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Reinhard Funk (MLPD): Die Sackgasse des kleinbürgerlichen Nationalismus eines Noel Bamen

Redaktionelle Einleitung:  Im März diesen Jahres hat der Genosse Noel Bamen eine Kritik an den „Grundlinien der Positionierung zum palästinensischen Befreiungskampf“ der MLPD formuliert. Dabei ging es ihm nicht allein um die MLPD, sondern um falsche Positionen, die in der deutschen Linken und der kommunistischen Bewegung weit verbreitet sind. Nun hat Reinhard Funk von der MLPD eine Antwort verfasst.

Zunächst einmal folgt Funk in seinem Text den Positionen der MLPD konsequent und legt so offen, wohin sie letztlich führen: der Großteil des palästinensischen Widerstands wird genau wie der Iran als „faschistisch“ diffamiert; wer in diesen Kräften auch nur ansatzweise etwas Positives oder Progressives erkennt,  propagiert Funk zufolge eine „reaktionäre arabische Querfront-Politik“. Diese letzte Wortschöpfung kannten wir bislang vor allem von den sog. „Antideutschen“, genauso wie den ebenfalls von Funk erhobenen Vorwurf, der Genosse Noel würde den Holocaust „ignorieren“. Davon abgesehen vertritt die MLPD allerdings viele falsche Positionen, die in der kommunistischen und linken Palästina-Solidaritätsbewegung weit verbreitet sind. Sie liefert damit unfreiwillig ein praktisches Beispiel, wie diese nur allzu schnell dazu führen, die Palästinasolidarität ad absurdum zu führen – und sie bestätigt damit letztlich die von Noel in seinem Debattenbeitrag ausgesprochene Warnung.

Bedauerlicher Weise ist Funk offenbar nicht Willens, auf viele wichtige Punkte von Noel einzugehen. Es geht nicht darum, dass er die Positionen seiner Partei nicht auch argumentativ verteidigen kann. Allerdings pickt er sich lediglich einzelne Argumente von Noel heraus, um diese dann wortstark zu attackieren. Zudem verkürzt er dabei auch einige Aussagen. So wird etwa angedeutet, Noel leugne, dass es in Israel verschiedene Klassen gäbe, und es wird darüber hinweggegangen, dass er auf die systemischen Besonderheiten von Siedlerkolonien gegenüber (anderen) imperialistischen Zentren eingeht. Derlei Pappkameraden behindern die Debatte, statt sie voranzubringen. Wir können daher nur allen Lesern nahelegen, sich den Diskussionsbeitrag des Genossen Noel selbst durchzulesen und sich diesbezüglich nicht auf die Aussagen von Reinhard Funk und die von ihm angeführten Zitate zu verlassen.

Einen sehr zentralen Punkt, den Funk komplett umschifft, ist die Frage nach den linken Kräften in der palästinensischen Befreiungsbewegung: Noel fragt in seinem Text, wie die MLPD die bewaffneten Widerstandsformen der Palästinenser und vor allem von Kräften wie der Hamas und dem Islamischen Jihad als „faschistisch“ und „antisemitisch“ einstufen kann, wenn doch die linken Organisationen PFLP und DFLP auf dieselbe Art Widerstand leisten und zudem mit dem islamischen Widerstand zusammenarbeiten. Dass Funk die Antwort auf diese Frage schuldig bleibt, ist sehr bedauerlich, aber wohl kein Zufall.

Zuletzt: Es mag einige Leser verwundern, dass wir einen Text veröffentlichen, der derart voll von Beschimpfungen gegen den Genossen Noel und implizit auch gegen die KO ist. Wir kennen diese Ausfälle von der MLPD zur Genüge und halten sie für destruktiv.

Wir hoffen, dass die Antwort von Funk und der MLPD auch andere Akteure in der Bewegung animiert, sich einzubringen und die Debatte um die richtigen Positionen zur Palästinafrage aktiv, konstruktiv und solidarisch, aber auch scharf und zielorientiert voranzubringen.

