Kwame Nkrumah über den Klassenkampf in Afrika

Im April 1970, aus dem Exil in Guinea, veröffentlichte Kwame Nkrumah, der erste Präsident des unabhängigen Ghana, sein Werk Class Struggle in Africa.
Zu Beginn der 1960er hatten sich die nationalen Befreiungsbewegungen auf dem Kontinent endgültig Bahn gebrochen und vermochten es, die Ketten des Kolonialismus in einer Welle, die über den Kontinent fegte, zu sprengen. Doch gleichzeitig fanden die meisten progressiven Umwälzungen in jener Zeit entweder ein jähes Ende durch reaktionäre Staatsstreiche (z. B. Kongo, Ghana, Mali) oder verblieben bereits von Beginn an bei der formalen Scheinunabhängigkeit, welche die imperialistischen Ausbeutungsmechanismen lediglich mit anderen Mitteln fortsetzte (z.B. Elfenbeinküste, Gabun, Kenia oder Nigeria). 1966 war auch Nkrumah durch einen pro-imperialistischen Putsch entmachtet worden. Dem Klassenfeind war klar, dass er den Revolutionär und Panafrikanisten, dessen Ziel die afrikanische Einheit unter dem Banner des Sozialismus war, loswerden musste.
Wie aber konnte es zu diesem Rückschlag im Aufbau einer befreiten Gesellschaft kommen? Bereits 1968 stellte er dazu in Dark Days in Ghana erste Überlegungen an. In den folgenden Textauszügen aus Class Struggle in Africa zieht er weitreichende Schlussfolgerungen aus den untersuchten Widersprüchen in der Phase des Neokolonialismus. Der Mangel an ideologischer Klarheit und Schulung in Partei und Bevölkerung, die Verkennung der strategischen Rolle der afrikanischen Bauernschaft und die Unterschätzung der imperialistischen Wirkmechanismen konnten laut Nkrumah den Weg zur Konterrevolution ebnen. Er betont die mangelnde Vehemenz beim Ausmerzen alter kolonialer Eliten, wie den „traditionellen“ – häufig aber erst von den Kolonialherren eingesetzten – Häuptlinge („Chiefs“), den Kapitalisten und korrupten Beamten ebenso wie die ausbleibende radikale Umgestaltung des Staatsapparates, dessen Armee und Verwaltung noch von pro-kapitalistischen Kräften durchsetzt blieben. Zudem konstatierte er die dringende Notwendigkeit des bewaffneten Widerstands gegen die Gewalt der Unterdrücker unter der Führung einer revolutionären Avantgarde-Partei.
In Class Struggle in Africa entlarvt Nkrumah mittels seiner Klassenanalyse die Illusion in eine „klassenlose“ antikoloniale Einheitsfront, indem er die objektiven Interessengegensätze zwischen afrikanischem Proletariat, Bauernschaft und der Bourgeoisie freilegt. Jene Widersprüche, die wie er zuvor selbst eingestand, fälschlicherweise unterschätzt zu haben. Vor Augen dürfte er dabei u. a. Tansania unter Julius Nyerere gehabt haben. Dort wurden die vermeintlich klassenlosen afrikanischen Traditionen und Denkweisen wie „Ubuntu“ (über)betont und der Fokus auf die Herstellung genossenschaftlicher Dorfstrukturen, sog. „Ujamaa“-Dörfer, gelegt, während die Umgestaltung der Industrie vernachlässigt wurde.
Nkrumahs materialistische Analyse hilft uns dabei, die im historischen Prozess entstandenen Charakteristika der afrikanischen Gesellschaften besser zu verstehen. Nur mit diesem Hintergrund können wir Versuche einer Bewertung der aktuellen Lage vornehmen und uns z. B. fragen, welche revolutionären Potenziale die afrikanische Landbevölkerung (noch immer im Durchschnitt 55 Prozent der Arbeitskräfte) angesichts von Landgrabbing und Klimakrise birgt – und wie sie sich dementsprechend zum wachsenden, aber zersplitterten Industrieproletariat (gerade mal 15 Prozent) verhält? Oder welche Lehren wir aus der Metamorphose der einstigen Befreiungsbewegung ANC in Südafrika zur Handlangerin des Finanzkapitals ziehen.
Die hier ausgewählten und übersetzten Passagen sollen Lust auf eine vertiefter Auseinandersetzung machen und Fragen aufwerfen, die es für uns heute zu beantworten gilt. Der vollständige Text kann auf Englisch unter folgendem Link abgerufen werden: paisafrica.org.
Redaktion der KO
Einleitung
In Afrika, wo so viele unterschiedliche politische, soziale und wirtschaftliche Bedingungen existieren, ist es keine leichte Aufgabe, allgemeingültige politische und sozioökonomische Muster zu definieren. Überreste von Gemeinschafts- und Feudalstrukturen bestehen fort, und in Teilen des Kontinents haben sich die Lebensweisen kaum von traditionellen Zeiten entfernt. In anderen Regionen wurde ein hohes Maß an Industrialisierung und Verstädterung erreicht. Doch trotz der sozioökonomischen und politischen Vielfalt Afrikas lassen sich bestimmte gemeinsame politische, soziale und wirtschaftliche Bedingungen und Probleme erkennen. Diese leiten sich ab aus der traditionellen Vergangenheit, gemeinsamen Bestrebungen und den geteilten Erfahrungen unter Imperialismus, Kolonialismus und Neokolonialismus. Es gibt keinen Teil des Kontinents, der nicht Unterdrückung und Ausbeutung erlebt hat, und keinen, der außerhalb der Prozesse der Afrikanischen Revolution steht. Überall wird die grundlegende Einheit im Streben der Völker Afrikas immer deutlicher, und kein afrikanischer Führer kann überleben, der nicht zumindest Lippenbekenntnisse zu den revolutionären Zielen der vollständigen Befreiung, Vereinigung und des Sozialismus abgibt.
In dieser Situation ist der Boden gut vorbereitet für die nächste entscheidende Phase der Revolution, in der der bewaffnete Kampf, der nun entbrannt ist, intensiviert, ausgeweitet und strategisch sowie taktisch koordiniert werden muss. Gleichzeitig muss eine entschlossene Offensive gegen die verankerten Positionen der reaktionären Minderheit in unseren eigenen Gesellschaften geführt werden. Denn die dramatische Enthüllung der Natur und des Ausmaßes des Klassenkampfs in Afrika in den letzten Jahren – durch eine Serie reaktionärer Militärputsche und den Ausbruch von Bürgerkriegen, insbesondere in West- und Zentralafrika – hat die Verbindung zwischen den Interessen des Neokolonialismus und der einheimischen Bourgeoisie aufgezeigt.
