Vietnam, Algerien, Palästina: Die Weitergabe der Fackel des antikolonialen Kampfes

Themen: Imperialismus und Neokolonialismus, Palästina

Bild: Fourate Chanal El Rekaby via Mondoweiss

Keine Diskussion über die Entkolonialisierung kann vollständig sein, ohne die Bedeutung Vietnams und Algeriens zu verstehen, und wie ihre Befreiungskämpfe die unterdrückten Völker in der ganzen Welt, einschließlich der Palästinenser, inspirieren.

Von Hamza Hamouchene

Vorwort der Redaktion der Kommunistischen Organisation:

Vor 205 Jahren begann die Kolonisierung Algeriens und vor 80 Jahren fand das Massaker von Sétif statt, das zum Ausgangspunkt für den bewaffneten Befreiungskrieg der Algerier (1954-62) wurde. Ebenfalls vor 80 Jahren fanden die vietnamesische Augustrevolution und die Ausrufung der Demokratischen Republik Vietnam statt – und 30 Jahre später war ganz Vietnam, nach zwei brutalen Kolonialkriegen und mehr als 200 Jahre nach Beginn der französischen Einflussnahme endlich frei von ausländischer Besatzung. Aktuell erleben wir eine Hochphase – und wie viele glauben auch die Endphase – des palästinensischen Befreiungskampfes, der mittlerweile ebenfalls seit mehr als 125 Jahren anhält.

Als die Führungen des palästinensischen und des libanesischen Widerstands kurz nach Beginn der Al-Aqsa-Flut von einem langanhaltenden und langsam eskalierenden Befreiungskrieg sprachen, dürften die wenigsten palästinasolidarischen Menschen im Westen und vielleicht sogar nur wenige Palästinenser begriffen haben, was das genau bedeuten würde – wie lang dieser Krieg dauern, welche Höhen und Tiefen er durchlaufen und welche Opfer er fordern würde. Mittlerweile dauern der Genozid und der Durchhaltekampf der Menschen im Gazastreifen mehr als anderthalb Jahre und ein Ende ist nicht absehbar. Viel mehr steigert Israel seine Ausrottungspolitik aktuell noch weiter. Zugleich hat das zionistische Regime in Syrien und Libanon offenbar mindestens taktische Siege errungen. Doch der Widerstand in Gaza ist nicht geschlagen, der Jemen setzt seine Operationen erfolgreich fort, die israelische Gesellschaft ist tief zerrüttet und auf diplomatischer Ebene haben sich die Verhältnisse – trotz der anhaltenden Kollaboration arabischer Regime und der Türkei und dem Festhalten des Westens an seiner Unterstützung Israels – zuungunsten Tel Avivs verschoben.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, einen Blick in die Geschichte der antikolonialen Befreiungskämpfe zu werfen, um ihre Charakteristika, Gesetzmäßigkeiten und Dynamiken besser zu begreifen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen und Lehren für den Kampf der Palästinenser und unsere Solidaritätsarbeit mit diesem zu ziehen. So findet etwa in Duisburg seit letztem Jahr ein Studienkreis statt, in dem sich die Teilnehmer mit den Befreiungskriegen Kubas, Algeriens, Vietnams, Südafrikas und Palästinas beschäftigen. Einige Beobachtungen dieser Auseinandersetzung wurden bereits auf unserem Sommercamp vorgestellt. 

Und auch der folgende Artikel, der im November 2024 erschienen ist, setzt sich mit den Lehren der Befreiungskämpfe Algeriens und Vietnams auseinander und zieht Verbindungen zu Palästina.

Wir danken Mondoweiss für die Erlaubnis, diesen Text ins Deutsche zu übersetzen und bei uns zu veröffentlichen. Das englische Original findet ihr hier.

Anmerkung der Mondoweiss-Redaktion: Der folgende Artikel ist der fünfte in einer Reihe von Artikeln, die gemeinsam von Mondoweiss und dem Transnational Institute veröffentlicht wurden und die Palästina in die lange Geschichte antikolonialer Kämpfe einordnen, von Haiti über Vietnam bis Algerien und Südafrika.

Einführung

„Die Revolution ist keine Dinnerparty, kein Essay, kein Bild, keine Stickerei; sie kann nicht so raffiniert, so gemächlich und sanft sein.“ Mao Zedong, 1927 (Zedong 1953)

„Der Kolonialismus ist weder eine denkende Maschine noch ein Körper, der mit logischen Fähigkeiten ausgestattet ist. Er ist Gewalt im Naturzustand, und er wird nur nachgeben, wenn er mit größerer Gewalt konfrontiert wird.“ Frantz Fanon, 1961 (Fanon 1967)

„Der Imperialismus hat seinen Körper über die Welt gelegt, den Kopf in Ostasien, das Herz im Nahen Osten, seine Arterien reichen bis nach Afrika und Lateinamerika. Wo immer man ihn trifft, schadet man ihm und dient der Weltrevolution.“ Ghassan Kanafani, 1972 (Kanafani 2023)

Dieses Jahr, 2024, fällt mit dem 70. Jahrestag der Schlacht von Dien Bien Phu (Mai 1954) zusammen, in der die vietnamesischen Revolutionäre den französischen Kolonialisten eine vernichtende Niederlage zufügten. Es ist auch der 70. Jahrestag der algerischen Revolution, die im November desselben Jahres begann. Die Algerier und Vietnamesen leisteten jahrzehntelang Widerstand gegen die koloniale Unterdrückung, bevor sie zwei der bedeutendsten Revolutionen des 20. Jahrhunderts gegen Frankreich (und seine lokalen Kollaborateure) anführten, welches damals die zweitgrößte europäische Kolonialmacht der Welt war und auch von NATO-Kräften unterstützt wurde. Keine Diskussion über Entkolonialisierung und Antiimperialismus kann vollständig sein, ohne die Bedeutung Vietnams und Algeriens und die Tatsache zu verstehen, dass ihre revolutionären Befreiungskämpfe für unterdrückte Völker auf der ganzen Welt, einschließlich der Palästinenser, sehr inspirierend waren (und es immer noch sind).

Keine Revolution ist genau wie die andere. Das liegt daran, dass alle Revolutionen in einer bestimmten nationalen oder regionalen Geschichte verwurzelt sind, von bestimmten sozialen und generationellen Kräften angeführt werden und zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Entwicklung eines Landes stattfinden. Alle Revolutionen haben jedoch ein gemeinsames Element, ohne das sie nicht als Revolutionen bezeichnet werden könnten: die Ankunft eines neuen Blocks von Klassen, die die Führung des Staates übernehmen, oder der Übergang von kolonialer Abhängigkeit zu nationaler Unabhängigkeit. Um es mit den Worten Lenins zu sagen: „Damit eine Revolution stattfinden kann, reicht es in der Regel nicht aus, dass die unteren Klassen nicht in der alten Weise leben wollen; es ist auch notwendig, dass die oberen Klassen nicht in der alten Weise leben können.“ Trotz aller Elemente, die auf Kontinuität hindeuten könnten, ist es dieser Bruch, der eine revolutionäre Veränderung kennzeichnet. 

Vor diesem Hintergrund und mit diesem Verständnis verfolge ich mit diesem Longread fünf Ziele:

  1. Einige historische Überlegungen zu den algerischen und vietnamesischen antikolonialen Kämpfen teilen, um wichtige Kapitel der antikolonialen Geschichte zu beleuchten.
  2. Verbindungen und Parallelen zwischen den beiden Kämpfen und zwischen ihnen und dem laufenden palästinensischen Befreiungskampf ziehen, um zu verstehen, wie die Palästinenser von beiden Kämpfen inspiriert wurden und gleichzeitig selbst die Welt weiterhin mit ihrem entschlossenen Widerstand gegen den zionistischen Siedlerkolonialismus inspirieren.
  3. Versuche einer falschen Gleichsetzung von Kolonisatoren und Kolonisierten hinterfragen und entlarven.
  4. Hervorhebung der transnationalen Solidarität zwischen Unterdrückten und Kolonisierten.
  5. Den palästinensischen Widerstand und Befreiungskampf fest in die lange Reihe antikolonialer und antiimperialistischer Kämpfe stellen, die bis zum haitianischen Kampf Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts zurückreichen, als sich haitianische Sklaven gegen das französische Imperium auflehnten und die erste schwarze Republik gründeten (James 2001).

Der Kolonialismus verweigert den Kolonisierten ihre eigene Geschichte, die nationale Befreiung erfindet sie neu

„Nationale Befreiung, nationale Wiedergeburt, Wiederherstellung der Nationalität des Volkes, Commonwealth: Wie auch immer die Überschriften lauten oder die neuen Formeln eingeführt werden, die Entkolonialisierung ist immer ein gewaltsames Phänomen.“ Frantz Fanon, 1961 (Fanon 1967)

Der algerische Unabhängigkeitskampf gegen die französischen Kolonialisten war eine der inspirierendsten antiimperialistischen Revolutionen des zwanzigsten Jahrhunderts. Er war Teil der Entkolonialisierungswelle, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Indien, China, Kuba, Vietnam und vielen Ländern Afrikas einsetzte. Sie reihte sich ein in den Geist der Konferenz von Bandung und in die Ära des „Erwachens des Südens“, eines Südens, der jahrzehntelang (und in vielen Fällen mehr als ein Jahrhundert) der imperialistischen und kapitalistischen Herrschaft in verschiedenen Formen unterworfen war, von Protektoraten bis hin zu regelrechten Siedlerkolonien (wie im Falle Algeriens).

Rückblickend kann die französische Kolonisierung Algeriens als einzigartig angesehen werden, da Algerien das erste arabischsprachige Land war, das vom Westen annektiert wurde, und eines der ersten Länder Afrikas, das offiziell von einem westlichen Imperium unterworfen wurde, lange vor der Berliner Konferenz von 1884, als verschiedene europäische Imperien (Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Belgien, Italien, Spanien und Portugal) zusammenkamen, um den Kontinent unter sich aufzuteilen.

Im Juni 1830 marschierte Frankreich in Algerien ein. Die französische Armee verbrachte die nächsten 50 Jahre mit der Unterdrückung eines Aufstands, 15 Jahre davon mit dem Kampf gegen den brillanten, kämpferischen und engagierten Widerstandsführer Abd-El-Kader. Frankreichs Eroberungskrieg wurde ohne Unterlass geführt, vor allem unter dem Kommando des rücksichtslosen Marschalls Bugeaud, der eine Politik der verbrannten Erde verfolgte (Fisk 2005) und Gräueltaten beging, die von der Vertreibung der Bevölkerung über die Enteignung von Land bis hin zu Massakern und den berüchtigten enfumades reichten, bei denen die französische Armee ganze Stämme durch Erstickung auslöschte. 

Neben der Befriedungskampagne von Marschall Bugeaud förderte Frankreich aktiv die Kolonisierung Algeriens durch seine eigene Bevölkerung. In einer Erklärung vor der Nationalversammlung im Jahr 1840 sagte Bugeaud: „Wo immer es frisches Wasser und fruchtbares Land gibt, dort muss man Colons [Siedler] ansiedeln, ohne sich darum zu kümmern, wem dieses Land gehört.“ (Dies ist genau der Ansatz, den die Zionisten ein Jahrhundert später in Palästina anwenden sollten.) Im Jahr 1841 belief sich die Zahl dieser Kolonisten/Siedler bereits auf 37.374, gegenüber etwa 3 Millionen Indigenen (Horne 2006). Bis 1926 erreichte die Zahl der Siedler etwa 833.000, also 15 % der Bevölkerung, und stieg bis 1954 auf knapp 1 Million.

