Bedrohung Russlands durch die Ukraine
Themen: Ukraine-Krieg

Vertiefungsgruppe 9
von Julius Frater
Redaktioneller Hinweis: Dieser Text ist im Rahmen unserer Auseinandersetzung mit dem Krieg in der Ukraine und der Imperialismusdiskussion entstanden. Wir haben 2022 beschlossen, uns kollektiv der Einschätzung des Charakter und der Vorgeschichte des Krieges zu widmen. Hierfür wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die sich u.a. mit den Interessen und der Politik des westlichen imperialistischen Block, mit Russlands Entwicklung sowie mit den Erkenntnissen der sozialistischen Arbeiterbewegung zum Imperialismus und der Bedeutung der Nationalen Frage beschäftigen. Veröffentlicht wurden in diesem Rahmen bereits Beiträge zur Kriegsvorbereitung der NATO, zur Unterwerfung der Ukraine, zu Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg, zur Entwicklung der Volksrepubliken, zur Entwicklung des russischen Kapitalismus, zum Verhältnis von Nationaler Selbstbestimmung und sozialistischer Revolution, zur Imperialismusschrift Lenins und zur Rolle der Russischen Bourgeoisie. Rückmeldungen können gerne per Mail an uns (redaktion@kommunistische-organisation.de) geschickt werden.
Da sich die Veröffentlichung des Textes aus verschiedenen Gründen verzögert hat, befindet sich der Text auf dem Stand von Ende 2023. Ereignisse und Entwicklungen ab 2024 wurden also nicht mehr in die Ausarbeitung einbezogen, was jedoch für das Thema des Textes auch nicht wirklich relevant ist. Die Fußnoten im Text sind in gekürzter Version angegeben. Die vollständige Ausführungen mitsamt Quelle finden sich im Quellen- und Literaturverzeichnis.
1. Abstract
Da zur ursprünglichen Forschungsfrage – der Wahrscheinlichkeit eines ukrainischen Angriffes auf die Volksrepubliken Donezk und Luhansk, die Krim oder russisches „Kernland“, die nach dem 24. Februar 2022 bestanden hätte, wenn Russland sich nicht mit der Militärintervention für einen Eintritt in den seit 2014 laufenden Ukraine-Krieg entschieden hätte – von uns nur eine begrenzt belastbare Einschätzung getroffen werden kann, hat sich unser thematischer Fokus verschoben. Wir zeigen stattdessen in dieser Arbeit in Ansätzen die systematische, inkrementelle Zuspitzung der Bedrohung auf, die für Russland bestanden hat und fortlaufend bestanden hätte, wenn es nicht per Militärintervention in die Ukraine eingegriffen hätte. Ob die Gefahren sich durch die Militärintervention tatsächlich ausräumen lassen, ist nicht Gegenstand dieser Arbeit und hängt stark vom Ausgang des Krieges ab. Es wurde versucht, relevante Sekundärliteratur zum Thema zu sichten, die den Großteil der Vorgeschichte zusammenträgt. Natürlich ging es auch darum, Verlautbarungen staatlicher ukrainischer und russischer Stellen einzubeziehen, Medien- und OSZE-Berichte zum Thema zu lesen und alles am Ende in ein schlüssiges Gesamtbild einzuordnen, das eine realistische Einschätzung erlaubt. Hierbei lag der Fokus auf dem militärischen Bedrohungsszenario, das für uns als Laien auf dem Gebiet nicht einfach einzuschätzen ist und notwendigerweise ein unvollständiges Bild der tatsächlichen Gefahrenlage liefert, da diese eigentlich auf mehreren Ebenen besteht. Es wurde versucht diese, ohne sie in ihrer Multidimensionalität genauer untersucht zu haben, trotzdem anzureißen und in unsere Einschätzung einzubeziehen.
Schlussfolgernd ist nicht anzunehmen, dass der Krieg der ukrainischen Regierung gegen den Osten des Landes gestoppt worden wäre, im Gegenteil wirkt eine Eskalation wahrscheinlicher. Für die Krim und die anderen an die Ukraine angrenzenden Regionen Russlands ist dies ungleich schwerer einzuschätzen. Ein potenzieller militärischer Konflikt müsste sich hier wohl vor allem in langfristige strategische Erwägungen der NATO einfügen lassen. Ohnehin ist unser Fazit, dass es bei der Vorbereitung der Niederwerfung von Staaten durch die Imperialisten nicht so sehr darum geht, an diesem oder jenem Tag angreifen und einen vorgefertigten Plan exerzieren zu können (und solche detaillierten Pläne daher auch nicht der Fokus unserer Untersuchung sein sollten, so man ihrer überhaupt habhaft werden kann), sondern eine Überlegenheit zu schaffen, die es erlaubt, die Eskalationsspirale bei Bedarf nach Belieben in dem Wissen hochschrauben zu können, selbst bei einem offenen Krieg mit hoher Wahrscheinlichkeit zu siegen. In diesem Gesamt-Kontext muss auch die Formierung der Ukraine zu einem hochgerüsteten Anti-Russland verstanden werden, als ein, wenn auch zentraler, Baustein der Herstellung dieser Dominanz gegenüber Russland.
Die ideologische und militärische Aufrüstung der Ukraine, deren Vertreter die Wiedererlangung von Atomwaffen androhten, und ihre Interoperabilität mit NATO-Strukturen bis hin zu einem in Aussicht gestellten NATO-Beitritt, reiht sich in die bisherige Einkreisung und Umzingelung Russlands ein, die von Aufkündigungen von Rüstungskontrollverträgen, Stationierung von Raketensystemen in der Nähe Russlands und ökonomischer Kriegführung gerahmt wird. Dies setzt sich mit den mannigfaltigen weiteren Destabilisierungs-Anstrengungen des Westens zu einer hybriden Bedrohungslage zusammen, die nicht durch den Atommacht-Status Russlands oder seiner relativ schlagkräftigen Armee abgegolten ist. Die Ukraine in der fortschreitenden NATO-Expansion gen Osten als sicherheitspolitische rote Linie für Russland zu bezeichnen, erscheint uns schlüssig. Wir schätzen ein, dass Russland durch die geballten und sich fortsetzenden Anstrengungen der NATO-Staaten auf Dauer maßgeblich existenziell bedroht war.
2. Einleitung
Für eine Einschätzung des russischen Militäreinsatzes spielt die Frage nach den Ursachen des russischen Eingreifens in den seit 2014 laufenden Ukraine-Krieg eine wichtige Rolle. In der kommunistischen Bewegung gibt es verschiedene Einschätzungen zu den Gründen dafür. Prototypisch stehen sich hier die Auffassungen gegenüber, wonach es sich einerseits um einen imperialistischen Angriff von Russland handele, der maßgeblich für Einflusssphären und Rohstoffe in der Ukraine geführt werde,1 andererseits die Position, wonach der Militäreinsatz eine Maßnahme der Selbstverteidigung gegen eine Bedrohung Russlands durch die NATO sei.2 Wie stark Russland bedroht war oder sogar einem ukrainischen Angriff auf die Volksrepubliken Donezk und Luhansk, die Krim oder russisches „Kernland“ zuvorkam, ist aus diesem Grund relevant für die Einschätzung des Ukraine-Krieges nach dem 24. Februar 2022 an sich.
In unserer Vertiefungsgruppe sind wir also erst einmal diesen Fragen nachgegangen. Da wir jedoch im Verlauf der Ausarbeitung gemerkt haben, dass die zweite Frage von uns nur grob eingeschätzt werden kann, fokussierten wir uns auf die verschiedenen Dimensionen der ersten Frage. Ohnehin schien es uns zunehmend wichtiger, die Vorgänge in der Ukraine im Kontext der multidimensionalen Anstrengungen gegenüber Russland zu verstehen, um die Bedrohungslage einschätzen zu können. Diese Anpassung führte zu einer teilweisen thematischen Überschneidung mit der Vertiefungsgruppe „Die Vorbereitung der NATO für einen Krieg gegen Russland“. Diese nimmt jedoch eher langfristige Planungen der NATO in den Fokus, sodass die beiden Teile sich unseres Erachtens trotz einiger ähnlicher Ausführungen in unterschiedlichem Detailgrad und mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung gut ergänzen und zusammen ein vollständigeres Bild ergeben.
Zunächst werden wir den Forschungsstand zu unserem Thema erläutern. Anschließend wollen wir die systematisch gesteigerte Bedrohung Russlands mit Fokus auf die Ukraine nachzeichnen, bevor einige Gegenargumente beispielhaft geprüft werden sollen. Am Ende wollen wir einschätzen, vor welcher Bedrohungslage die Russische Föderation vor Beginn der Militäroperation stand. Im Rahmen dieser Arbeit wird nicht der Frage nachgegangen, ob es sich um einen zu rechtfertigenden Einsatz Russlands handelt. Mit dieser Ausarbeitung soll nur eine möglichst gut begründete Einschätzung dazu abgegeben werden, wie stark Russlands Sicherheit durch die Entwicklungen in der Ukraine gefährdet war und ob es einem Angriff aus der Ukraine zuvorkam.
3. Zum Forschungsstand
Für diese Arbeit waren einige Sekundärtexte mit Verweisen auf weitere Quellen hilfreich. Insgesamt findet sich nicht viel deutsch- oder englischsprachige Sekundärliteratur, die sich intensiv, aber nicht einseitig aus pro-westlicher Perspektive, mit unserer Fragestellung befasst hat. Eine wichtige Grundlage bilden der von Phillip Kissel am 29. März 2022 veröffentlichte Text Zur Kritik am „Joint Statement“ und zur NATO-Aggression gegen Russland3 und der am 23. Mai 2022 veröffentlichte Text Der Ukraine-Krieg – was vorher geschah von Lühr Henken.4 Beide Texte wurden kurz nach dem Beginn der russischen Intervention in den Ukraine-Krieg veröffentlicht und haben einen wichtigen Beitrag zur deutschsprachigen Untersuchung zu den Ursachen und der Vorgeschichte geleistet. Wir empfehlen explizit, sie zusätzlich zu dieser Ausarbeitung zu lesen, um ein vollständigeres Bild des Hergangs zu bekommen. Zudem trugen die Bücher Der Aufmarsch – Vorgeschichte zum Krieg5 von Jörg Kronauer und Wie der Westen den Krieg in die Ukraine brachte6 von Benjamin Abelow Zahlen, Daten und Fakten zusammen, die für die Fragestellung dieser Arbeit großen Wert hatten.
Zudem spielten für die Beantwortung unserer Forschungsfrage offizielle Beschlüsse ukrainischer Staatsorgane und Verlautbarungen von Selenskyj eine Rolle. Von großer Bedeutung waren dabei das Dekret über die Wiedereingliederung der Krim7 und Selenskyjs Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz8. Was allerdings nicht vorlag, waren weitreichende, konkrete Pläne und Maßnahmen im militärischen Bereich, die im Sinne einer Kriegsvorbereitung einen Beweis darstellen. Dies war ein allgemeines Problem unserer Fragestellung: limitierter Zugang zu Informationen und die Schwierigkeit der Einordnung veröffentlichter Informationen. Während die NATO und Ukraine zur Legitimierung ihres Krieges den Eingriff von russischer Seite von Anfang an als unprovozierten Angriffskrieg Russlands darstellen wollten und das entsprechend zu untermalen wissen, versucht Russland natürlich den Militäreinsatz zu legitimieren und führt dafür verschiedene Argumente ins Feld. Beide Seiten verbreiten also eine von ihren Interessen beeinflusste Darstellung, bei der es nicht immer leicht oder sogar möglich ist, die Wahrheit herauszuschälen. Viele Dinge werden auch kaum bis gar nicht argumentativ verhandelt: Da sich der Westen beispielsweise auf die Haltung zurückzieht, die Krim und der Donbass seien ohnehin ukrainisches Staatsgebiet, ist es für die westliche Erzählung nicht wichtig, ob die Ukraine einen Angriff auf die Krim plante und dafür Vorbereitungen traf.
Zudem wurden Zeitungsartikel, Analysen und Berichte von Denkfabriken, Instituten oder der OSZE über wichtige Ereignisse der letzten Zeit vor dem russischen Eingriff, sowie zum Beispiel zu Verstößen gegen die vereinbarte Waffenruhe an der Kontaktlinie im Donbass, ausgewertet. Dabei muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass nahezu alle Zeitungen und größeren Nachrichtenseiten auf Deutsch und Englisch eine Darstellung mit NATO-Befangenheit verbreiten und internationale Organisationen zumindest eine pro-westliche Tendenz in ihren Berichten aufweisen. Dies erschwert eine unabhängige Forschung ebenso wie das Verbot russischer Medien. Der Zugang zu Russia Today (RT) ist zwar möglich, jedoch nur über Umwege. Teilweise haben sich Links geändert oder es fehlen Artikel auf den neuen Internetseiten, die zur Umgehung der Zensur eingerichtet wurden, zudem können diese nur schwer über Suchmaschinen gefunden werden. Wichtig wäre für eine weiterreichende Arbeit, russischsprachige Quellen und Sekundärliteratur zu unserer Fragestellung systematischer und umfassender unter die Lupe zu nehmen und entsprechend einzubeziehen.
