein Stadium erreicht hat, in dem die Herrschaft mono-pol-isiert wird. Lenin wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass es einen Unterschied gibt zwischen den Oberflächenphänomenen und der sich durchsetzenden Wesenseigenschaft des Monopols. Es gibt weiterhin viele Kleinunternehmen, Großkonzerne, Monopole sogar in einer oder vielen Branchen, aber das ist nur die Oberfläche: in Wahrheit hat das konzentrierte und zentralisierte Finanzkapital durch ein Netz von Herrschaftsinstrumenten die Kontrolle über alle diese äußerlich völlig unabhängigen oder teil-abhängigen Akteure. Dieser Prozess ist nicht mehr umkehrbar, weil die Konzentration und Zentralisation des Kapitals auf immer höherer Stufenleiter vor sich geht und die Monopolisierung, also auch Vereinseitigung der Herrschaft, die Unterwerfung immer größerer Teile, inklusive anderer einzelner Monopole und Länder der Welt zur Folge hat.

Dabei ist für viele die Schwierigkeit hier erstens zu verstehen, was eine Begriffsbestimmung ist, aber auch was sie nicht ist. Was ist damit gemeint? Ich denke, dass die Herausforderung des Verständnisses von Begriff ist, dass es nie eins-zu-eins in der Realität auffindbar ist und eben deshalb eine Abstraktion darstellt, jedoch viel genauer und schärfer das Wesen der Sache beschreibt und entsprechend auch das Konkrete wesentlich richtiger erfasst als eine unendliche oberflächliche Beschreibung es je könnte. Zweitens ist es sehr schwierig nicht statisch zu denken. Die Vorstellung, dass ein Begriff eine Tendenz, eine Bewegung, einen Charakterzug darstellt und eben nicht wie ein Abbild, eine Fotografie eines Phänomens ist, fällt sehr schwer. Wenn der Begriff Monopol Einseitigkeit oder Alleinherrschaft bedeutet bzw. beinhaltet, dann ist in der Realität nie nur einer gemeint. Der Begriff drückt eine Richtung, eine Tendenz, ein Bewegungsgesetz aus – und ist kein statischer Ausdruck.

Gegenprobe I: „Unterdrückende und unterdrückte Länder“ oder „gegenseitige Abhängigkeit“?

Ein Argument, das der hier vertretenen Auffassung widerspricht, beinhaltet die These, dass mit dem Ende des Kolonialismus, die durch die nationalen Befreiungskämpfe erwirkt wurde25 nun das gesamte Weltsystem, alle Länder der Welt mit Ausnahme einiger weniger Kolonien wie Palästina und Westsahara, die Stufe des Monopolkapitalismus erreicht hätten und man deshalb nicht mehr von unterdrückenden und unterdrückten Ländern sprechen könne. Diese These steht in klarem Widerspruch zu Lenins Imperialismusschrift. Wenn man die Imperialismusschrift auf eine historische Beschreibung der Zeit, in der sie geschrieben wurde, reduziert, kann diese These als eine Ergänzung der Leninschen Imperialismusschrift verstanden werden. Ergänzung meint hier eine historische Ergänzung, also in dem Sinne, dass Lenin eine bestimmte historische Zeit beschreibt und dann für die Zeit, die Lenin nicht mehr erfassen konnte, etwas hinzugefügt wird. Das ist möglicherweise die Eigeninterpretation der Vertreter einer Sicht auf den Imperialismus als ein System gegenseitiger Abhängigkeiten. Eine solche Lesart unterstellt aber, dass die Aussagen über das Herrschaftsverhältnis keine grundsätzlichen und allgemeinen Aussagen zur Epoche des Imperialismus, des Monopolkapitalismus darstellen. Eine Reihe von Aussagen in der Imperialismusschrift weisen aber darauf hin, dass eine solche Lesart nicht dem Charakter der Imperialismustheorie gerecht wird.

Das ist deshalb so, weil Lenin sehr klare Aussagen über die unvermeidlichen Tendenzen in der imperialistischen Epoche zur Verstärkung der nationalen Frage macht. Das, was oben als das Wesen des Imperialismus, nämlich das Monopol als Herrschaftsverhältnis ausgeführt wurde, bestimmt die Tendenz zur weiteren Verschärfung der Unterwerfung großer Teile der Erde, das meint Nationen, Länder, aber auch die Bevölkerung, unter das Diktat des Finanzkapitals. Lenin weist in seiner Schrift mit Bezug auf Hilferding darauf hin, dass die Entwicklung dahin gehen muss, dass die unterdrückten Nationen gerade durch ihre kapitalistische Entwicklung den Unterdrückerländern den Garaus machen (LW 22, S. 303).

An dieser Stelle sei nur beispielhaft auf folgende Stelle im Text verwiesen: „Mit Recht hebt Hilferding den Zusammenhang des Imperialismus mit der Verschärfung der nationalen Unterdrückung hervor: ‚In den neu erschlossenen Ländern selbst aber‘, schreibt er, ‚steigert der importierte Kapitalismus die Gegensätze und erregt den immer wachsenden Widerstand der zu nationalem Bewußtsein erwachenden Völker gegen die Eindringlinge, der sich leicht zu gefährlichen Maßnahmen gegen das Fremdkapital steigern kann. Die alten sozialen Verhältnisse werden völlig revolutioniert, die agrarische, tausendjährige Gebundenheit der ‚geschichtslosen Nationen‘ gesprengt, diese selbst in den kapitalistischen Strudel hineingezogen. Der Kapitalismus selbst gibt den Unterworfenen allmählich die Mittel und Wege zu ihrer Befreiung. Das Ziel, das einst das höchste der europäischen Nationen war, die Herstellung des nationalen Einheitsstaates als Mittel der ökonomischen und kulturellen Freiheit, wird auch zu dem ihren. Diese Unabhängigkeitsbewegung bedroht das europäische Kapital gerade in seinen wertvollsten und aussichtsreichsten Ausbeutungsgebieten, und immer mehr kann es seine Herrschaft nur durch stete Vermehrung seiner Machtmittel erhalten.‘“ (LW 22, S. 302/303)

