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Resolution des Kommunismus Kongresses 2023/Communism Congress 2023

Alle Informationen zum Kommunimus Kongress 2023 finden sich hier.

The English version of the resolution can be found below.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Teilnehmer des Kommunismus-Kongresses,
wir haben diesen Kongress organisiert, um einen Beitrag zum Kampf gegen den Imperialismus, gegen die NATO, gegen diese Räuberbande und Schlächter der Menschheit zu leisten.

Wir wollen eine gemeinsame Resolution dieses Kongresses vorschlagen und würden uns freuen, wenn Ihr sie mit Applaus annehmt und unterstützt.

Palästina hat sich erhoben! Palästina schlägt zurück! Der Befreiungskampf des palästinensischen Volks bricht durch! Buchstäblich: Gaza hat seine Gefängnismauern gesprengt! Eine lang ersehnte und notwendige Antwort auf über 100 Jahre Kolonialismus und 75 Jahre Besatzung, Vertreibung und Auslöschung der palästinensischen Nation!

Alle Unterdrückten der Welt und alle Befreiungsbewegungen stehen an der Seite des Widerstands gegen das zionistische Besatzungsregime.

Der Kommunismus-Kongress spricht seine volle Solidarität und Verbundenheit mit dem mutigen und entschlossenen Kampf Palästinas aus! Er ist ein leuchtendes Signal für den weltweiten Kampf gegen die Barbarei und für die Befreiung der Menschheit! Es ist eine historische Notwendigkeit, der aktiv zum Durchbruch verholfen wird: Ganz Palästina wird frei sein! Der zionistische Siedlerkolonialismus wird besiegt werden!

Der Kommunismus-Kongress spricht seine Solidarität mit unserem Referenten und Genossen Zaid Abdulnasser aus, dessen Aufenthalt entzogen werden soll. Unsere Botschaft ist unmissverständlich:  Zaid wird bleiben! Bis Palästina frei ist! Es lebe die palästinensische Befreiungsbewegung — in Palästina und in Deutschland!

Wer den Kampf gegen diese gut organisierten Verbrecher aufnimmt, wer sich den Kriegstreibern der NATO entgegenstellt, muss mit Isolation und Repression rechnen. Der wird lächerlich oder verächtlich gemacht. Wer für die Freiheit der Unterdrückten kämpft, wird von ihren Schergen verfolgt.

Der Kommunismus-Kongress spricht seine Solidarität mit den Kononovich-Brüdern aus, die vom Kiewer Regime als Geiseln genommen wurden und öffentlich mit dem Tode bedroht werden. Wir solidarisieren uns auch mit unserem Genossen und Referenten Alexej Albu, der von den ukrainischen Faschisten aus seiner Heimat vertrieben wurde und dem die europäischen Behörden die Einreise in die EU verweigern. Sie wollen ihn damit zum Schweigen bringen.

Der antifaschistische Kampf gegen die Bandera-Bande, die von den NATO-Staaten finanziert und bewaffnet wird, wird weiter gehen!

In Deutschland sitzen die Gesinnungsrichter preußischer Tradition in den Startlöchern, um alle zu drangsalieren, die nicht in den Kriegschor gegen Russland einstimmen. Die Bundesrepublik zeigt offen, was sie immer war: Das anti-kommunistische Bollwerk in Europa, dem Faschismus entwachsen.

Es sind die Ewiggestrigen kleingeistigen Pickelhaubenträger. Geben wir sie der Lächerlichkeit preis, denn sie sind nichts anderes als lächerliche Gestalten. Sie wollen mit Gewalt verhindern, dass die einfachsten Wahrheiten über die Kriegspläne und Kriegstreiberei der NATO ausgesprochen werden.

Setzen wir ihnen Mut und Entschlossenheit entgegen, das zu sagen, was ist! Es ist die NATO, die Faschismus und Krieg in die Ukraine und viele andere Länder der Welt gebracht hat. Sie ist der Aggressor!

Der Kommunismus-Kongress spricht seine Solidarität mit allen aus, die von der bundesdeutschen Gesinnungsjustiz verfolgt werden, weil sie gegen ihre Kriegstreiberei aufstehen. Stärken wir alle, die der NATO-Propaganda entgegen treten.

Wir rufen dazu auf, die Kampagne der Deutschen Kommunistischen Partei, DKP, gegen den Maulkorb für Kriegsgegner zu unterstützen und gegen den Paragraphen 130 anzukämpfen, der uns den Mund verbieten und einschüchtern soll.

Gestern war der 7. Oktober: Der Gründungstag der Deutschen Demokratischen Republik! Der Staat der deutschen Arbeiterklasse, der gegen den Imperialismus gekämpft hat, der brüderlich mit den Befreiungsbewegungen verbunden war, der den Internationalismus gelebt hat!

Lernen wir von der DDR, nehmen wir diesen Schatz unserer Geschichte für unsere heutigen Kämpfe!

Der Kampf gegen die imperialistischen Unterdrücker ist ein internationaler Kampf, es muss ein gemeinsamer Kampf der unterdrückten Völker und der Arbeiterklasse in den imperialistischen Zentren sein.

Wir wissen, dass die Herrschenden in den Zentren alle Mittel des Terrors und der Vernichtung gegen unsere Genossen in den unterdrückten Ländern anwenden. Viele Freiheitskämpfer fielen ihren Meucheltaten zum Opfer. Und auch heute werden viele verfolgt und mit dem Tode bedroht.

Der Kommunismus-Kongress sendet internationalistische Grüße an alle Kämpfer gegen Kolonialismus, Unterdrückung und Imperialismus.

Es lebe die internationale Solidarität — die Zärtlichkeit der Völker! 

Communism Congress Resolution 2023

Dear comrades, dear participants of the Communism Congress,

we have organized this congress to contribute to the fight against imperialism, against NATO, against this gang of robbers and butchers of humanity. We would like to propose a joint resolution for this congress and would be pleased if you approved and supported it with applause.

Palestine has risen! Palestine strikes back! The liberation struggle of the Palestinian people is breaking through! Literally: Gaza has blown up its prison walls! A long-awaited and necessary response to over 100 years of colonialism and 75 years of occupation, expulsion and extinction of the Palestinian nation! All the oppressed in the world and all liberation movements stand on the side of the resistance against the Zionist occupation regime.

The Communism Congress expresses its full solidarity and attachment to the courageous and determined struggle of Palestine! It is a shining signal for the global fight against barbarism and for the liberation of humanity! It is a historical necessity that is being actively helped to achieve a breakthrough: All of Palestine will be free! Zionist settler colonialism will be defeated!

The Communism Congress expresses its solidarity with our speaker and comrade Zaid Abdulnasser , whose stay is to be revoked. Our message is unmistakable: Zaid will stay! Until Palestine is free! Long live the Palestinian liberation movement – in Palestine and in Germany!

Anyone who takes up the fight against these well-organized criminals and opposes NATO’s warmongers must expect isolation and repression. He is ridiculed or despised. Anyone who fights for the freedom of the oppressed will be persecuted by their minions.

The Communism Congress expresses its solidarity with the Kononovich brothers, who were taken hostage by the Kiev regime and are publicly threatened with death. We also express our solidarity with our comrade and speaker Alexei Albu , who was expelled from his homeland by the Ukrainian fascists and to whom the European authorities are refusing entry into the EU. They want to silence him.

The anti-fascist fight against the Bandera gang, which is financed and armed by the NATO states, will continue!

In Germany, the judges of the Prussian tradition are waiting in the starting blocks to harass everyone who does not join in the war chorus against Russia. The Federal Republic is openly showing what it has always been: the anti-communist bulwark in Europe, which has outgrown fascism.

They are the old-fashioned, small-minded, spiked helmet wearers . Let’s expose them to ridicule,
because they are nothing but ridiculous figures. They want to use force to prevent the simplest truths about NATO’s war plans and warmongering from being spoken. Let us show them courage and determination, to say what is! It is NATO that brought fascism and war to Ukraine and many other countries around the world. She is the aggressor!

The Communism Congress expresses its solidarity with all those who are being persecuted by the Federal German justice system because they stand up against their warmongering. Let us strengthen everyone who opposes NATO propaganda. We call on you to support the campaign of the German Communist Party (DKP) against the muzzle of war opponents and to fight against paragraph 130, which is intended to forbid us from speaking up and intimidate us.

Yesterday was October 7th: the founding day of the German Democratic Republic! The state of the German working class, who fought against imperialism, who was fraternally connected to the liberation movements, who lived internationalism!

Let’s learn from the GDR, let’s use this treasure of our history for our struggles today!

The fight against the imperialist oppressors is an international struggle, it must be a common struggle of the oppressed peoples and the working class in the imperialist centers. We know that those in power in the centers use all means of terror and destruction against our comrades in the oppressed countries. Many freedom fighters fell victim to their assassinations. And even today many are persecuted and threatened with death.

The Communism Congress sends internationalist greetings to all fighters against colonialism, oppression and imperialism.
Long live international solidarity – the tenderness of peoples!

Imperialismus: Ein Herrschaftsverhältnis!

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Textanalyse der Imperialismusschrift Lenins – Ein Zwischenstand

Vertiefungsgruppe 12 zum Thema Imperialismus

von Klara Bina

Redaktioneller Hinweis: Dieser Text ist im Rahmen unserer Auseinandersetzung mit dem Krieg in der Ukraine und der Imperialismusdiskussion entstanden. Wir haben 2022 beschlossen, uns kollektiv der Einschätzung des Charakter und der Vorgeschichte des Krieges zu widmen. Hierfür wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die sich u.a. mit den Interessen und der Politik des westlichen imperialistischen Block, mit Russlands Entwicklung sowie mit den Erkenntnissen der sozialistischen Arbeiterbewegung zum Imperialismus und der Bedeutung der Nationalen Frage beschäftigen. Veröffentlicht wurden in diesem Rahmen bereits Beiträge zur Kriegsvorbereitung der NATO, zur Unterwerfung der Ukraine, zu Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg, zur Entwicklung der Volksrepubliken, zur Entwicklung des russischen Kapitalismus und zum Verhältnis von Nationaler Selbstbestimmung und sozialistischer Revolution.

Abstract

Was ist eigentlich mit Imperialismus gemeint? Darüber scheiden sich innerhalb der linken und kommunistischen Bewegung, aber auch in der Akademie die Geister. Unübersehbar ist, dass die Imperialismusschrift von Lenin für alle einen Referenzpunkt darstellt und für viele die Grundlage ihrer Argumentation ist. Aus der Tatsache, dass sehr unterschiedliche Schlussfolgerungen auf Grundlage dieser Schrift gezogen werden, widmet sich die vorliegende Textanalyse der Fragestellung, welche Bedeutung mit dem Begriff ‚Monopol‘ transportiert wird und wie er als ein Herrschaftsverhältnis verstanden werden kann. Das Ergebnis ist eindeutig: Lenin verwendet den Begriff des ‚Monopols‘ als eine konkrete Abstraktion, um die Epoche des Imperialismus als eine Epoche der Herrschaft weniger monopolistischer Entitäten über den Rest der Welt zu charakterisieren. Diese Epoche ist, so Lenin, durch die Tendenz zu monopolistischer Weltherrschaft gekennzeichnet. Andere Interpretationen, die entweder ein Ende der nationalen Unterdrückung oder eine mögliche Einebnung dieser Herrschaftsverhältnisse unterstellen, können sich nicht auf Lenin stützen.


Einleitung

Politische Einordnung

Die zeitgenössische Anti-Kriegs-Bewegung1 entfaltete sich als pazifistisch- teilweise proimperialistische2 Bewegung. Teils mit linksradikalen Charakteristika, zeitgleich mit der so genannten Zeitenwende, die vom bald Ex-Kriegskanzler Scholz mit der Ansage eingeläutet wurde, jetzt gelte es den Westen zu verteidigen gegen den „imperialistischen Angriffskrieg“ Russlands. Gemeint war die Militäroperation der Russischen Föderation im Osten der Ukraine. Von Seiten der herrschenden Kreise wurde beabsichtigt, dass dem deutschen Imperialismus, argumentative Schützenhilfe im kriselnden kommunistischen Lager geleistet wird. Dabei reichte es völlig aus, den Krieg der NATO gegen die Russische Föderation als einen beidseitig imperialistischen Krieg zu bezeichnen und mindestens zu verhindern, dass die NATO als der Aggressor entlarvt wird.

Es sollte verhindert werden, dass sich in der noch rest-antiimperialistischen Blase in der BRD etwas zusammenbrauen könnte, was den Kriegsplänen des deutschen Imperialismus im Wege stand. Nichts leichter als das: mit Referenz auf Lenins Imperialismusschrift (1916)3, der den Ersten Weltkrieg als einen zwischen-imperialistischen Krieg identifizierte, musste nicht viel Eigenleistung erbracht werden. Abschreiben war angesagt. Das Konstrukt – beidseitiger imperialistischer Krieg – basiert auf der Behauptung, dass im jetzigen Stadium des Imperialismus alle kapitalistischen Länder das monopolistische Stadium „mehr oder weniger“ erreicht hätten und sich deshalb als Konkurrenten gegenüberstehen würden – es könnte unter wesentlich Gleichen keine gerechten Kriege geben, so heißt es.

Es mag Nuancen in der Beschreibung der Unterschiede der Länder geben, aber nicht eine grundlegende Differenz in ihrer Charakterisierung4. Länder, die Monopole besitzen, seien „Teilnehmer im imperialistischen Weltsystem“ und damit selbst im imperialistischen Entwicklungsstadium. Diese Argumentation wird affirmativ mit Referenz auf Lenin begründet., konkret bezogen auf die Aussage, dass das „Monopol“ der ökonomische Kern des imperialistischen Stadiums ist. Dabei wird „Monopol“ als ein isoliertes Phänomen betrachtet, so meine die These. Seine Existenz wird in formaler Hinsicht als Marker für das Erreichen des imperialistischen Stadiums genommen. Im Großen und Ganzen sei „das Weltsystem ein System gegenseitiger Abhängigkeiten“- man gibt zuweilen zu, es seien „asymmetrische“ oder „ungleiche“ Beziehungen5.

Nach den erfolgreichen Befreiungskämpfen vor allem Mitte des 20. Jahrhunderts sei die Kolonialzeit jedoch vorbei und damit die Phase im Imperialismus, die durch einseitige Abhängigkeitsverhältnisse geprägt war. Das durchaus auch in der sozialistischen Literatur intensiv beschriebene Phänomen des Neokolonialismus, das auf Lenins Beschreibung halbkolonialer Länder referiert6, findet in der oben beschriebenen Darstellung der heutigen Weltordnung keine Erwähnung.

Interessanterweise vereinigen sich hier – mit Sicherheit unfreiwillig und unbewusst – die verschiedenen Strömungen der kommunistischen Weltbewegung in ihren Imperialismusvorstellungen. Dazu sei beispielhaft aus Deutschland die MLPD7 und Marx218 genannt.

Die geistige Misere beschränkt sich aber keineswegs auf Deutschland. Sehr zu empfehlen ist hier auch der Überblick von John Bellamy Foster im Monthly Review9. Er liefert zwar keinen vollständigen Überblick, aber eine Erkenntnis ist treffend formuliert: „Hence, the gap between the views of imperialism held by the Western left and those of revolutionary movements in the Global South is wider than at any time in the last century.“10 Während viele Nationen der Welt im Kampf gegen ihre Erdrosselung bis hin zur Vernichtung durch das von den USA angeführte imperialistische Ungeheuer nach solchen Tiefenanalysen lechzen wie sie Lenin seinerzeit für den Imperialismus lieferte, wird in den Zentren des Imperialismus Lenin tunlichst entsorgt.

In diesem Beitrag soll gezeigt werden, dass verkehrte Vorstellungen, wie sie oben skizziert wurden, auf groben Fehlern in der Interpretation bzw. Anwendung der Leninschen Imperialismusschrift beruhen. Dabei ist die falsche und völlig unzureichende Kritik des Imperialismus, die diesen als Interventionismus, also auf seine politische Seite reduziert, weiterhin richtig. Diese falsche Imperialismus-Kritik wird von Lenin in seiner Schrift zu Genüge analysiert und vernichtend kritisiert.

Mir geht es in diesem Text vor allem um die neuen Imperialismusvorstellungen, die sich auf Lenin beziehen. Ich stelle die These auf, dass die „Theorie“ des Imperialismus als ein „Weltsystem gegenseitiger Abhängigkeiten“, so wie sie u.a. die Griechische Kommunistische Partei (KKE)11 vertritt, eine Neuinterpretation, aber vor allem eine Verfälschung der Leninschen Imperialismusanalyse darstellt. Solche Vorstellungen verfälschen und relativieren die wirklichen Machtverhältnisse und präsentieren eine Welt voller Monopole, die in einem Konkurrenzverhältnis zueinanderstehen sollen. Der Konkurrenzkapitalismus ist aber vorbei und wird auch nie wieder Wirklichkeit werden.

Ich denke, es wäre angebracht, dass Parteien und Einzelpersonen, die eine solche Neuinterpretation vorlegen, transparent und ehrlich ihre Positionen als eine von Lenin abgekoppelte und ihm widersprechende Sichtweise auf den Imperialismus präsentieren. Sie müssten sagen: Lenin hatte grobe Fehler in seiner Analyse. Eine Analyse, die nicht imstande war, die kommende Entwicklung zumindest in ihrer grundlegenden Tendenz darzulegen. Viele seiner Feststellungen sind heute obsolet geworden. Wir leben in einer anderen internationalen Wirklichkeit als die, die Lenin seinerzeit beschrieben hat.

Leider ist diese Art Ehrlichkeit in der politischen Auseinandersetzung nicht wahrnehmbar. Genauso wenig ist Transparenz bezüglich der theoretischen Quellen der Positionen gegeben, zumindest in den mir vor liegenden Texten. Die Textanalyse soll prüfen, ob solche Neuinterpretationen sich in irgendeiner Weise mit Lenin argumentieren lassen.


Monopol als Herrschaftsverhältnis – die Fragestellung

Der vorliegende Beitrag sollte zunächst einmal nur herausarbeiten, was Lenin tatsächlich unter weltbeherrschenden Monopolen versteht. Diese Frage war deshalb so wichtig, weil in der Debatte die These vertreten wurde, dass alle Länder der Welt – mit sehr wenigen Ausnahmen – die monopolistische Phase insofern erreicht hätten, dass sie Monopole aufzuweisen hätten. Mit ‚Monopol‘ wird dabei ein großer Konzern in einem Land gemeint. Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Sektor der Konzern ist oder welche (Aktien-) Beteiligungen es gibt.. Die Länder, die nachweislich Monopole vorzuweisen hätten, wären imperialistische Länder12, so z. B. Russland.

Diesen Vorstellungen wurde entgegnet, dass Monopole weder nur als große Konzerne vorgestellt noch isoliert betrachtet werden können, sondern immer nur im Verhältnis zur höchsten und entfaltetsten Form des Monopols in der imperialistischen Epoche, nämlich dem Finanzkapital, überhaupt erst einsortiert und als empirische und historisch spezifische Phänomene verstanden und im internationalen Machtgefüge eingeschätzt werden können. Vor diesem Hintergrund wurde zunächst die Frage nach der Bedeutung des Monopolbegriffs bei Lenin im Zusammenhang mit Weltbeherrschung aufgeworfen. Im Laufe der Arbeit wurde die Fragestellung jedoch allgemeiner gefasst und die Imperialismusschrift Lenins mit Blick auf die Konzepte ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘ untersucht. Diese Verfeinerung erlaubte es, den Text etwas umfassender zu behandeln.

Warum ist eine Textanalyse nötig?

Der zentrale theoretische Bezugspunkt der heutigen Imperialismusdebatte steht zur Disposition. Natürlich ist mir bewusst, dass seit der Existenz des Kommunismus in dieser Frage alle theoretischen Aussagen von allen möglichen Akteuren beliebig interpretiert und angewendet wurden. Ein Teil des ideologischen Kampfes bestand und besteht bis heute darin, um die richtige Auslegung und Interpretation zu streiten. In diesem Sinne fühlen sich bitte alle eingeladen, ihre eigene/widersprüchliche Interpretation in den Ring zu werfen. Jedoch muss es auch hierfür Spielregeln geben. Diese sind primitiver Natur: Nachweise müssen erbracht werden, Textstellen dürfen nicht verzerrt oder verfälscht werden oder in einer Weise gekürzt werden, dass der Sinnzusammenhang verloren geht. Ich denke nicht, dass das zu viel verlangt ist.

Doch ist es überhaupt nötig, einen Text, der über 100 Jahre existiert und Gegenstand vieler Untersuchungen und Erörterungen gewesen ist, einer akribischen Untersuchung zu unterziehen? Womit ließe sich eine solche Mühe rechtfertigen? Die Antwort ist einfach. Wenn er bis heute noch unterschiedlich interpretiert wird, dann ja.

Offensichtlich wird dieser Text, um den es hier geht – die Imperialismus-Broschüre von Lenin, geschrieben 1916 –, von diametral entgegengesetzten Positionen zum Imperialismus als Beleg für die eigene Argumentation herangezogen.

Wie kann das sein? Ist der Text so ambigue und entsprechend für verschiedene Interpretationen offen? Die unterschiedlichen Lesarten reichen von der in der maoistischen Strömung besonders verbreiteten Vorstellung eines so genannten ‚Sozialimperialismus‘, der der Sowjetunion (SU) eine imperialistische Politik unterstellt, bis hin zu Positionen, die von einem ‚Weltsystem gegenseitiger Abhängigkeiten‘ sprechen und der Vorstellung, dass die Welt immer noch in ‚unterdrückende und unterdrückte Nationen‘ aufgeteilt werden kann. Ohne Zweifel würden die Protagonisten der verschiedenen Positionen für sich die richtige Auslegung in Anspruch nehmen. Alle Seiten würden es negieren müssen, dass der Text interpretationsoffen ist.

Dieses Festhalten an der Imperialismusschrift hat etwas mit dem welthistorischen Stellenwert dieses Textes zu tun. Immerhin ist er von Wladimir Iljitsch Lenin, dem großen Führer der bolschewistischen Partei in Russland und nicht zuletzt der siegreichen Oktoberrevolution unter dem Eindruck des ersten imperialistischen Weltkrieges geschrieben worden. Seine Wirkung und Ausstrahlung sind kaum zu überschätzen. Und da es hier um Positionen innerhalb der kommunistischen Bewegung geht, ist eine positive Bezugnahme auf Lenin und ganz besonders auf seine Imperialismusschrift zum regelrechten Glaubensbekenntnis geworden. Dort, wo Identität und Glauben herrschen, ist Objektivität nicht gerne gesehen, auch und gerade dann nicht, wenn die eigenen Grundlagen als Objekt der Untersuchung dienen,– entsprechend ist auch die Analyse eines solchen Textes schnell tabuisiert. Das ist verständlich. Denn erstens erfordert eine Analyse eine gewisse Distanz zum Objekt der Analyse und das fällt bei einer hohen Identifikation mit einem Text sehr schwer. Zweitens birgt Analyse die Gefahr der Entdeckung von Problemen, Leerstellen, offenen Fragen oder gar gegenteiligen Inhalten, als die, die man sich in der eigenen Position zurechtgelegt hat. Klärungsarbeit oder die Schaffung von Klarheit ist nicht nur mühsam, sondern auch riskant.

Die Notwendigkeit einer Textanalyse von Lenins Imperialismusschrift bleibt bestehen, solange erstens die Interpretationen derart auseinanderfallen und zweitens der Text der Hauptbezugspunkt für die Imperialismusanalyse innerhalb der kommunistischen Bewegung ist. Die langen Ausführungen zur Notwendigkeit einer solchen Textanalyse werden angeregt dadurch, dass es nachvollziehbare Zweifel und viele Fragen bezüglich der Notwendigkeit einer solchen Arbeit gegeben hat und sicherlich noch gibt.

Eine weitere Begründung für eine solche Arbeit ist auch, dass sich die Imperialismusschrift dem Leser nicht einfach erschließt. Sie erscheint auf den ersten Blick als eine Broschüre für den schnellen Gebrauch und wie der Autor verspricht, soll sie in allgemeinverständlicher Sprache auch den Massen zugänglich sein. Mehr als ein Jahrhundert nach dem Erscheinen der Imperialismusschrift ist eine Einigung auf den Inhalt der Aussagen nicht einfacher geworden. Nach etlichen Kontroversen, Spaltungen bis hin zu blutigen Kämpfen in der kommunistischen Bewegung und nicht zuletzt nach dem Sieg und der (zeitweiligen) Niederlage des Sozialismus, nach den Siegen und vielen Niederlagen der nationalen Befreiungskämpfe, leider auch nach dem massiven Vormarsch der imperialistischen Länder, aber auch der Infragestellung ihrer kriegerischen Politik, nach all diesen Erfahrungen scheinen sich die Strömungen und festgefahrenen Positionen in der kommunistischen Weltbewegung kaum bewegt zu haben.

Zugegeben, es wäre viel einfacher gewesen, eine Unmenge an Zitaten aus der Imperialismus-Broschüre herauszupicken und meine eigene Position damit zu begründen. Motiviert wird die Arbeit nicht durch die Absicht der Bestätigung der eigenen Position, sondern davon, nachvollziehen zu wollen, ob es der Text ist, der bestimmte Interpretationen ermöglicht oder ob es richtig ist, zu behaupten, er würde falsch ausgelegt, ja vielleicht sogar revidiert werden.

Es kann jetzt schon verraten werden, dass es ein paar solche Stellen in der Imperialismusschrift gibt, die so interpretiert werden könnten, dass nicht-imperialistische Länder, – Beraubte, nicht Räuber – zu imperialistischen Mächten aufsteigen können. Eine solche Interpretation ist aber nur möglich, wenn der Gesamttext ausgeblendet wird und ganz besonders die Stellen, die sich explizit auf diese ‚Möglichkeiten‘ beziehen, aus dem Kontext gerissen werden. Das nennt man selektives Lesen.

Es gibt eine weitere Schwierigkeit mit dem Text. Das sind die verschachtelten Abstraktionsebenen und der ständige Wechsel zwischen abstrakten Begriffen und empirischen Beschreibungen. Die Unterscheidung zwischen diesen verschiedenen Ebenen drängt sich dem Leser nicht unbedingt auf. Es ist möglich und wahrscheinlich sehr geläufig, dass der Text als ein historisches Zeugnis, als eine Beschreibung der Zeit, in der er geschrieben wurde, gelesen wird. Das heißt nicht, dass die Textstellen, in denen offenkundig von Gesetzmäßigkeiten oder von grundlegenden Merkmalen die Rede ist, nicht als solche erkannt und als allgemeingültige Aussagen verstanden werden. Was bei einer solchen Lesart passiert, ist, dass die Analyse des Imperialismus durch Lenin auf zwei Ebenen lediglich registriert, nicht begriffen wird. So stellen wir fest, dass am Anfang des Textes das Monopol in seiner historischen Genese beschrieben ist, und könnten diese Eröffnung als zufällig oder rein historisch verstehen. Dass aber hierbei eine begriffliche Abstraktion eingeführt wird, aus der sich die nächsten Bestimmungen ableiten lassen, das ist nicht unmittelbar begreiflich. Die Textanalyse konnte zumindest den Blick für solche Fragestellungen schärfen und hoffentlich für die weitere Arbeit damit produktiv sein.

Ein paar allgemeine Anmerkungen zur Textanalyse

Zunächst einmal sehr einfach formuliert: Texte sind in ihrer allgemeinsten Form13 – metaphorisch gesprochen – der Transmissionsriemen zwischen Praxis und Theorie, zwischen dem lebendigen Austauschprozess von Natur und Gesellschaft auf der einen Seite und dem Spiegeln dieses Austausch- und Produktionsprozesses im Bewusstsein der Menschen. Nun wissen wir aber, dass die Menschen gesellschaftliche Wesen sind und als solche treten sie sich in Klassengesellschaften als Klassen gegenüber. So sind Texte immer auch klassenparteiische14 Texte. Aber Achtung: sie sind nicht nur klassenmäßig geschriebene oder gesprochene Texte, sondern auch genauso klassenparteiisch gelesene Texte. der gleiche Text ganz gleich welches Klasseninteresse tatsächlich darin zum Ausdruck gebracht wird, wird auch in seiner Rezeption nicht klassenneutral gelesen. Für die vorliegende Arbeit ist das deswegen relevant, weil dieser Fakt den Anlass für die Analyse des Textes darstellt. Wir haben gegenwärtig in der kommunistischen Bewegung sehr unterschiedliche Lesarten dieses Textes. Gibt es eine andere Möglichkeit, als dass jede dieser Lesarten eine klassenmäßige Interpretation darstellt? Ich meine nicht. Es gilt herauszufinden, welche Lesart welches Klasseninteresse zum Ausdruck bringt.

Bezüglich der Textanalyse ist vorausgesetzt, dass wir wissen und anerkennen, dass sich rund um die Frage der Textanalyse eine ganze Wissenschaft entwickelt hat (etwa seit den 1950/60er Jahren), diesehr präzise Methoden der Textanalyse hervorgebracht hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir von diesen Wissenschaften profitieren können, wenn wir lernen, sie anzuwenden. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir das müssen, wenn wir bestimmte Fehler vermeiden wollen: Phraseologie, arbeiterfeindliche Interpretation unserer Geschichte und Theorie, Prahlerei und Profilneurose in der Bewegung und so weiter und so fort. Und: Kritik und Selbstkritik als eine Kunst der Kommunikation mit den entwickeltesten Methoden kommt meines Ermessens nicht ohne solche Methoden aus.

Einen Text zu analysieren, heißt grundsätzlich ihn zuerst zerlegen und wieder zusammensetzen (Analyse und Synthese)15. Dieser Prozess findet auf unterschiedlichste Weise und mit den unterschiedlichsten Methoden statt, wobei sich die Methoden überschneiden und ergänzen. Die hermeneutische Methode hilft uns dabei, den Text im Verhältnis zum Lesenden in sich wiederholenden so genannten hermeneutischen Spiralen (Zirkeln) in seiner Gesamtbedeutung und in seinem Zusammenhang (seinen Zusammenhängen) zu erschließen, aber auch gleichzeitig zu kontextualisieren und den Lesenden als Subjekt (mit einem bestehenden und sich wandelnden Vorwissen) transparent zu machen, jedoch mit dem Ziel eine so weit wie möglich objektive Darlegung der Textaussage(n) herauszufiltern.

Diese Methode hängt eng mit der Kohärenzanalyse (Linguistik) zusammen, aber auch mit einer Analyse des Textes nach seiner inneren Methodologie, z. B. im vorliegenden Text danach, ob die materialistisch-dialektische Methode darin erkennbar ist und wenn ja wie und woran genau. Des Weiteren können quantitative Methoden die Analyse ergänzen, z. B., indem man den Text danach scannt, wie viele Anteile Objektsprache oder Metasprache sind, wieviel Empirie/Theorie oder welche Wörter/Ausdrücke wie häufig wiederholt werden. Es gilt hier zu beachten, die Aussagekraft der Ergebnisse weder zu überbewerten noch isoliert von den anderen Methoden zu verwenden. Schließlich kann auch eine formal logische Analyse (fragt nach der inneren Schlüssigkeit und Korrektheit der Argumente, ohne etwas über ihre Wahrheit auszusagen) oder sprachanalytische Anwendung (z. B. etymologische oder Kohäsionsanalyse) sehr hilfreich sein, um Texte oder Textstellen oder sich wiederholende semantische Elemente zu analysieren. Schließlich ist die Analyse des Textes nach bestimmten Kategorien, Begriffen, Wörtern und zusammenhängenden Inhalten, die sich von der Fragestellung ableiten, notwendig. Ist diese Arbeit geleistet, gilt es den Text als Ganzes (Synthese) wieder greifbar zu machen. Jedoch findet die Betrachtung des Gesamtzusammenhangs in Arbeitsschleifen statt. Teilweise beinhalten Methoden schon die Herstellung des Zusammenhangs, wie z. B. die hermeneutische, die dialektische und etwas abgestufter die Kohärenzanalyse.

Um welchen Text geht es? Es geht um den deutschsprachigen Text „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus “, Lenin Werke, Band22. Achtung: es geht nicht um den Originaltext oder eine intertextliche Analyse nach Kohärenz / Übereinstimmung / Veränderung. Es geht also nicht um einen Vergleich des deutschen Textes mit dem russischen Original. Die Textanalyse beschäftigt sich mit dem oben genannten deutschen Text und bezweckt eine wissenschaftliche Begründung für eine – möglichst objektive16 – Lesart dieses Textes.

Wie steht die allgemeine Analyse des Textes mit der oben genannten konkreten Fragestellung im Zusammenhang? Die Textanalyse steckt einerseits den Rahmen für die Beantwortung der Fragestellung ab, andererseits dient sie teilweise als Instrument für die Beantwortung der Fragestellung. Es stellt sich hier vielleicht manchen Lesern die Frage, warum es nicht ausreicht, nur nach den Textstellen Ausschau zu halten, die unmittelbar mit der Fragestellung zusammenhängen. Diese Herangehensweise würde insofern nicht ausreichen oder sogar fehlerhaft sein und sicherlich auch zurecht kritisiert werden, weil sie die Aussagen, die in einem textlichen Zusammenhang stehen, aus genau diesem Zusammenhang herausreißen und sie isoliert behandeln würde. Hier gilt es einem Missverständnis vorzubeugen: natürlich ist es völlig legitim und auch notwendig, Zitate zu verwenden, wenn man einen bestimmten Inhalt behandelt und Verweise auf andere Literatur etc. verwendet. Jedoch nimmt eine allgemein thematische Behandlung einer Fragestellung nicht für sich in Anspruch, einen konkreten vorliegenden Text zu analysieren, sondern eben ein Thema zu behandeln. Hier aber beinhaltet die Fragestellung die Frage nach dem Sinn des Textes, also danach welcher Gedanke mit den artikulierten Sätzen/Begriffen verknüpft ist,ob diese stringent nachvollziehbar sind und ob dessen theoretischer Hintergrund als intentionaler Akt erkennbar ist. Aus diesem Grund kann diese Art der Fragestellung (nach dem Sinn eines Textes) nicht ohne eine Textanalyse auskommen.

Darstellung und Ergebnisse der Textanalyse

In diesem Abschnitt möchte ich dem Leser die Möglichkeit geben, sich ein Bild von der Vorgehensweise und Methodik zu machen und die inhaltlichen Fragen, die mich beschäftigt haben, nachvollziehen zu können. Vor der Lektüre und Arbeit mit dem Text in der ersten Runde wurde die Fragestellung und die damit zusammenhängenden inhaltlichen Standpunkte ins Bewusstsein gerufen. Dieses Herangehen hat die Funktion, noch einmal von einer Metaebene aus auf sich und die beteiligten Diskussionsteilnehmer mit ihren jeweiligen Sichtweisen zu blicken. Dafür wurden noch einmal Artikel aus der Debatte gelesen und ein paar Notizen gemacht. Da ich nicht unvoreingenommen an diesen Text und auch nicht an die Debatte herantrete, ist diese Methode der Vergewisserung und Überprüfung ein wichtiger erster Schritt, um nicht unbewusst Aspekte der Debatte, die vielleicht nicht zu meinen Vorstellungen passen, zu vernachlässigen.

Die Fragestellung wurde noch einmal durchdacht. Ist die Kernfrage tatsächlich die nach Weltbeherrschung? Ja, meiner Ansicht nach ist die Kernfrage in der Debatte, ob es sich im Imperialismus um die Herrschaft Weniger, sowohl weniger Hände, in denen Kapital konzentriert ist, als auch weniger Staaten – über die gesamte Welt handelt oder nicht. Dabei sind es die unterschiedlichen Formulierungen wie einseitige versus gegenseitige Abhängigkeit, Weltsystem versus unterdrückende und unterdrückte Länder etc., die teilweise kaschieren, dass es sich letztlich um die Frage dreht, ob der Imperialismus notwendig ein System ist, bei dem es sich um die Herrschaft weniger Staaten über die absolute Mehrheit handelt.

In einer ersten Runde wurde der Lenin-Text recht schnell gelesen. Hierbei wurden alle Wörter, die in einem Sinnzusammenhang mit „Herrschaft“, „Monopol“ und aber auch mit Begriffen aus der Debatte wie „Abhängigkeit“ oder das Wortpaar „ungleichmäßige Entwicklung“ stehen, markiert. In dieser ersten Runde sollte gerade durch das schnelle Lesen das Gesamtbild des Textes erfasst und festgehalten werden. In der Reflexionsphase über die erste Runde wurde außer der Konkretisierung der Schlüsselbegriffe auch die Gesamtstruktur des Textes reflektiert.

Hinweise durch die Gesamtstruktur des Textes

Folgende auf sehr unterschiedlichen Ebenen zu verortende Einsichten sind ein Ergebnis einer expliziten Anschauung der Gesamtstruktur des Textes: erstens ist die Gesamtaufteilung des Textes in vier verschiedene Teile, die nicht als solche gekennzeichnet sind, auffällig. In den ersten drei Kapiteln werden die drei Erscheinungsformen des monopolisierten Kapitals, das Industriekapital, das Bankkapital und das Finanzkapital vorgestellt. In den darauf folgenden drei Kapiteln wird ihre Wirkungsweise, das ist vornehmlich ihre Herrschaftsweise, dargestellt. Im siebten und achten Kapitel werden Blüte und Verfall, dann in den letzten beiden Kapiteln die Reflexion des Imperialismus als Stadium analysiert. Zweitens also sind die ersten acht Kapitel der Darstellung der objektiven Seite, die letzten zwei Kapitel der subjektiven Seite der Entwicklung des Imperialismus gewidmet. Drittens ist die organische Darstellungsweise der verschiedenen Seinsweisen der jeweiligen Erscheinungen festzustellen: die empirische, die historisch-genetische, die wesentliche Weise, wobei letztere sich wie ein roter Faden vom ersten Kapitel bis zum letzten durchzieht und am Begriff des Monopols festmachen lässt – anders gesagt an der zentralisierten Form des konzentrierten Kapitals, eigentlich müsste man korrekterweise den prozessierenden Charakter wie folgt ausdrücken: die sich notwendig und stets zentralisierende Form des unvermeidlich konzentrierenden Kapitals.

Diese ‚Hinweise‘ durch die Beachtung der Gesamtstruktur des Textes waren sehr hilfreich für die Analyse des Textes und sollen hier nicht als fertige Analyse oder feste Annahme postuliert werden, sondern lediglich als Auffälligkeiten festgehalten werden. Inwiefern diese Struktur wirklich Sinn ergibt oder tatsächlich in diesem Sinne bewusst von Lenin angelegt wurde, kann nicht nachgewiesen werden.

Jedenfalls lassen diese Hinweise nicht nur den Blick für die verschiedenen Ebenen des Textes, also seine Tiefenstruktur, schärfen, auch wird durch die Gesamtstruktur die Einordnung der einzelnen Teile in das Ganze zugänglicher. Wir werden weiter unten sehen, welche Bedeutung der Blick für die Gesamtstruktur des Textes für die Textanalyse hatte, sowohl was die Formanalyse des Monopols, die Frage nach dem Anfang der Analyse für Lenin (Monopol) und die Frage nach der dialektischen Logik der Imperialismusschrift angeht.

Analyse und Synthese: ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘

Um zu verstehen, was Lenin mit dem Herrschaftsverhältnis als das Typische des Monopolkapitalismus (LW 22, S. 211) meint, wurde die Imperialismusschrift zunächst nach den Stichworten ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘ durchsucht, die damit transportierten Sinnzusammenhänge untersucht und diese dann wieder im Zusammenhang betrachtet. Der Sinnzusammenhang Monopol und Herrschaftsverhältnis wurde nach den einzelnen Begriffen zergliedert, um ihre jeweiligen Erscheinungsformen und Bedeutungen genauer analysieren zu können.

Schon auf dieser Ebene der Untersuchung konnte die gegenseitige Durchdringung der beiden Begriffe festgestellt werden. So ist das Monopol in seinen verschiedensten Erscheinungsformen das Subjekt der Herrschaft, wobei die Objekte der Herrschaft des Monopols aus der Analyse des Begriffs ‚Herrschaftsverhältnis‘ herausgearbeitet werden konnten. Es wird ersichtlich, dass beide Wörter in ihren unterschiedlichen Verwendungen wesentlich das Gleiche beinhalten. Monopol ist nichts anderes als ein Herrschaftsverhältnis. Die weiteren Implikationen werden weiter unten dargestellt.

Die beiden Begriffe ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘ wurden nach ihrer jeweiligen Kohärenz17 und nach ihrem Verhältnis untersucht. Es ist festzustellen, dass außer kleinen Unterschieden in den quantitativen Angaben in Bezug auf die Subjekte der Herrschaft (mal drei, mal fünf, mal sieben Länder) keine inhaltlichen Inkohärenzen und widersprüchliche Bedeutungszuschreibungen zu verzeichnen sind.

Jedoch gibt es – wohlwollend im Sinne einer Gegenprobe durch die Brille der oben dargestellten Position gelesen – durchaus sprachliche Ambiguitäten, die zu offenen Interpretationen verleiten könnten. Diese sind aber nur möglich, wenn die Textstellen aus dem Kontext gerissen werden und / oder der Gesamtzusammenhang des Textes und damit der Sinnzusammenhang der Begriffe nicht beachtet wird. Die Gegenproben werden weiter unten ausgeführt.

Die Zusammensetzung (Synthese) der analysierten Einzelteile (Begriffe und ihre Vorkommnisse) und ihre verschiedenen Aspekte ergibt ein eindeutiges Bild: das Monopol bedeutet nichts anderes als die Herrschaft von tendenziell Wenigen, letztlich von tendenziell immer weniger werdenden Finanzkapitalzentren, also Staaten, aufbauend auf der zentralisierten Macht des konzentrierten Kapitals, also über tendenziell mehr Nationen, Menschen, Kapital etc. Das Monopol ist insofern das Wesen des Imperialismus, dass es dieses prozessierende Herrschaftsverhältnis wie ein Nucleus in sich trägt.

Analyse „Monopol“

Die Untersuchung der mit Monopolen zusammenhängenden Textstellen, wurde entlang von sieben Weisen sortiert, in denen ‚Monopol‘ vorkommen kann18. Damit wurde jede Weise erfasst, in der das Wort ‚Monopol‘ tatsächlich im Text auftritt, aber auch welche empirischen Erscheinungen, Merkmale, Instrumente usw. dem Monopol zugeordnet werden.

Die Stichwortanalyse bezüglich des Begriffs „Monopol“ ergibt, dass die Verwendungsarten des Wortes ‚Monopol‘ variieren. Wir treffen im Text viele konkrete Formen des Monopols an: Syndikate, Konzerne, branchenspezifische Monopole usw. Jedoch ist der gesamte Text durchzogen von der Verwendung eines abstrakten Monopolbegriffs, der im Laufe des Textes in seine konkreten Erscheinungsformen und Charakteristika entfaltet wird. Diese Erscheinungsformen sind Industriemonopole, Bankmonopole und Finanzkapital, wobei Letzteres die entwickelteste Form des Monopols darstellt. Im Begriff des Finanzkapitals heben sich die vorher entfalteten Formen (Bank- und Industriekapital bzw. Bank- und Industriemonopole) auf, sie sind sozusagen im Begriff des Finanzkapitals enthalten.

Auch wenn die wichtigste Erkenntnis der Analyse auf dieser Ebene ist, dass die Verwendung des Wortes ‚Monopol‘ in seinen verschiedenen Weisen eine begriffliche Verwendung darstellt, soll hier hervorgehoben werden, dass der Text mit einem Reichtum an konkreten, empirischen Beispielen aufwartet und es deshalb vorstellbar ist, dass eine Lesart, die vor allem die Darstellung von vielen konkreten empirischen Monopolen wahrnimmt, möglich ist.

Unübersehbar ist jedoch, dass Lenin ‚Monopol‘ als allgemeines und wesentliches Merkmal der imperialistischen Epoche versteht. Zur Veranschaulichung hier einige Beispiele, die deutlich machen, dass das ‚Monopol‘ einen Wesenszug und nicht ein ausschließlich empirisches Phänomen darstellt19:

„Diese Verwandlung der Konkurrenz in das Monopol ist eine der wichtigsten Erscheinungen – wenn nicht die wichtigste – in der Ökonomik des modernen Kapitalismus.“ (LW 22, S. 201/202).

Und: „Das von uns hervorgehobene Wort deckt das Wesen der Sache auf, das von den bürgerlichen Ökonomen so ungern und selten zugegeben wird und um das die heutigen Verteidiger des Opportunismus mit K. Kautsky an der Spitze so eifrig herumzureden versuchen. Das Herrschaftsverhältnis und die damit verbundene Gewalt – das ist das Typische für die ‚jüngste Entwicklung des Kapitalismus, das ist es, was aus der Bildung allmächtiger wirtschaftlicher Monopole unvermeidlich hervorgehen mußte und hervorgegangen ist.“ (LW 22, S. 211)

Und: „Das Monopol ist der Übergang vom Kapitalismus zu einer höheren Ordnung. Würde eine möglichst kurze Definition des Imperialismus verlangt, so müßte man sagen, daß der Imperialismus das monopolistische Stadium des Kapitalismus ist.“ (LW 22, S. 270)

Und: „Die tiefste ökonomische Grundlage des Imperialismus ist das Monopol. Dieses Monopol ist ein kapitalistisches, d.h. ein Monopol, das aus dem Kapitalismus erwachsen ist und im allgemeinen Milieu des Kapitalismus, der Warenproduktion, der Konkurrenz, in einem beständigen und unlösbaren Widerspruch zu diesem allgemeinen Milieu steht.“ (LW 22, S. 280/281)

Und: „Wir haben gesehen, daß der Imperialismus seinem ökonomischen Wesen nach Monopolkapitalismus ist.“ (LW22, S. 304)

Bei genauerer Betrachtung der Verwendung des Wortes „das Monopol“ in diesen Zitaten:, kann man zweifellos von einer Verallgemeinerung sprechen, die dem ‚Monopol‘ eine Stellung zuweist, die als Charakterisierung bzw. als Attribut verwendet werden kann. Das ‚Monopol‘ in dieser Weise verstanden, ist eine Verallgemeinerung eines Prinzips. Was sind aber seine wesentlichen Merkmale und wie werden sie im Text herausgearbeitet?

Die Anordnung der empirischen Beispiele und Zitate, die den allgemeinen und konkreten Prozess und die Wirkungsweise der vor sich gehenden Monopolisierung darstellen, sind so zusammengestellt, dass sie systematisch folgende Grundzüge des Monopols veranschaulichen:

Zusammenziehen bzw. Kontraktion von Kapital (Konzentration und Zentralisation): Ein Wesenszug, der in der Wortzusammensetzung Mono-Pol20zum Ausdruck kommt. Das ist hier in dem Sinne gemeint, dass Viele sich tendenziell zu Einem zusammenziehen.

Ein weiterer Wesenszug ist die Dynamik in dem Sinne, dass es keinen Stillstand gibt, sondern das Monopol dauernde Monopolisierung beinhaltet. Anhand vieler Beispiele und Beschreibungen der Prozesse wird diese Dynamik, die im Begriff enthalten ist, regelrecht dramatisch dargestellt. Eine weitere Seite des ‚Monopols‘ ist der notwendige Formwandel bis zur flexibelsten und flüssigsten Form . dem Finanzkapital. Und schließlich die Seite des ‚Monopols‘, die darin besteht, dass es sich in seiner Bewegung im dauernden Widerspruch zum Kontext seiner Entstehung, seines Werdens und seines Vergehens befindet.