Redaktion der Kommunistischen Organisation 

Diskussionsbeitrag von Reinhard Funk

Die MLPD veröffentlichte im November 2022 ihre „Grundlinien der Positionierung zum palästinensischen Befreiungskampf“.[i] Das Online-Magazin der neorevisionistischen Kommunistischen Organisation[ii] veröffentlichte dazu einen Beitrag von Noel Bamen unter der Überschrift: „Mit palästina-solidarischen Vorsätzen in die zionistische Hölle: Eine Kritik an den „Grundlinien“ der MLPD zum palästinensischen Befreiungskampf“. Dieser bezieht durchgängig konträre Position zu den Grundlinien des proletarischen Internationalismus, wie sie von Marx und Lenin entwickelt wurden und von der MLPD in ihrer Positionierung angewendet werden, attackiert diese und endet damit, sich mit faschistischen und faschistoiden Kräfte auszusöhnen und sich in die Hölle einer gefährlichen reaktionären arabischen Querfront-Politik zu begeben.

Ignoranz der konkreten geschichtlichen Entwicklung

Für Noel Bamen schließt sich die Anerkennung des Existenzrechts Israels und die Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf aus. In einer völligen Ignoranz der Geschichte im Verlauf des 20. Jahrhunderts versteigt er sich, die Haltung der MLPD zum Existenzrecht Israels demagogisch mit der Propaganda des Zionismus gleichzusetzen: „Wer vom ‘Existenzrecht’ Israels spricht, hat sich die Hälfte der zionistischen Agenda bereits zu eigen gemacht.“[iii] Das ist – natürlich ohne jeden Nachweis – an den Haaren herbeigezogen. Jeder, der die MLPD auch nur einigermaßen kennt, weiß, dass sie den Zionismus mit seiner rassistischen Theorie von den Juden als auserwähltes Volk wie jeden anderen Rassismus auf der Welt seit jeher und grundsätzlich bekämpft.

Noel Bamen zieht dazu eine unhistorische, gerade Linie von den zionistischen Bemühungen zur Eroberung und Besetzung Palästinas in den 1920er/1930er Jahren auf Grundlage der Balfour-Deklaration zu heute. Er bringt es fertig, die Tatsache des Völkermords an den Juden durch den Hitlerfaschismus weitgehend zu ignorieren – und welche Folgen das hatte. So behauptet er auch: „Das Judentum ist keine Nation; diese Behauptung ist nur ein völkischer Mythos der Antisemiten und der Zionisten“. Es grenzt schon an Geschichtsklitterung, wenn Noel Bamen in dem ganzen Kontext zur Gründung des Staates Israel den Zusammenhang zum Hitlerfaschismus mit seinem Massenmord an Juden, dem Terror in den Konzentrationslagern und Pogromen und die massenhaften Vertreibungen nicht einmal erwähnt, geschweige denn berücksichtigt. Und dass dies auch auf das ‘Schicksal’ und Nationalbewusstsein der Juden stark einwirkte.

Dazu wird im Buch „Die UdSSR und der Nahe Osten“ aus einer anderen Quelle Molotow folgendermaßen zitiert: „Außer uns waren alle dagegen (gemeint sind die übrigen Staaten in der Palästina-Frage, Verf.). Außer Stalin und mir. Es haben mich einige gefragt: Warum habt ihr das unterstützt? Wir sind Advokaten internationaler Freiheit. … In unserer Zeit, das ist richtig, waren und blieben die Bolschewiki gegen den Zionismus eingestellt. … Aber eine Sache ist es, gegen den Zionismus zu sein, (…) eine andere, gegen das jüdische Volk zu sein.“ (S. 114)[iv]

Mit der durchgängigen Bezeichnung von Israel als Siedlerkolonie und des Großteils der Israelis als Siedler und Zionisten werden von Noel Bamen die unterschiedlichen Klassen und Kräfte in Israel über einen Kamm geschoren, über die einschneidende Rolle des Holocaust hinweg gegangen und dazu der heutige Charakter Israels als imperialistischer Staat verkannt.