Zuletzt gab es auch Quellen, die nicht in das klassische Verbreitungs-Schema passen und in Telegram-Kanälen publiziert wurden. Teilweise lassen diese sich auf russische und pro-russische Medien zurückführen oder wurden anderweitig aufgegriffen. Konkret interessant waren hier Dokumente, die Russland nach eigener Aussage abgefangen habe und eine Vorbereitung auf Angriffe im Donbass beweisen sollen9 und einen Laptop, der Angriffspläne enthalten haben soll und in einem Stab des Rechten Sektors gefunden worden sei.10 Diese beiden Veröffentlichungen sind mit Skepsis zu betrachten und können nach bisherigem Stand nicht als Beweise für einen potenziellen Angriffsplan herhalten.
Grundsätzlich war die Quellen- und Literaturlage dadurch erschwert, dass es sich um ein fast tagesaktuelles Ereignis handelte, weshalb natürlich kaum Literatur vorhanden ist, noch weniger zu aktuellen Aspekten und Ereignissen des Krieges. Die Berichterstattung wiederum ist als Mittel der Kriegsführung notwendigerweise mit noch größerer Vorsicht zu genießen als in „Friedenszeiten“.
4. Bedrohung Russlands durch die Ukraine
4.1 Bedrohung durch NATO-Militarisierung an Russlands Grenzen
Seit 1990 wurde die NATO trotz gegenteiliger Versprechungen an die Führung der UdSSR11 bis an die Grenze Russlands erweitert. Dort wurden Truppen stationiert, zahlreiche Militärübungen durchgeführt, sowie Waffen deponiert. Hinzu kommen die Verschärfungen seit 2014. Es folgt ein kurzer Abriss zentraler Zuspitzungen der letzten Jahre. Nachdem die USA den ABM-Vertrag (Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen) einseitig gekündigt hatten, wurde 2016 ein ABM-Standort in Rumänien in Betrieb genommen. An diesem Standort stationierten sie Raketenabschussrampen des Typen Mark 41 Aegis. Diese können nicht nur ABMs, sondern auch nuklear bestückte Mittelstreckenraketen oder Angriffswaffen wie Tomahawk-Marschflugkörper verwenden. Tomahawks haben eine Reichweite von bis zu 2500 km und können von Rumänien aus Städte wie Moskau innerhalb kurzer Zeit erreichen. Zudem können sie nukleare Sprengköpfe mit einer Sprengkraft von bis zu 150 Kilotonnen tragen. Dies entspricht etwa dem Zehnfachen der auf Hiroshima abgeworfenen Atombombe. Ein ähnlicher Aegis-Standort war zudem für Polen geplant und wurde 2020 fertiggestellt.12 2019 stiegen die USA dann einseitig aus dem Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme von 1987 aus.13 Mittelstrecken-raketen sind definiert als Boden-Boden-Raketen mit Reichweiten zwischen 800 und 5.500 km. Die Aufkündigung des Vertrages schien den USA einen militärischen Vorteil zu versprechen, da die fraglichen Raketen in Europa, in der Nähe von Russland stationiert werden sollten. Russland hatte nicht geplant bzw. kann nicht ohne weiteres solche Waffen in ähnlicher Entfernung zu den USA stationieren.14 2020 folgte dann der einseitige Ausstieg der USA aus dem Vertrag über den Offenen Himmel (Open Skies Treaty), der es den Vertragsteilnehmern erlaubte, mit technischen Hilfsmittel bestückte Flugzeuge über das Territorium des jeweils anderen fliegen zu lassen, um so vertrauensbildende gegenseitige Aufklärung zu ermöglichen. Im Juli 2021 veranstalteten die Ukraine und die USA gemeinsam ein großes Marinemanöver in der Region des Schwarzen Meeres. Daran nahmen Seestreitkräfte aus 32 Ländern teil. Diese Operation Sea Breeze hatte laut dem US-amerikanischen Politikwissenschaftler John Mearsheimer Russland beinahe dazu provoziert, auf einen britischen Zerstörer zu feuern, der absichtlich in russisches Hoheitsgewässer eindrang.15
Ab 2016 arbeitete die Obama-Administration daran, die Stationierung schwerer Waffen, gepanzerter Fahrzeuge und anderer Ausrüstung in NATO-Länder Mittel- und Osteuropas „erheblich zu steigern“. Das Ziel dieser Maßnahme war erklärtermaßen Russland. Eine ehemalige hochrangige Pentagon-Funktionärin wurde diesbezüglich mit den Worten zitiert: „Das ist eine wirklich große Sache und die Russen werden einen Aufstand machen.“ Und weiter: „Es ist ein großes Zeichen des Engagements zur Abschreckung Russlands und zur Stärkung unserer Allianz und unserer Partnerschaft mit Ländern wie der Ukraine, Moldawien und Georgien.“16
Die USA und NATO führten seit 2020 vermehrt Kriegsmanöver an der Grenze zu Russland durch. 2020 begannen die USA den Truppentransport aus den USA an die russische Grenze zu proben. Sie starteten dafür die neue Manöverserie Defender Europe: Defender Europe 20 beinhaltete die Verlegung von rund 20.000 US-Soldaten nach Europa. Von der Ankunft in Frankreich und Deutschland sollten die Soldaten den Vormarsch nach Osten antreten. Insgesamt waren an der Übung ca. 37.000 Militärs beteiligt.17 Die NATO veranstaltete 2020 außerdem in Estland eine Kriegsübung, nur ca. 100 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Dabei wurden unter anderem taktische Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometer eingesetzt. 2021 feuerte die NATO erneut in Estland bei einer Übung 24 Raketen ab. Diese simulierten einen Angriff auf Luftverteidigungsziele innerhalb Russlands.18 Zudem wurde im Jahr 2021 die Defender 21-Übung durchgeführt. Dabei wurde US-Militär über das Mittelmeer Richtung russischer Grenze transportiert. An der Großübung nahmen 28.000 Soldaten aus 26 Staaten teil. Ziel war ähnlich wie bei der Defender 20-Übung, den Transport von US-Truppen schnellstmöglich über den Atlantik an die russische Grenze zu üben. Konkret ging es darum, das Anlanden von US-Truppen an der östlichen Adriaküste von Slowenien über Kroatien bis Albanien und in Griechenland und den Vormarsch von dort bis an die Grenze zur Ukraine und zu Moldawien und an das Schwarze Meer durchzuexerzieren.19 Anfang November 2021 reaktivierten die USA das 56. Artilleriekommando in Mainz-Kastel. Für dieses Kommando sollen bzw. sollten eventuell Hyperschall- und andere Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa stationiert werden.20 Zudem hatte die USA laut Euronews vom 29. November 2021 bereits mehrfach „atomwaffensignierte“ Flugzeuge als deutliches Zeichen gegen die Russische Föderation nach Polen verlegt, die dieses Zeichen auch „gelesen“ und darauf reagiert habe.21 Ende 2021 wies der russische Botschafter in den USA darauf hin, dass die NATO jährlich ca. 40 große Übungen in der Region um Russland durchführt. Er warnte, dass diese Situation äußerst gefährlich sei:
„Alles hat seine Grenzen. Wenn unsere Partner weiterhin militärisch-strategische Tatsachen schaffen, welche die Existenz unseres Landes gefährden, sehen wir uns dazu gezwungen, bei ihnen ähnliche Gefährdungen herzustellen. Wir befinden uns jetzt an einem Punkt, an dem kein Rückzug mehr möglich ist. Die militärische Erschließung der Ukraine durch NATO-Mitgliedstaaten ist eine existenzielle Bedrohung für Russland.“22
Russland erhöhte die Präsenz seiner Truppen an der Grenze zur Ukraine Ende 2021. Am 2. Februar 2022 begannen Frankreich und die USA mit der Verlegung von Truppen nach Osteuropa. In den folgenden Tagen wurden ca. 3.000 US-Soldaten nach Rumänien, Polen und Deutschland verlegt. Am 5. Februar wurden 1.000 US-Soldaten aus Bayern nach Osteuropa verlegt.23
Dass alle diese Entwicklungen durchaus ein Sicherheitsbedenken Russlands befördert haben, ist auch in der Rede von Putin am 21. Februar 2022 zu erkennen:
„Die uns zur Verfügung stehenden Informationen geben allen Anlass zur Annahme, dass die Entscheidung über einen Beitritt der Ukraine zum Nordatlantikpakt und über die Errichtung von NATO-Infrastruktur auf ihrem Territorium im Grundsatz bereits gefallen ist. Es ist nur eine Frage der Zeit. Es ist vollkommen klar, dass die militärische Bedrohung für Russland sich in diesem Fall drastisch, um ein Vielfaches erhöht. Insbesondere, und darauf weise ich ausdrücklich hin, steigt die Gefahr eines plötzlichen Angriffs auf unser Land massiv. Um es klar zu sagen: In den US-Dokumenten zur strategischen Planung – ja, in schriftlichen Dokumenten – ist die Möglichkeit eines sogenannten Präventivschlags gegen die Raketensysteme des Gegners vorgesehen. Und wer der Hauptgegner der USA und der NATO ist, das wissen wir auch. Es ist Russland. In den Strategien der NATO wird unser Land offiziell ganz direkt als größte Gefahr für die euroatlantische Sicherheit bezeichnet. Und als Frontstaat für einen solchen Angriff wird die Ukraine dienen. […] Viele ukrainische Luftwaffenstützpunkte liegen unweit unserer Grenzen. Die dort stationierten taktischen Kampfflugzeuge der NATO, darunter Träger von Hochpräzisionswaffen, können unser Territorium bis zu einer Tiefe auf der Linie Wolgograd-Kasan-Samara-Astrachan angreifen. Die Stationierung von Radarstationen in der Ukraine erlaubt der NATO, den Luftraum Russlands bis zum Ural zu kontrollieren. Ein letztes: Seit die USA den INF-Vertrag über Mittelstreckenraketen aufgekündigt haben, arbeitet das Pentagon ganz offen an der Entwicklung einer ganzen Reihe neuer bodengestützter Angriffswaffen, darunter ballistischer Raketen mit einer Reichweite von bis zu 5.500 Kilometern. Wenn solche Systeme in der Ukraine stationiert werden, können sie Ziele im gesamten europäischen Russland angreifen, ja sogar hinter dem Ural. Marschflugkörper vom Typ ´Tomahawk´ erreichen Moskau in 35 Minuten, ballistische Raketen, die aus dem Raum Charkow kommen, in sieben bis acht Minuten, und Hyperschall-Angriffssysteme in vier bis fünf Minuten. Das nennt man wohl, jemandem das Messer an den Hals halten.“24
4.2 Einbindung der Ukraine in NATO-Strukturen und Aufrüstung
In den vergangenen 20 Jahren wurde auch die Ukraine immer weiter in Programme und eine Zusammenarbeit mit dem Westen integriert. Bereits seit 2005 ist die Ukraine Teil der Partnerschaft für den Frieden und in ein „intensiviertes Dialogprogramm“ der NATO eingebunden. Dies ist eine Stufe vor dem Membership Action Plan, welcher konkrete Schritte der Aufnahme bedeutet. Das Ziel, die Ukraine neben Georgien in die NATO aufzunehmen, verfolgten die USA schon seit mindestens 2008. Im Bukarester Beschlussder NATO wurde den beiden Ländern die Perspektive zur Aufnahme in die NATO geboten. Damit wurde die geplante Integration von zwei Ländern direkt an der Grenze zu Russland verkündet. 2008 beantragte die Regierung Juschtschenko-Timoschenko den Eintritt in den Membership Action Plan. Dies wurde später von der neuen Regierung Janukowitsch zurückgenommen. Der Antrag war ein eindeutiges Zeichen an Russland und eine angekündigte, weitere Einkreisung Russlands durch die NATO. 25
Mit dem Putsch von 2014 schuf der Westen eine Marionettenregierung in der Ukraine, welche die Aufnahme in EU und NATO beschleunigen wollte.26 Nachdem 2014 die Krim in die Russische Föderation eingegliedert wurde, starteten die USA ein umfangreiches militärisches Programm zur Unterstützung der Ukraine. Nach Angaben des Congressional Research Service der USA belief sich diese Hilfe von 2014 bis Anfang 2022 auf über vier Milliarden US-Dollar. Als Ziel dieses Programms wurde u. a. die „Verbesserung der Interoperabilität mit der NATO“ benannt.27 2019 verankerte die Ukraine das Streben nach einer NATO-Mitgliedschaft in ihrer Verfassung. Bereits im Juni 2020 wurde ihr der NATO-Partnerstatus verliehen, sie wurde eng in die militärischen Strukturen der NATO eingebunden. NATO-Ausbilder waren in der Ukraine, um das ukrainische Militär im Kampf gegen die Ostukraine und Russland auszubilden. Im Januar 2021 ermöglichte die Kiewer Regierung die Stationierung von 4000 NATO-Soldaten in der Ukraine.28 Bei dem NATO-Gipfel 2021 in Brüssel bekräftigte die NATO: „Wir bekräftigten den 2008 auf dem Gipfel in Bukarest gefassten Beschluss, dass die Ukraine ein Mitglied des Bündnisses wird“.29 Zwei Monate später unterzeichneten die Verteidigungsminister von USA und Ukraine einen strategischen Verteidigungsrahmen zwischen ihren Ländern.30
Am 14. Dezember 2021 beschloss das ukrainische Parlament ein Gesetz über ausländische Truppenbewegungen auf ukrainischem Boden. Die NATO hatte für das Jahr 2022 zehn Manöver in der Nähe der Russischen Föderation geplant, darunter auch das Training von Angriffsoperationen gegen Russland und Weißrussland. Wie Russia Today beschreibt, wären damit die Ukraine und das Schwarze Meer zum ganzjährigen Aufmarschgebiet zu Lande, zu Wasser und in der Luft geworden. Insgesamt hätten ca. 45.000 Soldaten teilgenommen, darunter ca. 26.000 der ukrainischen Armee.31 Die Stationierung ausländischer Truppen ist einer der vielen Verstöße der ukrainischen Regierung gegen das Minsker Abkommen. Dieses besagt unter Punkt 10: „Abzug aller ausländischen bewaffneten Einheiten und [ihrer] Militärtechnik, sowie von Söldnern, vom Territorium der Ukraine unter Aufsicht der OSZE. Entwaffnung aller illegalen Gruppierungen.“32
Die Aufrüstung der Ukraine aus ideologischer Perspektive inklusive des Aufstiegs faschistischer Strukturen, müsste hier eigentlich für ein vollständigeres Bild der Bedrohungslage ebenfalls en détail ausgeführt werden, kann hier aber nur angerissen werden. Ohne Duldung dieser faschistischen Kräfte könne sich keine ukrainische Regierung an der Macht halten, wie Susann Witt-Stahl feststellt.33 Die Drohung, die Dmitro Jarosch, Mitgründer des Rechten Sektors sowie Exkommandeur des Freiwilligenkorps der Organisation (und Stand März 2023 Berater des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte) gegenüber Selenskyj formulierte, als dieser eine Umsetzung von Teilen der Vereinbarung Minsk II in Erwägung zu ziehen begann, soll hier als Beispiel für die Beeinflussung durch faschistische Scharfmacher genügen: „Die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen wäre der Tod unseres Staates“, sagte er in einem Interview im Mai 2019. Selenskyj „wird an einem Baum auf dem Chreschtschatik hängen, wenn er die Ukraine und die Menschen, die in der Revolution und im Krieg gestorben sind, verrät.“34 Die Unabhängigkeit, mit der diese fanatisch anti-russischen Kräfte die Konfrontation im Donbass ohnehin bereits schürten, sei ebenfalls exemplarisch verdeutlicht: „Andrij Bilezkij, Gründer der ´Asow´-Bewegung und Chef ihrer Partei ´Nationales Korps´, verlautbarte […] in einer Videoansprache, dass Selenskijs Anordnung [von der Kontaktlinie abzuziehen] ihn nicht interessiere und sich wenn nötig Zehntausende seiner Leute widersetzen würden.“35Dass Macht und Einfluss dieser glühenden Anti-Russen die Bedrohungslage für Russland noch verschärft hat, liegt auf der Hand.