Die Kolonisierung bedeutete die Enteignung des grundlegenden Produktionsfaktors, des Bodens, von der einheimischen Bauernschaft und seine Umverteilung an die Siedler, wodurch die Grundlage der bäuerlichen Subsistenzwirtschaft zerstört wurde (Lacheraf 1965). Die Landbevölkerung kämpfte bis 1884 gegen das Eindringen der Kolonialarmee, aber der Kern des algerischen ländlichen Widerstands gegen den Kolonialismus wurde 1871 zerschlagen, als der große politisch-bäuerliche Aufstand, der sich über drei Viertel des Landes ausgebreitet hatte, endgültig niedergeschlagen wurde. Dieser historische Bauernaufstand war eine Reaktion auf eine Reihe von katastrophalen konfiskatorischen Maßnahmen in den 1860er Jahren, die die Mehrheit der algerischen Landbevölkerung empörten und sie um ihr Leben und ihren Lebensunterhalt fürchten ließen. Dürre, Missernten, Hungersnöte, Heuschreckeninvasionen und Krankheiten, denen mehr als 500.000 Menschen (etwa ein Fünftel der Bevölkerung) zum Opfer fielen, verschlimmerten ihre Lage. In der Zeit zwischen 1830 und 1870 starben schätzungsweise mehrere Millionen Algerier (Bennoune 1988, Davis 2007 und Lacheraf 1965).

Der ägyptische Marxist Samir Amin hat beschrieben, wie die algerische Landbevölkerung die koloniale Eroberung in einen langwierigen und verheerenden Krieg verwandelte:

Der Zusammenbruch der Regentschaftsgregierung und der Vernichtungskrieg der französischen Armee verleihen dieser frühen Periode (1830-1884) besondere Merkmale, die es sonst nirgendwo gibt […] Angesichts der militärischen Macht geriet die herrschende städtische Klasse in völlige Verwirrung und konnte an keine andere Alternative denken als an die Flucht … für die Bauern kam die Flucht nicht in Frage. Angesichts der drohenden Ausrottung verwandelten sie das algerische Land in das Terrain eines fünfzigjährigen Krieges, der Millionen von Opfern forderte. (Amin 1970)

Die französische Kolonialherrschaft in Algerien dauerte 132 Jahre (im Vergleich zu 75 Jahren Kolonialherrschaft in Tunesien und 44 Jahren in Marokko), eine Dauer und Tiefe, die in der Geschichte des Kolonialismus in Afrika und der arabischen Welt einzigartig ist. Im Jahr 1881 wurde Algerien zum ersten Mal als integraler Bestandteil Frankreichs verwaltet. Mit der Ausdehnung der zivilen Herrschaft auf das Land wurde die muslimische Bevölkerung Algeriens zur Bevölkerung zweiter Klasse erklärt. Die Ausgrenzung der Muslime spiegelte sich auf allen Ebenen der politischen Repräsentation wider, antimuslimische Diskriminierung wurde in das Wahlsystem eingebaut, und der minderwertige Status der Muslime wurde im abscheulichen Code de l’Indigénat von 1881 gesetzlich verankert (McDougall 2006).

Nachdem es den Franzosen gelungen war, die antikolonialen Aufstände in Algerien, die zuletzt in den 1870er und 1880er Jahren stattfanden, gewaltsam zu unterdrücken, sollte mehr als ein halbes Jahrhundert vergehen, bis die algerische Widerstandsbewegung in Form des algerischen Nationalismus in seiner modernen Form erneut den Kampf aufnahm.

8. Mai 1945: „Tag des Sieges in Europa“ und Massaker in Algerien

„In Setif wurde mein Sinn für Menschlichkeit zum ersten Mal durch die grausamsten Anblicke verletzt. Ich war sechzehn Jahre alt. Den Schock, den ich angesichts des erbarmungslosen Gemetzels, dem Tausende von Muslimen zum Opfer fielen, empfand, habe ich nie vergessen. Von diesem Moment an nahm mein Nationalismus endgültige Formen an.“ Kateb Yacine, algerischer Schriftsteller und Dichter (zitiert in Horne, 2006).

Am 8. Mai 1945 gab es in ganz Europa Freudenfeste, als die Nachricht von der Kapitulation der Nazis bekannt wurde. Frankreich freute sich, von einer fünfjährigen Besatzung befreit zu sein. Genau zur gleichen Zeit begannen in Algerien die Ereignisse, die in den nächsten zwei Monaten zum kolonialen Massaker an Tausenden von algerischen Muslimen führen sollten. 

Am Tag des Sieges in Europa, während die Europäer feierten, marschierten die Algerier in Setif für die Unabhängigkeit und das Ende der Kolonialisierung und trugen Transparente mit Slogans wie: „Für die Befreiung des Volkes, es lebe das freie und unabhängige Algerien!“ Außerdem schwenkten sie zum ersten Mal die Fahne, die später zur Fahne der algerischen Nationalen Befreiungsfront (FLN) werden sollte. Die französischen Kolonialbehörden unterdrückten den Marsch gewaltsam und lösten damit einen Aufstand aus, der zur Ermordung von 103 Europäern führte. 

Die koloniale Vergeltung für diese Morde war brutal. Das französische Militär (Luft, Marine und Armee) bombardierte mehrere Regionen und brannte zahlreiche Dörfer in Setif, Guelma und Kherrata nieder. Innerhalb von zwei Monaten ermordeten die französische Gendarmerie und die Truppen zusammen mit rachsüchtigen Siedlern Zehntausende von algerischen Muslimen, manche Schätzungen gehen von bis zu 45.000 aus. 

Die Parallelen zwischen den Massakern von Setif, Guelma und Kherrata und der Al-Aqsa-Flut am 7. Oktober 2023 durch den palästinensischen Widerstand gegen Israel und dem darauffolgenden erbarmungslosen völkermörderischen Gemetzel sind nicht zu übersehen. In beiden Fällen wurde der Widerstand, ob friedlich oder gewaltsam, gänzlich unterbunden und das Streben nach Selbstbestimmung mit grob unverhältnismäßiger Gewalt unterdrückt.

Damals (1945) schrieb ein Analytiker, der versuchte, die „Barbarei“ der Kolonisierten zu erklären und die blutige Unterdrückung durch Frankreich zu rechtfertigen: „Der Aufruf zur Gewalt erweckt aus den Bergen eine Art bösen Geist, einen wilden und grausamen berberischen Kaliban, dessen Bewegungen nur durch eine Kraft gestoppt werden können, die größer ist als er selbst. Dies ist die historische und soziale Erklärung für die Ereignisse, die sich in Sétif an dem Tag ereigneten, an dem der Sieg gefeiert wurde“ (Gresh 2023). Dieselbe koloniale Vormachtstellung und dieselben rassistischen, orientalistischen und essentialistischen Erklärungen für den Aufstand der Unterdrückten und Kolonisierten bestehen auch heute noch: Die palästinensischen Anschläge vom 7. Oktober werden häufig auf das reine Böse, die irrationale Grausamkeit und die zeitlose Barbarei mittelalterlicher und untermenschlicher Terroristen zurückgeführt, weit entfernt vom politischen Kontext von mehr als 75 Jahren Siedlerkolonialismus, Apartheid und Besatzung.

Die Massaker, die auf die Demonstrationen vom 8. Mai 1945 folgten, hatten erhebliche Auswirkungen auf die algerische nationalistische Bewegung. Für die junge Generation der Aktivisten hatte der Algerienkrieg bereits begonnen, und die Vorbereitung auf den bewaffneten Kampf konnte nicht mehr aufgeschoben werden. Die meisten Historiker sind sich einig, dass die Massaker von 1945 ein traumatisches Ereignis waren, das jeden algerischen Muslim, der diese Zeit erlebt hat, geprägt hat. Darüber hinaus führt jeder algerische Nationalist, der in der FLN aktiv war, seine revolutionäre Entschlossenheit auf den Mai 1945 zurück. Es wird nicht überraschen, wenn künftige Generationen palästinensischer und arabischer Revolutionäre (aller politischen Richtungen) ihr Engagement für den Befreiungskampf auf den Völkermord nach den Angriffen vom 7. Oktober und den heldenhaften Widerstand in Gaza zurückführen, der zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts noch andauert.

Ahmed Ben Bella, FLN-Führer und algerischer Staatschef von 1962 bis 1965, war ein hochdekorierter Unteroffizier im 7. Regiment der algerischen Tirailleure1, einer Einheit, die sich im Kampf in Europa ausgezeichnet hatte. Aber es waren die Ereignisse von 1945, die ihn auf den Weg der Revolution brachten. Später schrieb er: „Die Schrecken in der Gegend von Constantine im Mai 1945 haben mich davon überzeugt, dass es nur einen Weg gibt: Algerien den Algeriern. Auch für Mohammed Boudiaf, einen anderen revolutionären FLN-Führer und ebenfalls ein späteres Staatsoberhaupt, führten die kolonialen Massaker von 1945 dazu, dass er Wahlpolitik und Assimilation ablehnte und den bewaffneten Widerstand und die direkte Aktion als einzigen Weg zur Befreiung betrachtete (Evans & Phillips 2007).

Die traumatischen Ereignisse von 1945 waren die ersten Salven im algerischen Unabhängigkeitskampf. 

Vietnams Sieg ist eine Inspiration für Algerien

„Unsere Aktionen zielen darauf ab, den Krieg zu ihnen zu tragen und die ganze Welt wissen zu lassen, dass das algerische Volk einen Befreiungskrieg gegen seine europäischen Besatzer führt.“  Djamila Bouhired

Der algerische Unabhängigkeitskampf kann nicht losgelöst vom globalen Kontext der Entkolonialisierung betrachtet werden. 1945 wurde die Arabische Liga gegründet, die sich für die arabische Einheit einsetzt. 1947 erlangte Indien seine Unabhängigkeit von Großbritannien. 1949 besiegte die chinesische maoistische Revolution die Nationalisten von Chiang Kai-shek und gründete die Volksrepublik China. 1955 kam es zum Aufstieg des arabischen Nationalismus/Nasserismus und zur Abhaltung der Bandung-Konferenz in Indonesien, auf der 29 blockfreie Länder aus Afrika und Asien im Kontext der Spannungen des Kalten Krieges den Kolonialismus und Neokolonialismus herausforderten.

Die FLN-Führer machten sich keine Illusionen über das Ausmaß der Aufgabe, vor der sie standen, aber ihre Zuversicht wurde durch die demütigende französische Niederlage in Indochina im Mai 1954 gestärkt. Wie Frantz Fanon erklärte, war der große Sieg des vietnamesischen Volkes bei Dien Bien Phu streng genommen nicht mehr nur ein vietnamesischer Sieg: „Seit Juli 1954 lautet die Frage, die sich die kolonisierten Völker gestellt haben: ‚Was muss getan werden, um ein zweites Dien Bien Phu zu erreichen? Wie können wir es schaffen?‚“ (Fanon 1967).

Fanon war fasziniert von dem, was die Vietnamesen in Dien Bien Phu erreicht hatten. Seiner Ansicht nach hatte der vietnamesische Sieg über die Franzosen in diesem abgelegenen südostasiatischen Tal gezeigt, dass die Kolonisierten die revolutionäre Gewalt aufbringen konnten, die nötig war, um dem Kolonisator die Dekolonisierung aufzuzwingen. Die Nachricht vom vietnamesischen Sieg schlug im gesamten französischen Imperium hohe Wellen, erschütterte den Mythos von der Unbesiegbarkeit der Kolonisatoren und ließ Risse in der Struktur des Kolonialreiches entstehen. Die Bedeutung von Dien Bien Phu und seine Auswirkungen auf die Psyche der kolonisierten Bevölkerung können kaum überschätzt werden. Benyoucef Ben Khedda, Präsident der provisorischen Regierung der algerischen Republik, erinnerte sich: „Am 7. Mai 1954 fügte die Armee von Ho Chi Minh dem französischen Expeditionskorps die demütigende Katastrophe von Dien Bien Phu zu. Diese Niederlage der Franzosen wirkte wie ein mächtiger Katalysator auf all jene, die einen kurzfristigen Aufstand für das einzige Mittel, die einzige mögliche Strategie hielten. … Die direkte Aktion hatte Vorrang vor allen anderen Überlegungen und wurde zur Priorität der Prioritäten.“ (Ben Khedda 1989)

Ferhat Abbas, der erste amtierende Präsident der neuen unabhängigen algerischen Republik, bezeichnete den vietnamesischen Sieg bei Dien Bien Phu als epochemachend und hielt ihn für ebenso bedeutsam wie den Sieg der französischen Revolutionsarmee über die Preußen in der historischen Schlacht von Valmy im Jahr 1792:

„Dien Bien Phu war mehr als nur ein militärischer Sieg. Diese Schlacht ist ein Symbol. Sie ist das „Valmy“ der kolonisierten Völker. Sie ist das Bekenntnis der Asiaten und Afrikaner gegenüber den Europäern. Sie ist die Bestätigung der Universalität der Menschenrechte. In Dien Bien Phu haben die Franzosen die einzige Quelle der „Legitimation“ verloren, auf die sich ihre Präsenz stützte, nämlich das Recht des Stärkeren, über den Schwächeren zu herrschen“. (Abbas 1962)

Andere haben Dien Bien Phu als das Stalingrad der Entkolonialisierung bezeichnet (Meaney 2024).

