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Ein Kontinent im Aufbruch

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Was wir vom antiimperialistischen Kampf Westafrikas lernen können!

Bericht der KO-Vertreter von der 7. Antiimperialistischen Konferenz der World Antiimperialist Plattform, Anna Martel und Lea Wagner


Der folgende Text ist ein Bericht von einer Konferenz im Senegal im November 2024. Aber er ist mehr als ein Bericht: Er gibt einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen in Westafrika – über den antiimperialistischen Kampf, über den progressiven Charakter der dortigen Militärregierungen und ihre Unterstützung aus dem Volk. Es ist ein Einblick in die weitreichenden Maßnahmen zur Bekämpfung der neokolonialen Abhängigkeit, zum Aufbau einer eigenständigen Wirtschaft, zur Mobilisierung der Bevölkerung und auch in die damit verbundenen Schwierigkeiten.

Der Bericht gibt Einblicke in revolutionäre und fortschrittliche Organisationen, Parteien und Bündnisse der Region und ihr hartnäckiges Ringen um die Erringung der politischen Souveränität und Volksmacht. Der Bericht zeigt zugleich auf, dass in Afrika eine für Kommunisten hochinteressante und wichtige ideologische Entwicklung, verbunden mit den praktischen Kämpfen, stattfindet. Diese knüpft an den Panafrikanismus und an die großen Revolutionäre Afrikas, wie Sankara und Cabral an, sowie an die afrikanischen Klassiker des Marxismus, wie Nkrumah und Rodney.

Er ist ein Aufruf an die Kommunisten in den imperialistischen Zentren, den Kontakt zu ihren afrikanischen Genossen zu suchen, die Verbindung herzustellen, ihren Kampf zu unterstützen. Das heißt sowohl, über ihre wichtigen Erfahrungen im Befreiungskampf aufzuklären, als auch die hiesigen Regierungen und ihre neokolonialen Verbrechen zu bekämpfen.

Inhaltsverzeichnis

  1. Deutsche Verbrechen und fortwährende Einmischung – warum antiimperialistische Kämpfe in Afrika für uns relevant sind
  2. Was ist los im Sahel? Zwischen Coups, Terrorbekämpfung und ökonomischem Fortschritt
    • Neokoloniale Kontinuitäten
    • Kampf um Souveränität und nationale Entwicklung
    • Der Wahlsieg der PASTEF im Senegal – zwischen Skepsis und Fortschritt
  3. Schlaglichter aus dem Sahel – wichtige Impulse für unsere Debatten
    • Das Verhältnis der Militärregierungen der AES-Staaten zur Volksbewegung
    • Fragilität der AES-Staaten
    • Parlamentarisch-demokratische Machtergreifung im Senegal “vs.” militärische in AES-Staaten
    • Verstaatlichung statt Ausverkauf in Niger
    • Panafrikanismus – Vision für die Emanzipation des afrikanischen Kontinents
  4. Wie weiter? Ein Kontinent im Aufbruch
  5. Anhang
    • Niamey-Erklärung

Im Oktober 2024 hatten wir die Gelegenheit an der 7. Antiimperialistischen Konferenz der WAP (World Antiimperialist Platform) in Zusammenarbeit mit der DUP (Dynamique Unitaire Panafricaine) und dem CNP (Conseil Nationale de Préparation – lokales, senegalesisches Vorbereitungskomitée) in Dakar, Senegal teilzunehmen.

„Colloquium zur Frage der Souveränität im Museum der schwarzen Zivilisation, gebaut von China. Ganz links Aboubakar Alassane, 4. v. Links Adama Coulibaly“

Im Fokus der Konferenz standen aktuelle revolutionäre Bewegungen auf dem Kontinent, besonders die Entwicklungen im Sahel. Der Austausch über aktuelle revolutionäre Bewegungen wurde mit der Erinnerung an die revolutionären Vorkämpfer der Unabhängigkeit verbunden. Ein zentraler Anlass war der 100. Geburtstag des antikolonialen sozialistischen Revolutionärs Amilcar Cabral. Er, genauso wie Thomas Sankara oder Kwame Nkrumah, sind heute wichtige Bezugspunkte für die aktuellen Kämpfe gegen den Raub afrikanischer Ressourcen, ausländische Militärbasen und andere neokoloniale Unterdrückungsmechanismen.

Auf der Konferenz wurde auch deutlich, dass das antiimperialistische Bewusstsein klar über den Kontinent hinausgeht. Die Solidarität mit Palästina wurde selbstverständlich mitgedacht. So wurde auf der Konferenz über die 40 Jahre anhaltende Inhaftierung von Georges Abdallah gesprochen und dagegen protestiert.

Die Konferenz entstand in Zusammenarbeit verschiedener Organisationen: Die DUP ist eine panafrikanische Dachorganisation mit antiimperialistischer Ausrichtung, die Organisationen in der Diaspora und auf dem Kontinent zusammenbringen will.

Die WAP ist eine antiimperialistische Plattform, die 2022 mit der Pariser Deklaration gegründet wurde: Ziel der Plattform ist es, antiimperialistische Kräfte weltweit zusammenzubringen und in Anbetracht der zunehmenden kriegerischen Konfrontationen zentrale Punkte in der antiimperialistischen Bewegung zu setzen, bezüglich dem Ukraine-Krieg, China, der Demokratischen Volksrepublik Korea und damit auch der Frage, wer der Hauptfeind der Antiimperialisten ist.

Die Konferenz gab viel Raum für Berichte afrikanischer Delegierter zur Situation in ihren Ländern und es wurden Diskussionen zum revolutionären Potential im Sahel nach den Militärcoups, Panafrikanismus heute, sowie der Einschätzung ob aktuell schon ein 3. Weltkrieg läuft und Faschisierungstendenzen diskutiert. 

Der vorliegende Text soll beleuchten, was es mit dem zentralen Konferenzanlass – eben jener revolutionären Bewegung im Sahel – auf sich hat und aufzeigen, dass die deutsche Kommunistische Bewegung eine Lücke aufweist, wenn es um antiimperialistische Bewegungen in Afrika geht. 

Hier findet sich außerdem noch unsere Rede, sowie die zentrale Deklaration der Konferenz für weitere Einblicke.

Deutsche Verbrechen und fortwährende Einmischung – warum antiimperialistische Kämpfe in Afrika für uns relevant sind

Vor 140 Jahren, von November 1884 bis Februar 1885, fand die Berliner Konferenz statt, auf der die damaligen imperialistischen Großmächte ihre kolonialen Besitzansprüche in Afrika manifestierten. Wie der Name verrät, fand die Konferenz in Berlin statt und wurde von Bismarck ausgerichtet. Auch wenn Deutschland erst spät in das koloniale Wettrennen einstieg und früher seine Kolonien verlor als andere Kolonialmächte, waren einige afrikanische Länder einst deutsche Kolonien: Togo, “Deutsch-Ostafrika” (Tansania, Ruanda, Burundi), “Deutsch-Südwestafrika” (Namibia) und Kamerun. Das Deutsche Reich war verantwortlich für einige der schlimmsten Massaker an der einheimischen Bevölkerung, wie der Genozid an den Herero und Nama oder auch die Strategie der „verbrannten Erde“ im Maji-Maji-Krieg (im heutigen Tansania) belegt.

Mit der Berliner Konferenz wurde versucht, Konflikte zwischen den Kolonialmächten um die Kolonien zu befrieden. Im Ergebnis wurden weitere Teile Afrikas von den Kolonialmächten besetzt. Auch die Terrorherrschaft des belgischen König Leopolds im Kongo ist auf diese Konferenz zurückzuführen.[1] Trotz dieser Beteiligung unserer Bourgeoisie in der Unterwerfung und Zerstörung Afrikas, damals und heute, ist der afrikanische Befreiungskampf in der deutschen Linken kaum noch präsent. In kommunistischen Kreisen findet man wenig Hintergrundtexte oder Stellungnahmen zu aktuellen Ereignissen auf dem Kontinent und der deutschen Rolle darin. Seien es Militäreinsätze, wie in Mali, Abkommen zur “Flüchtlingsabwehr” mit Kräften wie den RSF (Rapid Support Forces in Sudan, die massive Massaker verübten und verüben)[2], oder auch die Unterstützung der Abspaltung des Südsudans und der damit forcierten Balkanisierung des Kontinents[3]  – all das und noch viel mehr hat der deutsche Imperialismus mitzuverantworten.

Positiv hervorzuheben ist an dieser Stelle die Internationale Forschungsstelle DDR, die einige Hintergrundtexte zur Entwicklung Afrikas lieferte, die auch zum heutigen Verständnis hilfreich sind. Auch in der Jungen Welt, Unsere Zeit oder bei German Foreign Policy findet man Artikel, die aktuelle Berichte liefern. Oft muss man jedoch außerhalb des deutschen kommunistischen Spektrums nach tiefergreifenden Analysen suchen. Auch praktisch gibt es wenig Solidarität. Als wir letztes Jahr gegen die drohenden ausländischen Interventionen in Niger Protest organisierten, mussten wir feststellen, dass wir damit in Deutschland ziemlich alleine dastanden.[4]

Dann gibt es solche Kräfte, wie die “KP” oder auch Marx21, die sich zwar äußern, aber ihr äquidistantes Bild einer “reinen Revolution” auch auf den Sahel anwenden, die Militärputsche lediglich zu Handlangern des “russischen Imperialismus” verklären und damit als keine Alternative zur westlichen Intervention darstellen. Sie rufen explizit dazu auf, die neuen Regierungen nicht zu unterstützen.[5] Sie klammern damit die Unterstützung dieser Putsche durch die Bevölkerung, sowie konkrete Veränderungen durch die neuen Regierungen vor Ort einfach aus. 

Wieso solche Positionen problematisch sind und nicht den Positionen der fortschrittlichen Kräfte vor Ort entsprechen, soll anhand der Diskussionen auf der Konferenz dargestellt werden. Dass es in der kommunistischen Bewegung eigentlich eine lang zurückgehende Debatte um den Kampf gegen Neokolonialismus gab, in die wir auch die aktuellen Entwicklungen im Sahel einordnen, die jedoch heute teils vergessen scheint und wieder aufgenommen werden muss, argumentierte ein Genosse an anderer Stelle.[6]

Dieser Text ersetzt keine ausführliche Analyse der neokolonialen Verhältnisse und auch nicht der konkreten Bedingungen vor Ort, aber er stellt den Versuch an, Diskussionen um die aktuelle Lage im Sahel aufzuzeigen und Fakten und Eindrücke von Kräften vor Ort zur Verfügung zu stellen. Der Text soll dazu anregen, den Blick auf die antiimperialistische Bewegung im Sahel zu richten und die dort geführten Diskussionen aufzunehmen.

Was ist los im Sahel? Zwischen Coups, Terrorbekämpfung und ökonomischem Fortschritt

Neokoloniale Kontinuitäten

Um besser einordnen zu können, wie neokoloniale Mechanismen in der Region heute greifen, sollen zumindest einige zentrale Merkmale des Sahels kurz genannt werden. Sahel bezeichnet die Region südlich der Sahara, der durch eine relative Trockenheit, enorme Hitze sowie überwiegend flache Landschaften und eine dünne Besiedelung gekennzeichnet ist. Er erstreckt sich von Gebieten in Mauretanien und Senegal im Westen bis in den Osten des Kontinents nach Sudan und Eritrea und umfasst daneben noch Gebiete im Tschad, Nigeria, Niger, Burkina Faso und Mali. 

Blicken wir nun auf die dem Sahel zugewiesene ökonomische Stellung im Weltsystem: Nach der kolonialen Aufteilung des Kontinents auf der Berliner Konferenz, ging es darum, die „Überseegebiete“ nach den Interessen der Kolonialmächte aufzuteilen. Insbesondere Länder ohne Zugang zum Meer, zu denen Burkina Faso, Niger und Mali gehören, wurden in ihrer Entwicklung auf Primärproduktion wie Landwirtschaft und Bergbau beschränkt, während der industrielle Sektor kaum entwickelt wurde. Bis heute zeichnet sich die Region durch einen enorm hohen Anteil der Subsistenzwirtschaft und der in großen Teilen privaten Organisierung der Reproduktion aus, was sich signifikant auf die Lebensbedingungen von Frauen auswirkt. Hinzu kommt, dass der Anteil von informeller Arbeit in den Ländern des Sahels dominiert. Auch im Senegal, Mali, Niger oder Burkina Faso lagen die Zahlen bislang bei über 90% ungesicherter Arbeitsverhältnisse (insbesondere auf dem Land und auch anteilig höher unter Frauen).[7]

Alle vier Länder eint mehr oder weniger ausgeprägt ihr Ressourcenreichtum bei gleichzeitiger krasser Armut der Bevölkerung und fehlender Industrialisierung, sowie Plünderung durch ausländische Unternehmen. Zum Zeitpunkt des Putsches in Niger befand sich das Land auf dem drittletzten Platz des Human Development Index, war das 9. ärmste Land der Welt und fast die Hälfte der Bevölkerung lebte in extremer Armut. Während Niger zu den größten Uranexporteuren der Welt gehört, wovon besonders Frankreich profitiert, hatten 2023 nur 14,3% der nigrischen Bevölkerung Zugang zu Elektrizität. Unter dem Deckmantel eines „Staatskonzerns“ – an dem die nigrische Regierung eigentlich nur einen geringen Anteil hatte, plünderte der französische Staatskonzern, der Mehrheitsanteile hielt, die nigrischen Uranvorkommen aus.

In Mali, Niger und Burkina Faso ist über die wirtschaftliche Ausbeutung hinaus der Kampf gegen Terrorismus das akuteste Problem. Zentral für das Erstarken islamistischer terroristischer Gruppen war die Zerschlagung Libyens durch den Imperialismus Ende 2011. Dadurch wurden nicht nur massenhaft Waffen in den Sahel gespült, sondern auch vorherige Kämpfer der libyschen Armee. Viele von ihnen gehörten den malischen Tuareg an, die schon lange Sezessionsbestrebungen verfolgten und nach der Zerschlagung Libyens einen neuen bewaffneten Anlauf nahmen. Ihnen schlossen sich nicht nur zuvor von den USA hochausgebildete Kämpfer an, sondern auch islamistische Gruppierungen, die von Qatar und Saudi Arabien unterstützt wurden.[8] Seitdem fand eine massive Militarisierung der Region statt, die keinesfalls zu einer Befriedung führte. Die terroristischen Gruppierungen breiteten sich auf die umliegenden Länder aus und immer mehr westliche Staaten errichteten Militärbasen, besonders in Mali und Niger. So hatte die USA beispielsweise drei Drohnenbasen in Niger, u.a. die 110 Millionen Dollar schwere Basis 201, die lange eine zentrale Funktion für Africom-Einsätze hatte. Auch die deutsche Bundeswehr mischte in beiden Ländern mit und versuchte über den Einsatz in Mali eine stärkere Stellung in Westafrika zu erlangen. In Senegal war Terrorismus bislang kein zentrales Problem, was westliche Staaten aber nicht von der Betreibung ausländischer Militärbasen im Land abhielt.

Ökonomisch ist ein zentrales Instrument der neokolonialen Abhängigkeit in insgesamt 14 Ländern West- und Zentralafrikas der CFA-Franc (FCFA), der die nationalen Ökonomien an einer eigenständigen Entwicklung hindert. Die fortgesetzte Kolonialwährung ist nicht nur an den Euro (ehemals Franc) gebunden, 50 Prozent ihrer Währungsreserven lagern in Frankreich, das Geld wird dort gedruckt und in den Zentralbanken gibt es einen französischen Posten mit Vetomacht. Auch Schuldenfallen beim IWF und der Weltbank, die Strukturanpassungsprogramme in Form von Privatisierungen und Ähnlichem fordern, sind ein wesentlicher Faktor hinsichtlich der Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse.

Progressive Präsidenten und Anführer von Unabhängigkeitsbewegungen wurden in der Vergangenheit reihenweise ermordet, wenn sie versuchten, sich den herrschenden Bedingungen zu widersetzen. Oder ihre Versuche, der Abhängigkeit zu entkommen, wurden sabotiert, wie etwa in Modibo Keitas Mali, als eine unabhängige Währung eingeführt wurde und Frankreich schlichtweg Falschgeld auf den Markt brachte, um diese zu sabotieren.

Afrika, als ressourcenreichster Kontinent, soll abhängig gehalten werden, damit Afrikas Ressourcen weiterhin den Reichtum des Westens finanzieren können. 

Diese Aufzählung vermittelt nur einen oberflächlichen Eindruck in einen Bruchteil der Abhängigkeitsmechanismen, die von den Imperialisten genutzt werden, um ihren Einfluss zu wahren. Eine tiefere Untersuchung der jeweiligen Entwicklung der Länder wäre notwendig. Dennoch reicht schon dieser kurze Überblick aus, um zu verdeutlichen, weshalb die Bevölkerung des Sahels einen klaren Bruch mit dem Imperialismus, vor allem dem Französischen, fordert.

Kampf um Souveränität und nationale Entwicklung

Statue der afrikanischen Renaissance in Dakar, Senegal.

In den vergangenen Jahren konnten wir in der Region eine Reihe dieser Brüche beobachten. 2021 in Mali, 2022 in Burkina Faso und 2023 in Niger. In allen drei Ländern führten die von Assimi Goita, Ibrahim Traoré und Abdourahamane Tchiani angeführten Militärcoups zu schwerwiegenden Veränderungen. Allem voran der Rausschmiss des französischen Militärs sorgte für große Begeisterung und Zustimmung in der Bevölkerung, insbesondere der Jugend. Damit sagten sich die drei Länder zunächst auf der militärischen Ebene von jahrzehntelangem Aufoktroyieren ausländischer Interessen, dem Verhindern der Entwicklung eigenständiger Armeen und der Politik neokolonialer Handlanger wie Ibrahim Boubacar Keita, Blaise Compaoré und Mohamed Bazoum los. Deren Agenden zeichneten sich durch den bereitwilligen Ausverkauf des nationalen Reichtums, verbunden mit persönlicher Bereicherung und dem allgemeinen Befolgen von Wünschen und Zielen der Imperialisten aus.