4.3 Russlands Forderung nach Beachtung seiner Sicherheitsinteressen
Bereits seit einigen Jahren fordert Russland immer deutlicher Sicherheitsgarantien vom Westen. Im Juni 2021 wurde ein Gipfeltreffen zwischen Putin und Biden abgehalten. Kurz vorher hatte der NATO-Gipfel in Brüssel stattgefunden, bei dem Russland (in abgeschwächter Form auch China) verklausuliert, aber doch eindeutig als Feind benannt wurde.36 Zudem wurde die verstärkte Truppenpräsenz an den Grenzen zu Russland beschlossen. Kurz davor hatten die USA wiederum militärische Hilfe für die Ukraine in Höhe von 150 Millionen Dollar zugesagt.37 Am 30. Juni drang ein Lenkwaffenzerstörer der britischen Marine in russische Hoheitsgewässer ein und drehte erst nach Warnschüssen ab.38 Schließlich kam es am 08. Dezember 2021 zu einem Videogipfel zwischen Putin und Biden: Russland forderte abermals Sicherheitsgarantien vom Westen. Keine Stationierung von NATO-Truppen in der Ukraine, schriftliche Zusage eines Verzichts einer NATO-Osterweiterung, Dialog zwischen den Volksrepubliken und Kiew, Einhaltung von Minsk II durch die ukrainische Regierung und also auch Stopp des Beschusses der Volksrepubliken gehörten zu den russischen Anliegen, zudem die Reduzierung der NATO-Präsenz in Osteuropa. Dies wurde von den USA bis auf wenige unerhebliche Schein-Zugeständnisse rundum abgelehnt. Die Antwort der USA lautete stattdessen: Sanktions-Drohungen, darunter den Ausschluss Russlands aus demInterbankensystem SWIFT.39
4.4 Selenskyjs Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2022
Im Budapester Memorandum wurde 1994 festgelegt, das nukleare Erbe aus der Zeit der UdSSR, das die Ukraine noch besaß,an Russland zu übergeben und somit ihren Status als Atommacht zu beenden. Als drittgrößte Atommacht umfasste ihr Arsenal damals 1.700 Sprengköpfe. Die Ukraine unterliegt der Überwachung der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), auf ihrem Territorium waren Stand Mai 2022 sechs Atomkraftwerke mit 15 Reaktorblöcken in Betrieb. Obwohl die Ukraine Mitglied des Atomwaffensperrvertrages ist, wurde bereits im Jahr 2000 parlamentarisch festgelegt, anderen Streitkräften zeitlich begrenzt zu erlauben, Atomwaffen und andere Massenvernichtungswaffen auf dem ukrainischen Staatsterritorium zu stationieren.40
Am 19. Januar 2022 fand die Münchner Sicherheitskonferenz statt. Der ukrainische Präsident Selenskyj verkündete in einer Rede auf der Konferenz, dass die Ukraine sich nicht mehr an das Budapester Memorandum zu halten gedenke, wenn sie keine Sicherheitsgarantien erhalte:
„Seit 2014 hat die Ukraine dreimal versucht, Konsultationen mit den Garantiestaaten des Budapester Memorandums einzuberufen. Dreimal ohne Erfolg. Heute wird die Ukraine dies zum vierten Mal tun. Ich, als Präsident, werde dies zum ersten Mal tun. Aber sowohl die Ukraine als auch ich tun dies zum letzten Mal. […] Wenn sie wieder nicht stattfinden oder ihre Ergebnisse nicht die Sicherheit unseres Landes garantieren, hat die Ukraine jedes Recht zu glauben, dass das Budapester Memorandum nicht funktioniert und alle Paketbeschlüsse von 1994 in Frage gestellt sind.“41
Somit war also klar, dass selbst die Beschaffung von Atomwaffen nicht mehr ausgeschlossen war, hatte Selenskyj doch in der Rede angedeutet, die ukrainischen Zusicherungen des Budapester Memorandums als obsolet zu betrachten. Der ehemalige ukrainische Botschafter Melnyk wurde in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung noch deutlicher und brachte unmissverständlich zum Ausdruck, dass man in der Ukraine mit dem Gedanken spielte, sich erneut Atomwaffen zuzulegen:
„Wir hoffen, dass die Ampel-Regierung den Ernst der Lage erkennt und sich dafür engagiert, dass die Ukraine unverzüglich völkerrechtliche Sicherheitsgarantien erhält, solange sie kein Nato-Mitglied ist. Sonst wird der Verzicht auf Atomwaffen in Frage gestellt und das internationale System der Nichtverbreitung von Kernwaffen gerät ins Wanken.“42
4.5 Strategische Bedeutung der Ukraine für Russland
Obwohl das Thema in dieser Arbeit nur gestreift werden kann, muss erwähnt werden, welch immensem strategischen Wert der Ukraine im Kampf gegen Russland seit über 120 Jahren zugeschrieben wird. So beschreibt Paul Rohrbach, Ukraine-Spezialist im Auswärtigen Amt bereits 1897: „Alles große Leben in Russland muss versiegen, wenn ein Feind die Ukraine packt […]“.43 Sie sei damals bereits ein „neuralgischer Punkt aller wichtigen gesellschaftlichen Vorgänge im Russischen Reich“44 gewesen. Rohrbach stellt fest, dass „Rußland sich auseinandernehmen läßt wie eine Apfelsine“, jedenfalls mit genügend Geschick, weshalb seit vielen Jahrzehnten entsprechende Bewegungen in der Ukraine auch unter deutscher Schirmherrschaft finanziert wurden.45 Weiter:
„Wenn aber der Tag kommt, wo Russland das Schicksal herausfordert, und dann hat zufällig dort, wo bei uns die Entscheidungen getroffen werden, jemand so viel Kenntnis von den Dingen und soviel Entschlossenheit, dass er die ukrainische Bewegung richtig loszubinden weiß – dann, ja dann könnte Russland zertrümmert werden. Wer Kiew hat, kann Russland zwingen.“46
Viele weitere Strategen der heutigen Zeit messen der Ukraine ebenfalls eine, teilweise sogar die zentrale Bedeutung in dem Vorhaben bei, Russland in Schach zu halten oder zu bezwingen.47
Hierbei spielt die geographische Lage eine wichtige Rolle. Eine Aufrüstung und Aufnahme der Ukraine in die NATO ist nicht nur aufgrund der Nähe zu Russland ein Problem, auch wenn dies für die NATO viele Ziele in gute Reichweite bringen würde und die Zweitschlagfähigkeit Russlands durch die Stationierung von NATO- und US-Waffen sowie Raketenabwehrsystemen in der Ukraine verschlechtern könnte. Vor allem geht es aber darum, dass die Ukraine besonders gut als Aufmarschgebiet gegen Russland geeignet ist: Das Gebiet der Ukraine ist für einen Angriff auf Russland bzw. dessen Verteidigung zentral.48 Der britische auf Außenpolitik spezialisierte Journalist Tim Marshall beschreibt in seinem Buch Die Macht der Geographie im ersten Kapitel zu Russland, dass der Korridor, der sich von West- und Nordfrankreich über Polen zwischen der Ostsee und den Karpaten Richtung Osten erstreckt, für einen konventionellen Krieg gegen Russland prädestiniert sei.49 Gerade die Ukraine ist aufgrund ihres Flachlands mit wenig Bergen und einer langen Grenze zu Russland ein herausragender Einfallspunkt für westliche Invasoren.50 Auch Moldawien käme für Russland eine Rolle zur Verteidigung der Schnittstelle zwischen den Transsilvanischen Alpen und dem Schwarzem Meer zu51, die jedoch letztlich auch über ukrainisches Staatsgebiet nach Russland führt. Je mehr Gebiete die NATO diesbezüglich schon vorab ausstatten und vereinnahmen kann, desto besser ist die Angriffsposition. Dies verkürzt Nachschubwege enorm, die für einfallende Armeen aufgrund des riesigen Territoriums schon immer ein großes Problem darstellten, und würde dazu führen, dass Russland westlich des Urals, also das Gebiet, auf dem etwa drei Viertel der Bevölkerung lebt – inklusive der Städte Moskau und St. Petersburg –, „[s]elbst mit einer riesigen Armee“ ab der russischen Grenze schwer zu verteidigen sei.52
Die Redaktion von german-foreign-policy.com formuliert es unter Bezugnahme auf einen US-Think-Tank folgendermaßen:
„Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wöge für Russland vor allem deshalb schwer, weil es durch sie ´strategische Tiefe´ verlöre. Unter dem Begriff wird, so formulierte es kürzlich die US-Denkfabrik Carnegie Endowment, in Russlands Fall ´der Puffer zwischen dem russischen Kernland und mächtigen europäischen Gegnern´ verstanden, der historisch immer eine ´entscheidende Voraussetzung für die Sicherheit des russischen Staates´ gewesen sei – im Krieg gegen das napoleonische Frankreich ebenso wie in den beiden Weltkriegen gegen Deutschland.“53
Die Krim hingegen ist für Russland nicht nur aufgrund ihrer strategisch wertvollen Lage im Schwarzen Meer wichtig, vor allem ist der auf ihr beheimatete Hafen Sewastopol der russischen Schwarzmeerflotte von zentraler Bedeutung. Er ist als einzig ernsthafter, dauerhaft eisfreier Hafen Russlands unverzichtbar, weshalb Marshall argumentiert, Putin habe 2014 eigentlich keine Wahl gehabt und die Krim unter russische Kontrolle bringen müssen.54 Andere wichtige Häfen befinden sich im Nordpolarmeer, im Oblast Murmansk und bei Wladiwostok, aber im Winter werden sie monatelang von Eis stark eingeschränkt.55 Der Stützpunkt bei Tartus an der syrischen Mittelmeerküste ist hingegen klein und dient vor allem der Nachschub-Anlieferung.56
4.6 Dekret zur Räumung und Wiedereingliederung der Krim, eine indirekte Kriegserklärung
Russland betrachtet die Krim seit der Eingliederung 2014 als Teil seines Staatsgebietes, die Ukraine reklamiert die Halbinsel ebenfalls für sich. Am 24. März 2021 erließ Selenskyj ein entsprechendes Dekret über die Resolution des Rates für Nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine. Mit der Resolution des Rates ist die „Strategie zur Räumung und Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol“ gemeint.57 Das Dekret genehmigt und erlässt ebendiese Strategie. In der im Dekret referenzierten Resolution des Rates für Nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine wird beschrieben:
„1. Ein bereichsübergreifendes Element der Politik der Räumung und Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol […] ist die Durchführung einer Reihe diplomatischer, militärischer, wirtschaftlicher, informationeller, humanitärer und anderer Maßnahmen.“ 58
Unter Punkt neun heißt es:
„Die Ukraine behält sich das Recht vor, alle im Völkerrecht und in der nationalen Gesetzgebung vorgesehenen Mittel einzusetzen, um [..] die nationalen Interessen zu schützen, die territoriale Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Staatsgrenze wiederherzustellen und die staatliche Souveränität zu gewährleisten.“59
Die Resolution zielt jedoch nicht nur auf die Krim, sondern wie bereits 2014 auch auf die Volksrepubliken Donezk und Luhansk ab. Die gesamten Gebiete, die die Ukraine als ihr Staatsgebiet betrachtet, wieder unter die eigene Kontrolle zu bringen, also die „Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Staatsgrenze und die Gewährleistung der staatlichen Souveränität der Ukraine“60 zu erlangen, sei das Ziel. Der staatlichen ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform zufolge habe die ukrainische Regierung den Auftrag erhalten, „einen entsprechenden ´Aktionsplan´ zu entwickeln.“61
Kurz nach dem Beschluss dieses Dekretes 117 begann die Ukraine eine breit angelegte Kampagne zur Wiedereingliederung der Krim. Teil dieser Kampagne war auch die Initiierung einer sog. Krim-Plattform durch das ukrainische Außenministerium, zu der westliche Staaten eingeladen wurden. Nach Aussage der ersten stellvertretenden Außenministerin der Ukraine sollte durch die Kampagne versucht werden, das Krim-Thema und die „De-Okkupation“ der Krim zu einer globalen Agenda zu machen.62 Auf dem Ersten Gipfeltreffen ebenjener Krim-Plattform sagte Selenskyj am 23. August 2021, von nun an laufe der „Countdown für die De-Okkupation“ der Halbinsel im Schwarzen Meer.63