Beibehaltung der imperialen Linie und Solidarität zwischen den Kolonisierten

Nicht weil der Indochinese eine eigene Kultur entdeckt hat, ist er in Aufruhr. Sondern weil es ihm „ganz einfach“ in mehr als einer Hinsicht unmöglich geworden ist, zu atmen. Frantz Fanon (Fanon 1967).

Mit einem Abstand von 70 Jahren ist es schwer, sich vorzustellen, welche Auswirkungen der erste Indochinakrieg und insbesondere Dien Bien Phu auf die koloniale Welt und insbesondere auf die französischen Überseekolonien von Algerien bis Senegal und von Marokko bis Madagaskar hatte. Eine Kolonialmacht war besiegt worden. Eine reguläre Armee war besiegt worden!

In den 1940er Jahren, während des Zweiten Weltkriegs, als Frankreich von Nazi-Deutschland überfallen und besetzt wurde, kämpften Zehntausende von Algeriern, Marokkanern, Senegalesen, Vietnamesen und andere tapfer für die Befreiung des Landes, von der sie sich wiederum ihre eigene Befreiung erhofften. Doch als es sich schließlich aus den Trümmern erhob, machte sich Frankreich daran, sein zerrüttetes Reich mit all seinem kolonialen Pomp wiederherzustellen. Trotz der Verhandlungen zwischen Jean Sainteny2 und Ho Chi Minh in Paris, um einen Kompromiss in der Frage des Nachkriegsvietnam zu finden, und trotz des Sieges der Linken, einschließlich der Kommunisten, bei den französischen Wahlen im November 1946, beschloss die französische Regierung dennoch, Vietnam zurückzuerobern. Unabhängig davon, ob es von der Rechten, der Mitte oder der Linken, von religiösen oder weltlichen Kräften geführt wurde, und von einer Republik zur anderen, hielt Frankreich an seinem Reich fest, vom Tal von Dien Bien Phu bis zur Kasbah von Algier (Delanoë 2002).

Nach dem Ausbruch des Krieges im Dezember 1946 wurden von 1947 bis 1954 Zehntausende von Nordafrikanern nach Indochina geschickt, um für Frankreich zu kämpfen (die Zahl erreichte schließlich 123.000), während in ihren eigenen Ländern die ersten Anfänge des Unabhängigkeitskampfes zu verzeichnen waren. In Vietnam angekommen, desertierten Hunderte von ihnen und schlossen sich den Viet-Minh an. Damit folgten sie den vietnamesischen Aufrufen zur antikolonialen Solidarität (Delanoë 2002). Ein solcher Appell findet sich in einem Brief, den ein Minister der Regierung von Ho Chi Minh Anfang 1949 an den marokkanischen Unabhängigkeitsführer Abd El-Krim im Kairoer Exil schickte. 

Er schrieb:

„Unser Kampf ist euer Kampf und euer Kampf unterscheidet sich in keiner Weise von unserem. Auch die Solidarität der nationalen Befreiungsbewegungen im Rahmen des ehemaligen französischen Kaiserreichs ist in der Lage, dem französischen Imperialismus ein endgültiges Ende zu setzen. Eure Exzellenz, die Regierung von Ho Chi Minh bittet Sie, Ihre große geistige Autorität zu nutzen, um die Soldaten Nordafrikas aufzufordern, die Ausreise nach Vietnam zu verweigern, und bittet Sie auch, an die Hafenarbeiter zu appellieren, die französischen Schiffe zu boykottieren.“ (Saaf 1996)

Abd El-Krim, ein revolutionärer Guerillaführer, der die spanische Armee in der epischen Schlacht von Annual 1921 besiegt und die kurzlebige Republik des Rif (1921-1926) gegründet hatte, bevor er schließlich von den Franzosen und Spaniern durch Luftangriffe, Gas- und Napalm-Bombardements, Selbstfahrlafetten und Zehntausende von Rekruten aus dem Imperium besiegt wurde (Ayache 1990 und Daoud 1999), antwortete: „Der Sieg des Kolonialismus, selbst am anderen Ende der Welt, ist unsere Niederlage und das Scheitern unserer Sache. Der Sieg der Freiheit irgendwo auf der Welt ist […] das Signal für das Herannahen unserer Unabhängigkeit.“ (Saaf 1996)

Die wiederholten Rückschläge, die die französische Armee in Indochina erlitt, verstärkten das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Solidarität unter den kolonisierten Völkern. Als Reaktion darauf weigerten sich algerische Hafenarbeiter in den Häfen von Oran und Algier, Kriegsmaterial für Indochina zu verladen (Ruscio 2004). 

Die Vietnamesen baten Abd El-Krim und die Kommunistische Partei Marokkos auch darum, ihnen einen Nordafrikaner zu schicken, der ein Netzwerk für psychologische Kriegsführung aufbauen konnte, das die nordafrikanischen Truppen des französischen Expeditionskorps im Fernen Osten (CEFEO) dazu ermutigen sollte, zu desertieren, die Vietnamesen zu sammeln und schließlich in ihre Heimatländer zurückzukehren, um gegen die französischen Kolonisatoren zu kämpfen. Diese Rolle wurde von M’hamed Ben Aomar Lahrach (alias Maarouf) übernommen. Der Marokkaner Maarouf war wie Abd El-Krim Gewerkschafter und Mitglied der Kommunistischen Partei Marokkos (Delanoë 2002). Ende der 1940er Jahre reiste er nach Hanoi. Seine Aktivitäten mit den nordafrikanischen Soldaten, die sich entweder den Viet Minh angeschlossen hatten oder gefangen genommen wurden, erklärt er wie folgt:

„Ich versuche, für meine arabischen und kabylischen Gefangenen richtige Dörfer zu schaffen, ich bringe sie in geschlossenen Hütten unter, ich schaffe es, ihnen ein Leben zu geben, das sie an ihr Land erinnert. Wir dürfen diese Leute nicht zu Vietnamesen machen, wir müssen sie so schnell wie möglich repatriieren3! Sie müssen sie selbst bleiben; sie werden die Kader unserer Befreiungsarmeen bilden… Ich werde meine marokkanischen oder algerischen Deserteure nicht sterben lassen.“ (Delanoë 2002)]

In seinen Appellen an die nordafrikanischen Soldaten, die auf französischer Seite in Vietnam kämpften, und in seiner politischen Aufklärungsarbeit mit nordafrikanischen Gefangenen und versammelten Soldaten lautete Maaroufs Botschaft: „Geht zurück nach Hause: Diese Menschen kämpfen, wie ihr in Marokko, für ihre Unabhängigkeit. … Kehrt nach Hause zurück und nutzt euren Kampfgeist, um euer Land zu befreien“ (Saaf 1996). Er wollte vor allem die Nordafrikaner zurückgewinnen, die von den Franzosen als Kanonenfutter benutzt wurden und sich in diesem fernen asiatischen Land verirrt hatten, mit dem ausdrücklichen Ziel, sie so schnell wie möglich in ihre Heimatländer zurückzubringen.

Die Wirksamkeit von Maaroufs Arbeit wird am besten durch die Hunderte von algerischen Repatriierten belegt, die ab 1954/55 zu effektiven militärischen Kadern der algerischen Nationalen Befreiungsfront wurden. Maaroufs Aktivitäten waren wahrhaftig heldenhaft; sie beinhalteten die Teilnahme an der Verhaftung des französischen Generals De Castries in Dien Bien Phu. Ho Chi Minh gab ihm den Namen Anh Ma, was wörtlich „Bruder Pferd“ bedeutet, und die Vietnamesen verliehen ihm den Rang eines Generals und zeichneten ihn mit Medaillen aus (Saaf 1996 und Delanoë 2002). 

Für Frankreich wurde Dien Bien Phu zum Symbol eines anachronistischen Starrsinns, der in die Katastrophe führte. Für Vietnam war es ein Symbol für die Wiedererlangung der nationalen Unabhängigkeit. Doch Dien Bien Phu war nicht nur für diese beiden Länder ein historisches Ereignis: In der ganzen Welt wurde die Schlacht als Wendepunkt angesehen, der andere Befreiungskämpfe einläutete. Kaum war das Echo der Schüsse im Tonkin-Tal verklungen, war es auch im algerischen Aurès-Gebirge zu hören. Und innerhalb von weniger als einem Jahr versammelten sich die „Verdammten der Erde“ in Bandung (Ruscio 2004). Der französische Oberbefehlshaber De Lattre vertraute dem Offizier, den er mit dem Aufbau seiner vietnamesischen Armee betraut hatte, an, dass die Kolonialisten die kaiserliche Linie einhalten müssten: „In Tonkin verteidigen wir unsere Positionen in Afrika. Diesem Imperativ muss alles untergeordnet werden“ (Goscha 2022). Heute ist es der Gazastreifen, in dem der US-geführte Imperialismus seine globale Hegemonie zu verteidigen versucht. 

Bei dem Versuch der USA und Israels, die imperiale Linie in Gaza zu halten, wenden sie ähnlich brutale Methoden an wie die Franzosen in Vietnam, einschließlich des Aushungerns der Zivilbevölkerung. Die Franzosen konzentrierten sich darauf, den Vietnamesen den Zugang zu Reis zu verwehren, als Teil des Befehls des französischen Generals Raoul Salan, „den Gegner auszuhungern“ (Salan gründete später die Organisation Armée Secrète (OAS), eine geheime terroristische Organisation, die die Unabhängigkeit Algeriens verhindern wollte). Der Einsatz von Lebensmitteln als Waffe war keineswegs neu. Kaiserliche Armeen haben diese Form der Kriegsführung seit der Antike praktiziert. Aber die Franzosen waren die ersten, die diese Methode in einem Entkolonialisierungskrieg des zwanzigsten Jahrhunderts einsetzten – mit schrecklichen Folgen für die Vietnamesen. Damit ließen sie die Trennlinie zwischen Kämpfern und Zivilisten sowie zwischen Heimatfront und Kampffront fallen. Dies war la guerre totale (der totale Krieg), wie er von General Lionel-Max Chassin, dem Oberbefehlshaber der französischen Luftwaffe in Indochina in den frühen 1950er Jahren, vertreten wurde. Chassin bestand darauf, dass dies die einzige Möglichkeit sei, einen Kolonialkrieg zu gewinnen, und argumentierte: „Man muss die Menschen verhungern lassen“ (Goscha 2022). 1956 sagte Chassin zu seinem Vorgesetzten, er sei „überzeugt, dass wir die Vietnamesen jederzeit zur Verfügung gehabt hätten, wenn wir alle Wasserbüffel getötet und den gesamten Reis in Indochina vernichtet hätten.“

Eine ähnliche Logik herrschte bei Frankreichs Versuch, Algerien zwischen 1954 und 1962 zu „befrieden“, und sie ist jetzt wieder bei Israels totalem Krieg gegen Gaza am Werk. Was sich heute in Gaza abspielt, ist in der Tat nicht nur ein Völkermord. Obwohl es fast unmöglich ist, die richtige Terminologie zu finden, um das Ausmaß der Zerstörung und des Todes zu beschreiben, das Israel über die Palästinenser bringt, wird jetzt eine Fülle von Begriffen verwendet, um die Ungeheuerlichkeit des Geschehens zu verstehen: Stadtmord, Schulmord, Hausmord, Ökozid und Holozid – die Vernichtung eines ganzen sozialen und ökologischen Gefüges.