Damit scheint erst einmal Schluss zu sein. Kein Wunder also, dass insbesondere das Ausscheren Nigers im Sommer letzten Jahres fast zu einer v.a. von Frankreich unterstützten Militärintervention der ECOWAS führte. Unmittelbar nach dem Putsch im Juli 2023 hatte die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft bereits umfassende Sanktionen gegen das Binnenland verhängt und seine Suspendierung aus dem Staatenbündnis beschlossen. In Niger führten Grenzschließungen, das Einfrieren nationaler staatlicher Vermögenswerte, Flugverbote oder das Aussetzen von Handelstransaktionen und Finanzhilfen zu einer krassen Verschlechterung der Lage der Bevölkerung. Der verfolgte Zweck, nämlich die Bevölkerung gegen die Putschregierung Tchianis aufzuhetzen, wurde aber weit verfehlt. Tausende Menschen solidarisierten sich mit der Conseil National pour la Sauvegarde de la Patrie (Nationalrat für die Rettung des Vaterlandes, CNSP), die am 03. August 2023 als Militärregierung ausgerufen wurde und protestierten lautstark gegen die illegalen Sanktionen und die voranschreitenden Kriegsvorbereitungen. Schließlich scheiterte die gewaltvolle Intervention der ECOWAS, welche durchaus einen Flächenbrand in der Region hätte auslösen können, an den anhaltenden Protesten und auch der Verweigerung einiger Mitglieds- und anderer afrikanischer Staaten. Selbst der nigerianische Senat hatte gegen die Pläne seines Präsidenten Bola Tinubu gestimmt, in Niger militärisch zu intervenieren.

Die imperialistische Aggression trug eher zur Stärkung und Formierung des Bündnisses zwischen Mali, Burkina Faso und Niger bei. Am 16. September 2023 gründeten sie die “Alliance des Etats du Sahel” (AES) zunächst als Verteidigungsbündnis. Damals schon auf Grundlage einer panafrikanischen ideologischen Basis, welche die Probleme der kolonialen Grenzziehung erkennt und der Balkanisierung des Kontinents, wie sie schon Kwame Nkrumah angeprangerte, den Kampf ansagt. In diesem Zusammenhang wurden u.a. ein AES-übergreifender Pass geschaffen[9]und eine Vereinbarung über die Abschaffung von Roaminggebühren zwischen den Staaten getroffen[10]. Außerdem wird aktuell bspw. der Handel von Grundgütern im Sinne gegenseitiger Solidarität zwischen den AES-Staaten gestärkt, während von Niger ein Exportstopp auf Hülsenfrüchte und Getreide außerhalb der AES verhängt wurde[11]. Heute – über ein Jahr nach Gründung der Allianz – ist aus dem zunächst losen Zusammenschluss eine Konföderation entstanden, die eine eng abgestimmte Agenda gegen Unterentwicklung und Überausbeutung sowie für Souveränität und Selbstbestimmung verfolgt.

Diese Kursänderung führte u.a. dazu, dass das US-Militär seine geopolitisch bedeutsame Drohnenbasis in Agadez (Niger) aufgeben musste, nachdem Neuverhandlungen über die Bedingungen der Militärposten längst Offenkundiges eindrücklich bewiesen: Völlige Missachtung der Souveränität afrikanischer Staaten. Diese passt eben nicht in das aufgebaute neokoloniale Konstrukt von Fremdherrschaft mit anderen Mitteln. Auch die deutschen Soldaten in Mali und Niger wurden aus diesem Grund des Landes verwiesen. In diesem Falle hatte u.a. auch die vorherige malische Nichtgenehmigung von Aufklärungsflügen deutscher Heron-Drohnen für große Empörung bei Pistorius und Co. gesorgt. Dass einer der Hauptgründe dafür die ausbleibende Zurverfügungstellung der Drohnenaufnahmen für malische Streitkräfte war, wurde dahingegen weitgehend verschwiegen.

Viel mehr Aufmerksamkeit widmeten die westlichen Regierungsvertreter und Medienhäuser einer ganz anderen Gefahr, vor der sie die afrikanischen Völker selbstlos bewahren wollen. Denn nicht neokoloniale Ausbeutung und Vorherrschaft seien das Problem, sondern Russland und seine Wagner-Söldner, die den Kontinent langsam aber sicher unterwandern würden. Sicherlich sollte der Einsatz einer Söldnertruppe wie Wagner nicht unkritisch gesehen werden, aber erst einmal muss anerkannt werden, dass die malische Regierung diese um Unterstützung gebeten hat, um eine Alternative zu europäischen Soldaten zu schaffen, die offensichtlich der Terrorabwehr nicht zuträglich waren trotz langjähriger Stationierung. Auch Unterstützung für den Bau einer eigenen Goldraffinerie in Mali kommt von Russland. De facto bietet die Diversifizierung internationaler Beziehungen also vorerst neue Möglichkeiten für die nationale Entwicklung.

Der Kampf um nationale Entwicklung kann praktisch anhand der Maßnahmen und Projekte, die von den AES-Staaten durchgeführt und angegangen werden, nachvollzogen werden. Die Liste dieser Maßnahmen ist lang. Was die forcierte Umwälzung der neokolonialen Wirtschaftsverhältnisse anbelangt, ist die Verstaatlichung in allen drei Ländern ein wichtiges Instrument auf dem Weg zum Wandel. So wurden bspw. in Mali bereits mehrere Goldminen oder auch Teile der Baumwollindustrie verstaatlicht, welche sich vorher in ausländischem Besitz befanden.[12] Im August 2023 erließ die Goita-Regierung zudem ein neues Bergbaugesetz, das die staatliche Beteiligung in neuen Projekten langfristig auf 20% und 35% erhöht. Dass es Mali ernst ist, bekommen Bergbaugiganten wie Barrick Gold oder Resolute Mining deutlich zu spüren. Erst Anfang Dezember 2024 wurde ein Haftbefehl gegen den Vorstandschef des kanadischen Unternehmens Barrick Gold, Mark Bristow, erlassen und auch der lokale Direktor der sehr großen Goldmine Loulo-Gounkoto soll festgenommen werden. Der CEO von Resolute Mining wurde bereits im November inhaftiert, mittlerweile aber gegen Geldzahlungen wieder freigelassen.[13] Hintergrund sind die Bemühungen der malischen Regierung, unbezahlte Steuern und Dividenden in Höhe von 300-600 Milliarden CFA-Franc (circa 0,5-1 Mio Euro) einzutreiben[14].

Auch in Burkina Faso wurden Goldminen verstaatlicht[15] und der eigenständige Bau von Goldraffinerien in Angriff genommen. Die erste soll Ende dieses Jahres noch in Betrieb gehen. Außerdem stehen mittlerweile der Zuckersektor[16] und auch die Commercial Bank of Burkina Faso[17] unter staatlicher Kontrolle. Ein wichtiger Schritt in Richtung weniger Abhängigkeit von Lebensmittelimporten ist außerdem die Inbetriebnahme einer Tomatenverarbeitungsanlage in Bobo-Dioulasso, welche u.a. die Ernährungssicherheit der burkinischen Bevölkerung steigern soll.[18] Das aktuell ambitionierteste Vorhaben Traorés ist aber vermutlich die Konstruktion eines Atomkraftwerkes in Zusammenarbeit mit dem russischen Atomkonzern ROSATOM. Dies wurde bereits im Oktober 2023 vertraglich besiegelt und soll einen zentralen Beitrag zur Erlangung von Energieunabhängigkeit leisten.[19] Es wäre das erste Atomkraftwerk in Westafrika. Bisher gibt es auf dem gesamten Kontinent lediglich in Südafrika ein Atomkraftwerk, in Ägypten befindet sich aktuell eins im Bau.

Diese ökonomischen Veränderungen werden begleitet von einer Reihe von symbolischen, aber nicht weniger zu begrüßenden Maßnahmen. Die ideologische Besinnung auf die panafrikanischen Gründerväter schlägt sich u.a. in der Umbenennung von Straßen und Plätzen nieder, die zuvor an die Schrecken der Kolonialzeit erinnerten. So wurde z.B. in Niamey, Niger die “Avenue Charles de Gaulle” in “Avenue Djibo Bakary” umbenannt[20].

Der Wahlsieg der PASTEF im Senegal – zwischen Skepsis und Fortschritt

Eine panafrikanische Agenda hat sich auch die im März 2024 an die Macht gekommene PASTEF-Regierung im Senegal auf die Fahnen geschrieben. Anders als die Regierungen der AES-Staaten wurde die Partei von Diomaye Faye und Ousmane Sonko, die kurz vor den Wahlen im Zuge der Repression gegen die Opposition beide noch im Gefängnis saßen, per Wahlen ins Amt gebracht. Die Patriotes africains du Sénégal pour le travail, l’éthique et la fraternité / Afrikanische Patrioten von Senegal für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit (PASTEF: linke Partei mit panafrikanischer und souveräner Agenda, welche 2014 insbesondere von Teilen des Kleinbürgertums aus Verwaltung, Selbstständigkeit oder Bildungssektor gegründet wurde) konnte im April diesen Jahres knapp 60% der senegalesischen Stimmen auf sich vereinigen[21]. Zuvor hatte das neokoloniale Regime von Macky Sall alles darangesetzt, nicht abtreten zu müssen und mittels eines konstitutionellen Coups versucht, die Wahlen auf Dezember 2024 zu verschieben. Doch auf den Straßen Dakars hatte sich schon seit geraumer Zeit eine Protestbewegung formiert, die dem Ausverkauf des Landes und der Korruption der regierenden Eliten den Kampf ansagte. Insbesondere die von einer Schmierkampagne begleitete Inhaftierung des populären Oppositionsführers Ousmane Sonko im Juni 2023 brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Für viele Senegalesen stand fest, dass die Opposition mit unlauteren Mitteln an einem potentiellen Sieg gehindert werden sollte – schließlich hatte Sonko bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2019 aus dem Stand 16% holen können. Auf die Proteste reagierte die Regierung gewaltvoll. Nach der Verschiebung der Wahlen im Februar eskalierte die Situation vollends. Bis zum Sieg der PASTEF wurden unter der Regie Macky Salls dutzende Protestierende ermordet[22]. Viele, die zur Opposition gezählt wurden, wurden inhaftiert und teils im Gefängnis gefoltert.

Kein Wunder also, dass die Hoffnung in die PASTEF und ihre propagierte panafrikanische Wende im Frühling groß war und auch weiterhin ist. Fayes angekündigtes Programm: Kampf gegen Korruption, nationale Versöhnung, mehr Arbeitsplätze, Neuaushandlung von Verträgen mit ausländischen Konzernen, fairer Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und – das wohl bedeutendste Versprechen – den CFA-Franc zugunsten einer regionalen Währung abschaffen. In den vergangenen Monaten ging es über Symbolpolitik nicht weit hinaus. Begründet wurde das seitens PASTEF meist mit der Situation im Parlament, in dem bis November noch die Opposition die Mehrheit der Sitze innehatte und somit in der Lage war, politische Entscheidungsprozesse zu blockieren. Nach der Auflösung des Parlaments durch Faye im September und den Neuwahlen im November sieht die Situation nun aber anders aus. Die Partei verfügt jetzt über 130 der 165 Sitze. Nicht lange danach folgte die Aufforderung an Frankreich, seine Militärstützpunkte inklusive Soldaten von senegalesischem Territorium zu entfernen, so Faye: „Senegal ist ein unabhängiges Land; es ist ein souveränes Land, und die Souveränität akzeptiert nicht die Anwesenheit von Militärstützpunkten in einem souveränen Land“[23].

Inwiefern die senegalesische Regierung neokoloniale Einflussnahme wirklich konsequent bekämpfen und eine nationale Entwicklung fördern wird, wird zu einem wesentlichen Teil von der weiteren Organisation und dem Einfluss der senegalesischen antiimperialistischen Bewegung, als auch von den Entwicklungen in den umliegenden Ländern abhängen.

Schlaglichter aus dem Sahel – wichtige Impulse für unsere Debatten

Die oben geschilderten Entwicklungen im Sahel sind natürlich nicht ohne Widersprüche. Darüber wurde auf der Konferenz in Dakar lebendig diskutiert. Wir hatten einige Gelegenheiten auch abseits des offiziellen Programms, mit Genossen aus der Region in Austausch zu treten. Diskussionen und die daraus gewonnenen Eindrücke spiegeln natürlich nur Ausschnitte wider und ersetzen keine tiefergehenden Analysen. Wir stützen die Ausführungen dabei vor allem auf aufgezeichnete Interviews, die wir mit folgenden Genossen führten: Adama Coulibaly, Vorsitzender der Alternative Patriotique et Panafricaine Burkindi / Patriotische und Panafrikanische Alternative (APP-Burkindi, linke panafrikanische Partei, 2018 gegründet) aus Burkina Faso und Generalsekretär der DUP, Alassane Aboubakar von der Organisation Révolutionnaire pour une Démocratie Nouvelle-Tarmamouwa / Revolutionäre Organisation für eine Neue Demokratie-Stern (ORDN, politische Partei, die in den 90ern aus der marxistisch geprägten Studierendenbewegung heraus gegründet wurde) aus Niger und von der West African Peoples Organization (WAPO, eine Dachorganisation progressiver westafrikanischer politischer Parteien, Organisationen und Gewerkschaftsverbände, die für die vollständige Befreiung und Vereinigung Afrikas kämpfen) sowie Aziz Ndao von der Front pour une révolution anti-imperialiste populaire et panafricaine – France Dégage / Front für eine antiimperialistische Volks- und panafrikanische Revolution – Frankreich verschwinde (FRAPP) aus Senegal.

Zentrum der FRAPP. Links Amilcar Cabral. Die Karte zeigt die Basisgruppen der FRAPP

Das Verhältnis der Militärregierungen der AES-Staaten zur Volksbewegung

Wenn wir hier in der bürgerlichen Presse über die Situation in den Sahelländern überhaupt irgendetwas lesen, wird sehr oft über Repressionen oder autoritäres Machtgehabe der AES-Regierungen berichtet. Schenkten wir dieser Berichterstattung unkritisch Glauben, müsste sich tatsächlich schnell der Eindruck verfestigen, dass Traoré, Goita und Tchiani völlig losgelöst vom Willen der Volksmassen handelten. Dass die Narrative unserer herrschenden Klasse mit besonderer Vorsicht zu genießen sind, ist klar. Sie lassen sich mit Blick auf die Entwicklungen jedoch auch schnell entkräften. Nicht nur wurden alle drei Putsche von Massenprotesten begleitet, auch darüber hinaus gab es vor allem in der nachfolgenden Entwicklung Indizien für die Verbundenheit der Regierungen zu den Volksbewegungen.

Der Genosse Coulibaly berichtete bspw., dass seine Organisation nach dem von Ibrahim Traoré angeführten Coup viele Vorschläge und Forderungen aufstellte, die von der Militärregierung teils auch angenommen bzw. umgesetzt wurden. Dazu gehörten zu allererst der Rausschmiss des französischen Militärs, aber auch Ideen bzgl. der Massenmobilisierung gegen die Aktivitäten terroristischer Gruppierungen sowie hinsichtlich konkreter ökonomischer Maßnahmen. Was die Massenmobilisierung angeht, wurden u.a. die sog. “Wayinyans” ins Leben gerufen. Sie sind Gruppen von Zivilisten, die nachts an strategisch wichtigen Orten wie Kreisverkehren, Regierungsgebäuden oder nationalen Fernseh- und Radiosendern Wache halten und die Bevölkerung im Falle ungewöhnlicher Vorkommnisse mobilisieren. Damit stellen sie sich auch gegen die gehäuften Putschversuche gegen Traoré. Außerdem unterstützen die Wayinyans auch finanziell den Patriotischen Unterstützungsfond (FSP, sammelt Geldmittel im Kampf gegen den Terrorismus) und die Freiwilligen zur Verteidigung des Vaterlandes (VDP)[24].

Über die Berücksichtigung konkreter Vorschläge hinaus, habe die APP-Burkindi auch einen Delegierten in der Übergangsregierung sitzen, was aber nach Aussage des Genossen noch bei weitem nicht ausreiche, denn „auch wenn diese Erfahrungen sehr, sehr gut sind, müssen sie in eine revolutionärere Richtung gelenkt werden. Die revolutionäre Bewegung muss also Hand in Hand mit den Militärs arbeiten, um sie zu beeinflussen, da sie keine ideologische Führung haben.”

Alassane formuliert es wie folgt: „Jetzt müssen das Volk und das Militär zusammenarbeiten, damit es funktioniert und von Dauer ist, und es gibt jetzt genug Erfahrung und genug revolutionäres Bewusstsein. Es gibt also einen starken Geist im Volk. Die Menschen sind jetzt gebildet, sie haben eine intellektuelle Klasse und die Jugend ist überqualifiziert. Man kann sie also nicht von ihrem Ziel ablenken.”

Schauen wir nach Mali, ist der Prozess rund um die Gestaltung und Verabschiedung einer neuen Verfassung in engem Austausch mit den Volksmassen besonders positiv hervorzuheben. Bereits Ende 2021 wurden große Anstrengungen unternommen, „Nationale Versammlungen zur Neugründung” des Staates und der Gesellschaft im ganzen Land zu organisieren. In einem nächsten Schritt wurden die lokal geführten Diskussionen auf nationaler Ebene zusammengetragen und ausgewertet[25].