Dass auch eine militärische Rückeroberung der Krim durchaus nicht abwegig gewesen wäre, sagte die stellvertretende Direktorin des Instituts der Europäischen Union für Sicherheitsstudien (EUISS), Florence Gaub. Laut ihr wurde die ukrainische Armee seit 2014 durch westliche Hilfe „massiv reformiert“. Die Ukraine habe sich durch Ausbildung und die massiven Reformen in Bereichen des Militärs durch Kanada, den USA und Großbritannien hin zu NATO-Standards bewegt. Sie „waren eigentlich fast so eineinhalb bis zwei Jahre entfernt, einen Status, einen Standard, zu haben, wo sie sich die Krim hätten zurückholen können. Deswegen konnte auch Russland nicht mehr warten. Sie mussten jetzt zuschlagen, denn in zwei Jahren hätten sie einen Gegner gehabt, der noch viel schwieriger zu überwältigen gewesen wäre als wir es heute haben.“64
Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Situation: Der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat und der Präsident der Ukraine beschließen die Räumung (in manchen Übersetzungen auch De-Okkupation) und Wiedereingliederung der Krim und der „vorübergehend besetzten Gebiete“, also der Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Spätestens ab März 2021 stand Russland also vor der Frage, wann und wie die „Räumung“ der Krim, wohlgemerkt explizit inklusive militärischer Maßnahmen, versucht werden würde. Dieser Umstand lässt sich durchaus als indirekte Kriegserklärung an Russland verstehen, da nicht ersichtlich ist, inwiefern sich die Ukraine anderweitig eine derartige Möglichkeit zu verschaffen gedacht hatte. Russland hätte den Anspruch auf die Krim jedenfalls nicht einfach ab- oder im Falle eines ukrainischen Waffengangs kampflos aufgegeben; um die strategische Wichtigkeit der Krim für Russland musste man wissen.
4.7 Weitere Zuspitzung und Beginn des russischen Militäreinsatzes
Im Januar 2022 nahmen die Waffenlieferungen an die Ukraine durch die USA und Großbritannien, sowie die Truppenverlegungen der NATO an die Grenze von Russland deutlich zu. Großbritannien schickte Panzerabwehrwaffen, die USA gaben den baltischen Staaten die Zustimmung zur Weitergabe von US-Waffen an die Ukraine. Es wurde zudem die Lieferung von Waffen im Wert von 200 Millionen Dollar genehmigt.65 Laut russischem Außenministerium hat die Ukraine von Anfang Januar bis Mitte Februar insgesamt etwa 50 Transportflugzeuge mit Waffen erhalten. Der ukrainische Verteidigungsminister soll am 14. Februar 2022 gemeinsam mit dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte erklärt haben, dass seit Anfang des Jahres rund 2000 Tonnen modernster Waffen aus den USA, Großbritannien, Kanada, Polen und Litauen geliefert wurden.66
Am 21. Februar meldete die OSZE verstärkten Beschuss der ostukrainischen Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Es wurden von der OSZE bis zum 22. Februar Verzehnfachungen bis Versechzehnfachungen der Waffenstillstandsverletzungen im Vergleich zu den Tagen vor der Eskalation gezählt. Konkret stieg die Zahl in der Region Donezk von 153 zwischen 14. und 16. Januar 2022 auf 2.158 Waffenstillstandsverletzungen zwischen 18. und 20. Februar. In der Region Luhansk stieg die Zahl im gleichen Zeitraum von 214 auf 1.073.67 Von diesen Verletzungen war ein Großteil der bedeutsameren Kategorie der Explosionen zuzuordnen.68 Am 18. Februar begannen die Volksrepubliken mit der Evakuierung der Bevölkerung aufgrund des starken Beschusses und der Gefahr einer militärischen Eskalation. Der Chef der Donezker Volksrepublik, Denis Puschilin, sagte damals, die Ukraine habe bereits im Oktober ihre Truppen auf 120.000 Mann aufgestockt und mit „intensiven Aktivitäten“ begonnen.69 – laut Akademiker und Militärexperte Konstantin Siwkow war der schlagkräftigste Teil der Armee an der Kontaktlinie massiert, mit dem seines Erachtens eine Bodenoffensive vorbereitet wurde70. Dies wäre für die Volksrepubliken, die insgesamt über nur ca. 34.000 Bewaffnete verfügten, eine ungleiche Ausgangsposition. Dabei handelte es sich um 20.000 Soldaten in Donezk und 14.000 in Luhansk.71 Puschilin sprach am 18. Februar davon, dass „jeden Tag […] einfach eine großangelegte Offensive beginnen“ könne.72 Diese akuten Zuspitzungen sprechen für eine geplante ukrainische Offensive auf die Volksrepubliken, beweisen diese aber nicht; sie zeigen jedoch exemplarisch, dass kein Ende in Sicht war, dass der Krieg gegen die Volksrepubliken im Osten der Ukraine unvermindert lief. Nach der offiziellen Anerkennung selbiger durch ein Dekret Putins am 21. Februar forderten die Volksrepubliken militärische Hilfe und bekamen diese auch, zuerst mit der Entsendung der Truppen in die bereits kontrollierten Gebiete, dann in Form der Militärintervention in bisher von ukrainischen Truppen gehaltenes Gebiet am 24. Februar 2022.
Zwei angebliche Beweise, die von russischer und pro-russischer Seite für einen bevorstehenden Angriff vorgebracht wurden, halten einer kritischen Prüfung nicht stand. So wurde von Puschilin verkündet, man habe in den eroberten Gebieten ein Notebook der NATO in der Obhut ukrainischer Faschisten gefunden, auf denen Angriffspläne auf die Volksrepubliken und die Krim für Anfang März 2022 gefunden wurden.73 Es wurden unseres Wissens niemals die vermeintlichen Angriffspläne veröffentlicht. Derartige Notebooks mit NATO-Stickern können zudem als Gebrauchtwaren gekauft werden, das entsprechende Exemplar war noch dazu ziemlich veraltet und es erscheint deshalb eher unrealistisch, in so einem wichtigen Konflikt als von der NATO gesandtes Gerät zum Einsatz zu kommen.74 Jedenfalls lassen sich die Informationen nicht verifizieren. Ähnlich ist es bei Dokumenten, die das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte. Hier wurden die entsprechenden Scans inklusive Namen und Unterschriften publik gemacht und es ist gut möglich, dass der darin enthaltene Text tatsächlich eine militärische Anweisung der ukrainischen Streitkräfte war. Für uns geht daraus allerdings kein gesicherter Angriffsplan auf den Donbass oder gar die Krim hervor, es werden lediglich Truppen-Verschiebungen einer Brigade mit ziemlich überschaubarem militärischen Gerät beschrieben.75
5. Diskussion exemplarischer Gegenargumente
Nachdem nun diverse Indizien genannt wurden, die sich argumentativ für eine bestehende Bedrohungslage Russlands und der Volksrepubliken durch die Ukraine ins Feld führen lassen, sollen an dieser Stelle beispielhaft einige der gängigsten Gegenargumente von bürgerlicher und kommunistischer Seite dargestellt werden, um diese auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen.
5.1 Gegenargumente von bürgerlicher Seite
Laut den hiesigen bürgerlichen Medien und der staatlichen Darstellung in NATO-Staaten habe es keine Bedrohung Russlands gegeben, weder durch die Ukraine noch die NATO, im Gegenteil bedrohe Russland die Ukraine spätestens seit 2014. Die Aufrüstung und Einbindung der Ukraine in NATO-Strukturen werden als defensive Maßnahme zum Schutz der Ukraine präsentiert. Die Darstellung lebt davon, die Vorgeschichte, den Kontext und nicht ins Narrativ passende Fakten auszusparen, Ursache und Wirkung zu verdrehen. Oftmals müssen Behauptungen aufgrund des Propaganda-„Dauerfeuers“ auch gar nicht mehr belegt werden, um für westliches Publikum glaubhaft zu sein, der Verweis auf die vermeintliche „Bösartigkeit“ Putins, sein „imperiales Autokratentum“ reicht dafür mitunter aus.
Es gibt jedoch auch einige ernstzunehmende Gegenargumente aus bürgerlichen Kreisen. Zu den bekannteren gehören in Deutschland vermutlich die vom sogenannten Osteuropaexperten Prof. Dr. Klaus Gestwa in seinem Video Thesencheck: Diese 8 Behauptungen über den Krieg in der Ukraine sind falsch mit (Stand: 26. Juli 2023) über 800.000 Aufrufen auf YouTube vorgetragenen.76 Dieses Video wurde auch von der Bundeszentrale für politische Bildung eingebunden. Die erste These des Videos, die angeblich falsch sei, lautet: „Die NATO hat Russland bedroht – Putin musste sich verteidigen.“ In seiner Argumentation weist Gestwa darauf hin, dass es einen Aufruf der Allrussischen Offiziersversammlung an den Präsidenten und die Bürger der Russischen Föderation gab. Diese Offiziere hätten am 24. Februar 2022 verkündet, dass die „Gefahr aus dem Ausland herbeifantasiert worden ist, um die kriegerische Provokation eines Angriffs auf [die Ukraine] zu kaschieren.“77 Gestwa bezieht sich allem Anschein nach auf eine Rede, die am 28. Januar gehalten und am 31. Januar 2022 auf der Webseite der Allrussischen Offiziersversammlung, der Interessenvertretung von Offizieren der Reserve und im Ruhestand, als Aufruf veröffentlicht wurde, schon das Datum scheint also nicht zu stimmen. Zusätzlich hat Gestwa den Inhalt stark verzerrt, im Aufruf werden „äußere Bedrohungen“ Russlands als „durchaus vorhanden“ konstatiert, wenngleich diese als nicht-existenziell und die strategische Situation als „im Großen und Ganzen“ stabil eingestuft werden, diese also nicht unmittelbar einen Krieg erforderlich machen würden. Gehalten wurde die Rede von Generaloberst Leonid Iwaschow, einem russischen Militärstrategen, der als nationalistisch gilt und Mitglied des Isborsk-Klubs ist, einer Vereinigung, der eine anti-westliche Ausrichtung nachgesagt wird.78 Die Rede hatte tatsächlich für Schlagzeilen gesorgt, da dort die russische Führung und ein Krieg gegen die Ukraine abgelehnt werden und der Präsident zum Rücktritt aufgefordert wird. In der Rede sagte Iwaschow:
„Die Anwendung militärischer Gewalt gegen die Ukraine würde erstens die Existenz Russlands selbst als Staat in Frage stellen und zweitens Russen und Ukrainer für immer zu Todfeinden machen. Drittens werden auf der einen wie auf der anderen Seite Tausende (Zehntausende) junger, gesunder Menschen getötet, was sich mit Sicherheit auf die künftige demographische Situation in unseren aussterbenden Ländern auswirken wird. Wenn dies geschieht, werden die russischen Truppen auf dem Schlachtfeld nicht nur ukrainischen Soldaten gegenüberstehen, unter denen sich viele russische Nachkommen befinden, sondern auch Soldaten und Ausrüstung vieler NATO-Länder, und die Mitgliedsstaaten der Allianz werden gezwungen sein, Russland den Krieg zu erklären. Der türkische Staatspräsident Erdogan hat deutlich gemacht, auf welcher Seite die Türkei kämpfen wird. Und wir können davon ausgehen, dass die beiden türkischen Feldarmeen und die Flotte den Befehl erhalten werden, die Krim und Sewastopol zu „befreien“ und möglicherweise in den Kaukasus einzumarschieren. Darüber hinaus würde Russland eindeutig als Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit eingestuft, mit schwersten Sanktionen belegt, aus der internationalen Gemeinschaft ausgestoßen und wahrscheinlich seines Status als unabhängiger Staat beraubt werden.“79
Die Abwägung Iwaschows liest sich im Text schon deutlich anders als Gestwa es formuliert, er warnt vor allem vor potenziellen Folgen. Weiter geht es mit wenig greifbaren Behauptungen, die Ursache und Wirkung vertauschen oder einfach in den Raum gestellt und nicht ausgeführt werden: Die baltischen und osteuropäischen Staaten hätten gute Gründe gehabt, der NATO beizutreten. Sie hätten von sich aus einen NATO-Beitritt eingefordert, da aus Russland neoimperiale Stimmen zu vernehmen gewesen seien, welche Ängste in den osteuropäischen Staaten ausgelöst hätten. Diese Schlagrichtung findet sich häufig: Russland bedrohe die baltischen Staaten, habe in Kaliningrad Raketen stationiert und auf der Krim bereits seinen Expansionismus bewiesen. Der Grund für den Ausbau der NATO-Präsenz in Osteuropa sei ohnehin der Schutz der baltischen Staaten vor Angriffen und Annexionen der russischen Seite. Russland bedrohe eigentlich viel eher den Westen als umgekehrt. NATO-Raketen in den baltischen Staaten seien außerdem näher an Moskau als potenziell in der Ukraine stationierte Raketen.80 Wie oben bereits gezeigt, geht es in Bezug auf die strategische Wichtigkeit der Ukraine aber für die russische Sicherheit nicht nur um Flugdistanz.