Die Juden waren noch nie und sind auch heute in Israel keine homogene Klasse, es gab in den verschiedenen Ländern immer Juden in der herrschenden Klasse ebenso wie Juden in der Arbeiterklasse. Nach dem Holocaust kamen Juden aus den unterschiedlichen Ländern und aus unterschiedlichen Klassen nach Israel, mit unterschiedlichen Weltanschauungen und Sprachen. Ein nicht geringer Teil waren Arbeiter, darunter auch Kommunisten. Die Zionisten waren eine Minderheit, Millionen Juden antizionistisch eingestellt. Dass die Zionisten, unterstützt von den USA, die Staatsführung in die Hand bekamen, ändert nichts daran, dass sich nach dem 2. Weltkrieg „insbesondere in Palästina ein jüdisches Volk herangebildet hatte, dessen Rechte nach dem Völkermord der Hitlerfaschisten entsprechend geschützt werden mussten. Insbesondere waren die dort lebenden Juden nicht mehr voneinander getrennt, nicht wirtschaftlich isoliert, standen in kulturellem Austausch untereinander, während sich eine gemeinsame Sprache erst herausbildete.

Diese zutreffenden Ansichten haben doch nichts mit einem „völkischen Mythos“ zu tun, wie Noel behauptet. Es gehört schon ein starker Dogmatismus, eine Abgebrühtheit gegenüber dem faschistischen Terror an Millionen Juden und eine große Abgehobenheit dazu, dies nicht wahrhaben zu wollen. 1947 in der UNO ging es nicht um abstrakte Auseinandersetzungen über den allgemeinen Charakter der jüdischen Nation und des jüdischen Volkes. Es ging um die Lösung eines konkreten äußerst komplizierten Problems in einem konkreten historischen Zusammenhang. Das wurde damals ausgehend von der damals noch sozialistischen Sowjetunion hervorragend gemacht.

Das Existenzrecht Israels anzuerkennen, bedeutet keinesfalls, die faschistoide Politik des imperialistischen israelischen Staates oder gar die israelische Besatzung anzuerkennen. Es bedeutet auch nicht den konkreten Status Israels mit den besetzten Gebieten und die in den Osloer Verträgen von der PLO-Führung unterzeichneten Abkommen anzuerkennen, weil dies die Anerkennung der völkerrechtswidrig geschaffenen Fakten und die israelische Besatzung anerkennt. Wir sind entschiedene Gegner der menschenverachtenden Politik des zionistischen, imperialistischen Staates Israel, die Millionen Palästinenser aus ihrem Land vertrieb und völkerrechtswidrig das Westjordanland einschließlich Ostjerusalem und dem Gazastreifen (sowie die Golanhöhen) besetzt hält. Die die palästinensische Bevölkerung brutal aus ihrem Land vertreibt, die Natur zerstört, den Menschen die Lebens- und Arbeitsgrundlagen entzieht, führende Repräsentanten des berechtigten Widerstands ermordet, ungeachtet zahlreicher ziviler Opfer und den berechtigten Kampf des palästinensischen Volkes staatsterroristisch mit brutaler Gewalt niederschlägt. Wir sind mit dem Kampf des palästinensischen Volkes um nationale und soziale Befreiung uneingeschränkt solidarisch. Aber man kann an die Frage des Existenzrechts Israels auch nicht so eklektizistisch herangehen und sie ignorant aus ihrem historischen Zusammenhang reißen.

Die Mär von der Kollektivschuld

Noel Bamen lässt sich pauschal über die israelischen Massen aus: „Diese Massen … sind, seit sie in Palästina sind, an der Besetzung, der Unterdrückung, der Ausbeutung und der Vertreibung der Palästinenser beteiligt. Ohne Ausnahme. Jeder Israeli lebt auf geraubten Land. Jeder Israeli muss Militärdienst leisten; … Bestenfalls schauen die „israelischen Massen“ dem Abschlachten der Palästinenser seit bald 100 Jahren gemütlich zu und profitieren davon;“ Das gipfelt in seiner Losung „Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf – nicht mit der ‘israelischen Arbeiterklasse’ “.

Das macht deutlich, wie Noel vollständig den proletarischen Klassenstandpunkt verlässt, der aber auch ein grundlegender Ausgangspunkt in der Beurteilung der nationalen Frage sein muss. Selbstverständlich gibt es eine starke nationale Unterdrückung der Palästinenser und eine besondere Ausbeutung und Unterdrückung der palästinensischen Arbeiter; werden zehntausende Arbeiter aus den palästinensischen Gebieten gezwungen, zu miserablen Bedingungen in Israel zu arbeiten.