Im Kern des Problems liegt der Klassenkampf. Zu lange haben Sozial- und Politikwissenschaftler so getan, als läge Afrika außerhalb des Hauptstroms der weltgeschichtlichen Entwicklung – als eine separate Einheit, auf die die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Muster der Welt nicht zutreffen. Mythen wie „Afrikanischer Sozialismus“ oder „pragmatischer Sozialismus“, die implizieren, es gäbe eine spezifisch afrikanische Variante des Sozialismus, wurden verbreitet; und ein Großteil unserer Geschichte wurde in sozioanthropologischen und historischen Theorien beschrieben, als hätte Afrika vor der Kolonialzeit keine Geschichte gehabt. Eine dieser Verzerrungen war die Behauptung, die Klassenstrukturen, die in anderen Teilen der Welt existieren, gäbe es in Afrika nicht. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Ein erbitterter Klassenkampf tobt in Afrika. Die Beweise sind überall um uns herum. Im Wesentlichen ist es, wie im Rest der Welt, ein Kampf zwischen Unterdrückern und Unterdrückten.
Die Afrikanische Revolution ist ein integraler Bestandteil der weltweiten sozialistischen Revolution, und genauso wie der Klassenkampf grundlegend für die globalen revolutionären Prozesse ist, ist er auch zentral für den Kampf der Arbeiter und Bauern Afrikas.
Klassengegensätze in der modernen afrikanischen Gesellschaft wurden während der vorkolonialen Zeit teilweise verschleiert, als es scheinbar nationale Einheit gab und alle Klassen zusammenwirkten, um die Kolonialmacht zu vertreiben. Dies veranlasste einige zu der Behauptung, es gäbe keine Klassenteilung in Afrika und der kommunale Egalitarismus der traditionellen afrikanischen Gesellschaft mache jeden Gedanken an einen Klassenkampf unmöglich. Doch die Widerlegung dieser Fehleinschätzung folgte schnell nach der Unabhängigkeit, als die Klassenkonflikte, die im Kampf um politische Freiheit vorübergehend überdeckt worden waren, wieder auftauchten – oft mit verstärkter Heftigkeit, insbesondere in jenen Staaten, deren neue Regierungen sozialistische Politik verfolgten. Denn die afrikanische Bourgeoisie, die Klasse, die unter dem Kolonialismus gedieh, ist dieselbe Klasse, die auch in der neokolonialen Zeit nach der Unabhängigkeit profitiert. Ihr grundlegendes Interesse liegt in der Bewahrung kapitalistischer sozialer und wirtschaftlicher Strukturen. Sie steht daher im Bündnis mit dem internationalen Monopolfinanzkapital und dem Neokolonialismus – und im direkten Konflikt mit den afrikanischen Massen, deren Bestrebungen nur durch Wissenschaftlichen Sozialismus erfüllt werden können.
Obwohl die afrikanische Bourgeoisie zahlenmäßig klein ist und nicht über die finanzielle und politische Stärke ihrer Pendants in hochindustrialisierten Ländern verfügt, erweckt sie den Anschein wirtschaftlicher Stärke, weil sie eng mit ausländischem Finanzkapital und Wirtschaftsinteressen verflochten ist. Viele Mitglieder der afrikanischen Bourgeoisie sind bei ausländischen Firmen angestellt und haben daher ein direktes finanzielles Interesse an der Fortsetzung der ausländischen Wirtschaftsausbeutung Afrikas. Andere – insbesondere im Staatsdienst, im Handel, in Bergbauunternehmen, im Militär, in der Polizei und in akademischen Berufen – sind aufgrund ihrer Herkunft, ihrer westlichen Bildung und ihrer gemeinsamen Erfahrung in privilegierten Positionen dem Kapitalismus verpflichtet. Sie sind geblendet von kapitalistischen Institutionen und Organisationen, ahmen die Lebensweise ihrer alten Kolonialherren nach und sind entschlossen, den Status und die Macht, die sie von ihnen geerbt haben, zu bewahren.
Tatsächlich gibt es in Afrika eine hartnäckige Bourgeoisie, die Kolonialherren und Siedlern gleicht, da sie in privilegierten Positionen lebt – eine kleine, egoistische, geldgierige, reaktionäre Minderheit inmitten der ausgebeuteten und unterdrückten Massen. Obwohl sie scheinbar stark ist aufgrund der Unterstützung durch Neokolonialisten und Imperialisten, ist sie äußerst verwundbar. Ihr Überleben hängt von ausländischer Unterstützung ab. Sobald diese entscheidende Verbindung gekappt wird, sind sie machtlos, ihre Positionen und Privilegien zu halten. Sie und die „unsichtbare Hand“ des Neokolonialismus und Imperialismus, die Reaktion und Ausbeutung stützt, zittern nun vor der wachsenden Bewusstseinswelle der Arbeiter und Bauern über den Klassenkampf in Afrika.
Entstehung von Klassen in Afrika
[…] Die politische Reife der afrikanischen Massen kann bis zu einem gewissen Grad auf die wirtschaftlichen und sozialen Muster traditioneller Zeiten zurückgeführt werden. Im Kommunalismus zum Beispiel gehörten das gesamte Land und die Produktionsmittel der Gemeinschaft. Es gab Volkseigentum. Arbeit war das Bedürfnis und die Gewohnheit aller. Wenn ein bestimmtes Stück Land einem Individuum für seinen persönlichen Gebrauch zugeteilt wurde, war er nicht frei, damit zu tun, was er wollte, da es immer noch der Gemeinschaft gehörte. Häuptlinge wurden streng von Ratgebern kontrolliert und konnten abgesetzt werden. In der Menschheitsgeschichte sind fünf grundlegende Arten von Produktionsverhältnissen bekannt: Kommunalismus, Sklaverei, Feudalismus, Kapitalismus und Sozialismus. Mit der Errichtung des sozialistischen Staates hat der Mensch den Weg zum Kommunismus eingeschlagen. Als die Privateigentumsverhältnisse entstanden und der Kommunalismus der Sklaverei und dem Feudalismus wich, begann der Klassenkampf.