Dann kommt Gestwa auf die NATO-Russland-Grundakte81 zu sprechen, in der die NATO sich darauf verpflichtet hätte, keine Militärstützpunkte östlich der Elbe zu unterhalten und auch nicht mehr als 5000 NATO-Soldaten in den beigetretenen NATO-Staaten zu stationieren. Nach 2014 seien niemals mehr als 8000 NATO-Soldaten in den umgrenzenden NATO-Staaten stationiert worden. Daher sei Russland nicht militärisch bedroht und umzingelt. Dass die NATO in regelmäßigen Abständen trainiert, möglichst schnell mit beachtlichen Kampfverbänden an ihren Ostgrenzen einsatzbereit zu sein, ja sogar Verladeübungen über den Atlantik vornimmt und durch Rotation die Regelung zur Stationierung permanenter Truppen unterläuft, lässt er genauso unerwähnt wie die in dieser Arbeit unter Kapitel 4 vorgenommenen Schilderungen. Selbst auf der Website des deutschen Verteidigungsministeriums ist über die Umgehung der Regelungen bei der Strategie der NATO an der Ostflanke zu lesen: „Die multinationalen Truppen rotieren im halbjährlichen Rhythmus, da die NATO-Russland-Grundakte keine dauerhafte Stationierung alliierter Truppen in Osteuropa erlaubt.“82
Gestwa fährt fort, Deutschland und Frankreich hätten auf dem NATO-Gipfel 2008 ein Veto gegen den NATO-Beitritt der Ukraine eingelegt. Faktisch sei der Beitritt der Ukraine und Georgien von der Agenda verschwunden gewesen, dies hätten Scholz und Macron Putin auch in Telefongesprächen gesagt.83 Auch hier ist spannender, was nicht gesagt wird: Wieso haben die NATO-Staaten einen Beitritt denn nicht vertraglich ausgeschlossen, wie Russland es mehrfach in Verhandlungen gefordert hatte, wenn das Thema ad acta gelegt worden war? Dass Vertretern von NATO-Staaten bei mündlichen Zusagen nicht zu trauen ist, hatte sich spätestens seit der Osterweiterung des Angriffsbündnisses gezeigt. Die weitere Annäherung zwischen NATO und Ukraine nach 2008 und der Aufbau der Interoperabilität der ukrainischen Armee mit NATO-Strukturen wurde oben bereits besprochen. Dass selbst ohne formalen Bündnisbeitritt eine äußerst weitreichende Bindung an die NATO ein realistisches Szenario ist, zeigen die Beispiele Finnland und Schweden: Der regierungsnahe Think-Tank Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sprach im Frühjahr 2022 davon, der NATO-Beitritt der beiden Länder sei „fast nur eine Formalisierungs-sache“, denn „[d]e facto haben Finnland und Schweden ihre Verteidigungspolitik bereits so weitgehend an die Nato angepasst, dass der Status der beiden Länder nicht mehr einer Neutralität im engeren Sinne entspricht.“84
5.2 Ein Angriff widerspräche dem strategischen Konzept der NATO
Ein häufig vorgebrachter Einwand in der kommunistischen Bewegung ist, die Möglichkeit eines ukrainischen oder NATO-Angriffs als unrealistisch zu charakterisieren, meist eher auf der Ebene der Behauptung und wenig argumentativ unterfüttert. An dieser Stelle exemplarisch aus der Auseinandersetzung in der Kommunistischen Organisation (KO) kurz nach Beginn der Militärintervention: Nachdem Thanasis Spanidis in seinem TextDas zwischenimperialistische Kräftemessen und der Angriff Russlands auf die Ukraine ausführt, dass die NATO Russland bedroht, bringt er folgende Einschätzung ein:
„[F]ür einen tatsächlich geplanten Angriff der ukrainischen Armee fehlten jedoch alle Anzeichen und dem ukrainischen Militär auch die Fähigkeiten. Zudem kann es als sehr unwahrscheinlich betrachtet werden, dass die NATO sich an einem solchen Krieg gegen Russland beteiligt hätte. Dies hat im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens liegt ein offener Krieg mit Russland, der auch zu einem den Fortbestand der Menschheit bedrohenden Nuklearkrieg eskalieren könnte, nicht im Interesse der herrschenden Kreise der NATO.“ 85
Man fragt sich, wieso die NATO-Staaten, aber auch Russland und China derartig viele Ressourcen in die Berechnung, Planung und Übung solcher Ereignisse inklusive der entsprechenden Aufrüstung investieren würden, wenn auf der Hand läge, dass diese nicht im Interesse der herrschenden Kreise der NATO wären und deshalb ohnehin nicht stattfinden würden. In Militärkreisen wird selbstverständlich darüber debattiert, ob ein konventioneller, aber sogar auch ein nuklearer Krieg gegen Russland gewonnen werden kann, was durchaus auch bejaht wird.86 Die Staatenwelt scheint sich im Gegensatz zu Spanidis mindestens einig darin zu sein, die Möglichkeit einer solchen Eskalation sehr ernsthaft in Erwägung zu ziehen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Weiter:
„Zweitens haben die USA bereits seit mehr als einem Jahrzehnt begonnen, den Schwerpunkt ihrer militärischen Aktivitäten in den pazifischen Raum zu verlegen, um sich auf die Konfrontation mit China vorzubereiten. Ein ´heißer´ Krieg mit Russland, selbst wenn er auf der konventionellen (d.h. nicht-atomaren) Ebene bliebe, würde diese Strategie ernsthaft unterminieren.“87
Obwohl die These erst einmal grundsätzlich plausibel ist und sicherlich auch einige in der US-Administration das so sehen werden, folgt deshalb nicht, dass ihr Gegenteil automatisch sehr unwahrscheinlich wird. Der von der Obama-Administration ausgerufene „Pivot to Asia“ meint zwar genau das, was Spanidis im ersten Satz des Zitats beschreibt. Ohne hier zu stark vertiefen zu wollen, da dies in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Vertiefungsgruppe fällt, gibt es in den USA (und nicht nur dort) aber divergierende Einschätzungen dazu, ob man Russland für eine effektivere Bekämpfung Chinas aus der Schusslinie nehmen sollte oder nicht, oder aber sogar durch eine nachhaltige Schwächung Russlands auch China schwächt und deshalb im Machtkampf gegen China derzeit den Fokus auf Russland nicht verlieren dürfe.88 Die aktuelle Linie der US-Regierung, den Krieg gezielt am Laufen zu halten und so viel Munition und Waffen in die Ukraine zu pumpen, dass Experten ernsthafte Zweifel anmelden, im Falle eines Falles Taiwan diesbezüglich adäquat beliefern zu können89, spricht jedenfalls eher für die gegenläufige These, nämlich dass man sich ausrechnet, durch ein geschwächtes Russland bessere Chancen im Kampf um die Weltmacht zu haben und potenzielle Unzulänglichkeiten in der Konfrontation mit China dafür in Kauf nimmt.
5.3 Rationalität der beteiligten Akteure
Spanidis und Vermelho gehen in ihrem Diskussionsbeitrag Gründe und Folgen des Ukraine-Kriegs auf das ukrainische Dekret zur Wiedereingliederung der Krim ein. Ihrer Auffassung nach könne dieses nicht als Zeichen für eine tatsächliche Vorbereitung eines Angriffs auf die Krim gesehen werden:
„Die Aufzählung unspezifizierter militärischer Maßnahmen als ein Unterpunkt neben anderen, u.a. auch diplomatischen, spricht nicht gerade dafür, dass es hier um die konkrete Planung eines offenen Krieges ging. Einen solchen Krieg zu beginnen, wäre für die Ukraine auch ohne Zweifel selbstmörderisch gewesen, denn zumindest auf der Krim wäre dieser Krieg ja unmittelbar ein Krieg zwischen der Ukraine und Russland geworden. Das militärische Kräfteverhältnis zwischen der Ukraine und Russland war (insbesondere vor dem Beginn der massiven Waffenlieferungen seit dem 24. Februar) hoffnungslos für die Ukraine, wenn es um einen ukrainischen Offensivkrieg gehen soll.“90
Von Spanidis heißt es zudem an anderer Stelle, „auf ukrainischer Seite ist letztendlich davon auszugehen, dass die herrschenden Akteure rationalen Interessen folgen und keinen selbst-mörderischen Angriffskrieg gegen Russland begonnen hätten.“91
Auch wenn es unseres Erachtens aufgrund des damals deutlicher divergierenden militärischen Kräfteverhältnisses plausibel ist, dass kein unmittelbarer Angriff auf die Krim bevorstand, was aber natürlich eine mittel- bis langfristige Eskalation nicht ausschließt, so sieht das für die ostukrainischen Gebiete, die ebenfalls Teil des Dekrets sind und gegen die Kiew bereits seit 2014 Krieg führt, gänzlich anders aus. Die Einschätzung der vermeintlich „hoffnungslosen“ Unterlegenheit der Ukraine gegenüber der russischen Armee ignoriert, dass die ukrainische Armee bereits zu diesem Zeitpunkt vom Westen ausgebildet, militärisch aufgebaut, aufgerüstet und zudem mit Aufklärungsdaten versorgt wurde. Ein Angriff auf die Krim wäre vermutlich nur mit massiver Unterstützung der NATO erfolgversprechend gewesen und dürfte also maßgeblich davon abgehangen haben, dass er dem Vorgehen der NATO und insbesondere der USA zum jeweiligen Zeitpunkt entspricht. Dann stünde die Ukraine jedoch auch nicht alleine und das Kräfteverhältnis wäre keinesfalls hoffnungslos unterlegen.
Sicherlich richtig ist, dass Akteuren generell rationale Interessen unterstellt werden sollten. Nicht vergessen sollte man aber dabei, dass Kriege immer ein Wagnis mit verschiedenen Unwägbarkeiten sind und sich Akteure durchaus auch verschätzen. Der Krieg des faschistischen Deutschlands an mehreren Fronten gleichzeitig war beispielsweise nur durch ziemlich glückliche Umstände, etwa in Frankreich, vorerst so erfolgreich, war also ein enorm hohes Risiko, trotzdem wurde er geführt. Dass die ukrainische Regierung durchaus bereit ist, bei Bedarf hunderttausende ihrer Soldaten in den Tod zu schicken, um Russland zu schaden, also in einem gewissen Sinne „selbstmörderisch“ zu handeln, beweist sie gerade sehr eindrucksvoll. Anstatt den in Istanbul im Frühjahr 2022 bereits ausgehandelten Friedensvertrag zu unterzeichnen, entschied sich die ukrainische Führung im Einklang mit dem Interesse ihrer westlichen Herren für die nachhaltige Verminung, Verseuchung und Entvölkerung ihres Landes und hält an diesem Kurs auch konsequent weiter fest. Dieses Szenario ist einem Angriff auf die Krim in der Konsequenz nicht unähnlich.