Nur: Man muss schon große Scheuklappen haben, um die Klassenunterschiede auch in Israel und seinen imperialistischen Charakter zu übersehen. Die Armut wächst stark bei den arabischen Massen und der großen Anzahl von Migranten aus anderen Ländern, die in Israel leben und arbeiten, aber umfasst auch wachsende Teile der jüdischen Bevölkerung. Nach einer Studie (der Organisation Latet)[v] leiden über ein Viertel der Bevölkerung, 2,6 Millionen Israelis, unter Ernährungsunsicherheit und leben in ärmlichen Verhältnissen. 75,6 % der Senioren leben demnach de facto in Armut, während Forbes allein 2020 schon 17 Milliardäre zählte und allein das Vermögen der 10 reichsten Israelis 2023 auf 47,6 Milliarden anstieg.

Noels Betrachtung nimmt die herrschende Schicht in Israel aus der Schusslinie und dass die Macht in Israel beim allein herrschenden internationalen Finanzkapital liegt. So ist es doch ein schlechter Scherz, jeden zwangsrekrutierten Soldaten mit den imperialistischen zionistischen Drahtziehern der palästinensischen Unterdrückung in einen Topf zu werfen. Es ist auch nur schwer zu übersehen, dass es auch in Israel immer Menschen gab und gibt, die sich engagieren, kämpfen und selbst von Unterdrückung betroffen sind.

Mit der selben Logik könnte jeder Einwohner der USA als Profiteur der imperialistischen Politik der herrschenden Kreise der USA bezeichnet werden, der von der neokolonialen Ausbeutung anderer Ländern profitiert. Egal, ob er z.B. als Arbeiter ein Vielfaches an Werten schafft, als er als Lohn bekommt, also selbst ausgebeutet wird. Statt an dem Zusammenschluss der Arbeiterklasse in den imperialistischen Ländern mit dem Kampf der unterdrückten Massen in den neokolonialen Ländern zu arbeiten, werden so die Ausgebeuteten und Unterdrückten der Welt gegeneinander aufgebracht. Lenin schrieb dazu treffend: „Die Interessen der Arbeiterklasse erfordern die Verschmelzung der Arbeiter sämtlicher Nationalitäten eines Staates in einheitlichen proletarischen – politischen, gewerkschaftlichen, genossenschaftlichen, kulturellen usw. Organisationen. Nur eine solche Verschmelzung der Arbeiter der verschiedenen Nationalitäten in einheitlichen Organisationen gibt dem Proletariat die Möglichkeit, einen siegreichen Kampf zu führen gegen das internationale Kapital und gegen die Reaktion und ebenso auch gegen die Agitation und die Bestrebungen der Gutsbesitzer, Pfaffen und bürgerlichen Nationalisten aller Nationen, die ihre antiproletarischen Bestrebungen gewöhnlich unter der Flagge der „nationalen Kultur” durchsetzen.“[vi]

Die kleinbürgerlich-nationalistische Sichtweise verkennt vor allem völlig, was das eigentlich zu lösende Problem unter den Massen auch in Israel ist. So hat die jahrzehntelange zionistische systematische Beeinflussung und Hetze sicherlich tiefe Spuren in der israelischen Arbeiterschaft und den Massen hinterlassen. Diese hat eine materielle Seite in der bewusst betriebenen Spaltung durch die herrschende zionistische Kreise mit der besseren Bezahlung und Bevorzugung von jüdischen gegenüber den arabischen Menschen und Migranten. Vor allem aber gibt es ein umfassendes ausgeklügeltes System der bürgerlichen Meinungsmanipulation.