Das heißt nichts anderes, als dass die unterdrückten Nationen, unter anderem auch und gerade durch die kapitalistische Entwicklung, den Unterdrückernationen ihre Unterwerfung erschweren. Konkret bedeutet es z. B., dass sie den Anspruch erheben, selbst über ihre Ressourcen zu bestimmen, die Handelswege zu kontrollieren etc. Das wiederum lässt die Unterdrückerländer nicht gleichgültig, vielmehr werden sie ihre Machtmittel, vor allem Gewaltmittel, vermehren und die unterdrückten Nationen mit Krieg, Zerstörung und Besatzung dazu zwingen, ihre Bedingungen weiterhin zu befolgen. Wie blind muss man sein, um nicht zu sehen, dass sich genau das in den letzten Jahrzehnten in immer heftigeren Formen vor unseren Augen abspielt.26

Dieser Aspekt wurde hier herausgegriffen, um auf eine bestimmte Seite der Textanalyse hinzuweisen, die sich mit der Frage nach den im Text beschriebenen Tendenzen im Imperialismus beschäftigt. Die Untersuchungen zu weiteren Tendenzen finden sich weiter unten. Die Frage danach, ob Lenin unterstellt, dass es im Laufe der Entwicklung des Kapitalismus in seiner imperialistischen Epoche zu mehr oder weniger nationaler Unterdrückung kommen wird, kann eindeutig beantwortet werden: Lenin geht von einer Ausweitung und Verschärfung der nationalen Unterdrückung aus. Wer also heute behauptet, dass im heutigen Imperialismus nicht mehr von „unterdrückenden und unterdrückten Nationen“ gesprochen werden kann, muss offen aussprechen, dass es eine falsche Diagnose von Lenin war, dies zu behaupten und dann im nächsten Schritt die Leninschen Aussagen widerlegen. Hier sei nur angemerkt, dass die faktische Entwicklung der Welt aus meiner Sicht die Leninschen Aussagen mehr als bestätigt hat. Wer ernsthaft behauptet, dass nach den nationalen Befreiungskämpfen vor allem in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die Unterdrückung der Nationen beendet wurde, der muss sich nicht wundern, wenn ihm angesichts der Hülle und Fülle historischer und gegenwärtiger Gegenbeweise vorgeworfen wird, ein Apologet des Imperialismus zu sein.

In der Argumentation wird häufig der Ausdruck der „gegenseitigen Abhängigkeit“ verwendet, um gegen die Vorstellung zu argumentieren, dass es einseitige Abhängigkeitsverhältnisse gibt. Um auch diesem Argument zu begegnen, wurde die Imperialismusschrift speziell danach untersucht27, ob es Hinweise auf ein solches Verständnis geben kann. Dabei wurde – entsprechend der Methode der Gegenprobe – darauf geachtet, wohlwollend diese Position wiederzufinden.

Unter den neunzehn expliziten Textstellen wurden zwei gefunden, die eine solche Lesart vorstellbar machen. An einer Stelle geht es um Portugal als einen politischen eigenständigen Akteur, der ja sogar noch Kolonien besaß. Hier geht es darum, dass England Portugal samt seines Kolonialbesitzes verteidigte und dafür als Gegenleistung Privilegien hinsichtlich der Handelswege etc. von Portugal bekam. Lenin fügt dieser Beschreibung folgendes hinzu: „Derartige Beziehungen zwischen einzelnen großen und kleinen Staaten hat es immer gegeben, aber in der Epoche des kapitalistischen Imperialismus werden sie zum allgemeinen System, bilden sie einen Teil der Gesamtheit der Beziehungen bei der ‚Aufteilung der Welt‘ und verwandeln sich in Kettenglieder der Operationen des Weltfinanzkapitals.“ (LW 22, S. 268)

Diese Textpassage kann dazu verleiten, daraus eine Aussage zu konstruieren, die im Kern besagt, dass in der imperialistischen Epoche „derartige Beziehungen“, im Sinne von Beziehungen gegenseitiger Abhängigkeit zum „allgemeinen System“ werden. Eine solche Lesart ist aber nur möglich, wenn der Kontext – und damit ist nicht der ganz große Kontext i. S. der gesamten Imperialismusschrift gemeint – unbeachtet bleibt. Dieser Punkt wird von Lenin eingeleitet, um verschiedene Formen der Abhängigkeit zu beschreiben. Er möchte Missverständnissen bezüglich seiner wiederholten Formulierung „Kolonialpolitik“ vorbeugen und klarmachen, dass es sich bei der Abhängigkeit und Unterwerfung, kurz Beherrschung, eben nicht nur um Kolonien handelt.

Er schreibt: „Spricht man von der Kolonialpolitik in der Epoche des kapitalistischen Imperialismus, dann muß bemerkt werden, daß das Finanzkapital und die ihm entsprechende internationale Politik, die auf einen Kampf der Großmächte um die ökonomische und politische Aufteilung der Welt hinausläuft, eine ganze Reihe von Übergangsformen der staatlichen Abhängigkeit schaffen. Typisch für diese Epoche sind nicht nur die beiden Hauptgruppen von Ländern – die Kolonien besitzenden und die Kolonien selber -, sondern auch die verschiedenartigen Formen der abhängigen Länder, die politisch, formal selbständig, in Wirklichkeit aber in ein Netz finanzieller und diplomatischer Abhängigkeit verstrickt sind.“ (LW 22, S. 267)

In Wirklichkeit sind also diese Länder, um die es hier geht, abhängig und zwar einseitig. Argentinien und Portugal werden jeweils als sehr unterschiedliche Beispiele angeführt. Lenin geht es also darum, die Bandbreite der Möglichkeiten hinsichtlich der unterschiedlichsten Formen der Abhängigkeit darzulegen, um genau dem falschen Verständnis vorzubeugen, dem die Apologeten bis heute erlegen sind.