Diese Widersprüche sind: Widerspruch zum kapitalistischen Umfeld, aus dem das ‚Monopol‘ entsteht, also zum Konkurrenzkapitalismus; Widerspruch zu ‚sich selbst‘ als Erscheinung. Das bedeutet, dass Monopole im Plural ein Widerspruch in sich trägt und zur Aufhebung drängt, – anders gesagt: das Monopol tendiert zu einem Monopol; der Widerspruch zwischen dem Prozess der Monopolisierung auf internationaler Ebene und den nationalen Schranken; Widerspruch zwischen dem Prozess der Vergesellschaftung der Produktion und der privaten Aneignung, ein Widerspruch, der zwar schon im Allgemeinen in der kapitalistischen Produktionsweise existiert, aber durch den Prozess der Monopolisierung unvermeidlich zum Antagonismus werden muss, da die Konzentration und vor allem die Zentralisierung eine zentrale Planstelle einfordern, die aber u.a. durch die private Aneignung gehemmt werden.

Die Grundzüge des Wesens von ‚Monopol‘ sind durch die Textanalyse erfasst worden, in dem alle Vorkommnisse, die sich einer Metaebene oder einer Abstraktion zuordnen ließen, herausgefiltert wurden. Die Erscheinungsformen des ‚Monopols‘ wurden wie folgt ausgemacht: Industriemonopol, Bankmonopol, Finanzkapital. Hierzu ist erstens zu sagen, dass das keine Reihenfolge darstellt, auch nicht historisch gemeint ist, aber durchaus hierarchisiert auftritt. Das bedeutet, dass die Darstellungsweise chronologisch und eindeutig inhaltlich schließen lässt, dass das Finanzkapital die Form ist, die alle anderen Formen in sich aufhebt, aber auch die letzte Form ist. Es gibt keine weitere Erscheinungsform, die folgt. In Aussagen wie der folgenden ist diese Form als letzte Form dargelegt: „Der Kapitalismus, der seine Entwicklung als kleines Wucherkapital begann, beendet seine Entwicklung als riesiges Wucherkapital.“ (LW 22, S. 237)

Des Weiteren ist zu diesen Formen zu sagen, dass sie die Formen des Monopolkapitals auf einer abstrakten Ebene begrifflich zusammenfassen. Gerade im Begriff des Finanzkapitals ist es sehr klar, dass es sowohl industrielles Kapital, also das Kapital, das in der Industrie angelegt ist, als auch gleichzeitig Bankkapital ist, wobei letzteres die Kontrollfunktion hat, da hier – in der ‚Bank‘ – das Kapital nicht nur konzentriert, sondern auch zentralisiert ist.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass das Staatsmonopol als solches nicht als Erscheinungsform des ‚Monopols‘ aufgefasst wurde, weil diese bei Lenin fast ausschließlich eine Hilfsfunktion im Verhältnis zu den verschiedenen Erscheinungsformen des Monopolkapitals einnimmt. Besonders klar wird das durch die Aussage, dass anschaulich gesehen werden kann, „wie sich in der Epoche des Finanzkapitals private und staatliche Monopole miteinander verflechten und die einen wie die anderen in Wirklichkeit bloß einzelne Glieder in der Kette des imperialistischen Kampfes zwischen den größten Monopolisten um die Teilung der Welt sind.“ (LW 22, S. 253)

Eine weitere Anmerkung ist nötig. Es geht um eine Textstelle, die auf den ersten Blick eine andere Zuordnung erfordert als die, die hier unter „Erscheinungsformen“ vorgenommen wurde. Gegen Ende des Textes (S. 304/305) spricht Lenin von „den vier verschiedenen Hauptarten der Monopole oder den Haupterscheinungsformen des Monopolkapitalismus“: den Monopolverbänden, den Rohstoffmonopolen, den Monopolisten des Finanzkapitals und schließlich dem Monopol über das Wirtschaftsgebiet überhaupt. Hier befindet sich der Text auf der konkretesten Ebene der Darstellung. Die Formen wurden in ihrer Abstraktheit Schritt für Schritt entfaltet und sind jetzt auf der Oberflächenebene angelangt.

In den ersten drei Kapiteln wurde das Kapital in seiner monopolisierten Form in seinen Grundzügen, seinem Wesen nach dargestellt. Die Darstellung erfolgte immer organisch mit empirischen und historischen Beispielen. Jedoch ist die Quintessenz dieser Darstellung, das ökonomische Wesen des Monopols aufzudecken und zu zeigen, dass es seine höchste Form im Finanzkapital findet, ohne die anderen Formen zu eliminieren.

Im letzten Kapitel, aus dem die „vier Hauptarten“ (siehe oben) zitiert wurden, wird die konkrete Erscheinungsform beschrieben. Im Folgenden betrachtet Lenin diese Hauptarten historisch und beschreibt ihre Genese, die letztlich „zum endgültigen Sieg des internationalen Finanzkapitals“ (LW 22, S. 305) geführt hat.

Für die Textanalyse ist es relevant, diese unterschiedlichen Ebenen zu registrieren und die einzelnen Ausführungen in diese Gesamtstruktur einzuordnen. Alle weiteren Weisen, in denen das ‚Wort‘ Monopol im Text verwendet wird, dienten in der Analyse lediglich als Kohärenznachweis, der hiermit bestätigt wird. Es wurden keine Inkohärenzen in den verschiedenen Verwendungsweisen vorgefunden.

Die begriffliche Entwicklung ist nicht oder nicht nur historisch, auch wenn die eine Form unvermeidlich aus der anderen erwächst. ‚Historisch‘ hieße, dass der Übergang der einen in die andere Form einen historischen Abschluss der vorhergehenden Form markiert. Auch wenn das tendenziell geschieht, bleiben alle Formen noch weiter bestehen, während sich die nächste Form entfaltet. So ist die Epoche der Monopole zwar durch das Finanzkapital erzeugt worden (LW 22, S. 248), jedoch kommt das Finanzkapital erst durch die Entfaltung des Monopolkapitalismus zu seiner alles durchdringenden Entwicklungsstufe und wird zur herrschenden Form des Monopols. So hebt das Bankmonopol zwar das Industriemonopol auf, aber vernichtet dieses nicht. Lenin nimmt das Monopol zu seinem Ausgangspunkt und setzt die Konzentration und Zentralisation des Kapitals als den Motor der Monopolisierung voraus. Diese Monopolisierungstendenz beschleunigt die Konzentration und Zentralisation und diese wiederum die Monopolisierungstendenz.

Die Untersuchung der gesamten Textstruktur stützt die Annahme, dass ‚Monopol‘ eine begriffliche Ebene darstellt, in der viele der weiteren Bestimmungen enthalten sind. Der Text beginnt mit der Darstellung des Monopols, wobei hier die Betonung darauf liegt, dass die Untersuchung mit dem Phänomen ‚Monopol‘ anfängt. Wenn auch die Darstellung am Anfang selbst historisch-konkret vorgenommen wird, ist der Ausgangspunkt der Untersuchung insofern gesetzt, als dass alle weiteren Erscheinungsformen sich wesentlich vom ‚Monopol‘ ableiten lassen bzw. ihm zugeordnet werden können. So werden in jedem weiteren Kapitel verschiedene Seiten des Monopols aufgeschlüsselt.

Fritz Kumpf, der 1968 eine Studie zur dialektischen Logik der Imperialismusschrift vorlegte, kommt zu folgendem Ergebnis: „Das Monopol ist im System des Imperialismus eine solche konkrete Abstraktion, die den Übergang zu anderen Bestimmungen und zu deren systematischer Entwicklung notwendig in sich einschließt. Die Notwendigkeit des Übergangs liegt vor allem darin, daß das Monopol das ökonomische Wesen des Imperialismus darstellt.“ (Kumpf 1968, S. 98)

Dabei markiert das ‚Monopol‘ deshalb den Beginn, weil alle weiteren Bestimmungen, die für das System ‚Imperialismus‘ bestimmend sind, diese zur Voraussetzung haben, aber nicht umgekehrt. „Wir können daher aus zwei Gründen von einer konkreten Abstraktion sprechen. Einmal deshalb, weil das Monopol die einfachste Kategorie im Hinblick auf ein konkretes System, auf den Imperialismus, nicht aber für den Kapitalismus oder die Gesellschaft schlechthin ist. Zweitens, weil diese abstrakte Bestimmung in Relation zum System des Imperialismus zugleich eine konkrete Bestimmung ist, da sie den Reichtum der Bestimmungen des vormonopolistischen Kapitalismus in sich enthält.“ (Kumpf 1968, S. 94)

Das Monopol wird im weiteren Verlauf des Textes von Lenin nach seinen Charaktermerkmalen und Dynamiken entfaltet. Das Hauptmerkmal, das Wesen des Monopols wird als „Herrschaftsverhältnis“ identifiziert. Darunter fallen Eliminierung anderer Unternehmen, auch von Monopolen, Steigerung der Macht, (Neu-)Aufteilung der Welt, Verschärfung der nationalen Unterdrückung. Des Weiteren werden Widersprüche verschärft: höhere Vergesellschaftung der Produktion bei gleichzeitig steigender Tendenz zur privaten Aneignung, Verschärfung der Krisenhaftigkeit und Chaos in der Produktion bei gleichzeitiger Erhöhung der Plan-Notwendigkeit, Tendenz zur Stagnation und Fäulnis und gleichzeitig Übergang zu einer höheren Gesellschaftsordnung, und Entstehung der Arbeiteraristokratie in den imperialistischen Ländern bei Verschärfung der Ausbeutung anderer Nationen, um hier nur einige Aspekte zu nennen, die im Text entfaltet werden.


Analyse ‚Herrschaftsverhältnis‘

Der Sinnzusammenhang „Herrschaftsverhältnis“ wurde in Mengen- und Ortsangaben, Subjekt und Objekt der Herrschaft und verschiedene Herrschaftsweisen und -instrumente aufgeteilt. Das Subjekt der Herrschaft sind ökonomische und politische Entitäten, Konzerne, Trusts, Banken, das Finanzkapital und Staaten. Objekt der Herrschaft sind andere Unternehmungen, darunter auch Konzerne, sogar Monopole, Kolonien, Halbkolonien, auch nicht-abhängige Länder und zuallerletzt Menschen.

Quantitative Angaben im Sinnzusammenhang „Herrschaftsverhältnis“ bleiben konsistent durch die gesamte Schrift: auf der Seite der Subjekte der Herrschaft werden durchgehend wenige Herrschende, Unterdrückende etc. angegeben, auf der Seite des beherrschten Objekts durchgehend eine große Menge mit Zahlenangaben oder mit quantitativen Zuschreibungen der Menge, „viele“, „meisten“ usw. Häufig findet sich im Text eine Tendenzaussage mit „immer weniger“ oder „immer mehr“. Ortsangaben bezüglich der Subjekte der Herrschaft sind entweder eindeutige Ländernamen oder kontinentale Attribute wie z. B. „das europäische Kapital“ oder bezüglich der Objekte Kontinente, häufig Afrika und Asien.

Des Weiteren wurden alle Textstellen, die in irgendeiner Weise ein Synonym für ‚Herrschaft‘ darstellen bzw. als Akt der Beherrschung interpretiert werden können, herausgefiltert. Diese Synonyme sind folgende: (u.a. koloniale) Unterdrückung, finanzielle Erdrosselung, weltbeherrschende Räuber, Ausplünderung, Bemächtigung, Gewalt, Kontrolle (u.a. Kapital über Kapital), Ausbeutung, Unterwerfung, ‚an sich reißen‘, Abhängigkeit, Aufteilung, Eroberung zwecks Sicherung der eigenen Hegemonie, Untergrabung der Konkurrenten, ‚schalten und walten, wie sie wollen‘, Annexion, Verletzung der nationalen Unabhängigkeit.

Synthese von ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘

Bei der Synthese von ‚Monopol‘ und ‚Herrschaftsverhältnis‘ sind folgende Aspekte zu unterscheiden: Erstens Herrschaft als Wesen des Monopols oder Monopol als Herrschaftsverhältnis, zweitens die Herrschaftsweise, drittens die Herrschaftsinstrumente und viertens die Subjekte und Objekte der Herrschaft. Da in der Analyse des Monopolbegriffes klar wurde, dass im Begriff selbst die Bedeutung der Herrschaft über andere angelegt ist, wird auf diese Stellen oben verwiesen.

Die Herrschaftsweise des Monopols kulminiert in ökonomische Macht, jedoch ist sie nicht darauf beschränkt, vielmehr ist die Art und Weise der Herrschaft vor allem durch Gewaltherrschaft zu charakterisieren, wenn die dafür verwendeten Wörter zur Charakterisierung dieser Herrschaft betrachtet werden. Die Instrumente der Herrschaft sind vielseitig und durchdringen alle Ebenen der Gesellschaft. Für die heutige Debatte um die Frage der Identifizierung von imperialistischen Ländern oder um die Frage der ökonomischen Abhängigkeit, bzw. Eigenständigkeit (Souveränität) sind die Ausführungen zu den Instrumenten, die bei der Kontrolle von nationalen Monopolen durch internationales Finanzkapital zum Einsatz kommen, besonders interessant.21

Und schließlich fehlt es Lenins Ausführungen bei der Betrachtung der Herrschaftssubjekte und -objekte kaum an Eindeutigkeit. Lenin beschreibt sehr plastisch, wie nicht nur die eigene Arbeiterklasse oder überhaupt die Arbeiterklasse, sondern eben auch andere Monopole und Nationen, auch solche mit scheinbar eigenständiger Staatlichkeit, vom internationalen Finanzkapital unterworfen werden. Seine Zuspitzungen kulminieren in Aussagen, die die Unterdrückung der vielen / meisten Nationen, Ländern, Staaten der Welt durch eine kleine Gruppe von Staaten, die als Vertreter des zentralisierten Finanzkapitals auftreten, beschreiben.

Hierfür ein paar Zitate, die exemplarisch angeführt werden: „Das ist eine neue Stufe der Weltkonzentration des Kapitals und der Produktion, eine unvergleichlich höhere Stufe als die vorangegangenen. Wir wollen sehen, wie dieses Übermonopol heranwächst.“ (LW22, S. 250)

Und: „Der Imperialismus ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die überallhinden Drang nach Herrschaft und nicht nach Freiheit tragen. Reaktion auf der ganzen Linie, gleichviel unter welchem politischen System, äußerste Zuspitzung der Gegensätze auch auf diesem Gebiet – das ist das Ergebnis dieser Tendenzen. Insbesondere verschärfen sich auch die nationale Unterdrückung und der Drang nach Annexionen, d.h. nach Verletzung der nationalen Unabhängigkeit (denn Annexion ist ja nichts anderes als Verletzung der Selbstbestimmung der Nationen).“ (LW 22, S. 302/303)

Und: „Monopole, Oligarchie, das Streben nach Herrschaft statt nach Freiheit, die Ausbeutung einer immer größeren Anzahl kleiner oder schwacher Nationen durch ganz wenige reiche oder mächtige Nationen – all das erzeugte jene Merkmale des Imperialismus, die uns veranlassen, ihn als parasitären oder in Fäulnis begriffenen Kapitalismus zu bezeichnen.“ (LW 22, S. 305)

Die Logik der Imperialismusschrift

Lenin hatte explizit gemacht, dass er mit der Imperialismusschrift eine allgemein verständliche Schrift vorlegen wollte, die als Lektüre für den politischen Kampf geeignet war. Diese Funktion erfüllte die Schrift ohne Zweifel, nicht zuletzt im Kampf gegen revisionistische, faktisch pro-imperialistische Positionen innerhalb der Arbeiterbewegung. Aber ist die Imperialismusschrift nun ein theoretisches Werk oder nicht?

Die meisten würden zustimmen, dass das so ist, weil Lenin explizit Definitionen liefert, Zusammenhänge aufdeckt und nicht nur rein empirische Beobachtungen beschreibt. In diesem Sinne wurde und wird die Imperialismusschrift auch tatsächlich in der Bewegung behandelt. Häufig werden die Definitionen, die darin enthalten sind, herausgeholt und die darin aufgeführten Begriffe wie „Monopol“, „Finanzkapital“ und „faulender Kapitalismus“ als Marker für die Charakterisierung des imperialistischen Entwicklungsstadiums des Kapitalismus – richtigerweise – benannt. Und wer kennt es nicht: die fünf Merkmale werden auswendig gelernt.

Jedoch ist das nicht alles und leider ist auf dem mehr als hundertjährigen, steinigen Weg bis hierher seit Entstehung des Textes, quasi im Eifer des Kampfes um Sozialismus und gegen Imperialismus, einiges an Erkenntnis wieder verloren gegangen und es gilt, diese Erkenntnisse und Anstrengungen, die vor allem in den 50er und 60er Jahren gleistet wurden, wieder zu sammeln und der Bewegung zur Verfügung zu stellen. Zur Frage der logischen Struktur der Imperialismusschrift gibt es, das sei an dieser Stelle vorgemerkt, noch einiges zu tun.

Kurzum: Dass Lenin sehr bewusst eine bestimmte Textstruktur angelegt hat und sich etwas dabei gedacht hat und dass diese Struktur eine logische innere Bedeutung der Begriffe spiegelt und ihre Anordnung konsequent einer Begriffsentwicklung folgt, kann und soll hier als These vertreten werden. Warum ist das von Bedeutung und welche Rolle spielt das in der heutigen Debatte? Es spielt deshalb eine wichtige Rolle, weil die Begriffe, die in der Debatte benutzt werden, sehr unterschiedlich verwendet werden, entweder als Katalogisierungsmarker, so wie es verschiedene Erscheinungsformen des Dogmatismus verwenden oder als Begriffe, die das Wesen einer Erscheinung zum Ausdruck bringen. Letzteres, so hier die These, ist das nachweisbar richtige Verständnis. Diese These wird unter anderem gestützt auf die Arbeit von Fritz Kumpf, der wiederum seine Auseinandersetzung mit der Logik der Imperialismusschrift vor allem auf sowjetische Forscher der Zeit aufbaute.

Der Imperialismus, so Lenin, sollte als monopolistischer Kapitalismus verstanden werden, als Monopolkapitalismus. Monopol ist nicht als ein rein empirisches Phänomen und auch nicht als ein Überbegriff für verschiedenartige monopolistische Unternehmen zu verstehen, sondern als ein Begriff, der das Wesensmerkmal22 des Imperialismus zum Ausdruck bringt: Herrschaft! In ihm ist die gesetzmäßige und unaufhörliche Bewegung des Kapitals, nämlich Konzentration und Zentralisation, aufgehoben. Aus ihm leiten sich notwendigerweise, also gesetzmäßig, alle weiteren Erscheinungsformen und Tendenzen im Imperialismus ab: Industriemonopole, Bankmonopole, das Finanzkapital, die nationale Unterdrückung, die Arbeiteraristokratie und der unauflöslich mit ihr verbundene Opportunismus und der Fäulnischarakter. Alle diese Erscheinungsformen sind wesentlich Ausdruck von Herrschaft tendenziell immer weniger und immer zentralisierterer Monopole und ihrer Staaten gegenüber tendenziell immer größer werdendenTeilen der Welt. Das ist die Quintessenz des Begriffs23 Monopol, wie Kumpf sagt, der konkreten Abstraktion.

Die logische Struktur des Textes spiegelt genau diesen Inhalt: Lenin setzt Monopol an den Anfang und leitet alle (Erscheinungs-)Formen des Monopols ab. Dabei ist unübersehbar, dass Lenin, ohne den theoretischen Hintergrund explizit zu machen, eine Form logisch von der anderen ableitet. Jedoch haben wir es hier nicht mit einer formal-logischen Schlussfolgerung, sondern mit der dialektischen Logik, also einer Widerspruchslogik zu tun. So wie der Begriff des Monopols schon in sich den Widerspruch zwischen Vergesellschaftung und privater Aneignung in zugespitzter Weise beinhaltet, so entwickeln sich alle weiteren Erscheinungen aus diesem Widerspruch.24

Die Spannung bzw. auch Schwierigkeit ist dabei – und das ist es immer – die Gleichzeitigkeit der historischen Entwicklungsschritte und die logischen Entfaltungen miteinander zu versöhnen. Die Zick-Zack-Bewegungen der Geschichte verstellen den Blick für die sich durchsetzende dialektisch-logische Gesetzmäßigkeit. Hier kommt es sehr stark auf die Lesart an: liest man empirisch-historisch oder erkennt die gesetzmäßige dialektische Entwicklung, die im Text dargelegt ist. Die erste Lesart kann viele, teilweise sehr unterschiedliche Ergebnisse zeigen. Das wiederum ist logisch, denn Empirie und Geschichte im Sinne einer Beschreibung der Oberflächenphänomene kann relativiert, ergänzt und erweitert werden.

Die Imperialismusschrift wird gerade von den Neuinterpretationen, die oben beschrieben wurden, so verwendet – nämlich als eine historische Arbeit über eine konkrete historische Zeit. Bei dieser Lesart wird unterstellt, dass z. B. eine der wesentlichsten Aussagen der Imperialismusschrift, nämlich die Zuspitzung der Widersprüche zwischen den Unterdrückernationen und den unterdrückten Nationen als eine notwendige Erscheinung des Imperialismus nach den (wohlgemerkt ersten und unvollendeten) antikolonialen Befreiungskämpfen beendet wurde. Würden sie verstehen, dass Lenin sehr deutlich macht, dass das unter monopolistischem Kapitalismus unmöglich sei, weil das Phänomen der nationalen Unterdrückung zum Wesen des Monopolkapitalismus gehört, dann könnten sie diesen Fehler vermeiden. Natürlich wäre das auch möglich gewesen, wenn sie nur die Augen aufgemacht hätten oder wenn man die bürgerliche Presse als Feindespresse liest,– aber ich hatte ja vor, mit so wenig Polemik wie möglich auszukommen.

Zwecks Transparenz möchte ich hier noch aufzeigen, wie im Rahmen der Textanalyse die logische Struktur des Textes ersichtlich wurde und noch einmal bewusst angesehen werden konnte: Die erste Runde ermöglichte es, durch die zeitlich sehr zügige Sichtung des Textes als Gesamttext, den Blick für die Gesamtstruktur des Textes zu schärfen. Dabei ergab sich eine Frage, die zur weiteren Beschäftigung drängte. Zunächst einmal war die Absicht, die Textgesamtstruktur auf einer rein inhaltlichen Ebene kenntlich zu machen bzw. zu berücksichtigen. Das sollte veranschaulichen, welche Themen der Text im Zusammenhang, oder besser gesagt in einem Zusammenhang, umfasst und dass man z. B. Aussagen über die „Beherrschung von Kolonien und Halbkolonien“ nicht trennen kann von der „Beherrschung der Welt durch das Finanzkapital“ und diese wiederum nicht von der „Monopolisierung als Wesen des Imperialismus“. Dieser Zusammenhang war als Ergebnis der ersten Runde durch die innere Verknüpfung der einzelnen Kapitel bzw. Aussagen des Textes erkennbar.

Während der Reflexion über diesen Struktur- und Inhaltszusammenhang, stellte sich die Frage, warum der Text mit der Betrachtung des Monopols beginnt. Offensichtlich beinhalteten die nächstfolgenden Kapitel eine Kontinuität in der Beschreibung des „Monopolcharakters“, nur bezogen auf je verschiedene Erscheinungsformen, z. B. Banken, Finanzkapital, imperialistische Staaten, aber auch schienen die zwei wesentlichen Widersprüche am ‘Monopol‘begriff festgemacht zu werden. Das Monopol gerät in einen Widerspruch zu dem Umfeld, aus dem es entstanden ist und beinhaltet und verschärft den Widerspruch zwischen Vergesellschaftung der Produktion auf der einen und privater Aneignung der Produktionsmittel und produzierten Güter auf der anderen Seite. (LW, S. 209 ff)

Die Frage danach, ob es eine tiefere Bedeutung bzw. eine Implikation hat, dass der Text mit dem „Monopol“ beginnt, wurde durch diese Beobachtungen eher verschärft, nicht beantwortet. Es schien zu vieles einer theoretischen Begründung zu widersprechen: das erste Kapitel „Konzentration der Produktion und Monopole“ ist auf den ersten Blick sehr empirisch und historisch. Außerdem gibt es Textstellen, die darauf hindeuten, dass die nächstbehandelten Phänomene wie ‚Banken‘ und ‚Finanzkapital‘ ‚das Monopol‘ hervorgebracht haben. Hier ist ein Hinweis auf die Gleichzeitigkeit der Darstellung historisch-konkreter Entwicklung einerseits und andererseits die logisch-dialektische Entwicklung zu erkennen. Einerseits also wie sich die Monopolisierung aufgrund der konkret vor sich gehenden Konzentration und Zentralisation des Kapitals in der vormonopolistischen Zeit entwickelte und dass für diese Entwicklung Banken und auch die Entstehung der Verschmelzung von Bank- und Industriekapital relevant waren. Erst aber nach einem bestimmten quantitativen Grad dieser Entwicklung, das ‚System‘ in eine andere Qualität umschlägt, nämlich den monopolistischen Kapitalismus. Dass Lenin das Monopol als Wesen des Imperialismus ausmacht, deutete darauf hin, dass die Auswahl des Anfangs der Darstellung – analog auch bei Marx mit der Ware – nicht zufällig und ebenso nicht einfach nur historisch-konkret gemeint sei.

Für die Beantwortung der Frage nach der begrifflichen Einordnung des Monopols wurde – entgegen dem ursprünglichen Plan – doch zur Sekundärliteratur gegriffen. Dankenswerterweise ging diese Lektüre auf einen Hinweis von Arnold Schölzel zurück, der bei einer Veranstaltung auf dieses Buch hinwies. Fritz Kumpf hatte eine Studie zur dialektischen Logik der Imperialismusschrift von Lenin vorgelegt, die seinerzeit mäßig in marxistischen Kreisen beachtet wurde.

Das Heranziehen von Kumpfs Arbeit stellte sich als sehr produktiv heraus, denn er beschäftigt sich genau mit dieser Fragestellung. Er fragt nach dem Ausgangspunkt der Untersuchung bei Lenin. „Das Monopol bedarf für sein Verständnis keiner weiteren Kategorie, die der Erfassung des Begriffes Imperialismus angehört. Das zeigt sich schon äußerlich in der Tatsache, daß Lenin bei der Analyse des Monopols an keiner Stelle genötigt war, auf Kategorien und Begriffe und damit auch auf die von ihnen erfaßten Sachverhalte zurückzugreifen, die erst später entwickelt werden.“ (Hervorhebung KB; Kumpf 1968, S. 93)

Alle weiteren „Momente“, die in der Imperialismusschrift behandelt werden, werden durch das Monopol bestimmt. Noch einmal zur Bedeutung der Tiefenstruktur der Imperialismusschrift für die Imperialismusdebatte. Es gibt in der Debatte zwei einander diametral gegenüber stehende Positionen: die Neuinterpretation behauptet, dass das imperialistische Stadium vor allem durch Monopolisierung im Sinne des Vorhandenseins von Monopolen, also empirisch existierenden großen Konzernen, alle Länder der Welt erfasst habe und somit die gesamte Welt, also alle Nationen der Erde ausnahmslos im imperialistischen Stadium angekommen seien, de facto also kein Land der Welt mehr eine unterdrückte Nationen sein kann oder, wie es gerne heißt, nicht einseitig abhängig, sondern die Nationen in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. Sie verstehen Monopolisierung oder Monopol als Wesen des Imperialismus in dem Sinne, dass das empirische Phänomen Monopol überall existiert bzw. in irgendeiner Weise auffindbar ist.

Es wird jedoch eingeräumt, dass es unterschiedliche Stärken gibt, also die einen Monopole zeitweise stärker als die anderen sind. Durch das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung komme es aber zu einer ständigen Veränderung in der Machtstellung. Das Bild, das wir hier vom imperialistischen Stadium des Kapitalismus erhalten ist mehr oder minder ein Bild der weltweiten Konkurrenz zwischen verschiedenen wesentlich gleichen Akteuren, nämlich Monopolkapitalisten.

Die andere Lesart der Imperialismusschrift versteht Monopol als Charakterisierung, als Wesenszug des Imperialismus in dem Sinne, dass der Kapitalismus mit seinem monopolistischen Stadium ein Stadium erreicht hat, in dem die Herrschaft mono-pol-isiert wird. Lenin wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass es einen Unterschied gibt zwischen den Oberflächenphänomenen und der sich durchsetzenden Wesenseigenschaft des Monopols. Es gibt weiterhin viele Kleinunternehmen, Großkonzerne, Monopole sogar in einer oder vielen Branchen, aber das ist nur die Oberfläche: in Wahrheit hat das konzentrierte und zentralisierte Finanzkapital durch ein Netz von Herrschaftsinstrumenten die Kontrolle über alle diese äußerlich völlig unabhängigen oder teil-abhängigen Akteure. Dieser Prozess ist nicht mehr umkehrbar, weil die Konzentration und Zentralisation des Kapitals auf immer höherer Stufenleiter vor sich geht und die Monopolisierung, also auch Vereinseitigung der Herrschaft, die Unterwerfung immer größerer Teile, inklusive anderer einzelner Monopole und Länder der Welt zur Folge hat.

Dabei ist für viele die Schwierigkeit hier erstens zu verstehen, was eine Begriffsbestimmung ist, aber auch was sie nicht ist. Was ist damit gemeint? Ich denke, dass die Herausforderung des Verständnisses von Begriff ist, dass es nie eins-zu-eins in der Realität auffindbar ist und eben deshalb eine Abstraktion darstellt, jedoch viel genauer und schärfer das Wesen der Sache beschreibt und entsprechend auch das Konkrete wesentlich richtiger erfasst als eine unendliche oberflächliche Beschreibung es je könnte. Zweitens ist es sehr schwierig nicht statisch zu denken. Die Vorstellung, dass ein Begriff eine Tendenz, eine Bewegung, einen Charakterzug darstellt und eben nicht wie ein Abbild, eine Fotografie eines Phänomens ist, fällt sehr schwer. Wenn der Begriff Monopol Einseitigkeit oder Alleinherrschaft bedeutet bzw. beinhaltet, dann ist in der Realität nie nur einer gemeint. Der Begriff drückt eine Richtung, eine Tendenz, ein Bewegungsgesetz aus – und ist kein statischer Ausdruck.

Gegenprobe I: „Unterdrückende und unterdrückte Länder“ oder „gegenseitige Abhängigkeit“?

Ein Argument, das der hier vertretenen Auffassung widerspricht, beinhaltet die These, dass mit dem Ende des Kolonialismus, die durch die nationalen Befreiungskämpfe erwirkt wurde25 nun das gesamte Weltsystem, alle Länder der Welt mit Ausnahme einiger weniger Kolonien wie Palästina und Westsahara, die Stufe des Monopolkapitalismus erreicht hätten und man deshalb nicht mehr von unterdrückenden und unterdrückten Ländern sprechen könne. Diese These steht in klarem Widerspruch zu Lenins Imperialismusschrift. Wenn man die Imperialismusschrift auf eine historische Beschreibung der Zeit, in der sie geschrieben wurde, reduziert, kann diese These als eine Ergänzung der Leninschen Imperialismusschrift verstanden werden. Ergänzung meint hier eine historische Ergänzung, also in dem Sinne, dass Lenin eine bestimmte historische Zeit beschreibt und dann für die Zeit, die Lenin nicht mehr erfassen konnte, etwas hinzugefügt wird. Das ist möglicherweise die Eigeninterpretation der Vertreter einer Sicht auf den Imperialismus als ein System gegenseitiger Abhängigkeiten. Eine solche Lesart unterstellt aber, dass die Aussagen über das Herrschaftsverhältnis keine grundsätzlichen und allgemeinen Aussagen zur Epoche des Imperialismus, des Monopolkapitalismus darstellen. Eine Reihe von Aussagen in der Imperialismusschrift weisen aber darauf hin, dass eine solche Lesart nicht dem Charakter der Imperialismustheorie gerecht wird.

Das ist deshalb so, weil Lenin sehr klare Aussagen über die unvermeidlichen Tendenzen in der imperialistischen Epoche zur Verstärkung der nationalen Frage macht. Das, was oben als das Wesen des Imperialismus, nämlich das Monopol als Herrschaftsverhältnis ausgeführt wurde, bestimmt die Tendenz zur weiteren Verschärfung der Unterwerfung großer Teile der Erde, das meint Nationen, Länder, aber auch die Bevölkerung, unter das Diktat des Finanzkapitals. Lenin weist in seiner Schrift mit Bezug auf Hilferding darauf hin, dass die Entwicklung dahin gehen muss, dass die unterdrückten Nationen gerade durch ihre kapitalistische Entwicklung den Unterdrückerländern den Garaus machen (LW 22, S. 303).

An dieser Stelle sei nur beispielhaft auf folgende Stelle im Text verwiesen: „Mit Recht hebt Hilferding den Zusammenhang des Imperialismus mit der Verschärfung der nationalen Unterdrückung hervor: ‚In den neu erschlossenen Ländern selbst aber‘, schreibt er, ‚steigert der importierte Kapitalismus die Gegensätze und erregt den immer wachsenden Widerstand der zu nationalem Bewußtsein erwachenden Völker gegen die Eindringlinge, der sich leicht zu gefährlichen Maßnahmen gegen das Fremdkapital steigern kann. Die alten sozialen Verhältnisse werden völlig revolutioniert, die agrarische, tausendjährige Gebundenheit der ‚geschichtslosen Nationen‘ gesprengt, diese selbst in den kapitalistischen Strudel hineingezogen. Der Kapitalismus selbst gibt den Unterworfenen allmählich die Mittel und Wege zu ihrer Befreiung. Das Ziel, das einst das höchste der europäischen Nationen war, die Herstellung des nationalen Einheitsstaates als Mittel der ökonomischen und kulturellen Freiheit, wird auch zu dem ihren. Diese Unabhängigkeitsbewegung bedroht das europäische Kapital gerade in seinen wertvollsten und aussichtsreichsten Ausbeutungsgebieten, und immer mehr kann es seine Herrschaft nur durch stete Vermehrung seiner Machtmittel erhalten.‘“ (LW 22, S. 302/303)

Das heißt nichts anderes, als dass die unterdrückten Nationen, unter anderem auch und gerade durch die kapitalistische Entwicklung, den Unterdrückernationen ihre Unterwerfung erschweren. Konkret bedeutet es z. B., dass sie den Anspruch erheben, selbst über ihre Ressourcen zu bestimmen, die Handelswege zu kontrollieren etc. Das wiederum lässt die Unterdrückerländer nicht gleichgültig, vielmehr werden sie ihre Machtmittel, vor allem Gewaltmittel, vermehren und die unterdrückten Nationen mit Krieg, Zerstörung und Besatzung dazu zwingen, ihre Bedingungen weiterhin zu befolgen. Wie blind muss man sein, um nicht zu sehen, dass sich genau das in den letzten Jahrzehnten in immer heftigeren Formen vor unseren Augen abspielt.26

Dieser Aspekt wurde hier herausgegriffen, um auf eine bestimmte Seite der Textanalyse hinzuweisen, die sich mit der Frage nach den im Text beschriebenen Tendenzen im Imperialismus beschäftigt. Die Untersuchungen zu weiteren Tendenzen finden sich weiter unten. Die Frage danach, ob Lenin unterstellt, dass es im Laufe der Entwicklung des Kapitalismus in seiner imperialistischen Epoche zu mehr oder weniger nationaler Unterdrückung kommen wird, kann eindeutig beantwortet werden: Lenin geht von einer Ausweitung und Verschärfung der nationalen Unterdrückung aus. Wer also heute behauptet, dass im heutigen Imperialismus nicht mehr von „unterdrückenden und unterdrückten Nationen“ gesprochen werden kann, muss offen aussprechen, dass es eine falsche Diagnose von Lenin war, dies zu behaupten und dann im nächsten Schritt die Leninschen Aussagen widerlegen. Hier sei nur angemerkt, dass die faktische Entwicklung der Welt aus meiner Sicht die Leninschen Aussagen mehr als bestätigt hat. Wer ernsthaft behauptet, dass nach den nationalen Befreiungskämpfen vor allem in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die Unterdrückung der Nationen beendet wurde, der muss sich nicht wundern, wenn ihm angesichts der Hülle und Fülle historischer und gegenwärtiger Gegenbeweise vorgeworfen wird, ein Apologet des Imperialismus zu sein.

In der Argumentation wird häufig der Ausdruck der „gegenseitigen Abhängigkeit“ verwendet, um gegen die Vorstellung zu argumentieren, dass es einseitige Abhängigkeitsverhältnisse gibt. Um auch diesem Argument zu begegnen, wurde die Imperialismusschrift speziell danach untersucht27, ob es Hinweise auf ein solches Verständnis geben kann. Dabei wurde – entsprechend der Methode der Gegenprobe – darauf geachtet, wohlwollend diese Position wiederzufinden.

Unter den neunzehn expliziten Textstellen wurden zwei gefunden, die eine solche Lesart vorstellbar machen. An einer Stelle geht es um Portugal als einen politischen eigenständigen Akteur, der ja sogar noch Kolonien besaß. Hier geht es darum, dass England Portugal samt seines Kolonialbesitzes verteidigte und dafür als Gegenleistung Privilegien hinsichtlich der Handelswege etc. von Portugal bekam. Lenin fügt dieser Beschreibung folgendes hinzu: „Derartige Beziehungen zwischen einzelnen großen und kleinen Staaten hat es immer gegeben, aber in der Epoche des kapitalistischen Imperialismus werden sie zum allgemeinen System, bilden sie einen Teil der Gesamtheit der Beziehungen bei der ‚Aufteilung der Welt‘ und verwandeln sich in Kettenglieder der Operationen des Weltfinanzkapitals.“ (LW 22, S. 268)

Diese Textpassage kann dazu verleiten, daraus eine Aussage zu konstruieren, die im Kern besagt, dass in der imperialistischen Epoche „derartige Beziehungen“, im Sinne von Beziehungen gegenseitiger Abhängigkeit zum „allgemeinen System“ werden. Eine solche Lesart ist aber nur möglich, wenn der Kontext – und damit ist nicht der ganz große Kontext i. S. der gesamten Imperialismusschrift gemeint – unbeachtet bleibt. Dieser Punkt wird von Lenin eingeleitet, um verschiedene Formen der Abhängigkeit zu beschreiben. Er möchte Missverständnissen bezüglich seiner wiederholten Formulierung „Kolonialpolitik“ vorbeugen und klarmachen, dass es sich bei der Abhängigkeit und Unterwerfung, kurz Beherrschung, eben nicht nur um Kolonien handelt.

Er schreibt: „Spricht man von der Kolonialpolitik in der Epoche des kapitalistischen Imperialismus, dann muß bemerkt werden, daß das Finanzkapital und die ihm entsprechende internationale Politik, die auf einen Kampf der Großmächte um die ökonomische und politische Aufteilung der Welt hinausläuft, eine ganze Reihe von Übergangsformen der staatlichen Abhängigkeit schaffen. Typisch für diese Epoche sind nicht nur die beiden Hauptgruppen von Ländern – die Kolonien besitzenden und die Kolonien selber -, sondern auch die verschiedenartigen Formen der abhängigen Länder, die politisch, formal selbständig, in Wirklichkeit aber in ein Netz finanzieller und diplomatischer Abhängigkeit verstrickt sind.“ (LW 22, S. 267)

In Wirklichkeit sind also diese Länder, um die es hier geht, abhängig und zwar einseitig. Argentinien und Portugal werden jeweils als sehr unterschiedliche Beispiele angeführt. Lenin geht es also darum, die Bandbreite der Möglichkeiten hinsichtlich der unterschiedlichsten Formen der Abhängigkeit darzulegen, um genau dem falschen Verständnis vorzubeugen, dem die Apologeten bis heute erlegen sind.

Aber schon aus dem obigen Zitat solche Schlussfolgerungen zu ziehen28, zeugt von einem sehr begrenzten Lesevermögen. Denn schon dort werden diese Länder mit formaler Selbständigkeit als „Kettenglieder der Operationen des Weltfinanzkapitals“ bezeichnet. Sie sind nicht Kettenglieder des Weltfinanzkapitals, sondern Kettenglieder der Operationen, also Mittel zum Zweck der „Aufteilung der Welt“.

Zugegebenermaßen ist die zweite Textstelle29 wahrscheinlich keine Stütze für die ‚gegenseitige Abhängigkeit‘, aber da nach der hier angewandten Methode, diese potenziell infrage käme, wird sie kurz erwähnt. Dabei geht es um ein Zitat von Hobson, bei dem es eigentlich um die Abhängigkeit bestimmter Industriezweige von staatlichen Aufträgen geht. Aber auch darum, dass die „alten Imperien“ durch zwei Faktoren geschwächt werden: erstens durch ökonomischen Parasitismus und zweitens durch den Einsatz von Kolonialsoldaten. Der zweite Faktor könnte als ein Beispiel für gegenseitige Abhängigkeit genommen werden, aber nur dann, wenn man das Wort ‚abhängig‘ hier rein technisch verwendet. Ob das so ist oder nicht, überlasse ich dem Urteilsvermögen der Leser. Ganz so weit hergeholt scheint es mir jedoch nicht, zu unterstellen, dass eine solche Textstelle so gelesen werden könnte.

Denn heute wird argumentiert, dass der Imperialismus deshalb ein System gegenseitiger Abhängigkeit wäre, weil die einen von den Rohstoffen der anderen ‚abhängig‘ wären. Der Sinn des Wortes ‚Abhängigkeit‘ wird also genau so gelesen, wie ich es als ‚technisch‘ bezeichnet habe. Mit ‚technisch‘ meine ich, dass jede Art von vermeintlicher Wertung, die auf Herrschaft oder Unterdrückung hinweisen könnte, ausgeblendet wird. So wie z. B. eine Pflanze von Wasser abhängig ist. Man könnte auch sagen, dass der Sinn des Wortes ‚Abhängigkeit‘ ganz neutral gelesen wird, weil man ja nicht von „unterdrückenden und unterdrückten Nationen“ sprechen möchte. Dass aber neutrales Lesen in einer Klassengesellschaft kaum möglich ist, wurde oben schon ausgeführt. Im Sinne welcher Klasse Neutralität‘ letztlich umschlagen muss, bleibt dem Urteil des Lesers selbst überlassen.

Gegenprobe II: „Ungleichmäßige Entwicklung“

Einer der Bezugspunkte für die These der neu aufsteigenden imperialistischen Mächte wie Russland und China, ist das Gesetz der Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwicklung30. Bevor hier auf die Ergebnisse der Textanalyse eingegangen wird, ganz kurz ein paar Worte zu diesem Gesetz. Lenin formulierte diesen Gedanken, um der falschen Vorstellung, es könne zwecks Einigung und Frieden zwischen den europäischen Großmächten, die Vereinigten Staaten von Europa gefordert werden. Der Hauptgedanke dabei ist, dass die Krisenhaftigkeit einerseits und der technologische Fortschritt andererseits, aber auch andere besondere politische und sonstige Bedingungen dazu führen, dass sich kapitalistische Länder unterschiedlich schnell, ja sprunghaft entwickeln oder schwere Niederlagen erleiden. ‚Gestörte Gleichgewichte‘ wie z. B. zwischen stagnierenden alten und mächtigen Ökonomien und neuen aufstrebenden kapitalistischen Mächten, würden nur durch zwei verschiedene Faktoren wieder ausgeglichen werden, entweder durch Krisen oder durch Kriege.

So weit so gut, möchte man meinen. Eine Welt, in der es auch ohne Krisen und Kriege möglich ist, zum Imperialisten aufzusteigen und als Imperialist jederzeit abzusteigen, für den einen oder anderen ist es sogar möglich gleichzeitig oben und unten zu sein31. Polemik beiseite: dass das oben genannte Gesetz seine Gültigkeit besitzt, ist offensichtlich, wenn man sich die Geschichte der letzten 100 plus x Jahre anschaut. Das Verhältnis zwischen den imperialistischen Ländern ist durch ihre ungleichmäßige Entwicklung stark verändert. Auch hat der Kapitalismus in einigen der nicht-imperialistischen Länder Einzug erhalten und hat sich enorm entwickelt. Auch diese Länder entwickeln sich ungleichmäßig.

Wo also liegt der Dissens? Dieser liegt schlicht darin, ob Nationen und ihre Ökonomien, die unterdrückt werden und abhängig sind, rein durch ihre ökonomische Entwicklung den Sprung zum Imperialisten, oder sagen wir angemessenerweise Unterdrücker, schaffen können. Dies wird behauptet, und zwar nicht nur in Bezug auf einzelne große Länder wie China oder die Russische Föderation, sondern in Bezug auf alle Länder der Welt. Außerdem liegt der Dissens noch tiefer: es ist etwas anderes zu behaupten, dass Länder eine kapitalistische Entwicklung durchmachen und dabei sogar recht gut abschneiden und zu sagen, dass sie zu imperialistischen Ländern werden.

Überhaupt ist die Vorstellung, dass es in der Epoche des Imperialismus eine Entwicklung im gleichen Sinne – ohne Widerstand und nationale Befreiung oder ohne Kampf um nationale Souveränität – geben kann wie zu Zeiten des Konkurrenzkapitalismus, – eine Zeit in der z. B. Deutschland sich sprunghaft entwickelte. Denn wie wir oben gesehen haben, muss eine solche kapitalistische Entwicklung unter imperialistischen Bedingungen stattfinden. Anstatt sich aber diese imperialistischen Bedingungen genau anzuschauen, z. B. die Netze des „Weltfinanzkapitals“ und das Monopol auf Ebenen der Einflusssphären etc. pp., wird einfach die Tatsache, dass es in einem Land ‚große Banken‘ gibt, als Beleg für den imperialistischen Charakter genommen. Die Aufgabenstellung wäre, wenn man denn überhaupt die Leninsche Methode richtig findet, zu schauen, ob diese Bank von anderen Banken und vom internationalen Finanzkapital durchdrungen wird oder grundsätzlicher in welchem Verhältnis diese zueinander stehen.

Die Textanalyse wurde hier zum Zwecke der Gegenprobe durchgeführt, um herauszufinden, ob es Textstellen gibt, die eine Lesart in dem Sinne zulassen, dass es in der imperialistischen Epoche zu dauerhaften und / oder sprunghaften32 Entwicklungen von nicht-imperialistischen Ländern zu imperialistischen Ländern kommen kann. Zu diesem Zweck wurde der Text nicht nur anhand des Stichwortes „ungleichmäßig“ in Verbindung mit den Stichwörtern „Entwicklung“ und „Gesetz“ untersucht, sondern auch nach ähnlich gelagerten Bedeutungssphären, die beispielsweise Hinweise auf unterschiedliche Geschwindigkeiten in der Entwicklung, oder auf Machtverschiebungen geben. Es wurden auch unterschiedliche Bezüge untersucht, um zu prüfen, ob sich die Entwicklung auf Industriezweige, Länder, oder anderes bezieht.

Außerdem wurde der Kontext der Aussagen untersucht. Erstens: um was geht es dem Autor in dem Textabschnitt, was möchte er erläutern, warum ist die Frage der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung in diesem Kontext wichtig. Zweitens: um welchen historischen Kontext handelt es sich, vor allem um welche Entwicklungsstufe des Kapitalismus.

