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Das Ende der deutschen Friedhofsruhe!

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So viele frustrierte Jahresrückblicke waren in den letzten Tagen zu lesen. Es stimmt, dass in Deutschland 2023 ein Überbietungswettbewerb in reaktionärer Stimmungsmache stattgefunden hat. Aber ist das ein Grund für Pessimismus? 

Unsere Herren und Damen Politiker haben schließlich kein souveränes Bild abgegeben. Was wir von ihnen zu hören bekamen, war ein Mix aus Durchhalteparolen, wütenden Drohgebärden und dazwischen primitiver Schönfärberei. 

Da wäre doch folgendes positives Fazit angemessen: Sie stehen unter Druck. Und zwar so sehr, dass es quietscht! Zu optimistisch? Schauen wir auf ihre neuesten gesamtgesellschaftlichen Einschüchterungsversuche:

Nummer eins wäre sicherlich: „Wenn du gegen Krieg demonstrierst, bist du ein reaktionärer Putin-Troll!“ 

Erinnern wir uns an die ersten Monate nach Beginn von Russlands Militäreinsatz in der Ukraine. Welche Mühe wurde sich gegeben, das Narrativ des „völkerrechtswidrigen Angriffskrieges“ durchzusetzen. Grotesk für jeden, der bis dato gegen die faschistischen Schergen in der Ukraine, die Bombardierung des Donbass, die immer aggressivere Einkreisung Russlands und das Säbelrasseln der NATO-Scharfmacher auf die Straße gegangen war. Ja, die deutsche Zeitenwende-Propaganda konnte durchgesetzt werden, aber die unbedingte Anforderung, eine mögliche Protestbewegung zu unterbinden, hat auch seinen Preis gehabt: Das Verbieten von russischen Künstlern, genauso wie die Sprech- und Diskussionsverbote, mit denen das Thema belegt wurde, hat selbst so manchem aufrichtigen Bürgerlichen Zweifel kommen lassen. 

Und dann kam schon der nächste Lackmustest. Die Al-Aqsa Flut vom 7. Oktober 2023. Sie wird als Sinnbild für die Verunmöglichung des imperialistischen Normalzustandes in die Geschichte eingehen. Sie hat nicht nur den palästinensischen Widerstand, sondern mit ihm auch den aktiven antiimperialistischen und antikolonialen Kampf zurück auf die Tagesordnung gebracht. Ein Frontalangriff auf die westliche Unterdrückerordnung, sodass sich erneut die gesamte deutsche Propagandamaschinerie aufstellen musste, um zum ideologischen Generalangriff überzugehen: „Wenn du gegen Völkermord demonstrierst, bist du Antisemit!“, lautete also der nächste Einschüchterungsversuch, der nötig geworden war – keine zwei Jahre später.  

Weiterhin sind diejenigen, die etwas zu verlieren haben, eingeschüchtert durch das omnipräsente Stigma. Nur, je mehr das Wort „Antisemitismus“ bei gleichzeitiger Inhaltsleere im Dauergebrauch ist, desto mehr wird seine Wirkung schwinden. So sieht es doch sehr danach aus, dass es als Diffamierungsinstrument nicht mehr lange zu halten sein wird. Es könnte eine propagandistische Überdehnung geben, die die Steinmeiers und Baerbocks über ihre eigene Scheinheiligkeit stolpern lassen wird. Dass die Menschen sehen, dass die deutsche Regierung mit Kräften ein Kolonialverbrechen sondergleichen unterstützt, werden sie nicht verhindern können. 

Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass dieser Staat schon jetzt die Reaktionen darauf nur mit Mühe und Not zu kontrollieren vermag – nämlich mit Zensur, polizeilichen Willkürmaßnahmen, Repressionsexempeln und einer gehörigen Portion Rassismus.  

Die Palästinademos zeigen es wie unter dem Brennglas: Elementare Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit, werden ausgehebelt durch Zensur (Verbot der Parole „From the river to the sea…“), Demonstrationsverbote (wegen „Gefährdung des öffentlichen Friedens“) und Vereinsverbote (u.a. gegen Samidoun). Das meiste davon geschieht in Verstoß gegen derzeit gültiges Recht und mittels schwächster inhaltlicher und juristischer Begründungen, die teilweise bereits zu bröckeln beginnen. Es ist eben Willkür – nur dass Willkür hier nicht Souveränität oder Stärke zu sein scheint. Und wenn jetzt die Bauern auf die Straße gehen, kommt die Medienmaschine ins Rollen, der „Unterwanderungs-Verdacht“ wird ausgebreitet und Tatsachen verdreht. „Maß und Mitte“ oder besser preußische Zurückhaltung, soll jede demokratische Regung ersticken. 

Ziehen wir also ein paar Schlüsse: 

Ja, offensichtlich werden die Zeiten rauer. Aber es ließe sich die Frage stellen, warum eine so gut trainierte Staatsmaschinerie wie die der BRD es nötig hat, erstens jede politische Massenbewegung so dringend zu unterdrücken und das zweitens mit der inzwischen beachtlichen Preisgabe des Scheins von Freiheit und Demokratie. 

Es sind Risse entstanden in der freiheitlich-demokratischen Fassade der Bundesrepublik und es gab einige Enttäuschungen zu verzeichnen. Das heißt, sie täuschen jetzt keinen mehr – so wie etwa, dass die Grünen etwas für den Frieden übrighätten oder dass die LINKE eine Oppositionskraft sei. Und das ist mehr als eine Randnotiz. Es geht darum, dass die Zeitenwende, so reaktionär sie auch sein mag, an einigen Stellen für Klarheit sorgt, was den Klassenstandpunkt der etablierten politischen Kräfte und der Verhältnisse angeht. Wir haben es mit einer Krise des Westens zu tun, die Deutschland, als einen seiner zentralen Akteure, unter Druck setzt. Deutschland befindet sich auf Kriegskurs und hinter der reaktionären Zeitenwende steht die dringende Anforderung diesen Kurs gerade an der Heimatfront um jeden Preis durchzusetzen und vor allem den Krieg nicht zu verlieren. 

Es bringt nichts, den ruhigeren Zeiten nachzuweinen. Eine Wagenknecht hat höchstens eine weitere (Ent-)Täuschung in diesem Sinne anzubieten. Hier muss nichts mit Vernunft und Seriosität gekittet werden. Stattdessen geht es jetzt darum, wie wir an den Rissen ansetzen, die im Herrschaftsgebäude im Entstehen sind. Zu fragen ist: Wie müssen wir uns aufstellen für die kommende Zeit, in der offensichtlich mit härteren Bandagen gekämpft werden wird, in der aber auch der Spielraum für Widerständigkeit und Aufklärung größer wird? Schon wieder zu optimistisch? Tatsächlich ist eines besorgniserregend: Die Linke, samt Gewerkschaften und Kommunisten tut sich schwer aus dem Quark zu kommen. Was linken Protest angeht, hat sich eine regelrechte Friedhofsruhe eingestellt. Stattdessen sind rechte Mobilisierungen schon seit längerer Zeit stärker und machen in der Regel die Schnitte. Es gilt angesichts dessen aber nicht in Torschlusspanik zu geraten. Dieser Zustand ist schließlich kein neuer. Vielmehr wird das Maß an Einbindung, Weichspülung, Entkernung, Integration, Verblödung und Rechtsabbiegen verschiedener Teile der Linken nur in ihrem Ausmaß deutlich.  

Das ist in der Sache schlecht, aber es ist auch das Potential für Erneuerung, vor dem wir Anfang 2024 stehen, gerade wenn es sichtbar wird. 

Nun kommt es darauf an, die neuen Spielregeln zu verstehen und die neuen Spielräume auszutesten. Die beste Nachricht dabei ist, dass uns die letzten Monate gezeigt haben, dass das geht! Wir haben gesehen, dass es sich lohnt zu kämpfen und dass es sich noch mehr lohnt standhaft zu bleiben. Dort wo wir in die Offensive gegangen sind, sei es durch juristische Klagen oder einfach dadurch, dass wir die Wahrheit ausgesprochen haben, wo Massen an Menschen gegen die westliche Kriegs- und Besatzungspolitik auf die Straße gingen, die vorher noch passiv waren, hat sich die Schwäche unseres Gegners gezeigt. Seine Einschüchterungen entpuppen sich als Schall und Rauch. Und es ist mit Nichten so, dass er sich alles erlauben könnte. Dort wo wir in die Offensive gegangen sind, haben wir Kraft und Mut geschöpft.  

Wenn das kein Grund für Optimismus ist! Noch mag so mancher eingerostet sein durch die ruhigen Jahre. Aber können wir eine Erneuerung aus der Krise heraus erreichen, gerade wenn wir uns in die Kämpfe werfen. Wenn wir mutig sind, uns ausprobieren und neue Kampfmethoden aneignen, werden wir immer stärker werden. 

Beginnen wir die deutsche Friedhofsruhe zu stören! 

Rolle und Interessen des deutschen Imperialismus in Wirtschaftskriegen

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Wir veröffentlichen hiermit die verschriftlichte Ausarbeitung von Joachim Guilliard von seinem Vortrag „Rolle und Interessen des deutschen Imperialismus in Wirtschaftskriegen“ für den Kommunismus Kongress 2023. Der Vortrag musste krankheitsbedingt leider ausfallen.

Joachim Guilliard engagiert sich vor allem in der Friedens- und in unterschiedlichen Solidaritätsbewegungen – u.a. der Friedenskooperative Heidelberg. Er ist nebenberuflich Autor und Herausgeber von Zeitschriften und Büchern. Seine inhaltlichen Schwerpunkte sind Sanktionspolitik bzw. Wirtschaftskriege und Naher und Mittlerer Osten. Für den Kommunismus Kongress 2023 haben wir ihn für ein Referat zum Thema Sanktionen und den damit zusammenhängenden Interessen des deutschen Imperialismus gewinnen können.
Sanktionen werden uns in den bürgerlichen Medien häufig als zivile und damit legitime Druckmittel gegen andere Staaten präsentiert. Die Realität zeigt jedoch: Sanktionen sind Wirtschaftskrieg – mit fatalen Folgen für die betroffene Bevölkerung. Sie sind Mittel der Herrschaftsausübung und werden maßgeblich von den USA verhängt und von den EU- und NATO-Staaten mitgetragen. Wir wollen uns daher folgenden Themen und Fragen nähern: Was sind Sanktionen und welche Auswirkungen haben sie? Wer setzt sie ein und wem dienen sie? Welche widersprüchlichen Interessen gibt es in der Sanktionspolitik zwischen den USA und der EU bzw. der BRD? Wie schützen US-unabhängige, internationale Zusammenschlüsse wie z.B. die BRICS vor Sanktionen?

Vielen Dank an Joachim, dass wir seine Ausarbeitung nachträglich veröffentlich können.

Rolle und Interessen des deutschen Imperialismus in Wirtschaftskriegen

Gegen Wirtschaftssanktionen oder besser -blockaden der USA und der EU gibt es seit langem einen breiten Widerstand im globalen Süden, zu dem sich immer mehr Länder zusammenschlossen haben ‒ ungeachtet sonstiger Differenzen. Die Auseinandersetzung um die westliche Sanktionspolitik ist, wie sich zeigen lässt, ein zentraler Teil des Kampfes einer großen Mehrheit des Planeten gegen die westliche Vorherrschaft. Diese Auseinandersetzung bekam nun mit dem Wirtschaftskrieg des politischen Westens gegen Russland eine enorme Dynamik. Die praktischen Maßnahmen, die nun zunehmend im globalen Süden gegen Embargomaßnahmen ergriffen werden, beschleunigen die Umbrüche in eine multipolare Welt.

Die Wirtschaftsblockaden schlagen dadurch zunehmend auf ihre Urheber zurück, vor allem natürlich die gegen Russland. Und besonders hart trifft es bekanntlich Deutschland.

Es ist daher sinnvoll sich über ihre Wirkungsweise, ihre Folgen, den Widerstand aus dem Süden dagegen zu verständigen bevor wir uns dem recht widersprüchlich erscheinenden Agieren des deutschen Imperialismus in diesem Kontext zuwenden und seinen Interessen dahinter. [1]

Gegen ein Drittel der Menschheit

Bei den internationalen Auseinandersetzungen um Sanktionen geht es in erster Linie um umfassende Wirtschaftssanktionen, die eigenmächtig von einzelnen Staaten verhängt werden und Wirtschaft und Handel der Zielländer empfindlich treffen. Der Begriff „Sanktionen“ ist hier allerdings irreführend, da kein Staat oder Staatenbündnis das Recht hat, selbstherrlich Strafmaßnahmen zu verhängen. Die UN-Charta legitimiert allein den UN-Sicherheitsrat dazu. Im Rahmen der UNO werden sie daher durchgängig als „unilaterale Zwangsmaßnahmen“ bezeichnet.

Die Legitimität eigenmächtiger Embargomaßnahmen wird international ganz allgemein bestritten, da sie nur von wirtschaftlich dominierenden Mächten oder Bündnissen wirksam verhängt werden können und von daher in der Regel auch sehr selektiv eingesetzt werden. Gleichzeitig können diese Mächte sicher sein, nie selbst Ziel solcher Maßnahmen zu werden, selbst nicht beispielsweise bei völkerrechtswidrigen Kriegen, wie gegen Jugoslawien oder den Irak. Daher fördern unilaterale Maßnahmen keineswegs die „Stärke des Rechts“, wie u. a. führende Grüne hierzulande gerne ins Feld führen, sondern setzen auch nur das „Recht des Stärkeren“ durch. Auch wenn vorgebrachten Gründe berechtigt erscheinen mögen, bleiben sie im Grunde Akte der Willkür [aus dem „Arsenal des Faustrechts“, wie sie der Präsident der „International Progress Organization“ (I.P.O.) in Wien, Hans Köchler charakterisiert].[2]

Aktuell haben die USA teils allein, teils gemeinsam mit der EU gegen rund 40 Länder solche Maßnahmen ergriffen, bezogen auf die Bevölkerungszahl richten sie sich faktisch gegen ein Drittel der Menschheit. Einige, wie die Wirtschaftsblockaden gegen Kuba, Iran und Russland, sind allgemein bekannt. Die verheerenden Folgen der Blockaden gegen viele weitere, meist bereits völlig verarmte Länder wie Nicaragua, Mali, Simbabwe oder Laos hat jedoch kaum jemand auf dem Schirm.

Besonders umfassend sind die Blockaden gegen Nordkorea, Kuba, Iran und Syrien. Sie sind auch die langjährigsten. Ein kurzer Blick auf ihre Geschichte genügt um zu zeigen, dass sie mit Demokratie und Menschenrechten, mit denen die westl. Sanktionspolitik gerne gerechtfertigt wird, nichts zu tun hat. So laufen die Embargomaßnahmen der USA gegen die Demokratischen Volksrepublik Korea seit dem Beginn des Koreakriegs 1950. Während die Waffen seit 70 Jahren schweigen, wurde der Wirtschaftskrieg von den USA in wechselnder Intensität fortgeführt.

Ab 2006, nach dem ersten Atomwaffentest Nordkoreas kamen noch Sanktionen des UN-Sicherheitsrates hinzu. Da Nordkoreas 2003 den Atomwaffensperrvertrag kündigte und Pjöngjang kein anderes Land angegriffen hat, liegt an sich kein Völkerrechtsverstoß vor, der das Vorgehen legitimieren würde. Aber die fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat, die gleichzeitig auch die größten Atommächte sind, haben sich darauf verständigt, die zusätzliche Konkurrenz zu blockieren, während sie selbst ihren Abrüstungsverpflichtung aus dem Atomwaffensperrvertrag nicht nachkommen. Von Erfolg war das Bemühen bekanntlich nicht gekrönt.

Kuba

Kuba ist seit 1960 mit strengen Handels- und Finanzblockaden konfrontiert, als direkte Fortsetzung der militärischen und geheimdienstlichen Operationen, die Washington ab Ende 1959, nach dem Sturz des Diktators Fulgencio Batista, gegen die revolutionäre Regierung eingeleitet hatte und in der Invasion in der Schweinebucht gipfelten. Da Kuba bis dahin fast vollständig von den USA abhängig waren, wirkte die Blockade besonders brutal. Offen verkündetes Ziel war, „das Wirtschaftsleben Kubas zu schwächen […] um Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung herbeizuführen“.[3] Da der Rückhalt der Bevölkerung für die Revolution zu groß war, zielten sie bald vorwiegend darauf, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes so gut es geht zu bremsen ‒ um zu verhindern, dass die sozialistische Insel ein zu leuchtendes Beispiel für andere unterjochte Länder wird.