Aber schon aus dem obigen Zitat solche Schlussfolgerungen zu ziehen28, zeugt von einem sehr begrenzten Lesevermögen. Denn schon dort werden diese Länder mit formaler Selbständigkeit als „Kettenglieder der Operationen des Weltfinanzkapitals“ bezeichnet. Sie sind nicht Kettenglieder des Weltfinanzkapitals, sondern Kettenglieder der Operationen, also Mittel zum Zweck der „Aufteilung der Welt“.

Zugegebenermaßen ist die zweite Textstelle29 wahrscheinlich keine Stütze für die ‚gegenseitige Abhängigkeit‘, aber da nach der hier angewandten Methode, diese potenziell infrage käme, wird sie kurz erwähnt. Dabei geht es um ein Zitat von Hobson, bei dem es eigentlich um die Abhängigkeit bestimmter Industriezweige von staatlichen Aufträgen geht. Aber auch darum, dass die „alten Imperien“ durch zwei Faktoren geschwächt werden: erstens durch ökonomischen Parasitismus und zweitens durch den Einsatz von Kolonialsoldaten. Der zweite Faktor könnte als ein Beispiel für gegenseitige Abhängigkeit genommen werden, aber nur dann, wenn man das Wort ‚abhängig‘ hier rein technisch verwendet. Ob das so ist oder nicht, überlasse ich dem Urteilsvermögen der Leser. Ganz so weit hergeholt scheint es mir jedoch nicht, zu unterstellen, dass eine solche Textstelle so gelesen werden könnte.

Denn heute wird argumentiert, dass der Imperialismus deshalb ein System gegenseitiger Abhängigkeit wäre, weil die einen von den Rohstoffen der anderen ‚abhängig‘ wären. Der Sinn des Wortes ‚Abhängigkeit‘ wird also genau so gelesen, wie ich es als ‚technisch‘ bezeichnet habe. Mit ‚technisch‘ meine ich, dass jede Art von vermeintlicher Wertung, die auf Herrschaft oder Unterdrückung hinweisen könnte, ausgeblendet wird. So wie z. B. eine Pflanze von Wasser abhängig ist. Man könnte auch sagen, dass der Sinn des Wortes ‚Abhängigkeit‘ ganz neutral gelesen wird, weil man ja nicht von „unterdrückenden und unterdrückten Nationen“ sprechen möchte. Dass aber neutrales Lesen in einer Klassengesellschaft kaum möglich ist, wurde oben schon ausgeführt. Im Sinne welcher Klasse Neutralität‘ letztlich umschlagen muss, bleibt dem Urteil des Lesers selbst überlassen.

Gegenprobe II: „Ungleichmäßige Entwicklung“

Einer der Bezugspunkte für die These der neu aufsteigenden imperialistischen Mächte wie Russland und China, ist das Gesetz der Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwicklung30. Bevor hier auf die Ergebnisse der Textanalyse eingegangen wird, ganz kurz ein paar Worte zu diesem Gesetz. Lenin formulierte diesen Gedanken, um der falschen Vorstellung, es könne zwecks Einigung und Frieden zwischen den europäischen Großmächten, die Vereinigten Staaten von Europa gefordert werden. Der Hauptgedanke dabei ist, dass die Krisenhaftigkeit einerseits und der technologische Fortschritt andererseits, aber auch andere besondere politische und sonstige Bedingungen dazu führen, dass sich kapitalistische Länder unterschiedlich schnell, ja sprunghaft entwickeln oder schwere Niederlagen erleiden. ‚Gestörte Gleichgewichte‘ wie z. B. zwischen stagnierenden alten und mächtigen Ökonomien und neuen aufstrebenden kapitalistischen Mächten, würden nur durch zwei verschiedene Faktoren wieder ausgeglichen werden, entweder durch Krisen oder durch Kriege.

So weit so gut, möchte man meinen. Eine Welt, in der es auch ohne Krisen und Kriege möglich ist, zum Imperialisten aufzusteigen und als Imperialist jederzeit abzusteigen, für den einen oder anderen ist es sogar möglich gleichzeitig oben und unten zu sein31. Polemik beiseite: dass das oben genannte Gesetz seine Gültigkeit besitzt, ist offensichtlich, wenn man sich die Geschichte der letzten 100 plus x Jahre anschaut. Das Verhältnis zwischen den imperialistischen Ländern ist durch ihre ungleichmäßige Entwicklung stark verändert. Auch hat der Kapitalismus in einigen der nicht-imperialistischen Länder Einzug erhalten und hat sich enorm entwickelt. Auch diese Länder entwickeln sich ungleichmäßig.

Wo also liegt der Dissens? Dieser liegt schlicht darin, ob Nationen und ihre Ökonomien, die unterdrückt werden und abhängig sind, rein durch ihre ökonomische Entwicklung den Sprung zum Imperialisten, oder sagen wir angemessenerweise Unterdrücker, schaffen können. Dies wird behauptet, und zwar nicht nur in Bezug auf einzelne große Länder wie China oder die Russische Föderation, sondern in Bezug auf alle Länder der Welt. Außerdem liegt der Dissens noch tiefer: es ist etwas anderes zu behaupten, dass Länder eine kapitalistische Entwicklung durchmachen und dabei sogar recht gut abschneiden und zu sagen, dass sie zu imperialistischen Ländern werden.