Im Allgemeinen durchliefen die Völker Afrikas zu Beginn der Kolonialzeit die höhere Stufe des Kommunalismus, die durch den Zerfall der Stammesdemokratie und das Entstehen feudaler Beziehungen, erblicher Stammeshäuptlingswesen und monarchischer Systeme gekennzeichnet war. Durch den Einfluss von Imperialismus und Kolonialismus begannen die kommunalistischen sozioökonomischen Muster zusammenzubrechen, als Folge der Einführung von Exportkulturen wie Kakao und Kaffee. Die Wirtschaften der Kolonien wurden mit den kapitalistischen Weltmärkten verbunden. Kapitalismus, Individualismus und Tendenzen zum Privateigentum wuchsen.
Allmählich zerfiel der primitive Kommunalismus, und der kollektive Geist nahm ab. Es gab eine Ausweitung der privaten Landwirtschaft und der Methode der Kleinwaren produzierenden Produktion. […]
In dieser kolonialistischen Situation betrachteten afrikanische Arbeiter die Kolonialisten, ausländischen Firmen und ausländischen Pflanzer als die Ausbeuter. Daher wurde ihr Klassenkampf in erster Instanz antiimperialistisch und nicht gegen die einheimische Bourgeoisie gerichtet. Dies ist zu einem gewissen Grad dafür verantwortlich, dass die afrikanischen Arbeiter und Bauern relativ langsam zum Bewusstsein ihres wahren Klassenfeindes – der einheimischen Bourgeoisie – erwachten. Am Ende der Kolonialzeit gab es in den meisten afrikanischen Staaten einen hoch entwickelten Staatsapparat und einen Anschein von parlamentarischer Demokratie, der einen Zwangsstaat verbarg, der von einer Elite von Bürokraten mit praktisch unbegrenzter Macht geführt wurde. Es gab eine Intelligenzija, die völlig mit westlichen Werten indoktriniert war; eine praktisch nicht existente Arbeiterbewegung; eine professionelle Armee und eine Polizeitruppe mit einem Offizierskorps, das größtenteils an westlichen Militärakademien ausgebildet worden war; und ein Häuptlingstum, das gewohnt war, auf lokaler Ebene im Namen der Kolonialregierung zu verwalten. […]
Klassenbegriff
[…] In Afrika machen die herrschenden Klassen etwa nur ein Prozent der Bevölkerung aus. Ungefähr 80-90 Prozent der Bevölkerung bestehen aus Bauern und Landarbeitern. Städtische und industrielle Arbeiter stellen etwa fünf Prozent dar. Doch aufgrund der Präsenz von Ausländern und ausländischen Interessen wurde der Klassenkampf in der afrikanischen Gesellschaft verschleiert. Der Konflikt zwischen den afrikanischen Völkern und den Interessen des Neokolonialismus, Kolonialismus, Imperialismus und Siedlerregimes hat alle anderen widersprüchlichen Kräfte verdeckt. Dies erklärt zu einem gewissen Grad, warum Klassen- oder Avantgardeparteien in Afrika so lange auf sich warten ließen. […]
Im vorkolonialen Afrika gab es unter den Bedingungen des Kommunalismus, der Sklaverei und des Feudalismus embryonale Klassenspaltungen. Aber erst in der Ära der kolonialen Eroberung begann sich eine europäisierte Klassenstruktur mit klar identifizierbaren Klassen von Proletariat und Bourgeoisie zu entwickeln. Diese Entwicklung wurde von reaktionären Beobachtern stets heruntergespielt, von denen die meisten behaupteten, die afrikanischen Gesellschaften seien homogen und ohne Klassenteilungen. Sie haben sogar versucht, diese Ansicht angesichts der offensichtlichen Beweise für den Klassenkampf in der Zeit nach der Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten, als sich bourgeoise Elemente offen mit Neokolonialisten, Kolonialisten und Imperialisten verbündeten, um vergeblich zu versuchen, die afrikanischen Massen in dauerhafter Unterwerfung zu halten.
Klassencharakteristika und Ideologien
[…] Obwohl die afrikanische Bourgeoisie größtenteils sklavisch die Ideologien ihrer Gegenstücke in der kapitalistischen Welt übernimmt, gibt es bestimmte Ideologien, die sich spezifisch im afrikanischen Kontext entwickelt haben und die zu charakteristischen Ausdrucksformen der afrikanischen bourgeoise Mentalität geworden sind. Die vielleicht typischste ist die falsche Vorstellung von „Négritude“1. Diese pseudo-intellektuelle Theorie dient als Brücke zwischen der fremdbestimmten afrikanischen Mittelschicht und dem französischen Kulturbetrieb. Sie ist irrational, rassistisch und nicht-revolutionär. Sie spiegelt den verwirrten Geisteszustand einiger kolonisierter französisch-afrikanischer Intellektueller wider und ist völlig losgelöst von der Realität der Afrikanischen Persönlichkeit. […]
Klasse und Rasse
[…] Während eine rassistische Sozialstruktur nicht inhärent in der kolonialen Situation liegt, ist sie untrennbar mit der kapitalistischen Wirtschaftsentwicklung verbunden. Denn Rasse ist untrennbar mit Klassenausbeutung verknüpft; in einer rassistisch-kapitalistischen Machtstruktur ergänzen sich kapitalistische Ausbeutung und Rassenunterdrückung gegenseitig; die Beseitigung des einen führt zur Beseitigung des anderen. […]
Eine nicht-rassistische Gesellschaft kann nur durch sozialistische revolutionäre Aktion der Massen erreicht werden. Sie wird niemals als Geschenk der herrschenden Minderheitsklasse kommen. Denn es ist unmöglich, Rassenbeziehungen von den kapitalistischen Klassenverhältnissen zu trennen, in denen sie verwurzelt sind.