Folgendes Ergebnis kann vorerst festgehalten werden: Hinweise auf Gesetzmäßigkeiten werden vor allem durch das Wort „unvermeidlich“ gegeben. In einer anderen Schrift33 ist die Rede davon, dass die „Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwicklung (…) ein unbedingtes Gesetz des Kapitalismus“ ist. Die Ungleichmäßigkeit selbst wird vor allem auf zwei verschiedene Weisen benutzt. Auf der einen Seite in Bezug auf die ungleichmäßige Verteilung (insbesondere des Kolonialbesitzes) zwischen den imperialistischen Ländern, auf der anderen Seite in Bezug auf die ungleichmäßige Geschwindigkeit und Qualität der (Produktivkraft-)Entwicklung sowohl unter den kapitalistischen, aber auch unter den nicht nur kapitalistischen, sondern auch imperialistischen Staaten. Es geht also entweder um die Frage der Entwicklung imperialistischer Länder und die Machtverschiebungen zwischen ihnen, anders gesagt um zwischenimperialistische Widersprüche oder um die Frage danach, wann und wie es gelingt, sich durch ungleichmäßige Entwicklung der Produktivkräfte in den verschiedenen Ländern (auch in einem unterjochten Land) vom Imperialismus zu befreien, insbesondere durch sozialistische Revolutionen.

Darüber, dass es im Imperialismus notwendig zu imperialistischen Kriegen um die Neuverteilung kommen muss und als eine der Ursachen die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung angeführt wird, kann es keinen Dissens geben. Wenn es jedoch, um die Begründung von veränderten Machtkonstellationen (Auf- und Abstieg in der so genannten „Pyramide“ oder Entstehung neuer imperialistischer „Pole“) geht34, müsste zunächst nachgewiesen werden, wie sich Machtverschiebungen ergeben haben und wie diese heute aussehen. Das kann nicht durch Auflistung von BIP-Zahlen35 und isolierten Betrachtungsweisen, sondern durch die Untersuchung eines Verhältnisses nachgewiesen werden. Außerdem müsste gezeigt werden, wie diese neuen Machtkonstellationen entstanden sind, wenn nicht durch Krisen oder durch „Gewalt“, also z. B. Krieg.

Die Aufteilung der Welt, so beschreibt es Lenin, geschieht nach Kapital und Macht. (LW 22, S. 257) Diese Verteilung verändert sich und ob diese nun ökonomische Verschiebungen sind oder durch militärische Mittel gelöst werden müssen, ist eine konkrete Frage. An dieser konkreten Stelle beschäftigt sich Lenin mit den falschen Vorstellungen von Kautsky und anderen bürgerlichen Denkern, die davon ausgehen, dass die Monopolisierung zu mehr Frieden führen kann, weil dann alles schon in einer Hand ist. Lenin geht es an dieser Stelle darum, den weiterhin bestehenden Kampf zwischen den Monopolkapitalisten, um die Aufteilung der Welt zu erklären. In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass sich die Macht verschieben kann. Der Punkt ist, dass diese Verschiebung sich anhand von Kapital und Macht konkret zeigen lassen muss.

Eine Entwicklung, die einen Machtwechsel und nicht nur eine Machtverschiebung sein soll, aber nicht gewaltsam vor sich geht, kann nicht auf Lenins Aussagen gestützt werden. Zur Veranschaulichung sei am Beispiel Chinas erklärt, dass es nicht ausreicht zu sagen, dass es das unbedingte Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung gäbe und deshalb auch China jetzt im Club der Räuber sei. Stattdessen müsste die konkrete Verflechtung der chinesischen Monopole mit dem internationalen Kapital nachgewiesen werden, um zu zeigen, dass es sich hier um weltbeherrschende Monopole handelt und nicht einfach um ein bestimmtes Marktsegment (Konsumindustrie, Landwirtschaft, Rohstoffe…) an der Spitze der Produzenten.

Dieser Teil der Textanalyse ist wenig ertragreich. Denn die Argumentation, auf die sich hier bezogen wird, nimmt zwar das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung als Stütze für die eigene Position, aber bezieht nur die Aspekte ein, die für ihre Argumentation nützlich sind, nämlich die Tatsache, dass es eine ungleichmäßige Entwicklung gibt und diese zur Veränderung von Machtkonstellationen führt. Wie aber diese Veränderungen von statten gehen, wie die Gegenkräfte sind und unter welchen Bedingungen solche Veränderungen denkbar sind und – nicht weniger wichtig – wie die Veränderungen im Verhältnis zum internationalen Machtgefüge zu bewerten sind, alle diese Fragen bleiben unbeachtet und unbeantwortet.

Gegenprobe III: Entwicklungstendenzen in der imperialistischen Epoche des Kapitalismus – und die Gegenkräfte

Aussagen, die in irgendeiner Weise Tendenzen beschreiben wurden in die Gegenprobe aufgenommen um feststellen zu können, ob Lenin Aussagen über die Entwicklungstendenzen des Imperialismus macht, die möglicherweise so verstanden werden können, wie die Neuinterpretationen nahelegen, also z. B. in die Richtung eher gegenseitiger statt einseitiger Abhängigkeit oder in Richtung weniger nationaler Unterdrückung. Tatsächlich muss festgestellt werden, dass Lenin Tendenzen eher zur Verschärfung dieser Verhältnisse beschreibt und nicht mögliche Einebnungen der Verhältnisse und auch keine gegenläufigen Tendenzen, außer wenn es um die Krisen und um den Kampf für Sozialismus geht.

Folgende explizite Aussagen, die etwas über Tendenzen im imperialistischen Stadium des Kapitalismus aussagen, konnten ausfindig gemacht werden. Hier mit einer Auswahl von Belegstellen:

  • Tendenz zur Verschärfung des Widerspruchs zwischen Vergesellschaftung der Produktion und Aneignung durch immer weniger private ‚Hände‘ (S. 209/210)
  • Verstärkung und Beschleunigung der Kapitalkonzentration durch Bankmonopole (S. 218) und Entstehung des Finanzkapitals
  • Tendenzielle Zuspitzung der innerimperialistischen Widersprüche: z. B. durch den (tendenziell) verschärften Kampf um Rohstoffe (z. B. S. 265) und tendenzielle Konzentration der Macht in immer weniger Hände (S. 276)
  • Tendenzielle Verschärfung der nationalen Unterdrückung (S. 302/303; S. 305)
  • Tendenz zur Fäulnis (S. 280/281; S. 305)

Die Auseinandersetzung mit der Frage der Tendenzen ist durchaus ergiebig, kann aber im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht ausgeweitet werden. Diese sollte als eigene Fragestellung aufgenommen und bearbeitet werden. Dabei sollte es um die Frage der Bewegungsgesetze des Imperialismus und um ihre unvermeidliche Richtung gehen, die eben nur durch den Krieg oder durch Sozialismus negiert werden kann.

Ausblick

Die erste Feststellung dieses bescheidenen Aufschlages ist, dass diese Arbeit nicht mehr als nur ein Aufschlag sein kann. Der Versuch mit dem Instrument der Textanalyse bestimmte Fragen an den Text schärfer zu beantworten, war insofern befriedigend, weil er erstens eine gewisse Bestätigung der eigenen Annahmen bezüglich Lenins Aussagen als Ergebnis hatte. Zweitens aber, und das ist viel wichtiger: diese Art Beschäftigung mit dem Text hat – zumindest meinen – Horizont für einige weitere Fragen eröffnet. Wie verhält es sich mit der dialektischen Logik in Lenins Imperialismusschrift? Warum findet sich zu dieser Frage nur sehr wenig auf deutscher Sprache? In der Sowjetunion gab es zwar eine ähnliche Arbeit zum ‚Kapital‘ von Karl Marx36, jedoch keine intensive Auseinandersetzung damit.

Überhaupt ist die Frage, ob eine solche Auseinandersetzung mit der Frage der Methode und dem tieferen Verständnis der Grundlagen für die Untersuchung der Wirklichkeit zu unterschätzen ist und inwiefern die Bewegung heute das entsprechende Werkzeug besitzt, um diese Arbeit fortzusetzen. Hier gibt es offensichtlich noch viel zu tun.

Fest steht jedenfalls, dass diese Analyse nur sehr begrenzt war und sein konnte. Jetzt nach der Ausformulierung des (Zwischen-)Standes, bleibt das Gefühl, dass die Arbeit noch nicht beendet ist, sondern erst begonnen hat.

Zum Beispiel wäre es sehr wichtig die Gesamtstruktur noch einmal genauer zu analysieren und dessen Implikationen besser zu verstehen. Die Entfaltung des Begriffs des Monopols als eine konkrete Abstraktion sollte auch genauer analysiert werden, und zwar mit Beachtung der Frage, welche Rolle die Darstellungsweise spielt. Um die Darstellung besser zu verstehen, wäre eine Veranschaulichung der verschiedenen Ebenen sehr hilfreich.

Außerdem wurde die Widerspruchslogik im Laufe der Arbeit immer deutlicher. Offensichtlich ist auch die in der politischen Praxis notwendige Auseinandersetzung gerade mit diesen Widersprüchen, wie z. B. mit den Widersprüchen nationale Befreiung und Imperialismus bzw. Arbeiterklasseund Imperialismus. Lenin selbst hatte sich hiermit schon auseinandersetzen müssen und wir haben heute die Aufgabe, uns diese Erfahrungen anzueignen, um die laufenden Kämpfe, unter wohlweislich anderen Bedingungen (Niederlage des Sozialismus, Veränderungen im imperialistischen Lager, aber auch vor sich gehende Befreiungsbewegungen…) erst zu verstehen, um uns dann involvieren zu können.

Dies sind nur Hinweise auf mögliche weitere Arbeiten. Was die politische Dimension der Arbeit angeht, ist folgendes zu sagen: eigentlich hätte es vielleicht für die Widerlegung der offensichtlich falschen Referenzen auf Lenin keine Textanalyse gebraucht. Jedoch ist es für die Diskussion erst einmal hilfreich, denn es kann jetzt zumindest mit Sicherheit gesagt werden, dass hier Scharlatanerie im Spiel ist, wenn sich heute Apologeten des Imperialismus zwecks Einebnung der Herrschaftsverhältnisse auf Lenin beziehen und im schlimmsten Falle dabei ihrem eigenen imperialistischen Land einen Dienst erweisen.

Kam inmitten des Ersten Weltkrieges den Kommunisten die Aufgabe zu nachzuweisen, dass es sich bei diesem Krieg um einen allseitig imperialistischen Krieg handelte, so kommt es heute darauf an, nachzuweisen, dass es heute um die Unterwerfung von Ländern und Regionen geht, die sich den Fesseln des Imperialismus zu entwinden versuchen. Hier ist der Widerspruch zwischen imperialistischer Erdrosselung und nationaler Befreiung auf der Tagesordnung und das haben Lenin und Hilferding richtig vorausgesehen37.

Völlig zu ignorieren, dass ein Land wie die Russische Föderation nach dem Kollaps und der Niederlage der Sowjetunion (SU), sofort zur vogelfreien Beute der imperialistischen Mächte wurde und werden musste – das ist die Voraussetzung dafür, dass man die weitere Entwicklung nicht auf Grundlage dieser Voraussetzung, dieser Bedingungen versteht, sondern weiterhin blind und borniert von den verbrecherischen Feldzügen der eigenen Imperialisten ablenkt. Ein Land wie Russland soll unter den Bedingungen der Unterwerfung nach 1991 und im Umfeld eines siegreichen Imperialismus (gegen die SU) innerhalb kürzester Zeit zu einem imperialistischen Land aufgestiegen sein. Dieser Gedanke selbst zeugt davon, wie wenig die Vertreter solcher Positionen den allgemeinverständlichen kurzen Abriss von Lenin verstanden haben. Schon die Existenz solcher Positionen innerhalb der Bewegung ist Rechtfertigung genug, sich eingehend mit der Imperialismusschrift zu befassen.

Zum Schluss: Geschichte wiederholt sich nicht. Damals war es der Vorwand der „Vaterlandsverteidigung“, heute ist es der Vorwand gegen die „Vaterlandsverteidigung“, – der Russischen Föderation wohlgemerkt –, um nicht dem eigenen Imperialismus in den Rücken zu fallen. Und der rote Faden der Geschichte bleibt dennoch: Damals wie heute geht es darum, den Betrug aufzudecken, egal unter welchem Deckmantel er erscheint und kompromisslos auf der Seite der Unterdrückten und Verdammten dieser Erde zu stehen. Wer das tut, setzt das Werk Lenins fort und an dieser Stelle lohnt es sich, mit einem längeren Zitat von Lenin zu enden:

„Der Imperialismus ist die fortschreitende Unterdrückung der Nationen der Welt durch eine Handvoll Großmächte. Er ist die Epoche der Kriege zwischen ihnen um die Erweiterung und Festigung der nationalen Unterdrückung. Er ist die Epoche des Betruges an den Volksmassen durch die heuchlerischen Sozialpatrioten, d. h. durch die Leute, die unter dem Vorwand der „Freiheit der Nationen“, „des Selbstbestimmungsrechts der Nationen“, der „Vaterlandsverteidigung“ die Unterdrückung der Mehrheit der Nationen der Welt durch die Großmächte rechtfertigen und verteidigen. Eben deshalb muß die Einteilung der Nationen in unterdrückende und unterdrückte den Zentralpunkt in den sozialdemokratischen Programmen bilden, da diese Einteilung das Wesen des Imperialismus ausmacht und von den Sozialpatrioten, Kautsky inbegriffen, verlogenerweise umgangen wird. Diese Einteilung ist nicht wesentlich vom Standpunkt des bürgerlichen Pazifismus oder der kleinbürgerlichen Utopie der friedlichen Konkurrenz der unabhängigen Nationen unter dem Kapitalismus, aber sie ist eben das Wesentlichste vom Standpunkt des revolutionären Kampfes gegen den Imperialismus.“ (LW 21, S. 416)38

Literatur

Kumpf, Fritz: Probleme der Dialektik in Lenins Imperialismus-Analyse, eine Studie zur dialektischen Logik, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1968

Lenin, Wladimir Iljitsch: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Gemeinverständlicher Abriss, In: Leninwerke, Band 22, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Dietz Verlag Berlin 1971. Im Text zitiert mit LW 22 + Seitenzahl.

Lenin, Wladimir Iljitsch: Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, In: Leninwerke, Band 21, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Dietz Verlag Berlin 1971

Lenin, Wladimir Iljitsch, Das revolutionäre Proletariat und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, 1915, In: Leninwerke, Band 21, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Dietz Verlag Berlin 1971

Nkrumah, Kwame: Neo-Colonialism, The Last Stage of Imperialism, PANAF Books 1970.

Smith, John: Imperialism in the Twenty-First Century, Globalization, Super-Exploitation and Capitalism’s Final Crisis, Monthly Review Press, New York, 2016.

Vazjulin, Viktor A.: Die Logik des „Kapitals“ von Karl Marx, Aus dem Russischen von Gudrun Havemann, Books on Demand GmbH, Norderstedt 2006.

1 Ob und in welchem Maße angesichts der Passivität, der schreienden Ruhe und Desorientiertheit hier von „Bewegung“ gesprochen werden kann, soll hier unbeachtet bleiben.

2 Pazifistisch in dem Sinne, dass man gegen den Krieg ist, aber pro-imperialistisch, weil man das gleiche Narrativ eines ‚imperialistischen Angriffskrieges‘ und damit die Propaganda der eigenen Imperialisten verbreitet.

3 Lenin, Wladimir Iljitsch: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Gemeinverständlicher Abriss, In: Leninwerke, Band 22, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Dietz Verlag Berlin 1971. Im Text zitiert mit LW 22 + Seitenzahl.

4 Siehe Vertreter der SKP 2022: https://kommunistische-organisation.de/podcast/podcast-22-podcast-mit-andreas-soerensen-von-der-skp/ Dieser steht nur beispielhaft, wenn auch besonders plastisch, für eine ganze Reihe kommunistischer Parteien und Organisationen, die sich einem vermeintlich revolutionären Pol zuordnen und den Imperialismus in seiner heutigen Brutalität relativieren.

5 Siehe Spanidis: Die Bourgeoisie im imperialistischen Weltsystem | Kommunistische Partei

6 Empfehlung: Nkrumah, Kwame: Neo-Colonialism, The Last Stage of Imperialism, PANAF Books 1970.

7 https://www.mlpd.de/broschueren/der-ukrainekrieg-und-die-offene-krise-des-imperialistischen-weltsystems/der-ukrainekrieg-und-die-offene-krise-des-imperialistischen-weltsystems

8 https://www.marx21.de/marx21-pocket-edition-der-krieg-um-die-ukraine-imperialismus-heute/

9 https://monthlyreview.org/2024/11/01/the-new-denial-of-imperialism-on-the-left/

10 Ebenda.

11 Eine Zusammenstellung der Positionen der KKE finden sich hier: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/imperialismus-krieg-und-die-kommunistische-bewegung/ und hier: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/dossier-die-kontroverse-zwischen-kke-kprf-und-rkap/

Mit jeweils entsprechenden Referenzen.

12 Die Debatte verlief nicht ohne komische Züge: die Protagonisten dieser Position ruderten insofern zurück, dass sie davon Abstand nahmen, dass es überhaupt Sinn mache, Imperialismus adjektivisch zu benutzen. Vielmehr seien alle Länder in einem imperialistischen Weltsystem eingebettet, was an sich niemand bestreiten würde. Eine Aussage, die so ziemlich nichts aussagt und diffuser nicht sein kann. Siehe dazu beispielhaft: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/russlands-imperialistischer-krieg/

13 Ob schriftlich oder mündlich spielt keine Rolle. Das Wichtigste ist jedoch, dass ein Text eine kommunikative Funktion hat. Etwas nur Gedachtes ist noch kein Text. Erst, wenn der Gedanke sich mitteilt, dann findet ein Formwandel statt und er wird zu einem Text.

14 Das heißt natürlich nicht, dass es nicht möglich ist, die Klassenschranken durch bewusste Reflexion und vor allem durch Handlungen zu durchbrechen.

15 Es hat sich eingebürgert von Text-Analyse zu sprechen, auch wenn diese Bezeichnung nur die eine Seite der Arbeit bezeichnet. Eigentlich wäre die Bezeichnung der ‚Exegese‘ richtiger. Jedoch wird durch die vor allem in der Theologie angewandte Bezeichnung die Vermittlung dieser eigentlichen richtigen Bezeichnung nicht einfacher. Der Einfachheit halber wird hier von Textanalyse gesprochen.

16 Dieser Anspruch, der Anspruch der Objektivität, kann nur als Anstrengung verstanden werden, ein Versuch, den Text so weit wie möglich objektiv zu verstehen.

17 D.h., dass untersucht wurde, inwiefern diese Begriffe in einer kohärenten Weise in Satz und Satzkontexte und Bedeutungssphären eingebaut sind, sodass sich ihre Bedeutung also nicht wandelt oder sogar widerspricht (Inkohärenz).

18 Mit „Weisen“ sind hier vor allem Ebenen der Abstraktion, Zuordnungen (wie z. B. Instrumente) oder grammatikalische Formen gemeint. Dabei sind „Weisen“ eher reduktionistisch als Form bzw. Vorkommnis zu verstehen und weniger als Sinnzusammenhänge oder Bedeutung. Es geht lediglich darum, die tatsächlichen Vorkommnisse im Text zunächst zu erfassen. Welche Bedeutung ihnen zukommt oder in welchem Sinnzusammenhang diese Formen eine bzw. eine weitere Bedeutung erhalten, ist erst nach der Untersuchung der Form feststellbar. Der Text gibt die erfassten Formen („Weisen“) selbst vor. In folgenden Weisen wurden die Vorkommnisse ‚Monopol‘ festgestellt: Metaebene und Abstraktion /Erscheinungsformen/Wortverknüpfungen/Konkreta/Instrumente/Als Adjektiv/ Mit Adjektiv. [ich kann hier keinen Kommentar setzen: Die Aussage, der Text gebe die Formen vor, stimmt ja nur bedingt. Er legt bestimmte, einzelne und konkrete, Vorkommnisse vor. Die Kategorisierung, die du vornimmst, passiert durch dich und sollte irgendwie begründet sein. Zumal einmal morphosyntaktische/formale Merkmale und ein andermal inhaltliche Kategorien gesetzt werden, die sich ja keineswegs im vornherein gegenseitig ausschließen bzw. formal-logisch voneinander abgrenzen lassen]

19 Es wird hoffentlich im Laufe der vorliegenden Arbeit klar, dass es erstens eine solche empirische Lesart gibt und zweitens, dass das eine falsche Lesart ist. Dabei ist nicht die Frage, ob diejenigen, die eine empirische Lesart haben, nicht auch grundsätzliche Aussagen aus der Imperialismusschrift herausfiltern, sondern inwiefern ihre Schlussfolgerungen darauf schließen lassen, dass sie letztlich die wesentlichen Aussagen gegenüber den empirischen Darlegungen depriorisieren. Besonders anschaulich ist eine solche Lesart, die die Kernbedeutung des Begriffs ‚Monopol‘ nämlich ‚Einseitigkeit‘ ablehnt und überall in den unterschiedlichen Nationen „Monopole“ im Sinne von „großen Konzernen“ sucht, um sie als Marker für die Teilnahme am imperialistischen System zu identifizieren.

20 Sowohl Griechisch als auch Latein: Allein-Verkauf oder Allein-Handel

21 Am deutlichsten wird das anhand des Beteiligungssystems erklärt.

22 S. 280 Monopol als „tiefste ökonomische Grundlage des Imperialismus“ / siehe auch LW 23, Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus, Oktober 1916, „Das Monopol ist der ökonomische Grundzug, das Wesen des Imperialismus“.

23 Wie Kumpf sagt, Begriff hier verstanden als konkrete Abstraktion.

24 Siehe dazu Kumpf 1968, S. 134 ff: Die Rolle des Widerspruchs im Prozeß des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten.

25 Es gibt hier keinen Platz, um auf diese absurde These in der Weise einzugehen, die angemessen wäre. Dass durch die nationalen Befreiungskämpfe die Phase des Neokolonialismus eingeleitet wurde und Lenins These, dass sich die nationale Unterdrückung noch massiv verschärft hat und keineswegs beendet wurde, scheint manchen völlig unbekannt zu sein. An anderer Stelle müsste eine intensive Auseinandersetzung auch mit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Neokolonialismus (siehe z. B. Kwame Nkrumah) und dessen Rezeption in den sozialistischen Ländern stattfinden.

26 Welche Rolle in diesem Zusammenhang die Klassenwidersprüche in den unterdrückten Ländern spielen, darauf wird noch an anderer Stelle einzugehen sein. Das ist aber auch wirklich keine neue Frage, sondern beschäftigt seit Anbeginn die Köpfe des Antiimperialismus. Klar ist mittlerweile, dass die Unfähigkeit sich diesen Widersprüchen in all ihren konkreten und sehr komplexen Kampfbedingungen zu stellen, Parteien wie die KKE und anderen in die Falle der ideologischen Abweichung geführt hat. Man biegt sich lieber die Machtverhältnisse so zurecht und vereinfacht sie so: es gibt nur noch den Widerspruch zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie in den jeweiligen Nationen, alles andere ist zwischenimperialistischer Krieg, also muss jeder nur noch in seiner Nation schauen, dass er die Arbeiterklasse organisiert.

27 Wörter, die in verschiedenen Weisen das Wort „abhängig“ beinhalten, dienten zur Identifizierung aller möglichen Textstellen, die sich mit „Abhängigkeit“ im weitesten Sinne befassen. Es wurden aber auch andere Textstellen herangezogen und der Gesamtkontext entsprechend den Methoden der Textanalyse als Korrektur einbezogen.

28 Milo Barus hat sich schon mit dieser Fehlinterpretation an anderer Stelle befasst: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/lenin-und-das-imperialistische-weltsystem/

29 LW 22, S.284, Zitat von Hobson

30 LW 21, S.342-346

31 siehe https://kommunistischepartei.de/diskussion-imperialismus/zur-verteidigung-der-programmatischen-thesen-der-ko/#Beherrscht

32 Eigentlich müsste man bei dem Aufholversuch von nicht-imperialistischen Ländern von sprunghaften Aufwärtsbewegungen der Ökonomie ausgehen, sonst bewegt man sich in äußerst unrealistischen Fantasievorstellungen.

33 Lenin: Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, LW 21, S. 344–346

34 https://kommunistische-organisation.de/artikel/imperialismus-multipolare-weltordnung-und-nationale-befreiung/

35 BIP (Bruttoinlandsprodukt) siehe dazu Smith, John: Imperialism in the Twenty-First Century, Globalization, Super-Exploitation and Capitalism’s Final Crisis, Monthly Review Press, New York, 2016. Im Kapitel “The GDP-Illusion” erklärt John Smith ausführlich, warum es keinen Sinn macht, diese Kennzahl für die Identifizierung von Entwicklung und Macht zu verwenden.

36 Vazjulin, Viktor A.: Die Logik des „Kapitals“ von Karl Marx, Aus dem Russischen von Gudrun Havemann, Books on Demand GmbH, Norderstedt 2006.

37 LW 22, S. 302/303.

38 Lenin, Wladimir Iljitsch, Das revolutionäre Proletariat und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, 1915, In: Leninwerke, Band 21, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU, Dietz Verlag Berlin 1971.

Kubas Internationalismus in Afrika am Beispiel Angola 🇨🇺🤝🇦🇴

Eine gemeinsame Veranstaltung der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba Ortsgruppe Düsseldorf und der KO

Ab 1963 schickte Kuba Ärzte, Ausbilder und Kämpfer nach Afrika, um dort nationale Befreiungsbewegungen und fortschrittliche Regierungen zu unterstützen. So etwa nach Algerien, Kongo, Kongo-Brazzaville, Guinea-Bissau und Mosambik.

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel dieser internationalen Solidarität war jedoch der Einsatz für Angola. 1975-91 unterstützten 400.000 Kubaner das Land im Kampf gegen das südafrikanische Apartheidregime und konterrevolutionäre Milizen.

Wir haben Wolfgang Mix eingeladen. Er ist seit Jahrzehnten in der deutschen Kuba-Solidarität aktiv und hat ein Buch zum Thema geschrieben. Er wird einen Vortrag halten und auch Filmmaterial zeigen. Anschließend wollen wir diskutieren.

🗓 Mittwoch, 2. April 2025

🕐 19:00 Uhr

📍ZAKK, Fichtenstraße 40, 40233 Düsseldorf

Neofaschismus in Ostdeutschland

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Über die Zerschlagung des Antifaschismus und den Aufbau einer neofaschistischen Bewegung.

Ein Hintergrundartikel von Jakob Yasko

1          Einleitung

 Seit der Konterrevolution verbreiten westliche Medien das Bild einer ostdeutschen Bevölkerung die „aus sich selbst heraus“ Rechts sei. Die Berichte, Artikel und Reportagen strotzen meistens nur so vor Sozialchauvinismus und Schönfärberei der Regierungspolitik. Dabei wird gezielt ein Bild von „abgehängten Ossis“ gezeichnet, die angeblich Ausländer und Demokratie einfach aus sich selbst heraus hassen.

Wer der Frage nach dem Rechten Osten nachgeht und sich bei ARD, ZDF oder Deutschlandfunk verirrt, verliert im Dschungel aus Totalitarismustheorien und pseudowissenschaftlichen Bauchgefühlsjournalismus schnell den Durchblick. Schlau wird man jedenfalls nicht aus den dutzenden Reportagen, Artikeln und Dokumentationen. Schuld seien mangelnde Demokratiesozialisierung oder man fragt gleich gar nicht mehr nach Ursachen. Auch Auseinandersetzungen, die sich konkret mit der AfD beschäftigen folgen häufig dem gleichen Schema. Erst die Baseballschlägerjahre und jetzt die AfD – so sind sie halt die Ossis. Wer hinterfragt, ob der Osten tatsächlich schon immer Rechts gewesen sei, wird schnell mit der DDR vertraut gemacht. Dem Staat, der den Faschismus nie aufgearbeitet hätte und ohnehin irgendwie latent faschistisch war,- die zweite deutsche Diktatur eben.

Die schrecklichen Bilder von faschistischen Mobs aus den Neunzigern oder aus aktuellen Berichten werden ausgeschlachtet und instrumentalisiert um die BRD als die ultimative Verteidigerin der Demokratie zu präsentieren. Während die öffentlich-rechtlichen Sender ihre pseudo-antifaschistischen Medienspektakel inszenieren, wird fleißig abgeschoben und gegen Migranten gehetzt. Auch der ganze Brandmauer-Zirkus hat höchstens das linksliberale Establishment abgeholt – glaubhaft war das nie, geschweige denn wirksam.

Über die tatsächlichen Hintergründe des sogenannten Rechtsrucks lernt man genauso wenig wie über die gezielte staatlich betriebene Faschisierung des Ostens in den 1990ern. Keiner fragt, woher diese Faschisten kommen, wer Ihnen einen Nährboden bietet und sie fördert. Die Antwort wäre zu unbequem.

Lenin hat uns folgendes mit auf den Weg gegeben: „Ist nicht sofort ersichtlich, welche politischen oder sozialen Gruppen, Kräfte oder Größen bestimmte Vorschläge, Maßnahmen usw. vertreten, sollte man stets die Frage stellen: Wem nützt es?“[1]

Wem nützt ein starker Neofaschismus? Und zu welchem Zweck?

Wenn wir mit Recht davon ausgehen das Antifaschismus in der DDR tatsächlich Staatsdoktrin war wie konnte dann das Gift des Chauvinismus und Fremdenhasses so rasch verbreitet werden? Wie wurde die neofaschistische Bewegung in Ostdeutschland aufgebaut und gestärkt? Welche Interessen standen hinter dieser Entwicklung und welche Widersprüche trieben sie voran?

Man darf nicht außer Acht lassen das die ostdeutsche Bevölkerung, bis heute eine postsozialistische Gesellschaft in der Transformation ist. Sozialismus, dann die Treuhand und der Ausverkauf – diesen Prozess haben nahezu alle über 50jähringen zwischen Vogtland und Ostsee bewusst miterlebt.

Wie gehen wir also vor? Der Text widmet sich einleitend der DDR und ihrer antifaschistischen Politik. Um die Erstarkung der neofaschistischen Bewegung in Ostdeutschland nachvollziehen zu können muss die antifaschistische Staatsräson der DDR auf den Prüfstein gestellt werden. Ausgehend davon soll die Entwicklung der neofaschistischen Bewegung der BRD schlaglichtartig beleuchtet werden. So können wir zu der grundlegenderen Frage vordringen welche Prozesse freigesetzt wurden als 1990 ein Staat voller Kontinuitäten des Faschismus einen Staat der antifaschistischen Staatsräson annektierte, ausverkaufte und unter seine Ordnung unterwarf.

Um sich dem Prozess der Refaschisierung Ostdeutschlands zu widmen, müssen zwei Tendenzen untersucht werden: Einerseits der Aufbau einer neofaschistischen Bewegung in Ostdeutschland und andererseits der Abbau des DDR-Antifaschismus. Dabei muss unter die Lupe genommen werden wie sich Medien, Politik, Wirtschaft und die neofaschistische Bewegung an beiden Prozessen beteiligten.

2          Ein antifaschistischer Staat

2.1         Warum wir uns der DDR widmen müssen

Wer seine jeweilige Internet-Suchmaschine nach Antifaschismus in der DDR befragt, wird schnell feststellen, wie einig sich hier die Medienhäuser und Institute sind. Die Konrad Adenauer Stiftung, die Bundeszentrale für politische Bildung und die Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sind ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht jeglichen Dreck auf die DDR abzuladen. Man kann von einer regelrechten Anti-DDR Industrie in Wissenschaft, Journalismus und Kultur sprechen. Der Antifaschismus in der DDR wäre ein „Gründungsmythos“, die „stalinistische Entnazifizierung“ sei ebenso wie jegliche antifaschistische Tradition ein Legitimationsinstrument für die nächste Diktatur gewesen. Der Antifaschismus in der DDR wäre die Lebenslüge der deutschen Linken, schreibt bspw. die Konrad Adenauer Stiftung.[2] Schlussendlich wäre der Antifaschismus nur ein „identitätsstiftendes SED-Unterdrückungsinstrument“ gewesen. Die Bundeszentrale für politische Bildung setzt noch einen drauf und fragt: „Ist der Rechtsextremismus im Osten ein Produkt der autoritären DDR?“[3]

Vielen Antifaschisten, die sich die Frage stellen, wie es zu Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Chemnitz und den starken AfD Wahlergebnissen kommen konnte wird eine bestechend einfache Antwort präsentiert: Die Schuld liegt bei der DDR. Der Antikommunismus ist mittlerweile so gesellschaftsfähig und so hegemonial, dass nur noch die wenigsten ihn erkennen, geschweige denn hinterfragen.

Die DDR, ein Staat, der über 40 Jahre ein fortschrittliches und antifaschistisches Projekt darstellte, liegt heute unter einem Berg von Vorwürfen und Lügen bundesdeutscher Denkfabriken begraben. Ein positiver Bezug auf die DDR und ihren Antifaschismus ist weitgehend tabuisiert. Dabei ist eine Auseinandersetzung mit der antifaschistischen Politik der DDR nicht nur sehr lehrreich, sondern beweist auch umfangreich welche Zukunftsperspektive bis heute in diesem Anlauf zum Sozialismus liegt. Unbegründete Distanzierungen gegenüber der DDR sowie das Desinteresse und die Voreingenommenheit gegenüber diesem Staat und seiner Gesellschaft müssen dringend überwunden werden. Denn beides verhindert ein Verständnis über die widersprüchlichen politischen Entwicklungen heutzutage und macht es unmöglich zu verstehen, wie sich dieser erste deutsche Anlauf zum Sozialismus gestaltete, woran er scheiterte und wie sich die Rechtsentwicklung vollzog, die uns heute stärker denn je beschäftigt.

2.2         Mit Entnazifizierungen und Enteignungen zum neuen Staat

Springen wir zurück ins Jahr 1945, nur wenige Wochen nach der Befreiung vom Faschismus. Walter Ulbricht stellte am 25.Juni 1945 in seiner Rede auf einer KPD-Funktionärskonferenz fest, dass „[…] sich die große Mehrheit des deutschen Volkes als Werkzeug der Naziführer und Rüstungsindustriellen gebrauchen ließ. Hitler konnte sechs Jahre lang sein Kriegsverbrechen durchführen, weil im deutschen Volke die ideologischen Abwehrkräfte gegen die imperialistische und militaristische Ideologie nur ungenügend vorhanden waren, weil das Gift der Raubideologie und militärische Kadavergehorsam tief im Volke stecken.“[4] Aus diesem Satz könne wir die 3 großen Aufgaben ableiten, denen sich die Antifaschisten und Kommunisten auf dem Boden der späteren DDR widmeten.

  1. Die Naziführer mussten gesäubert und verfolgt werden.
  2. Die Kriegsindustriellen und Völkermordprofiteure mussten enteignet werden.
  3. Die wohl langfristigste und schwierigste Aufgabe: die faschistische Ideologie musste bekämpft und überwunden werden.

Um diese Aufgabe in seiner Konsequenz zu gewährleisten, musste ein neuer Staat aufgebaut werden.

Dabei ist nicht zu vergessen, dass all diese Aufgaben in einem Deutschland realisiert werden sollten das weitestgehend zerstört war. Es herrschten Nahrungsengpässe, Wohnungslosigkeit und es mangelte an Industrie und Facharbeitern zum Aufbau einer Wirtschaft. Tausende Antifaschisten und Kommunisten waren ermordet worden,- die wenigen Überlenden reorganisierten sich kleinschrittig und setzten sich mit deutschen Emigranten aus der Sowjetunion und den politischen Kommissaren der Roten Armee in Verbindung.

Im Folgenden sind Meilensteine dieser Politik dokumentiert. Es sind Maßnahmen und Kampagnen, die teilweise nur wenige Wochen nach dem Sieg über den Faschismus durchgeführt wurden. Sie verdeutlichen anschaulich, welches neue Deutschland in der sowjetischen Zone errichtet wurde. Diese antifaschistische Ordnung wurde 1949 in die Verfassung der DDR übertragen.[5]

In der Sowjetischen Besatzungszone begann auf Basis der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz eine antifaschistisch-demokratische Umwälzung. In den Folgejahren konnte sich der Erfolg dieser Umwälzungen immer stärker auf die politische Einheit der Arbeiterklasse unter der SED stützen. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen welche zentrale Rolle der Sowjetunion und ihrer Militäradministration in dieser Zeit zukam.

Eins sei an dieser Stelle bezüglich des Kampfbegriffes „von Oben verordneter Antifaschismus“ vorweggenommen: Den Antifaschismus „verordneten“ 1945 alle 4 Siegermächte und zwar auf der Potsdamer Konferenz. Die Sowjetunion war lediglich der einzige Staat, der diesen Antifaschismus in die Tat umsetzte. Und Ja, er war „verordnet“. Mal weniger, mal mehr „von oben“ durchgesetzt und eingefordert,- dass war nach 12 Jahren Hitlerfaschismus auch dringend notwendig.

An die Stelle des zerschlagenen faschistischen Staatsapparates rückte eine antifaschistisch-demokratische Staatsmacht aus Parteien und Massenorganisationen die sich zur antifaschistischen und demokratischen Umwälzung unter der Führung der Arbeiterklasse bekannten. Diese antifaschistische Ordnung stellte eine Übergangsform zum sozialistischen Aufbau dar und bedeutete gleichzeitig härtesten revolutionären Klassenkampf, auch wenn er sich ohne Ausbruch eines Bürgerkrieges vollzog. Die Deutsche Verwaltung des Innern erklärte 1947: „Wer heute die frühere NSDAP als Urheber aller Machenschaften ansieht, begeht einen entscheidenden Fehler. Die Gegner sind in den geschlagenen Kräften zu suchen, nämlich Junker, Großaktionäre, Bankiers usw. usf.“[6] So wurden Großgrundbesitzer und Kriegsverbrecher auf Basis von Volksabstimmungen enteignet und die kommunalen Verwaltungen unter Mitarbeit des Volkes in die Hände von Antifaschisten, Demokraten, und Widerstandskämpfern gelegt.[7] In vielen Städten hatten sich nach Kriegsende spontan antifaschistische Ausschüsse oder Komitees gegründet, einige arbeiteten schon vorher in der Illegalität. Diese stärkten unter Schirmherrschaft der Sowjetischen Militärverwaltung die lokalen Strukturen der FDJ, des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD), oder der SED und gingen später in sie über. Viele wurden in die städtischen Verwaltungen eingesetzt.[8]

Um den Faschismus ökonomisch auszurotten, wurden im Rahmen der Bodenreform 7200 Großgrundbesitzer und 4500 andere Kriegsverbrecher entschädigungslos enteignet. Bis 1948 wurden darüber hinaus 9200 Betriebe von Kriegsgewinnlern und Naziaktivisten in die Hände des Volkes übergeben und enteignet. Den Maßnahmen stimmten 77,7 Prozent der Sachsen in einer Volksabstimmung zu.

Der Kampf gegen die Einflüsse und Störversuche der alten reaktionären Klasse die sich nicht geschlagen geben wollte wurde auch in der Kultur und Bildung hart geführt. 72 Prozent der alten Lehrerschaft gehörten der NSDAP an und mussten aus dem Schuldienst entfernt werden.[9] Um die Erziehung und Bildung weiterhin zu gewährleisten entstand die Neulehrer-Bewegung als politische Kampagne der SED und der Sowjetischen Verwaltung. Insgesamt wurden 40.000 junge Arbeiter und Arbeiterinnen in mehrmonatigen Lehrgängen zu Pädagogen ausgebildet. Diese Neulehrer wurden darauf geprüft, ob sie „Willens und in der Lage waren die deutsche Jugend im Geiste des Antifaschismus, Humanismus, sowie der Demokratie und Völkerfreundschaft zu erziehen“.[10]

DDR-Historiker Stefan Doernberg bringt die Rolle der Entnazifizierung treffend auf den Punkt: „Obwohl die Entnazifizierung nicht die Hauptmethode der demokratischen Erneuerung der Verwaltungsorgane war, weil leitende Funktionen von Anfang an von Antifaschisten übernommen wurden, trug sie dennoch wesentlich zur endgültigen Zerschlagung des imperialistischen Staatsapparats bei. […] Die völlige politische Entmachtung der faschistisch-
militaristischen Kräfte war ein längerer Prozess, dessen Hauptinhalt die Zerschlagung der imperialistisch-kapitalistischen Staatsmaschine und der Aufbau neuer antifaschistisch-demokratischer Staatsorgane war.“
[11]

Allein bis 1946 entließ man 390.478 ehemalige Nazis aus ihren Stellen und Funktionen in Verwaltung, Justiz, Bildung und vielem mehr. Darüber hinaus ermittelte das Ministerium für Staatssicherheit bis 1989 gegen alte Kriegsverbrecher und Nazis.[12] In der DDR war es nahezu unmöglich, mit einer SS- oder Wehrmachtshistorie in höhere gesellschaftliche Positionen aufzusteigen. Es gab zwar höhere Staatsbeamte und eine Hand voll Minister in der DDR mit ehemaliger NSDAP-Mitgliedschaft, diese waren allerdings weder in der SS, noch in leitenden Funktionen um Krieg und Massenmord zu koordinieren gewesen.[13] Das beweist der Fall des Ernst Großmann, der SS-Mann und KZ-Aufseher fälschte seine Biographie und stieg in das ZK der SED auf. Als seine Vergangenheit 1959 bekannt wurde schloss man Großmann sofort aus.[14]

Zur Wahrheit gehört auch, dass für den Aufbau der DDR keine neuen Menschen vom Himmel fielen und zahlreiche Personen mit Nazi-Vergangenheit unangetastet bleiben mussten. Beispielhaft hierfür stehen die Kasernen und Krankenhäuser der jungen DDR, in denen einige Wehrmachtsoffiziere und NS-Ärzte weiter tätig waren, um die Verteidigungsfähigkeit und Medizinversorgung der DDR nicht zusammenbrechen zu lassen. Das betraf allerdings weder die Ärzte die leitend hinter den T-4 Programmen zur Ermordung Behinderter steckten. Diese wurden verfolgt und hingerichtet. Auch namhafte Kriegsverbrecher der Wehrmacht waren in den Rängen der Nationalen Volksarmee nicht wiederzufinden.

Einzig und allein entscheidend in der Entnazifizierung war nicht die Zahl der Entlassungen oder Verhaftungen, sondern die Bekämpfung der gesellschaftlichen Triebkräfte, die den Faschismus hervorgebracht hatten: den imperialistischen Kapitalismus. Aufarbeitung und Volksbildung war wohl die wichtigste Komponente neben den Säuberungen und Enteignungen. Der Kampf gegen den Rassenhass und Chauvinismus war ein Kampf um die Köpfe der DDR-Bevölkerung. Dieser wurde nicht nur gegen den Einfluss alter Nazis und westlicher Medien geführt, sondern war auch ein Kampf um gute Funktionäre und Lehrer, ein Kampf um eine öffentliche und anschlussfähige Auseinandersetzung mit dem Faschismus. Dieser Kampf wurde mit Sicherheit nicht überall gewonnen, dennoch schuf die DDR-Meilensteine in ihrer antifaschistischen Politik. Auf diese Auseinandersetzung sei im Folgenden verwiesen.

2.3         Aufarbeitung und antifaschistische Erziehung

In der DDR fand neben der Auseinandersetzung mit verschiedenen Opfergruppen, eine breite Beschäftigung mit dem Widerstand gegen den Faschismus statt, dessen Erbe der junge Staat antreten wollte. Zahlreiche Promotionen, aber auch kleinere Publikationen zeugen von einer breiten und umfangreichen wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Auseinandersetzung. Publikationen wie „Der SS-Staat“ (1947), das hunderte Erlebnisberichte von KZ-Häftlingen sammelte, oder Walter Ulbrichts „Die Legende vom deutschen Sozialismus“ (1946), das breite Schichten in der Sowjetischen Besatzungszone über die Lügen und Verbrechen des Faschismus aufklärte, verdeutlichen dies. Auch die Literatur für Kinder und Jugendliche leistete einen wichtigen Beitrag zur antifaschistischen Erziehung. Bruno Apitz’ Roman „Nackt unter Wölfen“ (1958) wurde ein zentraler Bestandteil der antifaschistischen Bildungsarbeit und fand Einzug in nahezu alle Klassenzimmer der DDR. Bereits zuvor war Anna Seghers’ „Das siebte Kreuz“ ein bekannter Titel in den Schulen. Auch die Behauptung, die DDR habe den Massenmord und die Verfolgung der Juden ignoriert oder nie aufgearbeitet, hält einer Überprüfung nicht stand. Insgesamt widmeten sich 1.086 Publikationen aus DDR-Verlagen der jüdischen Geschichte, Religion, dem Alltagsleben und der Philosophie. Zwischen 1945 und 1990 wurden mindestens 238 literarische Werke – darunter Romane, Novellen und Gedichte – zum Völkermord an den europäischen Juden veröffentlicht, wissenschaftliche Literatur ausgenommen.[15]

Dennoch konnten die Organe und Forschungskommission nicht alle Lücken in der Aufarbeitung öffentlich schließen. So kritisierte beispielsweise der 1989 ausgestrahlte Film „Coming Out“ die mangelhafte Aufarbeitung und Entschädigung für homosexuelle Opfer des Faschismus. Bis zu diesem Zeitpunkt erinnerte eine größere Gedenktafel in Berlin an die Opfer: „Totgeschlagen – Totgeschwiegen: Den Homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus“. Auch für die Opfer der Euthanasie entstanden nur eher kleinere Gedenktafeln. Die Machenschaften und Mordprogramme der Ärzte wurden, allerdings breit in der wissenschaftlichen Literatur aufgearbeitet und zahlreiche Medien berichteten über die Prozesse gegen die Täter. Ein wesentlicher Bestandteil der Erinnerungspolitik in der DDR war es, die Opfer des Faschismus nicht zu vereinzeln oder in Kategorien aufzuteilen, sondern allen Opfern gleichermaßen ehrwürdig zu gedenken. Dabei nahm der Widerstand gegen den Faschismus eine besondere Rolle ein, was jedoch nicht bedeutete, dass die spezifischen Ursachen der Verfolgung und des Leidens unbenannt blieben.