Überhaupt ist die Vorstellung, dass es in der Epoche des Imperialismus eine Entwicklung im gleichen Sinne – ohne Widerstand und nationale Befreiung oder ohne Kampf um nationale Souveränität – geben kann wie zu Zeiten des Konkurrenzkapitalismus, – eine Zeit in der z. B. Deutschland sich sprunghaft entwickelte. Denn wie wir oben gesehen haben, muss eine solche kapitalistische Entwicklung unter imperialistischen Bedingungen stattfinden. Anstatt sich aber diese imperialistischen Bedingungen genau anzuschauen, z. B. die Netze des „Weltfinanzkapitals“ und das Monopol auf Ebenen der Einflusssphären etc. pp., wird einfach die Tatsache, dass es in einem Land ‚große Banken‘ gibt, als Beleg für den imperialistischen Charakter genommen. Die Aufgabenstellung wäre, wenn man denn überhaupt die Leninsche Methode richtig findet, zu schauen, ob diese Bank von anderen Banken und vom internationalen Finanzkapital durchdrungen wird oder grundsätzlicher in welchem Verhältnis diese zueinander stehen.

Die Textanalyse wurde hier zum Zwecke der Gegenprobe durchgeführt, um herauszufinden, ob es Textstellen gibt, die eine Lesart in dem Sinne zulassen, dass es in der imperialistischen Epoche zu dauerhaften und / oder sprunghaften32 Entwicklungen von nicht-imperialistischen Ländern zu imperialistischen Ländern kommen kann. Zu diesem Zweck wurde der Text nicht nur anhand des Stichwortes „ungleichmäßig“ in Verbindung mit den Stichwörtern „Entwicklung“ und „Gesetz“ untersucht, sondern auch nach ähnlich gelagerten Bedeutungssphären, die beispielsweise Hinweise auf unterschiedliche Geschwindigkeiten in der Entwicklung, oder auf Machtverschiebungen geben. Es wurden auch unterschiedliche Bezüge untersucht, um zu prüfen, ob sich die Entwicklung auf Industriezweige, Länder, oder anderes bezieht.

Außerdem wurde der Kontext der Aussagen untersucht. Erstens: um was geht es dem Autor in dem Textabschnitt, was möchte er erläutern, warum ist die Frage der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung in diesem Kontext wichtig. Zweitens: um welchen historischen Kontext handelt es sich, vor allem um welche Entwicklungsstufe des Kapitalismus.

Folgendes Ergebnis kann vorerst festgehalten werden: Hinweise auf Gesetzmäßigkeiten werden vor allem durch das Wort „unvermeidlich“ gegeben. In einer anderen Schrift33 ist die Rede davon, dass die „Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwicklung (…) ein unbedingtes Gesetz des Kapitalismus“ ist. Die Ungleichmäßigkeit selbst wird vor allem auf zwei verschiedene Weisen benutzt. Auf der einen Seite in Bezug auf die ungleichmäßige Verteilung (insbesondere des Kolonialbesitzes) zwischen den imperialistischen Ländern, auf der anderen Seite in Bezug auf die ungleichmäßige Geschwindigkeit und Qualität der (Produktivkraft-)Entwicklung sowohl unter den kapitalistischen, aber auch unter den nicht nur kapitalistischen, sondern auch imperialistischen Staaten. Es geht also entweder um die Frage der Entwicklung imperialistischer Länder und die Machtverschiebungen zwischen ihnen, anders gesagt um zwischenimperialistische Widersprüche oder um die Frage danach, wann und wie es gelingt, sich durch ungleichmäßige Entwicklung der Produktivkräfte in den verschiedenen Ländern (auch in einem unterjochten Land) vom Imperialismus zu befreien, insbesondere durch sozialistische Revolutionen.

Darüber, dass es im Imperialismus notwendig zu imperialistischen Kriegen um die Neuverteilung kommen muss und als eine der Ursachen die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung angeführt wird, kann es keinen Dissens geben. Wenn es jedoch, um die Begründung von veränderten Machtkonstellationen (Auf- und Abstieg in der so genannten „Pyramide“ oder Entstehung neuer imperialistischer „Pole“) geht34, müsste zunächst nachgewiesen werden, wie sich Machtverschiebungen ergeben haben und wie diese heute aussehen. Das kann nicht durch Auflistung von BIP-Zahlen35 und isolierten Betrachtungsweisen, sondern durch die Untersuchung eines Verhältnisses nachgewiesen werden. Außerdem müsste gezeigt werden, wie diese neuen Machtkonstellationen entstanden sind, wenn nicht durch Krisen oder durch „Gewalt“, also z. B. Krieg.

Die Aufteilung der Welt, so beschreibt es Lenin, geschieht nach Kapital und Macht. (LW 22, S. 257) Diese Verteilung verändert sich und ob diese nun ökonomische Verschiebungen sind oder durch militärische Mittel gelöst werden müssen, ist eine konkrete Frage. An dieser konkreten Stelle beschäftigt sich Lenin mit den falschen Vorstellungen von Kautsky und anderen bürgerlichen Denkern, die davon ausgehen, dass die Monopolisierung zu mehr Frieden führen kann, weil dann alles schon in einer Hand ist. Lenin geht es an dieser Stelle darum, den weiterhin bestehenden Kampf zwischen den Monopolkapitalisten, um die Aufteilung der Welt zu erklären. In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass sich die Macht verschieben kann. Der Punkt ist, dass diese Verschiebung sich anhand von Kapital und Macht konkret zeigen lassen muss.