Iran und Syrien seit dem Sturz des Schahs

Gegen den Iran haben die USA ab 1979, nach dem Sturz ihres wichtigsten Verbündeten in der Region, Schah Reza Pahlavi Wirtschafts-, Handels- und Finanzrestriktionen verhängt und stetig erweitert. Seit demselben turbulenten Jahr, in dem der US-Imperialismus mit dem persischen Schah-Regime der wichtigste Stützpfeiler im Nahen Osten weggebrochen war, ist auch Syrien mit US-amerikanischen Zwangsmaßnahmen konfrontiert. Washington setze das Land, wegen seiner Unterstützung palästinensischer und anderer antiimperialistischen Organisationen auf seine Liste „staatlicher Terrorismusförderer“.

Tödliche Folgen

Massiv in der Kritik weltweit stehen die Wirtschaftsblockaden ‒ ungeachtet ihrer politischen Einschätzungen ‒ natürlich wegen ihrer schädlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung der betroffenen Länder. Von westlicher Seite wird zwar stets beteuert, dass ihre Maßnahmen sich allein gegen die jeweilige Regierung, das jeweilige Regime, richten würden. Doch selbst wenn dies tatsächlich der Fall wäre, liegt es auf der Hand, dass sie, sobald sie effektiv sind, d.h. den Handel und die Wirtschaft wirksam einschränken, sie stets in erster Linie die Bevölkerung treffen, vor allem deren ärmere, verletzlichste Teile. Tatsächlich sind Versorgungsengpässe bei umfassenden Blockaden stets vorprogrammiert. Letztlich behindern sie alle Importe und verteuern sie, während die Länder gleichzeitig durch Wegfall ihrer Exporte, die zum Einkauf nötigen Devisen verlieren. Wenn betroffene Länder zusätzlich auch vom internationalen Zahlungsverkehr und Kreditwesen ausgeschlossen werden, können sie nicht auf übliche Weise bezahlen, meist werden auch noch Transportmöglichkeiten blockiert.

In der Regel fallen auch immer sogenannte „Dual Use“-Güter unter die Blockadebestimmungen, also Güter, die zivil und militärisch genutzt werden können. Da es eine sehr große Bandbreite von Produkten gibt, die u. U. auch militärisch genutzt werden können, wird dadurch die Eigenproduktion stark beeinträchtigt ‒ von Maschinen und Ersatzteilen bis hin zu Pflanzendünger, Desinfektionsmitteln und Medikamenten.

Die heutigen Gesellschaften beruhen auf einem komplexen Netz unentbehrlicher Infrastruktur. Wenn z. B. aus Mangel an Ersatzteilen immer mehr Pumpen ausfallen, bricht für viele die Trinkwasserversorgung zusammen oder lässt der Ausfall des Abwassersystems ganze Stadtteile im Sumpf versinken und Cholera- und Typhus-Seuchen ausbreiten. Erhalten Bauern nicht mehr genug Saatgut und Dünger, bricht auch noch die Selbstversorgung mit Lebensmitteln zusammen.

Wenn mehrere solche Faktoren zusammenwirken, entstehen schnell lebensbedrohliche Notlagen. Richtig mörderisch wird es, wenn eine derart dominante Macht wie die USA ihre Gegner durch vollständige Blockaden zu strangulieren sucht, indem sie Drittländer und ausländische Firmen zwingt, sich den Embargomaßnahmen anzuschließen, durch Androhung von sogenannten „sekundären  Sanktionen“ gegen sie selbst, sollten sie sich weigern. Davon sind vor allem Kuba und der Iran betroffen.

Die Blockaden können dadurch direkt tödlich sein, weil lebensrettende Medikamente fehlen, oder wie im Frühjahr in Syrien, weil Rettungskräfte teilweise wegen sanktionsbedingtem Treibstoffmangel nicht in die Erdbebengebiete gelangen und Hilfsorganisationen aufgrund der Finanzblockaden keine Hilfsgüter ins Land bekamen.

Eine gravierende Verschlechterung von Lebensverhältnissen geht stets mit einem Rückgang der Lebenserwartung einher. Daher führen Embargomaßnahmen unweigerlich auch zu einer wachsenden Zahl indirekter Toten, vor allem zu einem teils dramatischem Anstieg der Kinder- und Müttersterblichkeit und dem vorzeitigen Tot von Alten und Kranken. Dadurch kostete das umfassende Embargo gegen den Irak von 1990 bis 2003 mehr als einer Million Irakern und Irakerinnen das Leben, darunter ca. 500.000 Kindern.

Lang andauernde Wirtschaftskriege können daher sogar mehr Opfer fordern als militärische. Die aktuellen Handels- und Finanzblockaden gegen Länder wie Syrien, Venezuela oder Kuba wirken sicherlich nicht so verheerend wie das Irakembargo damals. Doch forderten auch die US- und EU-Sanktionen gegen Venezuela nach Schätzungen von Mark Weisbrot und Jeffrey Sachs in einer Studie für das Washingtoner Centre for Economic and Policy Research (CEPR) bereits zwischen 2017 und 2018 ca. 40.000 Menschenleben.[4]

Die von den USA und EU gegen Afghanistan verhängten Handels- und Finanzblockaden haben das Land nach dem Abzug der NATO-Truppen in eine katastrophale Lage gebracht. Experten befürchten, dass „Hunger und Elend“ nun „mehr Afghanen töten als alle Bomben und Kugeln der letzten zwei Jahrzehnten“.[5]

Auch in Syrien wirken die Wirtschaftsblockaden der USA und der EU, wie der damalige UN-Sonderberichterstatter, Idriss Jazairy schon im Mai 2019 berichtete, verheerender als der Krieg. Ihre Opfer würden nun nur „einen stillen Tod“ sterben.[6] Seine Nachfolgerin, Alena Douhan hat nach ihre Syrienreise im November letzten Jahres erneut eindringlich die Aufhebung gefordert. Sie hätten eine vernichtende Wirkung auf die syrische Zivilbevölkerung und verhinderten nach elf Jahren Krieg den Wiederaufbau des Landes und damit auch die Rückkehr von Millionen Flüchtlingen. Tausende von diese stranden stattdessen monatlich beim Versuch nach Europa zu kommen in Libyen oder ertrinken gar im Mittelmer.[7]

Und natürlich verursachen sie seit Jahrzehnten enorme wirtschaftliche Schäden, hemmen die wirtschaftliche Entwicklung und die Steigerung des Lebensstandards. Die kubanische Regierung schätzt den Schaden von 60 Jahren US-Blockade auf über 144 Milliarden US-Dollar. [8]

Dass Embargoopfer offenbar bewusst in Kauf genommen werden, belegt das berühmt-berüchtigte „Ja“ der damaligen Außenministerin der USA, Madeleine Albright, als sie gefragt wurde, ob die 500.000 tote Kinder durch das Irakembargo „den Preis wert waren“, den Preis dafür, dass die unbotmäßige einstige Regionalmacht nicht wieder auf die Beine kommt. Das offenbart keineswegs nur die besondere Skrupellosigkeit einer US-Politikerin, die Annalena Baerbock zu ihrem Vorbild erkoren hat und die auf grünen Parteitagen gefeiert wurde.

Tatsächlich sind schädliche Auswirkungen auf die Bevölkerung der angegriffenen Länder generell kein bedauerlicher Nebeneffekt, sondern gehören –entgegen allen Beteuerungen – zum Kalkül. Schließlich soll die Verschlechterung der Lebensbedingungen zu öffentlichem Druck auf die Regierung führen, den Forderungen der blockierenden Mächte nachzugeben, oder wie im Fall Kuba, Syrien, Iran oder Venezuela zum Aufstand nötigen. Alle Bürger der betroffenen Länder werden so als Geiseln genommen.

Ihre Ziele haben Wirtschaftsblockaden auch damit selten erreicht. Es gibt eine größere Zahl von Studien, die belegen, dass sie generell wenig bewirken. Noch nie konnten sie einen Krieg beenden und nur selten konnten sie das, ja häufige inoffizielle Ziel erreichen, die Bevölkerung zu einer Revolte gegen ihre Machthaber anzustacheln oder gar eine unliebsame Regierung zu Fall bringen.

Stattdessen haben umfassende Embargos die Position der herrschenden Eliten eher gefestigt als geschwächt. Da als Angriff von außen angesehen, veranlassen sie die Mehrheit der Bevölkerung, enger mit der politischen Führung des Landes zusammenzurücken (Rally-’round-the-Flag-Effekt“). Gleichzeitig erhöht sich dadurch auch in Länder wie dem Iran der Druck auf oppositionelle Kräfte, die leicht der Subversion und Unterstützung des Feindes beschuldigt werden können. D.h. statt durch Sanktionen eine Demokratisierung zu erzwingen, wie es offiziell oft angestrebt wird, beschränken sie im Gegenteil die Möglichkeiten fortschrittlicher Kräfte, demokratische oder soziale Verbesserungen durchzusetzen, drastisch.

Moderne Kriegsführung

Der einstige Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrates für Lateinamerika, Alfred De Zayas, brachte die grundsätzliche Problematik der vom Westen betriebenen Sanktionspolitik sehr gut auf den Punkt: Grundsätzlich seien Wirtschaftssanktionen vergleichbar mit „mittelalterlichen Belagerungen von Städten“, die zur Kapitulation gezwungen werden sollten. „Die Sanktionen des 21. Jahrhunderts versuchen aber nicht nur eine Stadt, sondern souveräne Länder in die Knie zu zwingen.“ Im Unterschied zum Mittelalter, würden die Blockaden des 21. Jahrhunderts „von der Manipulation der öffentlichen Meinung durch ‚Fake News‘, einer aggressiven PR-Arbeit sowie einer Pseudo-Menschenrechtsrhetorik begleitet werden, um den Eindruck zu erwecken, dass das ‚Ziel‘ der Menschenrechte kriminelle Mittel rechtfertigt.[9]

Es ist letztlich eine Form moderner Kriegsführung und mittlerweile auch die am häufigsten angewandte. Da sie unblutig daherkommt, ist es leichter, dafür öffentliche Unterstützung zu finden oder, wenn nicht, sie auch so ‒ ohne größere Aufmerksamkeit zu wecken ‒ weitgehend unangefochten einzusetzen.

Die breit gefächerten Angriffe auf gegnerische Länder werden im Westen mittlerweile flankiert von einer Ideologie, die die westlichen „Werte “ und Regeln als Maß für jede Gesellschaft setzt und die die Staaten der Welt in Gut und Böse einteilt. Statt Völkerrecht soll nun eine „regelbasierte Ordnung“ gelten ‒ mit selbst festgelegten Regeln und durchgesetzt durch ein immer ausgedehnteres Sanktionssystem.[10]

Auseinandersetzung in UNO und Menschenrechtsrat

Die Auseinandersetzung um die Praxis der USA und der EU, andere Länder mit umfassenden wirtschaftlichen Restriktionen unter Druck zu setzen, wird vor allem auch im Rahmen der UNO und UN-Organisationen geführt. Bisher ist allerdings nur wenig von diesen Auseinandersetzungen dort in die westliche Öffentlichkeit gedrungen. Erst in diesem Jahr erhielt eine Resolution des Menschenrechtsrats etwas breitere Aufmerksamkeit, die sich gegen eigenmächtig, also nicht vom UN-Sicherheitsrat, verhängte Zwangsmaßnahmen richtet, da sie gegen Völkerrecht, gegen Menschenrechte und das Recht auf Entwicklung verstoßen. [11]

Sie ist jedoch keineswegs ein Novum. Seit der Gründung des Rates 2007 wird von der Bewegung der Blockfreien Staaten jedes Jahr eine solche Resolution gegen „die negativen Auswirkungen einseitiger Zwangsmaßnahmen auf die Wahrung der Menschenrechte“ eingebracht und mit wachsender Mehrheit verabschiedet.

Wie die vorhergehenden, verweist auch die neue Resolution darauf, dass nach den internationalen Pakten über „bürgerliche und politische Rechte“ und „wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ ein Volk in keinem Fall seiner eigenen Existenzmittel beraubt werden darf. Sie wiederholt die tiefe Besorgnis der Mehrheit im Menschenrechtsrat über die „schädlichen Auswirkungen einseitiger Zwangsmaßnahmen auf das Recht auf Leben, das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit und medizinischer Versorgung“ wie auch auf das Recht auf Freiheit von Hunger, auf einen angemessenen Lebensstandard und das Recht auf Entwicklung.“

Dieses Jahr stimmten 33 Mitgliedsstaaten für die Ächtung darunter auch Argentinien, Indien, Marokko, Pakistan und Südafrika. Die 13 Gegenstimmen kamen von den USA, den im Rat vertretenen EU-Staaten, Georgien und der Ukraine.

Die Mehrheitsverhältnisse in der UN-Generalversammlung (UNGV), von der seit langem regelmäßig zwei Resolutionen gegen eigenmächtige wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen verabschiedet werden, sind ähnlich deutlich. Die erste wurde bereits im Dezember 1983 verabschiedet, gegen „wirtschaftliche Maßnahmen als Mittel des politischen und wirtschaftlichen Zwangs gegen Entwicklungsländer“. [12]

In Folgeresolutionen, die seit 1987 alle zwei Jahre von der „Gruppe der 77“ (G77) und China eingebracht werden, wurde zudem die internationale Gemeinschaft aufgefordert, dringend wirksame Maßnahmen gegen diese Praxis zu ergreifen.

Seit 1996 wird jedes Jahr eine weitere Resolution mit dem Titel „Menschenrechte und einseitige Zwangsmaßnahmen“ verabschiedet, die von der Bewegung der Blockfreien Staaten eingebracht wird und sich stärker auf die humanitären Folgen konzentriert. Beide Arten von Resolutionen stützen sich auf das grundlegende, in der UN-Charta verankerte Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten andere Staaten.

Beide wurden in der Folge auch noch präzisiert und ausgeweitet. Die letzte, am 15. Dezember 2022 von der UNGV verabschiedete Resolution zählt 34 Punkte von Rechtsverstößen und schädlichen Auswirkungen auf. Sie verurteilt z.B. nun auch die Aufnahme von Mitgliedstaaten in einseitige Listen unter falschen Vorwänden […] einschließlich falscher Behauptungen über die Unterstützung des Terrorismus“ ‒ ein von den USA häufig gebrauchter Vorwand und „bekräftigt das Engagement für die internationale Zusammenarbeit und den Multilateralismus“. [13]

Sie wurde mit 123 Ja- gegen 53 Nein-Stimmen angenommen. Dem Nein der NATO- und EU-Staaten und ihren engen Verbündeten Australien, Israel, Japan, Neuseeland, Schweiz und Südkorea schlossen sich aus dem Süden nur so „bedeutende“ Staaten wie Marshall Inseln, Mikronesien oder Palau an

Resolutionen der Generalversammlung sind bekanntlich völkerrechtlich nicht bindend, im Unterschied zu denen des Sicherheitsrats. Durch ihren starken appellatorischen Charakter haben sie aber durchaus erhebliches Gewicht und können in Völkergewohnheitsrecht übergehen. Nach Ansicht einer Reihe von Experten, wie dem ehemaligen UN-Sonderberichterstatter Idriss Jazairy, könnte dies angesichts der Vielzahl der seit vielen Jahren verabschiedeten Resolutionen der UN-Vollversammlung bzgl. Ächtung von unilateralen Zwangsmaßnahmen bereits der Fall sein. [14]

Die USA erkennen natürlich diese Resolutionen, so beindruckend diese Serien auch sind, nicht an. Sie erklären sie schlicht für irrelevant, da sie das souveräne Recht der Staaten in Frage stellen würde, ihre Wirtschaftsbeziehungen frei zu gestalten und legitime nationale Interessen zu schützen.“ „Unilaterale Sanktionen“ seien ein „legitimes Mittel“, um „außenpolitische, sicherheitspolitische und andere nationale und internationale Ziele zu erreichen“.