Für den klassenbewussten Arbeiter und erst recht für jeden, der sich Kommunist nennen will, ist dies kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen und und davor zu kapitulieren, sondern alles daran zu setzen, dass die Massen damit fertig werden, die Kräfteverhältnisse zu verändern und für die internationale Arbeitereinheit einzutreten. Aktuell sind Hunderttausende bei den größten Massenproteste gegen die weitere Rechtsentwicklung in Israel auf den Straßen. Das hat eine gesamtgesellschaftliche Krise und einen regelrechter Machtkampf hervorgebracht. Noel Bamen bringt es fertig, kein Wort zu diesen Massenprotesten zu verlieren, obwohl diese seit Anfang des Jahres 2023 anhalten. Ist es nicht überheblich, ihren Kampf gegen den Faschismus so abzutun? Natürlich sind unter diesen Protestierenden auch bürgerliche und reaktionäre Kräfte der bürgerlichen Opposition, die einen Teil der Monopole in Israel vertreten, die wir nicht unterstützen.

Aber vom subjektiven Standpunkt eines wesentlichen Teils der Massen hat diese Bewegung fortschrittlichen Charakter. Auch wenn bisher nur ein kleinerer Teil in den Protesten sich offen gegen die ankündigte bzw. eingesetzte neue Stufe der gewaltsamen Vorgehens gegen die Palästinenser richtet (Palästinian lives Matter), sollte es für jeden fortschrittlichen Menschen selbstverständlich sein, den demokratisch-antifaschistischen Kampf der Massen in Israel zu unterstützen und dabei dafür einzutreten, dass sich dieser zum Kampf gegen die Unterdrückung des palästinensischen Volkes erweitert und dass die perspektivische Lösung der Probleme im Kampf für den Sozialismus liegt.

Auch in Deutschland kennen wir die Losung von der „Kollektivschuld“, um von den wahren Verursachern abzulenken. Die MLPD schrieb dazu in dem Buch „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“: „Unter der heuchlerischen Flagge der ›Wiedergutmachung‹ der Verbrechen, die deutsche Faschisten am jüdischen Volk verübt haben, missbrauchen die Herrschenden heute die berechtigte Ablehnung des Antisemitismus, um die imperialistische Politik des Staates Israel zu rechtfertigen. Zynisch soll so der Völkermord an den Juden die brutale Unterdrückung des palästinensischen Volks rechtfertigen … Auch wenn die Kommunisten durch ihre Mitverantwortung für das Scheitern der antifaschistischen Einheitsfront gegen den Hitler-Faschismus nicht von Schuld freizusprechen sind, ist die bürgerliche Theorie der »Kollektivschuld« entschieden abzulehnen. Diese setzt Täter und Opfer gleich, nimmt das Finanzkapital als Drahtzieher des Hitler-Faschismus aus dem Schussfeld und verleugnet und diffamiert den mutigen und opferreichen Widerstand zahlloser Kommunisten, Sozialdemokraten und Christen“. (S. 249)

Fortschritt an der Seite des Irans? Ist der Kampf gegen Faschismus eine Spaltung des Widerstands?

Unter der Losung „Gegen die Spaltung und Diffamierung des palästinensischen Widerstands“ greift Noel Bamen die antifaschistische Haltung der MLPD und der Mehrheit der Solidaritätsbewegung mit dem palästinensischen Befreiungskampf an. Er warnt: „Wenn sich in Deutschland große Teile, wenn nicht gar die Mehrheit der Solidaritätsbewegung von Hamas und Jihad distanzieren, betreiben sie letztlich nichts anders als eine Spaltungspolitik. Damit spielen sie Israel und und dem deutschen Imperialismus … in die Hände. Man reibt sich die Augen: seit wann geht es faschistischen Kräften wie dem Jihad, die eng mit dem Iran verbunden ist, um die Befreiung des Volkes und gar gesellschaftlichen Fortschritt? In seiner Verblendung, Hauptsache gegen Israel – egal mit wem – geht Noel Bamen sogar so weit, einen „islamischen Staat“ ausdrücklich als Fortschritt zu bezeichnen. Dabei kann man im Iran sehen, wozu solche faschistischen Kräfte fähig sind und welche Folgen solch eine Fehleinschätzung haben kann.