Revolutionäre Gewalt und städtischer Guerillakrieg in der Zeit der Entkolonialisierung

Wir sind Befürworter der Abschaffung des Krieges, wir wollen keinen Krieg; aber der Krieg kann nur durch den Krieg abgeschafft werden, und um die Waffe loszuwerden, muss man die Waffe in die Hand nehmen.“ Mao Zedong (Zedong 1967)

„Nach allem, was in unserem Land passiert war, war für uns klar, dass es keine andere Möglichkeit als den bewaffneten Kampf gab und dass wir den Franzosen entgegentreten mussten, und zwar mit Gewalt.“ Zohra Drif (Drif 2017)

Die Kriege in Indochina und Algerien gegen den französischen Kolonialismus sind für die moderne Politik in beiden Ländern von grundlegender Bedeutung. Beide Unabhängigkeitskämpfe sollten den Charakter des antikolonialen Denkens in den folgenden Jahrzehnten tiefgreifend prägen. 

Christopher Goscha hat in seinem ausgezeichneten Buch The Road to Dien Bien Phu dargelegt, dass Ho Chi Minh am Ende zwei Arten von Kriegsstaaten verwaltete, von denen der eine in der Lage war, dem Kolonisator in Form einer Guerilla zu widerstehen, so wie es die algerische FLN in Nordafrika tun sollte, und der andere in der Lage war, die erforderliche militärische und organisatorische Kraft aufzubringen, um eine westliche Kolonialarmee in einer punktuellen Schlacht zu besiegen, wie sie die chinesischen Kommunisten geschaffen hatten. Dank der chinesischen Militärhilfe und -berater, der Ausbildung in moderner Militärwissenschaft und der Einführung von Wehrpflicht und Mobilisierungsgesetzen führten die vietnamesischen Kommunisten eine militärische Revolution an, wie sie in keinem anderen Entkolonialisierungskrieg des zwanzigsten Jahrhunderts stattgefunden hatte (Goscha 2022). In der Tat waren die algerischen Nationalisten nicht die einzigen, die nicht in der Lage waren, vom Guerillakrieg zur konventionellen Kriegsführung überzugehen: In keinem anderen Entkolonialisierungskrieg des zwanzigsten Jahrhunderts gab es so etwas wie die vietnamesische Volksarmee, und es sollte nie ein zweites Dien Bien Phu geben. Das bedeutete jedoch nicht, dass Kolonialmächte nicht auch auf andere Weise, einschließlich des Guerillakriegs, besiegt werden konnten.

Der vietnamesische antikoloniale Kampf gegen die Franzosen fand nicht unabhängig von anderen Ereignissen in Asien statt. Der erste Indochinakrieg (1945-1954) fand parallel zum Koreakrieg im Rahmen einer Ausweitung des Kalten Krieges in Südostasien statt, wo die USA die Unterstützung Frankreichs als Mittel zur Bekämpfung der Kommunisten betrachteten. Mit der Wiederaufnahme des Krieges in Vietnam im Jahr 1960 traten die Vereinigten Staaten direkt in das Geschehen ein, da sie über eine hervorragende Kriegstechnologie verfügten und den Sieg für sicher hielten. Die Vereinigten Staaten brauchten nicht mehr die Hilfe eines Drittlandes, um den Kommunisten in Asien entscheidende Schläge zu versetzen. Der amerikanische Krieg gegen Vietnam sollte 15 Jahre dauern, bevor die „unbesiegbare Armada“ gezwungen war, sich ohne Ruhm zurückzuziehen und ein verwüstetes Land zurückzulassen.

Die Verwüstungen und die Gewalt waren nicht nur bei den antikolonialen Revolutionen in Vietnam zu beobachten. Mit der Kriegserklärung in Algerien am 1. November 1954 begann auch einer der längsten und blutigsten Kriege in der Geschichte der Entkolonialisierung, der mit gnadenlosen Gräueltaten gespickt war (Stora 2004). Die FLN-Führung schätzte die militärischen Kräfteverhältnisse realistisch ein, die eindeutig zugunsten Frankreichs ausfielen, dessen Armee damals die viertgrößte der Welt war. Als Antwort auf diese Realität orientierte sich ihre Strategie an Ho Chi Minhs Diktum „Für jede neun getötete Person werden wir eine töten – am Ende werdet ihr gehen“. Die FLN wollte ein Klima der Gewalt und Unsicherheit schaffen, das für die Franzosen letztlich unerträglich sein würde, den Konflikt internationalisieren und Algerien in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit rücken (Evans & Phillips 2007). Dieser Logik folgend beschlossen die Revolutionsführer Abane Ramdane und Larbi Ben M’hidi, den Guerillakrieg in die städtischen Gebiete des Landes zu tragen und insbesondere die Schlacht von Algier im September 1956 zu beginnen. 

Es gibt keine bessere Möglichkeit, diesen dramatischen Schlüsselmoment der algerischen Revolution zu begreifen, als den klassischen realistischen Film von Gillo Pontecorvo, Die Schlacht von Algier, der 1966 veröffentlicht wurde. Der Film, der in Frankreich zunächst verboten war, stellt einige der entscheidenden Momente des algerischen Widerstands in der Hauptstadt und der französischen Niederschlagung dieses Widerstands eindrucksvoll dar. In einem dramatischen Moment präsentiert Colonel Mathieu, der sich als General Massu verkleidet (welcher auch im ersten Indochinakrieg gekämpft hatte), den gefangenen FLN-Führer Larbi Ben M’Hidi auf einer Pressekonferenz, auf der ein Journalist die Frage stellt, ob es moralisch vertretbar sei, Bomben in den Einkaufskörben von Frauen zu verstecken. Der Journalist fragt: „Finden Sie es nicht ein bisschen feige, in Frauenkörben und Handtaschen Sprengsätze zu verstecken, die so viele Menschen töten?“ Ben M’hidi antwortet: „Und erscheint es Ihnen nicht noch feiger, Napalmbomben auf wehrlose Dörfer abzuwerfen, so dass es tausendmal mehr unschuldige Opfer gibt? Gebt uns eure Bomber, und ihr könnt unsere Körbe haben.“ (zitiert in Fisk 2005).

Djamila Bouhired, eine revolutionäre Ikone, die in der gesamten arabischen Welt (insbesondere für die Palästinenser) und darüber hinaus zu einer inspirierenden Figur geworden ist, war eine Schlüsselfigur in der Schlacht von Algier und gehörte zusammen mit Zohra Drif, Samia Lakhdari und ihrer Mutter zu den Frauen, die Bomben in der Stadt platzierten. Nachdem sie gefangen genommen, vergewaltigt und schwer gefoltert worden war, widersetzte sie sich heldenhaft ihren kolonialen Führern und Folterern: „Ich weiß, dass ihr mich zum Tode verurteilen werdet, aber vergesst nicht, dass ihr mit meinem Tod nicht nur die Freiheit in eurem Land ermordet, sondern auch die Freiheit und Unabhängigkeit Algeriens verhindert.“ 

Zohra Drif, eine weitere Heldin des algerischen Unabhängigkeitskrieges, die für ihre Beteiligung an dem Bombenanschlag auf das Milchbar-Café im Jahr 1956 bekannt ist, war ein fester Bestandteil des Bombenanschlagsnetzes der FLN in Algier und arbeitete mit Ali La Pointe, Djamila Bouhired, Hassiba Ben Bouali und Yacef Saâdi, dem Leiter der Autonomen Zone von Algier, zusammen. Sie wurde schließlich gefangen genommen und vom Militärgericht von Algier wegen Terrorismus zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Drif war in der Frauenabteilung des Barbarossa-Gefängnisses inhaftiert. In ihren Memoiren reflektiert sie über die Rolle von Djamila Bouhired: „Sie hatten ihre Marianne, wir hatten unsere Djamila … Für das koloniale Frankreich war sie „die Seele des Terrorismus“. Für uns und für alle freiheitsliebenden Völker wurde sie zur Seele der Befreiung und zum Symbol des schönen und rebellischen Algeriens im Krieg.“ (Drif 2017) 

Bouhireds heldenhafter Kampf, sein Mut, seine Entsagung, sein Sumud (Standhaftigkeit) und seine Aufopferung klingen in Palästina noch immer nach und beflügeln die Sprache und die Vorstellungen von Widerstand, Revolution und Befreiungskampf. Die palästinensische Freiheitskämpferin Leila Khaled und viele andere haben Bouhireds Werk weitergeführt.

Die städtische Revolte in Algier wurde schließlich gnadenlos niedergeschlagen, indem systematisch gefoltert wurde, um Informationen zu erlangen, wobei auch Elektroden an den Genitalien der Gefolterten angebracht wurden (Alleg 1958). Im Oktober 1957 war das FLN-Netzwerk in Algier zerschlagen, nachdem der letzte verbliebene Anführer Ali La Pointe zusammen mit Little Omar, Hassiba Ben Bouali und Hamid Bouhamidi in ihrem Versteck in der Kasbah in die Luft gesprengt worden war. Trotz dieser militärischen Niederlage hatte die FLN einen diplomatischen Sieg errungen: Frankreich war wegen seiner skandalösen Unterdrückungsmethoden international isoliert.

Die algerische Erfahrung der städtischen Kriegsführung als Teil eines Entkolonialisierungskampfes war nicht neu. Mehr als ein Jahrzehnt, bevor die FLN in Algier Bomben zündete, hatten die Vietnamesen bereits große Stadtschlachten in Saigon, Haiphong und Hanoi geführt. Auch diese Schlachten waren brutal, denn die Franzosen setzten Panzer, Artillerie und Bomber ein, um die vietnamesischen Stellungen in den Städten zu zerstören. Wie die Casbah in Algier war auch die Altstadt von Hanoi der Ausgangspunkt für die Schlacht um diese Stadt (1946-1947). Während der Kämpfe wies der Oberbefehlshaber des französischen Expeditionskorps in Indochina, General Jean Vally, seine Untergebenen an, „mit Kanonen und Bomben hart zuzuschlagen […], um dem Widerstand ein Ende zu setzen und unserem Gegner die überwältigende Überlegenheit unserer Fähigkeiten zu beweisen.“ (Goscha 2022) Am Ende der Schlacht lag die „Casbah“ von Hanoi in Trümmern. 

Das Ausmaß der Gewalt, das die Franzosen von Januar 1951 bis Mitte 1954 in der Ebene des Roten Flusses und im übrigen Obervietnam anrichteten, hatte in der bisherigen Geschichte der Entkolonialisierungskriege des 20. Jahrhunderts kein Äquivalent. Unter den Vietnamesen gab es mehr als eine Million Tote und Hunderttausende Verwundete, darunter auch Folteropfer, während sich die Verluste des französischen Expeditionskorps auf 130.000 Mann beliefen. Ein ähnlich erschütterndes Ausmaß an Gewalt wurde in Algerien erreicht. Offiziellen Schätzungen zufolge wurden in dem achtjährigen Krieg, der 1962 endete, eineinhalb Millionen Algerier getötet. Ein Viertel der Bevölkerung (2,35 Millionen) war in Konzentrationslagern eingesperrt, mindestens 3 Millionen Menschen (die Hälfte der Landbevölkerung) wurden vertrieben, etwa 8.000 Dörfer wurden zerstört oder niedergebrannt, Hunderttausende Hektar Wald wurden verbrannt oder durch Napalmbomben entlaubt, Anbauflächen wurden entweder mit Minen besät oder zu „Sperrgebieten“ erklärt, und der Viehbestand des Landes wurde dezimiert (Bourdieu und Sayad 1964; Bennoune 1973).