Südafrika liefert wieder ein typisches Beispiel. In den frühen Jahren der niederländischen Besiedlung wurde der Unterschied nicht zwischen Schwarz und Weiß gemacht, sondern zwischen Christ und Heide. Erst mit der kapitalistischen wirtschaftlichen Durchdringung entstand das Herr-Knecht-Verhältnis und mit ihm Rassismus, Farbvorurteile und Apartheid. […]
Sklaverei und das Herr-Knecht-Verhältnis waren daher die Ursache für und nicht das Ergebnis von Rassismus. […]
Elitismus
[…] Elitismus ist eine maßgeschneiderte Ideologie für den Kapitalismus und die bourgeoise de facto Herrschaft in der kapitalistischen Gesellschaft. Darüber hinaus verstärkt er den Rassismus, da er dazu verwendet werden kann, den Mythos von rassischer Überlegenheit und Minderwertigkeit zu unterstützen. […]
In der Zeit nach der Unabhängigkeit entstand das, was man als „Neureiche Partei“ bezeichnen kann, eine Gruppe, die sich aus den Reihen der Partei entwickelte, die erfolgreich die politische Freiheit von der Kolonialmacht errungen hatte. Die Rechten werden zu den Neureichen der Partei. Nachdem die Unabhängigkeit erreicht und die Partei zur Regierungspartei geworden ist, machen sie ihr Vermögen. Sie nutzen ihre neuen Machtpositionen aus, frönen der Vetternwirtschaft und der Korruption und bringen so die Partei in Misskredit. […] Infolge des Kolonialismus und Neokolonialismus hat sich eine afrikanische Wirtschaftselite vergleichsweise wenig entwickelt. Darüber hinaus hat die Tatsache, dass sich viele neue unabhängige Regierungen eher auf den öffentlichen als auf den privaten Sektor der Wirtschaft konzentrieren, dazu geführt, dass die afrikanische Kapitalistenklasse relativ klein ist. Der afrikanische Geschäftsmann ist im Allgemeinen nicht so sehr an der Entwicklung der Industrie interessiert, als vielmehr daran, sich durch Spekulationen, Schwarzhandel, Korruption und die Entgegennahme von Provisionen aus Verträgen sowie durch verschiedene finanzielle Manipulationen im Zusammenhang mit dem Erhalt sogenannter „Hilfe“ zu bereichern.
Intelligenz und Intellektuelle
[…] Unter dem Kolonialismus entstand eine in westlicher Ideologie ausgebildete Intelligenz, die eine Verbindung zwischen der Kolonialmacht und den Massen herstellte. Sie rekrutierte sich größtenteils aus den Familien der Häuptlinge und aus den „bemittelten“ Bevölkerungsschichten. Das Wachstum der Intelligenz beschränkte sich auf das Minimum, das für das Funktionieren der Kolonialverwaltung benötigt wurde. Sie wurde sozial entfremdet, eine Elite, die sowohl für linken als auch rechten Opportunismus anfällig war. […]
Der Zusammenhalt der Intelligenz vor der Unabhängigkeit verschwindet, sobald die Unabhängigkeit erreicht ist. Sie spaltet sich grob in drei Hauptgruppen. Erstens gibt es diejenigen, die die neue privilegierte einheimische Klasse unterstützen – die bürokratische, politische und wirtschaftliche Bourgeoisie, die offene Verbündete des Imperialismus und Neokolonialismus sind. Diese Mitglieder der Intelligenz produzieren die Ideologen des Antisozialismus und Antikommunismus sowie der kapitalistischen politischen und wirtschaftlichen Werte und Konzepte. Zweitens gibt es diejenigen, die einen „nicht-kapitalistischen Weg“2 der wirtschaftlichen Entwicklung, eine „gemischte Wirtschaft“, für die weniger industrialisierten Gebiete der Welt als eine Phase auf dem Weg zum Sozialismus befürworten. Dieses Konzept kann, wenn es missverstanden und falsch angewendet wird, wahrscheinlich der sozialistischen revolutionären Sache in Afrika noch gefährlicher werden als der frühere offene Pro-Kapitalismus, da es scheinbar den Sozialismus fördert, während es in Wirklichkeit den Prozess verzögern kann. […] Die dritte Gruppe der Intelligenz, die nach der Unabhängigkeit entsteht, besteht aus den revolutionären Intellektuellen – jenen, die den Anstoß und die Führung des Arbeiter-Bauern-Kampfes für einen umfassenden Sozialismus liefern. Es ist aus diesem Kreis, dass die echten Intellektuellen der afrikanischen Revolution zu finden sind. Sehr oft sind sie Minderheitsprodukte kolonialer Bildungseinrichtungen, die sich heftig gegen deren Gehirnwäsche-Prozesse auflehnten und zu echten sozialistischen und afrikanisch-nationalistischen Revolutionären wurden. […]
Reaktionäre Cliquen bei den Streitkräften und der Polizei
[…] Die Angehörigen von Armee und Polizei stammen aus der Bauernschaft. Eine große Zahl von ihnen sind Analphabeten. Ihnen wurde beigebracht, Befehle zu befolgen, ohne sie in Frage zu stellen, und sie sind zu Werkzeugen der bürgerlich-kapitalistischen Interessen geworden. So sind sie dem bäuerlichen Arbeiterkampf entfremdet, dem sie aufgrund ihrer Klassenherkunft eigentlich angehören. […]
Die Lösung des Problems liegt in der Politisierung von Armee und Polizei. Beide müssen fest unter der Kontrolle der sozialistischen revolutionären Partei stehen, und die Aufträge dürfen nur denen anvertraut werden, die sich voll und ganz den revolutionären sozialistischen Prinzipien verschrieben haben. Gleichzeitig muss die Disziplin des einfachen Soldaten und Polizisten auf Verständnis und nicht auf Unterwürfigkeit und blindem Gehorsam beruhen. […]
Coup d’Etat
[…] Reaktionäre, pro-imperialistische Putsche bedeuten, dass der Imperialismus und seine internen Verbündeten, die nicht in der Lage sind, den Vormarsch der Massen zu vereiteln und die sozialistische Revolution mit traditionellen Methoden zu besiegen, zu den Waffen gegriffen haben. Sie offenbaren die Verzweiflung und Schwäche der reaktionären Kräfte, nicht ihre Stärke. Sie sind der letzte Versuch der einheimischen Ausbeuterklassen und Neokolonialisten, den bürgerlich-reaktionären Status quo zu bewahren. […]
Die Natur der politisch-ökonomischen Beziehung zwischen Neokolonialismus und Marionettenregimen in einem balkanisierten Afrika bedeutet, dass Staatsstreiche in Afrika weiterhin stattfinden werden, bis die politische Vereinigung des afrikanischen Kontinents erreicht ist.
Bourgeoisie
[…] In den meisten afrikanischen Ländern war die Bourgeoisie in der Tat größtenteils kleinbürgerlich. Es waren zum Teil die Beschränkungen der Geschäftsmöglichkeiten der afrikanischen Bourgeoisie, die sie dazu brachten, sich der imperialistischen Herrschaft zu widersetzen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als der Druck zur nationalen Befreiung zunahm, sahen sich die Imperialisten gezwungen, einen Teil der afrikanischen Bourgeoisie in Sphären zuzulassen, von denen sie zuvor ausgeschlossen gewesen war. Mehr Afrikaner wurden in den Staatsapparat und in ausländische Unternehmen aufgenommen. Auf diese Weise wurde eine neue afrikanische Elite geschaffen, die eng mit dem ausländischen Kapital verbunden ist. Zugleich wurden repressive Maßnahmen gegen progressive Parteien und Gewerkschaften. Es wurden mehrere kolonialistische Kriege geführt, wie zum Beispiel die Kriege gegen die Völker von Madagaskar, Kamerun und Algerien. In dieser Zeit wurde der Grundstein für den Neokolonialismus gelegt.