Die EU-Staaten teilen weitgehend diesen Standpunkt. Auch sie beharren darauf, dass von einem völkerrechtswidrigen, unter das Interventionsverbot fallenden Zwang überhaupt keine Rede sein könne, da es schließlich jedem Land freistehe, zu entscheiden, mit wem es wie viel Handel treiben möchte.

Diese plumpe Argumentation halten jedoch auch die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages für nicht haltbar. Sie stellen klar, dass unilaterale Zwangsmaßnahmen als „extreme Formen der Druckausübung“ gelten und unter das Interventionsverbot fallen, sobald sie „die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten“, indem sie vitale Staatsinteressen berühren und den sanktionierten Staat in der Ausübung seiner Souveränität spürbar behindern. Das ist bei den westlichen Embargos sicher der Fall.

Vor dem Hintergrund ist klar, dass viele Länder schon seit langem helfen, Wirtschaftsblockaden zu umgehen und dabei auch schon in den letzten Jahren zunehmend offensiver vorgingen. Mit dem Wirtschaftskrieg gegen Russland gab es in dieser Beziehung jedoch einen regelrechten Schub, der nicht nur Russland zugutekommt, sondern z.B. auch dem Iran.

Westen beim Russland-Boykott isoliert

Dass der Wirtschaftskrieg gegen Russland gründlich nach hinten losging, ist mittlerweile allg. bekannt. Wirtschaftsblockaden gegen ein derart großes, ressourcenreiches und politisch bedeutendes Land, wie Russland zu verhängen, war nüchtern betrachtet von vorneherein nicht aussichtsreich, weit weniger als gegen schwächere Länder, wie dem Iran oder Venezuela. Und auch gegen die konnte sich der Westen nicht durchsetzen. Gegen Russland stehen die NATO-Staaten zudem weitgehend allein. Bekanntlich weigern sich fast alle Staaten außerhalb Europas und Nordamerikas sich am Russland-Boykott zu beteiligen. Letztlich machen nur fünf Staaten außerhalb der NATO und der EU aktiv mit ‒ Australien, Japan, Neuseeland, Schweiz und Südkorea.

Viele der übrigen Staaten führen ihre Zusammenarbeit mit Russland nicht nur fort, sondern haben sie sogar noch intensiviert, an den Blockaden vorbei. Nicht nur China kauft russisches Öl und Gas in Rekordmengen, sondern auch zahlreiche andere Länder ‒ natürlich begünstigt durch Rabatte von bis zu 30 Prozent, die Moskau gewährt. Auch Indien hat z B. seine Ölimporte aus Russland vervielfacht. Russland konnte im März 2023 so viel Erdöl ins Ausland exportieren wie seit drei Jahren nicht mehr. [15] Häufig werden Erdöl und Derivate, wie Diesel, zum Weiterkauf in andere Ländern einfach umdeklariert. Etliche asiatische Länder, darunter auch die Türkei machen damit blendende Geschäfte. Selbst Saudi-Arabien hat den Import von Heizöl und Diesel für den Eigenverbrauch verzehnfacht und exportiert die so freigewordenen Kraftstoffe wesentlich teuerer nach Europa.[16]

Umgekehrt floriert auch der russische Import, indem unter Embargo stehende Waren über Nachbarländer importiert werden, wodurch die Liefermengen dorthin in dem Maße zunahmen, wie sie nach Russland sanken. [17] Gleichzeitig werden westliche Güter zunehmend durch asiatische ersetzt. Das schon zuvor beträchtliche russische Handelsvolumen mit China legte nach Berechnungen der New York Times bis Oktober 2022 bereits um 64 Prozent zu, das mit Brasilen verdoppelte sich und das mit Indien stieg auf mehr als das Vierfache. [18] Insgesamt vollzieht sich so seit letztem Jahr im Rekordtempo ein gravierender Umbruch im Welthandel.

Die russische Wirtschaft macht, wie der Wirtschaftsinformationsdienst Bloomberg im August meldete, beeindruckende Fortschritte und sei bald wieder auf dem Vorkriegsniveau.[19] Der IWF hat seine Wachstumsprognose für das russische BIP im Juli auf 1,5% erhöht, während es die BRD mit minus 0,3% zum Schlusslicht unter den großen Volkswirtschaften erklärte.[20]

Iran: wachsende Kooperationen mit dem Osten

Auch der Iran konnte seine wirtschaftlichen und politischen Beziehungen in letzter Zeit stark ausbauen. Zum einen durch eine immer engere Kooperation mit Russland. Vor allem aber durch den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit asiatischen Staaten. China wurde mit Abstand größter Handelspartner und in Pekings „Belt and Road Initiative“ spielt er schon aufgrund seine Lage eine zentrale Rolle. Beide Länder haben ein langfristiges Kooperationsabkommen geschlossen, das chinesische Investitionen im Wert von 400 Milliarden Dollar vorsieht – gegen Erdöl-Lieferungen zu Vorzugspreisen.

Neben China hat auch Indien begonnen, den Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der islamischen Republik wieder auszuweiten. Es steigerte nicht nur seine Öl-Importe wieder auf signifikante Mengen, sondern auch den Handel mit anderen Produkten.[21] Abgerechnet wird nun dabei nicht mehr in Dollar, sondern in Rupien. Südkorea will ebenfalls den Ölimport aus dem Iran wieder aufnehmen. Auch andere Staaten kaufen vermehrt iranisches Öl, sodass sich die iranischen Rohölexporte seit dem Herbst letzten Jahres verdoppelt haben.[22]

Dazu kommt, dass Iran in Kooperation mit Russland, Indien, China und seinen anderen Nachbarn Transportkorridore über sein Territorium ausbaut, zusätzlich zu denen in Ost-West-Richtung im Rahmen der Neue Seidenstraße auch in Nord-Süd-Richtung. Sie sollen sukzessive eine attraktive Alternative zu bisherigen Transportwege, wie dem Suezkanal sein, eine Alternative, auf die der Westen keinen Einfluss hat. Und Iran wird so zu einem zentralen Verkehrsknotenpunkt.

Die Kooperation mit den Länder Asiens und anderen wichtigen Staaten des Südens konnte Teheran schließlich mit der Vollmitgliedschaft in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), dem bedeutendsten sicherheits- und wirtschaftspolitischen Bündnis des Ostens und BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) institutionalisieren. Dies stärkt auch die iranische Position gegenüber dem Westen entscheidend. Die beiden Bündnisse erkennen einseitige Zwangsmaßnahmen grundsätzlich nicht an.

Und von großer Bedeutung war natürlich die zuletzt von China zum Abschluss gebrachte Entspannung zwischen Riad und Teheran, die den Weg zu einer gleichzeitigen Mitgliedschaft der beiden Länder in der SOZ und BRICs freigemacht hat.

Der Iran spielt so eine zunehmend gewichtigere Rolle im Umbruch in eine multipolare Welt, während die EU-Staaten und besonders Deutschland sich mit dem dauerhaften Verlust lukrativer Geschäfte im Iran abfinden müssen.

Die Irankennerin Charlotte Wiedemann fasste dies einmal so zusammen: „Wenn Iran seinen regionalen Kontrahenten heute als gefährlich stark erscheint, spiegelt sich darin der Niedergang der USA ebenso, wie die iranische Fähigkeit, sich westlicher Einflussnahme seit 1979 entzogen zu haben.[23]

De-Dollarisierung

Der Widerstand gegen US-amerikanische Zwangsmaßnahmen wie auch das Bemühen um Schutz davor, befördern auch die Abkopplung vom Dollar und vom US-dominierten internationalen Finanzsystem. Beides sind ja zentrale Hebel im US-Sanktionsregime. Schon allein der Weg von Transaktionen über US-Banken oder die bloße Verwendung des Dollars bei ihren Geschäften, dienen den USA als Rechtfertigung dafür, Unternehmen anderer Länder zur Unterwerfung unter ihre Erpressungspolitik zu zwingen. [24]

Wenn immer häufiger Devisenreserven von Ländern, mit denen Washington im Clinch liegt, eingefroren und ihre Banken vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen werden, kann sich natürlich kein Land mehr sicher davor fühlen. Folgerichtig arbeiten viele Staaten des globalen Südens nun mit Nachdruck daran, ihre Verwundbarkeit zu verringern – naheliegender Weise gemeinsam mit China und Russland.

So werden nicht nur zunehmend die westlichen Blockadebemühungen unterlaufen, sondern gleichzeitig auch ihre Abrechnung auf lokale Währungen umgestellt. Viele Länder bauen zudem eine Infrastruktur dafür auf, ihren Handel generell in anderen Währungen als Dollar und Euro abwickeln zu können.

Am weitesten ist dabei natürlich China, das mittlerweile schon rund 50 Prozent seines Außenhandels in seiner eigenen Währung abwickelt. [25] Ihr Anteil bei weltweiten Geschäften hat sich seit dem russischen Einmarsch mehr als verdoppelt. Er stieg von weniger als 2 Prozent im Februar 2022 auf 4,5 Prozent im Februar dieses Jahres und ist damit nicht mehr sehr weit von dem des Euro entfernt, der einen Anteil von 6 Prozent am Gesamtmarkt hat. [26]

Indien baut ebenfalls beschleunigt die eigene Landeswährung Rupie zu einer internationalen Handelswährung und Alternative zum US-Dollar auf. Und in Lateinamerika werden die seit langem gehegten Pläne einer gemeinsamen Regionalwährung wiederbelebt. Vor allem der brasilianische Präsident Lula da Silva drängt seit seiner Wiederwahl darauf und hat konkrete Gespräche mit Argentinien aufgenommen. [27]

Es wird zwar auch häufig über eine BRICS-Währung gesprochen, auf der Tagesordnung steht ein solch komplexes Unterfangen aber noch nicht. BRICS wird jedoch über seine Neuen Entwicklungsbank (New Development Bank, NDB) den Aufbau eines entdollarisierten Handelssystems vorantreiben. Diese multilaterale Entwicklungsbank soll dem Globalen Süden als Alternative zu IWF und Weltbank dienen. Sie steht auch anderen Ländern offen und kann zukünftig auch denen helfen, die durch Finanzblockaden vom US-dominierten Finanzsystem ausgeschlossen sind.

Noch hat der US-Dollar mit Abstand den größten Anteil am Welthandel und an den Devisenreserven. Doch wird seine Dominanz zunehmend in Frage gestellt. Hatte der US-Dollar 1977 einen Anteil von 85 Prozent bei den Devisenreserven und 2001 noch von 73 Prozent, so betrug er letztes Jahr nur noch 58 Prozent und sank bis April diesen Jahres auf 47 Prozent.[28] D.h. die Umbrüche, die im letzten Jahr einsetzten, haben einen Einbruch um 11 Prozent verursacht. Noch stärker brach die Nutzung des Euro bei weltweiten Geschäften ein. Sein Anteil bei Swift-Transaktionen z.B. sank seit letztem Jahr von 38 auf 24 Prozent.[29]

SWIFT-Alternativen

Neben dem Ausstieg aus dem Dollar arbeiten vielen Staaten und Bündnisse auch an Alternativen zum von den USA kontrollierten Finanzsystem ‒ von Kreditkarten bis zum internationalen Finanzkommunikationsnetzwerk SWIFT

Russland hat bereits 2014 ein eigenes Transfersystem, SPFS (System for Transfer of Financial Messages), etabliert, sowie ein nationales Zahlungssystem inklusive Kreditkarte namens Mir. Im Januar wurde es mit dem iranischen Finanzkommunikationssystem SEPAM zusammengeschlossen.[30]

Wesentlich leistungsfähiger ist Chinas „Grenzüberschreitendes Interbankenzahlungssystem“ (Cross-Border Interbank Payment System CIPS), das im Juni 2023 bereits über 1450 Teilnehmer aus 111 Ländern zählte, die darüber Geschäfte mit mehr als 4.200 Bankinstituten in 182 Ländern abgewickelten. [31] Von SWIFT, das von 11.000 Finanzinstituten in 200 Ländern genutzt wird, ist das chinesische System noch ein gutes Stück entfernt, kann aber durchaus schon als echte Alternative angesehen werden.

Auch die neun Mitgliedsländer der Asiatischen Clearing Union (ACU), zu denen u.a. Indien, Pakistan und der Iran zählen, planen ein eigenes grenzüberschreitendes Finanzkommunikationssystem aufzubauen. Bis dahin wollen sie das iranische SEPAM nutzen. [32]

Neue Blockbildung

Selbstverständlich läuft das alles nicht so reibungslos und gradlinig, wie es in der knappen Übersicht vielleicht klang. Auch wenn die Kooperation im globalen Süden enger wird, sind die gravierenden Unterschiede und Rivalitäten zwischen den Ländern nicht weg und das Engagement für eine multipolare Ordnung bedeutet für viele Länder nicht, dass sie nicht weiterhin an guten Beziehungen zu den westlichen Staaten interessiert sind und so auch immer wieder zu Zugeständnissen genötigt, die die Entwicklung hemmen.

Es handelt es sich bei den Regierungen, die sich gegen die westliche, imperialistische Dominanz wenden bekanntlich meist auch nicht um fortschrittliche Kräfte. Aber offensichtlich verschieben sich die Gewichte ‒ politisch wie wirtschaftlich ‒ rasant und eröffnen Spielräume für positive Entwicklungen.

Und die westlichen Wirtschaftskriege wirken dabei wie Katalysatoren, indem sie die Kooperation unter der Vielzahl der Länder festigen, die die reale Gefahr sehen, selbst direkt davon betroffen zu werden oder den Zwang von „Sekundärsanktionen“ überwinden wollen, der ihre Souveränität einschränkt und ihnen wirtschaftlich schadet.

Insbesondere schlägt der Kriegskurs, den die USA und ihre Verbündeten gegen Russland in Reaktion auf den russischen Einmarsch in der Ukraine eingeschlagen hat zurück. Manche sprechen davon, dass dieser die größte Neuaufteilung der Welt seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eingeleitet hat.

Auf der einen Seite schuf der russische Einmarsch die einheitliche Front des Westens gegen Russland, die Washington seit langem anstrebt. So beteiligen sich auch formal neutrale europäische Länder wie die Schweiz und Österreich an den Wirtschaftsblockaden und nutzten die Regierungen Finnlands und Schwedens die Stimmung, um auch formal Mitglied der NATO zu werden.

Die angestrebte außenpolitische Isolierung Russlands ist jedoch wie oben schon skizziert krachend gescheitert. Auch wenn die Länder des Südens den russischen Einmarsch mehrheitlich als völkerrechtswidrig missbilligen, sehen sie die wesentliche Verantwortung für ihn bei den USA und der NATO und forderten von ihnen, von Beginn an, für ein rasches Ende des Krieges zu sorgen. Selbst Staaten, die eigentlich eher als westliche Verbündete gesehen wurden, wie die arabischen Golfstaaten oder Mexiko, weigern sich gegen Russland Partei zu ergreifen und beteiligen sich nicht am Wirtschaftskrieg. Dieser bringt die Länder des Südens besonders auf die Palme, da er auch ihnen mächtig zusetzt, der Westen sie damit ungefragt in seinem Hegemonialkonflikt mit Russland in Geiselhaft nimmt. All dies befeuert nun einen regelrechten Aufstand gegen die bisherige westliche Dominanz.

Statt einer Isolierung Russlands kristallisiert sich so die Bildung neuer, sich teilweise überschneidender Blöcke heraus, in denen Moskau eine bedeutende Rolle spielt. So rücken die vom Westen zum Feind erklärten Länder, wie Russland, China, Iran, Kuba und Venezuela enger zusammen, die gleichzeitig jedoch auch in anderen Bündnissen, wie BRICS und die SOZ integriert sind oder auch in der „Gruppe der 77“ (G77) und die Bewegung der Blockfreien Staaten (NAM). Vor allem BRICS und die SOZ haben starken Zulauf bekommen und entwickeln sich zu Gravitationszentren einer neuen multipolaren Ordnung. Mehr als 60 Staaten nahmen vor kurzem am Gipfeltreffen der BRICS-Staaten in Südafrika teil. Zahlreiche Länder haben die Aufnahme beantragt, sechs bereits aufgenommen: Argentinien, Äthiopien, Ägypten, der Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Das erweiterte Bündnis „BRICS plus“ steht nun für fast die Hälfte der Weltbevölkerung und über 37 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Für die Länder des Globalen Südens erwachsen  sich daraus Möglichkeiten, sich aus dem Netz westlicher Bevormundung und Zwangsmaßnahmen zu befreien und die eigene Entwicklung forcieren.