In beiden Fällen (Algerien und Vietnam) bestand die schmutzige Arbeit der Kolonisatoren darin, sich an den mutigen Widerstandshandlungen der Kolonisierten zu rächen, indem sie die Entmenschlichung des „Anderen“ vorantrieben und den Hass in rassistische Begriffe fassten. Für die Franzosen und ihre Verbündeten waren die Vietnamesen und Algerier kein Volk mehr, sondern Banditen, Kriminelle und Terroristen. Ein junger französischer Soldat, der in Vietnam einen Vertrauten verloren hatte, erklärte, was er den Vietnamesen antun wollte: „Wir müssen sie alle vernichten, ohne jegliches Mitleid mit ihnen, sie sind echte Wilde.“ (Goscha 2022) Die Praxis der Folter war in der französischen Armee endemisch, lange bevor französische Fallschirmjäger jemals einen Fuß nach Algier setzten. Dieselben Mechanismen und Taktiken der Entmenschlichung werden nun von Israel in Palästina angewandt, wobei israelische Generäle, Beamte und Medienvertreter Palästinenser als „menschliche Tiere“, „Ratten“, „Barbaren“ und „Terroristen“ bezeichnen, um ihre Kriegsverbrechen, Folterungen und genozidalen Massaker zu rechtfertigen. Der Kolonialismus und seine Strategien der Rassenbildung sind noch nicht zu Ende.

In Vietnam, Algerien und Palästina haben nicht nur die Streitkräfte der Kolonialmächte diese Strategien angewandt, sondern auch die Kolonisten/Siedler selbst haben eine Rolle gespielt. Als die Elite-Fallschirmjäger, die von der französischen Regierung zur Niederschlagung des Aufstands in Algier eingesetzt wurden, die Hauptstraße der Stadt entlang marschierten, wurden sie von einer Schar begeisterter französischer Siedler begrüßt. Ähnliche Szenen spielten sich 1946 in Saigon ab, als die Siedler in Scharen die Soldaten begrüßten, die sie von der Herrschaft der „Eingeborenen“ befreiten (Goscha 2022). In beiden Fällen bestand ein enges Bündnis zwischen der Armee und den Siedlergemeinschaften, die die koloniale Gewalt und grausame Unterdrückung duldeten. Auch heute unterstützt die israelische Siedlergesellschaft mit überwältigender Mehrheit den Völkermord des israelischen Militärs im Gazastreifen und die Verfolgung eines ausgewachsenen Krieges in der gesamten Region. Unzählige Videos und Bilder zeigen Israelis, die den Tod von Palästinensern bejubeln und feiern und ihnen erklären, wie sie sie gerne aus dem Land verschwinden sehen würden, das sie ihnen weggenommen haben.

Palästina:  Die Fahne der antikolonialen Revolution ergreifen

„Worauf will ich hinaus? Auf diese Idee: dass niemand unschuldig kolonisiert, dass auch niemand ungestraft kolonisiert; dass eine Nation, die kolonisiert, dass eine Zivilisation, die Kolonisierung – und damit Gewalt – rechtfertigt, bereits eine kranke Zivilisation ist, eine Zivilisation, die moralisch krank ist […]“ Aimé Césaire (Césaire 2000)

„Wir erinnerten uns an all das Elend, all die Ungerechtigkeiten, an unser Volk und die Bedingungen, unter denen es lebte, an die Kälte, mit der die Weltöffentlichkeit auf unsere Sache schaut, und so fühlten wir, dass wir nicht zulassen werden, dass sie uns vernichten. Wir werden uns und unsere Revolution auf jede Weise und mit allen Mitteln verteidigen. George Habash, 1970

Was haben die algerischen und vietnamesischen Kämpfe mit dem heutigen palästinensischen Kampf zu tun? Die Antwort ist, dass der palästinensische Befreiungskampf kompromisslos in die lange Reihe der antikolonialen revolutionären Bemühungen eingeordnet werden muss. Trotz ihrer Besonderheiten und Unterschiede müssen diese drei Kämpfe als solche verstanden werden: als antikoloniale Kämpfe für die Befreiung. Gleichzeitig zeigen die Ereignisse in Palästina, einschließlich des gegenwärtigen Völkermordes, dass die koloniale Welt noch nicht vollständig abgebaut ist. 

Die folgenden Abschnitte befassen sich mit den Überschneidungen zwischen dem palästinensischen Befreiungskampf und seinen algerischen und vietnamesischen Pendants.

Palästina und Algerien: zwei Schwestern in der arabischen Welt

„Ich reiste in einem algerischen Flugzeug unter algerischem Schutz, als ob ich ein algerischer Gesandter wäre, nicht nur ein palästinensischer. [Boumediene] wollte der Welt mitteilen, dass der palästinensische Gesandte Jassir Arafat nicht allein, sondern mit Algerien an seiner Seite reist.“ Jassir Arafat

Aus offensichtlichen Gründen gibt es zahlreiche Verbindungen zwischen dem palästinensischen und dem algerischen revolutionären Befreiungskampf. Eine davon ist die zutiefst rassistische, unmenschliche und völkermörderische Erfahrung, die beide Nationen als einzige in der arabischen Region mit der Siedlerkolonialisierung gemacht haben. Aufgrund dieser gemeinsamen Erfahrung blicken die palästinensischen Revolutionäre zu ihren algerischen Brüdern und Schwestern auf, während die Algerier im palästinensischen Widerstand und den revolutionären Bemühungen ein Spiegelbild ihrer Revolution gegen die französischen Kolonialisten sehen. Die algerische FLN inspirierte die palästinensische Strategie des bewaffneten Kampfes und der Vereinigung verschiedener politischer Gruppen unter einem gemeinsamen Banner. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Algerier die Palästinenser seit den 1960er Jahren in allen Bereichen unterstützen: diplomatischer Beistand, militärische Hilfe, Lieferung von Waffen und Finanzierung.

Für einen großen Teil der „Dritten Welt“, vor allem für die Länder, die noch unter kolonialer Herrschaft standen, war die Befreiung Algeriens im Jahr 1962 ein Hoffnungsschimmer und ein Modell, dem man folgen konnte. Seine Hauptstadt Algier wurde zu einem Mekka für Revolutionäre aus aller Welt – von Vietnam über Palästina bis zum südlichen Afrika -, die die imperialistische und koloniale Ordnung zu Fall bringen wollten.  In der Charta von Algier aus dem Jahr 1964 erklärte Algerien seine Unterstützung für die „Kämpfe anderer Völker in der Welt“, einschließlich des „bewaffneten Kampfes“ (Deffarge & Troeller 1972), und das unabhängige Algerien gewährte daraufhin Bewegungen in aller Welt, die für Unabhängigkeit und gegen Rassismus, Kolonialismus und Imperialismus kämpften, Asyl und finanzielle Unterstützung. 

In der arabischen Welt knüpfte das neue Regime in Algerien Beziehungen zum ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser und war fester Bestandteil der antikolonialen Welle, die die Franzosen und Briten nach ihrem kläglichen Abenteuer im Suezkrieg 1956 vertrieb und die auch die Unabhängigkeit Tunesiens und Marokkos im Jahr 1956 sowie den Sturz der Monarchien im Irak (1958) und Nordjemen (1962) umfasste. In dieser Zeit starteten auch die Palästinenser ihre ersten Aktionen, um ihr Land wieder auf die politische Landkarte zu setzen, von der es entfernt worden war (Gresh 2012). 

In den folgenden Abschnitten stütze ich mich hauptsächlich auf Material, das auf der ausgezeichneten, von den palästinensischen Wissenschaftlern Karma Nabulsi und Abdel Razzaq Takriti kuratierten Bildungswebsite zur palästinensischen Revolution (https://learnpalestine.qeh.ox.ac.uk/) zusammengetragen wurde, sowie auf die aufschlussreiche The Dig-Podcast-Serie Thawra über den arabischen Radikalismus im zwanzigsten Jahrhundert.

Die palästinensische Befreiungsbewegung unterhielt in den Jahren nach der Unabhängigkeit Algeriens im Jahr 1962 aktive Kontakte zu Algerien, als das Land ein Treffpunkt für verschiedene afroasiatische Befreiungsbewegungen war. Der palästinensische Schriftsteller und Politiker Muhammad Abu Meizar, der sich 1962 der Fatah (der palästinensischen Nationalen Befreiungsbewegung) anschloss, hat beschrieben, wie die erste palästinensische Begegnung mit der kubanischen Revolution 1964 stattfand, als Che Guevara nach Algier reiste. Zu dieser Zeit nahmen die Palästinenser Beziehungen zu verschiedenen Befreiungsbewegungen in Afrika, Asien und Lateinamerika auf. Von Algerien aus reiste 1965 auch die erste palästinensische Delegation nach China.

Abu Meizar beschreibt die Unterstützung Algeriens für den palästinensischen Kampf zu dieser Zeit: 

„Durch Algerien kam es zu zahlreichen Begegnungen mit den Befreiungsbewegungen, den Vietnamesen, den Chinesen, den afrikanischen Bewegungen, es war ein Ort der Begegnung. Algerien beherbergte auch eine der wichtigsten Einrichtungen, die Militärakademie Cherchell, an der viele Palästinenser eingeschrieben waren. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Fatah noch nicht einmal einen Schuss abgegeben. Über Algerien knüpfte sie jedoch Verbindungen zu den Marokkanern, den Tunesiern, den Afrikanern, den Vietnamesen, den Chinesen, Südostasien, Lateinamerika und Kuba. Das waren keine unbedeutenden Beziehungen, sie waren äußerst kostbar und wertvoll.

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) eröffnete 1965 ihr Büro in Algerien. Ihr erster Vorsitzender (1964-1967), Ahmad al-Shukeiri, war bekannt für sein leidenschaftliches Engagement für die algerische Sache: Als Vertreter Saudi-Arabiens und später Syriens bei den Vereinten Nationen in New York setzte er sich von 1955 bis 1962 bei den jährlichen Sitzungen und Sondersitzungen aktiv für die algerische Revolution ein. Algerien zahlte die Schuld in gleichem Maße zurück: Die erste öffentliche Unterstützung der palästinensischen Revolution durch eine Regierung kam aus Algerien, und zwar in Form eines Artikels auf der Titelseite der offiziellen Zeitung Al-Moudjahid vom 1. Januar 1965 mit der Überschrift „Die Revolutionäre vom 1. November grüßen die Revolutionäre vom 1. Januar“

In dieser Zeit eröffnete die Fatah in Algerien ein Ausbildungslager für palästinensische Kämpfer außerhalb der Militärakademie von Cherchell und in Zusammenarbeit mit dem algerischen Kommando der Streitkräfte. Zahlreiche palästinensische Freiwillige aus Europa und dem Maghreb und sogar aus den USA wurden dort ausgebildet, von denen einige später Widerstandsoperationen durchführten und selbst zu Symbolen des Befreiungskampfes wurden, wie Mahmoud al-Hamshari, Ghazi al-Husseini und Abdullah Franji. 

Abu Meizar beschrieb die Unterstützung Algeriens für den bewaffneten palästinensischen Kampf: 

„1967 sicherten wir die erste Waffenlieferung aus Algerien an die Fatah, wobei die Lieferung von Mohammad Ibrahim al-Ali [Kommandeur der syrischen Volksarmee] vermittelt wurde. Das erste Flugzeug flog nach Damaskus, beladen mit Waffen für die Fateh. … Das war unser erster Waffendeal, aber es sei daran erinnert, dass die erste offizielle finanzielle Unterstützung der Fatah durch die algerische Regierung in den Tagen von Boumediene im Jahr 1966 erfolgte.