5.4 Nicht bereits stattgefundener NATO-Angriff
Tom Hensgen argumentiert in einem Diskussionsbeitrag, dass die NATO gerade nicht in Russland einfalle, obwohl die Gelegenheit günstig sei, zeige, dass die NATO das eigentlich nicht – oder jedenfalls nicht in absehbarer Zeit – plante:
„Insbesondere seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hätte die NATO doch eine gute Gelegenheit, um in Russland einzumarschieren. […] Aber die NATO marschiert gerade nicht in Russland ein. Der Krieg findet nicht auf russischen Boden statt, er führt nicht zur Zerstückelung und Unterwerfung Russlands.“92
Auch Spanidis und Vermelho bemühen dieses Argument in leicht abgewandelter Form in ihrem Diskussionsbeitrag Gründe und Folgen des Ukraine-Kriegs.93Dass die NATO bzw. einzelne NATO-Staaten im Zuge der Eskalation Russland direkt angegriffen hätten, wenn sie das vor dem 24. Februar 2022 bereits vorgehabt hätten, überzeugt logisch nicht. Die nachhaltige Schwächung in Form des derzeitigen Abnutzungskrieges ist für die USA von verschiedenen Seiten betrachtet optimal: Ohne Entsendung eigener Soldaten und mit Aufwand, der meist im finanziellen Bereich liegt oder aus der Entsendung von zu nicht unwesentlichen Teilen überaltertem Gerät besteht, lässt sich das russische Militär merklich dezimieren – tote Soldaten und ein hoher Aufwand an militärischem Gerät, v.a. Artillerie, sind für Russland die Folge. Wenn NATO-Staaten tatsächlich direkt militärisch zu intervenieren suchten, würden sie das wohl am Ende der Phase dieses langen Abnutzungskrieges tun. Die Aufreibung des russischen Militärs möglichst lange währen zu lassen – inklusive der gesellschaftlichen Kriegsmüdigkeit, die sich in allen Kriegen nach einiger Zeit einstellt und so das effektive Vorankommen der russischen Seite weiter behindern dürfte oder sogar einen Umsturz in Russland ermöglichen könnte – und so erstmal mit der auch „boil the frog“ genannten Strategie der schrittweisen Eskalation immer weitreichenderer Waffenlieferungen94 massiven Schaden auszurichten, ist bei einem späteren Angriff ebenfalls sinnvoll. Mindestens aber ist offensichtlich, dass die Option eines späteren Eingreifens keineswegs dadurch ausgeschlossen werden kann, dass NATO-Staaten bis jetzt nicht offen intervenierten. Bemerkenswert ist dafür etwa das Fallbeispiel Jugoslawien, welches fast ein Jahrzehnt von den NATO-Staaten ohne Kriegserklärung angegriffen und zersetzt wurde – unter Zuhilfenahme separatistischer und schwerstkrimineller, mafiöser Elemente wie der UÇK – bis man mit der Bombardierung Belgrads und der Androhung der Entsendung von Bodentruppen erst 1999 offen eingriff und die Zerschlagung komplettierte. Nebenbei bemerkt: Dass der Krieg mittlerweile sehr wohl auch auf russischem Territorium stattfindet, ob durch Drohnenangriffe bis nach Moskau, Invasionen kleiner Trupps in angrenzende Regionen und Artillerie-Beschuss selbiger oder durch Terroranschläge, lässt sich derzeit beobachten. Diese werden mit westlichen Aufklärungsdaten, unter westlicher Anleitung und mitunter auch westlichen Waffen durchgeführt, die NATO führt de facto Krieg auf russischem Staatsgebiet, nur bisher nicht mit eigenen Soldaten. Ob sie noch vollständig eingreifen wird, bleibt offen.
5.5 Atomwaffen als den Krieg verhindernde Waffe
In vielen Beiträgen wird darauf verwiesen, dass Russland als Atommacht eigentlich keinen Angriff zu befürchten habe, dass der Atomwaffenstatus Russland quasi unangreifbar mache. Deshalb sei eine ernsthafte, existenzielle Bedrohung Russlands nicht anzunehmen. So proklamieren Spanidis und Vermelho, dass ein Krieg der NATO gegen Russland unrealistisch und unlogisch sei. Dies wird mit verschiedenen Angaben über die Atomwaffenpotentiale der Länder unterlegt. Daraus wird geschlussfolgert, dass ein Krieg der NATO gegen Russland „reiner Wahnsinn und sicherlich nicht im Interesse des westlichen Imperialismus“ wäre. „Auch ein solcher (konventioneller) Krieg wäre aus Sicht der NATO in höchstem Maße irrational und selbstmörderisch.“95
Ob Atomwaffen zuverlässig vor einem militärischen Angriff schützen, ist zweifelhaft, denn wie bereits erwähnt wird auch unter Militärs darüber gestritten, ob ein Atomkrieg nicht sogar gewinnbar sei.96 Allerdings ist durchaus ebenso vorstellbar, dass ein konventioneller, nicht-atomarer oder zumindest nur mit kleineren, taktischen Atomwaffen geführter Krieg zwischen Atommächten geführt wird, der nicht in der gegenseitigen totalen Zerstörung ausartet. Dies vermutlich, solange die unterlegene Macht (hier: Russland) nicht existenziell bedroht ist, sondern „nur“ soweit geschwächt ist, dass sie kein ernsthafter Gegner mehr auf der Weltbühne ist. Erst an dem Punkt, an dem das Überleben des russischen Staates selbst auf dem Spiel steht, dürfte die Schwelle für den vollen Einsatz des Atomwaffenarsenals liegen. Dies deshalb, weil ein solcher Nuklearschlag die Ultima Ratio ist – ob Russland diese Option beispielsweise bei einem konventionellen Angriff, der beispielsweise westliche Regionen aus Russland herausbricht und das Land entscheidend und nachhaltig schwächt, aber nicht zerstört, wirklich wählen und damit die vollständige eigene Zerstörung riskieren würde, muss zumindest bezweifelt werden. Die Abwägungen dazu, wie weit man gehen kann, bevor man die eigene nukleare Zerstörung riskiert, entfalten auch auf der Seite des Verteidigers Dynamik. Faktisch wird derzeit bereits ein Krieg der NATO gegen die Atommacht Russland durch die Ukraine geführt, ohne dass es auch „nur“ zu einem Einsatz taktischer Atomwaffen kommt.
Dies ist aber nur die militärische Ebene. Dass militärische Stärke und Atomwaffen jedoch insgesamt nicht davor schützen, von den Imperialisten niedergeworfen und zerstückelt zu werden, also in der staatlichen Existenz bedroht zu sein, dürften wir bereits am Beispiel der Konterrevolution in der Sowjetunion gesehen haben. Auch die äußerst instabile Lage der Regierungen etwa in Pakistan, ebenfalls eine Atommacht, inklusive von den USA unterstützter Putsche, deuten darauf hin, dass diese alleine keineswegs vor Übernahme durch feindliche Kräfte schützen.
Russland hat diverse Achillesfersen, an denen hybrid und gleichzeitig praktisch angegriffen wird, ähnlich wie zu Zeiten der Sowjetunion. Einmal natürlich wird die russische Wirtschaft seit Jahren mit Sanktionen und anderen Mitteln geschwächt, Russland zu einem Wettrüsten mit der es umzingelnden NATO gezwungen, was zusätzliche ökonomische Belastungen mit sich bringt. Der liberale Kultur-Imperialismus (z.B. per Social Media, Netflix, Hollywood, Musikindustrie oder der klassischen Presse) schürt nicht nur in der westlichen Welt die Feindbilder Russland, China, Iran etc., sondern auch in Russland selbst hat er sich in Teilen der Jugend verankert und schafft es so, einem nicht unwesentlichen Teil der Bevölkerung die NATO-Staaten als Vorbilder und Vorreiter in Sachen „Freiheit“, „Demokratie“ und „Menschenrechten“ anzupreisen und so Russland zu destabilisieren. Zu nennen seien hier außerdem NGOs, die im Wesentlichen unter US-Kontrolle stehen (bzw. von Geldern von Milliardären abhängig sind, deren Interessen in vielen Fällen mit den außenpolitischen Zielen der USA zusammenfallen) und indirekte oder direkte Hilfen für die russische „Opposition“ um Nawalny & Co. Die islamistische und separatistische Bedrohung im Nordkaukasus, die noch heute für Instabilität in russischen Grenzregionen sorgt, darf ebenfalls nicht vergessen werden: Dort kommt es immer noch regelmäßig zu Anschlägen, in Tschetschenien ist der Konflikt bekanntlich sogar gleich doppelt zu einem vollständigen Krieg ausgeartet. Das Schüren ethnischer und religiöser Konflikte ist ein beliebtes und probates Mittel der Imperialisten, das sie heutzutage auch progressiv zu verkaufen wissen, etwa mit dem Schlagwort der „Entkolonisierung“ Russlands97. All dies hat ein enormes Zersetzungspotential, das bei der Frage unserer Vertiefungsgruppe zwar nicht der Fokus ist, bei den Einschätzungen vermeintlicher russischer Stabilität aber bedacht werden sollte. Der Angriff ist nicht nur militärischer Natur, sondern ein Blumenstrauß sich gegenseitig verstärkender Elemente.
6. Schluss
In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass die USA im Verbund mit den restlichen NATO-Staaten durch ihren Verbündeten Ukraine Russland auf verschiedene Arten bedroht haben. Die ideologische und militärische Aufrüstung der Ukraine, deren Vertreter die Wiedererlangung von Atomwaffen androhten, und ihre Interoperabilität mit NATO-Strukturen bis hin zu einem in Aussicht gestellten NATO-Beitritt, reiht sich in die bisherige Einkreisung und Umzingelung Russlands ein, die von Aufkündigungen von Rüstungskontrollverträgen, Stationierung von Raketensystemen in der Nähe Russlands und ökonomischer Kriegführung gerahmt wird. Dies setzt sich mit den mannigfaltigen weiteren Destabilisierungs-Anstrengungen des Westens zu einer hybriden Bedrohungslage zusammen, die nicht durch den Atommacht-Status Russlands oder seiner relativ schlagkräftigen Armee abgegolten ist. Die Ukraine in der fortschreitenden NATO-Expansion gen Osten als sicherheitspolitische rote Linie für Russland zu bezeichnen, erscheint uns schlüssig. Wir schätzen ein, dass Russland durch die geballten und sich fortsetzenden Anstrengungen der NATO-Staaten auf Dauer maßgeblich existenziell bedroht war.
Ob ein großangelegter Angriff der Ukraine auf die Volksrepubliken Donezk und Luhansk bevorstand, lässt sich nicht leicht beantworten. Es ist allgemein nahezu unmöglich, definitive Aussagen über anstehende militärische Angriffe zu treffen, die nicht bereits eingeleitet wurden. Denn neben dem Informationsmangel, der daraus resultiert, nur auf öffentliche Informationen zurückgreifen zu können, geheime Pläne also nicht einsehen zu können, findet in den Entscheidungszentren kapitalistischer Staaten sicherlich zu jeder Zeit ein Ringen um das richtige Vorgehen statt, weiß man also im betreffenden Apparat vermutlich oftmals selber erst kurz vor Beginn einer kriegerischen Eskalation sicher, dass es auch wirklich zu dieser kommt. Die finale Entscheidung hängt zudem von Entwicklungen ab, die nicht im Einflussbereich der Staaten selbst liegen. Aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Westen kann dies in noch stärkerem Maße für die Ukraine angenommen werden. Aus den genannten Gründen ist es äußerst schwer, handfeste Beweise zu finden. Es ist also geboten, sich die verschiedenen Indizien anzuschauen und davon abgeleitet eine Einschätzung zu treffen, diese aber auch klar so zu kennzeichnen.
Klar ist, dass der Krieg gegen die Ostukraine bereits knapp acht Jahre vor dem Beginn der Militärintervention Russlands begann und nicht ersichtlich war, dass er von ukrainischer Seite ohne die Rückeroberung aller Gebiete gestoppt worden wäre. Es lassen sich im Gegenteil diverse Indizien für eine deutliche Eskalation Anfang 2022 feststellen. Darunter zählen neben der Zunahme des Beschusses auch die verstärkten Waffenlieferungen durch die NATO und die Massierung ukrainischer Truppen an der Kontaktlinie. Unseres Erachtens spricht vieles dafür, dass sich der Kriegszustand vor Ort früher oder später zu einem massiven Angriff der Ukraine ausgeweitet hätte, die zahlenmäßige Überlegenheit dafür bestand jedenfalls. In der Konsequenz hätte das bedeutet, eine mit NATO-Strukturen eng kooperierende, von ihr ausgebildete und hochgerüstete Armee auf die Volksrepubliken im Osten der Ukraine loszulassen, was diese vermutlich auf Dauer alleine nicht überlebt hätten. Beweise für einen großen Angriff, etwa konkrete Angriffspläne, haben wir allerdings nicht gefunden.