Letztlich kann man auch von einem übergreifenden großen losen Block von Staaten reden, ‒ von Indien über die Golfstaaten und Südafrika bis Brasilien und Mexiko ‒ die aktuell dem Westen die Gefolgschaft verweigern ‒ nicht nur im Ukrainekrieg und bei Wirtschaftsblockaden ‒ und zusammen gut zwei Drittel der UN-Vollversammlung repräsentieren. Dem stehen rund 35 EU- und NATO-Staaten und noch 5 bis 10 weitere Länder gegenüber. Offensichtlich ist es der politische Westen, der sich zunehmend isoliert.

Bumerang

Besonders betroffen sind die EU-Staaten. Der Rückgang des politischen Einflusses in der Welt geht einher mit wirtschaftlichen Einbrüchen, nicht zuletzt auch wegen Einbußen durch die vielfältigen Boykottmaßnahmen, vor allem aber natürlich durch die gegen Russland. Was sie für schweres Geschütz gegen die russische Wirtschaft hielten, feuert mit voller Wucht zurück und gefährdet ihre eigene wirtschaftliche Stabilität. Für viele Experten wie Michael Lüders oder Michael Hudson sind Deutschland und seine EU-Partner dabei, damit wirtschaftlichen Selbstmord zu begehen.

Vor allem der hastige Ausstieg aus russischem Öl und Gas, der die Preise geradezu explodieren ließ, belastet durchweg, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, Wirtschaft und Verbraucher und heizt die Inflation an. Zwar waren die Preise auch schon zuvor gestiegen, mit dem Boykott der russischen Lieferungen legten sie jedoch sprunghaft zu. Wobei dies selbstverständlich nicht nur eine Folge der Verknappung, sondern auch der Liberalisierung der Energiemärkte ist. Nach Wegfall des günstigen, durch langjährige Lieferverträge abgesicherten Pipelinegases aus Russland, kennt die Spekulation mit dem Rohstoff keine Grenzen mehr. Die fünf größten Öl- und Gasmultis BP, Shell, Exxon Mobil, Chevron und Total Energies haben 2022 Profite in Höhe von 200 Milliarden US-Dollar eingefahren und erwarten für dieses Jahr ähnlich hohe Gewinne. [33] Aber auch deutsche Stromkonzerne sahnen ab. RWE Gewinn von 1,5 Euro auf 3,2 Milliarden mehr als verdoppelt.[34]

Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Bloomberg auf Basis von Marktdaten belief sich die Belastung der EU-Staaten durch die steigenden Energiekosten bereits im Dezember 2022 auf rund eine Billion US-Dollar. [35]

Am stärksten schlägt der Wirtschaftskrieg bekanntlich auf Deutschland zurück, das sich bisher zu einem sehr hohen Anteil mit besonders günstigem russischem Erdgas aus Pipelines versorgte und daraus erhebliche internationale Wettbewerbsvorteile zog. Dass die deutsche Wirtschaft mittlerweile tief in der Krise steckt, leugnet niemand mehr. Am Donnerstag meldete das Statistischen Bundesamt, dass die deutschen Exporte im Vergleich zum Vorjahr um 5,8 Prozent eingebrochen sind,[36] die führende deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren nun im September in ihrer Gemeinschaftsdiagnose einen BIP-Rückgang von 0,6 Prozent.[37] Der IWF hatte bereits im Juli die BRD mit einem Minus von 0,3 Prozent als Schlusslicht unter den großen Volkswirtschaften gelistet.[38] Und die Auswirkungen durch explodierte Energiekosten und drastische gestiegene Ladenpreise spüren wir alle.

Politik und Medien bemühen sich allerdings krampfhaft die Hauptursache, den Boykott von russischem Öl- und Gas auszublenden. Man nennt als Grund zwar gestiegene Energiepreise, führt diese aber, wenn überhaupt, auf den „russischen Angriffskrieg“ zurück.

Der Wirtschaftskrieg ist der „Elefant im Raum“, den selbst die Führungen der Linkspartei und der Gewerkschaften nicht thematisieren wollen, wohl aus Sorge vor dem Vorwurf, die antirussische Front zu schwächen, eine Art „Wehrkraftzersetzung“ zu begehen.

Wenn die Ampelregierung an ihrem Kurs festhält, wird Gas auch dauerhaft viel teuer bleiben und damit das Erfolgsrezept der exportorientierten deutschen Wirtschaft weiter zusammenbrechen.

Vasallentum?

Treibende Kraft in der Konfrontation mit Russland, der militärischen Aufrüstung der Ukraine, der militärischen Beteiligung am Krieg in der Ukraine und schließlich auch beim Wirtschaftskrieg ist zweifellos der US-Imperialismus, der mittels des Stellvertreterkriegs Russland als ernsthaften Gegenspieler in der Welt und wichtigen Verbündeten Chinas neutralisieren will.

Er konnte sich hier auch gegenüber dem deutschen Imperialismus durchsetzen, der bisher die wirtschaftliche Kooperation mit Russland im Energiesektor nicht aufgeben wollte und daher auch Nord Stream 2 bis Feb. 2022 weiterfolgte, trotz Gegenwinds aus Washington, unterstützt durch willfährige Verbündete im Land, insbesondere von den Grünen. Nach anfänglichem Zaudern reduzierte die Ampelregierung aber den Import von Öl und Gas wie kaum ein anderes EU-Land. Als die explodierenden Gaspreise dann den Druck steigen ließen, wieder russisches Gas über Pipelines zu beziehen, falls nötig auch über die neuen Nord-Stream-2-Röhren, nahm Washington diese Option durch ihre Sprengung erstmal gründlich vom Tisch.

Die Biden-Administration demonstrierte damit gleichzeitig auch seine Entschlossenheit und Brutalität, mit der sie ihren Willen auch gegen Bündnis-„Partner“ durchzusetzen, bereit ist.

Eine Röhre blieb allerdings intakt und Russland könnte darüber, wie Putin erst kürzlich erneut versicherte, Gaslieferungen nach Deutschland jederzeit wieder aufnehmen. Darüber wird in Berlin nicht mal diskutiert, sowenig wie über den terroristischen Sabotageakt aus dem eigenen Lager an einer für Deutschland und Westeuropa wichtigen Infrastruktur.

Aus Sicht Washingtons brachte der Wirtschaftskrieg trotz der Widerständigkeit der russischen Wirtschaft durchaus gewisse Erfolge. Die wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands und Westeuropas zum großen östlichen Nachbarn, die sie seit langem bekämpften, sind nun weitgehend gekappt und die Abhängigkeit von den USA durch die Umstellung der Erdgasversorgung auf US-amerikanisches Frackinggas gestärkt, wodurch die US-amerikanischen Energiekonzerne sich über rasant gestiegene Profite freuen können. Der durch Verlust an Wettbewerbsfähigkeit zu erwartende wirtschaftliche Niedergang Deutschlands und der EU wird als Kollateralnutzen gerne mitgenommen, stärkt er doch die Vormachtstellung der USA in Europa zusätzlich.

Daraus erhebt sich natürlich die große Frage, warum unsere Regierung und die anderen EU-Staaten dennoch mitspielen, den USA auf ihre Kosten dabei helfen „to make America great again“ ?

Vermehrt wird sie mit einem „Vasallenverhältnis“ beantwortet, die gegenüber den USA bestehe. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Selbst die europäische Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) spricht in einer kürzlich publizierten Analyse von einer zunehmenden „Vasallisierung Europas“. Auch sie konstatiert, dass die USA seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine völlig die Politik in Europa dominierten ‒ nicht nur bezüglich der militärischen Unterstützung Kiews, sondern auch, indem sie allein die gemeinsame Kriegsstrategie diktierten. Alle „strategischen Entscheidungen“ würden „in Washington getroffen“. Dies wurde ja auch immer wieder deutlich demonstriert, z.B. wenn die NATO-Vormacht seine Verbündeten auf ihren Militärstützpunkt im pfälzischen Ramstein zitierte und anschließend Kanzler Scholz seine zuvor geäußerten Vorbehalte gegen diverse schwere Waffen, Kampfpanzer etc. beiseite schob und sie dann doch an die Front in den Osten der Ukraine sandte.

Wer sich nun aber einen Fortschritt erhofft, wenn die EU-Staaten sich von der Dominanz der USA lösen würden und von ihnen eine eigenständige, souveräne Außen- und Sicherheitspolitik fordern, übersieht, dass deren Unterordnung zum großen Teil freiwillig ist und aus Eigeninteresse erfolgt. Selbstverständlich darf man die vielfältigen Einflussmöglichkeiten des US-Imperialismus nicht kleinreden, angefangen von Soft-Power, durch den Einfluss auf Medien, Parteien, Kultur etc., über den wirtschaftlichen Einfluss durch die erhebliche Anteile des US-Kapitals an europäischen Unternehmen, bis zu den harten Bandagen, wie den Sekundärsanktionen.

Gegen einen einhelligen, entschiedenen Willen der herrschenden Klassen in den großen westeuropäischen Staaten könnte sich Washington jedoch schwerlich derart konsequent durchsetzen und sich willfährige Politiker wie Baerbock und Habeck nicht halten.

Die von den führenden Kapitalfraktionen verfolgte bewusste Unterordnung erfolgt in erster Linie, weil sie ihnen für die Verfolgung ihrer eigenen imperialistischen als erfolgversprechendste Option erscheint. Natürlich liebäugeln die deutschen Imperialisten spätestens seit dem Anschluss der DDR damit, als Weltmacht auf Augenhöhe mit den USA aufzusteigen, im Rahmen einer deutsch dominierten Europäischen Union. Aussichtsreich wäre dies aber höchstens in enger Kooperation mit Russland. Lange Zeit wurde dies von konservativ-nationalistischen Kreisen auch vorsichtig befürwortet.

Mit ihren Bemühungen im Rahmen der EU um „strategische Autonomie“ sind sie und ihre europäischen Partner bisher aber nicht weit gekommen. Im letzten Jahrzehnt hat die EU wirtschaftlich, technologisch und militärisch sogar an Boden gegenüber den USA verloren. Und mit Blick der aufstrebenden Mächte des globalen Südens mussten sie erkennen, dass sie ihre Pfründe, die die bisherige Weltordnung garantierte, nur im engen Schulterschluss mit dem US-Imperialismus verteidigen und den Verlust noch einige Zeit hinauszögern können. Nur so sehen sie noch eine Chance, auch weiterhin mit militärischen und wirtschaftlichen Maßnahmen ihre „regelbasierte Ordnung“ in weiten Teilen der Welt durchsetzen und dort die wirtschafts-, sicherheits- und machtpolitischen Regeln bestimmen zu können. Solange es in den EU-Staaten keine Linke gibt, die einen Kurswechsel durchsetzen kann, würde mehr Souveränität daran nichts grundsätzlich ändern. Da es jedoch US-imperialistische Bestrebungen bremsen und besonders schädliche Exzesse beenden könnte, ist die Forderung nach Abkehr von der Unterordnung auch nicht verkehrt, sie darf nur keine Illusionen in ein „besseres Europa“ wecken.

Auch wenn starke Interessens-Widersprüche bleiben, insbesondere in Bezug im Umgang mit China, überwiegt offensichtlich das gemeinsame Interesse Russland als Konkurrent niederzuringen und den Aufstiegs China zu bremsen.

Dafür sind sie offensichtlich bereit auch einen hohen wirtschaftlichen Preis zu zahlen. Wobei die Kosten wie immer sehr ungleich verteilt werden. Tatsächlich gibt es hierzulande ja nicht nur Verlierer, sondern auch mächtige einflussreiche Gewinner. So konnten die 40 Dax-Konzerne im Schnitt ihre Gewinne 2022 erneut steigern und schütten dieses Jahr so hohe Dividenden aus wie noch nie.[39]

Weltmachtstreben bleibt ungebrochen

Besonders gut florieren natürlich die Geschäfte der Rüstungskonzerne. Insbesondere die Herrschenden in Deutschland nutzten die zur „Zeitenwende“ hochstilisierte Ausweitung des Krieges in der Ukraine dazu, ihre längst fertigen ehrgeizigen Aufrüstungspläne forciert in Angriff zu nehmen. Sie zeigen damit, dass sie ihr Streben nach einer Großmachtrolle nicht aufgegeben haben und in der Eskalation in der Ukraine die Chance sehen, ihre militärischen Führungsansprüche rascher Realität werden zu lassen.

Unterfüttert vom satten 100 Mrd. Sonderkreditrahmen für die Bundeswehr sollen nach den Plänen der Ampelkoalition die deutschen Militärausgaben 2024 schon auf ca. 84 Mrd. Euro steigen (51,8 Mrd Euro im regulären Haushalt plus mindestens noch 19,2 Mrd. aus dem „Sondervermögen“, und 14,5 Mrd. zusätzliche Ausgaben nach NATO-Kriterien), womit angesichts lahmender Konjunktur die anvisierten zwei Prozent des BIP schon überschritten werden könnten.[40]

Laut Kanzler Scholz soll die Bundeswehr mit den angestoßenen gigantischen Rüstungsvorhaben zur größten europäischen Armee im Rahmen der NATO hochgerüstet werden. Auch die anderen EU-Länder rüsten massiv auf. Indem der deutsche Imperialismus als größte Wirtschaftsmacht in der Union die höchsten Militärausgaben anstrebt und bei den gemeinsamen militärischen Großprojekten die technologische und unternehmerische Führung, untermauert er seinen Anspruch, die EU zu einer führenden militärischen Macht in der Welt ausbauen zu wollen ‒ mit Deutschland an der Spitze.

SPD-Chef Lars Klingbeil drückte es im Juni 2022 in seiner Grundsatzrede in der Debatte um die „Substanz“ der zukünftigen „Zeitenwende-Politik“ der SPD so aus: Europa müsse „als geopolitischer Akteur mehr Gewicht bekommen“. Jetzt sei der richtige Moment. „Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung“ habe „Deutschland heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem“ und müsse „den Anspruch einer Führungsmacht haben“.[41]

In einem Grundsatzpapier der SPD wird dabei die Erosion der US-Vorherrschaft in der zunehmend multipolaren Welt auch als Chance beschrieben. Noch seien die Beziehungen zu den USA, d.h. die Unterordnung im Schulterschluss mit dem US-Imperialismus, zentral für die Außenpolitik Deutschlands und der EU, perspektivisch allerdings würden sich „die USA strategisch und sicherheitspolitisch zunehmend dem indopazifischen Raum“ zuwenden und Raum für den über die EU vermittelten Aufstieg Deutschlands zur Weltmacht bzw. „Führungsmacht“ schaffen. [42] Die im Juni vorgelegte „Nationale Sicherheitsstrategie“ der Bundesregierung geht auch in diese Richtung.

Praktisch könnte sich das im Ukrainekrieg zu einem gefährlichen Szenario entwickeln, wenn die USA ihre militärische Beteiligung zurückfahren und es, wie es Wolfgang Streeck skizzierte, „Deutschland übertragen, dafür zu sorgen, dass die Ukraine trotz ihrer unrealisierbaren Kriegsziele im Kriegsgeschäft bleiben kann. Deutschland würde dann innerhalb der Nato für die langen Jahre eines Abnutzungskrieges gewissermaßen die Konsortialführung in Europa übernehmen, wie schon jetzt bei den Panzern, mit allen Konsequenzen, einschließlich, wenn es zu gut für Russland läuft, einer sich allmählich aufbauenden direkten Kriegsbeteiligung, etwa an der Spitze einer ‚europäischen Armee‘“.

Von den größeren militärischen Fähigkeiten erhoffen sich deutsche Imperialisten auf alle Fälle mehr Einfluss und ein wesentliches größeres Gewicht innerhalb der transatlantischen Machtverteilung.