Eine Entwicklung, die einen Machtwechsel und nicht nur eine Machtverschiebung sein soll, aber nicht gewaltsam vor sich geht, kann nicht auf Lenins Aussagen gestützt werden. Zur Veranschaulichung sei am Beispiel Chinas erklärt, dass es nicht ausreicht zu sagen, dass es das unbedingte Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung gäbe und deshalb auch China jetzt im Club der Räuber sei. Stattdessen müsste die konkrete Verflechtung der chinesischen Monopole mit dem internationalen Kapital nachgewiesen werden, um zu zeigen, dass es sich hier um weltbeherrschende Monopole handelt und nicht einfach um ein bestimmtes Marktsegment (Konsumindustrie, Landwirtschaft, Rohstoffe…) an der Spitze der Produzenten.

Dieser Teil der Textanalyse ist wenig ertragreich. Denn die Argumentation, auf die sich hier bezogen wird, nimmt zwar das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung als Stütze für die eigene Position, aber bezieht nur die Aspekte ein, die für ihre Argumentation nützlich sind, nämlich die Tatsache, dass es eine ungleichmäßige Entwicklung gibt und diese zur Veränderung von Machtkonstellationen führt. Wie aber diese Veränderungen von statten gehen, wie die Gegenkräfte sind und unter welchen Bedingungen solche Veränderungen denkbar sind und – nicht weniger wichtig – wie die Veränderungen im Verhältnis zum internationalen Machtgefüge zu bewerten sind, alle diese Fragen bleiben unbeachtet und unbeantwortet.

Gegenprobe III: Entwicklungstendenzen in der imperialistischen Epoche des Kapitalismus – und die Gegenkräfte

Aussagen, die in irgendeiner Weise Tendenzen beschreiben wurden in die Gegenprobe aufgenommen um feststellen zu können, ob Lenin Aussagen über die Entwicklungstendenzen des Imperialismus macht, die möglicherweise so verstanden werden können, wie die Neuinterpretationen nahelegen, also z. B. in die Richtung eher gegenseitiger statt einseitiger Abhängigkeit oder in Richtung weniger nationaler Unterdrückung. Tatsächlich muss festgestellt werden, dass Lenin Tendenzen eher zur Verschärfung dieser Verhältnisse beschreibt und nicht mögliche Einebnungen der Verhältnisse und auch keine gegenläufigen Tendenzen, außer wenn es um die Krisen und um den Kampf für Sozialismus geht.

Folgende explizite Aussagen, die etwas über Tendenzen im imperialistischen Stadium des Kapitalismus aussagen, konnten ausfindig gemacht werden. Hier mit einer Auswahl von Belegstellen:

  • Tendenz zur Verschärfung des Widerspruchs zwischen Vergesellschaftung der Produktion und Aneignung durch immer weniger private ‚Hände‘ (S. 209/210)
  • Verstärkung und Beschleunigung der Kapitalkonzentration durch Bankmonopole (S. 218) und Entstehung des Finanzkapitals
  • Tendenzielle Zuspitzung der innerimperialistischen Widersprüche: z. B. durch den (tendenziell) verschärften Kampf um Rohstoffe (z. B. S. 265) und tendenzielle Konzentration der Macht in immer weniger Hände (S. 276)
  • Tendenzielle Verschärfung der nationalen Unterdrückung (S. 302/303; S. 305)
  • Tendenz zur Fäulnis (S. 280/281; S. 305)

Die Auseinandersetzung mit der Frage der Tendenzen ist durchaus ergiebig, kann aber im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht ausgeweitet werden. Diese sollte als eigene Fragestellung aufgenommen und bearbeitet werden. Dabei sollte es um die Frage der Bewegungsgesetze des Imperialismus und um ihre unvermeidliche Richtung gehen, die eben nur durch den Krieg oder durch Sozialismus negiert werden kann.

Ausblick

Die erste Feststellung dieses bescheidenen Aufschlages ist, dass diese Arbeit nicht mehr als nur ein Aufschlag sein kann. Der Versuch mit dem Instrument der Textanalyse bestimmte Fragen an den Text schärfer zu beantworten, war insofern befriedigend, weil er erstens eine gewisse Bestätigung der eigenen Annahmen bezüglich Lenins Aussagen als Ergebnis hatte. Zweitens aber, und das ist viel wichtiger: diese Art Beschäftigung mit dem Text hat – zumindest meinen – Horizont für einige weitere Fragen eröffnet. Wie verhält es sich mit der dialektischen Logik in Lenins Imperialismusschrift? Warum findet sich zu dieser Frage nur sehr wenig auf deutscher Sprache? In der Sowjetunion gab es zwar eine ähnliche Arbeit zum ‚Kapital‘ von Karl Marx36, jedoch keine intensive Auseinandersetzung damit.

Überhaupt ist die Frage, ob eine solche Auseinandersetzung mit der Frage der Methode und dem tieferen Verständnis der Grundlagen für die Untersuchung der Wirklichkeit zu unterschätzen ist und inwiefern die Bewegung heute das entsprechende Werkzeug besitzt, um diese Arbeit fortzusetzen. Hier gibt es offensichtlich noch viel zu tun.

Fest steht jedenfalls, dass diese Analyse nur sehr begrenzt war und sein konnte. Jetzt nach der Ausformulierung des (Zwischen-)Standes, bleibt das Gefühl, dass die Arbeit noch nicht beendet ist, sondern erst begonnen hat.

Zum Beispiel wäre es sehr wichtig die Gesamtstruktur noch einmal genauer zu analysieren und dessen Implikationen besser zu verstehen. Die Entfaltung des Begriffs des Monopols als eine konkrete Abstraktion sollte auch genauer analysiert werden, und zwar mit Beachtung der Frage, welche Rolle die Darstellungsweise spielt. Um die Darstellung besser zu verstehen, wäre eine Veranschaulichung der verschiedenen Ebenen sehr hilfreich.