Im Sommer 2022 starteten dann intensive Diskussionen zwischen Vertretern der Militärregierung mit religiösen Führern, Politikern und Delegierten zivilgesellschaftlicher Organisationen auf Grundlage der Erkenntnisse aus den Nationalen Versammlungen[26]. Circa ein Jahr später wurde die Verfassung bei Wahlen mit 97% der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von knapp 40% angenommen[27]. Diese bestärkt den Charakter Malis – wie schon in der Verfassung von 1992 festgeschrieben – als eine „unabhängige, souveräne, einheitliche, unteilbare, demokratische, säkulare und soziale Republik“ (Art. 30). Neu ist insbesondere die Einführung einer zweiten Kammer (Artikel 95), wodurch laut Soziologieprofessor Bréma Ely Dicko die Rechte lokaler Amtsträger und traditioneller Autoritäten gestärkt würden[28]. Jetzt besteht die gesetzgebende Gewalt in Form des Parlaments nämlich nicht mehr nur aus der Nationalversammlung – wie zuvor – sondern wird um den Senat ergänzt, der die Gebietskörperschaften repräsentiert und somit ein wichtiges Instrument für die Dezentralisierung darstellt. Diese war damals ein wichtiger Bestandteil der Friedensverhandlungen mit den Tuareg im Norden, die Algerien vermittelte und unterstreicht, dass die Perspektive keine möglichst autoritäre Präsidentschaft ist, sondern eher eine breitere Aufstellung demokratischer Wege. Außerdem trägt die Präambel viel klarer als die vorherige Verfassung dem Kampf gegen Korruption und den Bestrebungen hin zu nationaler Versöhnung Rechnung. Ebenso wie der Verteidigung der Souveränität und territorialen Integrität Malis, welche als zentrale Pfeiler im Schutz der nationalen natürlichen Ressourcen und dem damit verbundenen Ziel der Förderung des sozialen Wohlergehens nachzukommen, begriffen werden.

Als Hinweis für die Verbundenheit der Regierungen zu den Volksbewegungen kann auch der Hintergrund ihrer Anführer betrachtet werden, der in Burkina Faso und Niger interessant ist. Alassane berichtete, dass es in Niger schon 2007 Proteste gegen die ausländische Vorherrschaft im Uranabbau gegeben hatte und insgesamt eine reiche Geschichte gewerkschaftlicher und marxistischer Orientierung. Auch Tchiani war Teil einer dieser Organisiationen – der Union des Scolaires Nigériens (USN), eine Schüler- und Studierendenorganisation, die stark von Mitgliedern der zu ihrer Gründungszeit verboten kommunistischen Partei Nigers, der SAWABA, beeinflusst war. Auch wenn Tchiani sich später auf das Militär konzentrierte, scheint der Bezug zu revolutionären Bewegungen doch noch vorhanden zu sein. Dafür spricht einerseits, dass Tchiani eine Konferenz revolutionärer Organisationen in Niger im November explizit unterstützte, sowie dass seine Regierung das Wiederaufleben der Erinnerung an ehemalige revolutionäre Führer explizit unterstützt. Djibo Bakary, nach dem eine Straße in Niamey benannt wurde, war Anführer der SAWABA Partei und konsequenter Antikolonialist.

Auch in Burkina gibt es Verbindungen zu Organisationen der Volksbewegung sowie der revolutionären Geschichte des Landes. Thomas Sankara wurde 2023 zum Nationalhelden erklärt und ihm ein Feiertag gewidmet. Präsident Traoré war in der marxistischen Studierendenorganisierung Association Nationale des Etudiants Burkinabé (ANEB), weitere hochrangige Mitglieder der Regierung haben ebenso einen sozialistischen Organisationshintergrund, der kürzlich aus der Regierung entlassene Joachim Kyélem de Tambèla war sogar aktiver Sankarist. Inwiefern seine Entlassung im Dezember auf Widersprüche hindeutet, lässt sich aktuell noch nicht ausreichend einschätzen.

Hommage an Thomas Sankara

Fragilität der AES-Staaten

Der Genosse der APP-Burkindi betonte immer wieder den Fortschritt, den er den aktuellen Entwicklungen zuschreibt, mahnte aber mindestens genauso oft die von ihm ausgemachte Fragilität des Projekts AES an. Seiner Ansicht nach müsse das Militär vor diesem Hintergrund die Forderungen der Jugend noch mehr mit einbeziehen, da ja eigentlich sie die Avantgarde der Bewegung seien und auch sie es gewesen wären, die der militärischen Führung ihre ideologische Basis verliehen hätten. Der Genosse berichtete trotz Erfolgen in der Kooperation auch von einer Atmosphäre der Einschüchterung unter Teilen der progressiven Kräfte in Burkina Faso, wurde hierzu allerdings nicht konkreter. Hierzulande ist diesbezüglich vor allem das Beispiel der malischen linksliberalen Oppositionspartei Solidarité Africaine pour la Démocratie et l’Independence / Afrikanische Solidarität für Demokratie und Unabhängigkeit (SADI) bekannt. Diese arbeitet eng mit der deutschen Rosa-Luxemburg Stiftung zusammen, was zumindest zu kritischer Betrachtung dieser Partei führen sollte und uns im Gespräch mit Genossen vor Ort auch so gespiegelt wurde. Vor allem aber muss eine möglicherweise übertriebene Einschränkung von Opposition im Kontext der externen Bedrohungslage durch imperialistische Staaten begriffen werden, das betonte auch der Genosse. So wurde im August diesen Jahres bereits der fünfte Putschversuch gegen Traoré aufgedeckt und vereitelt.

Diesbezüglich betonte er auch, dass die französische Armee zwar endgültig raus aus den AES-Staaten sei, aber sich in angrenzende Länder wie Benin und Cote d’Ivoire zurückgezogen habe und von dort aus terroristische Aktivitäten unterstütze[29]. Trotz Negierungen der beninischen Regierung gibt es tatsächlich Berichte und Informationen über eine französische Militärbasis in Benin, die sich unmittelbar an der Grenze zu Niger befinden soll[30]. In nächster Nähe verläuft zudem die ökonomisch-strategisch wichtige nigrische Öl-Pipeline, welche in den vergangenen Monaten mehrmals Ziel terroristischer Attacken war, sowie im Mittelpunkt diplomatischer Streitigkeiten zwischen Niger und Benin stand.

Parlamentarisch-demokratische Machtergreifung im Senegal “vs.” militärische in AES-Staaten

Viele Genossen der DUP betonten während der Konferenz sehr positiv den durch Wahlen zustande gekommenen Machtwechsel in Senegal, welcher den Kompradoren und repressiv regierenden Macky Sall absetzte und die langjährige Oppositionspartei PASTEF von Diomaye Faye und Ousmane Sonko, ins Regierungsamt brachte. Gleichzeitig wurden aber auch die unterschiedlichen Wege im Kampf um Souveränität als wertvolle Lernmomente verstanden.

Eine große Rolle in den Protesten gegen das neokoloniale Regime von Sall spielte u.a. die Bewegung FRAPP-France Dégage, die die Konferenz in Dakar mit organisierte. Viele ihrer Mitglieder und generell Protestierende wurden festgenommen, gefoltert oder umgebracht – während westliche Medien bis zuletzt Senegal als Leuchtturm der Demokratie in Westafrika inszenierten. Genossen der FRAPP, betonten, dass berücksichtigt werden muss, dass Senegal in einem anderen Zustand als die AES-Staaten ist. Dabei bezogen sie sich vor allem auf die Bedrohung durch Terrorismus, die im Senegal weniger stark sei.

Ein genauerer Blick auf die Strategie der FRAPP bzgl. ihres Umgangs mit der jetzt amtierenden PASTEF-Regierung scheint lohnend. Aktuell nehmen sie eine kritisch-solidarische Haltung zu Fayes Partei ein, indem sie bisher getroffene oder eben nicht getroffene Regierungsmaßnahmen in einem vierteljährlichen Bericht begleitet, kritisch auswertet und je nachdem auch konkrete Vorschläge unterbreitet oder Forderungen an die Regierung stellt.

Was bspw. die ökonomische Souveränität Senegals betrifft, hatte die PASTEF-Regierung ein Projekt zur systemischen Umstrukturierung angekündigt, um Staatsschulden abzubauen und die Währungssouveränität wiederzuerlangen. So weit, so schwammig. Die FRAPP forderte daraufhin die Regierung in ihrem Bericht auf, Kredite von internationalen Finanzinstitutionen zu vermeiden, “um das Diktat der internationalen Institutionen durch den Schuldenmechanismus zu” beenden. “Diese Institutionen (IWF, WB, AFD [Agence Française de Développement – Anmerkung KO] usw.) nutzen konzessionäre oder halb konzessionäre Kredite, um multinationalen Unternehmen den roten Teppich auszurollen (gebundene Schulden) oder um die öffentliche Politik von Ländern in Schwierigkeiten zu bringen (Anpassungsprogramme). Dieses traditionelle Muster hält unsere strukturelle Abhängigkeit aufrecht, weshalb ein Paradigmenwechsel und die Mobilisierung inländischer Ressourcen notwendig sind.” Weiter konstatiert die FRAPP: “Nach 79 Jahren französischer Bevormundung im Zusammenhang mit dem CFA-Franc müssen wir unsere Währungssouveränität wiedererlangen, um eine Währungspolitik im Dienste des Wirtschaftswachstums und der Vollbeschäftigung zu konzipieren und umzusetzen.”[31] Dafür verlangt die Bewegung den zwingenden Ausschluss Frankreichs aus der Verwaltungsebene der Währung.

Die FRAPP kritisiert noch viele andere Zustände, wie die weiterhin existierenden ausländischen Militärbasen im Land oder auch unzureichende staatliche Preisregulierungen und Subventionen im Sinne einer weitreichenden Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards. Wie bereits oben beschrieben, gibt es nun auch Mehrheiten im Parlament, mit denen die Regierung weiterer Schritte umsetzen kann und sich nicht mehr auf dieses Problem als Begründung für ihre Zurückhaltung beziehen kann.

Verstaatlichung statt Ausverkauf in Niger

Was konkrete Maßnahmen anbelangt, schafft die Tchiani-Regierung in Niger seit ihrer Machtübernahme deutliche Fakten. So berichtete uns der Genosse der ORDN von der erfolgreichen Verstaatlichung des Wassersektors Anfang des Jahres. Nach über 22 Jahren Fremdbestimmung in Sachen Wasserversorgung, dankte die französische Veolia ab und die neu gegründete Nigérienne des Eaux nahm das Zepter in die Hand. Aktuell hat nur ca. die Hälfte der nigrischen Bevölkerung Zugang zu Trinkwasser. Das soll sich nun ändern. Bis 2030 plant die nigrische Regierung eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen[32].

Darüber hinaus werden auch weiterhin Pläne zur Verstaatlichung wichtiger Bergbauminen und Ölfelder umgesetzt. Ende Oktober musste u.a. der französische Energiekonzern Orano seine Uranproduktion komplett einstellen. Nachdem Niger Orano im Juni bereits die Lizenz für den Betrieb der Imouraren-Mine entzogen hatte, war Somair die letzte noch in Produktion befindliche Mine unter französischer Kontrolle gewesen[33]. Orano begründete seinen Rückzug u.a. mit den geschlossenen Grenzen zu Benin, die seit geraumer Zeit den Rohstoff-Transport zum Hafen in Cotonou unterbinden, und den damit verbundenen finanziellen Einbußen. Die geschlossenen Grenzen waren zunächst Resultat der Sanktionen, welche die ECOWAS gegen Niger nach dem Militärputsch im Sommer 2023 verhängte. Diese wurden zwar im Frühjahr dieses Jahres aufgehoben, doch behielt sich Niger aufgrund von Sicherheitsbedenken und der vermuteten Beherbergung französischer Militärs und deren Unterstützung für terroristische Gruppen vor, die Grenzen weiterhin geschlossen zu halten. Daraufhin unterband Benin die Verschiffung des Öls der wichtigen nigrisch-chinesischen Öl-Pipeline[34]. Diese läuft mittlerweile wieder, doch die Grenzen bleiben geschlossen.

Bei der weiteren Beschäftigung mit den Entwicklungen im Sahel wird es sehr wichtig sein, die Rolle von prowestlichen Regierungen wie Talon in Benin oder auch Ouattara in Cote d’Ivoire genau zu verfolgen. Mit großer Zuversicht sollte allerdings die Ankündigung Nigers vom September aufgenommen werden, die Timersoi National Uranium Company (TNUC) aus der Taufe zu heben. Dieses neue staatliche Unternehmen soll in Zukunft die Urangewinnung organisieren[35].

Es stellt sich natürlich die Frage, inwiefern ein in Unterentwicklung gehaltenes Land wie Niger in der Lage ist, den Abbau und die Verarbeitung seiner Ressourcen selbst zu organisieren. Dazu präsentierte der Genosse der ORDN einen pragmatischen Ansatz, der sicherlich große Risiken birgt, aber aktuell den Stand des Möglichen darzustellen scheint: Niger lege vor allem neue Bedingungen fest – wer sie dann letztendlich erfülle, sei nachrangig. So erzählte er sehr optimistisch von einem Abkommen mit dem kanadischen Kernenergie- und Rüstungsunternehmen Global Atomic, welches laut seinen Einschätzungen im Gegensatz zu den französischen Verträgen eine “Win-Win-Situation” impliziere. Der Konzern erhielt von Niger die nötigen Befugnisse für die Umsetzung des wichtigen Dasa-Uranprojekts, das die Förderung von Erz ermöglichen soll, um anschließend v.a. Nordamerika und einen europäischen Stromversorger zu bedienen[36]. Doch gleichzeitig verpflichte sich der Konzern dazu, nigrische Fachkräfte auszubilden bzw. zu qualifizieren und so mittelfristig einen Technologie-Transfer zu ermöglichen. In 5 bis 10 Jahren solle Niger dann in der Lage sein, die Rohstoffgewinnung eigenständig sowie national zu organisieren.

Panafrikanismus – Vision für die Emanzipation des afrikanischen Kontinents

Die Diskussionen auf dem Kongress drehten sich vorrangig um die Frage, was progressiver Panafrikanismus heute bedeutet. Besonders hervorzuheben sind die Redebeiträge von Booker Omole (Kommunistische Partei Kenia – CPMK) und Philippe Toyo Noudjenoumè (Vorsitzender der West African Peoples Organisation – WAPO und der Kommunistischen Partei Benin). Noudjenoumè stellte außerdem die Entwicklung des Panafrikanismus dar, der als Begriff in der Vorbereitung des 1. Panafrikanischen Kongresses in London 1900 aufkam. Fortan wurde die Bewegung stark von Afrikanern aus der Diaspora geprägt wie etwa W.E.B. du Bois und Marcus Garvey, welche beide zu den Gründervätern der Bewegung gezählt werden.[37] In den folgenden Jahrzehnten entwickelten sich jedoch auch immer mehr Bewegungen auf dem afrikanischen Kontinent, die sich auf den Panafrikanismus als Befreiungsideologie bezogen.

Ohne hier zu detailliert auf die Entstehung und Entwicklung der panafrikanischen Bewegung eingehen zu können, die definitiv eine gesonderte Untersuchung wert wäre, sollen zumindest ihre grundlegenden Ziele kurz dargelegt werden. Der Panafrikanismus stützte sich auf die Idee Afrika wieder zu vereinen, als Gegenbewegung zur Zerstückelung durch Sklaverei und Kolonialismus, wodurch Afrikaner in der ganzen Welt verteilt wurden. Die Forderungen konzentrierten sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hauptsächlich auf den Kampf gegen Rassismus und Unterdrückung und fanden primär in der Diaspora statt. Da dies auch Jahrhunderte lang die ideologische Rechtfertigung für die Unterdrückung war, wurde ein rassisches Konstrukt wesentlicher Teil der Befreiungsideologie, im Sinne der Schwarzen Selbstermächtigung gegen die weißen Herrscher. Das hatte natürlich viele fortschrittliche Aspekte in der Entwicklung der antikolonialen Bewegung und besitzt sie auch teilweise weiterhin, jedoch mit Grenzen und Fallstricken. Es muss kritisiert werden, wenn Hautfarbe statt Klasse zum Kriterium des Kampfes wird, wie die Redner der Konferenz darstellen. Es ging auch damals mit vielen Diskussionen einher. Beispielsweise dazu, wie konsequent mit dem Kolonialismus gebrochen werden sollte, wo die Kämpfe primär stattfinden sollten und auch zum Verhältnis zur kommunistischen Bewegung. Mit dem zunehmenden Verlangen nach der Abschüttelung des Kolonialismus, kann der 5. Kongress 1945 in Manchester unter Führung von George Padmore und Kwame Nkrumah als Wendepunkt gesehen werden, ab dem die panafrikanische Bewegung die nationale Befreiung auf dem afrikanischen Kontinent in den Fokus stellte. Noudjenoumèbeschreibt, wie Nkrumah, “eine neue, militantere und auf die Arbeiterklasse ausgerichtete Dimension” auf die panafrikanische Bewegung anwandte. Die Balance zwischen nationalen Zielen und den kontinentalen Missionen der Bewegung zu halten, die unterschiedlichen Kämpfe in der Diaspora um Rechte dort und in Afrika, begleitete die panafrikanischen Strategiedebatten in den folgenden Jahrzehnten und auch noch bis heute[38].

Noudjenoumè stellte in seinem Redebeitrag auf der Konferenz in Dakar folgende Definition eines progressiven Panafrikanismus dar: “den Panafrikanismus, für den wir kämpfen, als eine politische Bewegung und Ideologie, die die vollständige Unabhängigkeit, die integrale wirtschaftliche Entwicklung und die Vereinigung des afrikanischen Kontinents fördert und zu diesem Zweck die Praxis der Solidarität zwischen Afrikanern und Menschen afrikanischer Abstammung, wo immer auf der Welt sie sich befinden, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, ihrer religiösen Zugehörigkeit oder ihrem physischen Erscheinungsbild, unterstützt.” Gleichzeitig machte er auch auf die Widersprüche aufmerksam, welche die panafrikanische Bewegung in sich trägt.