Während des nationalen Befreiungskampfes neigt das Kleinbürgertum dazu, sich in drei Hauptkategorien aufzuteilen. Erstens gibt es diejenigen, die sich stark für den Kolonialismus und die kapitalistische wirtschaftliche und soziale Entwicklung einsetzen. Das sind vor allem „Beamte“ und Fachleute sowie Vertreter ausländischer Firmen und Unternehmen. Zweitens gibt es das „revolutionäre“ Kleinbürgertum – die Nationalisten –, das das Ende der Kolonialherrschaft will, aber keine Umgestaltung der Gesellschaft anstrebt. Sie sind Teil der nationalen Bourgeoisie. Drittens gibt es diejenigen, die „am Rand sitzen“ und bereit sind, passiv zuzuschauen. […]
Die Stammesformel wird häufig verwendet, um die durch den Kolonialismus entstandenen Klassenkräfte in der afrikanischen Gesellschaft zu verschleiern. In vielen Gebieten führte die ungleiche wirtschaftliche Entwicklung unter der Kolonialherrschaft zu einer Differenzierung der wirtschaftlichen Funktionen entlang ethnischer Linien. Diese Tendenz wird im Interesse des internationalen Kapitalismus ausgenutzt.
Es muss zwischen Stämmen und Tribalismus unterschieden werden. Der Clan ist die Großfamilie, und der Stamm ist der erweiterte Clan mit der gleichen ethnischen Sprache innerhalb eines Territoriums. Stämme gab es in Afrika vor der imperialistischen Durchdringung, aber keinen „Tribalismus“ im modernen Sinne. Der Tribalismus entstand durch den Kolonialismus, der feudale und stammesbezogene Überbleibsel ausnutzte, um das Wachstum der nationalen Befreiungsbewegungen zu bekämpfen. Nach der Unabhängigkeit förderten die Kolonialmächte erneut Separatismus und Stammeskonflikte durch die Förderung föderaler Verfassungen. Echte Unabhängigkeit wurde jedoch durch verschiedene Formen des Neokolonialismus verhindert. Im Zeitalter des Neokolonialismus wird der Tribalismus von den bürgerlichen herrschenden Klassen als machtpolitisches Instrument und als nützliches Ventil für die Unzufriedenheit der Massen instrumentalisiert. Viele der sogenannten Stammeskonflikte im modernen Afrika sind in Wirklichkeit Klassenkräfte, die durch den Übergang vom Kolonialismus zum Neokolonialismus in Konflikt geraten. Tribalismus ist das Ergebnis, nicht die Ursache von Unterentwicklung. In den meisten Stammeskonflikten liegt die Quelle in der ausbeutenden bürgerlichen oder feudalen Minderheit, die mit Imperialisten und Neokolonialisten zusammenarbeitet, um ihre gemeinsamen Klasseninteressen durchzusetzen. Die Unterstützung wurde tendenziell den traditionellen Herrschern entzogen und auf die aufstrebende städtische Bourgeoisie übertragen, die sich unter dem Neokolonialismus in einer besseren Position befindet.
Position, um die Interessen des internationalen Kapitalismus zu wahren und zu fördern. Der Prozess erweckt den Anschein einer Stammeskonfrontation, ist aber in Wirklichkeit Teil des Klassenkampfes. […]
Es ist in der Tat unmöglich, die Interessen der afrikanischen Bourgeoisie und die des internationalen Monopolfinanzkapitals zu trennen. Die Schwächung des einen führt unweigerlich zur Schwächung des anderen. Die Allianz zwischen der einheimischen Bourgeoisie und dem internationalen monopolistischen Finanzkapital wird durch die wachsende Tendenz zu Partnerschaften zwischen einzelnen afrikanischen Regierungen oder regionalen Wirtschaftsorganisationen und großen imperialistischen multinationalen Konzernen weiter gefestigt. Afrikanische Regierungen, von denen einige behaupten, einen sozialistischen Entwicklungsweg zu verfolgen und Schlüsselindustrien zu „verstaatlichen“, sind in Wirklichkeit kaum an diesen „beteiligt“. Sie verbinden sich mit dem kollektiven Imperialismus in der fortgesetzten Ausbeutung der afrikanischen Arbeiter und des ländlichen Proletariats. Die afrikanische Regierung schirmt die Konzerne vor dem Widerstand der Arbeiterklasse ab und verbietet Streiks oder wird zum Streikbrecher; während die Konzerne ihren Würgegriff über die afrikanische Wirtschaft verlängern, in der Gewissheit, dass sie staatlichen Schutz haben. So entsteht eine gemeinsame Front, um den sozialistischen Vormarsch aufzuhalten. […]
Proletariat
[…] Das Entstehen der Arbeiterklasse in Afrika ist mit dem Kolonialismus und dem ausländischen Kapital verbunden. In den meisten Gebieten blieb die Größe des Proletariats klein, weil es keine groß angelegte Industrialisierung gab. In den Ländern mit der am weitesten entwickelten Wirtschaft, wie Ägypten und Südafrika, bildete sich jedoch eine starke Arbeiterklasse heraus. In diesen Ländern wurden in den 1920er Jahren die ersten kommunistischen Parteien Afrikas gegründet, die sich aus Arbeitern, Bauern und Intellektuellen zusammensetzten. Etwa zur gleichen Zeit wurden in Algerien, Marokko und Tunesien kommunistische Parteien gegründet, die mit der französischen kommunistischen Partei verbunden waren. […]
Schließlich gibt es das, was man als „Deklassierte“ bezeichnen kann. Das sind die Bettler, Prostituierten und allgemeinen Faulenzer, die das Lumpenproletariat bilden, und die – meist jungen – Angehörigen von Kleinbürger- oder Arbeiterfamilien, die vom Land in die Städte ziehen und meist nicht arbeiten, sondern auf Kosten ihrer Familien leben. Diese jungen Menschen können eine wichtige Rolle im Befreiungskampf spielen. Sie stehen in Kontakt mit Stadt und Land und können wirksame revolutionäre Kader werden. […]
Es wurden Versuche unternommen, die Existenz einer Arbeiterklasse in Afrika zu leugnen. In Gebieten, in denen es unmöglich war, ihre Existenz zu ignorieren – wie in den Bergbaugebieten Südafrikas, in Kongo-Kinshasa3 und Sambia – wurden große Anstrengungen unternommen, sie in das neokolonialistische, kapitalistische Ausbeutungssystem zu integrieren. Dies geschieht durch die Förderung des Wachstums von Gewerkschaften unter reformistischer Führung und durch die Gewährung eines gewissen Maßes an „Wohlfahrts“leistungen. In einigen Teilen Afrikas, vor allem in den hochentwickelten Bergbaugebieten, wird eine Afrikanisierungspolitik betrieben, um die Arbeiter zu beschwichtigen, und die Löhne und Gehälter der Afrikaner werden an das Niveau der im Ausland lebenden Menschen angeglichen. Dies hat in einigen Fällen dazu geführt, dass die Arbeiter weniger geneigt sind, sich an revolutionären Aktivitäten zu beteiligen.