Das Szenario eines Angriffes auf die Krim ist ungleich schwerer einzuschätzen, da hier anders als in den Volksrepubliken kein aktiver Krieg stattfand und es eine größere Hemmschwelle darstellen dürfte, von Russland als Staatsgebiet betrachtetes Territorium anzugreifen. Die Ukraine reklamiert die Krim weiterhin als Teil ihres Staatsgebiets, de facto ist die Halbinsel aber seit 2014 Teil der Russischen Föderation. Die Ukraine wollte jedoch laut Entscheidungen auf höchsten Ebenen des Staates eine Rückeroberung der Krim auch mit militärischen Mitteln erreichen, hatte dafür gesetzliche Vorkehrungen getroffen und Maßnahmen dafür spätestens ab Anfang 2021 erarbeitet. Dieses Dekret zur Wiedereingliederung der Krim lässt sich als indirekte Kriegserklärung an Russland verstehen. Russland konnte spätestens seit März 2021 dauerhaft und begründet damit rechnen, dass die Krim von der Ukraine früher oder später auch militärisch angegriffen würde. Der Angriff scheint jedoch Anfang 2022 nicht unmittelbar bevorgestanden zu haben. Nach unserer Einschätzung dürfte die Ukraine dazu Anfang 2022, jedenfalls alleine, noch nicht militärisch in der Lage gewesen sein.
Unser Fazit ist aber, dass solche detaillierten Pläne auch nicht der Fokus unserer Untersuchung sein sollten, da es nicht zentral um die Frage geht, wann oder wie ein Angriff geplant ist. Die Bedrohungslage muss viel eher am perspektivischen Gesamt-Kontext gemessen werden, Kriegsbeginn und Angriffspläne sind variabel. Das zentrale Ziel der Imperialisten bei der Niederwerfung anderer Länder ist es, mittel- bis langfristig eine Überlegenheit zu haben, die es erlaubt, die Eskalationsspirale nach Belieben hochschrauben zu können und, sollte es nötig werden, auch bei einer kriegerischen Auseinandersetzung zu siegen. In diesem Zusammenhang muss auch die Transformation der Ukraine zu einem hochgerüsteten Anti-Russland verstanden werden, als ein zentraler Baustein bei der Herstellung dieser Dominanz gegenüber Russland.
Summiert lässt sich schlussfolgern: Eine weitere Eskalation des Krieges im Osten der Ukraine wäre auch ohne den Beginn der russischen Militärintervention wahrscheinlich gewesen. Ein potenzieller Angriff auf die Krim bzw. russisches „Kernland” dürfte maßgeblich davon abgehangen haben, welches Vorgehen die NATO und insbesondere die USA zum jeweiligen Zeitpunkt erlaubt und selber verfolgt hätten. Dass die Aufrüstung, Faschisierung und zunehmende Verflechtung mit NATO-Strukturen der Ukraine aber ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko für Russland dargestellt haben und weiterhin darstellen, lässt sich nicht abstreiten.
Aufgabe einer weiterführenden Arbeit wäre eine tiefergehende Recherche insbesondere in der russischsprachigen Literatur und die Suche nach weiteren Quellen für die Frage der Arbeit. Quellen und Literatur aus anderen Ländern sind aufgrund von Sprache und Zeitproblemen in unserer Arbeit vernachlässigt worden. Wichtig wäre auch eine genauere Betrachtung der ukrainischen und internationalen Diskussionen zu einem potenziellen Angriff auf die Volksrepubliken und die Krim.
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
22nd IMCWP, RESOLUTION on the imperialist war on the territory of Ukraine, in: SolidNet.org, 11.07.2022, URL: http://www.solidnet.org/article/22nd-IMCWP-RESOLUTION-on-the-imperialist-war-on-the-territory-of-Ukraine/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Abelow, Benjamin: Wie der Westen den Krieg in die Ukraine brachte. Die Rolle der USA und der NATO im Ukraine-Konflikt, Great Barrington 2022.
Alshayeva, Irina: Die Ukraine zieht Truppen im Donbass zusammen. Wozu sie fähig sind (Originaltitel: Украина собирает войска в Донбассе. На что они способны), in: Gazeta, URL: https://www.gazeta.ru/army/2021/12/01/14267797.shtml (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Antonov, Anatoly: An Existential Threat to Europe´s Security Architecture?, in: FOREIGN POLICY, 30.12.2021, URL: https://foreignpolicy.com/2021/12/30/russia-ukraine-nato-threat-security/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Ålander, Minna / Paul, Michael: Moskau bedroht die Balance im hohen Norden, in: Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), 04.03.2022, URL: https://www.swp-berlin.org/10.18449/2022A19/ (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Bauer, Andreas: Hyperschallwaffen in Mainz-Kastel? Der Kalte Krieg kehrt zurück nach Wiesbaden, in: hessenschau, 07.01.2022, URL: https://www.hessenschau.de/panorama/hyperschallwaffen-in-mainz-kastel-der-kalte-krieg-kehrt-zurueck-nach-wiesbaden,airbase-kastel-hyperwaffen-100.html (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Biden und Putin nähern sich nicht an, in: Deutsche Welle, 08.12.2021, URL: https://www.dw.com/de/biden-und-putin-n%C3%A4hern-sich-nicht-an/a-60052021 (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Bolton, John: A New American Grand Strategy to Counter Russia and China, in: The Wall Street Journal, 12.04.2023, URL: https://www.wsj.com/articles/a-new-american-grand-strategy-to-counter-russia-and-china-asian-nato-aukus-collective-defense-taiwan-da555cf (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Chávez, Steff et al.: How arming Ukraine is stretching the US defence industry, in: Financial Times, 31.01.2023, URL: https://ig.ft.com/us-defence-industry/ (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Chupryna, Oleg: The Truth behind the Myth of Russia ‘Threatened’ by NATO, in: Balkan Insight, 22.06.2022, URL: https://balkaninsight.com/2022/06/22/the-truth-behind-the-myth-of-russia-threatened-by-nato/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Cole, Michael: Security expert: China does not want to see Russia weakened due to this war, 28.04.2023, URL: https://news.err.ee/1608962683/security-expert-china-does-not-want-to-see-russia-weakened-due-to-this-war (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Das Iwaschow Dokument: Appell zum Widerstand gegen Putins Kriegspläne in der Ukraine, in: De Gruyter, 13.05.2022, URL: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/sirius-2022-2010/html?lang=de (letzter Zugriff: 11.07.2023).
DEKRET DES PRÄSIDENTEN DER UKRAINE NR. 117/2021 (Originaltitel: УКАЗ ПРЕЗИДЕНТА УКРАЇНИ №117/2021), in: Offizielle Website des Präsidenten der Ukraine, URL: https://www.president.gov.ua/documents/1172021-37533 (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Deveraux, Brennan: ROCKET ARTILLERY CAN KEEP RUSSIA OUT OF THE BALTICS, in: War on the Rocks, 20.05.2021, URL: https://warontherocks.com/2021/05/rocket-artillery-can-keep-russia-out-of-the-baltics/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Die Büchse der Pandora (II), in: german foreign policy, 25.02.2022, URL: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8853 (letzter Zugriff: 09.03.2022).
Didier, Brice: The Ukraine crisis or the revival of the Grand Chessboard’s geopolitics: Euro-Atlantic response to Russia’s assault, in: open diplomacy, 24.07.2017, URL: https://www.open-diplomacy.eu/blog/the-ukraine-crisis-or-the-revival-of-the-grand-chessboard-s-geopolitics ; https://uploads.strikinglycdn.com/files/b4820243-18fa-46d3-90eb-00f26cf9eba3/OpenDiplomacy_Ukraine_BriceDidier.pdf (jeweils letzter Zugriff: 11.07.2023).
Doemens, Karl: Angst vor dem Wettrüsten, in: Frankfurter Rundschau, 01.02.2019, URL: https://www.fr.de/politik/setzen-inf-vertrag-angst-wettruesten-11651977.html (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Dokumentation: Das Minsker Abkommen vom 12. Februar 2015, in: Bundeszentrale für politische Bildung, 26.02.2015, URL: https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/201881/dokumentation-das-minsker-abkommen-vom-12-februar-2015/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Dokumentation: Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf der 58. Münchener Sicherheitskonferenz, 19.02.2022, München, in: Bundeszentrale für politische Bildung, 22.02.2022, URL: https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/nr-262/346833/dokumentation-rede-des-ukrainischen-praesidenten-wolodymyr-selenskyj-auf-der-58-muenchener-sicherheitskonferenz-19-02-2022-muenchen/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Donezk: Beweise für Angriffspläne der Ukraine auf Basis von NATO-Daten gefunden, in: Anti-Spiegel, 06.03.2022, URL: https://www.anti-spiegel.ru/2022/donezk-beweise-fuer-angriffsplaene-der-ukraine-auf-basis-von-nato-daten-gefunden/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Fact Sheet – U.S.-Ukraine Strategic Defense Framework, in: U.S. Department of Defense, 31.08.2021, URL: https://media.defense.gov/2021/Aug/31/2002844632/-1/-1/0/US-UKRAINE-STRATEGIC-DEFENSE-FRAMEWORK.PDF (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Gantenbein, Barbara: Mission EFP in Litauen: Fünf Jahre Sicherung der NATO-Ostflanke, in: Bundesministerium der Verteidigung, 07.02.2022, URL: https://www.bmvg.de/de/aktuelles/5-jahre-nato-mission-efp-in-litauen-unter-deutscher-fuehrung-5339810 (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Geheimes Chiffre-Telegramm Nr. 9. Vollständiger Text des Dokuments (Originaltitel: Секретная шифротелеграмма № 9. Полный текст документа), in: Ukraina.ru, 09.03.2022, URL: https://ukraina.ru/20220309/1033473916.html ; https://t.me/mod_russia_en/403 (jeweils letzter Zugriff: 19.07.2023).
Gehrcke, Wolfgang/ Reymann, Christiane (Hrsg.): Ein Willkommener Krieg? NATO, Russland und die Ukraine, Köln 2022.
Gestwa, Klaus: Thesencheck: Diese 8 Behauptungen über den Krieg in der Ukraine sind falsch, in: Bundeszentrale für politische Bildung, 23.02.2023, URL: https://www.bpb.de/mediathek/video/519912/thesencheck-diese-8-behauptungen-ueber-den-krieg-in-der-ukraine-sind-falsch/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Gipfelerklärung von Brüssel. Treffen des Nordatlantikrats auf Ebene der Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Brüssel, 14. Juni 2021, in: Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der NATO, 21.06.2021, URL: https://nato.diplo.de/blob/2467084/2ced1f1d1ea0edd979dabd815bcfca3e/20210614-gipfelerklaerung-data.pdf (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Grobe, Stefan / Gill, Joanna: Was steckt hinter dem russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze?, in: euronews, 29.11.2021, URL: https://de.euronews.com/my-europe/2021/11/29/was-steckt-hinter-dem-russischen-truppenaufmarsch-an-der-ukrainischen-grenze (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Grundakte über Gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen der Nordatlantikvertrags-Organisation und der Russischen Föderation, in: North Atlantic Treaty Organization (NATO), URL: https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_25468.htm?selectedLocale=de (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Henken, Lühr: Der Ukraine-Krieg – was vorher geschah, in: Hintergrund, 23.05.2022, URL: https://www.hintergrund.de/politik/welt/der-ukraine-krieg-was-vorher-geschah/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Henken, Lühr: Warum geht Russland das große Risiko eines Ukraine-Krieges ein?, in: Wolfgang Gehrcke / Christiane Reymann (Hrsg.): Ein Willkommener Krieg? NATO, Russland und die Ukraine, Köln 2022, S. 114-120.
Hensgen, Tom: Die „Lager“ in der KO beim Namen nennen!, in: Kommunistische Organisation, 01.04.2022, URL: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/die-lager-in-der-ko-beim-namen-nennen/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
International Institute for Strategic Studies (IISS) (Hrsg.): The Military Balance 2022, Abingdon 2022.
Kaptanoglu, Alan / Prager, Stewart: US defense to its workforce: Nuclear war can be won, in: Bulletin of the Atomic Scientists, 02.02.2022, URL: https://thebulletin.org/2022/02/us-defense-to-its-workforce-nuclear-war-can-be-won/ (letzter Zugriff: 11.07.2023)
Kissel, Philipp: Zur Kritik am „Joint Statement“ und zur NATO-Aggression gegen Russland, in: Kommunistische Organisation, 29.03.2022, URL: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/zur-kritik-am-joint-statement-und-zur-nato-aggression-gegen-russland/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Kronauer, Jörg: Der Aufmarsch – Vorgeschichte zum Krieg. Russland, China und der Westen, Köln 2022.