So unterscheidet er verschiedene Spielarten des Panafrikanismus:

  1. großbürgerlicher Panafrikanismus: zielt auf die Vereinigung Afrikas durch afrikanische Kapitalisten ab
  2. kemitischer Panafrikanismus: dieser Panafrikanismus schließe den arabisch-berberischen Teil der Afrikaner aus und beruht auf einer Vereinigung reduziert auf die Hautfarbe, er sei vor allem in intellektuellen Kreisen verbreitet
  3. populistisch, kleinbürgerlicher Panafrikanismus: ziele v.a. auf afrikanische Diaspora ab und verkörpere einen “Panafrikanismus ohne jegliche Verankerung in der inneren Situation und mit ausländischem Konsum”
  4. revolutionärer Panafrikanismus: lege den Fokus auf die revolutionäre Transformation in den Ländern

Auch Booker Omole von der Kommunistischen Partei Kenias betonte die Relevanz eines progressiven Panafrikanismus, der sich auf die Erkenntnisse des wissenschaftlichen Sozialismus stütze. Er warnte vor Konzepten wie der Negritudé, die die Klassen- und Ausbeutungsverhältnisse nicht in den Blick nehmen würden und stattdessen ein romantisiertes Bild der Vergangenheit entwerfen würden.

Der Blick auf die Spielarten bleibt schlaglichtartig, sollte jedoch an dieser Stelle nicht ausgespart werden, da die Diskussion um Panafrikanismus virulent in der afrikanischen Befreiungsbewegung ist und die Beschäftigung damit insofern notwendig. Nicht zuletzt die Gründung der Allianz der Sahelstaaten und der damit einhergehende Prozess über die kolonialen Grenzen hinweg an einer souveränen Entwicklungsperspektive zu arbeiten, zeigt die praktische Relevanz.

Wie weiter? Ein Kontinent im Aufbruch

Die Situation im Sahel ist geprägt von revolutionärem Elan und schnellen Dynamiken. Während wir diesen Text verfassten, fand in Niger vom 19.-21. November die “Konferenz in Solidarität mit den Völkern der Sahelzone” statt, die die WAPO und Pan Africanism Today (PAT) ausrichteten. An ihr nahmen Vertreter von Gewerkschaften, Bauernorganisationen, Kommunistischen Parteien und anderen fortschrittlichen Organisationen aus Afrika teil. Die Konferenz wurde von der Regierung Nigers ausdrücklich unterstützt.

Sie bestärkte die Stimmung revolutionären Elans, die wir auch in Senegal wahrnehmen konnten. Der afrikanische Kontinent ist in Bewegung. Der Aufschwung, der den Kontinent erfasst hat, findet nicht nur in Westafrika statt, sondern auch in Kenia, wo viele Genossen ihr Leben im Kampf gegen die neokoloniale Regierung verlieren, und weiteren Ländern.

Dabei sind die heutigen antiimperialistischen Kräfte keinesfalls naiv. Sie wissen um die Fragilität jeglicher antiimperialistischen Bewegung und setzen genau deshalb den Fokus auf die Verteidigung der AES-Staaten. Sie sind sich gleichfalls der Begrenztheit der AES-Staaten bewusst. Wir nahmen eine intensive Auseinandersetzung mit den historischen Erfahrungen der antiimperialistischen Kämpfe wahr, den Drang nach Bildung, sowie lebendigen Austausch über Strategie und Taktik.

Davon können wir lernen und uns inspirieren lassen. Gleichzeitig sollten wir unsere Verantwortung für den antiimperialistischen Kampf im imperialistischen Zentrum ernst nehmen. 

Wir müssen die Rolle des deutschen und NATO-Imperialismus in Afrika besser verstehen und eine starke antiimperialistische Bewegung aufbauen, um ihn zu schwächen. Wir müssen die Kämpfe und Entwicklungen vor Ort besser verstehen, hier Bewusstsein über sie schaffen und über die verzerrten Narrative deutscher Medien diesbezüglich aufklären, die sich bis in linke Kreise erstrecken. Die progressiven Kräfte in der Region führen lebendige und richtungsweisende Debatten in der Region und sie formieren sich. Lasst es uns ihnen gleichtun und gemeinsam eine starke antiimperialistische Front aufbauen.

A BAS L’IMPERIALISME – DOWN WITH IMPERIALISM

A BAS NEOCOLONIALISME – DOWN WITH NEOCOLONIALISM

A BAS LA FRANCEAFRIQUE – DOWN WITH FRANCEAFRIQUE

VIVE LE PEUPLE SAHELIENNE – LONG LIVE THE PEOPLE OF THE SAHEL

LA PATRIE OU LA MORT, NOUS VAINCRONS – HOMELAND OR DEATH, WE SHALL OVERCOME

Anhang

Niamey-Erklärung

21. November 2024

Solidarität mit den Völkern der Sahelzone: Für antiimperialistische Einheit, Frieden und Freundschaft zwischen den Völkern

Teilnehmer aus verschiedenen Teilen der Welt – Amerika, Asien und Afrika – nahmen an der Konferenz in Solidarität mit den Völkern der Sahelzone teil. Diese Veranstaltung wurde von der West African Peoples‘ Organisation (WAPO) und dem Pan Africanism Today Sekretariat (PAT) organisiert. Sie fand vom 19. bis 21. November 2024 im Mahatma Gandhi International Conference Centre in Niamey unter dem Motto „Für antiimperialistische Einheit, Frieden und Freundschaft zwischen den Völkern“ statt. Wir geben hiermit die folgende Erklärung ab:

I. Internationaler Kontext

Die Welt steht vor einer mehrdimensionalen Krise am Rande eines dritten Weltkriegs, der durch die aggressiven und offensiven Aktionen imperialistischer Mächte unter der Führung der Vereinigten Staaten und ihrer NATO-Verbündeten gekennzeichnet ist. Diese Mächte begehen Handlungen, die ihren Niedergang signalisieren – darunter die Anordnung von Massakern und Völkermorden in Gaza und im Libanon und die Entfachung von Kriegen von der Ukraine bis zur Westsahara und zum Sudan. Sie schüren zahlreiche provokative Aktionen in Südostasien, halten eine seit über sechs Jahrzehnten andauernde illegale Blockade gegen Kuba aufrecht und verhängen im Rahmen ihrer globalen Tyrannei Sanktionen gegen das venezolanische Volk.

Als Teilnehmer der Konferenz in Solidarität mit den Völkern der Sahelzone verurteilen wir diese Handlungen aufs Schärfste, die wir als Treibstoff für einen möglichen umfassenden dritten Weltkrieg betrachten. Wir machen die Vereinigten Staaten und ihre NATO-Verbündeten für diese Handlungen verantwortlich und fordern eine sofortige Einstellung der Gräueltaten in Gaza und im Libanon, ein Ende der Blockaden gegen Kuba und Venezuela und ein Ende der imperialistischen Provokationen weltweit für den Frieden der Menschheit.

II. Afrikanischer Kontext und besonderer Fokus auf die Sahelzone

1. Vor 140 Jahren, am 15. November 1884, kamen vierzehn europäische Kolonialmächte unter der Führung des deutschen Reichskanzlers Bismarck in Berlin zusammen, um den afrikanischen Kontinent zu ihrem Vorteil aufzuteilen. Nach Jahrhunderten der Ausbeutung von Millionen afrikanischer Arbeiter durch Sklaverei besetzten diese europäischen Nationen Afrika physisch, um seine reichen natürlichen Ressourcen auszubeuten.

2. Während dieser Aufteilung beanspruchten Frankreich und das Vereinigte Königreich die größten Teile Westafrikas. Frankreich kontrollierte schließlich große Teile der Sahelzone und übernahm die vermeintlich weniger fruchtbaren Wüstenregionen, während das Vereinigte Königreich die fruchtbareren und bevölkerungsreicheren Regionen Afrikas besetzte.

3. Obwohl heldenhafte Befreiungskämpfe geführt und bedeutende Erfolge erzielt wurden, führte die Unabhängigkeit in den 1960er Jahren nicht zu echter Souveränität, insbesondere nicht für die französischen Kolonien. Die Nationen der A.E.S. blieben als „französische Enklaven“ in Afrika gefesselt, wo alle Aspekte der Souveränität, von der Währung und Verteidigung bis hin zu den natürlichen Ressourcen, von Frankreich über Marionettenregierungen kontrolliert wurden, die durch eine ständige Militärpräsenz unter Druck gesetzt wurden. Die anhaltende Ausbeutung machte die sogenannten frankophonen afrikanischen Staaten zu den ärmsten der Welt, wobei Niger ein ergreifendes Beispiel ist.

4. Die jüngsten Staatsstreiche in Mali, Burkina Faso und Niger sind darauf zurückzuführen, dass es den Machthabern nicht gelungen ist, ihre Nationen vor der imperialen Aggression Frankreichs zu schützen, und dass sie terroristische Kräfte gefördert haben. Dazu gehört auch die Duldung und Komplizenschaft dieser ehemaligen Regierungen mit Terroristen bei den Massakern an der Bevölkerung. Diese Staatsstreiche spiegeln auch die weit verbreitete Unzufriedenheit und den Ruf nach grundlegenden Veränderungen in diesen Ländern wider.

III. Unterstützung für die entschlossenen Völker und Führer der Allianz der Sahelstaaten (AES)

1. Wir loben die Regierungen, die aus den jüngsten Staatsstreichen hervorgegangen sind, für die Verabschiedung patriotischer Maßnahmen zur Wiedererlangung der politischen und wirtschaftlichen Souveränität über ihre Gebiete und natürlichen Ressourcen. Zu diesen Maßnahmen gehören die Beendigung neokolonialer Abkommen, die Forderung nach Abzug französischer, amerikanischer und anderer ausländischer Truppen sowie die Umsetzung ehrgeiziger Pläne für eine souveräne Entwicklung.

2. Wir sind besonders ermutigt durch die Bildung der Allianz der Sahelstaaten durch diese Länder. Dieser Schritt belebt das Erbe der panafrikanischen Führer und stellt einen konkreten Schritt in Richtung wahrer Unabhängigkeit und panafrikanischer Einheit dar.

3. Diese Regierungen genießen derzeit breite Unterstützung durch ihre Bürger, die diese revolutionären Aktionen vorantreiben und sich dafür einsetzen. Diese Einheit ist für die Verwirklichung demokratischer und patriotischer Ideale von entscheidender Bedeutung und ein erstrebenswertes Entwicklungsmodell für andere afrikanische Nationen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zwar noch viel für die vollständige Befreiung der Sahelstaaten getan werden muss, wir aber optimistisch sind, dass diese Regierungen, indem sie weiterhin auf ihr Volk hören, ihre Ziele für eine vollständige nationale Befreiung erreichen und zum umfassenderen Ziel eines geeinten und freien Afrikas beitragen werden.

Wir stehen an der Seite der populären und revolutionären Kräfte in der Sahelzone in ihrem Kampf für die vollständige und totale Souveränität. Wir verlassen Niamey mit der Verpflichtung, die Fortschritte, die die Menschen in der Sahelzone gemacht haben, zu verteidigen und die internationalistischen Kräfte auf der ganzen Welt für dieses Ziel zu mobilisieren.

Es lebe der Patriotismus, der Antiimperialismus und der Panafrikanismus!

Frankreich und seine Verbündeten, zieht euch zurück!

Die Teilnehmer.


[1]https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/202989/bismarck-und-der-kolonialismus/?p=all

[2]https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7963

[3]https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7963

[4]https://kommunistische-organisation.de/bericht/haende-weg-von-niger-protestaktionen-in-frankfurt-und-duesseldorf/

[5]https://www.marx21.de/putsch-stuerzt-pro-westlichen-praesidenten/

https://kommunistischepartei.de/stellungnahmen/schlachtfeld-sahelzone

[6] https://kommunistische-organisation.de/artikel/ignoranz-von-100-jahren-unserer-geschichte/#_Toc122616389

[7] Edlinger, Lanier (Hrsg.) (2022): Krisenregion Sahel. Hintergründe, Analysen, Berichte. Promedia Verlag: S. 11ff.

[8] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/5832

[9]https://www.reuters.com/world/africa/mali-burkina-niger-launch-biometric-passports-under-new-alliance-2024-09-15/

[10]https://africa-news-agency.com/aes-elimination-of-roaming-fees-between-mali-niger-and-burkina-faso/

[11]https://www.fides.org/en/news/75548-AFRICA_NIGER_Cereals_and_pulses_export_ban_exceptions_apply_to_Mali_and_Burkina_Faso#:~:text=Niamey%20(Agenzia%20Fides)%20%2D%20The,%2C%20Mali%20and%20Burkina%20Faso).

[12]https://wadr.org/malis-transitional-authorities-nationalize-yatela-gold-mine/

[13]https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/mali-erpresst-goldkonzerne-millionen-an-loesegeld-fuer-topmanager-110157910.html

[14]https://www.africanews.com/2024/11/14/new-era-of-sovereignty-in-malis-gold-sector-business-africa//

[15]https://mronline.org/2024/09/13/burkina-faso-nationalizes-uk-goldmines/

[16]https://westafricareport.com/2023/10/27/burkina-faso-military-government-announce-nationalisation-of-sugar-sector/

[17]https://libyaobserver.ly/inbrief/burkina-faso-nationalizes-libyan-arab-bank-commerce-and-development

[18]https://wavn.org/burkina-faso-inaugurates-a-7-5-billion-cfa-tomato-processing-plant-to-boost-agriculture/

[19]https://energycentral.com/news/burkina-faso-partners-russia-build-first-nuclear-plant-0

[20]https://www.berliner-zeitung.de/news/losloesung-von-kolonialmacht-niger-benennt-zahlreiche-strassen-und-plaetze-um-li.2263738

[21]https://www.jungewelt.de/artikel/472224.senegal-panafrikanist-gewinnt.html

[22]https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/senegal-2023

[23]https://www.middleeasteye.net/news/chad-and-senegal-end-military-ties-paris-what-next-france-sahel

[24]https://monitortribune.com/?p=6693https://www.finances.gov.bf/forum/detail-actualites?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=667&cHash=5dd315a88895742a3218ef0274a68daa

[25]https://olafbernau.de/2021/12/23/widerspruechliche-lage-in-mali-trotz-gewalt-und-repression-breite-beteiligung-der-bevoelkerung-an-nationalen-versammlungen/

[26]https://www.jungewelt.de/artikel/447379.konfliktherd-sahel-alle-macht-dem-pr%C3%A4sidenten.html

[27]https://www.jungewelt.de/artikel/453449.malier-stimmen-f%C3%BCr-neue-verfassung.html

[28] https://taz.de/Nach-drei-Jahren-Militaerregierung/!5974027/

[29]https://www.aa.com.tr/en/africa/burkina-faso-accuses-france-of-destabilization-in-complicity-with-benin-ivory-coast/3272883

[30]https://turdef.com/article/witness-unveils-france-s-discreet-military-base-in-benin

[31]Rapport Trimestriel de Suivi des Actions Gouvernementales (April-Mai-Juin 2024) / FRAPP

[32]https://www.afrik21.africa/en/niger-following-the-departure-of-frances-veolia-nigerienne-des-eaux-is-launched/

[33]https://www.rfi.fr/en/africa/20241024-orano-halts-uranium-output-at-niger-s-arlit-mine-amid-financial-strain

[34]https://www.agenzianova.com/de/news/Niger-Benin-Tauziehen-um-%C3%96l-Das-Thema-und-erneut-die-franz%C3%B6sische-Pr%C3%A4senz-in-der-Sahelzone/

[35]https://theelectricityhub.com/niger-junta-slams-orano-eyes-new-uranium-deals/

[36]https://www.jungewelt.de/artikel/486746.uran-aus-dem-niger-neue-herren-des-urans.html

[37]https://www.theelephant.info/analysis/2021/06/26/pan-africanism-and-the-unfinished-tasks-of-liberation-and-social-emancipation-taking-stock-of-50-years-of-african-independence/

[38]vgl. ebd.

„Die in Europa gestrandeten ‚Verdammten dieser Erde‘ müssen sich vereinen“

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Am 7. Januar 2005 wurde Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau ermordet und verbrannt. Freunde von ihm organisierten sich und kamen mit The VOICE Refugee Forum sowie der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen zusammen. Anfang 2006 begannen sie eine bundesweite Informations-Kampagne und organisierten am 1. April eine Großdemo für die Aufklärung des Mordes an Oury Jalloh. In der Folge kämpften sie vor Gericht und in der Öffentlichkeit für Gerechtigkeit und organisierten Solidarität mit den Angehörigen von Oury Jalloh. Die für den Tod von Oury Jalloh sowie weiteren Menschen – Mario Bichtermann und Hans-Jürgen Rose – verantwortlichen Polizisten wurden bis heute zu keinen nennenswerten Strafen verurteilt.  

Wir sprachen mit zwei Genossen von der Karawane über den Fall Oury Jalloh, die kolonialen Wurzeln des in Deutschland herrschenden Rassismus und die Zusammenhänge zwischen Kolonialismus, Imperialismus, Flucht und Migration. 

Das Interview wurde von Noel Bamen mit Araz und Mbolo geführt, die seit Jahren in der Karawane politisch aktiv sind, in schriftlicher Form geführt. 

KO: Seit 2005 kämpft ihr gemeinsam mit anderen für Aufklärung und Gerechtigkeit im Fall Oury Jalloh. Könnt ihr die wichtigsten Etappen dieser 20 Jahre und den aktuellen Stand kurz zusammenfassen?  