Jassir Arafat, Vorsitzender der PLO von 1969 bis 2004, würdigte stets die kompromisslose und unerschütterliche Solidarität Algeriens mit der palästinensischen Sache sowie dessen entschiedene Unterstützung für die gesamtarabischen Kriegsanstrengungen gegen das zionistische Gebilde. So schilderte er beispielsweise, wie der algerische Präsident Houari Boumediene Truppen nach Ägypten schickte, um im arabisch-israelischen Krieg von 1967 zu kämpfen. Boumediene reiste auch nach Kairo und Damaskus, um sich zu erkundigen, was sie für die Kriegsanstrengungen benötigten, und besuchte anschließend die Sowjetunion, um sie zu bitten, Ägypten und Syrien Panzer und Waffen zu schicken, um die verlorenen zu ersetzen. Arafat erzählte von den Verhandlungen zwischen Boumediene und den Sowjets zu dieser Zeit: „Sie sagten ihm, sie bräuchten mehr Zeit, und er sagte, wenn sie mit Zeit Geld meinten, dann würde Algerien zahlen. Er zahlte sofort 200 Millionen Dollar an die Sowjetunion, was heute 2 Milliarden Dollar entsprechen würde. Er zahlte, damit die Sowjetunion die Lieferung von Waffen an Ägypten und Syrien beschleunigte. Das kann niemand vergessen.

Nach der Naksa (Niederlage) von 1967 erklärte Boumediene: 

„Die Geschichte wird uns als Verräter und Verlierer verurteilen […] wenn wir die Niederlage akzeptieren […]. Die arabische Nation wird nicht in die Knie gehen. Wenn Israel denkt, dass es den Sinai, den Golan und das Westjordanland erobert hat, weiß es, dass die arabische Tiefe bis nach Algerien reicht … Algerien kann die Niederlage nicht akzeptieren. Setzt die arabische Nation all ihre enormen menschlichen Ressourcen ein? Setzt sie all ihre enormen physischen Energien ein, die sie heute hat, […] um zu sagen, dass sie die Schlacht verloren hat. … Die Schlacht ist nicht nur eine palästinensische Schlacht. Es ist wahr, dass wir geografisch weit weg sind, aber wir haben eine Rolle zu spielen.“ (Boumaza 2015)

Die von Boumediene entsandten algerischen Truppen blieben bis zum arabisch-israelischen Krieg von 1973 in Ägypten, um dessen Grenzen zu verteidigen, und kämpften an der Seite palästinensischer Truppen an der Suez-Front. 

Schließlich zeigte sich die aktive Unterstützung Algeriens für den palästinensischen Befreiungskampf auch in der Wahl seiner Hauptstadt Algier als Ort für die Unabhängigkeitserklärung des Staates Palästina im November 1988, die auf der 19. Sitzung des palästinensischen Nationalrates verkündet wurde. 

Jeden Tag gibt es in Gaza ein neues Kham Thien

Wie Palästina und Algerien blicken auch Palästina und Vietnam auf eine lange Geschichte der Brüderlichkeit zurück. Der vietnamesische Befreiungskampf, der sich zunächst gegen Frankreich und dann gegen die Vereinigten Staaten richtete, inspirierte die Palästinenser in ihrem Kampf gegen die israelische Besetzung ihres Landes. 

Eine der Gemeinsamkeiten des palästinensischen und des vietnamesischen Kampfes ist die Verwendung von Tunneln als Guerillataktik gegen eine überlegene und besser ausgerüstete Armee. Vielleicht inspiriert durch den Einsatz von Tunneln durch die chinesischen Kommunisten gegen die japanischen Invasoren, begannen die Vietnamesen in den 1940er Jahren mit dem Bau ihres ausgedehnten Tunnelnetzes, um sich vor den französischen Kolonialtruppen zu verstecken und Angriffe auf sie zu starten. Die 150 Meilen langen Cu-Chi-Tunnel, die sich nordwestlich von Saigon (Ho-Chi-Minh-Stadt) befinden, waren ein strategischer Stützpunkt für die kommunistischen Guerillatruppen, die als Vietcong bekannt sind. Sie spielten eine entscheidende Rolle im Widerstand gegen den amerikanischen Krieg gegen Vietnam und dienten unter anderem als Operationsbasis für die Tet-Offensive im Jahr 1968. Heute nutzen sowohl die palästinensische als auch die libanesische Widerstandsbewegung Tunnel in ihrem Kampf gegen Israel. Die Tunnel im Gazastreifen dienen als Basis für den palästinensischen Widerstand, der damit dem israelischen Militär erhebliche Verluste zufügen konnte. 

Eine weitere Parallele zwischen den Erfahrungen Palästinas und Vietnams ist das Ausmaß der Zerstörung durch ihre mächtigen Unterdrücker. Für die Vietnamesen erinnert an die US-Bombenangriffe die heutige Zerstörung des Gazastreifens durch Israel von 1972. Der damalige US-Präsident Richard Nixon befahl die Bombardierung der nordvietnamesischen Hauptstadt Hanoi über Weihnachten 1972. Ab dem 18. Dezember wurden an 12 aufeinanderfolgenden Tagen und Nächten rund 20 000 Tonnen Bomben auf Hanoi, die geschäftige nördliche Hafenstadt Hai Phong und andere Orte abgeworfen. Der Stadtteil Kham Thien in Hanoi wurde am stärksten verwüstet. 

Diese Verbindungen zwischen Israels völkermörderischem Krieg gegen den Gazastreifen und dem Krieg der USA gegen Vietnam werden nun von jungen vietnamesischen Aktivisten klar artikuliert, um die palästinensische Sache einem neuen Publikum näher zu bringen (Dang 2024). Die historischen Anklänge an die beiden Kriege, einschließlich der Bilder von der Zerstörung städtischer Zentren (Gaza und Kham Thien), sowie die gewalttätigen Drohungen der Aggressorstaaten – Israel erklärte, es werde „Gaza plattmachen“, und die USA erklärten, sie würden „Nordvietnam in die Steinzeit zurückbomben“ – sind Teil eines Reservoirs gemeinsamer Symbole, die auf eine gemeinsame Geschichte von Kolonialkriegen und antikolonialem revolutionärem Widerstand verweisen. Diese gemeinsamen Erfahrungen schüren ein neues Gefühl der transnationalen Solidarität zwischen den ehemals unterdrückten und den gegenwärtig unterdrückten Völkern. 

Diese Solidarität, die jetzt erneuert wird, reicht eigentlich schon viele Jahre zurück: Während des Kalten Krieges und bis in die 1990er Jahre hinein unterstützte Vietnam das palästinensische Volk und seinen Befreiungskampf ohne Unterlass. Dies ist zweifellos auf die Überzeugung der vietnamesischen Führung zurückzuführen, dass die palästinensische Sache ihren eigenen Kampf um Vereinigung und Unabhängigkeit gegen ausländische Mächte widerspiegelt. Die PLO nahm 1968 Beziehungen zu Nordvietnam auf und richtete nach dem Ende des Krieges in Vietnam 1975 eine ständige Vertretung ein. Dieses Büro wurde bald zur Botschaft Palästinas in Vietnam. In den 1990er Jahren empfing Vietnam bei vielen Gelegenheiten palästinensische Führer, darunter auch Jassir Arafat. Auf palästinensischer Seite fasste der palästinensische Dichter Mahmoud Darwish 1973 das Band der Freundschaft zwischen den beiden Ländern zusammen, als der Krieg in Vietnam mit der Unterzeichnung des Pariser Friedensabkommens in seine letzte Phase trat: „Im Bewusstsein der Völker der Welt ist die Fackel von Vietnam an uns weitergereicht worden“. Die PLO gehörte zu der kleinen Minderheit von Gruppen und Ländern des Globalen Südens, die China für seine Invasion in Vietnam im Jahr 1979 offen verurteilten.

Der Kampf ist lang, und der Weg ist hart

„Wenn die Gefängnistüren geöffnet werden, wird der echte Drache herausfliegen“. Ho Chi Minh (Minh 1967)

„Ein Freiheitskämpfer lernt auf die harte Tour, dass es der Unterdrücker ist, der die Art des Kampfes bestimmt, und dem Unterdrückten bleibt oft nichts anderes übrig, als Methoden anzuwenden, die denen des Unterdrückers entsprechen.“ Nelson Mandela (Mandela 1994).

In den vorangegangenen Abschnitten habe ich argumentiert, dass der palästinensische Befreiungskampf in die lange Geschichte der antikolonialen/anti-imperialistischen/anti-Apartheid-Kämpfe und der Dekolonisierung eingeordnet werden muss, einschließlich der Befreiungskämpfe von Haiti, Vietnam, Kuba, Algerien, Guinea-Bissau, Kap Verde und Südafrika. Es handelt sich also um einen Kampf, der unterstützt und nicht verteufelt werden sollte. Aber wie Edward Said einmal schrieb: „Palästina ist die grausamste, am schwierigsten zu vertretende Sache, nicht weil sie ungerecht ist, sondern weil sie gerecht ist und es dennoch gefährlich ist, darüber zu sprechen…“ Dennoch können wir es uns in diesen Zeiten des Völkermords nicht leisten zu schweigen: Wir müssen so ehrlich und konkret wie möglich über Palästina sprechen.

Die Entkolonialisierung Palästinas würde das Ende der Besatzung, die Beseitigung des Apartheidregimes und die Zerschlagung Israels als siedlungskoloniales Projekt bedeuten. Alle antikolonialen Revolutionäre (unabhängig von ihrer Ideologie, ob kommunistisch, nationalistisch, religiös-konservativ usw.) wurden von den Kolonisatoren und Unterdrückern als Terroristen, Wilde und Barbaren bezeichnet. Und alle Kolonialmächte haben auf Widerstandsaktionen der Unterdrückten und Kolonisierten mit Grausamkeit und Unmenschlichkeit reagiert. Es ist daher an der Zeit, dass wir aufhören, eine falsche Gleichsetzung zwischen der legitimen Gewalt (und dem Recht auf Widerstand) der Unterdrückten und Kolonisierten (die für ihre eigene Befreiung kämpfen) und der unendlich größeren Gewalt der Unterdrücker und Kolonisatoren, die ausschließlich zur Durchsetzung eines ungerechten und grausamen Status quo eingesetzt wird, zu unterhalten. Der guayanische Revolutionär Walter Rodney hat dies in den folgenden kraftvollen Worten ausgedrückt: 

„Uns wurde gesagt, dass Gewalt an sich böse ist, und dass sie, unabhängig von der Ursache, moralisch nicht gerechtfertigt ist. Nach welchen moralischen Maßstäben kann die Gewalt, die ein Sklave anwendet, um seine Ketten zu sprengen, mit der Gewalt eines Sklavenhalters gleichgesetzt werden? Nach welchen Maßstäben können wir die Gewalt der Schwarzen, die vier Jahrhunderte lang unterdrückt, unterdrückt, unterdrückt und unterdrückt wurden, mit der Gewalt der weißen Faschisten gleichsetzen? Gewalt, die auf die Wiedererlangung der Menschenwürde und auf Gleichheit abzielt, kann nicht mit demselben Maßstab beurteilt werden wie Gewalt, die auf die Aufrechterhaltung von Diskriminierung und Unterdrückung abzielt.“ (Rodney 1969)

Trotz all des Schreckens, der apokalyptischen Zerstörung und des Massenmordes, die der völkermörderische Angriff Israels auf den Gazastreifen im vergangenen Jahr mit sich brachte, hat die palästinensische Befreiungsbewegung mit den Al-Aqsa-Anschlägen auf Toufan am 7. Oktober etwas eingeleitet, was als der Anfang vom Ende des israelischen Siedler-Kolonialregimes angesehen werden könnte (Pappé 2024). Darüber hinaus sind die Widerstandskräfte trotz der gezielten Ermordung von Hamas- und Hisbollah-Führern intakt und auf dem Schlachtfeld unerschütterlich. Auch wenn es noch zu früh ist, um dies mit Sicherheit sagen zu können, könnte sich das, was sich derzeit in Palästina und im Libanon abspielt, wie die Ereignisse vom 8. Mai 1945 in Algerien als die erste Episode eines langwierigen Volkskriegs zur Zerschlagung einer Siedlerkolonie erweisen. Die Hamas hat den Mythos von der Unbesiegbarkeit Israels zerstört und behauptet sich durch ihren heldenhaften Widerstand im Gazastreifen gerade jetzt als Anführerin des palästinensischen Widerstands gegen Besatzung, Apartheid und Siedlerkolonialismus, was ihr große Sympathien in der gesamten arabischen Welt und darüber hinaus einbringt. Der sich abzeichnende asymmetrische Krieg ist nicht einfach ein Krieg zwischen der Hamas und Israel, sondern ein palästinensischer Befreiungskrieg. Er ist auch bereits ein regionaler Krieg, denn Israel und seine westlichen Verbündeten (vor allem die USA und das Vereinigte Königreich) kämpfen mit unterschiedlicher Intensität an fünf Fronten: Gaza/Westjordanland, Libanon, Jemen, Irak/Syrien und Iran.