Kronauer, Jörg: Die ukrainische Sache, in: junge Welt, 21.06.2012, URL: https://www.jungewelt.de/artikel/184716.die-ukrainische-sache.html (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Landler, Mark / Cooper, Helene: U.S. Fortifying Europe’s East to Deter Putin, in: The New York Times, 01.02.2016, URL: https://www.nytimes.com/2016/02/02/world/europe/us-fortifying-europes-east-to-deter-putin.html (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Landwehr, Arthur: USA verlegen weitere Truppen nach Osteuropa, in: tagesschau, 02.02.2022, URL: https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/us-truppen-deutschland-ukraine-krise-103.html (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Lingling, Wei: In China, Worries About a Weakened Russia Prompt a Rethink, in: The Wall Street Journal, 20.02.2023, URL: https://www.wsj.com/articles/in-china-worries-about-a-weakened-russia-prompt-a-rethink-dd1a04e5 (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Lopez, C. Todd: Aegis Ashore in Poland on Target for 2022, in: U.S. Department of Defense, 19.11.2021, URL: https://www.defense.gov/News/News-Stories/Article/Article/2849023/aegis-ashore-in-poland-on-target-for-2022/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Maier, Michael: Harte Worte aus der Ukraine: „Verzicht auf Atomwaffen in Frage gestellt“, in: Berliner Zeitung, 21.02.2022, URL: https://www.berliner-zeitung.de/welt-nationen/harte-worte-aus-der-ukraine-verzicht-auf-atomwaffen-in-frage-gestellt-li.213103 (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Marshall, Tim: Die Macht der Geographie. Wie sich Weltpolitik anhand von 10 Karten erklären lässt, München 2015.
Martin, Tim / Mackenzie, Christina: From Washington, Berlin and Paris, a sudden influx of armor bound for Ukraine, in: Breaking Defense, 06.01.2023, URL: https://breakingdefense.com/2023/01/from-washington-berlin-and-paris-a-sudden-influx-of-armor-bound-for-ukraine/ (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Martyanowa, Sofia: Puschilin: Lage im Donbass am Rande des Krieges, in: SNA Nachrichten, 18.02.2022, URL: https://snanews.de/20220218/puschilin-lage-im-donbass-am-rande-des-krieges-5417789.html (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Mearsheimer, John: Why the West is principally responsible for the Ukrainian crisis, in: The Economist, 19.03.2022, URL: https://www.economist.com/by-invitation/2022/03/11/john-mearsheimer-on-why-the-west-is-principally-responsible-for-the-ukrainian-crisis (letzter Zugriff: 11.07.2023).
NATO recognises Ukraine as Enhanced Opportunities Partner, in: North Atlantic Treaty Organization (NATO), 12.06.2020, URL: https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_176327.htm (letzter Zugriff: 11.07.2023).
NATO und Ukraine: „Wir bleiben wachsam“, in: Berliner Zeitung, 06.04.2021, URL: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/ukraine-li.150872 (letzter Zugriff: 11.07.2023).
NATO-Gipfel 2021 – China und Russland sind die neuen Feinde, in: RT DE, 14.06.2021, URL: https://de.rt.com/international/119057-nato-gipfel-2021-china-und/ (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Nato verspricht Georgien und Ukraine Aufnahme in ferner Zukunft – Russland wütend, in: DER SPIEGEL, 03.04.2008, URL: https://www.spiegel.de/politik/ausland/gipfel-in-bukarest-nato-verspricht-georgien-und-ukraine-aufnahme-in-ferner-zukunft-russland-wuetend-a-545145.html (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Norton, Ben: US gov’t body plots to break up Russia in name of ‘decolonization’, in: Geopolical Economy, 23.06.2022, URL: https://geopoliticaleconomy.com/2022/06/23/us-government-decolonize-russia/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Nowotny, Ralf: Ein NATO-Laptop mit Geheimdienstinformationen gefunden? Eher nicht!, in: Mimikama, 10.03.2022, URL: https://www.mimikama.org/nato-laptop-ukraine/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine (SMM) Daily Report 10/2022 issued on 17 January 2022, in: Organization for Security and Co-operation in Europe (OSCE), 17.01.2022, URL: https://www.osce.org/special-monitoring-mission-to-ukraine/510155 ; https://www.osce.org/files/2022-01-16-17%20Daily%20Report_ENG.pdf?itok=32812 (jeweils letzter Zugriff: 11.07.2023).
OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine (SMM) Daily Report 40/2022 issued on 21 February 2022, in: Organization for Security and Co-operation in Europe (OSCE), 21.02.2022, URL: https://www.osce.org/special-monitoring-mission-to-ukraine/512683 ; https://www.osce.org/files/2022-02-20-21%20Daily%20Report_ENG.pdf?itok=82567 (jeweils letzter Zugriff: 11.07.2023).
Paris Declaration: The rising tide of global war and the tasks of anti-imperialists, in: The World Anti-imperialist Platform, 14.10.2022, URL: https://wap21.org/?p=566 (letzter Zugriff: 10.01.2024).
Puschilin: Die Ukraine hat im Donbass 120.000 Soldaten zusammengezogen, in: RT DE, 24.01.2022, URL: https://rtde.site/international/130417-puschilin-ukraine-hat-im-donbass-120000-soldaten-zusammengezogen/ (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Russland warnt britischen Zerstörer angeblich mit Bomben, in: Süddeutsche Zeitung, 23.06.2021, URL: https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-grossbritannien-kriegsschiff-1.5331022 (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Schölzel, Arnold: »Wer Kiew hat, kann Russland zwingen«, in: junge Welt, 12.05.2023, URL: https://www.jungewelt.de/artikel/450664.geopolitik-der-kaiserzeit-wer-kiew-hat-kann-russland-zwingen.html (letzter Zugriff: 26.07.2023).
Spanidis, Thanasis: Das zwischenimperialistische Kräftemessen und der Angriff Russlands auf die Ukraine, in: Kommunistische Organisation, 26.03.2022, URL: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/das-zwischenimperialistische-kraeftemessen-und-der-angriff-russlands-auf-die-ukraine/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Spanidis, Thanasis / Vermelho, Rudy: Gründe und Folgen des Ukraine-Kriegs, in: Kommunistische Organisation, 20.05.2022, URL: https://kommunistische-organisation.de/diskussion-imperialismus/gruende-und-folgen-des-ukraine-kriegs/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
The conflict in Ukraine’s Donbas region is escalating rapidly, in: The Economist, 22.02.2022, URL: https://www.economist.com/graphic-detail/2022/02/22/the-conflict-in-ukraines-donbas-region-is-escalating-rapidly (letzter Zugriff: 26.07.2023).
THE CRIMEAN PLATFORM WILL BECOME A FOREIGN POLICY INSTRUMENT OF THE DE-OCCUPATION STRATEGY, in: UA:Ukraine Analytica, 16.03.2021, URL: https://ukraine-analytica.org/the-crimean-platform-will-become-a-foreign-policy-instrument-of-the-de-occupation-strategy/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
U.S. Security Assistance to Ukraine, in: Congressional Research Service, 28. März 2022, URL: https://crsreports.congress.gov/product/pdf/IF/IF12040/5 (letzter Zugriff: 11.07.2023).
US-Raketenabwehr in Europa kann auch Marschflugkörper verschießen, in: DER STANDARD, 20.08.2019, URL: https://www.derstandard.de/consent/tcf/story/2000107598851/us-raketenabwehr-in-europa-kann-auch-marschflugkoerper-verschiessen (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Vladimir Putin: Rede an die Nation vom 21.2.2022, in: osteuropa, URL: https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/putin-rede-21.2.2022/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Wagner, Jürgen: NATO-Aggression und Russlands Reaktion, in: imi-online.de, 24.01.2022, URL: https://www.imi-online.de/2022/01/24/nato-aggression-und-russlands-reaktion/ (letzter Zugriff: 11.07.2023).
Wiegrefe, Klaus: Neuer Aktenfund von 1991 stützt russischen Vorwurf, in: DER SPIEGEL, 18.02.2022, URL: https://www.spiegel.de/ausland/nato-osterweiterung-aktenfund-stuetzt-russische-version-a-1613d467-bd72-4f02-8e16-2cd6d3285295 (letzter Zugriff: 24.02.2023).
Witt-Stahl, Susann: »Selenskijs schwarzer Haufen«, in: junge Welt, 17.03.2023, URL: https://www.jungewelt.de/artikel/447011.krieg-in-der-ukraine-selenskijs-schwarzer-haufen.html (letzter Zugriff: 27.05.2023).
Wolodymyr Selenskyj fordert Rückgabe der Krim, in: ZEIT ONLINE vom 23.08.2021, URL: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-08/ukraine-krim-praesident-wolodymyr-selenskyj-russland-aufforderung-rueckgabe (letzter Zugriff: 11.07.2023).
1 z.B. 22nd IMCWP
2 z.B. Paris Declaration
3 Kissel
4 Henken, Ukraine-Krieg
5 Kronauer, Aufmarsch
6 Abelow
7 Offizielle Website des Präsidenten der Ukraine, Dekret
8 Bundeszentrale für politische Bildung, Rede
9 Ukraina.ru, Geheimes Chiffre-Telegramm
10 Anti-Spiegel, Donezk
11 Wiegrefe
12 Vgl. Abelow, S. 22; DER STANDARD, US-Raketenabwehr; Lopez; Kronauer, Aufmarsch, S. 64-65.
13 Vgl. Doemens
14 Vgl. Abelow, S. 35-36.
15 Mearsheimer
16 Landler, Cooper (Übersetzung der Zitate: DeepL)
17 Vgl. Kronauer, Aufmarsch, S. 58-59.
18 Vgl. Abelow, S. 24; Deveraux, Rocket
19 Vgl. Kronauer, Aufmarsch, S. 62-63.
20 Vgl. Bauer; Kissel, S. 17.
21 Vgl. Grobe; Landwehr; Kissel, S. 24.
22 Antonov
23 Vgl. Landwehr; Kissel, S. 24.
24 osteuropa, Vladimir Putin
25 Vgl. DER SPIEGEL, Nato verspricht; Kissel, S. 13-14.
26 Vgl. Kissel, S. 14-15.
27 Congressional Research Service, U.S. Security
28 NATO, NATO recognises Ukraine; vgl. Kissel, S. 14-15.
29 Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der NATO, Gipfelerklärung
30 U.S. Department of Defense, Fact Sheet
31 Vgl. Kissel, S. 19.
32 Bundeszentrale für politische Bildung, Minsker Abkommen (Übersetzung: DeepL)
33 Witt-Stahl
34 Zitiert nach: Ebd.
35 Zitiert nach: Ebd.
36 Vgl. RT DE, NATO-Gipfel
37 Kissel, S. 16.
38 Vgl. Süddeutsche Zeitung, Russland warnt
39 Vgl. Deutsche Welle, Biden und Putin; Kissel, S. 18-19; Mearsheimer; Abelow, S. 27; Kronauer, Aufmarsch, S. 47.
40 Henken, Ukraine-Krieg
41 Bundeszentrale für politische Bildung, Rede (Übersetzung: DeepL)
42 Maier, Harte Worte
43 Remer, Claus: Die Ukraine im Blickfeld deutscher Interessen. Ende des 19. Jahrhunderts bis 1917/18, Frankfurt am Main 1997. Zitiert nach: Schölzel
44 Schölzel
45 Kronauer, Sache
46 Remer, Claus: Die Ukraine im Blickfeld deutscher Interessen. Ende des 19. Jahrhunderts bis 1917/18, Frankfurt am Main 1997. Zitiert nach: Schölzel
47 Vgl. Didier
48 Vgl. Marshall, S. 28f.
49 Vgl. Marshall, S. 19ff.
50 Vgl. Marshall, S. 7.
51 Marshall, S. 38.
52 Marshall, S. 19.
53 Die Büchse
54 Marshall, S. 30.
55 Marshall, S. 26.
56 Marshall, S. 30.
57 Offizielle Website des Präsidenten der Ukraine, Dekret (Übersetzung: DeepL)
58 Ebd.
59 Ebd.
60 Ebd.
61 Berliner Zeitung, NATO und Ukraine
62 Ukraine Analytica, CRIMEAN PLATFORM
63 ZEIT ONLINE, Selenskyj fordert Rückgabe
64 Markus Lanz, 22.03.2022, www.zdf.de, zitiert nach: Henken, Risiko, S. 114; https://youtu.be/4uyOLmIEIAU?t=1000
65 Wagner, NATO-Aggression
66 SNA News, 05.03.2022, nach Kissel, S. 22.
67 Vgl. OSCE, Daily Report 10/2022; OSCE, Daily Report 40/2022
68 Economist, Ukraine (siehe Grafik im Artikel)
69 RT DE, Puschilin
70 Alshayeva
71 IISS, Military Balance, S. 215.
72 Vgl. Martyanowa
73 Anti-Spiegel, Donezk
74 Nowotny
75 Ukraina.ru, Geheimes Chiffre-Telegramm
76 Gestwa, siehe auchhttps://youtu.be/6GqWDhHzRdo
77 Gestwa, im Video ab Minute 1:46
78 DeGruyter, Iwaschow
79 Ebd.
80 Chupryna
81 NATO, Grundakte
82 Gantenbein, Mission EFP
83 Gestwa, im Video ab Minute 1:46
84 Ålander, Paul
85 Spanidis, Kräftemessen
86 Kaptanoglu, Prager
87 Spanidis, Kräftemessen
88 Vgl. z.B. Bolton, Cole, Lingling
89 Chávez
90 Spanidis, Vermelho
91 Spanidis, Kräftemessen
92 Hensgen
93 Vgl. Spanidis, Vermelho
94 Vgl. Martin, Mackenzie
95 Spanidis, Vermelho
96 Kaptanoglu, Prager
97 Vgl. Norton