Karawane: Nach dem barbarischen Mord an Oury Jalloh ging es darum, der Familie und den Freundinnen und Freunden beizustehen und nach Aufklärung zu verlangen. Gleichzeitig waren wir alle, ohne die Einzelheiten und Fakten zu kennen, überzeugt, dass Oury Jalloh brutal ermordet und anschließend verbrannt worden war. In dieser ersten Phase ging es darum, einen öffentlichen Prozess herbeizuführen, dies gelang nur über Beharrlichkeit und mit der Parole „Oury Jalloh, das war Mord!“. Diese Parole störte nicht nur die Polizei und die staatlichen Institutionen, sondern auch linke deutsche Aktivistinnen und Aktivisten sowie Mitglieder der Antirassismus-Szene. Denn ohne Beweise dürfen solchen Parolen nicht gerufen werden. Für uns, Menschen aus Abya Yala [vorkolonialer Name Amerikas, Anm. KO], Afrika und Asien, war jedoch diese Art der Barbarei nichts Neues und reihte sich in die 500-jährige Unterwerfung unserer Kontinente ein. Wir vertrauten unseren jahrhundertelangen Erfahrungen, vor allem dann, wenn uns Freunde von Oury über seine Lebensfreude und über seinen Stolz als Vater erzählten. Wir mussten uns also mit der Parole nicht nur in Dessau gegen die Polizei und die Verwaltungsbehörden durchzusetzen, sondern auch gegen gutgemeinte Ratschläge aus der den Flüchtlingen wohlwollenden Szene deutscher Menschen. 

Der erste Etappensieg wurde erreicht und der erste Prozess wurde eröffnet. Hier ging es dann darum, alle zu Tage tretenden Ungereimtheiten zu nutzen, um den rassistischen und barbarischen Hintergrund aufzudecken. Gleichzeitig war es aber allen innerhalb des Netzwerks der Karawane und The VOICE klar: Dieser Kampf muss dazu führen, dass sich Flüchtlinge und Migranten – bewaffnet mit dem Bewusstsein über die menschenfeindliche Haltung der Gesellschaft –  stärker engagieren für ihre Zukunft. Das heißt, die Kämpfe gegen Polizeibrutalität, gegen Abschiebung und gegen Eingriffe in unsere Herkunftsländer zu verbinden und der Herrenmentalität als kolonialem Erbe zu begegnen. 

Leider haben wir nach dem ersten Gerichtsurteil einen Zerfall und eine Fragmentierung beobachten müssen, wir haben erlebt, wie Vereine und NGOs die Kämpfe in das bürgerliche Lager integrierten und dem Kampf die Spitze nahmen. Jeder wusste, dass Oury Jalloh ermordet worden war, sie wollten alle darüber reden, doch keiner forderte Konsequenzen.  

Oury Jalloh war nicht das erste Todesopfer und nicht der letzte Ermordete. Alle konnten gerade im Dezember 2024 sehen, wie die fünf Beamten, die Mouhamed Lamine Dramé in Dortmund mit 18 Kugeln niedergestreckt hatten, freigesprochen wurden. Uns ging es darum, das Thema weiterhin, wenn notwendig, hochzuhalten, es aber zu verknüpfen mit allen anderen Fällen und unserer generellen Arbeit, damit die Kämpfe sich aufeinander beziehen und den Kern des Problems ins Visier nehmen können. 

KO: Oury Jalloh war, wie du gesagt hast, weder das erste noch das letzte Todesopfer rassistischer Polizeigewalt in Deutschland. Besonders häufig sind schwarze Menschen betroffen. Woran liegt das?  

Karawane: Es liegt an der langen Unterdrückung der drei Kontinente während und nach der Kolonialzeit. Es geht darum, dass man die Anderen, denen man das Land, das Eigentum und das Leben brutal nahm und sie ermordete, entmenschlichen musste. Seit dem Disput von Valladolid 1550 [Streit in Spanien um die Rechtmäßigkeit der Versklavung indigener Menschen, Anm. KO] haben diejenigen gesiegt, die die Opfer zum Barbaren erklärten, während sie in den Minen Perus die Menschen abschlachteten, während sie in Kongo die Hände abhackten oder in China die alten Kulturen zerbombten. Diese lange Unterdrückung der Menschheit durch die europäische Minderheit hat zu einem Selbstverständnis geführt, dass hier in Europa und Nordamerika diejenigen sitzen, die wüssten, wie die Welt auszusehen hat. Die anderen Ärmeren und Rückständigeren aus den genannten Kontinenten können es nicht und vor allem nicht besser. 

Durch diese Entmenschlichung, die tagtäglich in den Medien, öffentlichen Debatten usw. reproduziert wird, verliert das Leben des „Anderen“ an Bedeutung. Wenn er ein Messer in der Hand hat, wird er sofort erschossen, mit mehreren Kugeln wie Dominique Kouamadio 2006 in Dortmund oder  Mouhamed Lamine Dramé 16 Jahre später. Wenn eine Frau wie N’deye Mareame (Maryama) Sarr darauf besteht, ihre Kinder mit nach Hause zu nehmen, wird nicht ihr Mann, der die Kinder zu Unrecht mitgenommen hat, angegangen, sondern Maryama Sarr erschossen. Es wiederholte sich im Gerichtssaal von Dresden am 1. Juli 2009: Marwa El Sherbini, Opfer eines Rassisten, sitzt im Gerichtsaal und wird von dem Angeklagten angegriffen. Marwas Mann, der ihr zur Hilfe rennt, wird von den Polizisten angeschossen, nicht der angeklagte Rassist mit dem Messer. Die 500 Jahre der kolonialen Erziehung spüren wir im Alltag in den Diskussionen, nicht nur als Schwarze, aber besonders als schwarze Menschen. Jedes Leben in der Ukraine ist mehr wert als das Leben Hunderter palästinensischer Kinder und mehr als das Leben einer halben Million Menschen in Tigray. Der Rassismus als logische Folge der kolonialen Gegebenheiten ist Teil dieser Gesellschaft. Das eine wird nicht ohne das andere verschwinden. 

KO: Die Karawane versteht sich als antikoloniale Bewegung. Euer Motto ist: „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“. Wie hängen Migration und Flucht mit Kolonialismus und Imperialismus zusammen?  

Karawane: Der Kolonialismus hat Europa zum Reichtum verholfen. Die Beute war das Startkapital für die Industrialisierung und den Kapitalismus, der sich nun in Imperialismus transformiert hat. Die Parole wurde vom Netzwerk erstmals 1999 in Köln auf dem Gipfel der reichen Industrienationen formuliert. Sie wurde auch schon früher in England von Studenten aus den ehemaligen Kolonien verwendet. Wir haben mit der Parole bewusst die Ursache für Flucht und Migration benennen wollen. Es wurde damals durch die Politik versucht, zwischen „guten und schlechten“ Flüchtlinge zu unterscheiden, zwischen politischen und wirtschaftlichen Flüchtlingen. Wir sagten, dies sei unbedeutend, weil auch die wirtschaftlichen Gründe politischer Natur seien und eine Folge der Aufteilung der Welt. 

Schau dir die Zahlen heute an: Nach Jason Hickel und seinen Kollegen raubten die reichen Nationen den Arbeiterinnen und Arbeitern des Südens allein im Jahre 2021 826 Milliarden Stunden ihrer Arbeit. Das englische Imperium hat Indien um 64,82 Billionen Dollar beraubt. Während sich in London auf dem Parkett  die Edlen feiern können, verhungern Kinder in Indien oder müssen schon in frühen Jahren arbeiten. Flucht und Migration sind natürliche Folgen der Zustände, die von den alten Kolonialländer geschaffen worden sind und durch die Konzentration der Macht in den entsprechenden globalen Institutionen (Finanzen, Technology, Kommunikation, Agrarwirtschaft, …) immer noch fortgesetzt werden. 

Die Parole soll jeden hier in Europa dazu bringen, über seine Rolle als Mensch zu reflektieren und zu entscheiden, was zu tun ist. 

KO: Auch Oury Jalloh kam als Flüchtling nach Deutschland. Er galt als „geduldet“. Ihr bezeichnet das deutsche Asylsystem ebenfalls als ein koloniales System. Was meint ihr damit?  

Karawane: Oury Jalloh kam als Opfer des Krieges um Blutdiamanten nach Deutschland. Sein Asylverfahren wurde, wie das vieler anderer, abgelehnt. Danach ist man nach deutschem System bis zur Abschiebung nur noch „geduldet“. Wir bezeichnen das deutsche Asylsystem oder besser: seine Instrumente der Abschreckung und der Disziplinierung als Erbe des kolonialen Systems. Die Residenzpflicht schränkt die Bewegungsfreiheit ein, genauso wie in Südafrika oder anderen afrikanischen Ländern wie Togo und Kamerun den Menschen bestimmte Gebiete zugewiesen worden sind. Das Lagersystem, in dem die Menschen jahrelang gehalten werden, zerstört nicht nur die Psyche der Menschen, sondern schafft noch mehr Hass und Hetze. Es ist in den Kolonien erprobt worden und später im deutschen Faschismus perfektioniert worden. Die ersten Konzentrationslager gab es z. B. im heutigen Südafrika, in Namibia und in Algerien. 

Neben vielen anderen Beispielen ist vor allem die Haltung der Behörden und Beamten immer wieder die gleiche: Man wird als kleines naives Wesen aus der Wüste oder aus dem Dschungel behandelt. Also sowohl in den Ausführungen der Verwaltungsregeln als auch in der Haltung könnte man das System als kolonial bezeichnen. Zudem schützt das deutsche oder europäische System die geraubten Reichtümer, indem es die rechtmäßigen Besitzer an den Außengrenzen Europas tagtäglich ermordet. 

KO: In der politischen Linken gibt es verschiedene Positionen bezüglich Flucht und Migration. Wie müssen aus eurer Sicht antiimperialistische und antikoloniale Grundpositionen zu den Fragen Flucht und Migration in einem Land des imperialistischen Zentrums, wie Deutschland?  

Karawane: Wir sind davon überzeugt, dass Flüchtlinge und Migranten sich emanzipieren und solidarisieren müssen. „Die Verdammten dieser Erde“, die in Europa gestrandet sind, müssen sich vereinen und für ihre Anliegen kämpfen. Sie müssen Räume schaffen, um ihre eigenen Anliegen hier formulieren und verteidigen zu können. Sie müssen dabei aufpassen, dass ihre Anliegen nicht von anderen angeeignet und ausgenutzt werden. Grundlage einer echten internationalen Solidarität kann nur eine Analyse der eigenen Geschichte in unseren Herkunftsländern und ein klares Bewusstsein über das tatsächliche Wesen der deutschen Herrschaft sein. Die Demokratie mag eine schöne Hülle sein, um das rassistische Wesen zu verschleiern, welches Oury Jalloh und viele andere ermordet hat, um das brutale kalte Europa zu verstecken, das jährlich Tausende an den Außengrenzen abweist und im Meer oder in Wüsten sterben lässt, um die imperialistische Barbarei zu schmücken, die fast alle aktuell laufenden Kriege zu verantworten hat oder den Genozid in Gaza mit ihrer Waffenlieferungen unterstützt. 

Wir können uns nur auf unsere eigene Kraft und Wissen verlassen. Daher sind wir überzeugt, dass wir nur durch gemeinsames Lernen und Solidarität mit den unterdrückten und sich als solche begreifenden Menschen langfristig weiterkommen. 

Duisburg: Filmabend zur Kubanischen Revolution

Als Teil unseres Antikolonialen Studienkreises in Duisburg schauen wir als Nächstes gemeinsam einen Film über die Kubanische Revolution. Natürlich könnt ihr auch gerne teilnehmen, wenn ihr bisher nicht beim Studienkreis dabei wart!

🗓 Samstag, 18.01.2025
🕐 18:30 Uhr
📍 Duisburg, genauer Ort auf Anfrage
✉️ Anmeldung: duisburg@kommunistische-organisation.de

Leipzig: »Der Bandera-Komplex« Buchvorstellung mit Susann Witt-Stahl

Der ukrainische Faschismus – Geschichte, Funktion, Netzwerke

Das Buch »Der Bandera-Komplex« beleuchtet die Ideologie, die Funktion und den Einfluss des Banderismus – vom historischen Ursprung bis zu seiner heutigen Bedeutung im Krieg in der Ukraine.

Wir laden Euch herzlich ein zur Buchvorstellung mit der Herausgeberin Susann Witt-Stahl.

Ort: a&o Hostel, Konferenzraum 1, Brandenburger Str. 2, 04103 Leipzig
Datum: Samstag, 01.02.2025
Einlass: 16:00 Uhr
Beginn: 17:00 Uhr

Ein brüchiges Lager gegen den Imperialismus?

🗓 Freitag, 10.01.2025
🕑 19:00 Uhr
🌐 Haus der Demokratie | Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin

Die Gleichzeitigkeit der Krise des „Westens“ einerseits und seiner zunehmend autoritär-militärischen Formierung andererseits bestimmen die Zeit. Die Einheit der Gegenkräfte zum Imperialismus scheint jedoch bisweilen fragil.

Mit drei Genossen, die sich intensiv mit den Regionen beschäftigt haben, richten wir den Blick auf Brennpunkte des internationalen Klassenkampfes, nach Russland, Palästina und den Sahel. Wir wollen die Widersprüche und Probleme im Lager des Imperialismus und der Gegenkräfte identifizieren, um auf dieser Grundlage ein realistisches Gesamtbild der Lage zu entwickeln. 

Welche Potentiale gibt es zur Formierung einer einheitlichen antiimperialistischen Front? Wie können wir uns aus Deutschland mit den Kämpfen verbinden?

Positionen und Perspektiven zu den Entwicklungen in Syrien

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Wir dokumentieren an dieser Stelle Übersetzungen Erklärungen und Stellungnahmen arabischer, türkischer und iranischer Kommunisten, sowie weiterer Parteien und Gruppierungen zur Entwicklung in Syrien.

Diese Zusammenstellung verschiedener Statements soll dazu dienen die verschiedenen Perspektiven und Positionierungen gegenüber der Zerschlagung der Syrischen Arabischen Republik in ihrer jetzigen Form aufzuzeigen. Außerdem sollen die offenen Fragen und Orientierungen der Kommunisten angesichts der imperialistischen Aggression gegen Syrien zusammengetragen werden, um die Standpunkte von Kommunisten aus der Region für hiesige Debatten zugänglich zu machen. Droht eine Unterwerfung Syriens unter den US-Imperialismus? Wie wird die Herrschaft Assads eingeschätzt und welche Rolle erfüllt die HTS-Miliz? Worin bestehen die drängenden Aufgaben der Kommunisten nach dem Sturz Assads? Was bedeuten die neuesten Entwicklungen für das Kräfteverhältnis in der Region und den palästinensischen Befreiungskampf?

Dafür haben wir Statements folgender kommunistischer Kräfte übersetzt und in die Sammlung in aufgenommen: Demokratische Front für die Befreiung Palästinas, Palästinensische Kommunistische Partei, Partei des Volkswillens (Syrien), Syrische Kommunistische Partei (Vereinigt), Kommunistische Partei Jordaniens, Tudeh Partei des Iran und die Türkische Kommunistische Partei.

10mehr: Über die militärische Besatzung und den Regime Change in Syrien und die Folge für die Islamische Republik Iran und die Achse des Widerstands

Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (02.12.24) 

Die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas verurteilt den terroristischen Angriff auf Nordsyrien und fordert ein Ende der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens  
Die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas verurteilte den Terroranschlag in Nordsyrien, der von regional unterstützten Milizen und Terrorgruppen verübt wurde, und sah darin einen eindeutigen Versuch, Damaskus unter Druck zu setzen und es zu einer Politik zu bewegen, die in ihrer lokalen und regionalen Dimension mit den Projekten der türkischen, amerikanischen und israelischen Hegemonie übereinstimmt.

 
Die Demokratische Front rief dazu auf, die Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens zu beenden und das Land nicht auf seinem Weg zur Wiederherstellung der inneren Einheit, Stabilität und politischen und wirtschaftlichen Sicherheit zu behindern. Sie appelliert auch an diejenigen, die hinter den Terroranschlägen im Norden des Landes stehen, diese Politik zu beenden, die allen schaden kann, zumal den terroristischen Kräften Tür und Tor für die feindlichsten Projekte gegenüber der Region und ihren Völkern offen stehen, wie die blutigen Erfahrungen zeigen, denen mehr als ein Land in den letzten Jahren ausgesetzt war.

 
Die Demokratische Front bekräftigt ihr Vertrauen in die Fähigkeiten der Syrischen Arabischen Armee, mit der Unterstützung der Verbündeten Syriens das Land vom Schmutz des Terrorismus zu befreien und die nationale Souveränität über jeden Zentimeter des syrischen Staatsgebietes wiederherzustellen.

  

Palästinensische Kommunistische Partei (12.12.24)

Erklärung der Palästinensischen Kommunistischen Partei zur Lage in Syrien

http://solidnet.org/article/Palestinian-CP-Statement-Issued-by-the-Palestinian-Communist-Party-on-the-Situation-in-Syria/

Die gravierenden Entwicklungen im geliebten Syrien nach der Machtübernahme durch bewaffnete extremistische Gruppen am 8. Dezember stellen eine komplexe Tragödie dar, die das Leid des syrischen Volkes mit den Interventionen ausländischer Mächte verflechtet, die ihre Interessen auf Kosten der Einheit, Stabilität und Ressourcen Syriens durchsetzen wollen. In diesem Zusammenhang bekräftigen wir unsere Solidarität mit dem syrischen Volk und seinen fortschrittlichen Kräften und verurteilen die imperialistischen und zionistischen Interventionen auf das Schärfste, die darauf abzielen, Syrien zu spalten und zu schwächen. Wir verurteilen auch die Intervention der türkischen Muslimbruderschaft, die als Speerspitze und giftige Kralle der NATO diente, um die Machtübernahme durch terroristische Gruppen in Syrien zu erleichtern.