Bauernschaft
[…] In Afrika stellt die Bauernschaft bei weitem den größten Teil der Arbeiterklasse dar und könnte potenziell die Hauptkraft für die sozialistische Revolution sein. Doch sie ist zersplittert, unorganisiert und größtenteils unrevolutionär. Sie muss erweckt und von ihren natürlichen Klassenverbündeten geführt werden – dem Proletariat und der revolutionären Intelligenz.
An der Spitze der Klassenstruktur in ländlichen Gebieten stehen die traditionellen feudalen Großgrundbesitzer, die von der Ausbeutung der Bauern leben; und die kapitalistischen Großgrundbesitzer – viele von ihnen sind abwesend – die auf die Ausbeutung der Lohnarbeit angewiesen sind. Unter letzteren, die Teil der ländlichen Bourgeoisie sind, befinden sich auch die Geistlichen verschiedener Sekten und Religionen, die von der feudalen und kapitalistischen Ausbeutung der Bauern leben. Die ländliche Bourgeoisie besitzt relativ große Höhlen. Sie besitzt Kapital, exploitiert Lohnarbeit und spezialisiert sich größtenteils auf Export- oder „Cash“-Pflanzen. Die kleinen Bauern, die als kleine ländliche Bourgeoisie betrachtet werden können, besitzen wenig Kapital und bewirtschaften Land, das sie entweder besitzen oder pachten. Sie beschäftigen Mitglieder ihrer Familie oder ihres Clans und/oder Lohnarbeiter. Wenn das Land gepachtet ist, besteht die übliche Praxis darin, dass der kleine Bauer etwa zwei Drittel des Erlöses der Farm für sich behält und ein Drittel an den Landbesitzer zahlt. Unter der kleinen ländlichen Bourgeoisie in den ländlichen Schichten befinden sich die Bauern, die geringe Flächen Land bewirtschaften und oft gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um Saisonarbeiter zu werden. Schließlich gibt es die landwirtschaftlichen Arbeiter, das ländliche Proletariat, die nichts besitzen außer ihrer Arbeitskraft. […]
Es ist vor allem die Aufgabe revolutionärer Kader, die ländlichen Schichten der Bauern und landwirtschaftlichen Arbeiter zu den Realitäten ihres wirtschaftlichen Potenzials zu erwecken und sie sowie die kleinen Bauern für sozialistische Organisationsformen der landwirtschaftlichen Produktion und Verteilung zu gewinnen. Dies kann durch die Entwicklung verschiedener Arten von landwirtschaftlichen Genossenschaften geschehen, die notwendig sind, um den Übergang von der privaten Landwirtschaft, die auf kleinbäuerlicher Produktion basiert, zur modernen, mechanisierten, sozialistischen Landwirtschaft zu vollziehen. […]
In Afrika muss der sozialistische revolutionäre Kampf auf der Bauernschaft und dem ländlichen Proletariat basieren. Sie bilden die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, und ihre Zukunft liegt im Sozialismus. Freiheitskämpfer operieren inmitten dieser Bevölkerung und sind auf sie für Rekruten und Vorräte angewiesen.
Das Land ist die Bastion der Revolution. Es ist das revolutionäre Schlachtfeld, auf dem die Bauernschaft in Allianz mit ihren natürlichen Klassenverbündeten – Proletariat und revolutionäre Intelligenz – die treibende Kraft für den sozialistischen Aufbau und die Transformation ist. […]
Sozialistische Revolution
[…] Revolutionäre Gewalt ist ein fundamentales Gesetz in revolutionären Kämpfen. Die Privilegierten werden, es sei denn, sie werden gezwungen, die Macht nicht freiwillig aufgeben. Sie mögen Reformen gewähren, aber sie werden keinen Millimeter nachgeben, wenn grundlegende Säulen ihrer verankerten Positionen bedroht sind. Sie können nur durch gewaltsame revolutionäre Aktion gestürzt werden. […]
Durch sozialistische revolutionäre Führung kann Afrika vom bourgeoiskapitalistischen Eigentum an Eigentum zur sozialistisch-kommunistischen Eigentumsordnung und den Mitteln der Produktion und Verteilung übergehen. Doch im revolutionären Kampf kann auf keine Sektion der Bourgeoisie oder der Kleinbourgeoisie vertraut werden. Obwohl diese Elemente während des Kampfes um nationale Befreiung in revolutionäre Aktionen eintreten mögen, werden sie immer, wenn es darauf ankommt, versuchen, die Schaffung eines sozialistischen Staates zu blockieren. Sie sind dem Kapitalismus verpflichtet und für ihr eigenes Überleben auf die Unterstützung des Imperialismus und des Neokolonialismus angewiesen. Erst wenn die bourgeoise herrschende Klasse in neokolonialistischen Staaten durch eine klassenbasierte sozialistische Revolution gestürzt wird, können grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft vollzogen werden. […]
Die Verbürgerlichung bestimmter Teile der internationalen Arbeiterklasse und der Ökonomismus der sozialistischen und Arbeiterführung in einigen Regionen hat den sozialistischen revolutionären Kampf in den Entwicklungsländern im weltweiten sozialistischen revolutionären Prozess noch wichtiger gemacht. In gewisser Weise hat der sozialistische revolutionäre Kampf so eine „klassenrassische“ Prägung entwickelt. Doch während es schädlich wäre, das Aufkommen eines rassischen Faktors im revolutionären Kampf nicht zu erkennen, darf dieser nicht dazu führen, das grundlegende Thema der sozialistischen Revolution – den Klassenkampf – zu verwischen oder zu verwirren. […]
Schlussfolgerungen
Die afrikanische Revolution konzentriert ihre Hauptanstrengung zwar weiterhin auf die Zerstörung von Imperialismus, Kolonialismus und Neokolonialismus, strebt jedoch gleichzeitig eine radikale Transformation der Gesellschaft an. Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob afrikanische unabhängige Staaten einen kapitalistischen oder nicht-kapitalistischen Entwicklungsweg einschlagen sollen. Diese Wahl ist bereits von den Arbeitern und Bauern Afrikas getroffen worden. Sie haben sich für Befreiung und Vereinigung entschieden; und dies kann nur durch bewaffneten Kampf unter sozialistischer Führung erreicht werden. Denn die politische Vereinigung Afrikas und der Sozialismus sind Synonyme. Das eine kann nicht ohne das andere erreicht werden.