Denkmäler und Mahnmale für Opfer des Faschismus prägten zunehmend die Stadtbilder der DDR. Diese wurden oftmals auf Initiative antifaschistischer Widerstandskämpfer und mit Unterstützung von Organisationen der Arbeiterklasse wie dem „Buchenwald-Kollektiv“ errichtet. Ein Leseheft zur Kunstbetrachtung stellt dabei fest: „Bald nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik wurde ein Kuratorium, ein gesellschaftlicher Rat also, für den Aufbau Nationaler Gedenkstätten gebildet. Dort, wo von den Faschisten die Menschlichkeit am übelsten geschändet worden war, dort aber auch, wo sich antifaschistisches Kämpfertum unüberwindbar bewährt hatte, dort sollten die Stätten der Mahnung und des Gedenkens errichtet werden: Buchenwald – Ravensbrück – Sachsenhausen. Die besten Bildhauer und ein Kollektiv junger Architekten vollbrachten es, in ständigem Kontakt mit dem gesellschaftlichen Auftraggeber, der Partei der Arbeiterklasse, ehemaligen Häftlingen, Arbeitern und Künstlern, Werke von herausragender Bedeutung zu schaffen.“[16]

Am Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, sowie dem Tag der Opfer des Faschismus, aber auch anlässlich der Befreiung einzelner Konzentrationslager oder an Orten faschistischer Verbrechen füllten sich die Straßen und Gedenkorte jährlich mit breiten Menschenmassen. Durch solche Veranstaltungen in enger Zusammenarbeit mit Schulen, Universitäten, Betriebskollektiven und FDJ-Gliederungen wurde die Gedenkstättenarbeit zu einem zentralen Bestandteil politischer Bildungsarbeit.[17] Zahlreiche Schulen, Straßen und andere Gebäude waren nach Antifaschisten und Opfern des Faschismus umbenannt worden. Von einem ritualisierten und sonst bedeutungslosen Gedenken kann dabei nicht die Rede sein. Wie bereits am Beispiel der Literatur dargelegt, beschränkte sich der Antifaschismus nicht auf einzelne Tage, sondern durchzog das politische Leben in der DDR.  Auch Film und Fernsehen waren von einer Aufarbeitung des Faschismus geprägt: Dutzende Spielfilme und Serien thematisierten die Verbrechen und Massenmorde des deutschen Faschismus. Diese wurden zugunsten von Schichtarbeitern zu verschiedenen Tageszeiten ausgestrahlt – auch im Kinder- und Jugendprogramm. Bereits 1947 erschien im „Augenzeuge“ (der Wochenschau in der SBZ) ein ausführlicher Bericht über das einzige überlebende Kind der Berliner Jüdischen Gemeinde.[18] Schon 1 Jahr nach dem Sieg über den Faschismus vermittelte der Film „Die Mörder sind unter uns“ die dringende Notwendigkeit sich für Entnazifizierungen einzusetzen. Fernsehprogramme wie die „Aktuelle Kamera“ oder „der Schwarze Kanal“ berichteten regelmäßig über alte und neue Gräueltaten von Faschisten.

Der Vorwurf eines verordneten, ritualisierten und inhaltsleeren Gedenkens ist genauso falsch wie die Behauptung von vergessenen, verdrängten und nie entschädigten Opfern des Faschismus. Das belegen nicht nur die Filme, Serien und Publikationen, sondern auch die umfangreichen Sozialleistungen. Alle ehemaligen KZ-Häftlinge und Opfer des Faschismus erhielten höhere Renten, mehr Urlaub, eigene Urlaubs- und Kurheime und bessere medizinische Betreuung. Ob sie religiös oder politisch verfolgt waren, machte keinen Unterschied. Sie erhielten Unterstützung bei Wohnungssuche, Bildungs- und Berufswegen mit Stipendien und Zulassungen. Im Nahverkehr konnten Opfer des Faschismus mit einer Begleitperson kostenlos fahren. Diese sozialen Entschädigungen wurden den ostdeutschen Juden, sowie allen Opfern des Faschismus mit der Annexion der DDR genommen.[19]

Die antifaschistische Staatsräson der DDR war damit alles andere als ideologischer Kitt. Sie war ein Selbstanspruch dem tausende Kader, Funktionäre, Intellektuelle, Arbeiter, Bauern und Jugendliche nachgingen. Dieser Antifaschismus wurde von klein auf mitgegeben und so gut es möglich war in das politische Leben integriert. Dabei kam es ohne Zweifel zu Formalisierungen, die sich nicht in einen intrinsischen Antifaschismus übersetzten. Weder die politische Bildungsarbeit, noch die Politik der Massenorganisationen waren ausgereift genug um alle, auch apolitische DDR-Bürger, mitzuziehen. Im Wesentlichen war das politische Leben in der DDR und das Bewusstsein breiter Bevölkerungsmehrheiten allerdings bewusst antifaschistisch. Einen wichtigen Anteil an dieser Arbeit hatten die Massenorganisationen der DDR.

2.4         Antifaschistische Massenorganisationen und ihre Arbeit

Alle Parteien, Organisationen und Verbände mussten sich auf Basis der antifaschistischen Ordnung der DDR gründen und ihre Arbeit danach ausrichten. Die Massenorganisationen durchzog ein klares Bekenntnis zur Völkerverständigung und der internationalen Solidarität.

 Während der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands unter der Führung von Johannes R. Becher regelmäßig sondierte, wie sich eine kämpferische antifaschistische Kultur entfalten ließe, partizipierte der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) an internationalen Konferenzen gegen Krieg und Faschismus.[20] Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft organisierte regelmäßig die Verständigung und den kulturellen Austausch mit den Völkern der Sowjetunion. Der Freien Deutschen Jugend (FDJ) oblag neben den Institutionen der Volksbildung maßgeblich die antifaschistische Erziehung der Jugend. Sie organisierte gemeinsame Ausflüge und Aktivitäten, wie bspw. Gespräche mit Opfern des Faschismus oder dem Besuch von Konzentrationslagern. Auf internationalen Konferenzen widmete sich die FDJ nicht nur dem historischen Faschismus, sondern warnte auch immer wieder vor den Machenschaften deutscher Faschisten in der BRD.[21] Die Junge Welt, wie auch das Neue Deutschland verlegten regelmäßig neue Aufarbeitungen faschistischer Verbrechen und neofaschistischer Aktivitäten in der DDR, Europa und der ganzen Welt. Auch die Nationale Volksarmee und die Kampfgruppen der Arbeiterklasse waren immer ein lebendiger Teil der antifaschistischen Kultur. Mit der DDR-Singebewegung entstand eine politische Kraft, die sich in gesonderter Form auch kulturell dem antifaschistischen Widerstand widmete.

Besonders betont werden muss hier allerdings eine Massenorganisation: Das Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer.  Es spielte in der antifaschistischen Politik eine bedeutende Rolle und setzte sich im Jahr 1953 als Vereinigung vieler verschiedener Vereine und Gruppen von KZ-Häftlingen zusammen: Jüdische, christliche, liberale, sozialdemokratische oder kommunistische Gruppen waren gleichberechtigt vertreten.[22] Sie alle erhielten die bereits genannten Sozialleistungen für Opfer des Faschismus und betreuten gleichzeitig die korrekte Vergabe dieser. Das Komitee gliederte sich in 15 Bezirks- und 111 Kreiskomitees und war gleichzeitig in der Nationalen Front der DDR vertreten.[23] Neben der Betreuung von Opfern des Faschismus und der Organisation von Kundgebungen, Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen veröffentlichte das Komitee regelmäßig Hefte und größere Schriften über Konzentrationslager, Widerstandsgruppen, Verbrechen und Massaker oder Fragen des aktuellen antifaschistischen Kampfes. In „SS im Einsatz – Eine Dokumentation über die Verbrechen der SS“ recherchierten und sammelten Mitglieder des Komitees umfangreiche Beweise für die Machenschaften ihrer ehemaligen Schlächter und Peiniger.[24] Die Kasse des Komitees im Wert von 1,7Millionen D-Mark wurde 1991 von der Treuhandanstalt einkassiert und geraubt.[25]

2.5         Bekämpfung und Zurückdrändung des Faschismus

Die „operative Aufarbeitung“, wie Walter Ulbricht sie nannte, oblag dabei dem Ministerium für Staatssicherheit in enger Zusammenarbeit mit den Justizbehörden der DDR. Diese Organe waren von Anbeginn ihrer Gründung mit dutzenden untergetauchten Nazi-Kadern, faschistischen Saboteuren und Terroristen, sowie faschistisch-motivierten Straftaten beschäftigt. Von faschistischen Verbrechern der Kriegszeit bis zu Hitlergruß zeigenden Schülern wurden sämtliche Straftaten penibel im NS-Archiv der Hauptabteilung IX/11 und IV der Staatssicherheit dokumentiert und verfolgt.[26] Das Justizministerium der jungen DDR sprach sich unter der Leitung der antifaschistischen Widerstandskämpferin Hilde Benjamin für klare und harte Urteile gegen Faschisten und Kriegsverbrecher aus. Die BRD-Justiz erklärte die Urteile nach 1990 allesamt für gegenstandslos.[27] Die Entnazifizierung des Rechtssystems in der DDR hatte die Entlassung nahezu aller Nazi-Richter, Anwälte und Justizangestellten zur Folge. An ihre Stelle traten Volksrichter und Justizpersonal aus der Arbeiter- und Bauernschicht.[28]

Die Hauptabteilung IX/11 versorgte die anderen Abteilungen des Ministeriums für Staatssicherheit mit Informationen und kooperierte mit dem Generalstaatsanwalt der DDR bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. So unterstützte beispielsweise die geheimdienstliche Analyse und Untersuchung der 30.000 Patientenakten von Opfern der Euthanasie die Verhaftung und Beurteilung der verantwortlichen Nazi-Ärzte.[29] Neben der Verfolgung alter und neuer Faschisten in der DDR war die Staatssicherheit mit der Forschung zu Faschisten in der BRD beschäftigt. Durch die Arbeit der Staatssicherheit konnten zahlreiche Enthüllungen gegenüber ranghohen BRD-Politikern gelingen. Ein Höhepunkt dieser Arbeit stellte das 1965 erschienene Braunbuch über 1000 Kriegs- und Naziverbrecher in Staat, Wirtschaft, Armee, Verwaltung, Justiz und Wissenschaft der Bundesrepublik dar.[30] Der bürgerliche Historiker Götz Aly geht von einer Fehlerquote von nur 1% in den Recherchen aus.[31] In der Bundesrepublik wurde das Buch verboten. Derartige Recherchen nutzte die Staatssicherheit, um in Sonderfällen auch Personen über die Grenze der DDR zu entführen und vor ein Gericht zu stellen.[32]

Der Antifaschismus der DDR war fest mit den Prinzipien der Völkerfreundschaft und internationalen Solidarität verbunden. Die Solidaritätsbewegung für Chile beweist das Zusammenwirken von Sicherheitsorganen und Massenorganisationen im antifaschistischen Kampf. Als Chile 1973 von einem faschistischen Putsch unter der Führung Augusto Pinochets erschüttert wurde litten tausende Antifaschisten unter Verfolgung, Haft und Folter. Während Mitarbeiter der Staatssicherheit zahlreichen verfolgten Antifaschisten zur Flucht verhalfen, füllten Solidaritätsdemonstrationen die Städte der DDR.[33] Begleitet wurde die antifaschistische Solidaritätskampagne mit dutzenden Zeitungsartikeln und später Filmen der DEFA, um umfangreich über den Putsch in Chile aufzuklären.[34] Auf der anderen Seite des antifaschistischen Schutzwalls lobte CSU-Vorsitzender Franz Josef Strauß den Mordterror des Pinochet-Regimes: „Angesichts des Chaos, das in Chile geherrscht hat, erhält das Wort Ordnung für die Chilenen plötzlich wieder einen süßen Klang.“[35] WestdeutscheBND-Agenten mit SS-Hintergrund leiteten Folterlager in Chile und unterstützten die Verfolgungen und Ermordungen von Regimegegnern.[36] Der DDR-Antifaschismus war fest verbunden mit den Prinzipien der Völkerfreundschaft, sowie der praktischen und gelebten internationalen Solidarität. Das beweisen darüber hinaus die Solidaritätskampagnen für Nelson Mandela und Angela Davis, aber auch die Unterstützung des Kampfes griechischer und portugiesischer Antifaschisten gegen ihre reaktionären Militärdiktaturen.[37] Die Familien verfolgter griechischer Antifaschisten fanden in der DDR Schutz und Zuflucht, und konnten sich bspw. im „Komitee Freies Griechenland“ organisieren.[38]

In der gesamten Zeit ihres Bestehens, insbesondere vor der Grenzsicherung vom 13.August 1961, war die DDR von zahlreichen faschistischen Umtrieben und Aktionen betroffen. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Machenschaften der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KGU) und der „Bund Deutscher Jugend“ (BDJ).

Die KGU wurde vom amerikanischen Geheimdienst, sowie der Organisation Gehlen (eine von der SS durchsetzten Vorläuferstruktur des BND) in der BRD aufgebaut und sollte in der DDR operieren. Koordinierung und Planung fanden größtenteils in Westberlin statt. In der Leitung der Kampfgruppe tummelten sich Nazis, wie der ehemalige General der Waffen-SS Sievers. Finanzielle Zuwendungen erhielt die Gruppe bspw. aus der Ford Foundation.[39] Sie rekrutierten sich dabei nicht nur aus den Reihen von Faschisten, sondern konnten auch zahlreiche Antikommunisten und DDR-Bürger in ihr breites Netzwerk integrieren. Die Arbeit des KGU bestand aus Militär- und Industriespionage und Sabotageaktionen wie Brandanschlägen, Sprengstoffanschlägen, oder dem Vertrieb gefälschter Geschäftsbriefe. Auch Terror gegen Einzelpersonen und Drohungen gegen Funktionäre der SED standen auf der Tagesordnung.[40] Beispielsweise wurden Wahlveranstaltungen der Parteien des antifaschistischen Blocks gestört und angegriffen. Als anlässlich der Weltfestspiele der Jugend 1951 tausende Demokraten und Antifaschisten, samt 204 internationalen Delegationen, die Straßen Berlins füllten schlug die KGU wieder mit Angriffen, Störaktionen und Hetzflyern zu.[41] Mit dem BDJ teilten die Gruppe sich ihre revanchistische und aggressiv antikommunistische Grundhaltung, die zu diesem Terror führte.

Der Bund deutscher Jugend (BDJ) wurde vom amerikanischen Geheimdienst im Kampf gegen die DDR aufgebaut und finanziert. Auf den Treffen des BDJ traten auch Bundestagsabgeordnete von FDP und CDU auf. Diese von Altnazis geleitete Jugendorganisationen übertrumpfte die Kampfgruppen gegen Unmenschlichkeit in ihrem radikalen Antisemitismus und ihrem offenen positiven Bezug auf den Hitlerfaschismus. Die Gruppe griff unter anderem Synagogen, Juden und Antifaschisten in der BRD an und rüstet zum Kampf gegen die DDR. Im April 1951 wurde eine Untergrundabteilung des BDJ gegründet, die sich den Namen „Technischer Dienst“ (TD) gab. Er hatte den Zweck, eine bewaffnete Widerstandsbewegung gegen „den Bolschewismus“ parallel zum BDJ aufzubauen und Terror gegen die DDR zu verüben. Binnen weniger Wochen entstand bundesweit eine paramilitärische Struktur mit schwerpunktmäßiger „Partisanen-Schulung“, die zusammen mit US-amerikanischen Dienststellen durchgeführt wurde. Der BDJ war eine von vielen faschistischen Stay-Behind-Organisationen die in der BRD aufgebaut wurden.[42] Stay-Behind-Organisationen waren geheime Netzwerke, die in Westeuropa eingerichtet wurden, um im Falle eines Krieges Sabotage und Terror zur verüben,- sie werden auch als NATO-Geheimarmeen bezeichnet. Besondere Bekanntheit erlangte die 600 Mann starke „Wehrsportgruppe Hoffmann“, die verschiedene Mordanschläge verübte.[43]

Es waren faschistische Gruppen wie diese, welche am 17. Juni 1953 die Proteste von Teilen der DDR-Bevölkerung gegen die Normerhöhungen instrumentalisierten und eskalierten. Der von vielen westdeutschen Politikern lang ersehnte „Tag X“ war zum Greifen nah.[44] Faschisten und Provokateure, vorrangig aus Westberlin, plünderten und zerstörten Geschäfte, Buchhandlungen, Straßenzüge und Parteibüros. Sie machten auch vor Brandstiftungen in Fabriken und Einkaufszentren keinen Halt.[45] Während Buchhandlungen gestürmt und öffentlich Bücher und Fahnen verbrannt wurden, kam es zu Stürmungen und Freilassungsaktionen in Gefängnissen. Verurteilte Faschisten, wie die Kommandeurin des Konzentrationslagers Ravensbrück, Erna Dorn, waren wieder auf freiem Fuß.[46] Bertolt Brecht berichtet in seinem Brief an Peter Suhrkamp wie letztere aufhetzende Reden auf dem Marktplatz von Halle hielt. Auf die wenigen noch lebenden Juden wurden Überfalle verübt, so Brecht.

Aber Brecht berichtet auch, wie Teile der Bevölkerung versuchten, Faschisten, die das Deutschlandlied sangen, mit der Internationale zu überstimmen.[47] Und tatsächlich kam es am 17. Juni zu einer Vielzahl antifaschistischer Gegenwehr und Selbstschutzaktionen. Jugendliche bildeten spontane Komitees, um ihre Lehrwerkstätten oder FDJ-Einrichtungen zu schützen und stellten sich Randalierern und Provokateuren in den Weg. Faschisten die „Heil Hitler“ rufend oder das „Horst Wessel Lied“ singend durch die Straßen zogen wurden von der Bevölkerung aufgehalten oder Niedergerungen. Zahlreiche Augenzeugenberichte in der jungen Welt und weiteren Zeitungen schilderten diese Verbrechen und die Gegenwehr aus Teilen der DDR-Bevölkerung.[48] In Reaktion auf diese Proteste, die durch faschistische Umtriebe zu einem Putschversuch instrumentalisiert wurden, entschloss sich die DDR-Führung noch im Jahr 1953 zur Gründung von Kampfgruppen der Arbeiterklasse. Diese bewaffneten Einheiten wurden auf Grundlage eines klar definierten antifaschistischen Programms gebildet und spielten in den folgenden Jahrzehnten eine wichtige Rolle bei der Sicherung der antifaschistischen Ordnung in der DDR.

3          Der Aufbau einer neofaschistischen Bewegung in der BRD

3.1         Klare Kontinuitäten in Staat und Politik

Wie war es um den Antifaschismus in dem Staat bestellt der sich 1990 die DDR einverleibte?

Das Bundesverfassungsgericht fand im Jahr 1972 eine erschreckend eindeutige Antwort auf die Frage: „Das Grundgesetz geht davon aus, „dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist“. Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern „ein Teil Deutschlands neu organisiert […]. Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ‚Rechtsnachfolger’ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat ‚Deutsches Reich’, – in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings ‚teilidentisch’, so dass insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht.“[49]

Das Bundesverfassungsgericht selbst, stellte also fest, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht einfach ein Nachfolger des Hitlerreiches darstellt, sondern in seiner historischen, politischen und juristischen Kontinuität steht.

Der imperialistische und militaristische Staatsapparat verlieh sich zwar mit dem Grundgesetz ein neues bürgerlich-demokratisches Antlitz, an umfangreiche Entnazifizierungen und Enteignungen dachte allerdings niemand in der westlichen Besatzungszone. Vielmehr stiegen alte SS-Mörder und Nazi-Wissenschaftler weit in den Rängen der Bundeswehr, des Geheimdienstes und der Universitäten auf.[50] Die Monopole und Kriegstreiber behielten ihre Macht. Antimonopolistische Stimmen in der CDU wurden kaltgestellt und Massenproteste gegen Westanbindung, Aufrüstung und Fortsetzung der kapitalistischen Orientierung hart bekämpft. Vom Generalstreik 1948, dem größten Streik in der Geschichte Deutschlands, weiß heute kaum noch jemand. 9 Millionen Menschen in der britischen und amerikanischen Besatzungszone demonstrierten für gesellschaftliche Mitbestimmung, Enteignung der Schlüsselindustrien und eine Demokratisierung der Wirtschaft.[51]

Entgegen dieser Forderung wurde die Macht der Monopole restauriert. Die spätere Bundesrepublik erfuhr kaum Demontage, noch musste sie bedeutende Entschädigungen zahlen. Während die BRD ihre Entschädigungszahlen unter anderem mit Waffenlieferungen an Israel im Wert von 240 Millionen Euro abglich, zahlte die DDR alleine sämtliche Reparationen an Polen und die Sowjetunion.[52] Die Westalliierten verzichteten auf größere Reparationsansprüche gegenüber der Bundesrepublik, um sie nicht weiter zu schwächen. Mithilfe von tausenden ehemaligen und unbelehrbaren Nazis in den Reihen von CDU/CSU und FDP sollte die BRD zur antibolschewistischen Speerspitze gegen den Sozialismus aufgebaut werden.[53] Die BRD zahlte Reparationen in der Höhe von 3% ihrer Industriekapazität, während die DDR sie mit dem zehnfachen Wert übertraf. Unterdessen machte die USA Westeuropa, und vor allem die BRD, mit dem Marshallplan fit für die Aggression gegen den sozialistischen Block. Schon 1948 beauftragte Adenauer ehemalige Wehrmachtsgeneräle mit Studien zum Aufbau einer europäischen Armee. Der „Manteuffel-Plan“ schlug nur ein Jahr später die Aufstellung einer 600.000 Mann starken Stoßarmee für den Kampf gegen die Sowjetunion vor. Die Pläne wurden noch im selben Jahr mit Vertretern im US-Repräsentantenhaus diskutiert.[54]

Die Besatzungsmächte zögerten Gründungen von demokratischen und antifaschistischen Parteien hinaus, während sie die Bildung von Unternehmerverbänden unterstützten. Die Schlüsselpositionen in Staat und Wirtschaft wurden mit 300 Repräsentanten von Monopolunternehmen wie der Flick AG, der Deutschen Bank, der Thyssen AG usw. besetzt.[55]

Die in ihr absolutes Gegenteil umgekehrten Entnazifizierungsmaßnahmen, stießen selbst bei Teilen des amerikanischen Militärs auf Kritik. Der Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone, General Lucius Clay, zeigte sich 1946 enttäuscht: „Es wird mehr und mehr offenbar, dass das ganze Verfahren dazu benutzt wird, um so viele wie möglich ihren alten Berufen wiederzugeben, anstatt die Schuldigen festzustellen und ihrer Strafe zuzuführen.“[56] Alte Nazis konnten sich entweder mit korrekt ausgefüllten Fragebögen (sogenannten Persilscheinen) oder sich mit 2 Bürgen im Gepäck vor den vielen Spruchkammern selbst freisprechen.[57] Selbst wenn man die Zahl des bürgerlichen Historikers Wolfgang Benz heranzieht, der von 140.000 entlassenen Altnazis spricht, ist diese Zahl nichtig.[58] Denn im 1951 erlassenen Gesetz 131 wurden alle Personen, die bis zum 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst arbeiteten, rehabilitiert und wiedereingestellt.[59] Dieses Gesetz war angesichts einer Adenauer Regierung, in der 16 von 25 Staatssekretären eine schwer belastete faschistische Vergangenheit hatten nicht verwunderlich.[60] Im nie entnazifizierten Justizsystem ging die Strafverfolgung von Nazis und Kriegsverbrechern immer deutlicher in die Richtung flächendeckender Amnestie und sogar Entschädigung.[61] Nur ein Jahr zuvor im September 1950 beschloss die Bundesregierung Mitglieder der KPD oder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) aus dem öffentlichen Dienst zu suspendieren,- die Mitgliedschaft wäre mit den Dienstpflichten unvereinbar.[62] Das umfassende Verbot des VVN platzte 1962, weil die braune Vergangenheit der Richter und des Staatsanwaltes schließlich ans Licht kam und die Regierung dann doch den internationalen Skandal fürchtete. Zu diesem Zeitpunkt waren die FDJ und KPD schon längst von alten Nazi Richtern verboten und ihre Mitglieder verhaftet worden.

Die personellen Kontinuitäten im Staatsapparat der BRD waren gravierend: Noch Ende der 1960er Jahre hatten 75 Prozent der Mitarbeiter des BKA eine NSDAP-Mitgliedschaft, und 50 Prozent waren ehemalige SS-Mitglieder. In der Führungsebene des Justizministeriums lag die NSDAP-Quote 1966 bei 66 Prozent.[63]

Genau dieser neofaschistischen Bewegung in der Bundesrepublik wollen wir uns im Folgenden widmen, um besser zu verstehen, welche Kräfte ab 1990 auf den Osten Deutschlands einwirken und welche Kontinuitäten des Neofaschismus bis heute fortbestehen.

3.2         Die Reorganisierung des Neofaschismus: Geburtsstunde der Neuen Rechten

Warum widmen wir uns der Neuen Rechten in Westdeutschland, wenn wir doch den Neofaschismus in Ostdeutschland verstehen wollen? Weil hier politische Kräfte aufgebaut wurden die bis heute Gewalt und Chauvinismus verbreiten: Im Ostdeutschland der 1990er und der Bundesrepublik im Allgemeinen wirken sie damals wie heute und stärker denn je. Eine Beschäftigung mit der Geschichte rechter und neofaschistischer Parteien deckt auf, wie diese immer wieder aus der CDU hervorgehen und von Beginn an bestens in die herrschende Klasse integriert sind, und zwar finanziell, aber auch durch Netzwerke und Kontakte.

Nach 1945 wirkten neofaschistische Kräfte nicht nur innerhalb des Staatsapparates, der Bundeswehr und der Polizei, sondern auch in breiten gesellschaftlichen Organisationen. Die 1949 gegründete Sozialistische Reichspartei (SRP) übernahm die NSDAP Programmatik nahezu wortgemäß, während die 1964 gegründete NPD gemäßigter auftrat. Das Verbot der SRP 1952, diente dabei als juristische Blaupause für das KPD-Verbot. Die SRP-Mitglieder konnten sich umgehend als Deutsche Reichspartei neu aufstellen.[64]

Die NPD achtete trotz, und vielleicht gerade wegen, ihrer dutzenden Nazi-Biografien darauf einen „gesitteten Konservatismus“ zu vertreten. Die Partei hielt dabei gute und persönliche Kontakte zur CDU/CSU und lies sich vom Bonner Verteidigungsministerium, sowie Teilen der Bundeswehrführung finanzieren.[65]

Die ideologische Basis dieser neofaschistischen Strömungen wurde von intellektuellen Zirkeln wie dem 1949 gegründeten „Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes“ mit rund 3.000 Mitgliedern gestärkt. Die ab 1960 offen mit der NPD kooperierende Kaderschmiede und Verlagsstätte erhielt finanzielle Zusprüche vom Bundesverband der deutschen Industrie.[66] Dieser entlang der CDU/CSU organisierte Neofaschismus hatte seine Massenbasis lange Zeit in verschiedenen SS- und Wehrmachts-Traditionsvereinen und im erzreaktionären und revanchistischen „Bund der Vertriebenen“, der eigenen Angaben zufolge 2 Millionen Mitglieder zählte.[67] In weiteren Verbänden und Landsmannschaften tummelten sich CDU-Bundestagsabgeordnete gleichermaßen wie alte SS-Offiziere. Wobei ohnehin CDU-Mitgliedschaft und gleichzeitige SS-Vergangenheit keine Seltenheit waren.[68] Die SS-Traditionsverbände zählten 40.000 Mitglieder,- unter ihnen waren auch viele Bundeswehr-Offiziere.[69]

Ab den 1970er Jahren vollzog sich in diesen Kreisen ein erkennbarer Wandel, der zur Geburtsstunde der „Neuen Rechten“ wurde. Mit dem Regierungsantritt der Sozialliberalen Koalition von SPD und FDP, sowie den Studentenprotesten von 1968/69, geriet einige Dynamik in die Reihen dieser neofaschistischen Strukturen. Die NPD war in nahezu allen Landtagen vertreten und verfehlte 1969 den Einzug in den Bundestag nur knapp,- scharfe Diskussionen und Abspaltungen waren die Folge.[70] 1971 war die Partei bereits auf die Hälfte ihrer Mitglieder (14.000) geschrumpft und deutlich stärker vom offen neofaschistischen Flügel der Partei dominiert. Damit einher ging das schlechte Image der Partei als extremistische Splittergruppe.[71]

Um die SPD und FDP, aber auch die CDU selbst unter Druck zu setzen inspirierte Franz Joseph Strauß (CSU) 1971 die Gründung der neofaschistischen Deutschen Volksunion (DVU).[72] Schon ein Jahr zuvor äußerte sich Strauß in Bezug auf das CDU-NPD Verhältnis wie folgt: „Man muß sich der nationalen Kräfte bedienen, auch wenn sie noch so reaktionär sind. Hinterher ist es immer möglich, sie elegant abzuservieren. Denn mit Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein“.[73] Nur brauchten diese Hilfstruppen einen neuen Anstrich. Die politische Mission dieser neuen Bewegung brachte die Zeitung „Nation Europa“ folgend auf den Punkt: „Die deutsche Rechte insgesamt ist zur Zeit ein ziemlich desolater Haufen, der – will er nicht warten, bis das Rad der Weltgeschichte endlich auch einmal griffbereit an ihm vorbeischwingt – erst wieder Tritt fassen kann, wenn er es zu einer vernünftigen Konzeption in theoretischer und strategischer Hinsicht gebracht hat.“[74] Im Zuge der DVU-Gründung entwickelte die neofaschistische Bewegung der 1970er zunehmend eine Selbstkritik ihrer Strategie, Taktik und ihres Auftretens.

Faschistische Gruppen und Arbeitskreise wie das „junge Forum“ in Hamburg und die „Initiative der Jugend“ in Berlin beschäftigten sich schon bereits länger mit dem „Theoriedefizit“ in den Reihen ihrer Bewegung und drängten auf eine intellektuelle Neuorientierung.[75] Diese neue Generation stand in festen Austausch zu Gleichgesinnten und ihren Organisationen in ganz Europa. Auf sogenannten „Jungeuropa“-Konferenzen und Schulungen vernetzten sich ab den späten 1960ern vorrangig spanische, portugiesische, französische, britische und deutsche Faschisten.[76]

Derartige Initiativen zur Neuorientierung einer rechten Avantgarde wurden zunehmend aus dem rechten Rand von CDU und CSU unterstützt. Die Streitigkeiten in der NPD um einen nationalkonservativen Kurs entgegen dem Willen militanter Gruppierungen sorgte für Richtungskämpfe und Unklarheiten, die letztlich zur anhaltenden Krise der NPD führen sollten und gleichzeitig den Aufstieg der DVU unterstützten.

Der sowjetische Historiker Frumkin offenbart im Verhältnis NPD-CDU/CSU eine interessante historische Kontinuität: „Trotz der Mißerfolge und Niederlagen der Neonazis in den letzten Jahren braucht das Monopolkapital der BRD die NPD und die anderen neonazistischen Gruppierungen. Und vor allem werden sie von der CDU/CSU benötigt, der politischen Hauptpartei der aggressiven Kreise des Monopolkapitals in der BRD. Die NPD funktionierte schon als „Stoßtrupp der CDU/CSU“, als diese an der Spitze der Bonner Regierung standen. CDU/CSU konnten immer weiter nach rechts rücken und sich den Anschein geben, als wollten sie die „gemäßigte“ und „liberale“ Linie gegen den „Extremismus“ und „übertriebenen“ Nationalismus der NPD verteidigen.“[77] Auch in dieser Hinsicht benötigten CDU und CSU neue, weniger verbrauchte politische Kräfte.

3.3         Ideologische Modernisierung

Der Neofaschismus vollzog ab den 1970ern zunehmend eine ideologische Modernisierung ihrer Leitlinien. Die wesentliche ideologische Entwicklung bestand dabei in einer Retuschierung der „nationalsozialistischen“ Ideologie durch eine Zuwendung zu präfaschistischen Ideen.[78] Grundlegende weltanschauliche Prinzipien wurden mit Elementen aus dem traditionellen faschistischen Denken sowie Theorien der bürgerlichen Soziologie, Politikwissenschaft, Anthropologie und Pädagogik kombiniert.[79] Mit Bezügen auf Ideologen der Konservativen Revolution wie Ernst Jünger, Oswald Sprengler, Arthur Moeller van den Bruck und Carl Schmitt ließ sich scheinbare Distanz zu einem offenen Hitler-Bezug herstellen. Sie alle waren als Intellektuelle in der Weimarer Republik tätig, verfassten zahlreiche Bücher und Denkschriften, die sich die Befürwortung nationalistischer und völkischer Expansionspolitik teilten. Sie verknüpften nationale Stärke, Einheit und Kultur mit Vorstellungen von Kampf, Raum und Macht, die in der Lebensraum-Ideologie der Faschisten aufgegriffen und radikalisiert wurden. Dabei kultivierten sie bereits die ersten Ideale des Nazi-Militarismus.

Eine Schlüsselfigur bei der ideologischen Neuformierung der neofaschistischen Bewegung war der Schweizer Armin Mohler. Mit seiner Dissertation „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932“ (1950) legte er einen der wichtigsten Grundlagentexte für die Neue Rechte vor. Mohler, der 1942 aus der Schweizer Armee desertierte, um sich der Waffen-SS anzuschließen, schuf eine ideologische Tradition, die sich vom historischen „Nationalsozialismus“ abgrenzte, ohne jedoch die faschistischen Ideen aufzugeben.[80] Er betrieb eine Ehrenrettung des Faschismus und machte Konzepte populär, die wir bis heute von der Neuen Rechten kennen: Bewaffnung der Sprache, Metapolitik und Arbeit im vorpolitischen Raum. Später mehr dazu.

Nach dem Krieg engagierte Mohler sich als Privatsekretär von Ernst Jünger und blieb zeit seines Lebens in engem Kontakt mit Carl Schmitt.[81] Mohlers Ideen schienen schnell Anklang in herrschenden Kreisen zu finden: Ab den 1960ern holt ihn die Siemens-Stiftung als Vorsitzenden ins Boot. Als regelmäßiger Autor für Zeitungen wie die Zeit oder die Welt erlangte Mohler erheblichen Einfluss auf den westdeutschen Konservatismus. Über seine Kontakte zu Franz Josef Strauß verfügte er zeitweise über einen direkten Zugang zur BRD-Politik.[82] Alle größeren Parteien, Verlage und Arbeitskreise, die der Neuen Rechten nahestanden, trugen später seine ideologische Handschrift. Sein Einfluss reichte tief hinein in die Führungsriegen der Deutschen Volksunion (DVU) und Republikaner (REP). In der Criticon oder der jungen Freiheit schrieb er nicht nur regelmäßig, sondern leistete auch Aufbauhilfe. Der Mohler-begeisterte Verleger und neurechte Stratege Götz Kubitschek bezeichnete ihn später als „Vordenker und Mentor unseres politischen Milieus“.[83] Es ist fraglich ob Mohler ohne das Kapital des ehemaligen Zwangsarbeitskonzerns Siemens so weit gekommen wäre,- in der Stiftung zog er noch bis 1985 die Fäden und scharte zahlreiche Gleichgesinnte um sich.[84]

Was ist nun das Neue an dieser Neuen Rechten? Der sowjetische Historiker Frumkin stellt fest: „Die Lehre der „konservativen Revolution“ richtete sich in erster Linie gegen die Ideologie der Arbeiterklasse, gegen den Marxismus. Sie lehnte aber jede Demokratie, auch die bürgerliche, jeden Parlamentarismus und Liberalismus, alle humanistischen Gleichheitsideen der Aufklärung und der französischen bürgerlichen Revolution, jeden Glauben an Menschenverstand und gesellschaftlichen Fortschritt rundweg ab.“[85]  In diesen rassistischen Ideen einer klaren Ordnung der Völker, von biologisch überlegenen Rassen, Lebensräumen und einer völkischen Reinkultur tauchen bereits die Versatzstücke der faschistischen Ideologie auf.

Was die Faschismusforschung der DDR und Sowjetunion bereits als ideologische Modernisierung erkannten und wir heute als Neue Rechte bezeichnen ist ein integraler der neofaschistischen Bewegung. Intellektuelle, Neurechte Denkfabriken und Organisationen der Konservativen Revolution sind objektiv Teil der gleichen politischen Bewegung die auch neofaschistische Schlägerbanden und nationalrevolutionäre Kleingruppen hervorbringt. Die Neue Rechte arbeitete gezielt in die Reihen des westdeutschen Konservatismus und bewegte sich in der Grauzone zwischen faschistischer Bewegung, Konservatismus und Liberalismus. Die Ideologie der Neuen Rechten ist eindeutig neofaschistisch.

Entlang des politischen Werdegangs der Deutschen Volksunion und der Republikaner können wir das plastischer machen. Sie waren neben der NPD die ersten beiden größeren Projekte zur Rehabilitierung einer faschistischen Partei in Deutschland.

3.3.1        Die Deutsche Volksunion

Die Deutsche Volksunion (DVU) wurde als Sammlungsbewegung genau dieser ideologischen Linie hochgezüchtet. Gerhard Frey, ihr Gründer, Geldgeber und politischer Führer, war der perfekte Kandidat für ein solches Projekt. Er pflegte enge Beziehungen zur CSU und Franz Joseph Strauß und war durch sein millionenschweres Verlagsimperium wohlwollend in die Kreise des deutschen Kapitals integriert.[86] Sein Beziehungsgeflecht reichte von BND-Gründer Reinhard Gehlen bis zum BRD-Innenminister Seidl. Mit dem ab 1969 einsetzenden Abwärtskurs der NPD und Sammlungsbewegungen wie Aktion Widerstand (viele gingen wieder zur CDU über) erkannten Gerhard Frey und seine Netzwerke die Gunst der Stunde. Frey beklagte, dass beide Organisationen „zu eng“ angelegt gewesen seien und sprach sich für eine offenere Partei aus. Die DVU-Mitgliederzeitung schrieb 1971: „Letzter Anlass für die Gründung war die sich steigernde Kapitulationspolitik der roten Regierung gegenüber dem Osten, insbesondere die Verträge von Moskau und Warschau … Die DVU ist keine Partei. Sie will alle verfassungstreuen Kräfte von mitte bis rechts zusammenführen“[87] Die rechtskonservative Stahlhelmfraktion innerhalb der Union versprach sich von der DVU-Gründung einen ständigen revanchistischen und extremen antikommunistischen Druck auf CDU und CSU. An der Gründungskonferenz beteiligten sich mehrere NPD, CDU und CSU-Mitglieder und zahlreiche Altnazis.[88] Mit der offen neofaschistischen Aktion Widerstand, kam es zuvor zu Absprachen. Sie begrüßten die Gründung, da sie in der DVU größere Möglichkeiten sahen „ins bürgerliche Lager zu wirken“.[89] Die aus der Aktion Widerstand stammenden Verleger der Zeitschrift Mut wandelten ihr Organ schrittweise zu einer nationalkonservativen neurechten Zeitschrift um, in der fortan auch CDU-Mitglieder publizierten. Selbst Helmut Kohl verfasste für die Zeitung einen wohlwollenden Leserbrief und gab sich als regelmäßiger Leser zu erkennen.[90]  Die DVU war mit ihrem Programm die erste größere politische Kraft, die ihre Politik im Sinne der Konservativen Revolution antrat. Die Kampagnen der DVU, für die man sich intellektuelle Rechte aus ganz Europa einlud, wurden zu einem zentralen Bindeglied hinein in liberal-konservative Kreise.

Die Deutsche Volksunion konnte sich durch die umfangreichen finanziellen Mittel und Netzwerke Freys beständig formieren und ab 1976 zu einer festen politischen Kraft heranwachsen. In den 1980er Jahren sollte die Partei auf eine Mitgliederstärke von anfänglichen 15.000 bis 25.000 ansteigen und in den 1990ern erste größere Wahlerfolge verzeichnen. An den Positionen der DVU zu Fragen der Migration, Europapolitik und dem Verhältnis zum deutschen Faschismus im Sinne einer Schuldkultbekämpfung wird die programmatische Nähe zur heutigen AfD deutlich.[91]

3.3.2        Die Republikaner

Mit dem Niedergang der sozialliberalen Regierung und dem neuen Antritt der CDU/CSU im Jahr 1982/83 entstand 10 Jahre nach der DVU-Gründung ein neuer Impuls. Der radikal-antikommunistische rechte Flügel der CDU war entsetzt über die von Franz Joseph Strauß bewilligten Milliardenkredite an die DDR und den vermeintlichen Linkskurs in der CDU/CSU. Dies führte 1983 zur Gründung der Republikaner durch die CSU-Mitglieder Ekkehard Voigt und Franz Handlos.[92] Ein weiteres Gründungsmitglied, der Fernsehmoderator Franz Schönhuber, war 1981 wegen beschönigender Aussagen zur Waffen-SS aus dem Dienst entlassen wurden.[93] In den Jahren zwischen 1985 bis 1989 kletterte die Mitgliederzahl der Republikaner von 2.500 auf 25.000 und die Partei zog in mehrere Landtage ein.[94]

Der Konservatismus in der Partei wurde zunehmend um nationalistische und revanchistische Ideen ergänzt. Hinter dieser Entwicklung standen die Politik Schönhubers und die Denkfabrik Deutschlandrat. Der Deutschlandrat entstand auf Initiative Armin Mohlers als Arbeitsgruppe der millionenschweren Siemens-Stiftung.[95] Vorsitzender Franz Schönhuber konnte sich mit seinem  Kurs der Unterstützung aus den Reihen der Mitgliederstarken Vertriebenenverbände sicher sein und die Partei für zahlreiche Neofaschisten öffnen.[96] Auch hier entstand eine interessante Parallele zur AfD, die ebenfalls als konservative Korrektur zur CDU entstand und sich anschließend immer tiefer ins neofaschistische Spektrum bewegte. Auch hier hatte eine Neurechte Denkfabrik entscheidenden Einfluss: das Institut für Staatspolitik. Ohne solche Denkfabriken wäre die Neue Rechte der Bundesrepublik kaum denkbar. Sie schulen Funktionäre und Kader, organisieren Strategien und Taktiken und knüpfen breite Netzwerke.

3.3.3        Verlage, Zirkel und Arbeitsgruppen

Eine nennenswerte Entwicklung dieser Neuorientierung in der neofaschistischen Bewegung war die Gründung des Thule Seminars im Jahr 1980. Die von Pierre Krebs und dem Verlegerehepaar Grabert in Kassel gegründete Denkfabrik versammelte zahlreiche Mitglieder von CDU/CSU, NPD und DVU mit dem Ziel Strategiedebatten „zur Erringung der kulturellen Hegemonie“ zu führen und eine „Kulturrevolution von rechts“ durchzuführen.[97] Neben dem Thule Seminar fungierte die Zeitschrift Criticon als Theorieorgan für rechtskonservative und neofaschistische Intellektuelle.[98]

Im Zusammenhang mit diesen neuen Entwicklungen entstand 1986 ein weiteres wichtiges Organ zur Debatte und strategischen Orientierung:  die junge Freiheit. Die Zeitung richtete sich vorrangig an studentische Kreise und widmete sich „Aktivitäten im nationalkonservativen vorpolitischen Raum“.[99] Sie vollzog damit den Spagat zwischen Konservatismus und neofaschistischen Kreisen. Auch die Gründer des Instituts für Staatspolitik Karl Heinz Weitzmann und Götz Kubitschek schrieben regelmäßig für die Junge Freiheit, welche ab den 1990ern auch Sommeruniversitäten organisierte. Heute sind zahlreiche Mitglieder und Sprecher der AfD ehemalige Autoren des Blattes.[100] Der CDU-Stahlhelmer und spätere AfD-Bundessprecher Alexander Gauland offenbarte in einem Interview: „Wer die AfD verstehen will, muss die ,Junge Freiheit’ lesen.“[101]

Durch den Aufschwung der Neuen Rechten wurde im Theorieorgan Criticon breit darüber diskutiert, wie Parteien wie die Deutsche Volksunion (DVU) und Die Republikaner dazu beitragen können, vermehrt Einfluss auf den Konservatismus in Deutschland zu nehmen. Darüber hinaus wurden Bestrebungen zur Formierung einer geeinten Partei diskutiert, wodurch der Blick zahlreicher Autoren auch vermehrt auf die Republikaner fiel. 1989 formulierte der Neurechte Ideengeber Karl-Heinz Weißmann: „In dieser Perspektive erscheinen die Republikaner eher als erster Aggregatzustand einer künftigen konservativen Basisbewegung, die innerhalb und außerhalb des parlamentarischen Raumes agieren muss.“[102]

3.4         Schlussfolgerungen

Die neofaschistische Bewegung war historisch immer entlang des rechten Randes der CDU/CSU organisiert. Die Neue Rechte, ihre Denkfabriken, Parteien und Zeitungsorgane forcierten und bestärkten diese Orientierung auf konservative und liberale politische Kreise. Die Reorganisierung der neofaschistischen Bewegung bedeutete eine Hinwendung zu den Ideen der Konservativen Revolution und der Strategie des Hineinwirkens in liberale gesellschaftliche Kreise. Projekte wie die Deutsche Volksunion oder die Republikaner, die der CDU/CSU abtrünnig wurden, sollten die neofaschistische Bewegung politisch reorganisieren, um in das konservativ-liberale Lager hineinzuwirken. DieNeue Rechte der 1970er und 80er warebenso in kleineren Verlagen, Zirkeln und Arbeitskreisen organisiert, um parteipolitisch-unabhängig Einfluss nehmen zu können.

Die Führung der DVU und der Republikaner waren jederzeit bestens in die Kreise der herrschenden Politik integriert. Auch Teile des deutschen Kapitals standen den Neuen Rechten hilfsbereit zur Seite – die Siemens-Stiftung bot Neofaschisten jahrelang einflussreiche Spitzenposten; die Daimler-Benz-Stiftung finanzierte das neurechte Studienzentrum Weikersheim; auch die Zeitung der NPD wurde durch Inserate von Konzernen wie Bayer und Bertelsmann unterstützt.[103] Diese Parteien waren Projekte die man gezielt im Interesse des BRD-Imperialismus und seiner Politik aufbaute. Die antikommunistischen, revanchistischen und faschismusrelativierenden Theorien sollten im nationalistischen Freudentaumel der „Wiedervereinigung“ gefragter sein denn je. Im Rahmen der „DDR-Aufarbeitung“ konnten die DDR und ihr Antifaschismus nicht genug geschmäht werden.

In der BRD zählten allein die Mitgliederzahlen der DVU, der Republikaner und der NPD in den 1980er Jahren zusammen etwa 58.000 organisierte Anhänger neofaschistischen Gedankengutes.[104] Hinzu kommen die Mitglieder der zahlreichen SS- und Wehrmachtstraditionsverbände sowie der Landsmannschaften und Vertriebenenverbände und der dutzenden neofaschistischen Kleingruppen. Das Entscheidende ist: Sie alle konnten legal arbeiten und wurden staatlich unterstützt. Reinhard Opitz untersucht dieses gesamte Spektrum in seiner Breite und Gänze deutlich genauer. Ein Blick in seine Schrift „Faschismus und Neofaschismus“ lohnt sich also.

Eine Arbeitsgruppe des Institutes für Staatspolitik zieht folgendem Schluss: „Allerdings ist schwer vorstellbar, dass es ohne Zusammenbruch des Ostblocks und die Wiedervereinigung Restdeutschlands so rasch zu einer Renaissance der konservativen Rechten gekommen wäre.“[105] Die etablierte BRD-Politik,- seine Medien und Geheimdienste lieferten die nötigen Argumente, Finanzen und Straffreiheiten für die Wiedergeburt rechten Terrors und Fremdenhasses.

4          Neofaschismus in der DDR

Bei diesem Thema offenbart die deutsche Medienlandschaft abermals, mit welchem Eifer gegen die DDR gehetzt wird, um sich selbst von den eigenen faschistischen Kontinuitäten in der BRD reinzuwaschen. Die auf ihr Ende zusteuernde DDR sei von Neonazis durchsetzt gewesen. Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt von einer „vertuschten Gefahr“[106], während der Deutschlandfunk erkannt haben will, dass der Neofaschismus ein hausgemachtes Problem gewesen sei und unter der Oberfläche der DDR regelrecht gebrodelt habe.[107] Dabei beziehen sich nahezu alle Artikel prominent auf den Skinhead-Überfall auf die Zionskirche im Jahr 1987.