Außerdem wurde die Widerspruchslogik im Laufe der Arbeit immer deutlicher. Offensichtlich ist auch die in der politischen Praxis notwendige Auseinandersetzung gerade mit diesen Widersprüchen, wie z. B. mit den Widersprüchen nationale Befreiung und Imperialismus bzw. Arbeiterklasseund Imperialismus. Lenin selbst hatte sich hiermit schon auseinandersetzen müssen und wir haben heute die Aufgabe, uns diese Erfahrungen anzueignen, um die laufenden Kämpfe, unter wohlweislich anderen Bedingungen (Niederlage des Sozialismus, Veränderungen im imperialistischen Lager, aber auch vor sich gehende Befreiungsbewegungen…) erst zu verstehen, um uns dann involvieren zu können.

Dies sind nur Hinweise auf mögliche weitere Arbeiten. Was die politische Dimension der Arbeit angeht, ist folgendes zu sagen: eigentlich hätte es vielleicht für die Widerlegung der offensichtlich falschen Referenzen auf Lenin keine Textanalyse gebraucht. Jedoch ist es für die Diskussion erst einmal hilfreich, denn es kann jetzt zumindest mit Sicherheit gesagt werden, dass hier Scharlatanerie im Spiel ist, wenn sich heute Apologeten des Imperialismus zwecks Einebnung der Herrschaftsverhältnisse auf Lenin beziehen und im schlimmsten Falle dabei ihrem eigenen imperialistischen Land einen Dienst erweisen.

Kam inmitten des Ersten Weltkrieges den Kommunisten die Aufgabe zu nachzuweisen, dass es sich bei diesem Krieg um einen allseitig imperialistischen Krieg handelte, so kommt es heute darauf an, nachzuweisen, dass es heute um die Unterwerfung von Ländern und Regionen geht, die sich den Fesseln des Imperialismus zu entwinden versuchen. Hier ist der Widerspruch zwischen imperialistischer Erdrosselung und nationaler Befreiung auf der Tagesordnung und das haben Lenin und Hilferding richtig vorausgesehen37.

Völlig zu ignorieren, dass ein Land wie die Russische Föderation nach dem Kollaps und der Niederlage der Sowjetunion (SU), sofort zur vogelfreien Beute der imperialistischen Mächte wurde und werden musste – das ist die Voraussetzung dafür, dass man die weitere Entwicklung nicht auf Grundlage dieser Voraussetzung, dieser Bedingungen versteht, sondern weiterhin blind und borniert von den verbrecherischen Feldzügen der eigenen Imperialisten ablenkt. Ein Land wie Russland soll unter den Bedingungen der Unterwerfung nach 1991 und im Umfeld eines siegreichen Imperialismus (gegen die SU) innerhalb kürzester Zeit zu einem imperialistischen Land aufgestiegen sein. Dieser Gedanke selbst zeugt davon, wie wenig die Vertreter solcher Positionen den allgemeinverständlichen kurzen Abriss von Lenin verstanden haben. Schon die Existenz solcher Positionen innerhalb der Bewegung ist Rechtfertigung genug, sich eingehend mit der Imperialismusschrift zu befassen.

Zum Schluss: Geschichte wiederholt sich nicht. Damals war es der Vorwand der „Vaterlandsverteidigung“, heute ist es der Vorwand gegen die „Vaterlandsverteidigung“, – der Russischen Föderation wohlgemerkt –, um nicht dem eigenen Imperialismus in den Rücken zu fallen. Und der rote Faden der Geschichte bleibt dennoch: Damals wie heute geht es darum, den Betrug aufzudecken, egal unter welchem Deckmantel er erscheint und kompromisslos auf der Seite der Unterdrückten und Verdammten dieser Erde zu stehen. Wer das tut, setzt das Werk Lenins fort und an dieser Stelle lohnt es sich, mit einem längeren Zitat von Lenin zu enden:

„Der Imperialismus ist die fortschreitende Unterdrückung der Nationen der Welt durch eine Handvoll Großmächte. Er ist die Epoche der Kriege zwischen ihnen um die Erweiterung und Festigung der nationalen Unterdrückung. Er ist die Epoche des Betruges an den Volksmassen durch die heuchlerischen Sozialpatrioten, d. h. durch die Leute, die unter dem Vorwand der „Freiheit der Nationen“, „des Selbstbestimmungsrechts der Nationen“, der „Vaterlandsverteidigung“ die Unterdrückung der Mehrheit der Nationen der Welt durch die Großmächte rechtfertigen und verteidigen. Eben deshalb muß die Einteilung der Nationen in unterdrückende und unterdrückte den Zentralpunkt in den sozialdemokratischen Programmen bilden, da diese Einteilung das Wesen des Imperialismus ausmacht und von den Sozialpatrioten, Kautsky inbegriffen, verlogenerweise umgangen wird. Diese Einteilung ist nicht wesentlich vom Standpunkt des bürgerlichen Pazifismus oder der kleinbürgerlichen Utopie der friedlichen Konkurrenz der unabhängigen Nationen unter dem Kapitalismus, aber sie ist eben das Wesentlichste vom Standpunkt des revolutionären Kampfes gegen den Imperialismus.“ (LW 21, S. 416)38

Literatur

Kumpf, Fritz: Probleme der Dialektik in Lenins Imperialismus-Analyse, eine Studie zur dialektischen Logik, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1968

Lenin, Wladimir Iljitsch: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Gemeinverständlicher Abriss, In: Leninwerke, Band 22, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Dietz Verlag Berlin 1971. Im Text zitiert mit LW 22 + Seitenzahl.