Die türkischen Interventionen, die unter dem Deckmantel des amerikanischen Imperialismus und als Unterstützung für die Opposition getarnt sind, haben expansionistische Ambitionen offenbart, die darauf abzielen, ein neues osmanisches Projekt voranzutreiben, das das Chaos in der Region ausnutzt. Durch ihre Unterstützung für bewaffnete Gruppierungen, die mit der Ideologie der Bruderschaft verbunden sind, versucht die Türkei, politische und sicherheitspolitische Agenden durchzusetzen, die ihren regionalen Interessen dienen, und dabei das Wohlergehen und Leid des syrischen Volkes zu missachten.

Gleichzeitig trägt das syrische Regime eine erhebliche Verantwortung dafür, dass es die großen Risiken, die das Land bedrohen, nicht erkannt hat, und sich auf einen individualistischen Ansatz verlassen hat, um sie zu bewältigen, ohne nationale und progressive Kräfte einzubeziehen. Es hat auch versäumt, die Bevölkerung zu mobilisieren und effektiv in die Bewältigung interner Herausforderungen und externer Bedrohungen einzubinden, die die Zukunft und Stabilität des Landes gefährden.

Der Fall der syrischen Hauptstadt Damaskus auf so verdächtige Weise offenbart den imperialistischen Kampf um globale und regionale Einflussbereiche. Russlands zweideutige und fragwürdige Haltung deutet auf einen möglichen Deal zwischen dem aufstrebenden russischen Kapitalismus, der seinen Anteil an der Welt sucht, und dem amerikanischen Imperialismus hin. Die unterdrückten und ausgegrenzten Völker tragen immer die Hauptlast solcher imperialistischen Neuaufteilungen, und das syrische Volk hat den Preis für die Überschneidung imperialistischer Interessen bezahlt.

Dies bestätigt die Ansicht der Palästinensischen Kommunistischen Partei, dass das Regime von Präsident Putin nicht mit der Sowjetunion gleichgesetzt werden kann. Viele kommunistische Parteien weltweit und in der Region haben sich der antikommunistischen Haltung des russischen kapitalistischen Regimes angeschlossen, insbesondere während der Ukraine-Krise.

Wir sind uns bewusst, dass der Fall Syriens in die Hände bewaffneter Gruppen, die vom westlichen Imperialismus und dem globalen Zionismus unterstützt werden, tiefgreifende Auswirkungen auf die gesamte Region haben wird. Das Gespenst der Teilung droht Syrien mehr denn je. Die zionistische Entität hat die syrische Armee und ihr militärisches Arsenal demontiert, syrische Wissenschaftler ermordet und begonnen, tief in syrisches Gebiet einzudringen, verschiedene Gebiete zu besetzen und manchmal bis an die Außenbezirke von Damaskus vorzudringen. All dies geschieht unter den Augen extremistischer und reaktionärer Gruppen, die untätig bleiben.

Darüber hinaus erstreckt sich die Gefahr einer Teilung allmählich auf den Irak und den Libanon und könnte die gesamte Region erfassen. Dies steht im Einklang mit dem Projekt „Neuer Naher Osten“, das darauf abzielt, die Nationalstaaten in der Region zu untergraben, Spaltungen und Schwächen zu vertiefen, die regionale Stabilität zu destabilisieren und die Region weiterhin den Interessen imperialistischer und zionistischer Mächte zu unterwerfen.

Die Palästinensische Kommunistische Partei lehnt jegliche Form ausländischer Intervention ab, sei es durch Imperialisten, Zionisten oder die türkische Bruderschaft, und fordert, dass nationale Lösungen, die die Einheit und Unabhängigkeit Syriens bewahren, Vorrang haben. Die wahre Lösung liegt in den Händen der freien Syrer selbst, durch einen integrativen Dialog, der alle nationalen Parteien einbezieht und frei von äußeren Diktaten ist.

Wir bekunden auch unsere Solidarität mit den Kommunisten Syriens und allen progressiven Kräften des Landes, auf denen die Last der Vereitelung imperialistischer und zionistischer Pläne, die Syrien und die gesamte arabische Region ins Visier nehmen, lastet. Wir rufen alle marxistisch-leninistischen kommunistischen Parteien weltweit und in der Region auf, die Ereignisse im geliebten Syrien zu verurteilen und seine Kommunisten zu unterstützen, die sich nun im Zentrum des Sturms befinden.

Palästinensische Kommunistische Partei

Partei des Volkswillens (8.12.24)

https://kassioun.org/en/statements-documents/item/81747-statement-to-the-syria-people-towards-a-new-syria

Erklärung an das syrische Volk: Auf dem Weg zu einem neuen Syrien

Heute wurde eine dunkle Seite in der Geschichte Syriens und des syrischen Volkes umgeblättert; eine Seite, auf der ein ganzes Volk in den schmalen Rand gequetscht wurde und alle Arten von Qualen, Unterdrückung, Entbehrung, Schmerz, Vertreibung, Armut und Internierungslagern erlitt, während die Hauptseite von Tyrannei, Korruption, Plünderung und Eingriffen in die Rechte und die Würde der Menschen geprägt war.

Das syrische Volk hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten einen langen Weg des Schmerzes zurückgelegt. Es ist an der Zeit, dass dieser Weg endet und die Syrer in die Zukunft blicken: auf Augenhöhe, mit Zuversicht und erhobenem Haupt und mit großer Hoffnung auf den Wiederaufbau des Landes, der dem Volk lieb und teuer ist, auch wenn es ungerecht war. Es ist zwar nicht ungerecht, aber diejenigen, die die Kontrolle übernommen haben, sind die Ungerechten.

Die Hoffnung, die heute die Seelen erfüllt, ist eine Hoffnung, die mit großem Potenzial und Energie aufgeladen ist, und sie sollte eine Hoffnung sein, die mit Vorsicht, Ruhe, Weisheit und Vernunft ausgestattet ist; eine Hoffnung, die von leidenschaftlichen, entflammten Herzen angenommen und von kühlen, weisen Köpfen getragen wird.

Die Schwierigkeiten und Herausforderungen sind enorm und gewaltig, aber die Syrer sind ihnen gewachsen. Das wichtigste Schlüsselwort, um sie zu überwinden, ist die Einheit des syrischen Volkes, seine Solidarität, gegenseitige Unterstützung und die Erhaltung seiner staatlichen Institutionen, sein Mitgefühl füreinander, die Überwindung der Mentalität von Rache und Vergeltung und die Einhaltung seines tiefen brüderlichen Erbes.

Was unser Heimatland heute von uns Syrern verlangt, ist, dass wir zusammenarbeiten, um einen reibungslosen und friedlichen Machtwechsel zu gewährleisten, damit in dieser Phase eine einigende Referenz geschaffen wird, deren Aufgabe es ist, die Verabschiedung einer neuen Verfassung und freie, faire und demokratische Wahlen sicherzustellen Wahlen zu ermöglichen, damit das syrische Volk sein Schicksal selbst bestimmen kann, und sich auf die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats zu stützen, die nach wie vor uneingeschränkt als Fahrplan für einen friedlichen und reibungslosen politischen Übergang zu einem vollständig vereinten Syrien, Volk und Land gilt.

Die Erfahrungen verschiedener Völker zeigen, dass der Abgang einer Autoritätsperson nicht den Abgang des Regimes bedeutet und dass der Prozess eines radikalen und umfassenden Regimewechsels – politisch, wirtschaftlich und sozial – ein viel komplexerer Prozess ist als der bloße Abgang eines Präsidenten und die Ankunft eines neuen.

Das syrische Volk verdient es, dass seine Kämpfe mit einem echten, vollständigen Sieg gekrönt werden. Im Kern dieses Sieges geht es darum, den Übergang von einem Tyrannen zum Anderen und von einem Plünderer zum Anderen zu verhindern. Daher kann die derzeitige Freude zwar groß sein, aber auch nur von kurzer Dauer, wenn das Volk nicht tatsächlich durch die tatsächliche Übernahme der Macht von den Rändern der Geschichte in deren Kern vordringt.

Die tatsächliche Übernahme der Macht bedeutet, ein umfassendes Programm für den Tag danach zu haben. Der entscheidende Punkt in diesem Programm ist die sozioökonomische Richtung, die das Land einschlagen sollte, und das Wesen und Ziel dieses Punktes sollte wahre soziale Gerechtigkeit sein, weit entfernt von der brutalen Liberalisierung, die die vorherige Regierung umgesetzt hat und die verschiedene Kräfte, die Teil der nächsten Regierung werden, versprechen, fortzusetzen.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist die feste, tief verwurzelte Position des syrischen Volkes zur palästinensischen Sache als seiner eigenen Sache und seine entschlossene Haltung zum besetzten syrischen Golan, einem syrischen Land, das mit allen Mitteln zurückerobert werden muss.

Wir von der Volkswillenspartei beglückwünschen das syrische Volk dazu, dass es ein dunkles Kapitel seiner Geschichte hinter sich gelassen hat, und wir hoffen, dass es die Ruhe des Kriegers genießen kann, die es jetzt erlebt. Wir bekräftigen jedoch, dass der Kampf für die vollständige Freiheit des syrischen Volkes, für soziale Gerechtigkeit , den Wiederaufbau des Landes und die Rückkehr der Vertriebenen noch lang und beschwerlich ist und aufrichtige, liebevolle Bemühungen für Syrien und seine Bevölkerung erfordert, insbesondere die vielen Fähigkeiten, die Syrien gewaltsam verlassen haben; Syrien wartet heute auf sie alle, und zwar mit großer Ungeduld.

Partei des Volkswillens, Damaskus, Syrien, 8. Dezember 2024

Partei des Volkswillens (9.12.24)

Aufruf an das syrische Volk

Geehrtes siegreiches syrisches Volk,

nur wenige Stunden nach dem Abzug der vorherigen Unterdrückungsmacht beeilten sich die „Israelis“, ihre umfassende Aggression auf syrischem Territorium und gegen das syrische Volk auszuweiten, und zwar mit Beschuss und Luftangriffen, die die heftigsten seit dem Oktoberkrieg 1973 waren. Diese Luftangriffe zielten auf Orte, Ausrüstung und Waffen, die dem syrischen Volk gehören und Teil seiner Stärke sind. Die „Israelis“ drangen auf den Berg Hermon vor, sowie in mehrere Gebiete des Gouvernement Quneitra. So wurde die Resolution 338 übergangen und das Abzugsabkommen von 1974 einseitig beendet, ganz zu schweigen von der fortgesetzten Besetzung unseres syrischen Golan.

Das Wesen des derzeitigen aggressiven „israelischen“ Verhaltens liegt in den folgenden Punkten:

Erstens: Sie versuchen, den Syrern die Freude zu verderben, sie zu entmutigen, zu frustrieren und ihre Entschlossenheit zu brechen, und sie versuchen, sie präventiv zu „zähmen“. Das liegt daran, dass die „Israelis“ mit Sicherheit wissen, dass ihr wahrer Feind die Völker der gesamten Region waren und immer noch sind, einschließlich des syrischen Volkes, das jahrzehntelang einen hohen und kostbaren Preis für die Konfrontation mit dieser Besatzung gezahlt hat.

Zweitens: Das „israelische“ Verhalten spiegelt die tiefe Überzeugung wider, dass das, was gestern in Syrien geschehen ist, dazu geführt hat, dass es eine der „Garantien“ für seine Sicherheit verloren hat; da die vorherige Regierung die nationale Sache jahrzehntelang mit Rhetorik und Slogans ausgenutzt hat, während ihr Verhalten, Syrien und sein Volk auf allen Ebenen zu schwächen, eines der besten Geschenke war, die dem Feind gemacht wurden. Ganz zu schweigen von dem, was man über die Beziehungen hinter verschlossenen Türen und in geschlossenen Räumen vorhersagen kann und was die Geschichte später offenbaren wird.

Drittens: Eines der wichtigsten Motive für den Kampf des syrischen Volkes gegen die vorherige Regierung war die Ablehnung von Ungerechtigkeit, Demütigung und dem Angriff auf ihre Souveränität, Würde und Lebensgrundlage durch eine brutale Regierung. Daher haben sie es nicht akzeptiert und werden es auch nicht akzeptieren, in Erniedrigung und Unterwerfung vor einer kriminellen, verhassten Besatzung zu leben, die die intensivsten Gefühle von Hass, Abscheu, Arroganz, Hochmut, Tyrannei und Groll gegenüber dem syrischen Volk und allen Völkern der Region hegt. Das „israelische“ Verhalten spiegelt sein Verständnis für die Verbindung des syrischen Volkes zu seinem Land und seine Sorge um jeden Zentimeter seines Bodens, seine Sorge um seine Würde und Souveränität wider. Dieses Verhalten spiegelt auch das Verständnis wider, dass die Feindseligkeit des syrischen Volkes gegenüber der „israelischen“ Besatzung immer ehrlicher und edler war als all die grundlosen Parolen, die von den verschiedenen Behörden in den Raum geworfen wurden. Der Slogan des Widerstands wurde zwar durch billige Ausbeutung für engstirnige persönliche Interessen missbraucht, aber das bedeutet keineswegs, dass die Syrer den Kompass verloren haben oder verlieren werden, der immer auf den Golan und Jerusalem zeigt.

Geehrtes syrisches Volk,

wir müssen den errungenen, aber noch unvollständigen Sieg bewahren, indem wir Solidarität und gegenseitige Unterstützung unter uns zeigen und Menschen und Mittel – politisch, wirtschaftlich, kulturell und militärisch – vorbereiten, um zu verhindern, dass die zionistische Schlange uns ins Herz unserer Freude beißt. Wir dürfen nicht vergessen, dass eines der Kriterien für unser Urteil über jede künftige Autorität, ob vorübergehend und dann gewählt, eine klare verbale und praktische Position zur „israelischen“ Besatzung sein muss.

Die internationale Gemeinschaft muss auch klare und praktische Positionen zur Verteidigung des Völkerrechts einnehmen, und die UNO muss aus ihrem Zustand der Lethargie, Hilflosigkeit und tatsächlichen Kollusion mit der zionistischen Entität herauskommen und ihre Rolle spielen, sonst wird sie die Faktoren für ihr bevorstehendes Ende anhäufen.

Die Länder, die die laufenden Veränderungen in Syrien garantieren, darunter insbesondere die Türkei und Russland, und diejenigen, die Beobachtungsposten an der Entflechtungslinie haben, und damit meinen wir insbesondere Russland, müssen ihre Rolle spielen und ihre rechtliche Verantwortung so schnell wie möglich auf praktische und entschlossene Weise übernehmen.

Das neue internationale Gleichgewicht und die großen Veränderungen, die sich vollziehen, bestätigen, dass die „Israelis“ zusammen mit den Amerikanern auf einen strategischen Verlust in unserer Region zusteuern, und wir als Syrer müssen diesen Prozess beschleunigen und dürfen nicht zulassen, dass die Zionisten unsere Freude verderben und die neue Zukunft unseres Landes bedrohen, das sich noch im Entstehungsprozess befindet.

Die Volkswillenspartei, Damaskus, Syrien, 9. Dezember 2024

Erklärung der Syrischen Kommunistischen Partei (Vereinigt ) (9.12.24)

http://solidnet.org/article/Syrian-CP-Unified-Statement-from-the-Syrian-CP-Unified/

Unser Land befindet sich nach dem Zusammenbruch des vorherigen Regimes und der Herstellung der Kontrolle durch die Kräfte von Hayat Tahrir al-Sham über die Hauptstadt Damaskus, nach dem Einmarsch in Aleppo, Hama und Homs in einer äußerst schwierigen und komplizierten Lage. Das politische, wirtschaftliche und soziale Programm der neuen Machthaber ist noch nicht völlig klar, aber wir meinen, dass die Hauptaufgaben auf den Schultern der nationalen Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen liegen, die an vorderster Front mit Hingabe und Aufrichtigkeit daran arbeiten, die Normalität wiederherzustellen und die Ausbreitung des Chaos zu verhindern, um Stabilität im Land und seinen zielstrebigen und geordneten Übergang zu einem zivilen Staat zu erreichen, der die Sicherheit, die Sicherheit und die Würde aller seiner Einwohner garantiert, dies erfordert von den entsprechenden Staatsorganen folgendes:

1. Einsammeln von Waffen und militärischer Ausrüstung, die auf den Straßen, in den Behörden und Einrichtungen zurückgelassen werden, und deren Rückgabe an die regulären Lagereinrichtungen.

2. Schutz von öffentlicher Objekte und Privateigentum vor Diebstahl und Übergriffen.

3. Die Rückkehr aller Arbeiter und Angestellten an ihre Arbeitsplätze und die Wiederherstellung der Wirtschaft in allen ihren Zweigen.

4. Die Öffnung von Schulen und Universitäten und die Rückkehr von Schülern und Studenten in ihre Schulen und Universitäten.

5. Die Versorgung der Bürger mit lebensnotwendigen Gütern zu vernünftigen und erschwinglichen Preisen, insbesondere mit Brot und Grundnahrungsmitteln.

6. Bereitstellung von lebensnotwendigen Gütern wie Medizin, Strom, Wasser und Treibstoff.

Die Kommunistische Partei Syriens (Unified) hat sich in der Vergangenheit aufrichtig dafür eingesetzt, die Souveränität Syriens zu bewahren und die Forderungen des Volkes nach einem Leben in Würde und Wohlstand zu erfüllen. Und wir haben unsere Positionen auf der Grundlage der Sorge um die Einheit und territoriale Integrität des Landes und die Erfüllung der Forderungen unseres Volkes festgelegt, wir tun dies und werden dies auch weiterhin tun; in dieser gefährlichen und schwierigen Etappe werden wir weiter kämpfen für:

1. Beendigung der Besatzung durch ausländische Mächte, insbesondere durch die israelische, US-amerikanische und türkische Besatzung.