Ziehen wir Bilanz und legen unser Augenmerk auf den Niedergang der DDR. Die immer offeneren Auflösungstendenzen im Sozialismus brachten in den späten 1980er Jahren auch vereinzelte neofaschistische Aktivitäten hervor. Zusammenschlüsse von Neonazis vor der Grenzöffnung waren maßgeblich von faschistischen Strukturen aus der BRD und ihrer Subkultur beeinflusst. Der Aufbau von braunen Netzwerken und Gruppierungen war kaum möglich. Diese, in ihrer Organisierung stark gehinderten, Gruppierungen waren marginal und wurden (wie jegliche faschistische Propaganda) verfolgt.[108] Die Größe neofaschistischer Zusammenhänge überstieg kaum die von Kleingruppen mit 10-12 Anhängern.[109]

Und dennoch: In Teilen gewaltorientierter Fußballfans und der ohnehin von Antikommunismus geprägten „Subkultur“ in der DDR entwickelten sich rassistische und nationalistische Skinhead-Gruppen, nach westlichem Vorbild.[110] Ein verordnetes Schweigen über diese Umtriebe gab es nicht. Die Aktuelle Kamera der DDR berichtete beispielsweise umfangreich über Grabschändungen auf dem jüdischen Friedhof in Ostberlin. Filme wie „Unsere Kinder“ setzten sich mit der entstehenden neofaschistischen Szene auseinander.[111] Der Gerichtsprozess gegen die neofaschistischen Schläger von der Zionskirche wurde sowohl medial als auch öffentlich begleitet.[112]

Die Behörden der DDR, die mit Abteilungen in der Staatssicherheit solche Umtriebe genau beobachteten, reagierten umgehend mit Repressionsmaßnahmen. Allein im Jahr 1988 wurden 94 Skinheads für ihre Hetze und Fremdenfeindlichkeit verhaftet, und eine Arbeitsgruppe des Innenministeriums zur Erforschung und Bekämpfung der rechten Skinheads wurde aufgestellt. In den FDJ-Gliederungen wurden diese Entwicklungen diskutiert und sich über mögliche Gegenmaßnahmen beraten.[113]

In den Diskussionen der FDJ wurde gleichermaßen ein schwindender Einfluss auf die Jugend konstatiert. Gleichzeitig ergaben die Gerichtsprozesse gegen die faschistischen Schläger, dass bereits in den Arbeits- und Schulkollektiven kaum eine Auseinandersetzung mit der Denk- und Handlungsweise der Neonazis stattfand. Eine Ursachenforschung der Sektion Kriminalistik der Humboldt-Universität zu Neofaschisten und Rechtsradikalen ergab im Dezember 1989, dass die fruchtbare und gezielte Agitation westlicher Neofaschisten sowie die gesellschaftlichen Probleme in der DDR zwei Hauptursachen darstellten.[114]

Die Vermittlung antifaschistischer Inhalte in den FDJ-Jugendprogrammen und dem Schulunterricht der DDR war offensichtlich nicht mehr so fruchtbar wie zu Beginn der DDR. Auch die antifaschistischen Massenorganisationen standen teilweise weit abgeschlagen neben ihren eigentlichen Aufgaben und häuften Karteileichen an. Anspruch und Wirklichkeit des DDR-Antifaschismus klafften immer offener auseinander. Das schrittweise Zusammenbrechen des Arbeiter- und Bauern Staates zeigte sich am deutlichsten im Versagen der Massenorganisationen und der SED, welche die Interessen und Entwicklungen in der Gesellschaft weder konstruktiv aufnehmen konnten, noch dazu fähig waren mit Unzufriedenheiten umzugehen. Wo die gesellschaftlichen Organisationen des Sozialismus versagten und nicht mehr ein Ort der Kollektivität und des gemeinsamen Zusammenlebens darstellten, entstanden Individualismus, Zynismus, Rückzug ins Private und Apolitische oder eben in Szenen und Subkulturen wie die der Neonazis.

Die Untersuchungen der Arbeitsgruppe des DDR-Innenministeriums legten offen, dass sich Neo-Nazis aus Ost und West konspirativ trafen und austauschten: „Das Knüpfen von kommunikativen Verbindungen diente der Entwicklung von Kommunikationsbeziehungen. Die Kommunikation diente dem Transport von Informationen und dem Materialaustausch. Diese Kooperation war daher geeignet, den beteiligten Gruppen Anstöße zur weiteren Entwicklung zu geben. Um kooperationsfähig zu sein, müsste man etwas „bieten“ können, mit Organisationsqualität und Erfolgen eigener Aktivitäten aufwarten können.“[115] Besonders häufig seien Propagandamaterialien der Republikaner, der Freien Arbeiter Partei (FAP) und der NPD durch direkte Reisen und konspirative Treffen in DDR in Umlauf gebracht worden.[116] Hinzu kam die von V-Leuten infiltrierte Nationalistische Front die Kontakte in die Skinhead und Hooligan Szene der DDR aufbaute.[117] Kader der Nationalistischen Front nutzten beispielsweise Kontakte hinein in Ostberliner Fußballclubs wie Union Berlin und den BFC-Dynamo. Anführer Andreas Pohl erhielt deswegen ab 1985 ein Einreiseverbot in die DDR.[118] Später sollte sich der Rechtsradikalismus quer durch die Fußballclubs der ehemaligen DDR-Ligen ziehen: Lokomotive Leipzig, Energie Cottbus, Hansa Rostock und der Chemnitzer FC blicken bis heute auf rechte Strukturen in ihren Reihen zurück. Im Falle des Chemnitzer FC seien hier die Gruppen HooNaRa (Hooligans, Nazis, Rassisten), die NS-Boys oder Kaotic Chemnitz erwähnt. Von ihnen gehen seit den Neunzigern brutale Gewaltaktionen aus, wie der Mord an Patrick Thürmer, Kontakte zum NSU (Nationalsozialistischen Untergrund) oder die Hetzjagden in Chemnitz 2018.

Zurück zur DDR: Dort entstand der Neofaschismus nicht als der Sozialismus stark war, sondern als er bröckelte – allein das ist bezeichnend für die letzten Jahre des Sozialismus. Vorbild der jungen Nazis war immer die neofaschistische Bewegung des Westens, die fleißig Impulse lieferte.

Die Ermittlungen der Staatssicherheit ergaben ein rechtsradikales Personenpotential von 1067 Personen, größtenteils Skinheads. Die größtenteils in Berlin ansässigen Rechtsradikalen waren bestens mit Westberliner Neofaschisten vernetzt. Sie nutzten ihre Musik und ihr Propagandamaterial.[119]

Kaderschulungen, eigene Organe, größere Vernetzungsmöglichkeiten, geschweige denn staatliche Finanzierung oder Unterstützung – das war undenkbar solange die SED an der Macht blieb.

Die antifaschistische Kultur und Bildung wurde von der Paralyse und Entfremdung nahezu aller Organisationen der DDR erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Zahlreiche nach 1990 vorgenommene Studien weisen trotzdem eindeutig nach, dass die ostdeutsche Gesellschaft ein deutlich höheres „Problembewusstsein und Wissen über die faschistische Vergangenheit“ hatte – und zwar in allen Generationen. Ein Abwärtstrend der Jahrgänge ab 1972 wird zwar an verschiedenen Stellen deutlich,- übertraf dennoch weiterhin den Wissensstand der BRD-Bevölkerung.[120] In diesem Abwärtstrend zeigt sich das Problem der DDR-Organe mit Generationen umzugehen, die in den Sozialismus hineingeboren wurden und viele politische und soziale Errungenschaften für Selbstverständlich hielten.

Eine Emnid Umfrage aus dem Jahr 1991 (da war die neofaschistische Bewegung im Osten bereits stark) stellte fest das 16% der Westdeutschen Bevölkerung eine „extrem antisemitische“ Einstellung vertraten, während dies nur für 4% der DDR-Bevölkerung zutraf.[121] Deutlicher wird die Tendenz anhand von Straftaten. In 40 Jahren DDR wurden 85 jüdische Friedhöfe geschändet. Die BRD verzeichnet im gleichen Zeitraum 1400 Grabschändungen.[122]

Vor Öffnung der Grenze waren von der BRD freigekaufte Faschisten ein bedeutender Faktor zum Aufbau von Verbindungen in die DDR hinein. Im Gegensatz zur BRD waren die Gefängnisse der DDR gefüllt mit alten und neuen Nazis. Sie saßen ein für Verbrechen im Hitlerfaschismus oder Rassenhetze, Gewaltaktionen oder Propaganda in der DDR – häufig jedoch in den gleichen Gefängnissen und mit Möglichkeiten zum Austausch untereinander.[123] Um sich Devisen zu beschaffen überlies die DDR-Häftlinge, die ohnehin in ausreisen wollten, der Bundesrepublik und erhielt im Gegenzug mehrere tausend D-Mark pro Häftling. Von dem Geschäft profitierten auch dutzende Faschisten die in den Gefängnissen kaum politische Arbeit leisten konnten.[124] Sie erhielten in der BRD ihre Freiheit, galten zum Teil als politisch verfolgt und konnten ihre Arbeit wieder aufnehmen. An diesem Beispiel wird besonders deutlich zu welch fatalen Fehlschlüssen das Devisenproblem in der DDR führen konnte.

Unter den freigekauften Faschisten waren nicht wenige, die nach 1990 wieder ihre Arbeit im Osten aufnahmen. Da ist beispielsweise, der 1967 inhaftierte und ein Jahr später freigekaufte, Faschist Arnulf Priem. Er konnte seine Erfahrungen aus der DDR in Michael Kühnens Netzwerk Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front einbringen. Auch ein späterer Cottbusser Führungskader des Netzwerkes war in den 1980ern zuerst für Verbindungsaufnahme zu Westnazis inhaftiert worden, wurde dann aber freigekauft und ebenfalls in das besagte Netzwerk aufgenommen.[125]

Das Netzwerk stellte sich in den 1980ern zunehmend zu einer breiten Dachorganisation zusammen, die nicht nur Kontakte in die DDR in den Blick nahm, sondern auch bestens mit Neofaschisten aus den USA und weiteren Ländern vernetzt war.[126] Die Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) unterhielt dutzende Vorfeldstrukturen und enge Kontakte zu zahlreichen Parteien.[127] Nicht nur die Vorfeldorganisationen, sondern auch die Führungsriege waren mit V-Leuten durchsetzt, die ihre nicht gerade knappen Verfassungsschutz-Gehälter in die politische Arbeit investierten.[128] Der Anführer Michael Kühnen war nicht nur europaweit in der faschistischen Bewegung vernetzt, sondern unterhielt auch Kontakte zum Verfassungsschutz. Während das niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz sämtliche Akten zu diesen Umtrieben und Netzwerken nicht mehr vorfinden kann, deckt ein Dossier der Staatssicherheit die Verbindungen auf. Die Staatssicherheit, welche seit 1970 Untersuchungen zu Kühnen sammelte und seine politische Arbeit genau beobachtete stellt in einem Bericht fest, dass Kühnen nach einer Haftentlassung 1982 mit einem Fahrzeug des niedersächsischen Verfassungsschutzes (LfV) vom Gefängnis abgeholt wurde.[129] Der überlieferte „Sachstandsbericht“ der für funkelektronische Aufklärung zuständigen Hauptabteilung (HA) III zog folgendes Fazit: „Möglicherweise war die mehrjährige Inhaftierung des K. dazu genutzt worden, ihn als Informanten oder für eine Zusammenarbeit in anderer Form zu gewinnen.“[130] Wenige Jahre später entwickelten Kühnen ein Strategiepapier für die Dachorganisation GdNF, namens „Arbeitsplan Ost“. Diesen Arbeitsplan nahmen sich sämtliche Vorfeldstrukturen, sowie andere neofaschistische Organisationen und Parteien an. Die Grenzöffnungen vom 9. November 1989 gaben den Startschuss. Michael Kühnen konnte laut eigenen Aussagen, „mithilfe ortsansässiger Kameraden“ einen Grenzübergang passieren.[131] Dutzende Neofaschistische Kader folgten Kühnens Polit-Joint-Venture in die DDR.

5          Aufbau einer neofaschistischen Bewegung in Ostdeutschland

5.1         Übersiedeln, Anheizen, Losschlagen – Nazis nach der Grenzöffnung

Die nun in der DDR aktiven Neofaschisten bauten Strukturen und Gruppen auf und gingen rasch dazu über Immobilien und Häuser zu kaufen, oder zu besetzen, um ganze Stadtviertel zu dominieren. Es sollte nicht lange dauern bis diesem, vor allem auf die Jugend fokussierten Aufbau, Gewaltakte und Pogrome gegen Antifaschisten und Ausländer folgten. Unter der Schirmherrschaft Michael Kühnens und des Netzwerkes Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front, wurden Ableger der FAP und NPD aufgebaut und dutzende neue Organisationen aus dem Boden gestampft,- so auch die Lichtenberger Front, oder die Deutsche Alternative.[132] Unter die Montagsdemonstrationen mischten sich immer häufiger und auffälliger neofaschistische Akteure, die einen Anknüpfungspunkt im antikommunistischen Charakter der Demos fanden. Neofaschisten konnten spätestens ab März 1990 unwidersprochen mit Bannern und Transparenten auftreten.[133]

Die Amnestie für politische Gefangene der DDR vom 6. Dezember 1990 stärkte von einer Entlassung zur Nächsten schrittweise die Reihen der Neofaschisten.[134] Unter Ihnen waren auch die Schläger vom Überfall auf die Zionskirche, sowie der spätere „Führer von Berlin“ Ingo Hasselbach.[135] Die größtenteils entweder freigelassenen, oder aus Westdeutschland eingereisten faschistischen Kader unterstützten nicht nur den Aufbau von Strukturen und Netzwerken, sie tourten auch mit verschiedenen Vorträgen als Redner quer durch die ehemalige DDR. Auch Faschisten aus anderen Ländern beteiligten sich an diesem Aufbau. So wurde beispielsweise auf Einladung der Deutschen Volksunion David Irving nach Dresden einzuladen um in mehreren Reden den Mythos des „alliierten Bombenholocausts“ zu prägen. Die Kosten seiner Aufträge und Reden übernahm Millionär und DVU-Gründer Frey.[136]

In Berlin gründete der freigelassene Neonazi Ingo Hasselbach in Zusammenarbeit mit Michael Kühnen die Nationale Alternative. Die 800 Mitglieder starke Organisation, besetzte ein Haus und hortete dort über 100 Maschinengewehre und 20 Panzerfäuste. Gegen das Haus in der Weitlingstraße fanden regelmäßig antifaschistische Demonstrationen statt. In nahezu allen Städten wurden Nazi-Strukturen aufgebaut.[137] In Cottbus überlies Kühnen dem Österreicher Gottfried Küssel die Führung. Der gewaltbereite Faschist und Holocaustleugner gilt heute als politischer Ziehvater Martin Sellners, der sich heute um ein weniger offen faschistisches Image bemüht.[138]

Die gesteigerte Aktivität dieser neofaschistischen Gruppen ging Hand in Hand mit Gewaltexzessen und Pogromen. Jüdische Friedhöfe und Gräber für Rotarmisten und Kommunisten wurde verschandelt. „Sau Juden“ und „Juden Raus“ Schmierereien wie jene am Grab von Helene Weigel und Bertolt Brecht waren kein Einzelfall.[139] Auch die Gedenkstätte am Treptower Park fiel neofaschistischen Randalierern zum Opfer, die Sarkophage und Statuen zu Ehren der sowjetischen Befreier wurden mit faschistischen Losungen beschmiert. Die Aktion blieb allerdings nicht unbeantwortet und hatte einen starken antifaschistischen Protest zur Folge, dem sich am 3. Januar 1990 250.000 DDR-Bürger anschlossen.[140] Auf Montagsprotesten und eigens organisierten Demonstrationen waren zum ersten mal seit dem Putschversuch von 1953 wieder lautstark rechtsradikale Parolen wie „Rotfront Verrecke“ oder „Kanaken Raus“ zu hören.[141]

Den Parolen und Schmierereien folgten Angriffe und Pogrome. 1992 werden so viele rechtsradikale Gewaltdelikte verzeichnet, wie nie zuvor seit 1949 auf dem Gebiet der BRD. Ohne das bewusste Wegschauen bundesdeutscher Behörden, sowie der Aufbau-Unterstützung durch den Verfassungsschutz wäre das undenkbar gewesen. In Dresden, Leipzig, Halle, Jena und Weimar konnten rechtsradikale Mobs nahezu ungehindert Angriffe und Brandanschläge verüben.[142] Die Pogrome von Hoyerswerda und Rostock sind sicherlich bekannt. Mehrer Tage lang konnten gewaltige Mobs Jagd auf Ausländer machen. Diejenigen die klatschten und zuschauten, waren sicherlich nicht von den faschistischen Gruppen mobilisiert wurden, sondern vorrangig durch die rassistischen Hetzkampagnen in den deutschen Medien. Die tagelangen Verfolgungen und Angriffe auf Ausländer wurden medial flankiert von Berichterstattungen über das sogenannte „Asylproblem“, während die Polizei die Faschisten gewähren ließ.[143]

Die CDU/FDP-Bundesregierung nutzte die Welle rassistischer Gewalt, um die von ihr selbst entfachte „Asyl-Debatte“ weiter anzuheizen und zwar bis zur de facto Abschaffung des Grundrechts auf Asyl im Juli 1993. Unmittelbar nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen erklärte der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende im Schweriner Landtag, Eckhardt Rehberg: „Dass die Ausländer unsere Sitten und Gebräuche nicht kennen und vielleicht gar nicht kennenlernen wollen, stört die Befindlichkeit unserer Bürger.“[144]  In der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1990, der Nacht zur endgültigen Annexion der DDR, griffen über 1500 bewaffnete Neonazis in teils pogromartigen Situationen Antifaschisten, Hausbesetzer und Vertragsarbeiter in der DDR an. Insgesamt kam es zu 30 gewalttätigen Angriffen in verschiedenen Städten.[145]

Auf Dauer wäre ein solcher Ausnahmezustand dem bürgerlich-parlamentarischen Ansehen der BRD nicht sehr zuträglich gewesen. Hoyerswerda und Lichtenhagen hatten ihren Zweck erfüllt: Der Asylkompromiss stand, die faschistische Bewegung auch. Mithilfe der Polizei sollte die allzu offene Straßengewalt künftig eingedämmt werden. Um die Nazis ein wenig zu zähmen, machte Bundesjugendministerin Merkel 20 Millionen D-Mark für „Jugendarbeit im Osten“ locker. Das Geld floss in Projekte, in denen Neonazis weitestgehend unter sich blieben, keine Spur von Sozialarbeitern, geschweige denn antifaschistischer Aufklärung. Ganz im Gegenteil konnten Neonazis diese Gelder für eigene Räumlichkeiten und Subkulturen aus den kommunalen Fonds nutzen. In einem NDR-Interview vom Oktober 1992 erklärt der junge Neonazi Andreas Irrgang völlig gelassen, wie sie Gelder und Räume vom Jugendamt und Rat der Stadt beantragen, um Plakate für die Jungen Nationalisten (JN) herzustellen. Nazis auf Jobsuche konnten sich so auch schnell in der Jugendarbeit mit einer sicheren Anstellung wiederfinden und sich die Organisation rechter Zeltlager als soziale Arbeit auszahlen lassen. All das hatte System. Merkel hatte, wie ein Interview beweist, Kenntnis von der rechten Unterwanderung und blieb tatenlos.[146]

Faschisten konnten sich mit finanzieller Unterstützung des Verfassungsschutzes und weitestgehend unbehelligt von der Polizei auf dem Gebiet der DDR breit machen und in allen großen Städten Netzwerke und Strukturen aufbauten, die vorher verboten und verfolgt worden wären. Die Gewaltexplosion der frühen 1990er kostete dutzende Leben und ist bis heute nicht aufgeklärt. Die bundesdeutsche Politik unterstützte diese faschistische Siedlungsbewegung durch ihr Wegschauen und profitierte maßgeblich von ihr, während Springerpresse und Co. mit ihrer „Das Boot ist voll Rhetorik das passende Futter lieferten.

Dieser ganze Prozess, den wir hier bruchstückhaft abbilden konnten, verlief als politisches Projekt der Konterrevolution und zur Niederschlagung einer ganzen Gesellschaft. Die Baseballschläger- und Springerstiefelnazis waren nur ein kleines, wenn auch damals sehr bedeutsames, Phänomen in dieser gesamten Entwicklung.

Antifaschistische Gruppen, Bewegungen und Aktionen lassen sich vor allem auf drei gesellschaftliche Bereiche zurückführen. Da waren einerseits erste Antifa-Gruppen die bereits in der späten DDR entstanden und sich in Folge der politischen Entwicklungen ausbreiteten. Sie waren häufig von starkem Antikommunismus und Antiautoritarismus geprägt. Auch die noch junge antideutsche Bewegung fand hier schnell Anklang. Vernetzungsversuche zur westdeutschen Antifabewegung blieben häufig erfolglos. Antifaschismus als Kampffeld wurde und wird von ihnen häufig vereinzelt und getrennt von anderen Kämpfen behandelt. Dadurch sektierte sich die ostdeutsche Antifabewegung zügig von der Arbeiterklasse, die gerade die volle Wucht der Treuhandpolitik zu spüren bekam.

Außerdem gingen von den reformistischen Überbleibseln der SED, der Partei Demokratischer Sozialismus (PDS, heute die LINKE), einige antifaschistische Bestrebungen aus. Auch hier herrschte ein ambivalentes Verhältnis zu marxistischem und antiimperialistischen Antifaschismus. Außerdem gingen auch immer wieder spontane Protest- und Gedenkaktionen aus der ehemaligen DDR-Bevölkerung selbst hervor. An vielen Stellen meiner Recherche tauchen diese antifaschistischen Gegenwehrmaßnahmen bereits auf. Dennoch sei hier nochmal konkreter darauf verwiesen und gleich mit angemerkt das die Auseinandersetzung mit der antifaschistischen Bewegung eines eigenen Textes bedürfte.[147]

5.2         Soziale Ursachen und Desorganisierung

Mit dem „Einigungsvertrag“, der „Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion“, dem „Rückgabe-vor-Entschädigungs-Gesetz“, der „Altschuldenregelung“, sowie der vom Bund garantierten Straffreiheit für die Treuhandanstalt wurde der Ausverkauf vorbereitet und ermöglicht.[148] 1993 fanden sich 3 Millionen DDR-Bürger in Arbeitslosigkeit wieder.[149] Nahezu sämtliche Großbetriebe und Kombinate der DDR wurden eingestampft oder Investoren hinterhergeworfen. Das einstige Volkseigentum wurde zu 85 Prozent an Westdeutsche, zu 10 Prozent an internationale Investoren und nur zu knapp 5 Prozent an Ostdeutsche übertragen.[150]  Faktisch wurde Kapital im Wert von 850 Milliarden DM fast ausschließlich an die deutschen Monopole verschachert. Dazu kamen noch die Ersparnisse der DDR-Bürger die sich westdeutsche Versicherungen, Banken etc. aneigneten.[151]

Was diese Abwicklung für die Gesellschaft der DDR bedeuten sollte, beschrieb Ringo Ehlert auf der Hauptfeindkonferenz 2010 ausführlich und zutreffend. Der Schock der Massenarbeitslosigkeit in der DDR lag nicht einfach nur im Jobverlust per se. Die Arbeit in der DDR war mehr als nur ein Job. In den Arbeitskollektiven entstanden feste soziale Bindungen und gemeinsame Aktivitäten. Mit Blick auf die Zerschlagung dieses Lebens formuliert Ehlert:

„Das Auseinanderbrechen der Kollektive durch die Massenentlassungen war sehr oft nur das Ende einer Hatz, in der nun genau der Individualismus und Egoismus wieder sein Haupt erhob, der gerade durch die solidarische Struktur der Kollektive und die Integration vieler sozialer Aspekte ins Kombinat zurückgedrängt werden sollte. Die Ungewissheit schürte dies und brachte nun einen widerwärtigen Konkurrenzkampf um die schwindenden Arbeitsplätze hervor. Schnell bemerkte man, dass nicht diejenigen ihren Arbeitsplatz ein wenig länger behielten, die für den Zusammenhalt der Kollektive eintraten, sondern diejenigen, die sich vermeintliche Vorteile verschaffen konnten, die für sich im Verborgenen Absprachen trafen, denunzierten und sich den neuen Besitzern anbiederten. Mit dem Wegbrechen der Produktionsverhältnisse der DDR und der Transformation in die privatkapitalistische Produktion – in der annektierten DDR hieß das zuallererst Schließung der Produktionsstätten – kamen schnell all die typischen Begleiterscheinungen des »althergebrachten« Lohnarbeitsverhältnisses wieder.“[152]

Dutzende Gruppen verloren zahlreiche rechtliche Errungenschaften, sowie die Gleichstellung am Arbeitsplatz und ihr Recht auf Arbeit im Allgemeinen.[153] Die massenhafter Aberkennung von Dienstjahren und Qualifikationen, die Aberkennung der Existenzberechtigung ganzer Produktions- und Forschungsbereiche und ganzer Lebensleistungen bildeten nur einen Teil des neoliberalen Psychoterrors der mit den Märzwählen 1990 nochmal Fahrt aufnahm. Viele ländliche Regionen wurden bis heute regelrecht entvölkert. Insgesamt verließen 2 Millionen Menschen die DDR.[154] 

Hundertausende Demonstrierten in dieser Zeit gegen die Werksschließungen und die Massenarbeitslosigkeit. International begannen Arbeiter sich mit ihnen zu solidarisieren. Auch in Ostdeutschland selbst kannte die Solidarität keine Grenzen: Künstler und Kulturschaffende beteiligten sich an Aktionen der Arbeiter und umgekehrt. Es ging darum seine Heimat nicht zu verlieren. Nicht selten, wie bspw. im Fall von Bischofferode, ging es sogar um die Überlebensinteressen ganzer Regionen. Für die Regierung Kohl und die westdeutschen Monopole entwickelte sich ein immer ernsteres Problem. Wohin die deklassierten Millionenmassen ihre Wut lenken sollten, diktierte Ihnen seit 1990 die Springerpresse: Auf die Schwächsten, die Asylanten, die roten Socken und Linken. Die gezielt geschürte gesellschaftliche Verrohung fand viele Ventile, darunter auch die neofaschistische Bewegung. Darin lag die gesellschaftliche Funktion des Neofaschismus zu jener Zeit.

Das politische Leben in der DDR, auch der Antifaschismus, war immer über verschiedene Kollektive organisiert, diese wurden nun zerschlagen. Hinzu kamen die antikommunistischen Medienkampagnen und die wirtschaftlichen Folgen der Konterrevolution und Annexion. In diesem Prozess wurden nahezu sämtliche soziale Beziehungen auf den Kopf gestellt. Eins wird dabei deutlich: Zwischen Armut und Fremdenhass besteht kein Automatismus. Vielmehr waren es die fremdenfeindlichen Medienkampagnen, der neu erzeugte Konkurrenzkampf, die Spaltung und die gleichzeitige Zerschlagung und Desorganisierung von jeglichem Kommunismus und Antifaschismus mit welcher der Neofaschismus gestärkt wurde.

Die fortwährende Politik des sozialen Kahlschlags und des Ausverkaufs ist bis heute in nahezu allen Belangen der ostdeutschen Gesellschaft deutlich: Armut, Arbeitslosigkeit, ein riesiger Niedriglohnsektor, niedrigere Renten, Abwanderung von Arbeitskräften, Überalterung und weniger Industrieproduktion, um nur einige wenige Aspekte zu benennen die einem eigenen Artikel bedürften. Die ganze Vermögens- und Klassenstruktur der ostdeutschen Gesellschaft unterscheidet sich bis heute drastisch von der Westdeutschen. Dementsprechend hat auch der Klassenkampf stark ausgeprägte Spezifika und Besonderheiten. Das zeigen die im Osten deutlich stärkeren Hartz-IV Proteste der 2000er Jahre, sowie die schwächer aufgestellten Gewerkschaften und Betriebsräte. Auch die die antifaschistische Bewegung und Friedensbewegung in Ostdeutschland schauen auf eine weitestgehend andere Tradition und Geschichte zurück – auch die kommunistische Bewegung ist davon nicht ausgenommen. All diese Faktoren müssen wir berücksichtigen, wenn wir uns dem ostdeutschen Neofaschismus widmen. Vor allem müssen wir genau sein und dürfen uns nicht von einfach erscheinenden Zusammenhängen (wie sie viele Medien präsentierten: Osten = Arm = Rechts) täuschen lassen.

Man muss verstehen, dass die Arbeit, die Freizeit, das politische Leben und die Kultur – alles was das Leben bis 1989 ausmachte – abgeschafft und neue Verhältnisse übergestülpt wurden. Verhältnisse die ein absoluter Großteil damals nicht wollte und bis heute nicht will. Konkreter betrachtet können wir feststellen, wie soziale Einrichtungen, Angebote und Beziehungen restlos zerstört wurden, die ein kapitalistischer Staat nicht bieten kann. Hier knüpften die Neofaschisten an. Die rechte Hegemonie in Ostdeutschland baut immer mehr auf einer Zivilgesellschaft von Rechts auf,- einer „neuen“ Massenbasis der Rechtskonservativen und Neofaschisten. Ihre Ursprünge hat sie in den Leerstellen die ab 1990 durch Neofaschisten besetzt wurden. Sie profitieren bis heute von fehlenden sozialen Perspektiven in Stadt und Land. Neofaschisten agitieren gezielt in Vereinen und Orten des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Bis heute siedeln Neofaschisten aus dem Westen der Republik in vorrangig ländliche Regionen Ostdeutschlands. Was häufig als „Normalisierung“ bezeichnet wird, müssen wir zutreffend als bewusstes wegschauen und gewähren lassen seitens der Politik bezeichnen. Viele antifaschistische Projekte haben hier versagt und sich in der eigenen Subkultur von derartigen Problemen losgesagt. Dennoch sind vor allem jene Antifaschisten, die sich an Orten der absoluten Unterlegenheit und Defensive gegenüber den Faschisten aufrecht und ehrlich entgegenstellen sehr positiv hervorzuheben. Viele Initiativen, die nicht das „Privileg“ eigener Zentren und Szene genießen, riskieren oft ihre Privatsphäre und Gesundheit im Kampf gegen Neofaschisten. Der Faktor der sozialen Desorganisierung unterstreicht in besonderer Form, welche Bedeutung das Zusammenwirken sozialen Forderungen und Bewegungen, breiter Agitation und Bildung, sowie der Rolle von Antifaschismus als Massenarbeit hat.

Im Folgenden wollen wir genauer nachvollziehen, welche Rolle der Neofaschismus für die Herrschende Klasse im Deutschland der 1990er Jahre hatte. Die Betrachtung bietet bestenfalls einen aufschlussreichen Überblick, der dazu anregt solche Funktionen an der heutigen Zeit zu überprüfen.

5.3         Die Rolle des Neofaschismus im Prozess der Annexion

Welches Interesse hatte das westdeutsche Kapital an einer derartig heftigen Verbreitung des Neofaschismus? Welche Funktion erfüllten die rechtsradikalen Gruppen und Netzwerke für die BRD?

Die Rolle des Neofaschismus in der annektierten DDR bestätigt Reinhard Opitz’ Analyse zur Funktion des Neofaschismus in monopolkapitalistischen Gesellschaften. Der marxistische Faschismusforscher untersuchte den Faschismus sowohl als Herrschaftsform als auch als Bewegung und zog daraus wertvolle Erkenntnisse für die Auseinandersetzung mit dem Neofaschismus. Dabei arbeitete er verschiedene Funktionen heraus, die der Neofaschismus in liberal-parlamentarischen Gesellschaften erfüllt.

Dabei nennt Opitz beispielsweise die „Alibifunktion für reaktionäre Regierungspolitik“. Die Regierung kann sich auf die neofaschistische Bewegung berufen und anschließend verschärfte reaktionäre Maßnahmen rechtfertigen. Diese Funktion lässt sich besonders deutlich am Asylkompromiss von 1993 nachweisen.[155] Man ließ die aufgestachelten Faschisten und ihre Mitläufer in Hoyerswerda und Rostock ungehindert randalieren, ohne einzugreifen. Anschließend musste eine „Lösung“ für das sogenannte Asylproblem her – das Asylrecht wurde drastisch eingeschränkt.

Neurechten Zirkeln und Akteuren gelang es im Zuge der DDR-Annexion immer wieder, bis tief in die CDU und FDP, aber auch in die SPD vorzudringen – das belegen zahlreiche Interviews in der Jungen Freiheit mit CDU-Politikern sowie die „Enquete-Kommission“ zur DDR-Aufarbeitung und der „Bund der Selbständigen“, in denen sich neben Politikern aus SPD, CDU/CSU und FDP auch neurechte Ideologen tummelten.[156]  Ein wichtiges Ziel der Neuen Rechten ist dabei auffallend ähnlich zu Opitz’ Funktionen – die „langfristige ideologische Umorientierungsfunktion“. Dafür setzen sie nicht auf jugendliche Fußballfans und gewaltbereite Skinheads, sondern vielmehr auf Studenten, Intellektuelle und Eliten.

In dieser Zeit der immensen Stärkung des deutschen Imperialismus wurde die Neue Rechte durch eine stärkere Betonung nationaler Kultur, Heimat und Souveränität nicht nur anschlussfähiger, sondern auch immer interessanter als Stichwortgeberin und Vordenkerin für die bundesdeutsche Politik. Die Deutsche Volksunion, die in den 1990ern kontinuierlich ihre Strukturen in Ostdeutschland ausbaute, konnte 1998 in einer Landtagswahl in Sachsen-Anhalt große Erfolge einkassieren. Der Neurechte Ideologe Karl Heinz Weitzmann lobte die Demagogie der Partei: „Aufmerksame Beobachter haben rasch festgestellt, wie groß die Übereinstimmung ihrer Anhänger mit den Forderungen der äußersten Linken ist, wie gering die Bindung an rechte Positionen, soweit diese als bürgerlich im weitesten Sinne verstanden werden können und traditionell konservative oder traditionell liberale Vorstellungen umfassen.“[157]

Die Partei erreichte mit 12,9 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis einer neofaschistischen Partei in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Bei den Wahlen in Brandenburg konnte die DVU 1999 ein weiteres Mal mit 5,3 Prozent der Stimmen in einen Landtag einziehen.[158] Nicht nur konnte die Partei zahlreiche Protestpotentiale auffangen und umlenken, ihr gelang es auch weiterhin sich an CDU und CSU anzubiedern und Impulse in die bundesdeutsche Politik zu geben. Die Republikaner unterstützten den Erfolg in Ostdeutschland. Viele ihrer Spitzenpolitiker stärkten die Reihen der Deutschen Volksunion und unterstützten den Wahlkampf.[159]

„Die terroristische Einschüchterungs- und Hilfspolizei-Funktion“ zeigte sich abseits der erwähnten Pogrome von Rostock und Hoyerswerda sowie der 30 Überfälle am 2. Oktober 1990 in vielen weiteren Angriffen und Einschüchterungen gegen Antifaschisten, Kriegsgegner und Migranten. Hier kommt der Begriff „Baseballschlägerjahre“ zu seiner dennoch zutreffenden Bedeutung. Die Täter waren oftmals Skinheads und jugendliche Neofaschisten, die mit der DVU-Parteipolitik oder neurechten Diskursen zwar wenig Überschneidung fanden, sich jedoch dennoch gerne an ihrem Propagandamaterial und Argumenten bedienten. Das Zurückweichen der Polizei vor den Pogromen in Rostock und Hoyerswerda steht dabei symptomatisch für den Freibrief, den diese gewalttätige neofaschistische Bewegung im „wilden Osten“ erhielt. Kein Wunder: Im April 1992 bekundeten 20 % der Polizisten Sympathien für die neofaschistischen Republikaner.[160] Der aus Westdeutschland importierte sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf diagnostizierte den Sachsen Anfang der 2000er „Immunität gegenüber Rechtsextremismus“[161]. Was angesichts der Realität völlig Irre klingt, war kein Ausrutscher – Biedenkopf wiederholte 2017 diese Aussage. Das Verleugnen und Ablenken führender CDU-Kreise, gab der neofaschistischen Bewegung genau die Rückendeckung die sie brauchte. Das gilt für die junge BRD, für die Annexion der DDR – und es gilt bis heute.

Zu guter Letzt sollte die „Auffangfunktion bzw. die Funktion der Ableitung und Umfunktionierung von Protestpotenzialen“ nicht vergessen werden. Diese Potenziale waren durchaus vorhanden. Die Wut und Frustration gegenüber der neuen kapitalistischen Realität war allgegenwärtig – da war ein anderes Ventil herzlich willkommen. Die Annexion der DDR und der Treuhand-Raub stießen auf starke soziale Bewegungen, wilde Streiks, Werksbesetzungen und Protestaktionen. Vom Schiffbau, bis zum Chemiefaserwerk, egal ob großes Kombinat oder kleiner Betrieb überall in der Republik regte sich Widerstand. So füllten Montagsdemonstrationen gegen den Ausverkauf ab 1991 erneut die Straßen von Leipzig und bald auch Ostberlin. Insgesamt 100.000 Menschen demonstrierten Montag für Montag . Es ist dem Druck der Gewerkschaftsführung, sowie der Politik und Medien zu verdanken, dass diese Kämpfe nicht überregional und langfristig koordiniert werden konnten.[162] Dass diese Vielzahl an Klassenkämpfen heute vergessen ist muss nicht so bleiben. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung versammelt beispielsweise zahlreiche Berichte und Erfahrungen des Widerstandes gegen die Treuhand in einem Sammelband. Diese Protestpotentiale mussten abgelenkt und eingehegt werden – genau hier kommt die neofaschistische Bewegung ins Spiel.

5.4         Von Völkerfreundschaft zu Fremdenhass

Wie konnte fremdenfeindliche Einstellungen derartig Fuß fassen, wenn wir mit Recht davon ausgehen können das die DDR eine Politik der Völkerfreundschaft betrieb? Wir konnten mittlerweile ergründen welche Funktionen der Neofaschismus erfüllte. Widmen wir uns nun nochmal konkreter der Verbreitung fremdenfeindlicher Einstellungen, die sich bis heute durchsetzen.

Während des Bestehens der DDR wurden 40 Gastarbeiterunterkünfte angegriffen, wobei sich fast alle Angriffe nach 1975 ereigneten.[163] . Die Hauptabteilung XVIII des MfS untersuchte bspw. im September 1987 fremdenfeindliche Angriffe auf Mosambikaner und stellte fest, „daß diese Ausländergruppe Provokationen durch negativ eingestellte, vorwiegend jugendliche DDR-Bürger ausgesetzt ist, die im Ergebnis zu tätlichen Auseinandersetzungen führen. Derartige Provokationen und auftretende Hetzlosungen wurden aus dem Bezirk Dresden und auch gegen dunkelhäutige Werktätige aus der VR Angola und der Republik Kuba bekannt. Hierbei ist eine Entwicklung zu erkennen, daß durch Rechtspflegeorgane (Staatsanwaltschaft) einseitig gegen die ausländischen Werktätigen vorgegangen wird“[164]. Die Hauptabteilung 18 reagierte auf die Fremdenfeindlichen Tendenzen in der Jugend: „Aus aktuellen Vorkommnissen im Zusammenhang mit mocambiquischen Werktätigen ergibt sich das Erfordernis, die massenpolitische Arbeit unter Teilen der Bevölkerung zu aktivieren, um möglichen Anfängen einer Ausländerfeindlichkeit wirksam zu begegnen“.[165]

Der proletarische Internationalismus, die Politik der Völkerfreundschaft und die Vertragsarbeiterpolitik der DDR als Gegenentwurf zur Rassenhetze, Aufwiegelung, Ausbeutung und Spaltung in den Gesellschaften der kapitalistischen Länder wurde zwar weiterhin breit und öffentlich von der Gesellschaft mitgetragen, schien aber zunehmend angeschlagen und formalisiert.

Inmitten der Zeit des Zusammenbruchs sollten die kapitalistischen Verheißungen aus Funk und Fernsehen sich schnell als heiße Luft erweisen. Das erkannten die Mehrheit der DDR-Gesellschaft und selbst Teile der Bürgerbewegung schon vor der Annexion der DDR am 3. Oktober 1990. Eine Mehrheit wollte weder die „Wiedervereinigung“ noch die Auflösung des Volkseigentums.[166] Angesichts der dramatischen Entwicklungen unter der Treuhand ist es nur wenig verwunderlich, dass neuere Forschungen von einer massenhaften und nachhaltigen Traumatisierung der DDR-Gesellschaft ausgehen.[167] Noch im Jahr 1990 lehnten 50% der DDR.-Gesellschaft das System der BRD als Ganzes und 22% seine Politik ab.[168]

Dass Migranten politisch und wirtschaftlich ausgenutzt werden, um Konkurrenzdruck, Lohndruck zu erzeugen und um Spaltung und Sozialabbau zu legitimieren, war ein neues Phänomen für die Gesellschaft im angegliederten Osten. Die Vertragsarbeiter der DDR wurden nicht genutzt, um Arbeitsplätze streitig zu machen oder gesellschaftliche Spannungen zu erzeugen. Sie wurden durch gleichberechtigte Verträge mit anderen Staaten eingeladen und ausgebildet, um „Know-How“ in ihre Länder zu bringen, die nicht selten durch Krieg und Kolonialismus gezielt unterentwickelt worden waren. Hetze gegen Migranten wurde nicht nur politisch verfolgt – es wäre auch undenkbar gewesen, dass die Parteien und Medien in der DDR zu regelrechten Kampagnen gegen Migranten aufgestachelt hätten.

Die ausländischen Arbeitskräfte der DDR waren im Land, um ausgebildet zu werden und später ihre Heimatländer zu unterstützen, nicht, um ihnen wie heute Fachkräfte zu rauben, die man hier billig ausbeutet. Das Ziel dieser Politik bestand also nicht darin, sie langfristig in die DDR-Gesellschaft zu integrieren. Kontaktaufnahmen und aktive Verbindungen zu ausländischen Arbeitskräften wurden natürlich dennoch in den Betriebskollektiven und der Freizeit gefördert.

Ein altbewährtes Mittel musste her: Ängste schüren und Fremdenhass erzeugen, wo sonst Klassenbewusstsein entstehen könnte oder noch da war. CDU/CSU und FDP, mit etwas Verzögerung auch die SPD, eröffneten eine großangelegte Anti-Asyl-Kampagne. Die größeren Migrationsbewegungen des Jahres 1990 kamen den Herrschenden da sehr gelegen. Bis 1992 stieg die Zahl von 50.000 neuen Migranten auf 440.000. Die meisten flohen vor den Kriegen in Jugoslawien, die aktiv von BRD, USA und NATO geschürt wurden. Zwischen Äthiopien und Eritrea tobten Grenzstreitigkeiten, ebenso zwischen Mali und Burkina Faso. Währenddessen wüteten in Burundi, der Republik Kongo, Senegal und Simbabwe Bürgerkriege. Auch hier mischte der Westen in Sorge um den Zugang zu Rohstoffen fleißig mit.[169]

In der 1990 eröffneten Anti-Asyl-Kampagne aller großen Bundestagsparteien und dem Großteil der Medien wurden die Bürger rasch und radikal auf die neuen Verhältnisse, den rassistischen Normalzustand eingenordet. Eine Auswahl von BILD-Schlagzeilen macht die Ausmaße deutlich: „Die Flut steigt – wann sinkt das Boot?“ „Fast jede Minute ein neuer Asylant“. „Asylanten jetzt auf Schulhöfen – Neue Welle! Und bis Weihnachten kommen noch 40.000.“ „Wohnraum beschlagnahmt. Familie muss Asylanten aufnehmen.“.[170] Um die Situation weiter anzuheizen verbreiteten CDUler Musteranfragen für die Kommunen in Ost und West: „Sind Asylbewerber in Hotels oder Pensionen untergebracht worden? In welchem Zeitraum? Zu welchen Kosten?“.[171] Der SPD-Fraktionsvorsitzende schlussfolgerte das Ausländer die Lebensverhältnisse deutscher Bürger verschlechtern würden.[172]  Während Edmund Stoiber (CSU) von einer „Durchrassung der Gesellschaft“ sprach, propagierte die SPD die „Verslumung der Großstädte“ durch Ausländer.[173] Mit solchen Schlagzeilen und politischen Kampagnen trieb man Teile der Bevölkerung gezielt in die Arme der faschistischen Bewegung. Die neue kapitalistische Konkurrenz sollte im Bewusstsein vieler Menschen somit nicht als Klassenkonflikt erscheinen, sondern als Verteilungskonflikt mit den eigenen Klassengeschwistern.

Besonders für die ostdeutsche Arbeiterklasse, die sich ohne jegliche sozialdemokratische Almosen, enteignet, entrechtet und desorganisiert in der Bundesrepublik wiederfand, war diese Ideologie von großer herrschaftssichernder Bedeutung. Der Marxismus in den Köpfen der DDR-Bevölkerung musste mit aller Kraft zersetzt werden. Das Mittel der Wahl waren Antikommunismus und Rassismus.

6          Die Zerschlagung des Antifaschismus

6.1         Mit der Neuen Rechten zurück zur alten Stärke

Ohne auch nur einen Schuss abzufeuern, konnte eine der stärksten Volkswirtschaften Europas komplett ausgeplündert werden. Dem Kapitalexport waren keine Schranken mehr gesetzt – von Berlin bis Sibirien. Beflügelt vom Siegesrausch über den Sozialismus forderte der CSU-Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner schon im September 1989, dass „Ausgangspunkt für künftige Friedensverhandlungen das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 sein“ müsse.[174] Währenddessen bezeichnete Wolfgang Schäuble die annektierte DDR als Mitteldeutschland.[175] Nur ein Jahr später sollte Deutschland wieder bis Moskau reichen, zumindest wenn es nach Welt-Chefkorrespondet Kremp ging, der im September 1990 festhielt: „Das künftige Deutschland steht als Großmacht vor den Trümmern Osteuropas, und die Halde reicht bis in die Tiefen Russlands.“[176] Heider, Herausgeber der Wirtschaftswoche, forderte 1991 einen Bruch mit den Tabus der Nazizeit, dafür würden alleine schon die Wachstumsraten der Wirtschaft unter Adolf Hitler sprechen.[177] 1942 habe er es nur nach Stalingrad geschafft, erklärte Franz Joseph Strauß auf seinem ersten Besuch in Moskau gegenüber Gorbatschov.[178]

Um als „Ordnungsmacht“ in die „Neustrukturierung Osteuropas“ einzugreifen, entsprach das offene Kokettieren der politischen und wirtschaftlichen Elite mit Elementen faschistischer Ideologie und Geschichte in zweierlei Hinsicht den Interessen des deutschen Monopolkapitals. Zum einen bot es der neofaschistischen Bewegung in der annektierten DDR genau die Unterstützung, die sie benötigte, um Teile der dort unterworfenen Gesellschaft zu spalten. Zum anderen sollte diese nationalistische Entwicklung dazu dienen, jeglichen Antifaschismus und Antimilitarismus in der gesamten Gesellschaft abzuschütteln, um neue deutsche Großmachtprojekte und Kriege auch ideologisch nach innen zu legitimieren.