Da eine grundlegende Maxime US-amerikanischer Strategie ist, zu verhindern, dass die US-Vorherrschaft über Europa durch ein starkes Deutschland im Verein mit Russland untergraben wird, kann Washington solche Bestrebungen selbstverständlich nur akzeptieren, wenn Deutschland seine Verbindungen zu Russland dauerhaft kappt. Das wurde gründlich vollzogen. Gleichzeitig hat der deutsche Imperialismus damit jedoch auch die Axt an die wirtschaftliche Basis für seine Ambitionen gelegt. Generell deutet alles darauf hin, dass nicht nur er und die gesamte EU mit dem militärischen  und wirtschaftlichen Krieg gegen Russland sich das Wasser abgraben, sondern auch der US-Imperialismus, dessen Position in der Welt bereits ebenfalls deutlich geschwächt wurde.


[1] Ich kann die verschiedenen Punkte nur kurz anreisen, detaillierte Ausführungen findet man in den ausführlicheren Beiträgen auf meinem Blog: https://jg-nachgetragen.blog/category/embargos/

[2] Hans Köchler, Sanktionen aus völkerrechtlicher Sicht, International Progress Organization, 2018

[3] Helen Yaffe, The US Blockade Against Cuba Is an Act of War, Jacobin, 27.03.2022

[4] Mark Weisbrot u. Jeffrey Sachs, Economic Sanctions as Collective Punishment: The Case of Venezuela, CEPR, 25.4.2019

[5] J. Guilliard, Hindukusch: Hölle auf Erden” ‒ 2 Jahre nach Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan, junge Welt, 16.08.2023

[6] J. Guilliard, Syrien: „Stiller Tod durch Sanktionen“, Ossietzky 13/2019)

[7] Sanktionen gegen Nothilfe ‒ Hilfsorganisationen fordern Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Syrien, weil sie die Erdbeben-Nothilfe blockieren, german-foreign-policy, 8.2,2023

[8] Helen Yaffe, .a.a.O.

[9] UN-Sonderberichterstatter: Die Sanktionen gegen Venezuela töten viele Menschen, RT, 30.01.2019

[10] s. u.a. Norman Paech, Verdeckte Kriege im Schatten des Völkerrechts, Das Argument 340, Feb. 2023 / NachDenkSeiten 8..5.2023

[11] The negative impact of unilateral coercive measures on the enjoyment of human rights, Resolution  A/HRC/52/L.18, 3 April 2023

[12] A/RES/38/197, Economic measures as means of political and economic coercion against developing countries, UNGV, 20.12.1983

[13] UN-GA Res 77/214. Human rights and unilateral coercive measures, General Assembly, Seventy-seventh session, 15.12.2022

[14] Idriss Jazairy, Report of the Special Rapporteur on the negative impact of unilateral coercive measures on the enjoyment of human rights, A/HRC/30/4, UNHRC, 10.8.2015

[15] Russische Wirtschaft: Ölexporte auf höchstem Stand seit April 2020, tagesschau.de, 14.04.2023

[16] Saudi Arabia imports record volumes of discounted Russian fuel oil in June, Al Monitor, 13.7.2023

[17] EU-Behörde hat Verdacht: Nachbarn helfen Russland, die Sanktionen zu umgehen, Berliner Zeitung, 21.02.2023

[18] How Russia Pays for War, New York Times, 30.10.2022

[19] Russia’s War Economy Expands More Than Forecast Despite Sanctions, Bloomberg News, 11.8.2023, Sanktionen ohne Erfolg? Russlands Wirtschaft erlebt beeindruckende Erholung, Telepolis, 14.8.2023

[20] IWF-Prognose: Deutschland ist Konjunktur-Schlusslicht, Statista, 26.07.2023

[21] Non-oil goods worth nearly $750m exported from Iran to India in 2 months, Tehran Times, 16.6.2023

[22] J. Guilliard, Der Wirtschaftskrieg gegen den Iran: Aufstieg der Belagerten, Unsere Zeit, 23.6.2023

[23] Charlotte Wiedemann, Iran und der Westen: Kleiner großer Satan, Qantara, 25.06.2018

[24] Einen Überblick über die Funktionsweise von Zwangsmaßnahmen der USA gibt Sascha Lohmann in Extraterritoriale US-Sanktionen, SWP-Aktuell 2019/A 31 v. 27.05.2019

[25] Prof. Horst Löchel, US-Dollar versus RMB – Bipolares Währungssystem möglich, Table Media, 6.6.2023, China wickelt Außenhandel erstmals mehrheitlich in Yuan ab, 02.05.2023

[26] Renminbi’s share of trade finance doubles since start of Ukraine war, Financial Times, 12.4.2023

[27] Gemeinsam unabhängiger ‒ Argentinien und Brasilien streben eine gemeinsame Währung an, IPG Journal, 03.02.2023, Brazil and Argentina to start preparations for a common currency — Other Latin American nations will be invited to join plan which could create world’s second-largest currency union, Financial Times, 22.2.023

[28] Philipp Fess, De-Dollarisierung: Wie nah ist der monetäre Machtwechsel?, Telepolis, 06. Mai 2023

[29] Beginn einer Ent-Euroisierung? Euro-Nutzung bricht laut Swift ein, DWN, 24.09.2023

[30] Pepe Escobar, Die große Leiche: Russland-Iran entledigen sich des Dollars und brechen die US-Sanktionen, The Cradle / seniora.org, 13.2.2023

[31] CIPS Participants Announcement No. 86, CIPS, 30.6.2023

[32] Südasien koppelt sich teilweise vom SWIFT-System ab, Deutsche Wirtschaftsnachrichten, 16.06.2023

[33] Wolfgang Pomrehn, Ölkonzerne fahren Rekordgewinne ein, 21.1.2023

[34] RWE profitiert von angespannten Energiemärkten, Handelsblatt, 25.01.2023

[35] Europe’s $1 Trillion Energy Bill Only Marks Start of the Crisis, Bloomberg, 18.12.2022

[36] Exporte im August 2023: -1,2 % zum Juli 2023, Pressemitteilung, Statistisches Bundesamt, 5.10.2023

[37] Institute senken BIP-Prognose auf minus 0,6 Prozent, tagesschau, 28.09.2023

[38] World Economic Outlook Update, IWF, Juli 2023

[39] Dividenden: Dax-Unternehmen zahlen so viel Dividende wie noch nie, Handelsblatt, 30.11.2022

[40] Jürgen Wagner, Bundeswehr: Aufrüstung um jeden Preis, junge Welt, 14.08.2023

[41] Lars Klingbeil: Die Sozialdemokratie hat die Chance, Europa zu prägen, Vorwärts, 21. Juni 2022

[42] Jürgen Wagner, Deutschland soll führen, junge Welt, 18.04.2023

Declaration of the Palestinian Communist Party for the New Year

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Greetings, honor and pride to our Palestinian Arab people on the eve of entering the new year.

Our Arab Palestinian people have concluded the year 2023, which was filled with pain, sorrow, immense suffering, and loss. We lost loved ones, friends, neighbors, and comrades. It was an unparalleled year of destruction, killings, atrocities, genocide, and ethnic cleansing. The enemy’s ruthless actions targeted all aspects of life—homes, schools, hospitals, churches, mosques, communication networks, water, and sanitation systems. This fascist enemy destroyed all sectors from agriculture to industry and health in the Gaza Strip, rendering it uninhabitable. Despite all the crimes and massacres committed against our people in Gaza, it only reinforced our people’s determination to cling to their land.

All these heinous and documented crimes were aimed at overshadowing the pivotal October 7 operation. During this operation, the Palestinian resistance managed a significant strike at this occupying entity. The October 7 operation resulted in significant strikes:

  1. It shattered the myth of a haven for Zionist Jews worldwide, where Zionist capital and its connection to global imperialism could find safety and prosperity.
  2. It struck a heavy blow at the Zionist army, once hailed as the strongest in the region, irreversibly diminishing its prestige.
  3. It delivered a powerful blow to the settlement project and the effort to empty the land of its inhabitants, particularly in the West Bank. The October 7 attack showed that such attacks could be replicated in the West Bank in various forms. Thus, we witnessed Zionist hysteria, arming settlers, and daily incursions by the fascist occupation forces into Palestinian villages, camps, and cities. The specific operation of October 7 opened the way for qualitative resistance operations against this occupier throughout the entire occupied Palestinian geography.
  4. The October 7 operation reaffirmed the Palestinian cause as a major issue, imposed on the international stage, and nullified all the achievements of the occupation in marginalizing and liquidating the Palestinian cause.
  5. The October 7 operation struck a strong blow against all normalization plans with the crumbling Arab regimes aligned with American imperialism, exposing Israel’s ugly face to the Arab peoples. Despite all these bloody actions and Zionist brutality, it ultimately led to a major moral defeat for this entity. It claimed to be an oasis of democracy in the region with an army claiming ethical standards—claims that are, of course, baseless. All these ongoing and continuing crimes will ultimately isolate this entity internationally, turning it into the only criminal and fascist state in the world. All of this serves the interests of our national cause, the path to liberation, and the construction of an independent secular Palestinian state on the entire national soil, with its capital, unified Jerusalem, a state for all its inhabitants.

To achieve this goal, Palestinians must:

  1. End the despicable Palestinian division and restructure the Palestine Liberation Organization based on revolutionary national principles, including all national action factions.
  2. Abandon the illusions of peace with this occupier and free ourselves from the Oslo Accords and security coordination agreements.
  3. Adopt a clear resistance strategy whose main goal is to defeat the occupation fundamentally and not fall for the delusions propagated by the West as just solutions to the Palestinian issue.
  4. Strengthen our ties with the free world and the Axis of Resistance, who have proven their support for our cause and delivered strong blows to the Zionist enemy and its supporters. What is happening in Yemen, Lebanon, Iraq, and Syria is the greatest proof of that.

As we enter the new year, we hope that the sun of freedom and hope shines upon our people, that we can remove this fascist occupation from our land, and that every member of our people can live in peace, freedom, security, and enjoy the justice our people have waited for over 75 years. They should live peacefully and with dignity on their land.

Palestinian Communist Party

Erklärung der Palästinensischen Kommunistischen Partei zum neuen Jahr

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Grüße, Ehre und Stolz für unser palästinensisch-arabisches Volk am Vorabend des neuen Jahres

Unser arabisch-palästinensisches Volk hat das Jahr 2023 hinter sich, das von Schmerz, Trauer, unermesslichem Leid und Verlust geprägt war. Wir haben geliebte Menschen, Freunde, Nachbarn und Kameraden verloren. Es war ein beispielloses Jahr der Zerstörung, des Mordens, der Gräueltaten, des Völkermords und der ethnischen Säuberung. Die rücksichtslosen Aktionen des Feindes richteten sich gegen alle Bereiche des Lebens – Häuser, Schulen, Krankenhäuser, Kirchen, Moscheen, Kommunikationsnetze, Wasser- und Abwassersysteme. Dieser faschistische Feind zerstörte alle Bereiche von der Landwirtschaft über die Industrie bis hin zum Gesundheitswesen im Gazastreifen und machte ihn unbewohnbar. Trotz aller Verbrechen und Massaker, die an unserem Volk in Gaza begangen wurden, hat dies die Entschlossenheit unseres Volkes, an seinem Land festzuhalten, nur noch verstärkt.

All diese abscheulichen und dokumentierten Verbrechen zielten darauf ab, die entscheidende Operation vom 7. Oktober zu verdunkeln. Während dieser Operation gelang dem palästinensischen Widerstand ein bedeutender Schlag gegen die Besatzungsmacht. Die Operation vom 7. Oktober führte zu bedeutenden Schlägen:

  1. Sie zerstörte den Mythos eines weltweiten Zufluchtsortes für zionistische Juden, in dem das zionistische Kapital und seine Verbindungen zum globalen Imperialismus Sicherheit und Wohlstand finden konnten.
  2. Sie versetzte der zionistischen Armee, die einst als die stärkste in der Region galt, einen schweren Schlag, der ihr Ansehen unwiderruflich schwinden ließ.
  3. Er versetzte dem Siedlungsprojekt und den Bemühungen, das Land, insbesondere im Westjordanland, von seinen Bewohnern zu befreien, einen schweren Schlag. Der Anschlag vom 7. Oktober hat gezeigt, dass sich solche Anschläge im Westjordanland in verschiedenen Formen wiederholen können. So wurden wir Zeugen der zionistischen Hysterie, der Bewaffnung der Siedler und des täglichen Eindringens der faschistischen Besatzungstruppen in palästinensische Dörfer, Lager und Städte. Die spezifische Operation vom 7. Oktober ebnete den Weg für qualitative Widerstandsoperationen gegen diese Besatzer im gesamten besetzten palästinensischen Gebiet.
  4. Die Operation vom 7. Oktober bestätigte die palästinensische Sache als wichtiges Thema, das auf der internationalen Bühne durchgesetzt wurde, und machte alle Erfolge der Besatzung bei der Marginalisierung und Liquidierung der palästinensischen Sache zunichte.
  5. Die Operation vom 7. Oktober versetzte allen Normalisierungsplänen mit den zerfallenden arabischen Regimen, die mit dem amerikanischen Imperialismus verbündet sind, einen schweren Schlag und zeigte den arabischen Völkern das hässliche Gesicht Israels. Trotz all dieser blutigen Aktionen und der zionistischen Brutalität führte dies letztendlich zu einer großen moralischen Niederlage für dieses Gebilde. Es behauptete, eine Oase der Demokratie in der Region zu sein, mit einer Armee, die sich auf ethische Standards beruft – Behauptungen, die natürlich unbegründet sind. All diese andauernden Verbrechen werden dieses Gebilde letztlich international isolieren und es zum einzigen kriminellen und faschistischen Staat der Welt machen. All dies dient den Interessen unserer nationalen Sache, dem Weg zur Befreiung und dem Aufbau eines unabhängigen, säkularen palästinensischen Staates auf dem gesamten Staatsgebiet, mit seiner Hauptstadt, dem vereinten Jerusalem, einem Staat für alle seine Bewohner.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Palästinenser:

  1. Beendigung der verabscheuungswürdigen palästinensischen Spaltung und Umstrukturierung der Palästinensischen Befreiungsorganisation auf der Grundlage revolutionärer nationaler Prinzipien unter Einbeziehung aller nationalen Aktionsgruppen.
  2. Die Illusionen über einen Frieden mit diesem Besatzer aufgeben und sich von den Osloer Verträgen und den Vereinbarungen über die Sicherheitskoordinierung lösen.
  3. Verabschiedung einer klaren Widerstandsstrategie, deren Hauptziel darin besteht, die Besatzung grundlegend zu besiegen und nicht auf die vom Westen propagierten Illusionen über gerechte Lösungen für die palästinensische Frage hereinfallen.
  4. Unserer Beziehungen zur freien Welt und zur Achse des Widerstands stärken, die ihre Unterstützung für unsere Sache bewiesen und dem zionistischen Feind und seinen Unterstützern schwere Schläge versetzt haben. Was im Jemen, im Libanon, im Irak und in Syrien geschieht, ist der beste Beweis dafür.

Zu Beginn des neuen Jahres hoffen wir, dass die Sonne der Freiheit und der Hoffnung auf unser Volk scheint, dass wir diese faschistische Besatzung aus unserem Land vertreiben können und dass jedes Mitglied unseres Volkes in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben und die Gerechtigkeit genießen kann, auf die unser Volk seit über 75 Jahren wartet. Sie sollen friedlich und in Würde in ihrem Land leben.

Palästinensische Kommunistische Partei

Über den Kampf der Kommunisten in Lateinamerika: Ein Interview mit Héctor Rodriguez (PCV)

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Wir veröffentlichen hier ein Interview, das wir mit dem Genossen Héctor Rodriguez von der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) geführt haben. Das Interview wurde im September 2023 aufgenommen und liegt nun in verschriftlichter Form vor. Das Interview ist für uns interessant, da es zeigt, mit welchen Widersprüchen und Problemen der Klassenkampf und die nationale Frage verbunden sind.

Wir als Kommunistische Organisation verurteilen die Blockade und die Sanktionen gegen Venezuela durch den US-Imperialismus. Diese müssen gestoppt und der imperialistische Zangengriff bekämpft werden. Zugleich sind wir solidarisch mit den Genossen der PCV und verurteilen die Angriffe auf sie. Mit der Veröffentlichung dieses Interviews wollen wir dazu beitragen ihre Sichtweise zu vermitteln.

Zudem stellen wir einige Hintergrundinformationen zur Entwicklung in Venezuela zur Verfügung, die einen Einblick in die aktuelle Situation in Venezuela vermitteln.