2. Fortgesetzten Kampf für die Wiederherstellung der Einheit des syrischen Landes und Volkes.

3. Aktive Beteiligung an der Entwicklung des Landes zu Sicherheit und Stabilität.

4. Einsatz zugunsten eines freien, völlig unabhängigen und souveränen Syrien.

5. Umfassende nationale Aussöhnung in ganz Syrien.

Ja, wir bekräftigen, dass wir wollen, dass das zukünftige Syrien ein freies, demokratisches, ziviles, geeintes Land und Volk ist, mit einem umfassenden und ausgewogenen Prozess der sozioökonomischen Entwicklung, der darauf abzielt, das Leben der arbeitenden Massen zu verbessern und zu entwickeln, basierend auf einem breiten nationalen Bündnis, das das politische, soziale und ethnische Spektrum vereint, das die politischen und demokratischen Rechte aller Bürger unabhängig von ihrer politischen, religiösen, konfessionellen, regionalen und ethnischen Zugehörigkeit garantiert entsprechend einem neuen Zivilvertrag (einer neuen Verfassung), der die Souveränität der Heimat bekräftigt und die Würde der Bürger gewährleistet.

Damaskus, 9. Dezember 2024, Politbüro der Syrischen Kommunistischen Partei Unified

Erklärung der Kommunistischen Partei Libanons (10.12.24)

https://lcparty.org/en/statements-en/item/36628-the-lebanese-communist-party-the-will-of-the-syrian-people-opens-a-new-page-full-of-hope-and-we-stand-alongside-the-leftist-progressive-and-democratic-forces-in-syria-in-confronting-the-dangers-facing-syria-and-the-region

Der Wille des syrischen Volkes schlägt eine neue Seite voller Hoffnung auf, und wir stehen angesichts der Gefahren, denen Syrien und die Region ausgesetzt sind, an der Seite der Kräfte der Linken, des Fortschritts und der Demokratie.

In den letzten Tagen erlebte das syrische Volk historische Momente mit dem Abgang von Präsident al-Assad und dem Zerfall des Systems der Tyrannei, das das Land jahrzehntelang beherrschte und dessen Einfluss sich auch auf unser Land, den Libanon, erstreckte, der seinen Anteil an den Praktiken des Repressions- und Sicherheitssystems hatte, das mit dem System der Ausplünderung und Korruption verbunden war, was die Unterstützung und Stabilisierung der kapitalistischen Allianz, des sektiererischen Quotensystems in der Zeit nach dem Taif-Abkommen betrifft.

Bashar al-Assad verließ das Land, nachdem sein Regime in der nationalen, wirtschaftlichen und sozialen Frage und in der Frage der allgemeinen demokratischen Freiheiten gescheitert war, was Syrien schwächte und erschöpfte und den geeigneten Boden für ein Umfeld des Extremismus im Lichte der imperialen und zionistischen Ambitionen und der damit verbundenen Projekte schuf, die den Weg für die Umwandlung des Volksaufstandes in einen Bürgerkrieg und für Interventionen von außen geebnet haben, die Hunderttausende von Menschenleben gefordert, Millionen von Menschen vertrieben und die abscheulichsten Verbrechen der meisten an dem blutigen Konflikt beteiligten Parteien auf beiden Seiten des Konflikts begangen haben. Hinzu kommen die Takfiri-Extremisten und Terrorgruppen, die sich mit ihren Formen des Mordens, der Folter und der Verfolgung hervorgetan haben, sowie das untergegangene Regime der Unterdrückung und Tyrannei.

Während all dieser langen Jahre hat das syrische Volk einen tiefen und begrabenen Schmerz erlitten, der von unserem libanesischen Volk und seinen nationalen Kräften geteilt wird. Die Kommunisten und Progressiven haben einen großen Teil ihrer Wunden und Schmerzen erlitten. Heute erlebt das syrische Volk ein gemischtes Gefühl der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die sich auf innenpolitische Lösungen für die syrischen Probleme und den Aufbau eines gerechten und demokratischen Nationalstaates für alle seine Bürger, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit, sowie auf den Aufbau der Wirtschaft stützt. Die erste dieser Gefahren ist die Notwendigkeit des Wiederaufbaus und der Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat sowie ein Gefühl der Vorsicht und der Angst vor Chaos und dem Wiederaufflammen anderer Formen von Konflikten und Kämpfen oder der Herrschaft und Tyrannei extremistischer Kräfte angesichts der von außen drohenden Gefahren und der dahinterstehenden Ambitionen.

Die erste dieser Gefahren, mit denen Syrien heute konfrontiert ist, besteht in den Bestrebungen des zionistischen Feindes, seine aggressiven Angriffe zu verstärken, um alle Fähigkeiten des Staates zu zerstören, insbesondere die Fähigkeiten der syrischen Armee, die Ausdehnung seines Kontrollbereichs in der Nähe des Golan und die Annullierung des 1974 unterzeichneten Waffenstillstandsabkommens sowie seine unerbittlichen Bemühungen, seine Kontrolle über große Gebiete im Süden Syriens auszuweiten und durchzusetzen. Außerdem will sie die friedliche Machtübergabe vereiteln und eine Rückkehr zum normalen Leben in Syrien verhindern, indem sie staatliche Einrichtungen angreift, um deren Dienste für die Bürger zu unterbrechen und Chaos zu stiften.

Dies setzt voraus, dass die Befreiung des Golan von der israelischen Besatzung und die Wiederherstellung der Souveränität über den Golan an die Spitze der Prioritäten der syrischen nationalen Frage gestellt wird. Ebenso stellen die Ambitionen der Türkei, im Norden eine Sicherheitszone über ein Gebiet von Tausenden von Kilometern zu schaffen, die direkte militärische Intervention in den mehrheitlich kurdisch besiedelten Gebieten einerseits und das Bestreben, ihren politischen Einfluss auf die Regierung in Syrien andererseits geltend zu machen, eine existenzielle Herausforderung für die Zukunft und den Fortschritt des syrischen Volkes dar. Darüber hinaus arbeitet das US-Projekt in der gesamten Region, einschließlich Syriens, immer noch intensiv an der Zersplitterung des Landes mit Hilfe zahlreicher Instrumente. Die USA unterhalten in den meisten östlichen und südlichen Regionen Syriens Militärstützpunkte und aktive Streitkräfte.

Der Prozess eines radikalen und umfassenden Regimewechsels in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht und der Aufbau souveräner und gerechter Staaten ist ein weitaus komplexerer Prozess als nur die Absetzung eines Präsidenten und die Einsetzung eines Neuen. Er erfordert die Koordinierung, Integration und Einheit der verschiedenen Spektren der nationalen, demokratischen, säkularen, fortschrittlichen und kommunistischen Kräfte in Syrien, um einen einheitliche und geeinte Pol zu bilden, der dazu beiträgt, die politische Zukunft des Landes neu zu gestalten und zu formen,- weg von sektiererischen Quotensystemen und Projekten des externen Einflusses und der Hegemonie über die nationale Entscheidungsfindung in Syrien.

Was den Libanon anbelangt, so sollte die Regierung, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken und sich zu distanzieren, unverzüglich Initiative ergreifen, um einige entscheidende Fragen anzugehen, insbesondere die Gewährleistung angemessener Bedingungen für die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge in ihr Land, nachdem die Sorgen um die Sicherheit der Menschen verschwunden sind. Sie sollte sich auch um die Sicherung der Nord- und Ostgrenzen bemühen und dabei den Einsatz der libanesischen Armee in Betracht ziehen, um künftigen negativen Entwicklungen vorzubeugen. Sie sollte mit all ihrer diplomatischen Macht Initiative ergreifen, um die Akten der in syrischen Gefängnissen vermissten Libanesen weiterzuverfolgen, deren Nichtexistenz die Regierungen beider Länder zuvor fälschlicherweise verkündet hatten, während jetzt klar geworden ist, dass die Anwesenheit vieler von ihnen in den Gefängnissen des zerstörten Regimes eine heikle humanitäre Frage darstellt, die Hunderte von libanesischen Familien betrifft.

In Anbetracht all dessen hat der Wille des syrischen Volkes eine neue Seite voller Hoffnung auf eine möglichst baldige politische Lösung aufgeschlagen, um das Blatt der schmerzlichen Vergangenheit zu wenden und eine neue Seite aufzuschlagen, die in der Lage ist, seine Bestrebungen, seine Opfer und seine große nationale Geschichte zu verwirklichen und zu garantieren. Das syrische Volk hat das Recht, frei von äußerer Einmischung über sein eigenes Schicksal zu bestimmen. Wir bekräftigen unsere Unterstützung für die Kräfte der Linken, des Fortschritts und der Demokratie in Syrien. Wir unterstützen sie in ihrem Kampf für die vollständige Freiheit des syrischen Volkes, für soziale Gerechtigkeit, für den Wiederaufbau des Landes, für die Rückkehr der Vertriebenen, für die Stärkung der nationalen Einheit und die Wiederherstellung der Souveränität über das gesamte syrische Staatsgebiet, sowie für den Aufbau gleichberechtigter und brüderlicher Beziehungen auf der Grundlage von Zusammenarbeit und Integration zwischen unseren beiden Ländern.

Libanesische Kommunistische Partei, Politbüro, 10. Dezember 2024

Tudeh Party des Iran (10.12.24)

http://solidnet.org/article/Tudeh-Party-of-Iran-Statement-by-the-Tudeh-Party-of-Iran-on-the-Fall-of-Bashar-al-Assads-Government-in-Syria/

Am Morgen des 18. Azar [Sonntag, 8. Dezember] berichteten die Medien weltweit über den Sturz der Baath-Regierung unter Baschar al-Assad in Syrien als Top-Nachricht, elf Tage nach Beginn der Offensive der Takfiri-Terroristen von „Hayat Tahrir al-Sham“ [HTS] in diesem Land.

Die Nachricht vom Sturz der Regierung von Baschar al-Assad, der von den imperialistischen Ländern einhellig begrüßt wurde, markiert eine völlig neue Phase und eine Neugestaltung der politischen Landschaft im Nahen Osten. Dieses Ereignis, das durch die klare und direkte Intervention der Streitkräfte der Türkei und Israels mit Unterstützung der imperialistischen Länder herbeigeführt wurde, sollte als Teil der Strategie des US-Imperialismus zur Ausweitung seiner Hegemonie über die Region des Nahen Ostens betrachtet werden.

Berichten in internationalen Medien zufolge haben die Regierungen Russlands und der Islamischen Republik Iran letzte Woche nach der Eskalation der Angriffe terroristischer Gruppen, die mit HTS verbunden sind, und dem Fall großer Städte in Nordsyrien beschlossen, ihre Streitkräfte, diplomatischen Vertretungen sowie ihre Bürger aus dem Land abzuziehen.

Der Nachrichtensender „Euronews“ berichtete: „Sergej Lawrow gab bekannt, dass die Außenminister Russlands, der Türkei und des Iran bei ihrem Treffen in Doha, der Hauptstadt von Katar, vereinbart haben, dass die ‚Feindseligkeiten‘ in Syrien sofort beendet werden müssen. Lawrow betonte, dass Moskau einen Dialog zwischen der syrischen Regierung und der von ihm als ‚legitime Opposition‘ in Syrien betrachteten Gruppe herbeiführen möchte. Er betonte erneut, dass die islamistische Rebellengruppe Hayat Tahrir al-Sham eine „terroristische“ Organisation bleibe, ungeachtet aller Behauptungen über eine Änderung ihrer Haltung. Lawrow betonte, dass es „inakzeptabel“ sei, „terroristischen Gruppen“ die Kontrolle über syrisches Territorium zu überlassen.

In seiner ersten Reaktion auf den Sturz von Baschar al-Assad erklärte das iranische Außenministerium: „Die Bestimmung des Schicksals Syriens sowie jegliche Entscheidungsfindung in Bezug auf seine Zukunft liegt ausschließlich in der Verantwortung des Volkes dieses Landes, frei von jeglicher destruktiver Einmischung oder Auferlegung von außen.“

Laut internationalen Nachrichtenagenturen verließ Baschar al-Assad zusammen mit einigen seiner Berater in den frühen Morgenstunden des 8. Dezember den internationalen Flughafen von Damaskus in Richtung Russland. In einer vom russischen Außenministerium veröffentlichten Erklärung wurde bekannt gegeben, dass der syrische Präsident sein Amt nach Verhandlungen mit einer Reihe von „Teilnehmern des bewaffneten Konflikts [in der Arabischen Republik Syrien]“ und der Erteilung von Anweisungen für eine friedliche Machtübergabe niedergelegt habe. Das russische Außenministerium betonte, dass es nicht an den Verhandlungen beteiligt war, aber Kontakt zu „allen syrischen Oppositionsgruppen“ unterhält.

Die Eroberung von Damaskus, der Hauptstadt Syriens, beendete nicht nur die mehr als fünf Jahrzehnte andauernde Herrschaft der Assad-Familie in Syrien, sondern markierte auch das effektive Ende der Existenz der Baath-Partei [oder des organisierten Baathismus] im Nahen Osten. Der Sturz der Regierung von Baschar al-Assad, 21 Jahre nach dem Sturz von Saddam Hussein, ist eine der bedeutendsten politischen Entwicklungen im Nahen Osten mit tiefgreifenden und weitreichenden Folgen für die Region. Progressive Oppositionskräfte in Syrien haben darauf hingewiesen, dass Syrien in den letzten 13 Jahren im ganzen Land Zyklen anhaltender Gewalt und Zerstörung ausgesetzt war, die die Umsetzung von Vereinbarungen sowie die Einrichtung von „Deeskalationszonen“ blockiert haben. Dies hatte bis Mitte 2019 zu einem fast vollständigen „Einfrieren“ des Konflikts geführt. In der Folge begann eine Phase der wirtschaftlichen Erosion, die sowohl von innen als auch von außen vorangetrieben wurde und durch internationale Sanktionen sowie die brutale neoliberale Wirtschaftspolitik und die heftige Unterdrückung im Inland durch die syrische Regierung verschärft wurde.

Mit dem Sturz des herrschenden Regimes in Syrien infolge der anhaltenden blutigen Angriffe Israels auf Gaza und den Libanon ist die Region des Nahen Ostens tiefer in eine tiefgreifende, vielschichtige Krise gestürzt worden. Der Abgang von Bashar al-Assad aus Syrien und die Übergabe der Macht an terroristische Kräfte – die bis 2013 im Rahmen von mit ISIS verbundenen Kräften operierten und dann bis 2016 unter dem Kommando des Al-Qaida-Führers Ayman al-Zawahiri standen – könnte eine Reihe von Entwicklungen einleiten, die mit den strategischen Interessen der USA, Israels und der Türkei in Einklang stehen. Es ist bemerkenswert, dass die türkische Regierung, die mit HTS verbundenen Kräfte offiziell unterstützt hat, während die israelischen Medien auch auf spezifische Absprachen und gemeinsame Interessen zwischen der Regierung Netanjahu und HTS hingewiesen haben.

Die Tudeh-Partei des Iran ist zutiefst besorgt über die Folgen der Ereignisse der letzten Tage in Syrien, die zu größerer Instabilität und einem potenziell katastrophalen regionalen Krieg mit sehr realen globalen Auswirkungen führen könnten. Wir glauben, dass die Entwicklungen in Syrien nicht in einem Vakuum stattgefunden haben oder losgelöst von der Reihe von Entwicklungen, die sich aus den Ereignissen vom 15. Mehr 1403 [7. Oktober 2023] ergeben haben, einschließlich der schweren Niederlage der Regionalpolitik der Islamischen Republik im Iran [und der offensichtlichen Schwächung ihrer Fähigkeiten] zusammen mit der Niederlage, die ihren verbündeten Kräften in Gaza und im Libanon auferlegt wurde. Die Realität ist, dass die direkte Beteiligung von Staaten wie Israel und der Türkei an den aktuellen Entwicklungen nicht nur die Sicherheitslage in der Region verschlechtert hat, sondern auch weiterreichende Auswirkungen haben könnte. Das syrische Volk fordert die Verwirklichung der nationalen Souveränität, Demokratie und sozialen Gerechtigkeit – Forderungen, die eine extrem reaktionäre dschihadistische und terroristische Kraft weder erfüllen noch auf die sie hinarbeiten kann.

Die Tudeh-Partei des Iran unterstützt alle verantwortungsvollen und prinzipientreuen internationalen Aufrufe zu einer umfassenden politischen Lösung der Syrienkrise. Wir unterstützen auch den Aufruf der progressiven Kräfte der Region zur sofortigen Umsetzung der Resolution 2254 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, in der die Lösung der Syrienkrise auf den lebenswichtigen Interessen des syrischen Volkes basiert, und wir bekräftigen unsere langjährige und unerschütterliche Ablehnung jeglicher Intervention durch ausländische Kräfte.

Türkische Kommunistische Partei (8.12.24)

TKP CC Statement following the success of the imperialist plan for the disintegration of Syria: WE WILL WIN OUR COUNTRY, NOT LOSE IT – Türkiye Komünist Partisi

Erklärung des ZK der TKP nach dem Erfolg des imperialistischen Plans zur Zersetzung Syriens: WIR WERDEN UNSER LAND GEWINNEN, NICHT VERLIEREN

Der Plan, den der US-Imperialismus und die reaktionären Kräfte in der Region vor etwa 15 Jahren in die Tat umgesetzt haben, um Syrien zu zerschlagen, ist seit gestern erfolgreich. Die dschihadistischen Kräfte, die von den USA, Israel, Großbritannien und der AKP-Regierung mobilisiert wurden, haben die syrische Regierung innerhalb einer kurzen Zeitspanne von einer Woche gestürzt.