Ein willkommenes Mittel in dieser ideologischen Offensive war die Totalitarismusdoktrin: Rot gleich Braun. Der Historiker Ernst Nolte, geachtet und studiert von vielen der Neuen Rechten, und nicht weniger beliebt in Kreisen von SPD bis CDU, stellte 1986 folgendes fest: „Vollbrachten die Nationalsozialisten, vollbrachte Hitler eine asiatische Tat vielleicht nur deshalb, weil sie sich und ihresgleichen als potentielle oder wirkliche Opfer einer asiatischen Tat betrachteten?“ Und weiter: „War nicht der Archipel Gulag ursprünglicher als Ausschwitz? War nicht der Klassenmord der Bolschewiki, das logische und faktische Prius des Rassenmord der Nationalsozialisten?“[179] Hier wird besonders deutlich, welche Funktion diese Totalitarismusdoktrin tatsächlich einnimmt. Sie dient im besonderen Interesse der herrschenden Klasse, weil sie scheinbar nur den Faschismus mit dem Kommunismus vergleicht – tatsächlich entlastet die Doktrin jedoch den Faschismus und damit auch die Verbrechen der herrschenden Klasse. Zudem findet eine Dämonisierung des Kommunismus statt, die sich bis hin zur antikommunistischen Rhetorik neofaschistischer Kreise ausdehnen lässt. Wo sich diese Idee durchsetzte, gab es keine Schranken mehr für die Beschönigung des Faschismus bei gleichzeitiger Abwertung des Sozialismus. Antifaschismus wurde so verbürgerlicht und gegen den Kommunismus instrumentalisiert.

Das neue deutsche Selbstbewusstsein, der moderne Nationalismus, der Großmachtanspruch nach dem Sieg über den Sozialismus sowie die rassistischen Kampagnen gegen Ausländer boten diesen Bewegungen eine optimale Arbeitsgrundlage. Die Neue Rechte wurde dringend für die Durchsetzung der reaktionären Politik der BRD gebraucht und auch zunehmend in Staat und Politik integriert. Der Neuen Rechten gelang es ab 1990 gezielt, Einfluss auf alle etablierten Parteien Westdeutschlands zu nehmen – ideologisch und personell.

Dass Neofaschisten in Staat und Politik bis zu einem gewissen Grad schon immer integriert waren, konnten wir bereits anhand des Neofaschismus der Nachkriegsjahre feststellen. Dass die Neue Rechte nun also Tür und Tor in verschiedenste Kreise der herrschenden Politik einrannte, mag auch daran liegen, dass diese nie wirklich verschlossen waren. Dennoch musste die Neue Rechte auf solche Erfolge erst lange hinarbeiten und hatte mit 1990 das passende historische Moment gefunden, um die antikommunistischen Diskurse mitzugestalten, anzuheizen und zu verbreiten. Dieser erste kleine Marsch durch die Institutionen wurde willkommen geheißen. So ist es wenig verwunderlich, dass die Neue Rechte die „Wiedervereinigung“ als ihre Renaissance bezeichnete. Vertreter der Neuen Rechten konnten in dieser Zeit zahlreiche Gruppen und überparteiliche Initiativen aufbauen, mit denen sie direkten Einfluss auf Parteijugenden und Bundestagsabgeordnete ausübten.[180] Wie erfolgreich die Neue Rechte die DDR-Annexion für sich nutzen konnte, lässt sich darüber hinaus besonders stark an ihrer Mitwirkung in der Aufarbeitung des „SED-Unrechts“ nachvollziehen. Das Kapitel „Neofaschismus in der DDR-Aufarbeitung“ wird später genauere Belege dafür liefern.

Im Folgenden soll dargestellt werden, welche aktive Rolle die neofaschistische Bewegung im Prozess der „DDR-Aufarbeitung“ spielte – ein Prozess, der Hand in Hand mit der Demontage und Umdeutung wichtiger antifaschistischer Gedenkstätten in der DDR ging. Angesichts der Millionen Arbeitslosen und der Abwicklung der DDR-Gesellschaft mag dieser Prozess unbedeutend erscheinen. Allerdings zielte diese Politik darauf ab, das antifaschistische Erbe der DDR sowie die kollektive Erinnerung der Bevölkerung so gut wie möglich zu verfälschen.

6.2         Neofaschismus und DDR-Aufarbeitung

Die Junge Freiheit und später das Institut für Staatspolitik samt seinem Antaios Verlag erkannten großes Potenzial zur Rehabilitierung faschistischer Ideologie im Kontext der sogenannten DDR-Aufarbeitung. Autoren der Jungen Freiheit beteiligten sich zahlreich und intensiv an der Arbeit in Vereinen wie der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewalt und dem Bund der Stalinistisch Verfolgten. Im wichtigsten Organ dieser Verbände, dem Stacheldraht, publizierten Dutzende Autoren aus den Reihen der Wochenzeitung Junge Freiheit.[181] Junge Freiheit Autoren wie Werner H. Krause stiegen bis in Geschäftsführung der Verbände auf.[182]

Die Überschneidungen sind wenig verwunderlich. Nicht nur war man geeint im radikalen Antikommunismus und der Ablehnung jeglichen Antifaschismus – der Bund der Stalinistisch Verfolgten und die Vereinigung der Opfer des Stalinismus blicken beide auf eine lange Geschichte zurück. Bereits in den 1950er Jahren sammelten sich SS- und NSDAP-Angehörige in den Reihen der Verbände.[183] Mit der Zerschlagung der DDR versuchte man sich erneut in Anschlussfähigkeit und Einfluss auf die etablierte Politik. Mitglieder wie Hugo Diederich sollten damit Erfolg haben,- der junge Freiheit Autor wurde Mitglied des ZDF-Fernsehrates.[184] Männer von diesem Kaliber waren willkommene Stichwortgeber zur Dämonisierung der DDR und ihres Antifaschismus. Außerdem arbeitete man gezielt an der Rehabilitierung von faschistischen Verbrechern die man nun als Opfer des Kommunismus darstellen und reinwaschen konnte. So organisierte beispielsweise der Waldheim-Kameradschaftskreis Ehrungen von Euthanasie-Ärzten, die in der DDR eine Todesstrafe erhalten hatten. Sie hübschten fleißig die Biografien von faschistischen Verbrechern auf.[185]

Nach der Annexion der DDR dauerte es nicht lange bis einer der Chefredakteure der „Opferverbände“, Sigurd Binski, verkündete, die „Opferprozente“ der Toten der „Sowjet-KZ Sachsenhausen und Buchenwald“ seien jeweils höher gewesen als im Konzentrationslager bis 1945.[186] Im gleichen Zeitraum entstand die staatlich geförderte Gedenkbibliothek für Opfer des Stalinismus in deren Verlagsprogramm sich Holocaustleugner, Neofaschisten und Neurechte wie David Irving, Germar Rudolf, Horst Mahler, Gustav Sichelschmidt und Franz Schönhuber tummelten.[187]

Ein weiterer nennenswerter Fall ist der von Herbert Kühn. Im Zuge des 17. Juni 1953 brachte er mehrere Sprengsätze an Regierungsgebäuden an, von denen glücklicherweise nur einer zündete. Später, im April 1961, schmierte er „Freiheit für Eichmann“ an das Auswärtige Amt in Bonn und beteiligte sich zwei Jahre später an rechten Terroranschlägen in Italien. 1994 leitete der Rechtsterrorist eine Landesgruppe der Vereinigung der Opfer des Stalinismus und organisierte „Zeitzeugenprogramme“ an westdeutschen Universitäten. Noch 2015 wurde Kühn in einer Vorlesung an der Ruhr-Universität Bochum zur „friedlichen Revolution und den Opfern der SED-Diktatur“ befragt.[188] Auch Josef Kneifel konnte sich auf Uni-Veranstaltungen und in Zeitungsartikeln immer wieder als „Oppositioneller“ stilisieren lassen. Der Rechtsterrorist verübte 1980 einen Sprengstoffanschlag auf ein antifaschistisches Denkmal in Chemnitz. Nach seiner Freilassung durch einen Gefangenaustausch mit der BRD trat Kneifel einem faschistischen Gefangenhilfenetzwerk bei, hielt mehrere Vorträge bei der NPD und bewegte sich im Umfeld des NSU. Für dutzende Zeitungen bis hin zu Spiegel und TAZ, für Professoren wie Eckehard Jesse und die Bundestiftung zur SED-Aufarbeitung blieb er ein Freiheitskämpfer gegen den Unrechtsstaat DDR. Als politischer Gefangener erhielt er obendrein eine Entschädigung.[189]

6.3         Kampf um die antifaschistische Kultur

Die Überreste des Antifaschismus prägten nach 1990 immer noch die Städte und Dörfer des Ostens. Den Herrschenden war das natürlich ein Dorn im Auge. Die Denkmäler, Bauwerke und Institutionen aus der DDR stellten einen Störfaktor für die Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur der BRD dar.

Überall auf dem Gebiet der DDR wurden deshalb Denkmäler von Kommunisten und Antifaschisten entfernt.[190] Proteste die den Abriss der Denkmäler verhindern sollten, hatten nur selten Erfolg. In der Zeit nach 1990 wurden darüber hinaus dermaßen viele Straßen, Plätze, Brücken, Betriebe, Clubs und Schulen umbenannt, dass viele Kommunen neue Stadtpläne herausgeben mussten. Den Umbenennungen fiel das Andenken an dutzende antifaschistische Widerstandskämpfer zum Opfer.[191] Weniger bekannte und kleinere KZ-Gedenkstätten traf es besonders hart. Ganze Ausstellungen wurden entfernt, und die Gebäude wurden sich selbst überlassen. Nichts sollte mehr an sie erinnern.

Die Schriftstellerin Daniela Dahn führt in einer ihrer Reflektionen zur DDR-Annexion ein Beispiel an, dass sinnbildlich für diese Radikalkur steht: „Die Ost-Bürgermeister der Berliner Bezirke Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain weigerten sich, die Änderungen der Namen von Clara Zetkin, Arthur Becker, Hans Beimler und Georgi Dimitroff zu akzeptieren. Schließlich setzte sich (Senator) Haase durch, indem er erklärte, dass das Geschichtsbewusstsein der Bewohner der Ostbezirke zu sehr von der Parteipolitik der DDR geprägt sei und dass sie nicht in der Lage seien, ein Urteil zu fällen. Weshalb auch die Anträge auf Bürger- und Anwohnerbefragungen von den Westberliner Senatoren entschieden abgelehnt wurden. Perfekter hätte die Entmündigung nicht sein können. Nicht in der Lage, ein Urteil zu fällen – wer nun noch protestierte, outete sich als Altlast.“[192]

Dem Rabbinersohn und Politbüromitglied Albert Norden, wurde seine Herausgeberschaft des Braunbuches über Nazis und Kriegsverbrecher in der BRD nicht verziehen. Auch sein Name sollte aus dem Stadtbild Ostberlins weichen. Das traf auf den Protest von Vorstandsmitgliedern des Berliner jüdischen Kulturvereins, der sich gegen die Streichung jüdischer Namen stellte. Vorstandsmitglied Günter Nobel fasst die politische Wirkmächtigkeit dieser Umtriebe in einer Beschwerde an die Marzahner Bezirksverordneten treffend zusammen: „Begreifen Sie wirklich nicht, dass in einer Zeit wachsenden Rassismus und Antisemitismus solche Beschlüsse neofaschistischen Tendenzen Auftrieb geben können?“[193]

Auch die Umbenennung einer Straße, die den Namen des Widerstandskämpfers und Juden Bruno Baum trug, stieß auf Protest. „Offenbar ist ihm nicht bekannt, dass Bruno Baum zu den führenden Köpfen des internationalen Widerstands noch in den Vernichtungslagern, Ausschwitz und Mauthausen zählte. Wer wagt es heute, solche Menschen zu beleidigen?“, so Günther Nobel.[194] 

Diese Politik des Abrisses und der Demontage drehte sich um mehr als nur Plätze und Straßen. Es ging darum jegliche Überbleibsel des marxistischen Antifaschismus verschwinden zu lassen.

6.4         Nationale Mahn- und Gedenkstätten: Erinnerungskultur ohne Antifaschismus

Im Folgenden sei auf den Umbau der Gedenkstätten Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen verwiesen. Sie zählten zu den wichtigsten antifaschistischen Gedenkstätten. An ihrem Beispiel lässt sich exemplarisch und eindrücklich nachweisen, wie Neofaschisten und staatliche Politik an einem Strang zogen um den Antifaschismus aus der Geschichte und Erinnerung strichen.

Hier traf der BRD-Geschichtsrevisionismus besonders empfindliche Punkte der fortschrittlichen DDR-Erinnerungskultur. Die ehemaligen Konzentrationslager waren Nationale Mahn- und Gedenkstätten die nahezu alle DDR-Bürger kannten und auch (meist im Rahmen der Jugendweihe) besucht hatten. Den Ausstellungen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, wurde sich genauso wie denen Buchenwald und Sachsenhausen schon kurz nach der Annexion entledigt.[195] Die erinnerungspolitischen Schwerpunkte passten nicht ins Bild. Sie zeigten das Leiden der Opfer im Zusammenhang mit den faschistischen Tätern und den Unternehmen, die aus den sich zu Tode arbeitenden Häftlingen Gewinn schlugen.[196] Die reichhaltige Forschung der Gedenkstätten wurde nun von einem Staat verwaltet, der bis 1995 noch nicht einmal eine eigene KZ-Forschung betrieb.[197] Das Geld, das nun investiert wurde, um dieses Geschichtsbild umfassend zu korrigieren, kam auch erstmals seit 1945 der KZ-Gedenkstätte Dachau zugute, die jahrelang den Forderungen der CSU nach Schließung widerstand.[198]

Mit der Zeit regte sich auch hier Widerstand. Beispielsweise auf der Veranstaltung zur Verabschiedung des langjährigen Leiters der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen, Günter Morsch. Er selbst und sein Historiker-Kollege Volkhard Knigge, Leiter in Buchenwald, erhoben heftige Klage über staatliche Eingriffe in ihre Arbeit. Ihnen seien Geschäftsführer vor die Nase gesetzt worden, die eng an die Politik gebunden waren. Gewünscht war eine Opferperspektive mit wenig Verbindungen zur NS-Täterelite, da dies womöglich eine neue Debatte über personelle Kontinuitäten in der BRD heraufbeschworen hätte.[199]

Neuer Schwerpunkt wurden die Speziallager, der Roten Armee und des sowjetischen Geheimdienstes nach 1945. Die Nutzung ehemaliger Konzentrationslager für die Internierung schwerbelasteter Nazis war auf den Konferenzen der vier Alliierten der Antihitlerkoalition schon 1943 in Teheran und erneut 1945 in Jalta beschlossen worden. Grundlage für die Inhaftierungen waren keine Willkür des sowjetischen Geheimdienstes, sondern sie basierten auf Funktionslisten, die seit Oktober 1944 vom britisch-amerikanischen Oberkommando erstellt wurden. Die Amerikaner füllten nach dem Kriegsende 15 einstige KZs, die Briten, Franzosen und Sowjets jeweils 10.[200]

Die Kampfgruppen gegen Unmenschlichkeit bezeichneten diese Speziallager in einer Broschüre aus dem Jahr 1952 als „sowjetische Konzentrationslager auf deutschem Boden“. Eine Auffassung, die sich in der Bundesrepublik weit verbreiten sollte.[201] Die Gleichsetzung und angebliche Kontinuität gehört heute zum guten Ton in der bundesdeutschen Erinnerungskultur. Die Charakterisierung als „sowjetische Konzentrationslager“ wurde bis dato weitestgehend von Verlagen der neofaschistischen Bewegung gefördert. In den 1990ern schlossen sich auch Bundespolitiker, wie Ex-Bundespräsident Joachim Gauck und zahlreiche Historiker, der Deutung an. Gauck sprach von dem Speziallager als „Konzentrationslager nach dem Vorbild Stalinscher Todes- und Vernichtungslager“.[202]

Einige neofaschistische Aktivisten und ihre antikommunistische Anhängerschaft warteten die Entscheidungen der zuständigen staatlichen Stellen gar nicht erst ab und pilgerten selbst zu den KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Sachsenhausen, um dort Kreuze zu errichten und Grabmäler anzulegen. Gewidmet waren Sie den „Opfern der stalinistischen Willkür“. Dabei wurden logischerweise auch solche Personen geehrt, die sich nachweislich an den Verbrechen der deutschen Faschisten beteiligt hatten.[203] Das KZ-Sachsenhausen wurde ab 1990 zu einem regelrechten Wallfahrtsort für Neofaschisten. „Ehre und Ruhm den deutschen Helden“ trug hier die Inschrift eines von Faschisten aufgestellten Schildes.[204]

Die neue Schwerpunktsetzung der Gedenkstätten auf die sowjetischen Speziallager erwies diesen Kräften einen großen Dienst. Hier setzte sich klar erkennbar, die von rechten und neofaschistischen Medien betriebene Gleichsetzung durch, die sich an „Gräueltaten der Kommunisten“ abarbeitete.[205] Gegen diese geschichtsrevisionistische Umdeutung meldeten sich die Überlebenden der Konzentrationslager und zahlreiche Antifaschisten zu Wort. Die Überlebenden beharrten darauf, dass die Konzentrationslager Stätten ihres Leidens und Kämpfens gewesen waren, weshalb die an ihrer Stelle errichteten antifaschistischen Gedenkstätten nicht einfach zu antikommunistischen Gedenkstätten umfunktioniert werden dürften.[206] Der Protest wurde von den Springermedien, als Machenschaft kommunistischer Ideologen abgeschmettert.[207]  

Es wurden Forderungen laut, die eine finanzielle Entschädigung der Häftlinge der Speziallager verlangten, und zwar in gleicher Höhe wie die der KZ-Häftlinge. Schließlich hätten die Opfer des Kommunismus mindestens genauso schlimm gelitten wie die Opfer des Faschismus.[208] SS-Angehörige aus dem Baltikum erhielten zu dieser Zeit bereits Renten aus der BRD, schließlich waren sie bis 1945 für Deutschland im Dienst und wurden danach politisch verfolgt.[209]  Die neu gegründete Historikerkommission in Buchenwald räumte den ehemaligen SS-Leuten und Wehrmachtssoldaten ihren Opferstatus ein und nahm gleichzeitig die DDR-Erinnerungskultur ins Visier. So entstanden drei Ausstellungen, jeweils zu den faschistischen Konzentrationslagern, den Speziallagern der Sowjetunion und der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte der DDR. Einzelne Ehemalige KZ-Aufseherinnen wie Hertha Pakozdi (Aufseherin in Ravensbrück und Majdanek) wurden so tatsächlich als Opfer des Stalinismus entschädigt.[210]

Welche Verbrechen an diesem Ort und im Faschismus tatsächlich geschahen und wie es zu ihnen kommen konnte, wurde so weit und so gut es ging vermischt mit Totalitarismuserzählungen und Hetztiraden gegen die DDR. Zwangsarbeit für das deutsche Monopolkapital oder die Speziallager als Teil einer konsequenten Entnazifizierung – davon sollte bestenfalls niemand mehr etwas wissen.

Dieser erinnerungspolitische Feldzug offenbart alte Kontinuitäten. Kein Antikommunismus konnte aggressiv genug sein, wenn es darum ging, den Faschismus im Osten Deutschlands zu rehabilitieren. Von der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit bis zu Joachim Gauck, von faschistischen Pilgergruppen bis zur neu eingesetzten Gedenkstättenleitung – man war geeint im mehr oder weniger fanatischen Antikommunismus.

Die Geschichte des Ganzen 17-Millionen Volkes und ihrer Partei musste umgeschrieben werden. Ein Selbstverständnis das 40 Jahre lang auf dem Schwur von Buchenwald basierte, konnte für die neuen Machthaber nicht schnell genug entsorgt werden.

„Wir werden den Kampf erst aufgeben, wenn der letzte Schuldige vom Gericht aller Nationen verurteilt ist. – Die endgültige Zerschmetterung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal.“ – Schwur von Buchenwald

6.5         DDR-Aufarbeitung: Geschichte ohne Antifaschismus

Wie wir gesehen haben war es von großer Bedeutung für die neuen Machthaber die Deutungshoheit über die Geschichte zu gewinnen. Künftig kümmerte sich die „Enquete-Kommission zur politischen Aufarbeitung von 40 Jahren Vergangenheit der DDR“ um das neue Geschichtsbild.

Was sich hinter dem sperrigen Titel verbirgt, war eine vom Bundestag eingerichtete Instanz, in der Politiker sämtlicher Parteien sowie Mitarbeiter und Berater aus verschiedenen Bereichen tätig waren. Diese Enquetekommission war die erste ihrer Art, die sich der Geschichtsschreibung widmete. Die Kommissionen zuvor befassten sich ausschließlich mit Problemen der Gegenwart wie Aids, Flutkatastrophen, Kernenergie und Ähnlichem. Nun sollte die Geschichte des „alten Feindes“ umgeschrieben werden. Eine Enquetekommission zur Aufarbeitung des Faschismus gab es übrigens nie. Für dieses neue Projekt musste notwendigerweise das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit weichen.[211]

Zum Leiter der Kommission wurde der CDU-Politiker und radikale Antikommunist Rainer Eppelmann auserkoren.[212] Eppelmann polarisierte nicht nur mit Kampfansagen gegen die DDR und ihren Antifaschismus, sondern lud sich auch munter Akteure der Neuen Rechten in seine Kommission ein. So zum Beispiel den Politikprofessor Klaus Hornung, der Mitglied in Organisationen wie der „Konservativen Aktion“ und dem neurechten „Studienzentrum Weikersheim“ war. Oder auch der Rechtskonservative Eckhard Jesse, der sich lange Zeit der Betonung von „modernen und progressiven Seiten des Dritten Reiches“ widmete.[213]

Die Kommission werkelte bis 1998 an dem, was heute Einzug in zahlreichen Schulbüchern hielt: Die DDR als zweite deutsche Diktatur – verglichen und oft gleichgesetzt mit dem faschistischen Deutschland.

Die Umsetzung des neuen Geschichtsbildes, war nur mit einer umfassenden Säuberungswelle an Universitäten und anderen akademischen Institutionen möglich. Diese Säuberung richtete sich vor allem gegen marxistische Historiker und Dozenten, die sich der vorgegebenen Geschichtsschreibung widersetzten. Es ging darum, ein neues Narrativ zu etablieren, das die DDR und ihren Antifaschismus marginalisierte, während gleichzeitig die neurechten und antikommunistischen Diskurse der Bundesrepublik gestärkt wurden. Historiker, die sich gegen diese Deutungen stellten, wurden entweder aus ihren Positionen entfernt oder ihre wissenschaftliche Arbeit diskreditiert.

Die Säuberungen in den Sozial- und Geisteswissenschaften übertrafen dabei die der BRD nach 1945 und sogar die Säuberungswelle nach der Machtübergabe an den Hitlerfaschismus 1933. Über drei Viertel des Lehrkörpers und Personals mussten gehen.[214] Für die Säuberungen von marxistischen Wissenschaftlern bekam die Humboldt-Universität zu Berlin Wilhelm Krelle als Verantwortlichen vorgesetzt. Er betreute fortan eine Kommission zur Durchleuchtung sämtlicher Mitarbeiter auf ihre DDR-Nähe. Krelle gehörte während des faschistischen Raubkrieges der 164. Infanteriedivision des XXX. Armeekorps an, die in Griechenland an Kriegsverbrechen wie Massakern beteiligt war.[215] Als SS-Sturmbannführer wurde er 1. Generalstabsoffizier einer SS-Panzerdivision.[216] In seiner Funktion an der Humboldt-Universität sorgte er für die Entlassung von 170 Lehrkräften, weil sie „sich dem DDR-System nicht entzogen hätten.“[217] Entlassungswellen wie diese stießen auf den Protest zahlreicher Studenten. Im Falle der Humboldt-Universität, wo die gleichberechtigte Teilnahme der Studenten in allen Gremien noch nicht zerschlagen worden war, organisierten Studenten Protestdemonstrationen.[218] Ihr antifaschistischer Protest richtete sich gegen die Entlassungen und gegen Wilhelm Krelle. Der SS-Generalstabsoffizier blieb allerdings bei seinem Grundsatz: „Kein Marxist wird seinen Fuß jemals über die Schwelle dieses Hauses setzen, solange ich hier das Sagen habe.“[219]

Ein Teil der vielen entlassenen DDR-Wissenschaftler ließ sich allerdings nicht brechen und entwickelte eine eigene, wenig beachtete Wissenschaftskultur und organisierte sich in Vereinen, Kleinverlagen und Zeitungen. Auch die Teile, die in DDR zu Faschismus und Vernichtungskrieg forschten, versuchten fortan hier einen wissenschaftlichen Antifaschismus-Diskurs weiter zu betreiben.[220]

Während diese Entwicklungen klare Fakten schufen, offenbarte Rainer Eppelmann, Vorsitzender der Enquetekommission, worum es in dieser Aufarbeitung tatsächlich ging. Auf der 30. Sitzung der Kommission im März 1993 beteuerte er: „Noch in der Zeit nach der Wende beschworen höchst achtenswerte Vertreter der Bürgerbewegung, die die SED-Diktatoren zum Abdanken gezwungen hatten, den Antifaschismus als Kern jener DDR-Vergangenheit, den es durch alle Umbrüche hindurch zu erhalten gelte. Diese Menschen hatten noch nicht erkennen können, in welcher skrupellosen Weise die SED-Machthaber auch das Ideal des Antifaschismus nur noch als Alibi der eigenen autoritären Herrschaft einsetzten und mißbrauchten.“[221]

Diesen Menschen sollte man nun auf die Sprünge helfen: Nie wieder Antifaschismus – dass war das Gebot der neuen Stunde. Nicht nur in den Gedenkstätten, auch an den Universitäten und der Forschung konnten alle an einem Strang ziehen: Politiker der Bundestagsparteien, Neurechte Ideologen und ehemalige SS-Mörder – im Antikommunismus vereint. Das ideologische Waffenarsenal, welches man im Kalten Krieg gegen die DDR anhäufte, konnte nun voll zum Einsatz kommen.

7      Ausblick: Wurzeln schlagen und Weiterentwickeln

Was bleibt überhaupt übrig von dieser neofaschistischen Bewegung? Ein Blick auf die heutige politische Landschaft zeigt das weder die gewaltbereite Skinhead Bewegung ihre alte Form halten konnte, auch wenn sie gerade wieder stark wächst. Auch die DVU, Republikaner und die NPD (heute Die Heimat) beschäftigen uns nicht mehr im größeren Stil.

Die AfD, die seit über 10 Jahren Fremdenhass und Spaltung in so perfektionierter Form verbreitet, dass sie zunehmend Themen setzen und Diskurse dominieren darf, müssen wir in diesem Kontext verstehen. Bevor wir jetzt also übereifrig über die AfD urteilen begeben wir uns zurück in die 1990er um zu verstehen, wie die Refaschisierung Ostdeutschlands uns bis zur AfD und den rassistischen Hetzkampagnen von SPD, FDP, Grünen und CDU führt.

Die Annexion der DDR und die rassistischen Medienkampagnen verschafften den mitgliederstärksten neofaschistischen Parteien starken Auftrieb. Darüber hinaus profitierten auch kleinere Zirkel und Kameradschaften von den Entwicklungen.

Überall im Osten Deutschlands waren als Folge von Kühnens breitem Netzwerk und deren Abspaltungen Gruppen entstanden. Im Laufe der Zeit entstanden solche Gründungen immer „unabhängiger“ von der westdeutschen Neonazi-Szene. Wer weiterhin tatkräftig seine Finger im Spiel hatte war der deutsche Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz. Er vertuschte, schaute weg und finanzierte wo es überall nur möglich war, der schrecklichste Beweis dafür ist das NSU-Netzwerk. Es ging aus der sächsischen und Thüringer Neonazi-Szene hervor und konnte sich auf Kontakte in ganz Deutschland verlassen. In die Mordanschläge des NSU waren zahlreiche V-Leute involviert.[222]

Mit den großen neuen Aufgaben vor der die faschistische Bewegung in Ostdeutschland stand, konstatierte der Nazi-Jurist Jürgen Rieger: „Wenn wir genügend Untercorpsführer hätten, könnten wir Zehntausende marschieren lassen.“[223] Eine Einschätzung, die viele faschistische Kader teilten. So entstanden mehrere Bildungswerke und Schulungszentren für die Kaderschulung in Ostdeutschland. In den verschiedenen Initiativen wurden breite Netzwerke von Republikanern und Deutscher Volksunion, bis hinein in Kameradschaften und die Freie Arbeiterpartei (FAP) aufgebaut.[224]

Schon 1989/90 baute die Deutsche Volksunion erste Ortsgruppen im Osten auf. Unterdessen tourte Vorsitzender Bayrische Multimillionär Gerhard Frey quer durch die ehemalige Republik und hielt dutzende Vorträge.[225]

Die Deutsche Volksunion (DVU) konnte im Jahr 1998 mit 12,9% in den Magdeburger Landtag einziehen. Dazu dienten auch die engen Beziehungen zu den Republikanern, die sie im Wahlkampf unterstützen. Die Partei fand vor allem unter jüngeren Wählern aus der Arbeiterklasse anklang und setzte auf ein Image als Protestpartei mit dem Wahlspruch: „Protest wählen – Deutsch wählen“. Die Erfolge in Sachsen-Anhalt und kurz darauf in Brandenburg (5,3%) konnte den Abwärtstrend bei den Mitgliederzahlen kurzzeitig umkehren.[226] Die Partei kämpfte sich in den Jahren mühselig auf 4.000 Parteimitglieder in Ostdeutschland hoch. Diese waren allerdings nur wenig aktiv oder geschult.[227] So war es wenig verwunderlich, dass die Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt noch vor Ende der Legislaturperiode auseinanderbrach.[228] Die Mitglieder der ersten Parlamentsfraktionen in Westdeutschland waren auch bereits weitgehend inaktiv, inkompetent und zerstritten.[229]

Darin zeigen sich bereits die Probleme, die trotz der Wahlerfolge in Ostdeutschland zum Niedergang der Deutschen Volksunion führen sollten. Die Partei stand hochverschuldet in der Kreide von Gerhard Frey. Dieser ermöglichte keinerlei innerparteiliche Auseinandersetzungen oder Debatten, wodurch nie ein tatsächliches Parteileben entstehen konnte. Bis auf Parteistammtische entfalteten die nur schlecht geschulten Mitglieder kaum Aktivitäten außerhalb des Wahlkampfes. Derartige Mängel glich Frey durch immense Ausgaben für Flyer und Wahlplakate aus. Spätestens ab 2004 befand sich die Partei in einer tiefen Krise, die sie 6 Jahre später zu einer Fusion mit der NPD veranlasste.[230]

Die Krise in den Reihen der Republikaner trug ähnliche Züge. Die großen Wahlerfolge bei der Berliner Senatswahl und der Europawahl 1989, bei denen die Partei jeweils über 7% erzielen konnte, beförderten Machtkämpfe und Richtungsstreitigkeiten. Auch hier entlud sich der Protest über den „diktatorischen Führungsstil“ des Vorsitzenden Schönhubers, der die Partei von ihrem konservativen, CDU-nahen Profil wegbewegte.[231] Während die Republikaner in Westdeutschland zunehmend Polizisten, Bundeswehrsoldaten und Akademiker in ihren Funktionärskörper aufnehmen konnten, scheiterte die Partei im Osten. Die wenigen angeworbenen Funktionäre erwiesen sich als unerfahren, schlecht geschult und teils zu offen neofaschistisch. Die folgende massive Anti-Asyl Kampagne sollte der Partei einen letzten kleinen Aufwind verschaffen. So stiegen die Mitgliederzahlen der Republikaner in Ostdeutschland auf 3.000 Mitglieder im Jahr 1992.[232]

Franz Schönhuber und seinen Republikanern gelang in dieser Zeit das Eindringen in bürgerlich-liberale Kreise am erfolgreichsten. Um den Vorwurf des Rechtsextremismus gegen die Republikaner zu entkräften, legte Schönhuber während seiner Zeit als Parteivorsitzender in der Regel großen Wert auf die Abgrenzung zu DVU und NPD.[233] Die Zielstellung, eine „seriöse und demokratische Alternative der Parteien rechts von der Union“[234] zu schaffen, litt allerdings unter dem Druck des offen-rechtsradikalen Flügels in der Partei. Solche programmatischen Streitigkeiten sollten die Republikaner tiefer in die politische Bedeutungslosigkeit führen.[235]

Die Entwicklung der neofaschistischen Bewegung erlitt durch den Niedergang dieser beider Parteien keinen großen Dämpfer. Die NPD konnte von der fehlenden Konkurrenz profitieren, während die zahlreichen rechtsradikalen Gruppen in Ostdeutschland weiter Wurzeln schlagen konnten. Der Bewegung mangelte es weiterhin an geschulten Funktionären und Kadern. Obendrein war man sich inhaltlich und organisatorisch uneinig. Viele Strukturen mussten erst mühevoll aufgebaut werden.

Die Funktion der Neofaschisten als Spalter der Arbeiterklasse blieb über die Zeit hinweg genauso bestehen wie die vielen kleineren Wahlerfolge, Aufmärsche und Veranstaltungen, die sich zur politischen Normalität entwickeln sollten.  Die neofaschistische Bewegung und die in der Grauzone zum Konservatismus arbeitende Neue Rechte waren aus der politischen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Dennoch blieben Gewaltexplosionen wie in den frühen 1990er Jahren für lange Zeit unübertroffen. Die Neue Rechte wusste bereits damals wie entscheidend ein nachhaltiger und langfristiger Aufbauprozess für die neofaschistische Bewegung sein wird.

Vor dem Hintergrund des Niedergangs der neofaschistischen Parteien erkannte die Neue Rechte eine erneute Stagnation der Bewegung. So schrieb Karlheinz Weißmann 1998 in der Jungen Freiheit: „Man wäre sich sicher gewesen, eine geschichtliche Tendenz erzeugt zu haben, die weite Teile des bürgerlichen Lagers zur eigenen Seite hinüberzieht.“ Die großen Schritte, die in diese Richtung gemacht wurden, sind nicht zu übersehen. Die herrschende Klasse des deutschen Imperialismus und ihre konservativen Vertreter schürten einen neuen deutschen Nationalismus und nahmen die Folgen dieser Politik dankend in Kauf. Die Deutsche Volksunion und die Republikaner stellten sich noch zu unprofessionell an, um zu einer wirklichen Option heranzureifen. Als Aufheizer und Ablenker waren sie dennoch gern gesehen. Einigen bürgerlichen Politikern ging der Abwärtstrend der rechten Parteien mit Sicherheit gegen den Strich.

Die Stabilisierung rechten Gedankenguts sollte fortan eine Hauptaufgabe der Neuen Rechten werden.[236]  In den verschiedenen Verlagen, Zirkeln und Arbeitskreisen wurde weiterhin kontinuierlich diskutiert und Propaganda für die Konservative Revolution betrieben. Zeitgleich zum Niedergang von DVU und Republikanern bildete sich das Institut für Staatspolitik heraus – heute eine der wichtigsten Neurechten-Denkfabriken in der Bundesrepublik. Die Schulungen und Seminare des Instituts wurden zahlreich und prominent besucht. Nahezu sämtliche Spitzenpolitiker der AfD gingen ein und aus beim Institut. Ihre Publikationen, sowie die hauseigene „Wissenschaftliche Reihe“ erfreut sich ebenso einer breiten Leserschaft und kann immer häufiger Impulse in die neofaschistische Bewegung senden. Die feste Zusammenarbeit mit der Auflagenstarken Jungen Freiheit konnte den Gründern des Instituts von Beginn an sicher sein. In einem Interview mit der Wochenzeitung benannte einer ihrer Gründer, Karlheinz Weißmann, 2001 die Ziele des IfS: „Uns geht es um geistigen Einfluss, nicht die intellektuelle Lufthoheit über Stammtische, sondern über Hörsäle und Seminarräume interessiert uns, es geht um den Einfluss auf die Köpfe, und wenn die Köpfe auf den Schultern von Macht- und Mandatsträgern sitzen, umso besser.“[237] Die Gründung des Institutes steht dabei in einer klaren Kontinuität zur Entwicklung der Neuen Rechten und reagierte auf die  Stagnation der 2000er Jahre. Weißmann und Kubitschek, die beiden bekanntesten Gründer des Institutes, teilten sich ihre gemeinsame politische Herkunft aus der völkischen Studentenverbindung Deutsche Gildenschaft, sowie ihre Autorenschaft für die Junge Freiheit.[238]

Mit dem Zentrum in Schnellroda knüpften die größtenteils westdeutschen Gründer gezielt an die Siedlungsstrategien im Osten Deutschlands an. Mit Schulungen und Seminaren holte man die dringend notwendige Ausbildung von Kadern, Funktionären, Rednern und Autoren nach. Über die Theoriezeitschrift Sezession wurde sich gezielt mit neuen Strategien auseinandergesetzt, während man verschiedene Kräfte sammelte, organisierte und schulte. Die Verleger und Organisatoren übten sich seit ihrer Gründung im Jahr 2000 in Geduld und langfristigem Denken. Kubitschek gab noch im selben Jahr in der Jungen Freiheit ein Interview und betonte, dass sie „ihre Arbeit sehr ernst nehmen“, sie jedoch „derzeit nicht wirklich gebraucht“ werden: „Unsere vollkommen abgesicherte Gesellschaft wird durch unsere Warnrufe und Forderungen nicht berührt.“ Es gelte, dass „Pulver trocken zu halten (…), weil die Stimmung für uns arbeitet: Es liegt etwas in der Luft“, so Kubitschek anlässlich der Gründung des Instituts.[239]

Die Integrationskraft des imperialistischen Staates hält nicht ewig, dann kann eine neofaschistische Bewegung zur Stabilisierung der kapitalistischen Herrschaft nicht schaden. Es deutet sehr viel darauf hin, dass die Finanzkrise von 2007 und 2008 genau eine solche Dynamik hervorbrachte.

Die mühevolle Arbeit an einer Konsolidierung der übrigen Kräfte formierte sich in den 2000er Jahren zu einem breiten Netzwerk. In ihm fungierte das Institut für Staatspolitik als zentrale Denkfabrik, die andere Kreise, wie das von Daimler finanzierte Studienzentrum Weikersheim oder das Thule-Seminar, ergänzte. Dem hauseigenen Verlag Antaios kam dabei die Aufgabe zu, Strategiedebatten und politische Auseinandersetzungen zu organisieren und festzuhalten. Diese Arbeit wurde auf den Seminaren des Instituts für Staatspolitik in Schulungen übersetzt, während die Junge Freiheit propagandistisch in die Breite wirken sollte. Dabei wurden beständige Kontakte zu Parteien wie der Freiheit oder dem Bund Freier Bürger gesucht, die später die AfD mitgründen sollten. Als sich 2014, mit Rückenwind von Thilo Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab, die letzten verbliebenen rechtskonservativen Stahlhelmer aus der CDU verabschiedeten und mit weiteren rechtskonservativen Politikern die AfD gründeten, hatte dieses Netzwerk schon längst einen Fuß in der Tür und begleitete den Aufbauprozess der Partei. „Eine Oase der geistigen Regeneration“[240] sollte Björn Höcke das Institut später beschreiben. Das Institut für Staatsforschung entwickelte sich zum Motor der AfD-Entwicklung und der Stärkung des neofaschistischen Flügels der Partei.[241]

Ein Achtungserfolg gelang 2017 mit der Gründung der Desiderius Erasmus Stiftung. Die Stiftung greift bis heute staatliche Finanzierung und Privatspenden für ihre Projekte ab. Im Vorstand sitzen derweil einschlägige Charaktere wie der Gründer des Instituts für Staatsforschung Karlheinz Weißmann. Ein weiteres Vorstandsmitglied, Hans Hausberger, wollte schon für die Republikaner eine Stiftung gründen und konnte nun seinen großen Traum endlich verwirklichen. [242] Nicht nur das Institut für Staatspolitik, sondern auch das neofaschistische Projekt Ein Prozent, die junge Freiheit, Compact und einzelne CDU-Politiker sind mit der Stiftung liiert.[243] Dabei ist alles eingebettet in die Strategie der Neuen Rechen, so gibt Hans Hausberger beispielsweise mittlerweile Seminare „was man als Rechter sagen kann und was nicht“, ganz im Geiste Armin Mohlers soll man sich für die faschistische Vergangenheit nicht mit dem Nasenring durch die Manege führen lassen, sondern sich so weit wie nötig und so wenig wie möglich distanzieren und gleichzeitig die Grenzen des Sagbaren immer weiter ausreizen.

An dieser Stelle wird bereits deutlich, dass wir hier schon längst zu einer gesamtdeutschen Frage vorgestoßen sind. Wir können allerdings weiterhin erkennen, wie die Annexion der DDR und der Aufbau einer neofaschistischen Bewegung in Ostdeutschland noch heute auf die politischen Entwicklungen einwirken. Die Entwicklung der AfD selbst, ihre hohen Zustimmungswerte in Ostdeutschland – all diese Entwicklungen sind mit der Refaschisierung Ostdeutschlands verbunden. Die Saat, die man in den 1990ern gesät hat, blüht bis heute.

Die Entwicklungen nach der Annexion der DDR sorgten nicht nur für eine breite Kooptierung der Neuen Rechten in Staat und Politik, sondern auch für einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, aus dem die neofaschistische Bewegung bis heute lernt und Schlüsse zieht. Wie schult und bildet man Kader, um nicht zu enden wie die Deutsche Volksunion? Wie sorgt man für Einigkeit und Disziplin in den eigenen Reihen um nicht wie die Republikaner auseinanderzubrechen? Wie kann man die Phasen der Hochkonjunktur, die einem Medien und Politik der BRD gewähren, langfristig nutzen? Und die wohl entscheidendste Frage: Wie biedert man sich der herrschenden Klasse als seriöse Kraft zur Lösung der Probleme an? Was braucht es, um zur reellen Option für die Herrschaft des Kapitals zu werden?

Der Neurechte Stratege Martin Sellner warnt beispielsweise vor zu starker Militanz und Gewalt auf dem Weg zur Macht. Militante Strategien würden lediglich für Repressionen sorgen und nicht langfristig die Köpfe der Menschen erreichen. Genauso lehnt Sellner das ab, was er als Parlamentspatriotismus beschreibt. Er meint damit eine Integration in das liberale Lager, bei gleichzeitiger Distanzierung vom Faschismus.[244] Was Sellner vorschlägt und weite Teile der AfD und der Neuen Rechten umsetzen ist eine langfristige Rückeroberung politischer Räume und Deutungshoheiten, bei gleichzeitiger Anbiederung an das deutsche Kapital.

8         Schlussbemerkungen und Ausblick

Die Refaschisierung Ostdeutschlands beschreibt eine Etappe im Klassenkampf des deutschen Kapitals gegen die Überreste der annektierten DDR. Mit der Zerschlagung des Antifaschismus dieses Staates, einem marxistischen, klassenbewussten und kämpferischen Antifaschismus, der wissenschaftlich begründet war, sollte die Arbeiterklasse weltanschaulich entwaffnet werden. In diesem Feldzug gegen den Antifaschismus war der Antikommunismus das wichtigste Scharnier auf dem Weg zu einem inhaltsleeren, ungefährlichen und verbürgerlichten Antifaschismus, der den Neofaschismus langfristig eher stärkt als schwächt. Die Vorhut dieses Feldzuges boten Neofaschisten der Neuen Rechten, die man fleißig in die staatliche Politik, die DDR-Aufarbeitung und in die Erinnerungskultur integrierte. Die Ergebnisse beschäftigen uns bis heute. Marxistischer Antifaschismus ist zu einem Randphänomen degradiert worden, während sich der staatstragende BRD-Antifaschismus und der neoliberale Antifaschismus der meisten Antifa-Gruppen kaum voneinander unterscheiden.

Von den neofaschistischen Gruppen, die man im Zuge der DDR-Annexion aufbaute, gehen bis heute Gewalt und Einschüchterungen aus. Die Osten Deutschlands dient bis heute als Rückzugsort und Freiraum für Faschisten. Selbst eine neue rechtsradikale Siedlungsbewegung in den Osten der Republik nahm erst vor wenigen Jahren wieder an Fahrt auf. Mit der „Initiative Zusammenrücken“ entstand im Jahr 2020 eine Plattform, die Umzüge von West nach Ost koordiniert und bewirbt – ganz im Stile Michael Kühnens in den 1990er Jahren. Die faschistische Bewegung profitiert bis heute von den Kontinuitäten und Netzwerken die man in den 1990ern etablierte und aufbaute. Der Mordterror des NSU, seine Netzwerke und Verstrickungen zum Geheimdienst belegen das eindeutig. Bis heute nutzen sie fortbestehende soziale Probleme im Osten der Republik aus.

Eine Untersuchung des modernen Neofaschismus und der Entstehung der AfD muss an anderer Stelle vorgenommen werden. Bestenfalls bieten diese Untersuchungen einen Beitrag dazu. Die gezielte Stärkung des Neofaschismus im Prozess der Annexion hängt unmittelbar mit den heutigen Entwicklungen zusammen. Mit dem ideologischen und organisatorischen Aufbau nach der Annexion wurden Kontinuitäten geschaffen, die bis heute fortbestehen. Sie sind sogar stärker denn je – sowohl ideologisch als auch organisatorisch. Dass sich in dieser historischen Entwicklung die Neue Rechte als erfolgreichstes Projekt des Neofaschismus durchsetzen konnte, ist kein Zufall. Diese Schlägertypen und offenen Neonazis braucht man bis heute als Männer fürs Grobe. Aber die studierten Faschisten mit Hemd und Krawatte waren interessant genug, um sie im Zuge der Annexion der DDR in den Staat zu integrieren und zu einer relevanten politischen Kraft hochzuzüchten. Weiterhin bedrohen jugendliche, gewaltaffine Nazis Antifaschisten und Migranten in Ostdeutschland. Auch sie erleben gerade einen neuen Hype. Sie arbeiten nicht selten im Vorfeld der AfD, sind von ihr beeinflusst und oft eng mit AfD-Mitgliedern vernetzt.

Eine weitere Auseinandersetzung mit der Entwicklung des Neofaschismus in der Bundesrepublik muss sich unweigerlich der AfD widmen. Wir müssen ihre Entstehung aus den Kreisen des Liberalismus und Konservatismus genau verstehen und gut nachvollziehen können welche Rolle die Neue Rechte in ihrem Gründungsprozess spielte. Es ist davon auszugehen das Sie ihre weitere Entwicklung maßgeblich beeinflusste. Etwas das der Neuen Rechten der 1990er gegenüber der DVU und den Republikanern noch schlecht gelang. Wir müssen bezüglich dieser Partei verschiedene Fragen klären: Wie stark ist sie ideologisch und personell vom Neofaschismus durchsetzt? Welchen Weg geht die Partei? Götz Kubitschek hält beispielsweise folgendes fest: „Die AfD musste aus der Mitte kommen und dann von Recht gekapert werden. Sie hat damals nicht begriffen, was sie sein soll und jetzt weiß sie es.“[245]

Während nahezu sämtliche neofaschistische Parteien Europas ihren nationalneutralistischen und NATO-kritischen Kurs verworfen haben, hielt die Alternative für Deutschland lange daran fest – eine Position, die dem fest transatlantisch eingebundenen deutschen Kapital natürlich nicht passt. Jetzt, wo sich jedoch das US-amerikanische Kapital in den Wahlkampf 2025 einschaltet und die Trump-Administration offen eine AfD-Regierung einfordert, ist die Neue Rechte voll im Amerika-Hype. Nur wenige kritische Stimmen bemerken, dass der neue transatlantische Kurs nicht bedeuten darf, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren: Remigration, Grundrechtsabbau, Aufrüstung. Dem sollte nur wenig im Weg stehen.