Lenin, Wladimir Iljitsch: Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, In: Leninwerke, Band 21, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Dietz Verlag Berlin 1971

Lenin, Wladimir Iljitsch, Das revolutionäre Proletariat und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, 1915, In: Leninwerke, Band 21, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Dietz Verlag Berlin 1971

Nkrumah, Kwame: Neo-Colonialism, The Last Stage of Imperialism, PANAF Books 1970.

Smith, John: Imperialism in the Twenty-First Century, Globalization, Super-Exploitation and Capitalism’s Final Crisis, Monthly Review Press, New York, 2016.

Vazjulin, Viktor A.: Die Logik des „Kapitals“ von Karl Marx, Aus dem Russischen von Gudrun Havemann, Books on Demand GmbH, Norderstedt 2006.

1 Ob und in welchem Maße angesichts der Passivität, der schreienden Ruhe und Desorientiertheit hier von „Bewegung“ gesprochen werden kann, soll hier unbeachtet bleiben.

2 Pazifistisch in dem Sinne, dass man gegen den Krieg ist, aber pro-imperialistisch, weil man das gleiche Narrativ eines ‚imperialistischen Angriffskrieges‘ und damit die Propaganda der eigenen Imperialisten verbreitet.

3 Lenin, Wladimir Iljitsch: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Gemeinverständlicher Abriss, In: Leninwerke, Band 22, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Dietz Verlag Berlin 1971. Im Text zitiert mit LW 22 + Seitenzahl.

4 Siehe Vertreter der SKP 2022: https://kommunistische-organisation.de/podcast/podcast-22-podcast-mit-andreas-soerensen-von-der-skp/ Dieser steht nur beispielhaft, wenn auch besonders plastisch, für eine ganze Reihe kommunistischer Parteien und Organisationen, die sich einem vermeintlich revolutionären Pol zuordnen und den Imperialismus in seiner heutigen Brutalität relativieren.

5 Siehe Spanidis: Die Bourgeoisie im imperialistischen Weltsystem | Kommunistische Partei

6 Empfehlung: Nkrumah, Kwame: Neo-Colonialism, The Last Stage of Imperialism, PANAF Books 1970.

7 https://www.mlpd.de/broschueren/der-ukrainekrieg-und-die-offene-krise-des-imperialistischen-weltsystems/der-ukrainekrieg-und-die-offene-krise-des-imperialistischen-weltsystems

8 https://www.marx21.de/marx21-pocket-edition-der-krieg-um-die-ukraine-imperialismus-heute/

9 https://monthlyreview.org/2024/11/01/the-new-denial-of-imperialism-on-the-left/

10 Ebenda.

11 Eine Zusammenstellung der Positionen der KKE finden sich hier: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/imperialismus-krieg-und-die-kommunistische-bewegung/ und hier: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/dossier-die-kontroverse-zwischen-kke-kprf-und-rkap/

Mit jeweils entsprechenden Referenzen.

12 Die Debatte verlief nicht ohne komische Züge: die Protagonisten dieser Position ruderten insofern zurück, dass sie davon Abstand nahmen, dass es überhaupt Sinn mache, Imperialismus adjektivisch zu benutzen. Vielmehr seien alle Länder in einem imperialistischen Weltsystem eingebettet, was an sich niemand bestreiten würde. Eine Aussage, die so ziemlich nichts aussagt und diffuser nicht sein kann. Siehe dazu beispielhaft: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/russlands-imperialistischer-krieg/

13 Ob schriftlich oder mündlich spielt keine Rolle. Das Wichtigste ist jedoch, dass ein Text eine kommunikative Funktion hat. Etwas nur Gedachtes ist noch kein Text. Erst, wenn der Gedanke sich mitteilt, dann findet ein Formwandel statt und er wird zu einem Text.

14 Das heißt natürlich nicht, dass es nicht möglich ist, die Klassenschranken durch bewusste Reflexion und vor allem durch Handlungen zu durchbrechen.

15 Es hat sich eingebürgert von Text-Analyse zu sprechen, auch wenn diese Bezeichnung nur die eine Seite der Arbeit bezeichnet. Eigentlich wäre die Bezeichnung der ‚Exegese‘ richtiger. Jedoch wird durch die vor allem in der Theologie angewandte Bezeichnung die Vermittlung dieser eigentlichen richtigen Bezeichnung nicht einfacher. Der Einfachheit halber wird hier von Textanalyse gesprochen.

16 Dieser Anspruch, der Anspruch der Objektivität, kann nur als Anstrengung verstanden werden, ein Versuch, den Text so weit wie möglich objektiv zu verstehen.

17 D.h., dass untersucht wurde, inwiefern diese Begriffe in einer kohärenten Weise in Satz und Satzkontexte und Bedeutungssphären eingebaut sind, sodass sich ihre Bedeutung also nicht wandelt oder sogar widerspricht (Inkohärenz).

18 Mit „Weisen“ sind hier vor allem Ebenen der Abstraktion, Zuordnungen (wie z. B. Instrumente) oder grammatikalische Formen gemeint. Dabei sind „Weisen“ eher reduktionistisch als Form bzw. Vorkommnis zu verstehen und weniger als Sinnzusammenhänge oder Bedeutung. Es geht lediglich darum, die tatsächlichen Vorkommnisse im Text zunächst zu erfassen. Welche Bedeutung ihnen zukommt oder in welchem Sinnzusammenhang diese Formen eine bzw. eine weitere Bedeutung erhalten, ist erst nach der Untersuchung der Form feststellbar. Der Text gibt die erfassten Formen („Weisen“) selbst vor. In folgenden Weisen wurden die Vorkommnisse ‚Monopol‘ festgestellt: Metaebene und Abstraktion /Erscheinungsformen/Wortverknüpfungen/Konkreta/Instrumente/Als Adjektiv/ Mit Adjektiv. [ich kann hier keinen Kommentar setzen: Die Aussage, der Text gebe die Formen vor, stimmt ja nur bedingt. Er legt bestimmte, einzelne und konkrete, Vorkommnisse vor. Die Kategorisierung, die du vornimmst, passiert durch dich und sollte irgendwie begründet sein. Zumal einmal morphosyntaktische/formale Merkmale und ein andermal inhaltliche Kategorien gesetzt werden, die sich ja keineswegs im vornherein gegenseitig ausschließen bzw. formal-logisch voneinander abgrenzen lassen]