Wir müssen daran denken, dass der bewaffnete Kampf unter bestimmten Bedingungen notwendig ist, und das ist der Fall für das besetzte Palästina in seinem Kampf gegen den zionistischen Siedlerkolonialismus. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, den bewaffneten Kampf einem breiteren Spektrum revolutionärer Politik unterzuordnen, um sicherzustellen, dass er in der Wahl seiner Ziele nicht willkürlich oder zufällig wird. In einem solchen Ansatz kann der bewaffnete Kampf als ein Instrument zur Mobilisierung politischer Unterstützung verstanden werden und nicht als eine Taktik, die potenzielle Verbündete abstößt oder verprellt. Effizienter Widerstand, wie ihn der pakistanische Revolutionsgelehrte Eqbal Ahmad sah, erfordert daher eine flexible Strategie, die je nach Position des Gegners und dem breiteren politischen Kontext verschiedene militante und politische Taktiken miteinander kombiniert. In diesem Verständnis sollten Gewalt und Gewaltlosigkeit nicht als sich gegenseitig ausschließende Strategien betrachtet werden, die in einem binären Gegensatz zueinander stehen, und bei denen sich die unterdrückten Völker für das eine oder das andere entscheiden müssen. Daher muss unsere Analyse politischer Gewalt abweichen von den rein normativen/moralischen Gründen, auf denen einige linke Verurteilungen der Gewalt der Hamas beruhen. Außerdem spiegelt die Ablehnung des antikolonialen Widerstands, weil er islamistisch ist, die tief verwurzelte Geißel der Islamophobie wider, die leider von einigen Teilen der euro-amerikanischen Linken verinnerlicht wurde.

Seit ihren Anfängen hat die palästinensische Befreiungsbewegung die Notwendigkeit des bewaffneten Widerstands gegen ein grausam gewalttätiges Kolonial-, Apartheid- und Besatzungsregime erkannt. Gleichzeitig weiß sie, wie ihre Brüder und Schwestern in Algerien und Vietnam, dass es eine unüberwindbare Aufgabe ist, eine hochentwickelte Militärmacht (die vom imperialistischen Block unter Führung der USA unterstützt wird) militärisch zu besiegen. Um erfolgreich zu sein und seine Ziele zu erreichen, muss der bewaffnete Kampf der Palästinenser daher fest in eine umfassendere revolutionäre politische Strategie eingebettet sein und von einer vereinigten antikolonialen Front geführt werden. 

Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptung lässt sich am Beispiel Algeriens und insbesondere an der Vorgehensweise von Abane Ramdane verdeutlichen. Ramdane, der als Architekt des algerischen Unabhängigkeitskampfes bezeichnet wird, arbeitete daran, die verschiedenen politischen und militärischen Strukturen der algerischen Revolution zu organisieren und eine stärkere Einheitsfront in Zusammenarbeit mit anderen politischen Kräften zu schaffen, insbesondere durch den Kongress von Soummam im August 1956 (Harbi 2024). Es war Ramdane, der zusammen mit anderen Waffenbrüdern den Vorrang der politischen Aktion vor militärischen Operationen betonte, aber es war auch Ramdane, der darauf bestand, den Krieg in der Schlacht von Algier in die Hauptstadt Algier zu tragen. Die algerische FLN gewann den Krieg gegen die Franzosen zwar nicht militärisch, aber sie gewann die entscheidenderen politischen und diplomatischen Schlachten, indem sie das französische Kolonialregime isolierte und delegitimierte und auf der internationalen Bühne starke Allianzen bildete, u. a. auf der Konferenz von Bandung 1955, auf panafrikanischen Foren, in Europa und in der UN-Generalversammlung in den folgenden Jahren. 

Offensichtlich hat sich der weltpolitische Kontext seit den 1950er und 1960er Jahren dramatisch verändert. Wir leben nicht mehr in der Ära der nationalen Befreiung und des Dritte-Weltismus. Viel schlimmer noch, wir leben in einer Ära, in der das Völkerrecht von den Mächtigen offen mit Füßen getreten wird und in der das westliche liberale Establishment der Menschenrechte und der Demokratie (politisch, intellektuell, kulturell und medial) vor unseren Augen zusammenbricht und sein wahres völkermörderisches und weiß-supremistisches Gesicht zeigt. Auf der regionalen Ebene sieht es nicht besser aus: Palästina ist von reaktionären und verräterischen arabischen Regimen umgeben, die die palästinensische Sache an die USA und Israel verkauft haben. Dieses äußerst schwierige Klima muss berücksichtigt werden, wenn es darum geht, eine wirksame politische Strategie zu entwerfen, die die palästinensischen antikolonialen Kräfte vereinen und revolutionäre Aufgaben auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene wirksam artikulieren kann. Als Teil einer solchen mehrstufigen Strategie ist die Stärkung der Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbemühungen (BDS) von größter Bedeutung.

Gaza hat die Welt wachgerüttelt, und Palästina ist zum entscheidenden Kampf unserer Zeit geworden. Palästina ist der Lackmustest für progressive Bewegungen und Organisationen, und es ist auch ein Test für jeden einzelnen von uns. Wie Adam Hanieh überzeugend dargelegt hat, ist der Kampf für die Befreiung Palästinas nicht nur eine moralische Frage und eine Frage der Menschenrechte: Er ist im Grunde ein Kampf gegen den US-geführten Imperialismus und den globalen fossilen Kapitalismus,  denn die beiden Säulen der US-Hegemonie in der Region und darüber hinaus sind Israel, eine euro-amerikanische Siedlerkolonie, und die reaktionären, an fossilen Brennstoffen reichen Golfmonarchien, die ein wichtiger Knotenpunkt des globalen fossilen Kapitalismus sind. Palästina ist somit eine globale Front gegen Kolonialismus, Imperialismus, fossilen Kapitalismus und weiße Vorherrschaft. In dieser Hinsicht ist der Erfolg der (wenn auch vorerst unterdrückten und besiegten) Kämpfe zum Sturz der regionalen reaktionären arabischen Regime – vor allem der Golfmonarchien sowie Ägyptens und Jordaniens – für den Sieg des palästinensischen Kampfes von wesentlicher Bedeutung. Gleichzeitig hat der völkermörderische Krieg Israels über die Leere der auf Regeln basierenden internationalen (Un-)Ordnung hinaus auch den moralischen und politischen Bankrott der arabischen Regime offenbart, von denen einige nur gestikulieren, während sie nichts tun, und von denen einige sich aktiv an den zionistischen Verbrechen beteiligen (insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und Marokko). Diese Tatsache ist den arabischen Bevölkerungen im letzten Jahr deutlich vor Augen geführt worden. Dies könnte ihre Entschlossenheit stärken, diese Regime in den kommenden Jahren zu stürzen (man erinnere sich an die Slogans der sudanesischen und algerischen Revolutionen von 2018 und 2019: „Lasst sie alle fallen“).

Die hartnäckigen Versuche der Franzosen und ihrer Verbündeten, die imperiale Linie in Indochina in den 1940er und 1950er Jahren zu halten, um ihre Positionen in Afrika zu verteidigen, spiegeln sich heute in den Aktionen der USA wider, Israels und ihrer Verbündeten, um die imperiale Linie in Palästina und der weiteren Region des Nahen Ostens gegen die Achse des Widerstands, vertreten durch die Islamische Republik Iran, die Hisbollah und ihre Schwesterorganisationen im libanesischen Widerstand, neben der Hamas und ihren Partnern im palästinensischen Widerstand, sowie durch Ansar Allah (bekannt als die Houthis) in der jemenitischen Regierung und eine Reihe irakischer Widerstandsgruppen, zu wahren. Damit wird klar, dass es für antiimperialistische Kräfte weltweit von größter strategischer Bedeutung ist, den Imperialismus in Palästina und im Nahen Osten zu schlagen, um der Weltrevolution zu dienen, um die eingangs zitierten Worte des palästinensischen revolutionären Intellektuellen, Dichters und politischen Aktivisten Ghassan Kanafani zu verwenden.

Mein Ziel in diesem Beitrag war es nicht, die verschiedenen Revolutionen und Kräfte des antikolonialen Widerstands unkritisch zu verherrlichen oder zu romantisieren, da sie alle ihre eigenen Probleme, Widersprüche, Unzulänglichkeiten und Versäumnisse hatten. Darüber hinaus verweisen die „postkolonialen“ Realitäten in den „unabhängigen“ Ländern, die im Mittelpunkt dieser Lektüre stehen, auf die Fallstricke des Nationalbewusstseins und den Bankrott bestimmter nationaler Bourgeoisien, die von Fanon in seinem Werk „Die Verdammten der Erde“ meisterhaft beschrieben wurden. Anstatt jedoch eine nihilistische Haltung einzunehmen und diese revolutionären Bemühungen im Nachhinein als nicht lohnenswert zu erklären, müssen wir Revolutionen als fortlaufende, langfristige Prozesse mit einem Auf und Ab betrachten und nicht als Ereignisse, die entweder zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgreich sind oder scheitern. 

Für eine angemessene materialistische Bewertung revolutionärer Kämpfe ist es auch wichtig, gleichzeitig die nationalen, regionalen und internationalen Dimensionen solcher Kämpfe zu berücksichtigen. Die transnationale Solidarität zwischen unterdrückten und kolonisierten Völkern war und ist eine treibende Kraft bei der Veränderung der Welt. Gegenwärtig erleben wir die Kraft und Bedeutung einer solchen Süd-Süd-Solidarität in Form des Engagements der Länder des Südens für die palästinensische Sache und der Bemühungen, das kriminelle Siedlerregime Israels zu isolieren. Die Klage Südafrikas gegen Israel wegen Verletzung der Völkermordkonvention vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) ist eine dieser Bemühungen, und sie ist eine historische Entwicklung: Afrikanische Männer und Frauen (mit ihren Verbündeten) rütteln an der Vorherrschaft der Weißen und am Kolonialismus und kämpfen, um es mit den Worten der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese zu sagen, „für die Rettung der Menschheit und des internationalen Rechtssystems gegen die rücksichtslosen Angriffe, die vom Großteil des Westens unterstützt/ermöglicht werden“. Sie dabei zu beobachten, wie sie diesen Kampf führen, „wird eines der prägenden Bilder unserer Zeit bleiben. … [es] wird Geschichte machen, was auch immer passiert.“

 In Den Haag sahen wir, wie Vertreter der Nation, die unter der Apartheid litt und sie besiegte, für grundlegenden menschlichen Anstand, Gerechtigkeit und Solidarität eintraten und einem anderen Volk die Hand reichten, das kolonialer Unterdrückung und Völkermord ausgesetzt ist und sich dagegen wehrt, während es seine Rechte auf Freiheit und Gerechtigkeit einfordert. Der Süden (ungeachtet seiner Unvollkommenheiten und Widersprüche) erteilt dem „menschenrechts- und demokratieliebenden“ Norden eine Lektion in politischer Moral. Mit ihrem Handeln ehren die Erben Mandelas sein Andenken und unterstreichen die Wahrheit seiner Worte: „…wir wissen nur zu gut, dass unsere Freiheit ohne die Freiheit der Palästinenser unvollständig ist.“ 

Viele Länder des globalen Südens unterstützen den Fall Südafrikas. Dazu gehören die Türkei, Indonesien, Jordanien, Brasilien, Kolumbien, Bolivien, Pakistan, Namibia, die Malediven, Malaysia, Kuba, Mexiko, Libyen, Ägypten, Nicaragua, die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (mit 57 Mitgliedern) und die Arabische Liga (mit 22 Mitgliedern). Im Gegensatz dazu unterstützen die westlichen Mächte (die USA, das Vereinigte Königreich, Kanada und Deutschland) Israel. Deutschland wurde von Namibia, seiner ehemaligen Kolonie, heftig gerügt, weil es Israels Völkermord in Gaza verteidigt und nicht aus seiner mörderischen Geschichte gelernt hat, in der es zwei Völkermorde im 20. Jahrhundert beging (Der Genozid an den Herero und Nama in Namibia und der Holocaust in Europa). Außerdem haben Chile und Mexiko den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) aufgefordert, die von Israel in Gaza begangenen Kriegsverbrechen zu untersuchen. Dies und die Tatsache, dass ein Dutzend Länder ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel abgebrochen haben und Kolumbien (und möglicherweise Südafrika) den Export von Kohle nach Israel verbieten wollen, zeigt eine klare Trennlinie zwischen Nord und Süd (wenn auch mit einigen unhaltbaren Widersprüchen, vor allem, wenn es um Länder wie Jordanien und Ägypten geht). Diese Entwicklungen verstärken den Trend zu einer multipolaren Welt, in der sich der Süden politisch und wirtschaftlich durchsetzt. Wir befinden uns zwar noch nicht in einer neuen Bandung-Phase, aber dieser historische Wendepunkt wird den (zumindest ideologischen) Niedergang des US-geführten Imperiums beschleunigen und seine Widersprüche verschärfen.