Hintergrundinformationen zu Venezuela:

Zu den Sanktionen:

Zu den Verträgen zwischen der PdVSA und Chevron:

Zu den Problemen der Ölindustrie und der Wirtschaftskrise:

Interview mit Héctor Rodriguez (PCV)

Carlos (KO): Hallo Genosse Héctor und vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Derzeit versucht die PSUV mit dem Gesetzesdekret ein faktisches Verbot der Kommunistischen Partei Venezuelas durchzusetzen, um die Führung und Kontrolle in die Hände von ehemaligen und inaktiven Mitgliedern der PCV zu legen. Der Staat will die Partei handlungsunfähig machen. Kannst du uns sagen, wie die derzeitige Lage ist? Kannst du uns etwas über die Aktivitäten und praktischen Kämpfe der PCV sagen und warum die PSUV zu diesem Mittel greift? Was ist der Hintergrund für das de facto Verbot?

Héctor (PCV): Ich gehe zunächst auf den juristischen Teil ein, da er einige Aufschlüsse darüber gibt, wie die Justiz in Venezuela agiert und es lohnt sich detaillierter darauf einzugehen.

Am Freitag, den 11. August 2023, hat die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs, das höchste Gericht, ein Urteil erlassen, das einen gerichtlichen Eingriff in unsere Partei vorsieht. Diese juristische Intervention erfolgt durch eine Klage von sieben ehemaligen Mitgliedern der Partei, welche Mitte Novemebr 2021 ausgeschlossen wurden, da sie sich nicht an die Wahlpolitik der PCV gehalten haben. Konkret haben die ehemaligen Mitglieder die Kandidatur der PSUV, der Regierungspartei unterstützt, was ein Bruch mit den Beschlüssen der PCV darstellt. Sie sind außerdem Aktivisten der PSUV und der Organisation Movimiento Venezuela (Bewegung Venezuela), welche faktisch eine zweite Partei der PSUV ist. Es gibt in Venezuela zwei Regierungsparteien, die PSUV und die Movimiento Venezuela, welche von der Regierung mit dem Ziel gegründet wurde, andere Wählerstimmen zu gewinnen. Aber zurück zum Gerichtsurteil. Der Ausschluss der ehemaligen Mitglieder ist durch die Archive der Partei, aber auch durch öffentliche und private Presseartikel belegt. Das ist nicht unwichtig, da das Gesetz über den Schutz der verfassungsmäßigen Rechte und Garantien zwei Bedingungen aufstellt, um juristische Anklage einzureichen, wie es die ehemaligen Mitglieder der PCV getan haben. Die erste Bedingung ist, dass die beantragenden Personen beweisen müssen, dass sie zu dieser Organisation gehören, was sie nicht können, da sie keine Mitglieder der PCV sind. Zweitens muss der Einspruch innerhalb von sechs Monaten erfolgen, nachdem eine Rechtsverletzung festgestellt wurde. Wir sehen, dass das Gericht, die Verfassungskammer, die Klage zulässt, ohne dass diese beiden Bedingungen zutreffen.

Die ehemaligen Mitglieder behaupten, dass die Rechtsverletzungen seit 2016 stattgefunden haben und seitdem kein rechtmäßiger Kongress mehr einberufen wurde, was falsch ist. Der letzte Parteitag fand im November 2022 statt und seitdem sind auch mehr als sechs Monate vergangen, bis sie Klage im Juli diesen Jahres eingereicht haben. Der Grund, wieso sie in den sechs Monaten keine Klage eingereicht haben, ist, weil dieser Schritt ein illegaler Komplott mit dem Ziel ist, juristisch in die Kommunistische Partei Venezuelas einzugreifen um die derzeitige Führung der PCV zu verbieten.

Das Gesetz sagt aber auch, dass ein Rechtsverstoß nachgewiesen werden muss, den sie in der Anklage nicht beweisen. Sie legen nicht einen einzigen Beweis vor.

Wir sehen hier einen Justizbetrug, auch weil das Gericht die Partei nicht darüber informiert hat, dass eine Klage gegen sie eingereicht wurde. Wir haben davon in den Medien erfahren und uns anschließend dazu entschlossen, juristisch dagegen vorzugehen.

Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass die PSUV diese Gruppe nicht nur finanziell und logistisch unterstützt, sondern ihnen auch alle privaten und öffentlichen Medien zur Verfügung stellt, damit sie eine nationale und internationale Plattform hat.

Im Gegensatz dazu ist die PCV seit 2020 mit einer faktischen Medienzensur belegt. Aber auch im Parlament wird der Partei systematisch das Rederecht verweigert. Wenn sich Genossen doch zu Wort melden, werden sie in den Medien zensiert, damit nichts davon in der Öffentlichkeit bekannt wird. Dieses Verhalten der PSUV ist das einer reaktionären rechten Partei.

Als wir also aus den Medien davon erfuhren, beschlossen wir, vor Gericht zu gehen und zu sagen: Wir wissen von der Existenz einer Klage gegen uns aus den Medien und wir wollen Zugang dazu haben.

Es gab ein langes Verzögerungsmanöver, um zu verhindern, dass wir Zugang zu dem Anklagedokument erhalten. Nach vielen Schritten und Vorgängen hatten wir schließlich nach zehn Tagen Zugang zu dem Dokument. Wir haben es gesichtet und festgestellt, dass kein einziger Beweis für das erbracht wird, was dort drin steht. Im Anschluss haben wir beschlossen, uns in den juristischen Prozess einzuschalten und eine Verteidigungsschrift mit allen Beweisen vorzulegen, die alle von uns angeführten Punkte belegen. Juristisch hatten wir dadurch nach dem Artikel 49 der venezolanischen Verfassung die Voraussetzung geschaffen, eine mündliche Verhandlung vor Gericht einzuleiten.

Die Antwort des Gerichts war folgende: Es entschied einheitlich, dass die eingereichte Klage nur eine schriftliche Erklärung ist, in der nichts bewiesen werden muss, und dass es juristisch korrekt sei, die Klage zuzulassen. Deswegen sei es auch nicht notwendig, einen Streit in einer mündlichen Verhandlung zu eröffnen, weil es nichts zu beweisen gäbe.

Stellen Sie sich diese Rechtswidrigkeit, diese Unzulässigkeit dieser Entscheidung vor, die unser Recht auf juristische Verteidigung verletzt. Wir haben praktisch alles widerlegt, was die Kläger in ihrer Klage gegen uns vorgebracht haben. Das ist ein juristischer Irrtum, der gegen unsere Partei begangen wird, und das Schlimmste daran ist, dass er vom höchsten Gericht ausgeht. Es zeigt, wie wenig unabhängig die Gewalten in diesem Land sind, wenn sich das Oberste Gericht einer politischen Weisung der Regierung unterordnet. Das ist ein ungewöhnliches Vorgehen in der Justiz, das einen sehr negativen Präzedenzfall für die Justiz und für die Rechtspflege in Venezuela darstellt. Es ist ein sehr autoritäres Verfahren.

Ein weiterer absurder Vorwurd ist, dass unsere Partei angeblich das Prinzip der Alternativität verletzt hat. Konkret geht es darum, dass ein Genosse mehrmals als Generalsekretär des Zentralkomitees der Partei wiedergewählt wurde und dass mehrere Mitglieder des Zentralkomitees in verschiedenen Perioden als Mitglied des Zentralkomitees wiedergewählt wurden. Dies verletze angeblich das Prinzip der demokratischen Alternativität, welches die Bedingungen für die Partei schafft, sich intern zu revidieren. Es geht sogar soweit, dass sie (die Kläger) von Faschismus sprechen, und davon, dass die Verletzung dieses Prinzips im Kern faschistisch sei. Das ist umso ungewöhnlicher, weil das höchste Gericht dadurch die Vereinigungsfreiheit im Parteiengesetz ignoriert, welches uns erlaubt, uns intern nach den von uns und den Mitgliedern der Partei beschlossenen Regeln zu verhalten. Auch ignorieren sie eine Verfassungsänderung, die 2009 durch ein Referendum beschlossen wurde, die jedem Venezolaner das Recht gibt, sich selbst wiederzuwählen.

Anscheinend wissen die Mitlgieder des Obersten Gerichtshofes nicht, dass es ein Recht auf ständige Wiederwahl im Amt gibt, das seit 2009 verfassungsmäßig verankert ist, nachdem ein Verfassungsreferendum vom Volk angenommen wurde. Eigentlich sollten sie doch jedes einzelne Komma der Verfassung buchstabengetreu kennen. Die Klage gegen uns steht also außerhalb des Verfassungsrechts und das Schlimmste ist, dass wir keine Berufung dagegen einlegen können.

Der politische Teil der Klage ist, dass es sich um einen Plan handelt, die Kommunistische Partei Venezuelas zu zerstören. Dieser Schritt ist Teil der neoliberalen und volksfeindlichen wirtschaftlichen Anpassung, die die Regierung von Nicolas Maduro betreibt. Derzeit gibt es einen Prozess der Versöhnung und der Verhandlung zwischen der Regierungspartei und der traditionellen Rechten, die in der Opposition beheimatet ist. Sie selbst sagen heutzutage offen in den Medien, dass es sich um ein strategisches Bündnis mit den Unternehmerverbänden handelt. Sie verweisen auf den wichtigsten dieser Verbände, den FEDECAMARAS (Federación de Cámaras y Asociaciones de Comercio y Producción de Venezuela – Verband der venezolanischen Handels- und Produktionskammern und -vereinigungen), der auch an dem Putsch der Ölarbeiter gegen Chavez im Jahr 2002 beteiligt war. Der FEDECAMARAS ist nun ein strategischer Verbündeter der Regierung, um Anpassungen in der Ökonomie vorzunehmen.

Wir sehen, dass die imperialistischen Sanktionen, die unserem Land viel Schaden zufügen, im Wesentlichen die Arbeiter treffen. Diese Sanktionen, deren erstes Ziel es war, die Regierung zu beugen und einen Regierungswechsel herbeizuführen, konnten dieses Ziel nicht erreichen. Sie waren nicht in der Lage, dieses Ziel zu erreichen. Aber sie haben etwas Wichtiges erreicht, nämlich einen Wechsel in der Wirtschaftspolitik der Regierung herbeizuführen, und diese Wirtschaftspolitik, dieser Wechsel des neoliberalen Inhalts, wird seit 2020 sehr aggressiv und grundlegend umgesetzt. Mit anderen Worten, es gibt einen Pakt der Eliten, der Anpassungen vornimmt. Der Eckpfeiler dieser Anpassung ist die Zerstörung der Löhne und die Zerstörung der kollektiven Rechte der Arbeitnehmer. Das geschieht vor allem durch den Rückgang der Einnahmen aus dem Ölexport. Der Staat hatte sich zuvor durch die Verteilung der Öleinnahmen in die Wirtschaft eingeschaltet und zieht sich nun zu Gunsten des privaten Kapitals zurück.

Durch einen flexibleren Arbeitsmarkt und durch den Verkauf von Arbeitskräften zu günstigen Bedingungen hat die Regierung einen Weg gefunden, das Kapital im Betrieb zu behalten. Der Teil des Profits, der zuvor durch die Verteilung der Öleinnahmen erzielt wurde, wird nun durch die Inflation ausgeglichen, indem der Anteil des Arbeitstages, den jeder venezolanische Arbeiter kostenlos für den Kapitalisten arbeitet, erhöht wird. Die Arbeitszeit und die Bedingungen der Ausbeutung wurden auf sehr brutale Weise erhöht. Überstundenzuschläge wurden abgeschafft, ebenso wie viele Sozialleistungen. Gleichzeitig sind Entlassungen für die Kapitalisten viel einfacher geworden.

Seit 2018 haben wir auch einen Erlass vom Ministerium, der die Wirkung von Tarifverträgen einfriert. Das Hauptargument für diese Einschränkungen der Arbeiterrechte sind die Sanktionen. Zweifellos haben sich die Sanktionen ausgewirkt, denn sie haben zu einem Rückgang der Wirtschaft und damit zu weniger Beschäftigung geführt.

Wir beobachten jedoch, dass die Bedingungen des Verkaufs von Arbeitskräften, der Überausbeutung von Arbeitskräften, der Strategie des Kapitals entspricht, den Rückgang der Ölrente zu kompensieren. Es ist keine Folge, sondern eine Strategie, um Kapital anzuziehen. Dazu kommt noch die Politik der Sonderwirtschaftszonen. Dies wird zu einer weiteren Deregulierung des Arbeitsmarktes sowie zu einer Umwelt- und Steuerderegulierung zugunsten der Kapitalisten führen. Das Gesetz über Kohlenwasserstoffe (ley orgánica de hydrocarburos) wird derzeit diskutiert, was zu einem Privatisierungsprozess führen wird, und es gibt einen Anpassungsprozess bei der Dollarisierung der Preise im öffentlichen Dienst angesichts eines Lohnstopps. Das ist eine ziemlich komplexe Situation, die zu einer massiven Mobilisierung der Arbeitnehmer im Kampf für ihre Rechte geführt hat, und gleichzeitig wurde diese massive Mobilisierung mit einer starken Unterdrückung und Kriminalisierung der Kämpfe der Arbeitnehmer beantwortet.

Wir sehen, dass es sich noch nicht um eine großflächige Repression handelt, aber sie ist selektiv und richtet sich gegen die Gewerkschaftsführungen des Landes, mit dem Ziel, die gewerkschaftlichen Kämpfe zu neutralisieren. Zur Kriminalisierung der Arbeiterkämpfe kommen noch die Einschränkungen der gewerkschaftlichen Freiheiten hinzu, denn es ist heute komplizierter geworden, eine Gewerkschaft zu gründen.

In diesen Prozess reiht sich das Verbot der PCV ein. Angesichts einer aggressiven Anpassung zugunsten des Großkapitals gibt es für das ausländische Kapital nichts Attraktiveres, als die einzige Partei zu liquidieren, die sich politisch für die Rechte der Arbeiterklasse eingesetzt hat und diese zum Schweigen zu bringen. Es geht auch darum, die PCV daran zu hindern, sich bei den Wahlen als Alternative zu präsentieren.

Erinnern wir uns daran, dass wir 2020 alleine dastanden und wir haben ein bisschen mehr als unsere normalen Stimmen bekommen, etwa 3 % bei dieser Wahl. Ich denke, dass die Stimmen für die PCV die Stimmen für den Chavismus sind. Im Rahmen des Prozesses der Kräftesammlung, den wir seit 2020 durchgeführt haben bilden sich verschiedene Räume für die Klassenkämpfe in Venezuela. So gibt es beispielsweise eine Plattform zur Verteidigung der Löhne und Gehälter, die sich hauptsächlich aus der Basis der PSUV zusammensetzt. Heute nehmen einige aktuelle Abgeordnete der PSUV daran teil und sie alle stimmen mit der Charakterisierung der Partei überein, dass diese Regierung einen radikalen Rechtsruck vollzieht, dass sie die Errungenschaften, die während der Regierung von Hugo Chávez erreicht wurden, zunichte macht. Sie stimmen darin überein, dass es eine neoliberale Tendenz gibt, die sich aus der Hegemonie der Wirtschaft und des Grundbesitzes an der Spitze der Regierung, in der PSUV, ergibt.

Und das ist nun der Prozess, der die Gruppierungen der Linken viel stärker gemacht hat, da die PSUV ihre Politik der Anpassung vertieft hat. Wie wir sehen können, wird der Prozess der Verhandlungen der Regierung mit dem US-Imperialismus und dem rechten Flügel, mit den Geschäftsgruppen des traditionellen rechten Flügels und die Auswirkungen, die dies auf die Rechte der Arbeiterklasse hat, immer deutlicher. Hinzu kommt der gesamte Prozess der internen Zersetzung der PSUV im öffentlichen Sektor und in jüngster Zeit der Diebstahl von mehr als 20 Milliarden Dollar aus der staatlichen Ölgesellschaft. Der Hauptverantwortliche ist immer noch auf freiem Fuß. Alle fragen sich, wo er war, denn er wurde nicht strafrechtlich verfolgt. Die Regierung ist nicht in der Lage, eine Antwort zu geben.