Als der Schah und seine Getreuen 1979 angesichts der akut revolutionären Situation aus dem Land flüchteten, wurde Khomeini unterstützt von der französischen Regierung eingeflogen. Er täuschte die Massen mit religiösen Phrasen, griff soziale Forderungen zum Schein auf, sprach von Revolution und der „islamischen Republik der Armen“. Besonders wetterte er gegen den verhassten US-Imperialismus und verwirrte dadurch auch Revolutionäre und Linke, die ihn für einen Antiimperialisten hielten. Die revisionistische Tudeh-Partei rief sogar zur einer Volksabstimmung am 30. März 1979, zum „Ja zu einer islamischen Republik“ auf. Verschiedene marxistisch-leninistische Organisationen waren von der, von den neuen Machthabern in China nach dem Tod Mao Zedongs verkündeten, konterrevolutionären Strategie der „3 Welten-Theorie“[vii] beeinflusst und unterstützten Khomeini. Machten diese zu Beginn noch Zugeständnisse, um Zeit zu gewinnen, ihre Macht zu konsolidieren und ein faschistisches Regime zu errichten, so schlugen sie dann mit brutaler Gewalt zu. Genossen der marxistisch-leninistischen Organisation Ranjbaran berichten: „Die Übernahme der 3-Welten-Theorie hatte verheerende Folgen: Nach zwei Jahren war fast die gesamte Organisation, der größte Teil aller Genossen liquidiert. Insgesamt kamen 40.000 Menschen unter der blutigen Diktatur Khomeinis, oft grausamst unter Folter um, ein großer Teil davon Revolutionäre und Marxisten-Leninisten.“

Soweit zum fortschrittlichen Charakter einer faschistischen „islamischen Republik“. Inzwischen hat sich der Iran zu einem neuimperialistischen Land entwickelt, das aggressiv in Konkurrenz zum imperialistischen Israel und anderen neuimperialistischen Länder wie Saudi-Arbeiten oder die Türkei um eine Vormachtstellung in der Region kämpft, Kriege in anderen Länder führt, Aufstände und Arbeiterkämpfe im eigenen Land und alle oppositionellen Kräfte brutal unterdrückt.

Ungeachtet davon bezeichnet Noel Bamen „Teheran und seine Alliierten in der Region“ als „wichtigsten Verbündeten der Palästinenser“. “Ohne die Waffen und das Geld von dort wäre der militärische Widerstand, vor allem in Gaza, längst am Ende. Natürlich muss die Rolle der … Abhängigkeiten des palästinensischen Widerstands von ihm kritisch gesehen werden. Trotzdem nimmt der Iran derzeit die – unterm Strich positive – Rolle eines unverzichtbaren Verbündeten des palästinensischen Widerstands ein. Darüber hinaus ist es nicht der Ort, um auf die plumpe Charakterisierung der islamischen Republik als „faschistisch“ einzugehen“.[viii]

Es ist also nicht angebracht, auf den Charakter und die Beweggründe des Regimes im Iran einzugehen, Hauptsache es fließt Geld und Waffen? Glaubt Noel Bamen ernsthaft, das Regime im Iran mache dies aus reiner Humanität, für den menschlichen Fortschritt? Soll die Arbeiter-, die revolutionäre- und Befreiungsbewegung erneut ihre Erfahrungen mit der Errichtung einer „islamischen Republik“ machen, den zehntausende Revolutionäre und Demokraten mit Folter und ihrem Tod bezahlen, ungeachtet aller historischen Erfahrungen? Und was die besten oder anscheinend ansonsten fehlenden Verbündeten betrifft, wie wäre es mit dem genauen Gegenteil? So gibt es im Iran seit Monaten einen Aufschwung und anhaltende Arbeiter-, Frauen- und Volksproteste gegen das Regime. Auch in anderen Ländern der Region gibt es aufflammende Volks- und Arbeiterkämpfe. Wie wäre es mit dem Schulterschluss über Ländergrenzen hinweg? Ein erfolgreicher Kampf und Sturz des faschistischen Regimes im Iran wäre wiederum ein wichtiger Erfolg und Ermutigung und Bestärkung des Kampfs für die Befreiung aller anderen Völker und der Arbeiterklasse in der Region.