19 Es wird hoffentlich im Laufe der vorliegenden Arbeit klar, dass es erstens eine solche empirische Lesart gibt und zweitens, dass das eine falsche Lesart ist. Dabei ist nicht die Frage, ob diejenigen, die eine empirische Lesart haben, nicht auch grundsätzliche Aussagen aus der Imperialismusschrift herausfiltern, sondern inwiefern ihre Schlussfolgerungen darauf schließen lassen, dass sie letztlich die wesentlichen Aussagen gegenüber den empirischen Darlegungen depriorisieren. Besonders anschaulich ist eine solche Lesart, die die Kernbedeutung des Begriffs ‚Monopol‘ nämlich ‚Einseitigkeit‘ ablehnt und überall in den unterschiedlichen Nationen „Monopole“ im Sinne von „großen Konzernen“ sucht, um sie als Marker für die Teilnahme am imperialistischen System zu identifizieren.

20 Sowohl Griechisch als auch Latein: Allein-Verkauf oder Allein-Handel

21 Am deutlichsten wird das anhand des Beteiligungssystems erklärt.

22 S. 280 Monopol als „tiefste ökonomische Grundlage des Imperialismus“ / siehe auch LW 23, Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus, Oktober 1916, „Das Monopol ist der ökonomische Grundzug, das Wesen des Imperialismus“.

23 Wie Kumpf sagt, Begriff hier verstanden als konkrete Abstraktion.

24 Siehe dazu Kumpf 1968, S. 134 ff: Die Rolle des Widerspruchs im Prozeß des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten.

25 Es gibt hier keinen Platz, um auf diese absurde These in der Weise einzugehen, die angemessen wäre. Dass durch die nationalen Befreiungskämpfe die Phase des Neokolonialismus eingeleitet wurde und Lenins These, dass sich die nationale Unterdrückung noch massiv verschärft hat und keineswegs beendet wurde, scheint manchen völlig unbekannt zu sein. An anderer Stelle müsste eine intensive Auseinandersetzung auch mit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Neokolonialismus (siehe z. B. Kwame Nkrumah) und dessen Rezeption in den sozialistischen Ländern stattfinden.

26 Welche Rolle in diesem Zusammenhang die Klassenwidersprüche in den unterdrückten Ländern spielen, darauf wird noch an anderer Stelle einzugehen sein. Das ist aber auch wirklich keine neue Frage, sondern beschäftigt seit Anbeginn die Köpfe des Antiimperialismus. Klar ist mittlerweile, dass die Unfähigkeit sich diesen Widersprüchen in all ihren konkreten und sehr komplexen Kampfbedingungen zu stellen, Parteien wie die KKE und anderen in die Falle der ideologischen Abweichung geführt hat. Man biegt sich lieber die Machtverhältnisse so zurecht und vereinfacht sie so: es gibt nur noch den Widerspruch zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie in den jeweiligen Nationen, alles andere ist zwischenimperialistischer Krieg, also muss jeder nur noch in seiner Nation schauen, dass er die Arbeiterklasse organisiert.

27 Wörter, die in verschiedenen Weisen das Wort „abhängig“ beinhalten, dienten zur Identifizierung aller möglichen Textstellen, die sich mit „Abhängigkeit“ im weitesten Sinne befassen. Es wurden aber auch andere Textstellen herangezogen und der Gesamtkontext entsprechend den Methoden der Textanalyse als Korrektur einbezogen.

28 Milo Barus hat sich schon mit dieser Fehlinterpretation an anderer Stelle befasst: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/lenin-und-das-imperialistische-weltsystem/

29 LW 22, S.284, Zitat von Hobson

30 LW 21, S.342-346

31 siehe https://kommunistischepartei.de/diskussion-imperialismus/zur-verteidigung-der-programmatischen-thesen-der-ko/#Beherrscht

32 Eigentlich müsste man bei dem Aufholversuch von nicht-imperialistischen Ländern von sprunghaften Aufwärtsbewegungen der Ökonomie ausgehen, sonst bewegt man sich in äußerst unrealistischen Fantasievorstellungen.

33 Lenin: Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, LW 21, S. 344–346

34 https://kommunistische-organisation.de/artikel/imperialismus-multipolare-weltordnung-und-nationale-befreiung/

35 BIP (Bruttoinlandsprodukt) siehe dazu Smith, John: Imperialism in the Twenty-First Century, Globalization, Super-Exploitation and Capitalism’s Final Crisis, Monthly Review Press, New York, 2016. Im Kapitel “The GDP-Illusion” erklärt John Smith ausführlich, warum es keinen Sinn macht, diese Kennzahl für die Identifizierung von Entwicklung und Macht zu verwenden.

36 Vazjulin, Viktor A.: Die Logik des „Kapitals“ von Karl Marx, Aus dem Russischen von Gudrun Havemann, Books on Demand GmbH, Norderstedt 2006.

37 LW 22, S. 302/303.

38 Lenin, Wladimir Iljitsch, Das revolutionäre Proletariat und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, 1915, In: Leninwerke, Band 21, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Dietz Verlag Berlin 1971.