Die Anhörungen vor dem IGH und die darauffolgenden Entwicklungen stellen eine ernsthafte Herausforderung für die weiße Welt (in der weiß nicht nur eine rassische Kategorie, sondern auch eine ideologische Konstruktion ist), das westliche Establishment, ihr bröckelndes Gebäude der „Menschenrechte“ und ihren „Universalismus“ dar und könnten den Zusammenbruch der internationalen „regelbasierten“ (Un)Ordnung beschleunigen. Es ist ganz offensichtlich, dass die westliche/nördliche bürgerliche Demokratie eine tiefe (wenn nicht gar tödliche) Legitimationskrise durchmacht und dass ihre globale Hegemonie (im Gramscianischen Sinne) schwindet. Dies erklärt die eindeutige Hinwendung zu und die zunehmende Abhängigkeit von Krieg und die Verfestigung einer militaristischen/genozidalen Logik. Der Kapitalismus-Imperialismus tritt in sein offenes, barbarisches Stadium ein. Wie Gramsci schrieb: „Das Alte stirbt, und das Neue kann nicht geboren werden; in diesem Interregnum zeigen sich die verschiedensten Krankheitssymptome.“

In einer Zeit, in der das internationale politische und wirtschaftliche System eher seine Opfer als diejenigen, die es aufrechterhalten, beschuldigt, jegliche Aufmerksamkeit von den Mechanismen der Herrschaft ablenkt und auf kulturalistische (oft rassistische) Erklärungen für sein Versagen zurückgreift, ist es für uns von entscheidender Bedeutung, uns in revolutionäre und fortschrittliche Projekte und Erfahrungen aus der Vergangenheit zu vertiefen. Wir brauchen eine solche Zielklarheit, um einen Bruch mit der langen Geschichte von Ausbeutung, Gewalt und Ungerechtigkeit zu schaffen, die die Mehrheit des Planeten erduldet. Dies kann uns auch helfen, die Propaganda eines versklavenden Systems zu überwinden, das seine Ketten und Fesseln durch wohlwollende Phrasen wie die „unsichtbare Hand des Marktes“, die „glückliche Globalisierung“, die humanitäre Schutzverantwortung“ oder „Israel hat das Recht, sich zu verteidigen“ verschleiert.

Es wird immer deutlicher, dass die unterdrückte Mehrheit nicht länger in einem System atmen kann, das die Menschen entmenschlicht, ein System, das die Überausbeutung festschreibt, ein System, das die Natur und die Menschheit beherrscht, ein System, das massive Ungleichheit und unsägliche Armut erzeugt, ein System, das zu Krieg und Militarisierung neigt und ökologische Zerstörung und Klimachaos verursacht. Glücklicherweise finden auf allen Kontinenten und in allen Regionen Revolten und Rebellionen statt, die von Grund auf antisystemisch sind. Aber damit diese episodischen und weitgehend geografisch begrenzten Widerstandsaktionen erfolgreich sind, müssen sie über das Lokale hinausgehen und das Globale erreichen; sie müssen dauerhafte Bündnisse gegen Kapitalismus, Kolonialismus/Imperialismus, Patriarchat und weiße Vorherrschaft schaffen.

Können die verschiedenen zeitgenössischen Kämpfe – von den arabischen, afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Aufständen bis hin zu Black Lives Matter, dem Widerstand indigener Gemeinschaften und der Arbeiterbewegung, und von den Bewegungen für Klimagerechtigkeit, Ernährungssouveränität und Frieden bis hin zu den Studentenlagern, Antifaschismus/Antirassismus und dem palästinensisch-libanesischen Widerstand – zusammenkommen und starke globale Allianzen bilden, die ihre eigenen Widersprüche und blinden Flecken überwinden? Können sie einen neuen Moment einleiten, in dem wir die kolonialen Grundlagen unserer gegenwärtigen Lage in Frage stellen und unsere Politik, Wirtschaft, Kultur und Erkenntnistheorie wirklich dekolonisieren? Ein solches Ziel ist nicht nur möglich, sondern notwendig, und transnationale Solidaritäten und Allianzen sind im globalen Kampf für die Emanzipation der Verdammten der Erde von entscheidender Bedeutung. Hier können wir uns von der Vergangenheit inspirieren lassen, indem wir die Zeit der Entkolonialisierung, Bandung, den Dritte-Weltismus, den Trikontinentalismus und ähnliche internationalistische Erfahrungen betrachten. 

Einige Geschichten werden ignoriert, andere werden zum Schweigen gebracht, um bestimmte Hegemonien aufrechtzuerhalten und eine inspirierende Ära revolutionärer Verbindungen zwischen Befreiungskämpfen auf verschiedenen Kontinenten zu verbergen. Wir müssen in der Vergangenheit graben, um uns mit diesen Geschichten vertraut zu machen, aus ihnen zu lernen und einige potenzielle Konvergenzen zwischen laufenden Kämpfen zu erkennen. Wir müssen uns zum Beispiel daran erinnern und daraus lernen, dass das unabhängige Algerien zu einem mächtigen Symbol des revolutionären Kampfes wurde und als Modell für verschiedene Befreiungsfronten in der ganzen Welt diente. Mit ihrer kühnen Außenpolitik wurde die algerische Hauptstadt in den 1960er und 1970er Jahren zu einem Mekka für Revolutionäre, wie bereits erwähnt. Es war Amilcar Cabral, der Revolutionsführer aus Guinea-Bissau, der 1969 am Rande des ersten Panafrikanischen Festivals in Algier auf einer Pressekonferenz verkündete: „Nehmt einen Stift und merkt euch: Die Muslime pilgern nach Mekka, die Christen in den Vatikan und die nationalen Befreiungsbewegungen nach Algier!“ Ebenso ist zu beachten, dass der Kampf Vietnams gegen den US-Imperialismus in den 1960er-Jahren auch die fortschrittlichen Bewegungen anspornte und den Aufschwung einer weltweiten sozialen Revolte beeinflusste, die zu den Protesten von 1968 führte. 

Es ist diese globale Perspektive auf unsere Kämpfe, die wir hervorheben müssen, um die vielen Zwänge und Beschränkungen, die unseren Bewegungen auferlegt werden, zu überwinden und einen radikalen Internationalismus anzunehmen, der die Solidarität aktiv fördert. Wir müssen unbedingt das revolutionäre Erbe der arabischen Welt, Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und des globalen Südens wiederentdecken, das in den Taten und Worten großer Köpfe wie George Habash, Mahdi Amel, Frantz Fanon, Amilcar Cabral, Thomas Sankara, Walter Rodney, Ghassan Kanafani, Samir Amin, Che Guevara, Ho Chi Minh und Mao Zedong, um nur einige zu nennen, zum Ausdruck kommt. Wir müssen die ehrgeizigen Projekte der 1960er Jahre wiederbeleben, die die Emanzipation vom imperialistisch-kapitalistischen System zum Ziel hatten. Auf diesem revolutionären Erbe aufzubauen, sich von seiner aufständischen Hoffnung inspirieren zu lassen und seine internationalistische Perspektive auf den aktuellen Kontext anzuwenden, ist für Palästina und andere emanzipatorische Kämpfe auf der ganzen Welt von größter Bedeutung. 

Im Schlusswort von Die Verdammten schrieb Fanon:

Kommt also, Genossen, es wäre gut, wenn wir uns sofort entschließen würden, unseren Weg zu ändern. Wir müssen die schwere Dunkelheit, in die wir getaucht waren, abschütteln und sie hinter uns lassen. Der neue Tag, der bereits angebrochen ist, muss uns fest, klug und entschlossen machen. … Vergeuden wir keine Zeit mit sterilen Litaneien und ekelerregender Mimikry. Verlassen wir dieses Europa, in dem sie nie aufhören, vom Menschen zu reden, und doch Menschen ermorden, wo immer sie sie finden, an jeder Ecke ihrer eigenen Straßen, in allen Ecken der Welt. … Kommt also, Genossen, das europäische Spiel ist endgültig zu Ende; wir müssen etwas anderes finden. Wir können heute alles tun, solange wir Europa nicht imitieren, solange wir nicht von dem Wunsch besessen sind, Europa einzuholen. … Für Europa, für uns selbst und für die Menschheit, Genossen, müssen wir ein neues Blatt aufschlagen, wir müssen neue Konzepte ausarbeiten und versuchen, einen neuen Menschen auf den Weg zu bringen. (Fanon 1967)

In diesem Sinne ist es von größter Bedeutung, die Aufgaben der Entkolonialisierung und der Loslösung vom imperialistisch-kapitalistischen System fortzusetzen, um unsere verleugnete Menschlichkeit wiederherzustellen. Durch den Widerstand gegen die koloniale und kapitalistische Logik der Aneignung und Ausbeutung werden neue Imaginationen und gegenhegemoniale Alternativen entstehen. Lasst uns nicht aufgeben. Und, um ein berühmtes Sprichwort zu paraphrasieren, das vielen Muslimen vertraut ist, lasst uns für einen radikalen Wandel arbeiten, als ob es eine Ewigkeit dauern würde, ihn zu verwirklichen, aber den Boden dafür vorbereiten, als ob er schon morgen stattfinden würde.

Wie die Revolutionäre auf dem Panafrikanischen Festival von Algier 1969 sangen: „Nieder mit dem Imperialismus, nieder mit dem Kolonialismus! Kolonialismus, wir müssen kämpfen, bis wir siegen! Imperialismus, wir müssen kämpfen, bis wir siegen!

Dem können wir hinzufügen: „Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein!“

Hamza Hamouchene
Hamza Hamouchene ist ein algerischer Forscher und Aktivist. Derzeit ist er Programmkoordinator für die arabische Region beim Transnationalen Institut (TNI). Er ist der Autor/Herausgeber von vier Büchern: Dismantling Green Colonialism: Energy and Climate Justice in the Arab Region (2023), The Arab Uprisings: A Decade of Struggles (2022), The Struggle for Energy Democracy in the Maghreb (2017) und The Coming Revolution in North Africa: Der Kampf um Klimagerechtigkeit (2015).

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Anmerkungen der KO:

  1. Leichte Infanterie der französischen Armee. ↩︎
  2. Französischer Diplomat.  ↩︎
  3. Zurückführung von Kriegsgefangenen in die Heimat. ↩︎