Was von Noel Bamen unter der Losung „Hauptsache gegen Israel“ dagegen propagiert wird, ist eine Abwandlung der faschistischen Querfrontpolitik, die faschistische Kräfte gefährlich verharmlost, sie sogar als fortschrittlich bezeichnet und ihnen den Boden bereitet, statt sie entschieden als Todfeind jedes Kampfs um nationale wie soziale Befreiung entschieden zu bekämpfen und auf den Schulterschluss der Arbeiter und Volkskämpfe über Ländergrenzen hinweg zu setzen.

Gegen sozialchauvinistische Spaltung – Vorwärts zum Kampf für die vereinigten sozialistischen Staaten der Welt

Für Noel Bamen gibt es keine positive Perspektive einer Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, in der es auch keine Menschen erster, zweiter oder dritter Klasse mehr gibt. Für ihn besteht die Lösung in einer „Entkolonialisierung“ Palästinas, indem die jüdische Bevölkerung in ihre ehemaligen Länder, aus denen sie gekommen sind, zurückgeschickt werden. Er meint, das Rad der Geschichte einfach zurückdrehen zu können.

Der von Noel Bamen vertretene revisionistische Standpunkt ist kleinbürgerlich-nationalistisch und verstellt den Blick, wie der Kampf um Befreiung heute erfolgreich geführt werden kann:

  • der Kampf um nationale und soziale Befreiung des palästinensischen Volkes gestützt auf die Solidarität der Arbeiterklasse und der breiten Massen weltweit. Aufbau einer starken antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront
  • geduldig den Kampf um die Arbeitereinheit zwischen jüdischen und arabischen Arbeitern und den Volksmassen führen. Dabei in einer Überzeugungs- und Bündnisarbeit die Leitlinie der Arbeiterbewegung seit Marx und Engels verankern: „Ein Volk, das andere unterdrückt, kann selbst nicht frei sein
  • die faschistische Gefahr erkennen und ernst nehmen, auch wenn sie im neuen Gewand auftritt, um nicht vom Regen der faschistischen Unterdrückung der palästinensischen Massen durch die zionistische Regierung Israels in die Traufe einer anderen islamistisch begründete Art der faschistischen Unterdrückung zu geraten
  • starke marxistisch-leninistische Parteien in Israel und Palästina aufbauen, die die Veränderungen in der Entwicklung des Imperialismus analysieren und Schlussfolgerungen daraus und aus dem Verrat des Sozialismus in den ehemals sozialistischen Ländern 1956 für den revolutionären Klassenkampf des Proletariats und seiner Verbündeten ziehen
  • „Antiamerikanismus“ bzw. „Antiisraelismus“ ist keine fortschrittliche, antiimperialistische Politik; auch wenn taktisch Widersprüche ausgenutzt werden können. Der antiimperialistische Kampf muss sich gegen jeden Imperialismus richten und darf sich nicht für den Kampf an der Seite eines imperialistischen Räubers vereinnahmen lassen. Den Kampf um soziale wie nationale Befreiung darauf ausrichten, das imperialistische System zu überwinden und die vereinigten sozialistischen Staaten der Welt zu erkämpfen
  • dazu muss heute international koordiniert zusammengearbeitet und eine internationale sozialistische Revolution vorbereitet werden.

Noel Bamen erweist mit seiner vehementen Kritik an Positionen der MLPD der Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf einen Bärendienst. Ist die MLPD doch die Hauptkraft in Deutschland, die seit ihrer Gründung uneingeschränkt in Wort und Tat solidarisch mit dem palästinensischen Volk im Kampf um seine soziale und nationale Befreiung ist – im Kampf gegen eine üble Verunglimpfung als „Antisemiten“ oder offene Angriffe des deutschen Staates bis hin zu zionistisch beeinflussten Gruppen wie den „Antideutschen“. Und die als einzige eine klare sozialistische Perspektive aufzeigt. Dabei legt Noel Bamen in dankenswerter Offenheit dar, dass sich die KO „bis heute nicht systematisch mit dem Thema befasst“ hat. Da hätte man dann durchaus etwas Bescheidenheit erwarten können und dass sich eine Organisation, die sich kommunistisch nennt, sich erst mal mit den Grundlagen des Marxismus-Leninismus zu dieser Frage befasst und diese in ihrer Beurteilung zu Grunde legt. Das würde sicherlich helfen, nicht in der gefährlichen kleinbürgerlich-nationalistischen Sackgasse des Noel Bamen zu landen, die bis zur Verniedlichung und der Förderung der Zusammenarbeit mit faschistischen Kräften geht. Aber da sich die KO ja erst noch mit dem Thema systematisch befasst, hoffen wir, dass sie dessen Irrweg erkennt und zum Weg des proletarischen Internationalismus findet.