„Volkskapitalismus“, „aufgeklärter Kapitalismus“, „Klassenfrieden“, „Klassenharmonie“ sind alles bürgerlich-kapitalistische Versuche, die Arbeiter und Bauern zu täuschen und ihre Köpfe zu vergiften. Ein „nicht-kapitalistischer Weg“, verfolgt von einer „vereinten Front fortschrittlicher Kräfte“, wie es einige vorschlagen, ist in der heutigen politischen Lage Afrikas nicht einmal eine praktisch mögliche Politik. Es gibt nur zwei Entwicklungswege für einen unabhängigen afrikanischen Staat: Entweder muss er unter imperialistischer Herrschaft durch Kapitalismus und Neokolonialismus bleiben, oder er muss einen sozialistischen Weg einschlagen, indem er die Prinzipien des Wissenschaftlichen Sozialismus übernimmt. Es ist unrealistisch zu behaupten, dass, weil die Industrialisierung in den Kinderschuhen steckt und ein starkes Proletariat erst beginnt, sich herauszubilden, es nicht möglich sei, einen sozialistischen Staat zu gründen. Die Geschichte hat gezeigt, wie ein relativ kleines Proletariat, wenn es gut organisiert und geführt wird, die Bauernschaft erwecken und die sozialistische Revolution auslösen kann. In einer neokolonialen Situation gibt es keinen halben Weg zum Sozialismus. Nur eine Politik des totalen Sozialismus kann die kapitalistisch-imperialistische Ausbeutung beenden.
Der Sozialismus kann nur durch den Klassenkampf erreicht werden. In Afrika muss der innere Feind – die reaktionäre Bourgeoisie – als Ausbeuter und Parasit entlarvt werden, die mit Imperialisten und Neokolonialisten zusammenarbeitet, von denen sie in hohem Maße für die Aufrechterhaltung ihrer Macht- und Privilegienpositionen abhängt. Die afrikanische Bourgeoisie stellt eine Brücke für die fortgesetzte imperialistische und neokolonialistische Herrschaft und Ausbeutung dar. Diese Brücke muss zerstört werden. Dies kann durch die Solidarität von Arbeitern und Bauern erreicht werden, die organisiert und von einer sozialistischen revolutionären Avantgardepartei geführt wird. Wenn die einheimische Bourgeoisie sowie der Imperialismus und Neokolonialismus besiegt werden, werden sowohl die inneren als auch die äußeren Feinde der afrikanischen Revolution überwunden sein, und die Bestrebungen des afrikanischen Volkes werden erfüllt.
Wie in anderen Teilen der Welt, in denen die sozialistische Revolution größtenteils auf der Bauernschaft basiert, steht den afrikanischen revolutionären Kadern eine gewaltige Aufgabe bevor. Das urbane und ländliche Proletariat muss für die Revolution gewonnen werden, und die Revolution muss auf das Land getragen werden. Erst wenn die Bauernschaft politisch geweckt und für die Revolution gewonnen ist, werden die Freiheitskämpfer – auf die die Revolution in der bewaffneten Phase weitgehend angewiesen ist – ihre Einsatzgebiete entwickeln und erweitern können. Gleichzeitig müssen die beiden Hauptstützen der bourgeoisen Macht im Innern – die Bürokratie sowie die Polizei und die professionellen bewaffneten Kräfte – politisiert werden.
Der endgültige Sieg der revolutionären Kräfte hängt von der Fähigkeit der sozialistischen revolutionären Partei ab, die Klassenposition in der Gesellschaft zu beurteilen und zu erkennen, welche Klassen und Gruppen für und welche gegen die Revolution sind. Die Partei muss in der Lage sein, die bereits existierenden gewaltigen Kräfte für die sozialistische Revolution zu mobilisieren und zu leiten und das immense revolutionäre Potenzial zu wecken und zu stimulieren, das derzeit noch ungenutzt bleibt.
Aber solange Gewalt gegen die afrikanischen Völker angewendet wird, kann die Partei ihre Ziele nicht ohne den Einsatz aller Formen des politischen Kampfes, einschließlich des bewaffneten Kampfes, erreichen. Wenn der bewaffnete Kampf effektiv geführt werden soll, muss er ebenfalls, wie die Partei, zentral organisiert und geführt werden. Ein All-Afrikanisches Militäroberkommando unter der politischen Führung der All-Afrikanischen Arbeiterpartei könnte dann in der Lage sein, eine einheitliche Strategie und Taktik zu planen und so die letzten Schläge gegen Imperialismus, Kolonialismus, Neokolonialismus und Siedler-Minderheitenregime zu führen.
Bewaffneter Widerstand ist in Afrika kein neues Phänomen. Seit Hunderten von Jahren kämpfen Afrikaner gegen kolonialistische Eindringlinge, obwohl diese heroischen Kämpfe in den Geschichtsbüchern Afrikas, die größtenteils von ausländischen bürgerlichen Autoren verfasst wurden, nur wenig Beachtung fanden. In der Tat kann man sagen, dass Afrikaner niemals aufgehört haben, sich gegen die imperialistische Penetration und Dominanz zu wehren, auch wenn der Widerstand größtenteils gewaltfrei wurde, als der Imperialismus seine Unterdrückung und Ausbeutung intensivierte. Eine Zeit lang, als der Kolonialismus in seiner Blüte stand, schien es oberflächlich, als sei der afrikanische Widerstand endlich überwunden worden und der Kontinent würde auf unbestimmte Zeit unter fremder wirtschaftlicher und politischer Herrschaft bleiben. Aber der Widerstand brodelte immer knapp unter der Oberfläche und trat nach dem Zweiten Weltkrieg in einer neuen aktiven Form im Kampf um nationale Befreiung wieder hervor. Einige der Befreiungskämpfe wurden erfolgreich ohne den Einsatz von Waffen geführt, andere wurden nur nach Jahren bitterer bewaffneter Kämpfe erreicht.