Fest steht, dass die ideologischen Anknüpfungspunkte des Faschismus immer vielfältiger waren als seine spätere Funktion. Die ganze russlandfreundliche Show der AfD für ihre Wählerschaft müssen wir als das benennen, was sie ist: Eine Show.

Die Funktion des Neofaschismus geht schon lange über die einer ideologischen Reserve des Kapitals hinaus. Zahlreiche Entwicklungen deuten darauf hin, dass er in den letzten Jahren wieder aktiver und gezielter aufgebaut wird. Der verbürgerlichte BRD-Antifaschismus bezweckt gleichzeitig das Gegenteil von dem, was er vorgibt – er stärkt den Neofaschismus und trägt zur Formierung einer liberalen Volksgemeinschaft bei. In der Frage, wie viel Macht und Einflusssphären man dem Neofaschismus gewähren will, findet derzeit ein großer Aushandlungsprozess statt. Die AfD wird gebraucht um Krieg zu führen und die Heimatfront zu mobilisieren.

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[8] Michelmann (2015), S.12f.

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[10]  Ebd.

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[13] Kunze (2022), S. 294.

[14] Ebd.

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[21] Jahnke (1959).

[22] VVN-BDA (Homepage).

[23] Ebd.

[24] Ein Autorenkollektiv verfasste bis zum Jahr 1964 die umfangreiche Sammlung unter dem Titel: „SS im Einsatz. Eine Dokumentation über die Verbrechen der SS“

[25]Kommission (2006), S.73.

[26] Leide (2011), S.156.

[27] Autorenkollektiv UdL (2019), S.45.

[28] Ebd.

[29] Dumschat (2005), S.121-124.

[30] Ebd.

[31] Kunze (2022), S.287f.

[32] Großmann/ Schwanitz (2021), S.63.

[33] Rodermund, (2023).

[34] Ebd.

[35] Knigh (2019).

[36] Klein (2019), S.235f.

[37] Ohne Autor (2021) / Interview MDR (2022).

[38] Interview MDR (2022).

[39] Anonymer Dokumentarbericht (1947), S. 40 u. 16.

[40] Ebd.

[41] Ebd.

[42] Volk (2023) / Apabiz (2005).

[43]Vollhardt (2024).

[44] Dr. Roesler (2013).

[45] ND-Redaktion (1953), S,1.

[46] Brecht (1953).

[47] Ebd.

[48]Junge Welt (1953).

[49] Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags (2007).

[50] Brose (2022) / MacDonald, Dougal (2022).  

[51] Tügel (2018).

[52] Karlsch (1993), S.223-239.

[53] Winkler (1980), S. 33f.

[54] Neuber (2005), S. 47.

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[56] Longerich (2021).

[57] Ebd.

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[59] Winkler (1980), S. 38.

[60] Winkler (1980), S. 38.

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[62] Elm (2005), S.25.

[63] Kunze (2022), S. 287f.

[64] Frumkin (1978), S. 143.

[65] Frumkin (1978), S. 143f.

[66] Frumkin, (1978), S. 147.

[67] Ebd.

[68] Winkler (1980), S. 80.

[69] Winkler (1980), S. 80.

[70] Neubacher (1996), S.11ff.

[71] Ebd.

[72] Frumkin (1978), S.147.

[73] Marulanda (2019), S. 87.

[74] Frumkin (1978), S. 148.

[75] Venner (1994), S.21.

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[79] Winkler (1980), S.125.

[80] Speit (2020), S. 11.

[81] Fischer (2023), S.116.

[82] Fischer (2023), S.117.

[83] Speit (2020), S.11.

[84] Lepper (2023)

[85] Frumkin (1978), S.153.

[86] Vollhardt (2024).

[87] Linke (1994), S.15.

[88] Linke (1994), S.15.

[89] Linke (1994), S.16.

[90] Ebd.

[91] Kailitz (2009), S. 114f.

[92] Kailitz (2009), S. 115f.

[93] Kailitz (2009), S. 115f.

[94] Kailitz (2009), S. 117.

[95] Fischer (2023), S.111.

[96] Neubacher (1996), S. 46ff.

[97] Venner (1994), S. 22f. / Brasch (2016).

[98] Venner (1994), S. 48f.

[99]Brauner-Orthen (2001), S. 180.

[100] Kohrs (2016).

[101] Kohrs (2016).

[102] Venner (1994), S.91f.

[103] ND-Redaktion (1976), S.6. / Redaktion Belltower News (2008).

[104] Ohne Autor (2016) / Kalitz (2009), S. 114 u. 117. Die DVU und Republikaner machten 1989 jeweils 25.000 Mitglieder aus, während die NPD auf 8.000 kam.

[105] Arbeitsgruppe 2 IfS (2008), S.15.

[106] Dr. Wagner (2018).

[107] Mitzkat (2021).

[108] Autorenkollektiv (1970) S.17.

[109] Kinner / Richter (2000), S. 288.

[110] Ahbe (2007), S.40.

[111] Steiner (1989).

[112] Moldt (2002), S. 14–25.

[113] Ahbe (2007), S.41.

[114] Ebd.

[115] Kinner / Richter (2000), S. 288.

[116] Kinner / Richter (2000), S. 289.

[117] Autorenkollektiv UdL (2024), S.5.

[118] Marulanda (2019), S. 89.

[119] Autorenkollektiv (2019), S.39.

[120] Ahbe (2007), S.44-50.

[121] Kunze (2022), S.297.

[122] Ebd.

[123] Der ehemalige Neofaschist Ingo Hasselbach berichtet in mehreren Artikeln und Dokumentationen darüber, wie er und viele weitere Insassen durch Altnazis wie den Dresdner Gestapo-Chef Schmidt noch weiter radikalisiert wurden.

[124] Reich (2021).

[125] VHS Doku (2020).

[126] Marulanda (2019), S. 90f.

[127] Ebd.

[128] Wrusch (2011).

[129] Förster (2019).

[130] Ebd.

[131] Dokumentation Eskalation der Gewalt 1992.

[132] Marulanda (2019), S. 90f.

[133] Autorenkollektiv UdL (2024), S.5.

[134] Ahbe (2007), S. 43.

[135] Hockenos (2013), S. 86–87.

[136] Vollhardt (2024).

[137] Lewis (1996), S.25ff.

[138] Monroy (2024).

[139] Robert Havemann Gesellschaft (ohne Jahr).

[140] Robert Havemann Gesellschaft (ohne Jahr) 2.

[141] Autorenkollektiv UdL (2024), S.5.

[142] Werner (2022).

[143] Ohne Autor (2022) / Kleffner (2016).

[144] Kleffner (2016).

[145] Ohne Autor (2021).

[146] NDR Doku (2022).

[147] Das Buch 30 Jahre „Antifa in Ostdeutschland – Perspektiven auf eine eigenständige Bewegung“ zeichnet diese Standpunkte gut nach, allerdings ohne sich selbst kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen.

[148] Ehlert, Ringo (2010).

[149] Ebd.

[150] Ohne Autor (2022).

[151] Tschernig (2023).

[152] Ehlert (2013).

[153] Autorenkollektiv (2019), S.34.

[154] Ehlert (2010).

[155] Kleffner (2016).

[156] Hethey (2020), S. 44.

[157] Hethey (2020), S. 41.

[158] Kalitz (2009), S. 111.

[159] Hertel (1998), S.26.

[160] Neubacher (1996), S.55.

[161] Geyer (2019).

[162] Rosa-Luxemburg-Stiftung (2019).

[163] Waibel (2016), S.126.

[164] Ebd.

[165] Ebd.

[166] Niemann (2005), S.81.

[167] Richter (2017).

[168] Holtmann (2002).

[169] Grimmer (2019).

[170] Peşmen (2017).

[171] Peşmen (2017).

[172] Peşmen (2017).

[173] Linke (1994), S.178.

[174] Unentdecktes Land (ohne Jahr).

[175] Linke (1994), S.170.

[176] Linke (1994), S.171.

[177] Linke (1994), S.174.

[178] Issig / Itzthum (2016).

[179] Linke, Anette (1994), S.169.

[180] Wiedemann (1988) /sowie Linke (1994), S.175f.

[181] Heitzer (2013), S. 23f.

[182] Heitzer (2023), S. 25f.

[183] Heitzer (2023), S. 26f.

[184] Heitzer (2023), S. 29.

[185] Heitzer (2023), S. 40f.

[186] Heitzer (2023), S. 31.

[187] Ebd.

[188] Heitzer (2023), S. 33f.

[189] Gamma (2011)

[190] Elo (2016) / Scheffler (2012).

[191] Dahn (2021), S. 132.

[192] Dahn (2021), S. 133.

[193] Dahn (2021), S. 134.

[194] Ebd.

[195] Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (ohne Jahr).

[196] Dahn (2021), S. 101.

[197] Ebd.

[198] Ebd.

[199] Ebd.

[200] Dahn (2021), S. 102.

[201] Wippermann (2009), S. 60.

[202] Wippermann (2009), S. 71.

[203] Wippermann (2009); S. 60f.

[204] Mitzkat (2021).

[205] Wippermann (2009), S. 65.

[206] Wippermann (2009), S. 66.

[207] Wippermann (2009), S. 66f.

[208] Wippermann (2009), S. 65.

[209] Linke (1994), S.170.

[210] Heitzer (2023), S. 38.

[211] Wippermann (2009), S.81.

[212] Ebd.

[213] Wippermann (2009), S. 82.

[214] Ahbe (2007), S. 54f.

[215] Klein (2021), S. 7.

[216] Dahn (2021), S. 78.

[217] Klein (2021), S. 7.

[218] Dahn (2021), S. 78.

[219] Dahn (2021), S. 79.

[220] Ahbe (2007), S. 56.

[221] Deutscher Bundestag Referat Öffentlichkeitsarbeit (1994), S. 1f.

[222] Weitere Infos bei NSU-Watch: https://www.nsu-watch.info/.

[223] Linke (1994), S.148ff.

[224]Linke (1994), S. 171.

[225] Linke (1994), S.59.

[226] Kailitz (2009), S. 111.

[227]Neubacher (1996), S.38.

[228] Kailitz (2009), S. 111.

[229] Kailitz (2009), S. 112.

[230] Ebd.

[231] Neubacher (1996), S. 48f.

[232] Neubacher (1996), S. 48f.

[233] Kailitz (2009), S. 123.

[234] Kailitz (2009) S. 124.

[235] Arbeitsgruppe 2 IfS (2008), S. 16.

[236] Ebd.

[237] Speit (2020), S.13.

[238] Kovahl (2020), S.37.

[239] Speit (2020), S.11.

[240] Tornau (2021).

[241] Ebd.

[242] Joswig (2021).

[243] Joswig (2021) / Bednarz (2019).

[244] Sellner skizziert diese Idee in einer Buchvorstellung im Rahmen des Instituts für Staatspolitik. Die Audioaufnahme ist auf dem „Kanal Schnellroda“ erhältlich.

[245] Aussage Götz Kubitscheks auf einem Podiumsgespräch mit Martin Sellner unter dem Titel „Reisefreiheit und Remigration“.

Deklaration des Interforum – Antifaschistisches Forum Donbass

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In diesem Monat fand in Lugansk das „Antifaschistische Forum Donbass“ statt. An diesem Treffen nahmen Antifaschisten aus ganz Europa teil. Das Forum stellte die Bedeutung faschistischer Kräfte für die Fortsetzung der imperialistischen Herrschaft in den Vordergrund. und benennt die Trump-Regierung und die europäische Rechte als wichtige Akteure der Kriegsvorbereitung gegen Russland, Fortsetzung des Genozids in Palästina und Ausplünderung der Welt. Wir spiegeln hier die Deklaration des Forums im Wortlaut.

Am 9. Mai jährt sich zum 80. Mal der große Sieg der Sowjetunion über Hitlerdeutschland. Fast ein ganzes Jahrhundert liegt zwischen uns und den Ereignissen dieser Zeit, und doch sehen wir erst jetzt, welche kolossalen Auswirkungen sie immer noch auf die ganze Welt haben.

Der Zweite Weltkrieg begann nicht „einfach so“. Er kam nicht aus heiterem Himmel. Er wurde durch ein Geflecht von Widersprüchen in der internationalen Politik ausgelöst, die man mit Hilfe eines Krieges zu lösen versuchte. Die Gründe, die vor mehr als 80 Jahren die Welt in Anhänger nationalsozialistischer und antifaschistischer Ideen spalteten, bestehen auch heute noch. Westliche Konzerne und das Finanzkapital, die jahrelang Hitler bewaffneten, schufen eine kampffähige Armee, um sie gegen denjenigen zu richten, von dem sie sich bedroht fühlten: die Sowjetunion.

Heute sehen wir eine Wiederholung der Welttragödie, die sich in den 1930er und 1940er Jahren abgespielt hat. Der westliche Imperialismus hat bereits mit seiner Aggression gegen diejenigen begonnen, die mit der US-amerikanisch geprägten Weltordnung nicht einverstanden sind. Er ist dabei, eine schlagkräftige Faust gegen jene Völker und Länder aufzubauen, die versuchen, eine unabhängige und souveräne Politik zu verfolgen. Gegen Russland, China, Nordkorea, Kuba, den Iran, Venezuela, Nicaragua und viele andere. Unter dieser Faust versammeln sich ukrainische Faschisten, israelische Zionisten, afrikanische und nahöstliche Dschihadisten sowie lateinamerikanische „Todesschwadronen“.

Diese vielschichtige „Internationale“ des neuen Faschismus, die ihren „Kreuzzug“ gegen die Völker dieses Planeten bereits begonnen hat, hat das transnationale Finanzkapital als Auftraggeber zum Sponsor. Heute ändert diese „schwarze Internationale“ ihre Führung – anstelle der gescheiterten Liberalen bekommt sie harte, zynische und aggressive Führer in Form der neuen rechten US-Regierung unter Donald Trump und dem Multimilliardär Elon Musk, der die Hand zum Nazigruß hebt.

Die neue Führung in Washington hat es bereits geschafft, Anspruch auf den Panamakanal zu erheben, den argentinischen neoliberalen Faschisten Javier Milei und die europäische extreme Rechte zu unterstützen, neue Sanktionen gegen Russland und einen Krieg gegen den Iran anzudrohen und den israelischen Völkermord in Gaza zu bekräftigen.

Die Aggression des Westens gegenüber den Völkern der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere gegen Russland, die 2014 durch das faschistische Regime in Kiew eingeleitet worden ist, war der Schlüsselpunkt für die Wende der Politik des westlichen Imperialismus in Richtung Militarisierung, Reaktion und Vorbereitung auf einen großen Krieg. Wir sind überzeugt, dass hier auch das Feuer des Widerstands gegen den Imperialismus und den neuen Faschismus entfacht werden muss.

Die ersten Funken dieses Widerstands sind der heldenhafte Kampf des Donbass gegen den ukrainischen Nazismus, der durch die Militärische Sonderoperation Russlands fortgesetzt wird. Wir betonen, dass dies keine isolierte oder regionale Situation ist – sie ist Teil des weltweiten Kampfes gegen die USA, die NATO, die Europäische Union und andere Kräfte und Organisationen der imperialistischen Hegemonie. Das Ziel unserer Feinde ist dasselbe wie vor über 80 Jahren – die Inbesitznahme und Unterwerfung der Märkte, der natürlichen und menschlichen Ressourcen des Planeten, die Zerstörung einer Alternative zur bestehenden Weltordnung, welche damals die UdSSR war und heute eine Reihe von Ländern, die sich der unipolaren, US-amerikanisch zentrierten Welt widersetzen.

Nur eine gemeinsame Front der internationalen antifaschistischen und antiimperialistischen Solidarität der Völker kann dem Rechtsruck der Reaktion und dem neuen Faschismus, der sich jetzt im Westen abspielt, widerstehen. Unser Forum ist dazu aufgerufen, einer der Kristallisationspunkte dieses Widerstands zu werden.

Wir rufen alle, die unsere Besorgnis über die Zunahme faschistischer Tendenzen in der Gesellschaft teilen, dazu auf, nicht zu schweigen, sondern offen und lautstark ihren Standpunkt zu vertreten!

Wir rufen dazu auf, am achtzigsten Jahrestag des Großen Sieges das Andenken an die antifaschistischen Helden in allen Ländern zu ehren, in denen die Menschen den Weg des Kampfes gegen die braune Pest gegangen sind: Die Helden der ELAS in Griechenland, die Antifaschisten der Volksbefreiungsarmee Jugoslawiens, die Teilnehmer am Aufstand im Warschauer Ghetto und die Partisanen der Armia Ludowa in Polen, die Garibaldi-Brigaden und die Matteotti-Brigaden in Italien, die Kameraden von Ernst Thälmann in Deutschland, die Tausenden von Widerstandskämpfern im Untergrund in Frankreich, Spanien, Österreich, Rumänien und anderen Ländern!

Wir rufen dazu auf, schon heute Kontakte zu Gleichgesinnten aufzubauen und zu stärken, denn morgen steht uns allen ein schwerer Kampf bevor, auf den wir uns jetzt vorbereiten müssen!

Für internationale Solidarität und gemeinsame Aktionen gegen Faschismus und Imperialismus!

Verbote und der Kampf um Grundrechte

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Seit November 2023 nehmen die Verbote von Vereinen und Vereinigungen zu, insbesondere in der Palästina-Solidaritäts-Bewegung. Gleichzeitig steigen die Verfahren wegen „Volksverhetzung“ oder „Billigung von Straftaten“ massiv an – meist im Kontext der Palästina-Solidarität, aber auch wenn andere Positionen zum Ukrainekrieg vertreten werden als die der Bundesregierung. Es ist klar: Mit der Kriegspolitik kommen die Verbote

Viele Organisationen, auch wir als KO, sind im Visier des Inlandsgeheimdienstes und des Innenministeriums. Wir werden insbesondere wegen unserer Arbeit in der Palästina-Soli-Bewegung erwähnt. Der „Verfassungsschutzbericht“  ist keine neutrale Berichterstattung, sondern eine Markierung der Positionen und Organisationen, die kriminalisiert werden sollen. Sie dienen damit auch immer der Spaltung. Die ins Visier Genommenen sollen isoliert und innerhalb der Bewegung und Gesellschaft ausgeschlossen werden. Dazu dienen bestimmte Unterstellungen und Narrative wie zum Beispiel, dass die Bewegung „unterwandert“ werden würde. Vor diesem Hintergrund wollen wir in der Artikelreihe verschiedene Fragen behandeln: Warum ist der Kampf um Grundrechte notwendig? Welche Schlussfolgerungen können wir aus den vergangenen Verbote ziehen? Und wie sollten wir mit potentiellen zukünftigen Verboten umgehen?  

Der erste Artikel von Klara Bina reflektiert die Bedeutung des Kampfes für Grundrechte vor dem Hintergrund romantischer Vorstellungen des Klassenkampfs und im Kontext der Widersprüche der bürgerlichen Herrschaft. Diese Widersprüche führen zu Problemen sowohl für die Arbeiterklasse und ihren Kampf, als auch für die bürgerliche Klasse und der Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft. Der Text will eine Lanze für die „kleinen“ Kämpfe um Grundrechte brechen und benennt eine Lücke in der Diskussion der KO (und darüber hinaus): Es fehlt ein Verständnis für die Entstehung von Klassenbewusstsein im Kontext der historisch konkreten Klassenherrschaft. 

Verbote und der Kampf um Grundrechte – Teil 1

Ein Plädoyer dafür, den Kampf für Grundrechte im Kontext der Widersprüche der Klassenherrschaft zu verstehen 

von Klara Bina  

Internationale Umbrüche sorgen für gesellschaftliche Eruptionen, die der Klassenfeind ausnutzt. Dabei werden die Interessen der Arbeiterklasse tiefgreifend angegriffen. Die ökonomischen Existenzbedingungen werden z.B. mit Angriffen auf Bürgergeld und Arbeitsrechte in Deutschland infrage gestellt, es gibt Kürzungen öffentlicher Mittel für Bildung und Erziehung. Die Grundrechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden beschnitten. Daraus ergeben sich für die Arbeiter und kommunistische Bewegung überall – auch in Deutschland – Fragen nach Bedingungen und Methoden des Klassenkampfes.

Lanze brechen für die „kleinen“ Kämpfe

„Kämpfen“ – das geht einigen im innerkommunistischen und innerlinken Diskurs leicht über die Lippen. Im Idealfall ist es der Klassenkampf, der geführt, sogar angeführt werden soll. Vor lauter großnr Ideen revolutionär-kämpferischer Klassenkämpfe bleiben die wirklichen Kämpfe der Klasse häufig auf der Strecke – und damit auch die notwendigen Kämpfe, die geführt werden müssten zur Steigerung des Klassenbewusstseins und der Organisierung der Massen, die wiederum notwendige Bedingungen des Klassenkampfes sind. Für diese relevanten ‚kleinen‘ Kämpfe soll hier eine Lanze gebrochen werden. Dabei nehme ich hier zwar die allgemeine Frage des Klassenkampfes als Ausgangspunkt, möchte mich aber dann zügig auf die Frage des Kampfes um Grundrechte fokussieren, um ihre aktuelle Relevanz in der BRD zu demonstrieren.

Ökonomismus und Romantik

Im Rahmen der Diskussionen um den politischen Beschluss zur Massenarbeit führte die KO im Vorlauf ihrer zweiten Vollversammlung eine Diskussion über die Frage, was eigentlich Klassenkampf bedeutet und ob alle Kämpfe der Klasse schon Klassenkampf seien. Insbesondere war die Verengung auf eine ökonomistische Sichtweise Gegenstand der Diskussion (hier ein Beitrag von mir, unter dem Stichwort „Massenarbeit“ sind weitere Beiträge zu finden). Kämpfe um Grundrechte fanden damals weniger Beachtung. Bemerkenswert ist eine gegenläufige politische Bewertung, wenn es um „kleine“ ökonomische Kämpfe einerseits und gleichermaßen „kleine“ Grundrechtskämpfe andererseits geht. Bei ökonomischen Kämpfen neigt die Mehrheit in der Bewegung dazu, diese recht schnell zu überhöhen, bei Grundrechtskämpfen, die teilweise sogar größere gesellschaftliche Relevanz haben, diese herunterzuspielen und als illusionäre Kämpfe zu bezeichnen. Dahinter liegen unterschiedliche unzulängliche Betrachtungsweisen, romantische Vorstellungen vom Betriebskampf und auch ein Mangel an Kampferfahrungen, die kollektiv diskutiert und vermittelt sind und sich entsprechend kaum in lebendige Diskurse, inhaltliche Auseinandersetzungen und begründeten Überzeugungen übersetzen. Inwiefern aber diese Vorstellungen mangelhaft sind, soll hier kurz angedeutet werden, in der Hoffnung, dass sich eine lebendige Diskussion um diese Fragen entspinnen lässt.

Romantik, Ungeduld und Opportunismus

Die Überhöhung ökonomischer Kämpfe1, vor allem der Betriebskämpfe, resultiert aus unterschiedlichen Quellen. Die Rolle der Industriearbeiterklasse aufgrund ihrer ökonomischen Macht wird zwar richtig erkannt, aber schablonenhaft angewendet und die konkreten historischen, nationalen und politischen Zusammenhänge ignoriert. Hinzu kommt als zweite Quelle die Bequemlichkeit in der Anwendung, wie wir sie auch in der Imperialismusfrage sehen. Der Arbeiter im Betrieb als der Prototyp des Klassenkampfes, dessen starker Arm es anders wollen soll als die verweichlichte Mittelklasse es je könnte. Solche Bilder lassen die Herzen der Revolutionäre höherschlagen und schneller als sie denken, tappen sie in die Falle der Sozialdemokratie. Schließlich die dritte Quelle: Die romantische Verklärung des Arbeiters an der Maschine in einer hochindustriellen, vor Produktivität strotzenden imperialistischen Metropole. Wie schnell hier die revolutionäre Romantik in Ungeduld umschlagen kann, davon ist die Geschichte der Betriebskämpfe prall gefüllt. Nicht selten schlägt der Ökonomismus in der Analyse entweder in Rechtsopportunismus oder Linksradikalismus um. Dieser die objektiven Bedingungen ignorierend und auf radikalere Kämpfe orientierend, jener die objektiven Bedingungen verabsolutierend und die kämpfende Arbeiterschaft beschwichtigend.

Eine Lücke, die wir schließen müssen

Im Politischen Beschluss zur Massenarbeit spiegelt sich unsere Diskussion über den Begriff des Klassenkampfes und der Klasse wider. Ein wichtiger Aspekt, der aber meiner Ansicht nach zu kurz kommt und noch einiges an Arbeit von uns abverlangen wird, ist die Frage danach, unter welchen Bedingungen Klassenbewusstsein entsteht und sich entwickelt im Verhältnis zu den gesellschaftlich vermittelten Kampfbedingungen. Diese Schwachstelle des Beschlusses zur Massenarbeit ist eine Leerstelle, die uns auf die Füße fällt, wenn es darum geht, Klassenkämpfe in ihrem jeweils konkreten historisch-gesellschaftlichen Kontext zu begreifen. Was ist damit gemeint?

Die Klassen – tatsächlich beide, die Arbeiterklasse und die herrschende Kapitalistenklasse – sind in einen ökonomisch, politisch und kulturell spezifischen Kontext eingebettet, der ihr Bewusstsein auf mannigfaltige Weise beeinflusst. Dieser historisch entstandene und gesellschaftlich vermittelte Kontext drückt sich in unterschiedlichsten Weisen als Erklärungs- und Legitimationskitt für den Ausbeutungsmechanismen der kapitalistischen Gesellschaft aus und hält diese an den jeweiligen Verhältnissen gefesselt. Diese (Erklärungs-)Muster können variieren vom Standortdenken bis zum Rassismus oder religiöse und kulturalistische Muster, um nur ein paar sehr offensichtliche zu nennen. Sie können aber auch Sicherheits- und Angstdiskurse beinhalten, die zum Beispiel den Kampf um höhere Löhne als in diesem Moment unwichtiger erscheinen lässt als einen Kampf um eine erhöhte „Sicherheitsinfrastruktur“ oder „Migrationsabwehr“. Zusammenfassend: ohne all die wichtigen Punkte bezüglich des Klassenkampfes im Beschluss zu relativieren, sei hiermit gesagt, dass wir diese Lücke schließen müssten, um genau nicht in die oben beschriebenen Fallen einer Überhöhung des betrieblichen, wie auch Unterschätzung oder Relativierung anderer Kämpfe zu tappen.

Beschränkung der Arbeiterklasse durch Integration

Ein weiterer Aspekt des Kampfes, dem hier besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden soll, wird durch die Verfasstheit der gesellschaftlichen Herrschaft bedingt. Das Augenmerk liegt hier auf der Implikation eines bürgerlich-demokratisch verfassten Rechtsstaates einerseits für die Arbeiterklasse, der Rechte zukommen sollen und andererseits für die Kapitalistenklasse, deren Interessen realisiert werden sollen. Eine solche bürgerlich-demokratische Ordnung produziert auf beiden Seiten für beide Klassen multiple Widersprüche, die sie – die bürgerliche Ordnung bzw. der bürgerliche Staat – in irgendeiner Weise, meist in einer sehr spannungsreichen Weise, unter Kontrolle halten muss.

Für die Arbeiterklasse besteht der Widerspruch hauptsächlich darin, dass sie sich mit jedem weiteren zugestandenen Recht in ihrer eigenen Entwicklung, sowohl hinsichtlich ihres Klassenbewusstseins als auch hinsichtlich der Spielregeln des Kampfes in den unterschiedlichsten Arenen, beschränken muss. Ein hervorragendes Beispiel aus der BRD für diesen Widerspruch bietet das Betriebsverfassungsgesetz. Tatsächlich wirkt sich aber auch in besonderem Maße die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in dieser Weise aus. Ist es erst einmal erlaubt, alles zu sagen, wirkt sich die Normalisierung des radikalen Inhalts, z.B. von radikaler Kapitalismuskritik mehr als Integrationsinstrument auf das Bewusstsein der Massen aus, als dass es den gewünschten Effekt der Steigerung des Klassenbewusstseins hätte. Das ist eine Form, wie sich erkämpfte oder zugestandene Rechte beschränkend auf die Arbeiterklasse auswirken, notwendig auswirken können. Ein demokratisches Klima kann zur Vertiefung der Integration der Arbeiterklasse in die bürgerliche Ordnung führen. Diese Integration ist in hohem Maße im Interesse der bürgerlichen Herrschaft, denn sie dient dazu, Widersprüche zumindest zeitweilig einzuebnen. Das ist die andere Form, in der Rechte als Spielregeln die Denk- und Handlungsfähigkeit der Arbeiterklasse als Klasse beschränken können. Eine affirmative Haltung gegenüber dem Kompromiss, der sich als Ergebnis von Kämpfen z.B. um Versammlungsfreiheit ergibt, entwickelt sich schleichend – bis der Kompromisscharakter kaum noch erkennbar ist. Die im Grundgesetz festgeschriebene Versammlungsfreiheit hat schon einen Kompromisscharakter insofern, dass es dem Staat vorbehalten ist, diese durch Gesetze, z.B. durch Anmeldepflicht, einzuschränken.

Widersprüche als potenzielle Risse

Andererseits der Staat: je stärker er sich als demokratischer und freiheitlicher Staat geriert, umso mehr kristallisiert sich im Bewusstsein seiner Glieder und der unterschiedlichen Schichten der Gesellschaft der wirkliche Glaube an den Inhalt der Demokratie und der Grundrechte. So gerät der bürgerliche Staat im Verlauf seiner Gesamtgeschichte ständig in Widerspruch zum eigenen Narrativ von Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit. Je länger die Phase einer relativ stabilen bürgerlichen Demokratie dauert, umso blumiger werden die Illusionen und umso fester der Glaube an diese Versprechen.

Das gilt jedoch nicht nur für die Seite der Arbeiterklasse, sondern in hohem Maße für die Seite der bürgerlichen Klasse samt ihrer stets dienlichen Schichten – die zu ihr hinaufschauenden Kleinbürger und die Arbeiteraristokratie. Diese sind die Operatoren der Herrschaftsabsicherung, wenn es um die Realisierung der Interessen der Kapitalistenklasse geht, ob sie nun Ämter bekleiden, wie Richter oder Funktionen ausführen in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Institutionen, von Schulen und Universitäten bis zu Gewerkschaften. Auf Dauer geht es aber in einer kapitalistischen Gesellschaft nicht ohne die Einschränkung eben dieser Grundrechte (dazu sehr empfehlenswert ist der Artikel von Arnold Schölzel in der jungen Welt vom 29.06.24 „Im ‚Kaltstart‘ zum Notstand“). Sogar die imperialistischen Staaten können trotz der Extraprofite, aus denen sie die eigene Arbeiterklasse bestechen, nicht nachhaltig auf Einebnung der Widersprüche orientieren. Die aus Sicht der herrschenden Klasse eigentlich bessere Herrschaftsform der bürgerlichen Demokratie, muss aufgrund externer und interner Widersprüche relativiert oder gar unterminiert werden.

Die Feststellung der Widersprüche, die sich mit einer demokratischen Ordnung für die Kapitalistenklasse ergeben, sollte aber nicht nur zur Skandalisierung und Entlarvung des eigentlich unterdrückerischen und repressiven Charakters der bürgerlichen Herrschaft beitragen. Diese Erkenntnis ist äußerst hilfreich für die verschiedenen Kämpfe der Arbeiterklasse. Sie befähigt uns dazu, die Widersprüche als potentielle Risse in den Reihen der Herrschenden und ihrer Funktionäre zu betrachten und im Sinne der Desintegration der Arbeiterklasse zu nutzen. Um das aber zu tun, müssen diese Widersprüche zur vollen Entfaltung kommen oder in den Kämpfen dazu gebracht werden.

Entlarvung durch gemeinsames Durchfechten

Wenn wir – in den unterschiedlichsten Bereichen – um unsere Grundrechte kämpfen, machen wir nichts anderes als die bürgerliche Klasse entlang ihrer eigenen Versprechen herauszufordern und nutzen dafür im besten Fall alle uns zur Verfügung stehenden Mittel, sowohl juristische als auch propagandistische. Die wirkliche Fratze des kapitalistischen Staates lässt sich nicht einfach durch Erläuterungen entlarven, sie muss on the ground mit den Betroffenen gemeinsam durchfochten herausgefordert und der daraus resultierende Kampf durchgefochten werden. Dabei ist jeder mögliche Ausgang kurz- oder mittelfristig im Sinne der Arbeiterklasse. Im Falle einer erfolgreichen juristischen Auseinandersetzung werden Grundrechte tatsächlich erkämpft, und zwar gegen den Staat bzw. gegen die Exekutive. Im Falle eines negativen Ausgangs wird der repressive Charakter durch Erfahrung bestätigt und kann somit als bewusste Grundlage für die weitere politische Arbeit dienen, sagen wir auf einer höheren Bewusstseinsstufe. Im ersten Fall müssen wir der potenziellen Verstärkung von Illusionen entgegenwirken, wenn z.B. höchstrichterliche Urteile in unserem Sinne gefällt werden sollten. Dann heißt es, nicht dort stehen zu bleiben und die nächsten Herausforderungen anzugehen. Im zweiten Fall sollten wir entsprechend der Möglichkeiten, die uns repressive Maßnahmen lassen, einen kreativen Umgang mit diesen suchen und das Bewusstsein über den Charakter des Staates entlang der gemeinsam gemachten Erfahrung steigern.

Legalismus und Linksradikalismus

Dieser spannungsreiche und widersprüchliche Prozess verlangt von beiden Klassen anstrengende Vermittlungsarbeit ab. Die herrschende Klasse nutzt alle ihr zur Verfügung stehenden ideologischen und sonstigen Mittel zur Beschwichtigung der Massen und vor allem ihrer eigenen Reihen zwecks Legitimierung von Demokratieabbau und Staatsumbau. Dazu müssen Diskussionen und Auseinandersetzungen bis zu einem gewissen Grad zugelassen und Positionen, Fragen und Zweifel austariert werden, bis sich die Meinung der Herrschenden als herrschende Meinung durchsetzen kann.

Auf der Seite der Arbeiterklasse aber sind es unzählige Fallen, in die hineingetappt werden kann, wenn es um die Frage der Verteidigung der Grundrechte geht. Entlang der üblichen Grundausrichtungen, die gewöhnlich als Schattierungen von Legalismus einerseits und Linksradikalismus andererseits auftreten, können der tiefe Glaube an die demokratischen Institutionen, wie die Rechtsprechung, sowie eine Totalablehnung des Kampfes um Grundrechte als illusionär beobachtet werden. Genauso wenig aber wie sich der Klassenfeind aufgrund der Schwierigkeiten der Vermittlungsarbeit davon abhalten lässt, in seinem Sinne und mit größten Anstrengungen diese Arbeit zu leisten, sollten wir das auch tun, in vollem Bewusstsein dessen, dass wir uns noch viel mehr anstrengen müssen.

Abhängen der Massen

Linksradikalismus kann auch verstärkt werden, indem die jeweilige Phase des Kampfes nicht richtig erkannt wird. Vor allem unter dem Eindruck konkreter Kämpfe, die zeitweise eine gewisse Dynamik in der Protestbewegung erzeugen und / oder unter dem Eindruck harter Repression kann eine revolutionäre Situation vermutet werden, obwohl die konkrete Auseinandersetzung noch lange keine gesamtgesellschaftliche Relevanz erlangt hat.

Aus solchen falschen Einschätzungen heraus wird häufig der Kampf um die Grundrechte relativiert und als illusionär und / oder nicht mehr nötig angesehen, da es jetzt nur noch auf die direkte Aktion der Massen ankäme. Solche Fehleinschätzungen können einen defätistischen Fatalismus erzeugen, weil sie letztlich den Kampf nicht in Bahnen lenken, die entsprechend der Bedingungen realistische Ziele anpeilt, sondern ins Leere laufen und meistens demobilisierend auf die Massen wirken, indem diese abgehängt werden.

Anstrengende Vermittlungsarbeit ist angesagt

Soweit sehr allgemein zu den Dynamiken, die die Widersprüche im bürgerlich-demokratisch verfassten kapitalistischen Rechtsstaat erzeugen, wenn die Versprechen der Grundrechte und Demokratie an ihre realen Grenzen kommen, so wie wir es seit der Militäroperation Russlands zuerst und in einem viel verstärkten Maße seit dem 7.Oktober 2023 gegenüber der Palästina-Solidaritätsbewegung beobachten können.

Eine kluge Ausnutzung der Widersprüche auf der Seite der herrschenden Klasse unter Berücksichtigung der Bewusstseinslage der Massen und der objektiven gesellschaftlichen Bedingungen des Kampfes, ist derzeit das meiner Ansicht nach richtige Herangehen im Kampf um unsere Grundrechte.

Wir müssen auch – in der gesamten Bewegung – realisieren, dass offene Diskussionen und gemeinsame und solidarische Anstrengungen im Kontext der Kämpfe gegen Repressionen, von uns als Akteure in der Bewegung organisiert werden müssen. Unter anderem ist genau das mit der anstrengenden Vermittlungsarbeit hinsichtlich der hier aufgeworfenen, bestimmt auch kontroversen, Thesen gemeint. Wir selbst müssen die Orte für die Reflexion dieser Kämpfe und die unterschiedlichen Taktiken und Herangehensweisen schaffen. Dabei spielt die Integration oder mindestens Nutzbarmachung von Akteuren außerhalb der Bewegung, wie z.B. Akademiker, praktizierende Juristen etc., eine wichtige Rolle.

Wir müssen noch etwas realisieren: der Stand des Bewusstseins in der Arbeiterklasse, aber auch in der Bewegung, hinsichtlich des Charakters des imperialistischen Staates und den Erfahrungen im Kampf gegen ihn, sind auf einem sehr niedrigen Niveau und die Auseinandersetzungen um diese Fragen zeichnen sich nicht gerade durch Lebendigkeit aus. Das muss sich ändern und die KO hat die Verantwortung, ihren Beitrag dazu zu leisten.

1 Siehe hierzu meinen Diskussionsbeitrag: https://kommunistische-organisation.de/artikel/den-klassenkampf-nicht-zerlegen-darum-geht-es/

Podcast #50 – 3 Jahre Zeitenwende: Kriegsvorbereitung gegen Russland

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Morgen, am 18. März, soll im Bundestag der Weg frei gemacht werden für unbegrenzte Kriegskredite. Die historische Aufrüstung, die wir erleben hat ein konkretes Ziel. Sie richtet sich gegen Russland.

Gemeinsam mit Franzi (KO) und Ralf Hohmann (DKP) sprechen wir über die aktuelle Phase der Militarisierung und Aufrüstung in Deutschland. Es geht um wesentliche Entwicklungen der letzten drei Jahre „Zeitenwende“, auf militärischem, politisch-rechtlichem und wirtschaftlichem Gebiet. Wir sprechen über das Verhältnis zu den USA, der Rolle der NATO und Probleme und Widersprüche der Herrschenden in der Kriegsvorbereitung.

Mehr Infos findet ihr in der kürzlich erschienenen Broschüre der KO: „Kanonen und Butter – das ist Schlaraffenland!“

Und in den regelmäßigen Veröffentlichungen von Ralf Hohmann in der Wochenzeitung Unsere Zeit.

Now in English: Booklet on `Zeitenwende`and war preparations in Germany

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Three years ago Olaf Scholz declared a turning point, the Zeitenwende. The plans for this had been in the drawer for some time. The goal is to make Germany capable of waging war on a large scale. This war is a war against Russia. This booklet traces the most important developments of the past three years. In addition to the military, economic, political, and ideological buildup, it ultimately focuses on what is our collective task: stopping the war against Russia.

The contents of the booklet:

  1. A ‘Zeitenwende’ that was long in preparation
    Background: Germany‘s third attempt at war against Russia
  2. From helmets to Taurus to nuclear armament
    War maneuvers: Germany as the European NATO pillar against Russia | The Lithuanian Brigade—“A Lighthouse Project at the Zeitenwende” | “A European presence in the Indo-Pacific” | Operations Plan Germany—a plan for war against Russia | Military service, compulsory military service, home guard regiment | The more the weapons, the longer the war | Europe-made re-armament | Missiles aimed at Moscow: US medium-range weapons in Wiesbaden, Germany | Background: the rearmament of the FRG
  3. War loans, forced labor and armaments magnates
    The war economy is being built | War credits | Economic crisis – for whom actually? | Social cuts, increase in working hours, forced labor
  4. Enforcer of the ‘Zeitenwende’ wanted
    Trump elected and the Ampel coalition is out | German parliamentary election 2025 | Background: The sphere of influence of German imperialism
  5. The home front is being built up
    Opponents of war and genocide on trial | Media as war drummer | Russophobia has a long tradition | The FRG on the racist offensive | The “German responsibility” | Background: The rehabilitation of fascism
  6. Three years of ‘Zeitenwende’– three years of too little resistance
    Opinion polls on the Zeitenwende | German Trade Unions leadership in the service of the Zeitenwende | Protests and Problems | Stopping the ‘Zeitenwende’ means stopping the war against Russia!

Die Gefahr eines „abgekarteten Abkommens“

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Wir spiegeln hier einen Beitrag von Sergej Obuchow (Kommunistische Partei der Russischen Föderation, KPRF) über die Verhandlungsmanöver der USA. Er sieht die Gefahr eines „Minsk-3“ oder „Chassawjurt-2“ und geht auf die jüngste Warnung von Sjuganow, dem Vorsitzenden der KPRF, ein (https://kprf.ru/party-live/opinion/232674.html)

Sergej Obuchow ist Doktor der Politikwissenschaften und kommentierte in den sozialen Netzwerken das für die russische Führung unerwartete Ergebnis der Verhandlungen zwischen den USA und dem Kiewer Regime in Saudi-Arabien, bei denen die Vertreter von Selenskij einem Waffenstillstand an der Kontaktlinie zustimmten. Sergej Obuchow ist Mitglied des Präsidiums des Zentralkomitees der KPRF und Abgeordneter der Staatsduma.

S.P.Obuchow:

Als die Parteiführung der KPRF ihre Verwunderung über das für den 10. März 2025 dringend anberaumte gesamtrussische Parteitreffen im Videokonferenzformat zum Ausdruck brachte, nahmen viele nur an, dass es notwendig sei, das „Volksreferendum“ voranzubringen.

Doch als die Eröffnungsrede des KPRF-Vorsitzenden mit seinen 12 Thesen zum dritten Jahrestag der militärischen Spezialoperation gehalten wurde, wurde klar, dass sich Sjuganow nicht nur an die Partei, sondern auch an die russische Gesellschaft wandte.

Und hier war die Aussage des KPRF-Vorsitzenden über die Gefahr von „abgekarteten Spielen“ im vierten Jahr der militärischen Spezialoperation entscheidend:

– Jetzt bricht der entscheidende Moment in der Konfrontation zwischen Russland und dem Westen an. Jeder Fehler oder jedes „abgekartete Abkommen“, das von der Oligarchie und der fünften Kolonne aufgezwungen wird, ist für das Land katastrophal. Die westlichen Partner, darunter Deutschland und Frankreich, haben Russland getäuscht und die Minsker Vereinbarungen nur dazu benutzt, eine neue Aggression vorzubereiten. Die Verlogenheit und der Zynismus der so genannten Partner sind offensichtlich geworden.

Erstaunlicherweise taten alle möglichen Experten, die sich aktiv mit der parteiinternen Situation in der KPRF befassten, so, als ob diese ernste Warnung von Sjuganow nicht ausgesprochen worden wäre. Vergeblich.

Wäre die Warnung von Sjuganow an die Öffentlichkeit gelangt, wäre die öffentliche Meinung mobilisiert worden. Und so verbreitete die Expertokratie nach den unerwarteten Nachrichten über die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Kiewer Regime in Saudi-Arabien folgende deprimierende Einschätzungen: „Der Kreml war wahrscheinlich wieder einmal nicht auf die Situation und die Kehrtwende von Selenskij vorbereitet. Deshalb gab es eine Diskrepanz in den Aussagen der Sprecher.   Putin wird bis Witkoffs Besuch in Moskau am Donnerstag „untertauchen“. Vielmehr werden sie einen Austausch von Kursk gegen einen Waffenstillstand vorschlagen. Andernfalls wird es zu einer Eskalation kommen „*.

Der Westen triumphiert also und glaubt, Russland mit dem Waffenstillstandsvorschlag, dem Selenskij zugestimmt hat, besiegt zu haben.

US-Außenminister Rubio:

„In der Frage des Friedens in der Ukraine liegt der Ball jetzt auf der Seite Russlands. Die Ukraine hat einen positiven Schritt getan (sie hat einer vollständigen Waffenruhe zugestimmt, nicht nur einer Waffenruhe zur See und in der Luft, wie Kiew vorgeschlagen hatte), und wir hoffen, dass die Russen dies erwidern werden.“

Der nächste Zug in diesem Schachspiel ist klar. Wenn Russland den Waffenstillstand ablehnt, wird die ganze Schuld für das Scheitern des Waffenstillstands auf Russland abgewälzt, und die USA werden nicht die Ukraine, sondern Russland unter Druck setzen. Erst recht, da bereits neue drakonische Sanktionen gegen den russischen Öl- und Gassektor angekündigt wurden (der Rückgang der Öleinnahmen im Haushalt 2024 ist übrigens ziemlich schmerzhaft).

Ich stimme Oleg Zarew, dem ehemaligen Sprecher des Parlaments von Noworossija, zu: „In dieser Situation ist es für Russland unmöglich, Trump frontal abzulehnen. Wir sollten sagen, dass wir einverstanden sind, aber hebt die Sanktionen auf, gebt die Gold- und Devisenreserven zurück, zieht die Verbrecher in der Ukraine zur Verantwortung…“.