Die Arbeiter wissen, dass sowohl die Regierung, als auch die Parallelregierung, die sie Guadioismus nennen, für die Katastrophe, für die Krise verantwortlich sind. Beide Seiten haben sich in ihrem angeblichen Kampf bereichert und heute paktieren diese beiden Seiten bei der Durchführung eines Anpassungsprogramms. Dieses Anpassungsprogramm wird vom US-Imperialismus, konkret durch Chevron unterstützt. Die Tatsache, dass die Sanktionen gelockert werden, damit Repsol und andere europäische Unternehmen tätig werden können, ist ein Beweis dafür, dass es eine Vereinbarung nicht nur mit dem US-Imperialismus, sondern auch mit dem europäischen Imperialismus gibt. Und dass diejenigen, die alle Konsequenzen zu tragen haben, wir, die Arbeiter sind. Das ist das Schlimmste für uns. Wir sind zwar im Recht, aber nun ohne eine kommunistische Partei. Wer profitiert vom Verbot der kommunistischen Partei?

Carlos (KO): Du hast auch von einer Plattform verschiedener Organisationen und Parteien gesprochen, die zum Beispiel für eine Erhöhung der Löhne kämpfen. Teil dessen sind auch Basisorganisationen der PSUV, die die Aktivitäten der PCV unterstützen. Die Basisarbeit der PSUV war unter Chavez eine wichtige Stütze. Kannst du mehr zu dem Bruch zwischen Basis und Führung der PSUV sagen?

Héctor (PCV): Es gibt einen Unterschied zwischen den Sektoren, die sich als Chavisten bezeichnen und denen, die das Programm für sich beanspruchen, mit dem Hugo Chávez an die Macht kam. Diejenigen, die wirklich mit diesem Programm und dieser Vision des Landes übereinstimmen, stehen heute im Konflikt mit der Regierung. Die Regierung schlägt heute vor, die Erdölindustrie zu privatisieren, ein Prozess, der in diametralem Gegensatz zu dem Prozess steht, den Chávez 1998 steuerte, um die Öffnung der Erdölindustrie rückgängig zu machen. Heute stehen wir vor einer neuen Öffnung der Ölindustrie. Es handelt sich um eine Regierung, die von sich behauptet, chavistisch zu sein. Das stellt einen starken Bruch mit einem strategisch so wichtigen Thema wie der Erdölindustrie dar.

Ein weiteres Problem ist, dass die wichtigsten Sprecher der Regierung jetzt anerkennen und zugeben, dass die Verstaatlichungen von Hugo Chávez ein Fehler waren. Sie sagen dies öffentlich in Fernsehsendungen und auch hier erkennen wir einen Bruch mit dem Ansatz von Hugo Chávez, bei dem es genau um die Notwendigkeit einer aktiveren Rolle des Staates in der Wirtschaft und der Kontrolle der strategischen Sektoren ging. Von hier aus wird offen darüber gesprochen, dass Verhandlungen zur Privatisierung der Grundgesellschaft von Guayana laufen, dass strategische Sektoren wie die Telekommunikation und die Elektrizität privatisiert werden sollen. Auch dies ist ein Bruch mit den Grundprinzipien des Programms von Hugo Chávez.

Ein weiteres Thema sind die Arbeitsrechte. Eine der wichtigsten Errungenschaften des bolivarischen Prozesses waren die Aufnahme eines Artikels in die Verfassung, der festlegt, dass das Gehalt dem grundlegenden Lebensunterhalt für Nahrungsmitteln entsprechen muss. Ein sehr wichtiger Artikel der Verfassung. Und jedes Mal, wenn Chávez über Löhne sprach, verteidigte er die Wichtigkeit dieses Artikels, aber nicht nur das, er kritisierte auch die Politik der Zerstörung der Löhne, die von den rechten Regierungen in der Vergangenheit betrieben wurde. Und heute sehen wir, dass diese Regierung die Zerstörung der Löhne durchgesetzt hat. Und nicht nur das, sie hat auch die Sozialleistungen zerstört. Einer der wichtigsten Kämpfe, den die Arbeiterbewegung gegen die Regierungen der traditionellen Rechten geführt hat und der später mit Chávez erreicht wurde, ist die Wiederherstellung von Sozialleistungen mit dem neuen organischen Arbeitsgesetz, das 2011 verabschiedet wurde. Und jetzt, mit Nicolás Maduro, haben wir null Sozialleistungen, obwohl wir das Recht auf Sozialleistungen haben. In der Frage der Löhne und der Arbeitsrechte gibt es also auch einen Bruch mit dem Diskurs und dem Programm von Hugo Chávez.

Im Allgemeinen sehen diese einfachen Leute, dass es sich um zwei verschiedene Projekte handelt. Sie weisen darauf hin, dass Hugo Chávez von Nicolas Maduro verraten wurde. Und diese Leute haben sich zusammengetan.

Nun sind das nicht alle, und man sollte wissen, dass die PSUV weiterhin Mitglieder hat und eine wichtige Partei im Lande ist, wahrscheinlich die größte im Lande. Und das ist kein Wunder, da sie eine Partei ist, die sich auf den Staat, auf staatliche Ressourcen stützt und auch eine bedeutende wirtschaftliche Macht hat. Die PSUV ist auch zu einer Partei von landbesitzenden Geschäftsleuten aller Art geworden, die über genügend Ressourcen verfügen, um ihren politischen Apparat zu unterhalten. Zweifellos ist sie immer noch eine Partei mit einer bedeutenden Volksbasis, eine Klassenpartei.

Aber die bewusstesten Sektoren dieser Partei haben gerade deshalb wichtige Brüche erzeugt und identifizieren sich sehr mit der Position der Kommunistischen Partei Venezuelas.

Das Wichtigste ist, die Sache mit dem Justizbetrug klarzustellen. Denn wenn die Information verbreitet wird, dass es die Basis der PCV ist, die rechtmäßig vor Gericht gegangen ist, dann ist das völlig falsch. Es handelt sich nicht um Parteimitglieder. In diesem Prozess gibt es kein einziges Mitglied des Zentralkomitees der Partei, das aus fast 70 Personen besteht, und kein einziges Mitglied der Regionaldirektionen der Partei, die aus vielen Direktionen in 24 regionalen Stadtstaaten bestehen.

Und das ist Beweis dafür, dass es keine solche Spaltung in der PCV gibt und dass alles ein abgekartetes, von der PSUV organisiertes und geleitetes Spiel ist, hauptsächlich von ihrem Vizepräsidenten Alejandro Cabello. Und das sagt viel über den Grad der politischen Linie in dieser Partei aus. Eine Partei anzugreifen und sie ihrer Rechtspersönlichkeit zu berauben, sagt viel über den reaktionären Charakter und die starke Präsenz von antikommunistischen Sektoren in dieser Partei aus. Wir sagen dies mit aller Verantwortung, weil wir wissen, dass es international eine Vision der PSUV als antiimperialistische, fortschrittliche Kraft gibt. Aber ich weiß nicht, ob eine Kraft mit diesem Charakter wirklich in der Lage wäre, eine Aktion wie die gegen die PCV durchzuführen, die im Grunde sehr reaktionär ist.

Carlos (KO): Ich habe eine Frage zur Außenpolitik der venezolanischen Regierung. Wenn wir es richtig verstanden haben, hat die PCV die venezolanische Regierung immer unterstützt, wenn sie sich gegen die Angriffe des US-Imperialismus verteidigt hat. Wie ist der Stand der Dinge jetzt? Gibt es Anzeichen dafür, dass die Regierung ihren Kurs gegen den US-Imperialismus aufgeweicht hat? Hat sie Zugeständnisse gemacht, möglicherweise wegen des Drucks der USA?

Héctor (PCV): Das ist eine sehr wichtige Frage. Die Sichtweise auf dieses Problem ist auf internationaler Ebene nicht aktualisiert worden. Viele Parteien und Organisationen denken immer noch, dass Venezuela, dass die venezolanische Regierung, ein strategischer Feind der Vereinigten Staaten ist. Und dass es praktisch keine Möglichkeit der Einigung und der Verhandlung zwischen der PSUV und den Vereinigten Staaten gibt. Wir allerdings glauben, dass das nicht ganz stimmt. Es gibt sicherlich einen Angriff des US-Imperialismus. Die Sanktionen bleiben in Kraft. Zweifelsohne würden die Vereinigten Staaten eine Regierung ihrer Verbündeten, der extremen Rechten oder der traditionellen sozialdemokratischen Rechten, einer PSUV-Regierung vorziehen. Das ist für uns völlig klar.

Aber es ist nicht wahr, dass es keine gemeinsamen Interessen gibt. Die Bourgeoisie und die Großgrundbesitzer führen die Elite an, die die PSUV anführt, und die Interessen des amerikanischen und europäischen Imperialismus. Und heute gibt es zweifelsohne einen Prozess von Verhandlungen und Vereinbarungen auf der Grundlage dieser gemeinsamen Interessen. Der Fall Chevron ist ein Beispiel dafür. Es gab einen Verhandlungsprozess zwischen der Regierung und Chevron, der nicht den Interessen des Landes diente. Dieser hat es Chevron letztlich ermöglicht, hier wieder tätig zu werden, was gegen das Gesetz über Kohlenwasserstoffe (ley orgánica de hydrocarburos) selbst verstößt, weil das Gesetz vorsieht, dass die Mehrheit der Anteile des Unternehmens in den Händen des venezolanischen Staates liegen muss. Chevron hält nun die Aktienmehrheit an einem gemischten Unternehmen und hat auch den Vorsitz in diesem inne. Man könnte also argumentieren: „Gut, aber das hat mit den Sanktionen zu tun, wir müssen Bedingungen schaffen.” Aber sehen Sie sich die Situation an, in der wir uns befinden, wenn wir von einem imperialistischen Monopol wie Chevron abhängig sind, damit Venezuela wieder Öl produzieren kann. Nicht einmal das wird gesagt und im Allgemeinen wird etwas ganz anderes verbreitet.

Wir sehen bereits den Prozess der Lockerung, aber dieser Prozess schreitet in dem Maße voran, wie sich auch die Verhandlungen zwischen der venezolanischen Regierungselite, der US-Regierung und den Regierungen in der Europäischen Union weiterentwickeln. Und die Grundlage dafür ist das Anpassungsprogramm, die neue neoliberale Wirtschaftspolitik, die von der Regierung von Nicolás Maduro gefördert wird. Dieses Abkommen mit Chevron ist auch ein Geheimabkommen, über das sehr wenig bekannt ist.

Carlos (KO): Wir haben viel über Venezuela gesprochen, und auf dem lateinamerikanischen Kontinent passiert gerade einiges. In Peru zum Beispiel gab es einen illegalen Putsch gegen den linksliberalen Präsidenten Castillo. In Kolumbien hat zum ersten Mal in der Geschichte ein linksgerichteter Präsident die Wahlen gewonnen, der sich gegen eine weitere Einflussnahme der USA in Kolumbien wendet. In Argentinien zeichnet sich ein möglicher Sieg eines rechtsextremen, pro-amerikanischen Präsidenten ab. Nun, in Lateinamerika erleben wir schon seit Jahrzehnten ein politisches Hin und Her zwischen rechten und linken Parteien an der Macht. Wie beurteilst du dieses Hin und Her? Welche Perspektiven siehst du aktuell für Lateinamerika?

Héctor (PCV): Wir betrachten dieses Thema der Abwechslung zwischen den Regierungen und auch dem Wandel, der sich im sogenannten Progressivismus vollzieht. Wir sprechen von einer neuen Welle des Progressivismus und nennen sie eine „rosa Welle“. Denn sie unterscheidet sich stark von den progressiven Regierungen, die mit dem Sieg von Hugo Chávez in Venezuela begannen. Zweifellos ist die Chávez-Regierung mit ihrem antiimperialistischen, radikaleren Diskurs viel stärker. Sie betont die Notwendigkeit einer von den US-Interessen unabhängigen lateinamerikanischen Integration, die sich in der bolivarischen Ideologie ausdrückt. Ein Prozess, der zur Verstaatlichung aufrief, der den Konsens aus Washington, den Internationalen Währungsfonds und den Neoliberalismus verurteilte. Ja, das war der Inhalt dieser ersten Prozesse, einer radikaler als der andere.

Nun, nachdem in vielen dieser Länder die Rechte durch Wahlen zurückgekehrt ist, wie im Fall von Argentinien mit Macri und Bolsonaro in Brasilien, so auch der parlamentarische Putsch gegen Dilma, der schließlich Bolsonaro an die Regierung in Brasilien brachte, beginnt auch ein neuer Prozess der Akkumulation von linken Kräften. Diese Sektoren der Linken mussten, um wieder an die Regierung zu kommen, ihr Programm und ihren Diskurs ändern. In Argentinien zum Beispiel hat der Kirchnerismus mit einem viel breiteren Bündnis des Peronismus, sogar mit theoretischen Sektoren rechter, antikommunistischer Natur, die Regierung übernommen. Das Gleiche geschieht in Brasilien. Die Basis, auf die sich Lula stützen muss, um die Wahlen zu gewinnen, ist sehr, sehr breit, und sie war so breit, dass es ihm durch sie gelang, die Ausschlüsse gegen ihn aufzuheben, als er aus dem Gefängnis kam. Und jetzt sind sie aufgrund der komplizierten Situation im Parlament, wo Bolsonaros Partei ein so großes Gewicht hat, gezwungen, eine Regierung mit Sektoren zu bilden, die eher rechts stehen, um ein gewisses Maß an Regierungsfähigkeit zu erreichen. Das Gleiche geschah mit der honduranischen Regierung. Dasselbe geschieht mit Petro in Kolumbien oder mit Boric in Chile.

Wenn sie an die Regierung zurückkehren wollten, mussten sie dies auf einer neuen Grundlage und mit einem neuen Programm tun. Obwohl Chile, Peru und Kolumbien neue Erscheinungen sind, wo es das erste Mal war, dass die Linke eine Wahl gewonnen hatte. Ebenso in Mexiko. Wir können beobachten, dass es sich um einen neuen Prozess handelt. Es ist nicht derselbe Prozess, es ist nicht dasselbe Programm, es ist nicht derselbe Charakter. Sie haben den anti-neoliberalen Diskurs beiseite gelassen, obwohl sie ihn manchmal berühren, aber nur instrumentell als Ideologie. Sie haben auch den antiimperialistischen Diskurs beiseite gelassen und sie haben spezifische Vorschläge für Rechte und soziale Forderungen beiseite gelassen. Und wo die Notwendigkeit eines engen Bündnisses mit der Regierung der Vereinigten Staaten gesehen wird, wird sie genutzt. Es ist kein Geheimnis, dass die Demokraten in den Vereinigten Staaten den Sieg von Lula in Brasilien in einem besseren Licht sahen als den von Bolsonaro.

Es handelt sich um eine neue Welle des Progressivismus, die viel reformorientierter ist als noch unter Chavez. Und das spricht für die Obergrenze der progressiven Prozesse. Es scheint, dass ihnen eine Obergrenze gesetzt wird. Eine Grenze, die sie nicht überschreiten können. Und sie werden zu Kräften, die die alte Sozialdemokratie in diesen Ländern verdrängen, und sie werden zum neuen Gegenpol zu den traditionellen rechten Parteien. Sie haben diese Position an der Seite der Sozialdemokratie eingenommen, vielleicht mit einem progressiveren Inhalt. Aber letztlich ist es doch Sozialdemokratie, oder? Regierungen, die keine grundlegenden Veränderungen vornehmen, die instabile Reformen vorschlagen und die immer weniger über revolutionäre Programme sprechen.

So untersuchen wir die Tendenz der Prozesse auf dem Kontinent und sagen, dass die kommunistischen oder Arbeiterparteien der wirklich revolutionären Kräfte die Notwendigkeit eines eigenen Akkumulationsprozesses vorschlagen müssen, um die kommunistischen und Arbeiterparteien politisch und ideologisch unabhängig zu machen. Und wir entwickeln eine gemeinsame Agenda, die diesen Interessen der Arbeiterklasse entspricht. Denn auf lange Sicht wird die Politik dieser Regierungen, die sich nicht zu Veränderungen verpflichten, dazu führen, dass sich die Frustration in der Volksbewegung vertieft, dass man ihnen Veränderungen zutraut, die sie nicht durchführen können. Diese Frustration wird auf lange Sicht dazu führen, dass dem Faschismus, den Kräften der faschistischen Ultrarechten, Tür und Tor geöffnet werden, wie wir es in Argentinien sehen. Wir sehen es auch hier mit der enormen Unterstützung für die Kandidatur von María Corina. Und das ist oft das Ergebnis unserer Unfähigkeit, eine unabhängigere Rolle zu spielen.