Aber die politische Unabhängigkeit beendete nicht die wirtschaftliche Unterdrückung und Ausbeutung. Sie beendete auch nicht die ausländische politische Einmischung. Die neokoloniale Ära beginnt, wenn internationales Monopolfinanzkapital, das durch die einheimische Bourgeoisie arbeitet, versucht, einen noch festeren Griff über das Wirtschaftsleben des Kontinents zu erlangen als während der Kolonialzeit.
Unter dem Neokolonialismus wird eine neue Form der Gewalt gegen die Völker Afrikas angewendet. Sie nimmt die Form der indirekten politischen Herrschaft durch die einheimische Bourgeoisie und Marionettenregierungen an, die von Neokolonialisten ferngesteuert werden; direkte wirtschaftliche Ausbeutung durch eine Erweiterung der Tätigkeiten von riesigen, miteinander verflochtenen Konzernen; und durch allerlei andere heimtückische Methoden wie die Kontrolle der Massenmedien und ideologische Penetration.
Unter diesen Umständen ist der Bedarf an bewaffnetem Widerstand erneut entstanden. Denn die Befreiung und Vereinigung Afrikas kann nicht durch Konsens, moralische Prinzipien oder moralische Eroberung erreicht werden. Nur durch den Einsatz von Waffen kann sich Afrika ein für alle Mal von den verbleibenden Überresten des Kolonialismus sowie von Imperialismus und Neokolonialismus befreien; und eine sozialistische Gesellschaft in einem freien und vereinten Kontinent etabliert werden. Dabei haben die afrikanischen Massen die Unterstützung und Hilfe der sozialistischen Welt.
Der afrikanische revolutionäre Kampf ist kein isolierter. Er bildet nicht nur einen Teil der weltweiten sozialistischen Revolution, sondern muss im Kontext der Schwarzen Revolution als Ganzes gesehen werden. In den USA, der Karibik und überall dort, wo Afrikaner unterdrückt werden, werden Befreiungskämpfe geführt. In diesen Gebieten lebt der schwarze Mann in einer Form des inneren Kolonialismus und leidet sowohl aufgrund seiner Klasse als auch seiner Hautfarbe.
Der Kern der Schwarzen Revolution liegt in Afrika, und bis Afrika unter einer sozialistischen Regierung vereint ist, fehlt dem schwarzen Mann auf der ganzen Welt ein nationales Zuhause. Es ist im Kampf der afrikanischen Völker um Befreiung und Vereinigung, dass die afrikanische oder schwarze Kultur Gestalt und Substanz annehmen wird. Afrika ist ein Kontinent, ein Volk und eine Nation. Die Vorstellung, dass es für eine Nation notwendig ist, eine gemeinsame Sprache, ein gemeinsames Territorium und eine gemeinsame Kultur zu haben, hat den Test der Zeit oder die wissenschaftliche Definition der objektiven Realität nicht bestanden. Gemeinsames Territorium, Sprache und Kultur können in einer Nation vorhanden sein, aber das Vorhandensein einer Nation setzt nicht notwendigerweise das Vorhandensein aller drei voraus. Gemeinsames Territorium und Sprache allein können die Grundlage einer Nation bilden. Ebenso kann gemeinsames Territorium plus gemeinsame Kultur die Grundlage sein. In einigen Fällen trifft nur eines der drei zu.4 Ein Staat kann auf einer multinationalen Grundlage existieren. Die Gemeinschaft des Wirtschaftslebens ist das Hauptmerkmal innerhalb einer Nation, und es ist die Wirtschaft, die die Menschen in einem Territorium zusammenhält. Auf dieser Grundlage erkennen die neuen Afrikaner sich selbst als eine potenzielle Nation, deren Herrschaftsgebiet der gesamte afrikanische Kontinent ist.
Die totale Befreiung und die Vereinigung Afrikas unter einer all-afrikanischen sozialistischen Regierung muss das Hauptziel aller schwarzen Revolutionäre weltweit sein. Es ist ein Ziel, das, wenn es erreicht wird, die Bestrebungen der Afrikaner und der Menschen afrikanischer Abstammung überall erfüllen wird. Es wird gleichzeitig den Triumph der internationalen sozialistischen Revolution vorantreiben und den Fortschritt in Richtung des Weltkommunismus beschleunigen, unter dem jede Gesellschaft nach dem Prinzip organisiert wird: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“.
- Die intellektuelle und kulturelle Bewegung der Négritude entstand in den 1930er Jahren und geht insbesondere auf Aimé Césaire und Léopold Senghor zurück. Sie betont die Selbstbejahung afrikanischer und afro-diasporischer Identität, die Ablehnung kolonialer Assimilation und die Wiederentdeckung einer eigenständigen schwarzen Ästhetik. Während die Négritude eine wichtige Rolle im antikolonialen Bewusstseinsprozess spielte, sahen beispielsweise Nkrumah oder auch Frantz Fanon ihre Schwachstellen in der essentialistischen Identitätspolitik, der fehlenden Klassenanalyse und der unzureichenden revolutionären Perspektive. ↩︎
- Dieses Konzept gab es auch im sozialistischen Lager. Siehe: https://ifddr.org/marxistisches-glossar-zum-studium-des-antiimperialismus/#elementor-toc__heading-anchor-11. ↩︎
- Gemeint ist das frühere Belgisch-Kongo, auch Kongo-Léopoldville genannt, seit der Unabhängigkeit 1960 Demokratische Republik Kongo (1971-97 offiziell Zaire) in Unterscheidung zu Kongo-Brazzaville bzw. Republik Kongo (1969-91 Volksrepublik Kongo). ↩︎
- Diese Ausführung kann als Kritik an der von Stalin entwickelten Definition der Nation verstanden werden, die bis heute als Grundlage der marxistisch-leninistischen Theorie der Nation dient. Er schrieb 1913: „Eine Nation ist eine historisch entstandene stabile Gemeinschaft von Menschen, entstanden auf der Grundlage der Gemeinschaft der Sprache, des Territoriums, des Wirtschaftslebens und der sich in der Gemeinschaft der Kultur offenbarenden psychischen Wesensart. […] Es muß hervorgehoben werden, daß keines der angeführten Merkmale, einzeln genommen, zur Begriffsbestimmung der Nation ausreicht. Mehr noch: Fehlt nur eines dieser Merkmale, so hört die Nation auf, eine Nation zu sein.“ ↩︎