Frieden und Stabilität werden in Syrien nicht einkehren, wie sie behaupten. Im Gegenteil, in Syrien, wo seit Jahren Massaker, Besetzungen, Plünderungen und endlose Konflikte stattfinden, wird die Ära der Barbarei eingeleitet, da der letzte verbliebene Punkt, der all dies, wenn auch nur ein wenig, zurückhielt, beseitigt wurde.

Der Gewinner dieses Bildes ist vorerst Israel. Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass die israelische Frage keine Frage der Religion ist. Dschihadistische Gruppen und Israel haben Syrien erobert, indem sie in großer Harmonie zusammenarbeiten. Die AKP-Regierung ist das Element, das diese Harmonie gewährleistet.

Der Sieg Israels ist der Sieg des US-Imperialismus.

Alle „Gewinner“ in Syrien sind heute Verbündete der USA und Israels. Vielleicht wird es blutige Zusammenstöße zwischen den „Siegern“ geben, vielleicht wird die „Harmonie“, die eine Woche lang vor Ort zu beobachten war, von den USA hergestellt.

Der „Frieden“ der USA ist jedoch immer blutig und führt immer wieder zu neuen Konflikten. Frieden, Stabilität und Ruhe in Syrien können nur hergestellt werden, wenn der Imperialismus und die Dschihadisten besiegt werden.

In Syrien wird sich mit Sicherheit ein Widerstand gegen Imperialismus und Zionismus formieren. Dass dieser Widerstand ohne Abhängigkeit von anderen internationalen Mächten, mit einer revolutionären Perspektive, die den Säkularismus verteidigt und vereinheitlichend ist, agiert, hängt in gewissem Maße von den Entwicklungen in der Türkei ab.

In Syrien haben Israel und die USA mit Hilfe der Dschihadisten einen vorübergehenden Sieg errungen.

Israel, die USA und der Dschihadismus müssen in der Türkei besiegt werden.

Wir appellieren an alle unsere Bürger. Dies ist kein Spiel. Wenn uns unser Land und unsere Zukunft am Herzen liegen, müssen wir darüber sprechen, wie wir uns gegen diese Barbarei wehren und das Notwendige tun können.

Was in Syrien geschieht, ist der Beweis dafür, wozu Sektierertum, Religionismus, Nationalismus und das Vertrauen auf ausländische Mächte führen können.

Die Türkei muss sich ändern, wenn sie weiter bestehen will. Es kann keine Einheit in einem Land geben, in dem Ausbeutung, Ungleichheit und Ungerechtigkeit weit verbreitet sind.

Nach den Entwicklungen in Syrien muss die Erregung der neo-osmanischen Kreise, die von einer „Expansion“ träumen, unbedingt eingedämmt werden. Dieser neo-osmanische Ansatz bedeutet nicht nur den Versuch, Ausbeutung, Ungleichheit und Ungerechtigkeit durch Eroberung zu überdecken, sondern führt auch zur Umsetzung eines Plans, der zum Zerfall der Türkei führen wird.

Unser Land und unsere Bürger stehen vor einer großen Prüfung.

Entweder wir besiegen die ausbeuterische, religiöse, amerikanistische Mentalität, die unser Land an den Rand der Klippe gebracht hat, oder wir werden in diese Klippe stürzen.

Wir vertrauen uns selbst, unserem Volk und der Menschheit.

Das Vergnügen der Pro-Israel-Akteure wird unvollständig sein.

Palästina und die DDR – Befreiungskampf als Staatsräson?

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Während in der BRD die bedingungslose Unterstützung Israels als „Ersatz- Antifaschismus“ spätestens ab 1952 zunehmend zur „Staatsräson“ wurde, erkannten sich die DDR und Israel bis zur Konterrevolution 1989/90 nicht gegenseitig an. Stattdessen wurde die DDR zu einem wichtigen Alliierten der palästinensischen Befreiungsbewegung. Wir wollen uns die Palästina-Politik der DDR genauer anschauen: Was waren die Hintergründe? Wie sah die Solidarität der DDR mit dem palästinensischen Volk genau aus? Welche Widersprüche gab es? Und was bedeutete die Konterrevolution für die palästinensische Befreiungsbewegung?

Interview: „The crisis in Germany“

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Two of our comrades were guests on the Marx, Engels, Lenin Institute podcast to discuss the current political and economic situation in Germany. Starting with the end of the ‘Ampel’ coalition government, and moving on to an assessment of the AfD and BSW and the development of the German economy, we talk about topics and issues that continue to cause controversy and raise questions within the left-wing and communist movement in Germany.

Russland-Hetze und Faschismusrelativierung von „links“

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Zur Veranstaltungsreihe „Good bye Stalin?!“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat 2023 in Leipzig die Veranstaltungsreihe „Good bye Stalin?! Wider den autoritären Kommunismus.“ gestartet. Diese hetzte nicht nur gegen kommunistische Organisationen wie uns als Kommunistische Organisation oder den Kommunistischen Aufbau, sondern auch gegen die Geschichte der DDR und Sowjetunion. Das selbst gesteckte Ziel der Reihe sei „eine wirkliche Alternative zum heutigen Kapitalismus, aber eben auch zum untergegangenen „real existierenden Sozialismus“. Was damit konkret gemeint ist, wurde dann spätestens bei der letzten Veranstaltung „Der Verräter, Stalin, bist Du!“ vergangene Woche deutlich: die Einreihung der Linken in die Zeitenwende-Politik. Notwendig erscheint das den Veranstaltern angesichts der Präsenz von politischen Gruppen in der Stadt, „deren Auftreten wie Äußerungen sich kommunistisch, klassenkämpferisch, proletarisch geben und sich dabei positiv auf historische Personen, Organisationen und Systeme beziehen“1. Was hier etwas vernebelt umschrieben wird, heißt im Klartext: Die Antideutschen sehen in Leipzig ihre Felle davonschwimmen.

Die Leipziger Antideutschen in der Krise

Während Leipzig vor einigen Jahren noch als Hochburg der Antideutschen galt und antideutsche Veranstaltungen und Demonstrationen das politische Stadtgeschehen dominierten, hat sich mit der Etablierung von kommunistischen und roten Gruppen sowie einer aktiven Palästina-solidarischen Bewegung das Kräfteverhältnis verändert. Jetzt sind die IDF-T-Shirt-Aktivisten zwar noch in Institutionen anzutreffen, sei es im DGB, in der Linkspartei oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung – die Nachwuchsrekrutierung gestaltet sich aber scheinbar zunehmend schwerer.

Die Mittel, die die Antideutschen zum Umgang mit ihrer Krise anwenden, sind vielfältig: Nachdem die wenigen Versuche, auf die Straße für Israel und seinen Völkermord zu mobilisieren, peinlich gescheitert waren2 und auch die alte Hegemonie an der Uni zunehmend wackelte3, wurde versucht, Palästina-solidarische Orte und Aktivisten physisch anzugreifen und einzuschüchtern.4

Ein weiterer Versuch sind Angebote an die linksliberale Szene, um sich dort weiterhin eine gewisse Stellung zu sichern. So auch die Veranstaltungsreihe „Good bye Stalin?!“, deren Hauptinhalt antikommunistische, antisowjetische und Anti-DDR-Propaganda ist und die sich nahtlos in die Kriegsmobilisierung gegen Russland einfügt. Die Beteiligung der Rosa-Luxemburg-Stiftung an der ideologischen Front gegen Russland sollte nicht mehr verwundern. Ebenso wenig die Beteiligung des Parteibüros linxxnet von Juliane Nagel. Dieses gewährt schließlich auch Akteuren wie LA-PRESSE-ORG seine Räumlichkeiten, die vor zweieinhalb Jahren eine Ausstellung organisierten, in der der politische Arm des faschistischen Asow-Regiments als Vorbild eines „positiven Nationalismus“ beworben wurde.

Eine neue Stufe ist jedoch die Beteiligung der Leipziger Ortsgruppe der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) an der letzten Veranstaltung, deren Hauptinhalt die Relativierung des deutschen Faschismus war. Die Ausrichtung der VVN-BdA ist schon länger umstritten und ein sicherlich nicht unbedeutender Faktor für diese Negativentwicklung ist die Wahl der ehemaligen Linken-Politikern Kerstin Köditz zur Landessprecherin der Vereinigung in Sachsen. Diese machte bereits im letzten März auf sich aufmerksam, indem sie ein Verbot der Leipziger Palästina-Gruppe Handala forderte.5

Am neuen deutschen Wesen soll Europa genesen“

Die Zeiten für antikommunistische und antisowjetische Propaganda sind so günstig wie lange nicht mehr: Deutschland wird militärisch und ideologisch in Rekordtempo aufgerüstet, das erklärte Kriegsziel heißt Russland. Dieser Kriegsvorbereitung stehen jedoch die Erinnerung an den deutschen Vernichtungskrieg in der Sowjetunion sowie die Alleinschuld des deutschen Imperialismus am Zweiten Weltkrieg störend im Weg. Diese müssen daher beseitigt, verdreht oder relativiert werden.

Das funktioniert über folgende Erzählung: Deutschland trage nicht die Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg, sondern teile sich diese mit der Sowjetunion. Im Gegensatz zu Russland habe Deutschland diese eigene Geschichte des Weltherrschaftsstrebens und der Aggression aber überwunden. Aufgrund seiner faschistischen Vergangenheit sei es also prädestiniert dafür, „Faschismus“ bzw. „autoritäre Systeme“ zu erkennen und zu bekämpfen. Daraus erwachse schließlich die historische und moralische Verantwortung des neuen, demokratischen Deutschlands, das heutige autoritäre Russland in die Schranken zu weisen – auch mit Krieg. Diese geschichtsrevisionistische Betrachtung ist mittlerweile auch EU-Konsens. 2019 wurde eine EU-Resolution auf den Weg gebracht, die das ideologische Werkzeug für diese revanchistische Politik bietet.6

Geschichtsrevisionismus, gefördert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Genau an diese Resolution und den darin enthaltenen Geschichtsrevisionismus knüpfte die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen mit ihrer letzten Veranstaltung „Der Verräter, Stalin, bist Du!“ am 26. November an. Die Lesung setzte sich laut Ankündigungstext zum Ziel, die „Pervertierung des Antifaschismus“ durch die „deutsch-russische Zusammenarbeit 1939-1941“ aufzuzeigen. In der ursprünglichen Ankündigung hieß es in geschichtsrevisionistischer Manier, eben diese Zusammenarbeit „brachte den Zweiten Weltkrieg hervor“.7 Dass dies selbst den zugeneigten Lesern offenbar zu viel war, offenbart der Hinweis auf der Internetseite, man habe nach Feedback und Kritik nun den Ankündigungstext überarbeitet.8 Dort findet sich nun als Ursache des Zweiten Weltkrieges die „rassenideologisch begründete Raub- und Vernichtungspolitik des deutschen Faschismus“. Ein Zitat von Bertolt Brecht am Rand des Textes suggeriert jedoch weiterhin, die Sowjetunion unter Stalin hätte an der Seite Hitlers gestanden – eine in Anbetracht der hinlänglichen bekannten Haltung Brechts wohl absichtlich dessen Aussage verdrehende Verwendung. Entsprechend sah sich die Moderatorin zu Beginn der Veranstaltung dazu gezwungen, sich dafür zu entschuldigen, dass diese Alleinschuld Hitlerdeutschlands zunächst eventuell missverständlich kommuniziert worden sei. Dass es diese Beteuerung brauchte, zeigte dann die Veranstaltung selbst.

Der als Referent eingeladene „Kommunismusforscher“ Bernhard Bayerlein sowie die beiden anderen Lesenden versuchten, während der Lesung mit Zitaten und Dokumenten herauszustellen, dass Nazideutschland den Zweiten Weltkrieg angeblich nicht vom Zaun gebrochen hätte, wenn es den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag nicht gegeben hätte. Es sei also die Sowjetunion, respektive Stalin höchstpersönlich, der eine Mitschuld am faschistischen Raubzug trage. Motive „beider Diktatoren“, so der Historiker, seien es gewesen, ganz Europa zu erobern. In diesem Sinne hätten sie am 23. August 1939 ihren Pakt geschlossen. Dieser habe es durch die darin verabredeten Wirtschafts- und Handelsbeziehungen Deutschland ermöglicht, seinen Feldzug gegen Polen zu beginnen. Ohne diese Vereinbarung, so Bayerlein, hätte Deutschland Polen nicht angegriffen. Der Pakt sei letzten Endes, neben den persönlichen Machtinteressen Stalins, auch als Abkommen zwischen zwei aggressiven Systemen, dem deutschen Faschismus und der, so die Moderation, „nationalistischen Sowjetunion“, zu sehen. Beide hätten sich gemeinsam den Griff nach der Weltmacht zum Ziel gesetzt.

In der anschließenden Diskussion fanden sich einige Befürworter der von der Bühne vorgelebten Geschichtsklitterung. Auf die Spitze trieb es ein junger Mann im Publikum. Nachdem ein Vorredner argumentiert hatte, ohne den Pakt als Voraussetzung für den Sieg über Hitlerdeutschland hätte es auch keine Befreiung der Konzentrationslager gegeben, behauptete dieser, dass es Konzentrationslager in Polen ohne den Vertragsschluss 1939 überhaupt nicht gegeben hätte. Dass also logisch weitergedacht nun die Sowjetunion mitschuldig am Aufbau der Konzentrationslager sein soll, dürfte selbst im „Zeitenwende“-Deutschland eine neue Qualität des Geschichtsrevisionismus darstellen.

Es meldeten sich jedoch auch Einzelstimmen zu Wort, die diese Veranstaltung als das kritisierten, was sie war: eine geschichtsrevisionistische Relativierung der Alleinschuld des deutschen Faschismus am Zweiten Weltkrieg. Mehrere Redner wiesen darauf hin, dass in der Veranstaltung das Bemühen der Sowjetunion um eine Anti-Hitlerkoalition mit den Westalliierten verschwiegen wurde. Ebendiese Westmächte lehnten ein solches Bündnis aber unter anderem wegen ihrer eigenen Appeasementpolitik gegenüber Hitler ab. Außerdem hatte die Sowjetunion durch den Pakt Zeit gewonnen, um die militärischen Produktionskapazitäten bedeutend zu steigern und tendenziell von der Westgrenze ins Landesinnere zu verlagern. Ohne diese Maßnahmen wäre der spätere Sieg über den Nazifaschismus nicht möglich gewesen. Diese Ausführungen wurden von den Veranstaltern mit der Bitte, „keine Co-Referate zu halten“, abmoderiert. Kritisiert wurde aus dem Publikum außerdem, dass eine solche Veranstaltung im Rahmen der Kriegsvorbereitungen gegen Russland stattfindet. In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Relativierung der faschistischen Kriegsverbrechen zugunsten der These, dass die Sowjetunion eine Mitschuld am zweiten Weltkrieg trage. Diese Verdrehung der Tatsachen dient der Rechtfertigung einer neuen deutschen aggressiven Politik gegenüber Russland, die mit Waffenlieferungen und Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen bereits begonnen hat. Auf die empörte Frage der Moderation, wo genau bei dieser Veranstaltung solche Aussagen getroffen wurden, beantwortete dies Bayerlein selbst: Die „vermaledeite deutsch-russische Zusammenarbeit“ müsse endlich abgebrochen werden.

Die letzte Veranstaltung der Reihe „Good bye Stalin?!“ zeigte deutlich, dass die ideologische Kriegsvorbereitung gegen Russland schon lange nicht mehr das alleinige Geschäft der Rechten ist. Die Einreihung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des linxxnet ist, wie bereits gesagt, wenig verwunderlich. Die Beteiligung der VVN-BdA ist jedoch ein weiterer Schritt in der fortschreitenden Zeitwende-Politik. Das sollte jedoch nicht zum Aufgeben der VVN-BdA verleiten, denn sicherlich lehnen viele ihrer Mitglieder diese Entwicklung klar ab. Hier gilt es nun, die Stimme zu erheben und für die eigentlichen Grundsätze der Vereinigung einzutreten.

1https://sachsen.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/NOZ1L/standortbestimmung-autoritaerer-kommunismus-als-ausweg-aus-der-linken-krise

2Es gab mehrere pro-zionistische Demonstrationen, die meist jedoch eher kläglich besucht waren.

3Der StuRa Leipzig lehnte letztes Jahr einen Antrag von antideutschen Kräften ab, der jegliche Arbeit zu Palästina an der Uni hätte verbieten sollen und nahm stattdessen einen Gegenantrag an. https://www.lvz.de/lokales/leipzig/uni-leipzig-streit-um-pro-palaestinensische-aktivisten-F3F4GVB4RNF7NELPXKV2UEDH2I.html

4Zuletzt wurde ein Infostand der Gruppe students for palestine Leipzig angegriffen: https://www.instagram.com/studentsforpalestine.leipzig/

5https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/antisemitismus-straftaten-rechtsextremismus-hamas-polizei-100.html

6Hier lässt sich die EU-Resolution nachlesen: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2019-0021_DE.pdf

7Die ursprüngliche Version ist noch im Web-Archiv zu finden: https://web.archive.org/web/20241114104322/http://neuesschauspielleipzig.de/spielplan/verrater-stalin/date:1732647600

8Hier die überarbeitete Version. Die erste Ankündigung wurde mittlerweile von der Website entfernt: https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/WSVHF

Vortrag zur Geschichte des Zionismus

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Im Oktober hielten wir als KO in Leipzig im Rahmen der Aktionswoche des Kufiya-Netzwerks einen Vortrag zur Geschichte des Zionismus.

Dabei ging unser Genosse vor allem auf die Beziehung und Verstrickung von Antisemitismus und Zionismus ein, unter anderem am Beispiel des deutschen Faschismus.

Der Vortrag soll einen Einstieg in das Thema leisten und uns Argumentationshilfen für den politischen Diskurs an die Hand geben.