[i] https://www.mlpd.de/2022/11/grundlinien-der-positionierung-zum-palaestinensischen-befreiungskampf

[ii] Abspaltung 2018 aus der revisionistischen DKP bzw. SDAJ, ein Teil davon spaltete sich 2022 erneut ab

[iii] https://kommunistische-organisation.de/artikel/mit-palaestina-solidarischen-vorsaetzen-in-die-zionistische-hoelle-eine-kritik-an-den-grundlinien-der-mlpd-zum-palaestinensischen-befreiungskampf/

[iv] https://www.mlpd.de/theoretisches-organ-revolutionaerer-weg/briefwechsel-und-dokumente/briefwechsel-und-dokumente/briefwechsel-und-dokumente-von-stefan-engel-zum-system-revolutionaerer-weg#collapse120 Wer sich intensiver mit den Positionen der sozialistischen Sowjetunion unter Lenin und Stalin zur nationalen Frage und dem Judentum und den Positionen der MLPD dazu auseinandersetzen will, dem sei Artikel „Die MLPD steht in der Tradition der sozialistischen Länder“ empfohlen: https://www.mlpd.de/2014/kw32/palaestina-konflikt-die-mlpd-steht-in-der-tradition-der-sozialistischen-laender.

[v] https://www.fokus-jerusalem.tv/2022/12/13/jeder-vierte-israeli-unter-der-armutsgrenze/

[vi] https://sites.google.com/site/sozialistischeklassiker2punkt0/lenin/1913/wladimir-i-lenin-resolution-ueber-die-nationale-frage

[vii] Deng Xiaoping strickte aus Maos taktischem Vorschlag eine »Drei-Welten-Theorie« als strategische Konzeption. Er behauptete, die unterdrückten Völker der »Dritten Welt« »seien die revolutionäre Triebkraft, die das Rad der Weltgeschichte vorwärts dreht, ohne zwischen reaktionären und fortschrittlichen Regierungen, zwischen Ausbeuterklassen und den breiten Massen zu unterscheiden und ohne das revolutionäre Proletariat und seinen Klassenkampf zu berücksichtigen. Sie bedeutete in ihrem Kern Klassenversöhnung und Verrat an der internationalen proletarischen Revolution.

[viii] Fußnote xxi am Artikel

Aktuelles

„Der nationale Befreiungskampf ist eine Form des Klassenkampfes“. Interview mit Anwar Khoury – Teil 1 / “The national liberation struggle is a form of...

In Teil 1 des Interviews mit Anwar Khoury, Mitglied des ZK der Palästinensischen Kommunistischen Partei (PalCP), geht um die jüngere Geschichte der kommunistischen Bewegung in Palästina, um die sog. Zweistaatenlösung, um die Strategie der nationalen Befreiung und um die Alliierten im antikolonialen und antiimperialistischen Kampf in der Region.Part 1 of the interview with Anwar Khoury, member of the Central Committee of the Palestinian Communist Party (PalCP), introduces the PalCP, discusses the so-called two-state solution, the strategy of national liberation and the allies in the anti-colonial and anti-imperialist struggle in the region.

Spendet für Gaza! Ein Aufruf und eine Kritik

Wir teilen hier drei ausgewählte Spendenaufrufe für Gaza. Zugleich wollen wir konkret über die Probleme der humanitären Hilfe aufklären, wie sie sich derzeit im Gazastreifen stellen. Denn klar ist: So notwendig humanitäre Hilfe auch ist – die Menschen in Gaza und in ganz Palästina brauchen neben Brot auch Freiheit, und die kriegen sie nicht gespendet.