Generell stellen Militärblogger und patriotische Publizisten jetzt die Schlüsselfrage: „Wird Russland einem neuen Chassawjurt zustimmen oder wird es seine Offensive fortsetzen?“

Oder erklären entmutigt wie der Militärblogger Sladkow: „Ich wäre sehr, sehr unangenehm überrascht, wenn ein Waffenstillstand ohne unseren Sieg zustande käme.“

Die größten Optimisten versuchen sich aufzumuntern, indem sie an die von Putin kürzlich aufgestellten Bedingungen für einen Waffenstillstand erinnern:

„Diese Bedingungen sind ganz einfach: Die ukrainischen Truppen müssen vollständig aus den Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie aus den Regionen Cherson und Saporoschje abgezogen werden. Und ich mache Sie darauf aufmerksam, dass es sich um das gesamte Gebiet dieser Regionen innerhalb ihrer Verwaltungsgrenzen handelt, die zum Zeitpunkt ihres Beitritts zur Ukraine bestanden. Sobald Kiew erklärt, dass es zu einer solchen Entscheidung bereit ist, und mit dem tatsächlichen Abzug der Truppen aus diesen Regionen beginnt sowie offiziell mitteilt, dass es seine Pläne, der NATO beizutreten, aufgegeben hat, wird von unserer Seite aus sofort, buchstäblich in derselben Minute, der Befehl zur Feuereinstellung und zur Aufnahme von Verhandlungen folgen. Ich wiederhole: Wir werden dies sofort tun. Natürlich werden wir gleichzeitig den ungehinderten und sicheren Rückzug der ukrainischen Einheiten und Verbände garantieren.“

Nun, solange in der offiziellen Reaktion der Exekutive eine Pause herrscht, wird sie durch Überlegungen von Abgeordneten gefüllt.

„Russland wird sich nicht auf einen 30-tägigen Waffenstillstand einlassen, da dies der Ukraine nur die Möglichkeit gibt, sich neu zu formieren und aufzurüsten“, so der Duma-Abgeordnete der KPRF, General Viktor Sobolojew.

„Alle Vereinbarungen über die Ukraine werden zu Moskaus Bedingungen getroffen, nicht zu denen Washingtons, echte Vereinbarungen werden an der Front getroffen“, so der stellvertretende Sprecher des Rates der Russischen Föderation Konstantin Kossatschow.

Es scheint jedem klar zu sein, dass die Weigerung Russlands, einen Waffenstillstand zu schließen, ein ideales Szenario für Selenskij und seine westlichen Gönner ist. Im Allgemeinen setzt die globalistische Kriegspartei im Westen große Hoffnungen in dieses Szenario.

Und wenn Russland sich auf „Minsk-3“ oder „Chassawjurt-2“ einlässt, dann wird die Ukraine mit Waffen vollgepumpt, und die Ukraine stellt die Geduld Russlands mit ständigen Provokationen an der Grenze auf die Probe unter dem Vorwand, die Ukraine wolle Frieden und Russland breche den Waffenstillstand.

Natürlich können wir nur erahnen, was die militärisch-politische Führung Russlands tun wird. Und nur, um Ratschläge zu erteilen wie – Waffenstillstand nur auf dem Territorium der Ukraine – in den Kämpfen in den Regionen Sumy und Charkow, und auf dem Territorium Russlands – in den Regionen Kursk, Saporoschje, Cherson und DVR sowie LVR wird die Offensive und Verdrängung des Feindes fortgesetzt.

Aber Sie wissen, auf wem die ganze Schwere und die strategischen Folgen der Entscheidung und mögliche Fehler sind jetzt lasten.

Am 10. März 2025 warnten die KPRF und ihr Anführer sowohl Putin als auch die russische Elite öffentlich vor dem aktuellen Moment der Wahrheit.

*Zit. nach: https://t.me/canal2018/14952 und https://t.me/russicaRU/61848 (der Sender ist als ausländischer Agent anerkannt)

Frantz Fanon über die europäische Linke und ihr Verhältnis zur antikolonialen Revolution

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Der folgende Text des aus Martinique stammenden und später am algerischen Befreiungskrieg teilnehmenden Marxisten und antikolonialen Theoretikers Frantz Fanon stammt aus dem Jahr 1957. Er erschien als dreiteilige Artikelreihe inmitten der Hochphase des Befreiungskriegs in der Zeitung El Moudjahid, dem Organ der Nationalen Befreiungsfront (FLN) Algeriens.

Der Text ist nicht nur ein spannendes historisches Dokument und ein wichtiger theoretischer Beitrag in der weltweiten kommunistischen und antiimperialistischen Debatte um Kolonialismus, nationale Befreiung und internationale Solidarität. Er ist auch deshalb hochaktuell, weil er sehr spannende Parallelelen zur heutigen Auseinandersetzung um Palästina aufweist: Wir empfehlen allen Lesern, in diesem Text einmal das Wort „Algerien“ durch „Palästina“ und das Wort „französisch“ in Bezug auf die Siedler durch „europäisch“ oder „zionistisch“ und in Bezug auf die politische Linke durch „deutsch“ zu ersetzen.

Algerien war seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1964 eine Siedlerkolonie, ähnlich dem zionistisch besetzten Palästina heute. Die Algerier leisteten dem französischen Kolonialismus erbittert Widerstand, genau wie die Palästinenser es gegen die Briten und die Zionisten spätestens ab 1920 taten. 1954 erhob sich das algerische Volk zu einem Befreiungskrieg, den es nach acht Jahren erbitterten Kampfes und großer Opfer schließlich gewann. Wie Israel heute griff das französische Siedler- und Kolonialregime damals zu äußerster Gewalt, zu flächendeckendem Terror und letztlich zu genozidaler Kriegsführung: Unter Einsatz der Luftwaffe, durch Aushungern und Masseninternierungen der algerischen Bevölkerung in Lager, mit Folter und Mord, unter Verletzung internationalen Rechts inklusive militärischer Angriffe auf Algeriens Nachbarländer sowie mittels faschistischer Terrororganisationen versuchten sie, den heldenhaften Freiheitskampf der Algerier in Blut zu ertränken. Letztlich erfolglos.

Im Fokus dieses Textes steht zwar nicht die Kolonialherrschaft über Algerien. Doch spricht Fanon hier einige elementare Wahrheiten über den Charakter des Siedlerkolonialismus und über die objektive Rolle der europäischen Siedler in den Kolonien aus, die so klar nur selten formuliert werden.

Auch seine damalige Kritik an der (nicht-kommunistischen) Linken in Frankreich passt sehr gut in die heutige Zeit, denn sie trifft in weiten Teilen auch auf die politische Linke in Deutschland heute zu: Fanon wirft den sich als progressiv verstehenden Kräften in der imperialistischen Metropole vor, ihre – in der Praxis extrem schwache und in ihren Auswirkungen kaum zu spürende – Solidarität auch noch an Bedingungen zu knüpfen, die für das algerische Volk nicht annehmbar sind: nämlich in diesem verzweifelten Kampf unter allen Umständen eine „weiße Weste“ zu waren.

Fanons Kritik am liberalen Antirassismus, der den Rassismus wie auch den (vermeintlichen) Kampf gegen ihn auf eine individuelle Ebene verschiebt, passt sehr gut in die heutige Zeit, in der es mehr um Befindlichkeiten, Identität, Privilegien und Selbstreflexion zu gehen scheint, als um Unterdrückung, Ausbeutung und Widerstand geht. Auch seine Definition von Kolonialismus ist – gerade angesichts seines beruflichen Hintergrunds und seiner Rezeption als Theoretiker der „Psychologie des Rassismus“ – erstaunlich simpel und sehr klar auf die Machtfrage ausgerichtet: Kolonialismus ist im Kern militärische Besatzung.

Fanons Kritik an der kommunistischen Bewegung wiederum, die von den Algeriern quasi ein Versprechen einforderte, dass ihr Land sich nach der nationalen Befreiung am sozialistischen Lager zu orientieren habe, erinnert – trotz der unterschiedlichen weltpolitischen Umstände – an die Vorbehalte von noch immer großen Teilen der sich als kommunistisch verstehenden Akteure in Deutschland, die dem palästinensischen Widerstand bzw. seinen stärksten Kräften „Islamismus“, „Nationalismus“ oder gar „Faschismus“ sowie seine Verbindungen zu (vermeintlich oder tatsächlich) reaktionären und pro-imperialistischen Regierungen in der Region vorwerfen.

Wir haben den Text unter Berücksichtigung des französischen Originals aus dem Englischen übersetzt.[1] Alle Fußnoten enthalten Erläuterungen der KO und gehören nicht zum Originaltext.

Die französischen Intellektuellen und Demokraten und die algerische Revolution

Eine der ersten Pflichten von Intellektuellen und demokratischen Elementen in kolonialistischen Ländern besteht darin, die nationalen Bestrebungen der kolonisierten Völker vorbehaltlos zu unterstützen. Diese Haltung beruht auf sehr wichtigen theoretischen Überlegungen: der Verteidigung eines Menschenbildes, das in den westlichen Ländern in Frage gestellt wird, der Weigerung, sich institutionell an der Erniedrigung und Negierung bestimmter Werte zu beteiligen, der gemeinsamen Interessen zwischen der Arbeiterklasse des Eroberungslandes und der Gesamtbevölkerung des eroberten und beherrschten Landes und schließlich dem Gefühl, dass die Regierung dazu gebracht werden muss, das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu respektieren.

Diese Unterstützung und Solidarität finden ihren Ausdruck vor der Zeit des bewaffneten Kampfes in der Abhaltung einiger Versammlungen und der Annahme von Anträgen. Manchmal, wenn es plötzlich zu einer sehr heftigen Repression kommt, die offensichtlich ein Vorbote einer gründlicheren, umfassenderen Repression ist (im Fall von Algerien die Wahl von M. Naegelen und die Verschwörung von 1950-1951),[2] werden eine Pressekampagne, Erklärungen, Warnungen und Appelle vorbereitet.

Es muss darauf hingewiesen werden, dass kein einziger Aufklärungsversuch auf der Ebene der Bevölkerung des kolonialisierten Landes unternommen wird. Da sie keinen Einfluss auf das Volk hat, überzeugt sich die demokratische Linke, selbstreferentiell, in endlosen Artikeln und Studien davon, dass Bandung[3] die Totenglocke des Kolonialismus geläutet hat.

Aber es sind die wirklichen Menschen, die Bauern und Arbeiter, die informiert werden müssen. Unfähig, die Millionen Arbeiter und Bauern des kolonialistischen Volkes zu erreichen und die Realitäten des beginnenden Dramas zu erklären und zu kommentieren, sieht sich die Linke auf die Rolle einer Kassandra[4] reduziert. Sie kündigt Katastrophen an, aber da die öffentliche Meinung nicht ausreichend vorbereitet ist, werden diese Prophezeiungen, die in der Zeit vor dem Aufstand unerklärlich waren, zum Zeitpunkt der Explosion als Beweis der Mittäterschaft angesehen.

Eine schmerzhafte Ineffektivität

So wurde im besonderen Fall Algeriens die Linke paradoxerweise überrumpelt und erwies sich als hilflos, als nach der akuten voraufständischen Phase (1952–1953) die bewaffnete Phase (Sabotageakte, Razzien) begann.

Die französischen demokratischen Elemente und Intellektuellen sind mit dem Problem vertraut. Sie haben es aus nächster Nähe gesehen und lange studiert und kennen daher seine Komplexität, seine Tiefe und seine Spannung. Aber all dieses Wissen erweist sich als nutzlos, weil es in keinem Verhältnis zu den einfachen Ideen steht, die im Volk vorherrschen.

Mit diesem unbrauchbaren Wissen im Gepäck genießt die Linke den Status eines Propheten. Seit langem wiederholt sie an die Regierenden gerichtet immer wieder: „Ihr wart vorgewarnt. All das geschieht nur durch eure Schuld.“

In dieser sprudelnden Phase der Ausrichtung der Kräfte und Organisation des bewaffneten Kampfes des kolonisierten Volkes erleben wir teilweise eine Kommunikation zwischen dem aufständischen Volk und den demokratischen Elementen. Dies liegt daran, dass die Intellektuellen und die Demokraten die gegenwärtigen Führer des bewaffneten Kampfes sehr oft persönlich kennen. So entwickelt sich zwischen ihnen eine Art scheinbarer Komplizenschaft. Aber diese aktive Pseudosolidarität wird sehr schnell von den Ereignissen hinweggefegt. Im Laufe der zweiten Periode, die von Gefechten, Hinterhalten und Angriffen geprägt ist, neigt die Schuld, die man so großzügig auf die offiziellen Verantwortlichen geschoben hat, tatsächlich dazu, verlagert zu werden. Die Unterdrückung wird tiefer, organisierter, vielfältiger. Folterkammern entstehen. Über das gesamte algerische Staatsgebiet werden Dutzende und Hunderte Patrioten ermordet.

Das echte Volk, die Männer und Frauen, die Kinder und die Alten des kolonisierten Landes, halten es für selbstverständlich, dass Existenz im biologischen Sinne des Wortes und Existenz als souveränes Volk gleichbedeutend sind. Die einzige Möglichkeit, die einzige Rettung für dieses Volk besteht darin, so energisch wie möglich auf die genozidale Kampagne zu reagieren, die gegen es geführt wird.

Die Reaktion wird zunehmend absoluter.

Nationalismus und „Barbarei“

Hier stoßen wir auf ein doppeltes Phänomen. Zunächst führt eine ultrachauvinistische, nationalistische, patriotische Propaganda, die die impliziten rassistischen Elemente des kollektiven Bewusstseins der kolonialistischen Bevölkerung mobilisiert, ein neues Element ein. Es wird sofort klar, dass es nicht mehr möglich ist, die Kolonisierten zu unterstützen, ohne sich gleichzeitig der nationalen Linie zu widersetzen. Der Kampf gegen den Kolonialismus wird zu einem Kampf gegen die Nation. Der Rückeroberungskrieg wird vom kolonialistischen Land als Ganzem übernommen, und antikolonialistische Argumente verlieren ihre Wirksamkeit, werden zu abstrakten Theorien und verschwinden schließlich aus der demokratischen Literatur.

Im Falle Algeriens übernahm die französische Nation nach der Einberufung der Truppen im März 1955 den kolonialen Rückeroberungskrieg. Die Demonstrationen der Wehrpflichtigen waren zu diesem Zeitpunkt die letzten Symptome eines Krieges, dessen doktrinäre Motive keine Unterstützung in der Bevölkerung fanden.

Ab 1956 wurde der Algerienkrieg von der Nation akzeptiert. Frankreich will den Krieg, wie Guy Mollet[5] und Bourgès-Maunoury[6] ausdrücklich erklärt haben; und die Bevölkerung von Paris übermittelte Massus[7] Fallschirmspringern am 14. Juli 1957 die tiefe Dankbarkeit des Landes. Die Liberalen gaben den Kampf in diesem Stadium auf. Der Vorwurf des Verrats, dem sich die Gegner des Algerienkriegs aussetzten, wurde zu einer gewaltigen Waffe in den Händen der französischen Regierung. So stellten viele Demokraten Anfang 1957 ihre Proteste ein oder wurden von dem Geschrei nach Rache überwältigt, und ein schwerfällig strukturierter elementarer Patriotismus manifestierte sich, durchdrungen von gewalttätigem, totalitärem, kurz gesagt faschistischem Rassismus.

Die französische Regierung fand ihr zweites Argument im sogenannten Terrorismus. Die Bomben in Algier wurden vom Propagandadienst ausgenutzt. Unschuldige, verletzte Kinder, die nicht den Namen Borgeaud[8] trugen oder der klassischen Definition des „grausamen Kolonialisten“ entsprachen, bereiteten den französischen Demokraten unerwartete Probleme. Die Linke war schockiert; Sakamody[9] verstärkte diese Reaktion noch. In diesem Fall wurden zehn französische Zivilisten bei einem Hinterhalt getötet, und die gesamte französische Linke schrie einstimmig: Wir können euch nicht länger folgen! Die Propaganda wurde orchestriert, bohrte sich in die Köpfe der Menschen und zerstörte Überzeugungen, die bereits im Zerfall begriffen waren. Der Begriff der Barbarei tauchte auf, und man beschloss, dass Frankreich in Algerien die Barbarei bekämpfte.

Ein großer Teil der Intellektuellen, fast die gesamte demokratische Linke, brach zusammen und legte dem algerischen Volk seine Bedingungen vor: Verurteilen Sie Sakamody und die Bomben, und wir werden Ihnen weiterhin unsere freundliche Unterstützung gewähren.

Zu Beginn des vierten Jahres des nationalen Befreiungskrieges fiel die französische Linke angesichts der französischen Nation und der in der Rue Michelet[10] explodierten Bomben immer deutlicher durch ihre Abwesenheit auf.

Einige flüchteten sich ins Schweigen, andere wählten bestimmte Themen, die in regelmäßigen Abständen wieder auftauchen. Der Algerienkrieg muss beendet werden, denn er ist zu kostspielig (der Algerienkrieg wird wieder unpopulär, einfach weil er 1.200 Milliarden Francs kostet), er isoliert Frankreich oder ermöglicht dessen Ersetzung durch die Angelsachsen oder die Russen oder durch Nasser usw.

In Frankreich wird immer unklarer, warum der Algerienkrieg beendet werden muss. Man vergisst immer mehr, dass Frankreich in Algerien die Volkssouveränität mit Füßen tritt, das Selbstbestimmungsrecht der Völker missachtet und Tausende von Männern und Frauen ermordet.

In Frankreich tendiert der Algerienkrieg bei den Linken dazu, zu einer Krankheit des französischen Systems zu werden, so wie die Instabilität der Ministerien. Die Kolonialkriege erscheinen als ein Nervenzucken, von dem Frankreich heimgesucht wird, ein Teil des nationalen Panoramas, ein vertrautes Detail.

Teil II

Seit 1956 haben sich französische Intellektuelle und Demokraten regelmäßig an die FLN[11] gewandt. Meistens haben sie entweder politische Ratschläge oder Kritik zu diesem oder jenem Aspekt des Befreiungskrieges gegeben. Diese Haltung der französischen Intelligenz darf nicht als Folge einer inneren Solidarität mit dem algerischen Volk interpretiert werden. Diese Ratschläge und diese Kritik sind mit dem schlecht unterdrückten Wunsch zu erklären, die Befreiungsbewegung der Unterdrückten selbst zu lenken.

So erklärt sich das ständige Schwanken der französischen Demokraten zwischen offenkundiger oder latenter Feindseligkeit und dem völlig unrealistischen Anspruch, „aktiv bis zum Ende“ zu kämpfen. Eine solche Verwirrung deutet auf einen Mangel an Vorbereitung auf konkrete Probleme und auf ein Versagen der französischen Demokraten hin, sich in das politische Leben ihres eigenen Landes einzuarbeiten.

Entlang dieser schwankenden Linie äußern die französischen Demokraten – die außerhalb des Kampfes stehen oder aber ihn von innen beobachten wollen, ja sogar in der Funktion von Zensoren und Beratern daran teilnehmen, da sie nicht in der Lage sind oder sich weigern, innerhalb des französischen Systems konkrete Grundlagen für ihren Kampf auszuwählen – Drohungen und praktizieren Erpressungen.

Die Pseudorechtfertigung für diese Haltung ist, dass man, um Einfluss auf die französische öffentliche Meinung zu nehmen, bestimmte Tatsachen verurteilen, unerwartete Auswüchse zurückweisen und sich von „Exzessen“ distanzieren müsse. In diesen Momenten der Krise, der direkten Opposition, wird von der FLN verlangt, ihre Gewalt gezielt einzusetzen und selektiv zu gestalten.

Der Mythos des französischen Algerien

Auf dieser Ebene können wir durch Reflexion eine wichtige Besonderheit der kolonialen Realität in Algerien entdecken. Innerhalb einer Nation ist es üblich und alltäglich, zwei antagonistische Kräfte zu identifizieren: die Arbeiterklasse und den bürgerlichen Kapitalismus. In einem Kolonialland erweist sich diese Unterscheidung als völlig unzureichend. Was die koloniale Situation definiert, ist vielmehr der undifferenzierte Charakter der Fremdherrschaft. Die koloniale Situation ist in erster Linie eine militärische Eroberung, die von einer Zivil- und Polizeiverwaltung fortgesetzt und verstärkt wird. In Algerien, wie in jeder Kolonie, betrachtet der ausländische Unterdrücker den Einheimischen als Markierung der Grenze seiner Würde und definiert sich selbst als eine unumstößliche Negierung der nationalen Existenz des kolonisierten Landes.

Der Status des Ausländers, des Eroberers, des Franzosen in Algerien ist der Status eines Unterdrückers. Der Franzose in Algerien kann nicht neutral oder unschuldig sein. Jeder Franzose in Algerien unterdrückt, verachtet, dominiert. Die französische Linke, die ihren eigenen Fantasievorstellungen gegenüber nicht gleichgültig und unempfindlich bleiben kann, nahm in der Zeit vor dem Befreiungskrieg in Algerien widersprüchliche Positionen ein.

Was ist Kolonialismus?

Die französischen Demokraten haben die Tatsachen bewusst vereinfacht, indem sie beschlossen, dem, was nie aufgehört hat, militärische Eroberung und Besatzung zu sein, den Namen „Kolonialismus“ zu geben. Der vom Unterdrücker geschaffene Begriff des Kolonialismus ist zu affektiv, zu emotional. Er verlagert ein nationales Problem auf eine psychologische Ebene. Aus diesem Grund ist das Gegenteil des Kolonialismus nach Auffassung dieser Demokraten nicht die Anerkennung des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung, sondern die Notwendigkeit eines weniger rassistischen, offeneren und liberaleren Verhaltens auf individueller Ebene.

Kolonialismus ist keine Form individueller Beziehungen, sondern die Eroberung eines nationalen Territoriums und die Unterdrückung eines Volkes: das ist alles. Es ist keine bestimmte Art menschlichen Verhaltens oder ein Muster von Beziehungen zwischen Individuen. Jeder Franzose in Algerien ist gegenwärtig ein feindlicher Soldat. Solange Algerien nicht unabhängig ist, muss diese logische Konsequenz akzeptiert werden. Herr Lacoste[12] zeigt, dass er dies verstanden hat, durch seine „Oberflächenmobilisierung“ der in Algerien lebenden Franzosen und Französinnen.

Am Ende dieser Analyse stellen wir fest, dass wir der Nationalen Befreiungsfront keineswegs einige ihrer Aktionen in den Städten[13] vorwerfen sollten. Vielmehr sollten wir die Anstrengungen würdigen, die sie dem Volk auferlegt.

Gerade weil die französischen Demokraten nicht begriffen haben, dass Kolonialismus nichts weiter als militärische Beherrschung ist, haben sie ein widersprüchliches Extrem erreicht.

Als Opfer des Mythos des französischen Algeriens[14] gründen die Parteien der Linken auf algerischem Territorium algerische Sektionen der französischen politischen Parteien. Die Slogans, die Programme, die Kampfmethoden sind identisch mit denen der „Metropole“. Eine bis vor kurzem unangefochtene doktrinäre Position rechtfertigt diese Haltung. In einem Kolonialland, so hieß es früher, gibt es gemeinsame Interessen zwischen dem kolonisierten Volk und der Arbeiterklasse des kolonialisierten Landes. Die Geschichte der Befreiungskriege der kolonisierten Völker ist die Geschichte der Nichtbestätigung dieser These.

Kolonialismus ist nicht Herr Borgeaud

Das algerische Volk hat sich als widerstandsfähig gegenüber der vereinfachten Bildsprache erwiesen, wonach der Kolonialist ein besonderer Menschentyp ist, den man leicht erkennen kann. So wurde behauptet, dass nicht alle Franzosen in Algerien Kolonialisten sind und dass es unterschiedliche Grade des Kolonialismus gibt. Nun charakterisieren weder Herr Borgeaud noch Herr de Sérigny[15] den französischen Kolonialismus in Algerien in seiner Gesamtheit. Der französische Kolonialismus und die französische Unterdrückung in Algerien bilden ein zusammenhängendes Ganzes, das nicht unbedingt die Existenz von Herrn Borgeaud erfordert. Die französische Herrschaft ist die Gesamtheit der Kräfte, die sich der Existenz der algerischen Nation entgegenstellen, und für die Algerier ist Herr Blachette[16] konkret nicht „kolonialistischer“ als ein Polizist, ein Dorfpolizist oder ein Schullehrer.

Der Algerier erlebt den französischen Kolonialismus als ein undifferenziertes Ganzes, nicht aus Einfältigkeit oder Fremdenfeindlichkeit, sondern weil in Wirklichkeit jeder Franzose in Algerien Beziehungen zu den Algeriern unterhält, die auf Gewalt basieren. Die Erwähnung von Sonderfällen, in denen Franzosen ungewöhnlich nett zu Algeriern sind, ändert nichts an der Art der Beziehungen zwischen einer ausländischen Gruppe, die die Attribute der nationalen Souveränität an sich gerissen hat, und dem Volk, das sich der Ausübung der Macht beraubt sieht. Keine persönliche Beziehung kann diesem grundlegenden Fakt widersprechen: dass die französische Nation durch ihre Bürger die Existenz der algerischen Nation bekämpft.

In Kolonien, die ausschließlich von Besatzungstruppen gehalten werden, wird das Kolonialvolk nur durch Soldaten, Polizisten und Techniker vertreten. Unter diesen Bedingungen kann sich das Kolonialvolk in Unkenntnis der Tatsachen flüchten und behaupten, unschuldig an der Kolonisierung zu sein. In Siedlungskolonien hingegen wird diese Flucht vor sich selbst unmöglich.

Denn gemäß der berühmten Formel eines französischen Staatschefs, dass „es keinen einzigen Franzosen gibt, der nicht einen Cousin in Algerien hat“, sieht sich die gesamte französische Nation in das Verbrechen gegen ein Volk verwickelt und ist heute Komplize der Morde und Folterungen, die den Algerienkrieg kennzeichnen.

Der authentische französische Demokrat kann nicht einfach gegen Herrn Borgeaud oder Herrn Blachette sein; er muss es vermeiden, willkürlich ein paar Sündenböcke zu wählen, die nicht in der Lage sind, die 130 Jahre kolonialer Unterdrückung auszudrücken. Der französische Demokrat muss die Kolonisierung als Ganzes in ihrer Kategorie der militärischen und polizeilichen Unterdrückung beurteilen und verurteilen. Er muss sich davon überzeugen, dass jeder Franzose in Algerien so reagiert, wie Herr Borgeaud. Denn es gibt keinen Franzosen in Algerien, dessen Existenz nicht durch diese Herrschaft gerechtfertigt wäre.

Da der französische Demokrat aus Mangel an Mut oder aus Analyseunfähigkeit diese Haltung nicht einnehmen kann, greift er ständig auf Abstraktionen als Bezugspunkte zurück: Der Kolonialismus im Allgemeinen stirbt aus, der Kolonialismus ist unmenschlich, Frankreich muss seiner Geschichte treu bleiben. Dabei vergisst er bewusst, dass der Kolonialismus einen wichtigen Teil der französischen Geschichte ausmacht.

Kolonialismus ist die Organisierung der Beherrschung einer Nation nach militärischer Eroberung. Der Befreiungskrieg ist kein Versuch von Reformen, sondern die grandiose Anstrengung eines Volkes, das mumifiziert wurde, sein eigenes Genie wiederzuentdecken, seine Geschichte neu aufzunehmen und seine Souveränität geltend zu machen.

Im Rahmen der NATO weigern sich die Franzosen, unter dem Befehl des deutschen Generals Speidel[17] zu dienen, sind aber bereit, gegen das algerische Volk zu kämpfen. Doch streng genommen sollte die Treue zum Geist der französischen Résistance die Franzosen, die den Dienst unter Speidel als geschmacklos empfinden, dazu bewegen, nach ihrer eigenen Logik den Kampf unter Massu oder Salan[18] zu verweigern.

Teil III

Die Männer, die Frankreich regieren, haben offensichtlich recht, wenn sie behaupten, dass das Algerienproblem die Grundfesten der Republik erschüttert. Seit einigen Jahren wird der Mythos des französischen Algeriens auf eine harte Probe gestellt, und in das französische Bewusstsein hat sich eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Wahrheit dieser These eingeschlichen.

Auf internationaler Ebene sind die Auswirkungen dieser Zerstörung spürbar. Diese Fortschritte haben jedoch das Problem der Mystifizierung, die durch Jahrzehnte falscher Lehren und systematischer Geschichtsfälschung entstanden ist, nicht völlig gelöst.

Der Preis der Mystifizierung

Bei genauerer Betrachtung der kolonialen Beziehungen zwischen Algerien und Frankreich fällt auf, dass das algerische Territorium aufgrund der Bedingungen seiner Eroberung für Frankreich immer eine mehr oder weniger reale Vergrößerung darstellte. Zu keiner Zeit hat Frankreich seine Eigentumsrechte an Afrika südlich der Sahara oder an irgendeinem anderen Teil des „Französischen Imperiums“ in identischer Form erklärt. Afrika südlich der Sahara mag als französisches Territorium deklariert worden sein, aber nie wurde entschieden, dass Afrika südlich der Sahara Frankreich sei.

Frankreichs Recht in Afrika basierte eher auf einem Eigentumsrecht, während in Algerien von Anfang an Identitätsbeziehungen bekräftigt wurden. Wir haben gesehen, dass die französischen Demokraten, mit wenigen Ausnahmen, ihre Haltung dieser Ansicht angepasst haben. Französische politische Parteien haben die Notwendigkeit, die sie gefühlt haben, dieser Mystifizierung Gehorsam leisten, nicht verborgen. In einer Rede vor den kommunistischen Studenten am 17. März 1957 in Paris rechtfertigte sich Laurent Casanova[19] als Antwort auf die Kritik der kommunistischen Jugend an ihm hinsichtlich der Haltung der französischen Kommunistischen Partei in Bezug auf das Algerienproblem damit, dass er sie aufforderte, „die spontane Haltung der französischen Volksmassen zu dieser Frage“ zu berücksichtigen.

Da das französische Nationalbewusstsein 130 Jahre lang von einem einfachen Grundprinzip geprägt war – Algerien ist Frankreich –, sehen wir uns heute mit instinktiven, leidenschaftlichen und antihistorischen Reaktionen konfrontiert, zu einem Zeitpunkt, zu dem ein großer Teil der französischen Bevölkerung rational erkennt, dass ihrem Interesse am besten durch die Beendigung des Krieges und die Anerkennung eines unabhängigen algerischen Staates gedient wird.

Nie zuvor war der Grundsatz, dass niemand einen anderen ungestraft versklavt, so wahr. Nachdem Frankreich das algerische Volk über ein Jahrhundert lang domestiziert hat, ist es nun Gefangener seiner Eroberung und unfähig, sich davon zu lösen, neue Beziehungen zu definieren und neue Wege einzuschlagen.

Ein abscheulicher Kuhhandel

Es wäre jedoch ein großer Fehler zu glauben, das Problem sei mit diesen psychologischen Überlegungen erledigt. Die Begegnungen mit den Vertretern der französischen Linken bringen viel komplexere Bedenken zum Vorschein. So stehen wir gerade in der Frage der Zukunft des unabhängigen Algeriens vor zwei widersprüchlichen Forderungen, die übrigens auf einer höheren Ebene der manichäischen Vorstellung von Gut und Böse entsprechen, die seit einigen Jahren die Welt spaltet.

Die nicht-kommunistische Linke versichert uns ihre Unterstützung, verspricht, in unserem Namen zu handeln, verlangt aber von uns die Garantie, dass Algerien niemals in den kommunistischen Block oder in den sogenannten neutralen Block[20] fallen wird. Der Antikolonialismus dieser Demokraten ist daher nicht vorbehaltlos und bedingungslos, sondern setzt eine präzise politische Entscheidung voraus. An Argumenten mangelt es ihnen freilich nicht. Der Austausch des französischen Kolonialismus gegen den roten oder gegen den nasseristischen „Kolonialismus“ erscheint ihnen als eine negative Entwicklung, denn, so behaupten sie, in der gegenwärtigen historischen Stunde großer Zusammenschlüsse sei eine Ausrichtung zwingend, und ihr Rat ist nicht verschleiert: man müsse sich für den westlichen Block entscheiden.

Diese nicht-kommunistische Linke ist im Allgemeinen zurückhaltend, wenn wir ihr erklären, dass das algerische Volk sich zunächst vom französischen Kolonialjoch befreien muss. Die französische nicht-kommunistische Linke weigert sich, sich auf die strikte Grundlage der Entkolonialisierung und der nationalen Befreiung zu beschränken, und fleht uns an, die beiden Bemühungen zu kombinieren: die Ablehnung des französischen Kolonialismus und des sowjetisch-neutralen Kommunismus.

Dasselbe Problem, einer entgegengesetzten Dynamik folgend, entsteht bei der französischen kommunistischen Linken. Die französische Kommunistische Partei, so sagt sie, könne nur bestimmte nationale Befreiungsbewegungen unterstützen, denn welchen Vorteil hätte es für uns französische Kommunisten, wenn der amerikanische Imperialismus Algerien übernehmen würde? Auch hier werden von uns Garantien verlangt. Wir werden unter Druck gesetzt, Versprechen und Zusicherungen abzugeben.

Es ist offensichtlich, dass solche Schwierigkeiten die antikolonialistische Aktion der französischen Linken behindern. Das liegt daran, dass das noch nicht unabhängige Algerien bereits zu einem Zankapfel auf internationaler Ebene geworden ist. Für wen soll Algerien denn befreit werden? Seit drei Jahren wiederholt das algerische Volk unaufhörlich, dass es sich um seiner selbst willen befreien wolle, dass es ihm vor allem wichtig sei, seine Souveränität zurückzugewinnen, seine Autorität zu etablieren, seine Humanisierung, seine wirtschaftliche und politische Freiheit zu erreichen; aber diese offensichtlichen Ziele scheinen keine Akzeptanz zu finden.

Das algerische Volk erlebt seine Geburt in die Unabhängigkeit inmitten furchtbaren Leidens und schon jetzt wird mit ungewohnter Aggressivität um die kleinste Unterstützung gefeilscht. So hört man nicht selten, wie gewisse demokratische Franzosen zu uns sagen: Helft uns, euch zu helfen. Was klar bedeutet: Gebt uns eine Vorstellung davon, welche Richtung ihr danach einschlagen wollt.

Dieser Aufruf, der immer auf individueller Ebene zwischen Franzosen und Algeriern ausgesprochen wird, stellt sicherlich einen der schmerzhaftesten Aspekte des Kampfes um die Unabhängigkeit dar. Manche französischen Demokraten sind manchmal schockiert über die Ernsthaftigkeit des algerischen Kämpfers. Das liegt daran, dass der Gesamtcharakter des Krieges, den wir führen, Auswirkungen auf die nicht weniger radikale Art und Weise hat, in der wir individuelle Auseinandersetzungen führen. Und wir müssen zugeben, dass es uns unerträglich ist zu sehen, wie einige Franzosen, die wir für unsere Freunde hielten, sich uns gegenüber wie Händler verhalten und diese abscheuliche Art der Erpressung mit Solidarität praktizieren, die mit grundlegenden Einschränkungen unserer Ziele einhergeht.

Eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit

Wenn wir die Haltung der französischen Linken in Hinblick auf die Ziele unseres Kampfes untersuchen, stellen wir fest, dass keine Fraktion die Möglichkeit einer wirklichen nationalen Befreiung zugibt.

Die nicht-kommunistische Linke räumt ein, dass der Kolonialstatus verschwinden muss. Aber zwischen der Auflösung des Kolonialregimes – das sie auf ein Regime der Bevorzugung reduzieren, innerhalb dessen ein Kastenkampf[21] herrscht – und der Anerkennung einer algerischen Nation, die unabhängig von Frankreich ist, hat diese Linke eine Vielzahl von Etappen, Unteretappen, originellen Lösungen und Kompromissen eingefügt.

Es ist klar, dass für diesen Teil der Linken das Ende des Algerienkriegs eine Art internationalen Föderalismus und eine erneuerte Französische Union[22] mit sich bringen muss. Unsere Meinungsverschiedenheit mit dieser französischen Meinung ist daher weder psychologischer noch taktischer Natur, wie manche behaupten. Die Linksradikalen, die Minderheitssozialisten und der linke Flügel der MRP[23] haben die Idee einer algerischen Unabhängigkeit nicht akzeptiert. Positionen, die mit der Formel beginnen: „Wir stimmen im Wesentlichen überein, aber nicht in den Methoden …“ sind daher grundlegend falsch.

Die kommunistische Linke ihrerseits, die die Notwendigkeit der Entwicklung der Kolonialländer hin zur Unabhängigkeit proklamiert, fordert die Aufrechterhaltung besonderer Beziehungen zu Frankreich. Solche Positionen zeigen deutlich, dass selbst die sogenannten extremistischen Parteien der Ansicht sind, dass Frankreich Rechte in Algerien hat und dass die Lockerung der Herrschaft nicht notwendigerweise das Verschwinden aller Verbindungen bedeutet. Diese Geisteshaltung nimmt die Gestalt eines technokratischen Paternalismus an, einer unaufrichtigen Warnung vor der Gefahr des Rückschritts.

Es wird argumentiert: Was werden Sie tun, nachdem Sie alle Verbindungen zu Frankreich abgebrochen haben?

Man braucht Techniker, Geld, Maschinen…

Nicht einmal die katastrophale Aussicht auf ein Algerien, das von Wüste verschlungen, von Sümpfen durchzogen und von Krankheiten heimgesucht wird, bleibt uns in der Kampagne, die uns stoppen soll, erspart.

Die Kolonialisten erzählen dem französischen Volk in ihrer Propaganda: Frankreich kann ohne Algerien nicht leben.

Die französischen Antikolonialisten sagen den Algeriern: Algerien kann ohne Frankreich nicht leben.

Die französischen Demokraten sind sich des kolonialistischen oder – um einen neuen Begriff zu verwenden – neokolonialistischen Charakters ihrer Haltung nicht immer bewusst.

Die Forderung nach besonderen Beziehungen zu Frankreich ist eine Reaktion auf den Wunsch, die kolonialen Strukturen intakt zu halten. Es handelt sich hierbei um eine Art Terrorismus des Notwendigen, bei dem entschieden wird, dass nichts, was in Algerien von Wert ist, außerhalb Frankreichs konzipiert oder realisiert werden kann. In der Tat führt die Forderung nach besonderen Bindungen zu Frankreich zu dem Willen, Algerien auf ewig auf der Stufe eines unmündigen und geschützten Staates zu halten. Aber auch auf die Entschlossenheit, bestimmte Formen der Ausbeutung des algerischen Volkes zu garantieren. Es ist zweifellos ein Beweis für ein schwerwiegendes Scheitern, die revolutionären Implikationen des nationalen Kampfes zu verstehen.

Ist es zu spät?

Die französischen Demokraten müssen die Widersprüche überwinden, die ihre Positionen sterilisieren, wenn sie eine echte Demokratisierung mit den Kolonialisten erreichen wollen. Nur wenn die französische demokratische Meinung ohne Vorbehalte ist, kann ihr Handeln wirksam und entscheidend sein.

Weil die Linke unbewusst dem Mythos des französischen Algeriens folgt, geht ihr Handeln nicht über die Hoffnung auf ein Algerien hinaus, in dem mehr Gerechtigkeit und Freiheit herrschen würde, oder höchstens ein Algerien, das weniger direkt von Frankreich regiert wird. Der leidenschaftliche Chauvinismus der französischen öffentlichen Meinung in der Algerienfrage übt Druck auf diese Linke aus, lässt sie zu übertriebener Vorsicht neigen, erschüttert ihre Prinzipien und versetzt sie in eine paradoxe und zunehmend unproduktive Lage.

Das algerische Volk ist der Ansicht, dass die französische Linke im Rahmen des Algerienkriegs nicht alles getan hat, was sie hätte tun sollen. Es geht uns nicht darum, die französischen Demokraten anzuklagen, sondern ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Haltungen zu lenken, die unserer Meinung nach den Prinzipien des Antikolonialismus widersprechen.

Es ist vielleicht angebracht, die Haltung der Sozialistischen Internationale zu dieser Frage in Erinnerung zu rufen. Niemand hat vergessen, dass die französische Delegation unter der Leitung von Herrn Pineau[24] 1956 von der Internationale verurteilt wurde und dass Herr Bevan[25] 1957 auf dem Sozialistischen Kongress von Toulouse öffentlich seine Enttäuschung und seinen Zorn über den Rassismus und Kolonialismus der SFIO[26] zum Ausdruck brachte.

Seit 1954 kämpft das algerische Volk für die nationale Unabhängigkeit. Es geht um ein vor über einem Jahrhundert erobertes Gebiet, das seinen Willen zum Ausdruck bringt, sich als souveräne Nation zu etablieren. Die französische Linke sollte diese Bemühungen vorbehaltlos unterstützen. Weder die Anwesenheit einer europäischen Minderheit noch Sakamody können oder sollten die Entschlossenheit einer authentischen Linken beeinträchtigen. Wir haben gesehen, dass die Propaganda von Herrn Lacoste immer wieder behauptet, dass Frankreich in Algerien gegen die Barbarei kämpft. Die Linke muss sich gegen diese Kampagne immun zeigen und das Ende des Krieges und die Anerkennung der Unabhängigkeit Algeriens fordern.

Wie wir gesehen haben, ist es vorgekommen, dass gewisse Demokraten auf die folgende Argumentation zurückgriffen: Wenn Sie möchten, dass unsere Hilfe weitergeht, verurteilen Sie diese und jene Taten. Der Kampf eines Volkes um seine Unabhängigkeit muss also transparent sein, wenn es die Unterstützung der Demokraten genießen will.

Hier kann man paradoxerweise die Haltung von Herrn Guy Mollet erkennen, der, um seinen Krieg fortsetzen zu können, eine Schutzkommission ernennt, mit der Aufgabe, auf „Exzesse“ aufmerksam zu machen, um damit die schlechten Soldaten auf spektakuläre Weise von der guten, wahren und fruchtbaren französischen Armee zu isolieren.

Die Aufgaben der französischen Linken

Die FLN wendet sich an die gesamte französische Linke und fordert sie auf, sich in diesem vierten Jahr konkret im Kampf für den Frieden in Algerien zu engagieren.

Es kann zu keinem Zeitpunkt die Rede davon sein, dass französische Demokraten sich uns anschließen oder ihr Land verraten. Ohne ihre Nation aufzugeben, muss die französische Linke dafür kämpfen, dass die Regierung ihres Landes die Werte respektiert, die wir das Recht der Völker auf Selbstbestimmung, die Anerkennung des nationalen Willens, die Liquidierung des Kolonialismus und gegenseitige und bereichernde Beziehungen zwischen freien Völkern nennen.

Die FLN wendet sich an die französische Linke und an die französischen Demokraten und fordert sie auf, jeden Streik der französischen Bevölkerung gegen die steigenden Lebenshaltungskosten, neue Steuern und die Einschränkung der demokratischen Freiheiten in Frankreich zu unterstützen, die allesamt direkte Folgen des Algerienkriegs sind.

Die FLN fordert die französische Linke auf, ihre Informationskampagnen zu intensivieren und den französischen Massen weiterhin die Charakteristika des Kampfes des algerischen Volkes, die ihm zugrunde liegenden Prinzipien und die Ziele der Revolution zu erklären.

Die FLN zollt den Franzosen ihren Respekt, die den Mut hatten, sich zu weigern, gegen das algerische Volk zu den Waffen zu greifen und die nun im Gefängnis sitzen.

Diese Beispiele müssen vermehrt werden, damit allen und vor allem der französischen Regierung klar wird, dass das französische Volk diesen Krieg ablehnt, der in seinem Namen gegen das Recht der Völker, zur Aufrechterhaltung der Unterdrückung und gegen die Herrschaft der Freiheit geführt wird.


[1] Eine – leider in Teilen fehlerhafte und sogar unkenntlicherweise gekürzte – deutsche Übersetzung findet sich in dem Sammelband Für eine afrikanische Revolution, der 28 Aufsätze von Fanon enthält. Er erschien 1972 erstmals in der BRD und wurde 2022 vom März-Verlag dankenswerter Weise neu aufgelegt.

[2] Marcel-Edmond Naegelen war ein sozialdemokratischer Politiker, der während seiner Amtszeit als Generalgouverneur Algeriens für massive Wahlfälschungen verantwortlich war.

[3] 1955 fand in der indonesischen Hauptstadt Bandung eine afro-asiatische Konferenz statt, die als Geburtsstunde der Bewegung der Blockfreien Staaten gilt.

[4] Gestalt aus der griechischen Mythologie, die dazu verdammt ist, Unheil korrekt vorherzusagen, während ihr aber niemand glaubt.

[5] Sozialdemokratischer Ministerpräsident Frankreichs 1956/57 und Chef der Sozialistischen Partei von 1946 bis 1969.

[6] Liberaler Ministerpräsident Frankreichs 1957.

[7] Jacques Massu war französischer General und führte die französischen Kolonialtruppen u. a. in der Schlacht um Algier, wobei er zu flächendeckendem Terror und zu Folter griff. Zuvor hatte er bereits als Befehlshaber gegen die nationale Befreiungsbewegung in Vietnam gekämpft und war an der Dreier-Aggression, gemeinsam mit Großbritannien und Israel, gegen Ägypten beteiligt.

[8] Henri Borgeaud war ein französischer Siedler, Kolonialpolitiker und galt als einer der reichsten Großgrundbesitzer Algeriens.

[9] Gegend etwa 50 Kilometer südöstlich von Algier.

[10] Straße im französischen Viertel von Algier, in der während der Schlacht um Algier u. a. ein Café in die Luft gesprengt wurde.

[11] Nationale Befreiungsfront Algeriens.

[12] Robert Lacoste war Sozialdemokrat und 1956-58 als Algerienminister für die Bekämpfung der algerischen Befreiungsbewegung zuständig, wobei er eine Strategie von Zuckerbrot (Reformen) und Peitsche (Terror) verfolgte.

[13] In den algerischen und später auch den französischen Städten verfolgte die FLN eine Strategie der Stadtguerilla, was Attentate gegen Behörden und Politiker, Bushaltestellen, Cafés, Kinos usw. einschloss.

[14] Ab 1848 war Algerien offiziell Teil des französischen Mutterlands, und keine Kolonie mehr.

[15] Alain de Sérigny war der Herausgeber des L’Echo d’Alger, der größten Tageszeitung im kolonialen Algerien und strikter Verteidiger der französischen Kolonialherrschaft.

[16] Georges Blachette war Papiermonopolist, Politiker und Eigentümer des Journal d’Alger.

[17] Hans Speidel war im Ersten Weltkrieg Leutnant der Reichswehr, im Zweiten Weltkrieg Chef des Stabes der Heeresgruppe B der faschistischen Wehrmacht und als Bundeswehr-General 1957-63 zugleich Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte in Mitteleuropa.

[18] Raoul Salan war 1952-53 Oberbefehlshaber der französischen Truppen im Krieg gegen Indochina und 1956-58 Oberbefehlshaber im Algerienkrieg.

[19] Hochrangiges Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) und 1946-58 Abgeordneter der KPF in französischen Parlament.

[20] Gemeint sind die Nichtpaktgebundenen Staaten.

[21] Der Begriff spiel auf den Klassenkampf an. Hier sind wohl aber nicht sozialökonomische Klassen gemeint, zumal Fanon über das Verständnis von Nicht-Kommunisten spricht, sondern durch politische und rechtliche Diskriminierung und Privilegierung festgeschrieben Gesellschaftsgruppen.

[22] Neokoloniales Projekt des französischen Imperialismus, um seine ehemaligen Kolonien an sich zu binden.

[23] Volksrepublikanische Bewegung, christlich-konservative Partei in Frankreich.

[24] Christian Pineau war sozialdemokratischer Politiker und 1956-58 Außenminister Frankreichs.

[25] Walisischer Politiker und Mitglied der britischen Labor-Partei.

[26] Französische Sozialistische Partei, sozialdemokratische Partei in Frankreich.

Der ukrainische Faschismus – Geschichte, Funktion, Netzwerke mit Susann Witt Stahl

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