Carlos (KO): Brasilien spielt eine wichtige Rolle, nicht nur, weil es das wirtschaftlich stärkste Land in Lateinamerika ist, sondern und auch Teil der BRICS. Und so hält es eine gewisse Distanz zum US-Kapital. Für die Demokraten in Washington meintest du jedoch, dass ein Lula für sie besser ist als ein Bolsonaro. Siehst du darin einen Widerspruch oder wie würdest du die Rolle und die Bedeutung Brasiliens in Lateinamerika einschätzen?

Héctor (PCV): Erinnern wir uns zum Beispiel an eine bemerkenswerte Tatsache. Zum Beispiel, als die Bolsonaristas den Justizpalast in Brasilia stürmten, war die US-Regierung eine der ersten, die dieses Ereignis verurteilt hat. Sie verurteilte es und bekundete ihre Solidarität mit Lula und stellte sogar eine Verbindung zwischen diesem Ereignis und der Übernahme des US-Kongresses durch die Anhänger von Donald Trump her. Die demokratische Regierung ist im Übrigen in die Linie des Progressivismus eingeschrieben. Sie identifiziert sich auch mit einer Kraft des Progressivismus. Aber sie ist nicht so widersprüchlich. Ja, es ist sehr widersprüchlich, wenn wir weiterhin glauben, dass die progressiven Kräfte den Interessen der Monopole entgegengesetzt sind, und es hat sich gezeigt, dass dies nicht der Fall ist.

Es gibt viele Gemeinsamkeiten, viele Übereinstimmungen und das sieht man auch daran, dass der Progressivismus heute seinen kritischen Diskurs gegenüber den Vereinigten Staaten aufgegeben hat. Sie werfen sicherlich weiterhin die Frage der Souveränität auf, ja. Aber es werden mehr Brücken gebaut für jede Art der Austauschbeziehung.

Carlos (KO): Ja, aber Brasilien ist auch Teil der BRICS, also einem Gegenspieler der USA und Lula sagt öffentlich immer, dass man die BRICS unterstützen und die Souveränität gegenüber der Vereinigten Staaten bewahren muss. Ist also die Beziehung zu den USA im Grunde immer dieselbe, egal ob ein Lula oder ein Bolsonaro an der Macht ist?

Héctor (PCV): Ja, die progressive Kraft hat kein Interesse daran, einen Bruch zu erzeugen. Nun, von Seiten der Regierung wird das auch sehr stark durch wirtschaftliche Beziehungen vermittelt. Wie du richtigerweise sagst, ist Brasilien auch etwas anderes, denn diese Weltwirtschaft kämpft seit Jahren um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Auf internationaler Ebene versucht es, sich unabhängig von den Blöcken der USA, Russlands und Chinas zu positionieren. Seine Haltung in der Ukraine-Frage ist sehr auffällig. Wenn Lula ein Druckmittel sein oder werden wollte, hat er deshalb nirgendwo Stellung bezogen. Er ist einer der wenigen lateinamerikanischen Präsidenten, die sich zum Beispiel mit Selenski getroffen haben. Nun, er hat sich auf Ersuchen der US-Regierung mit ihm getroffen. Als die Vereinigten Staaten dieses Ersuchen erhielten, kam es zu diesem einvernehmlichen Austausch.

Carlos (KO): Nun nicht nur in Lateinamerika kämpfen Völker gegen die Einflussnahme der USA und des Westens. Zum Beispiel vertreiben die Menschen in Burkina Faso, Mali und Niger die neokolonialen Besatzer aus Frankreich, Deutschland und den Vereinigten Staaten. Die NATO führt einen Krieg gegen Russland in der Ukraine und will es in die Knie zwingen, was gleichzeitig den Druck auf China erhöht. Ist die Verstärkung des Kampfes gegen den US-Imperialismus und die NATO die zentrale Aufgabe der kommunistischen Bewegung? Ist das auch wichtig für den Kampf in Venezuela oder wie ist die Position eurer Partei?

Héctor (PCV): Nun das ist ein komplexes Thema, weil es Zeit braucht. Die westlichen Verbündeten haben eine hegemoniale Position in der Welt eingenommen. Es gibt jedoch andere kapitalistische Länder und andere Entwicklungsmächte, die diese Hegemonie anfechten. Ein Beispiel dafür ist Indien, das ein enormes Wachstum verzeichnet, aber auch China und Russland, also die Länder, die nicht der westlichen Allianz angehören (Japan und Südkorea gehören eher zu dieser Seite).

Was wir sehen, ist, dass der Prozess der Kapitalakkumulation auf globaler Ebene, isoliert betrachtet, in eine tiefe Krise geraten ist. Und diese tiefe Krise bewegt sich auf eine neue Krise der Überproduktion zu. Aber jetzt heißt es, dass sie sehr akut sein wird. Und dieser Prozess verschärft sich natürlich, er erzeugt eine Verschärfung der Widersprüche, denn es gibt eine Konkurrenz, die sich als Folge einer großen Tendenz dieser sich abzeichnenden Überproduktionskrise verschärft. Und das erzeugt neue Umschichtungsprozesse, weil der Markt klein ist. Der Streit verschärft sich, und diese Verschärfung führt auch dazu, dass die Konkurrenz ihre gewaltsame Form annimmt, bis hin zum Krieg. Die Möglichkeit des Krieges ist da. Und was sie erzeugt, ist die Krise des Kapitals. Wenn wir das sehen, stellen wir uns zweifellos die Frage, was die Interessen der Arbeiterklasse in diesem Prozess sind. Sind es die Interessen der Arbeiterklasse in jedem Land? Sind sie die Interessen der Arbeiterklasse als Ganzes? Wer ist der Feind der Arbeiterklasse? Ist es die Klasse der Bourgeoisie einer Gruppe von Ländern, eines Landes oder ist es die Bourgeoisie als Ganzes? Denn die Krise führt zu einer Schwächung der Macht der Bourgeoisie. Krisen sind der Moment der größten Schwäche der Macht der Bourgeoisie.

Was wir, die kommunistischen und Arbeiterparteien, vorschlagen, ist wie 1917 die Bedingungen für neue Arbeiterrevolutionen in der Welt zu schaffen. Oder geben wir uns damit zufrieden, dass nur der Sektor des Kapitals, wahrscheinlich der Aggressivste, die Macht an einen anderen verliert? Und wenn wir uns das ansehen, dann analysieren wir diese Situation und vor allem die Auswirkungen, die sie für die Arbeiterklasse hat. Alles, was die Bourgeoisie im Rahmen ihrer Konkurrenz um die Vorherrschaft über die andere Bourgeoisie durchführt, erzeugt einen Prozess der Zerstörung der Produktivkraft, wenn er nicht von der Arbeiterklasse bezahlt wird. Sie wird niemals von der Bourgeoisie bezahlt. Alles geht auf Kosten der Arbeiterklasse.

Aber wenn wir das aus Sicht der Kommunistischen Partei Venezuelas betrachten, dann ist es die Notwendigkeit für die Arbeiterklasse, ihre eigene Agenda, ihr eigenes internationales Aktionsprogramm angesichts dieser sich verschärfenden Krise, zu haben. Nein, wir können uns nicht ausschließlich damit zufriedengeben, dass der aggressivste Sektor besiegt wird, weil wir Arbeiter in diesem Kampfprozess vorankommen und unsere Bestrebungen international durchsetzen können. Und darauf setzen wir in der Kommunistischen Partei. Wir sind auch von der Notwendigkeit einer eigenen internationalen Agenda überzeugt, die die Arbeiterklasse im Hinblick auf ihre eigenen Interessen vereint und sie nicht den Interessen der Bourgeoisie irgendeines Landes unterordnet.

Carlos (KO): Wie siehst dudie Debatte über den Imperialismus im Allgemeinen und den Ukraine-Krieg im Besonderen vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Positionen in der weltweiten kommunistischen Bewegung? Ich erinnere mich z.B. daran, dass die PCV auch die gemeinsame Erklärung der kommunistischen Parteien zum Ukraine-Krieg, das Joint Statement unterzeichnet hat.

Héctor (PCV): Ja, wir haben, glaube ich, ein oder zwei Erklärungen abgegeben, in denen wir den Krieg verurteilen. Aber wir haben unsere Sichtweise mit vielen kommunistischen Parteien geteilt und wir weisen auch darauf hin, dass dies ein Krieg ist, der von der NATO, den Vereinigten Staaten provoziert wurde, und bei dem es im Kern um den Wettbewerb und um die Kontrolle der Märkte geht. Diejenigen, die die Folgen dieses Krieges zu tragen haben, sind in erster Linie die Arbeitnehmer, und es liegt daher im Interesse der Arbeitnehmer, sich dem Krieg zu widersetzen. Eine einfache Sichtweise.

Dies fasst unsere Position zusammen, eine Position, die mit fast allen kommunistischen und Arbeiterparteien übereinstimmt und natürlich die Regierung der Ukraine als faschistische Regierung verurteilt und unsere Solidarität mit der Bevölkerung von Donezk in Russland, und im Nordosten der Ukraine, zum Ausdruck bringt, die von der faschistischen Regierung schwer angegriffen wird.

Wir bringen unsere Solidarität mit der Kommunistischen Partei der Ukraine und allen widerständigen Kräften zum Ausdruck. Zweifelsohne ist dies ein Thema, das die internationale kommunistische Bewegung gespalten hat. Wir gehen von der Position aus, dass wir die Positionen brüderlich diskutieren müssen. Dies wird nicht zu einer Zersplitterung und Spaltung der Aktion der kommunistischen Arbeiterbewegung in der Welt führen. Wir glauben nicht, dass die Position darin bestehen sollte, sich auf eine Seite des Kapitalismus zu stellen. Vielmehr sollte es ein Bekenntnis sein, das den Interessen der Arbeiterklasse als Ganzes dient.

Die Debatte über den Imperialismus ist eine, die wir auch führen. Natürlich haben wir im Moment eine komplexe Situation aufgrund unserer nationalen Situation und dem Verbot der Partei, aber wir lassen diese Diskussionen nicht beiseite, weil wir wissen, dass sie notwendig sind. In Deutschland haben die Genossen einen großen Beitrag geleistet, in Griechenland und in Russland. Das Wichtigste für uns ist, dass wir eine objektive, wissenschaftliche Diskussion führen. Das wird es uns ermöglichen, nicht nur die Wahrheit herauszufinden, sondern auch, wo die unmittelbaren, zukünftigen und strategischen Interessen der Arbeiterklasse liegen, um ihr grundlegendes Ziel zu verwirklichen: Der Sturz der Bourgeoisie und die Ergreifung der politischen Macht.

Carlos (KO): Héctor, vielen Dank für deine Zeit. Für mich war es sehr interessant und bereichernd, mit dir zu sprechen. Natürlich wünschen auch wir als Kommunistische Organisation den Genossinnen und Genossen der Kommunistischen Partei Venezuelas viel Kraft und Erfolg im Kampf. Bis zum nächsten Mal!

Héctor (PCV): Natürlich Genosse. Vielen Dank für den Raum und dafür, dass ihr uns helft, das Richtige zu verbreiten. Viele Grüße.

Solidarität mit Zora, dem Café Karanfil und dem Interbüro! Kampf der anti-palästinensischen Repression!

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Die Angriffe auf die Palästinasolidarität in Deutschland nehmen weiter zu! Der Staat nutzt seinen Polizeiapparat und die Medien zur Hetze und Repression, und dabei ist ihm kein noch so fadenscheiniger Vorwand – heute war es ein Flyer – zu peinlich. Ziel ist, die Solidarität mit dem Widerstand in Palästina zu tabuisieren und im Keim zu ersticken.

Heute Morgen wurde in diesem Zusammenhang die linke Frauenorganisation Zora, das Interbüro in Berlin Wedding und das Café Karanfil in Berlin Neukölln angegriffen. Die beiden Räumlichkeiten boten palästinasolidarischen Aktivitäten Raum und auch Zora beteiligte sich an solchen. Unter dem Vorwand der „Verherrlichung von Terror“, wurden bei ihnen heute zahlreiche Hausdurchsuchungen durchgeführt.

Dabei entpuppt sich die deutsche Staatsgewalt wieder einmal selbst als verlängerter Arm des tatsächlichen Terrors im Nahen Osten: dem des zionistischen Regimes und seiner westlichen Unterstützer.

Der Widerstand gegen Besatzung und ethnische Säuberung ist völkerrechtlich legitim und kein „Terrorismus“!

Stellen wir uns gemeinsam gegen ihre Repression, ihre Spaltung und ihre Propaganda! Solidarität ist unsere stärkste Waffe – nutzen wir sie!

Gemeinsamer Aufruf: Freiheit für Palästina! Demokratie für Deutschland!

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Die hier unterzeichnenden Parteien, Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen haben trotz unterschiedlicher politischer Ausrichtungen, Orientierungen und konkreten Einschätzungen folgendes gemeinsames Statement beschlossen. Die gegenwärtige politische Lage erfordert es dringend, mit einer gemeinsamen Stimme für einen sofortigen Waffenstillstand einzutreten und das Morden in Palästina zu beenden. Wir protestieren auch gegen die gegenwärtigen reaktionären Entwicklungen in der Bundesrepublik. Durch die deutsche Regierung und durch einen beträchtlichen Teil der Medien wird ein rassistisches, repressives und autoritäres Klima geschaffen, in dem massive antidemokratische Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Jetzt sind wir alle gefragt: es geht um nichts weniger als um unsere Grundrechte.
(Übersetzungen in arabisch, englisch, spanisch und weitere Sprachen auf https://kufiyanetzwerk.noblogs.org)

Stellungnahme

Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und ebenso die sofortige Aufhebung der Blockade Gazas. Waffenstillstand darf nicht bedeuten, zurück zur kolonialen Tagesordnung der Schikane, Drangsalierung, Annexion und Apartheid zu kehren. Wir kämpfen deswegen auch für ein Ende der Besatzung Palästinas!

Wir verurteilen die finanzielle, militärische, politische und moralische Unterstützung Israels. Sofortiger Stopp der Unterstützung von Kriegsverbrechen durch die Bundesrepublik!
Der Krieg gegen Gaza ist ein Genozid. Die Blockade jeglicher Zufuhr von Energie, Wasser und Medikamenten nach Gaza, die Zerstörung humanitärer und lebensnotwendiger Infrastruktur wie Krankenhäuser, nimmt bewusst die Zivilbevölkerung ins Visier und deren massenweise Vernichtung in Kauf.*

Der Krieg gegen Gaza ist nicht ein Krieg zwischen zwei Staaten, sondern zwischen Besatzern und Besetzten. Wir lehnen es ab, die Gewalt der Besatzer mit dem gewaltsamen Widerstand der Besetzten gleichzustellen und zu enthistorisieren. 

Wir verurteilen die Repression gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung durch den deutschen Staat und lehnen ihre Diffamierung als „antisemitisch“ ab. Wir prangern die inhumanen und rassistischen Einschüchterungs- und Repressionsmaßnahmen an, die auf die Verschärfung und Aushöhlung des Asylrechts abzielen, darunter der (angedrohten) Ausweisung und Abschiebung von Aktivisten, der Blockade von Einwanderungs- und Aufenhaltsprozessen, der skandalöse Diskurs über Entzug der Staatsbürgerschaft von Doppelstaatlern. 

Wir wenden uns gegen eine Gleichsetzung von Israel mit Jüdinnen und Juden.

Wir lehnen die undemokratische Konstruktion einer „Staatsräson“ ab, die uns „eine bedingungslose Solidarität“ mit Kriegsverbrechen aufzwingen soll. 

Wir lehnen die Kriminalisierung jeglichen Widerstandes gegen die Besatzung, sowohl auf internationaler wie auf europäischer Ebene, insbesondere in Deutschland ab. 

Die Kriminalisierung des palästinensischen Widerstandes befördert antimuslimischen Rassismus und unterdrückt den Diskurs um Friedenslösungen, indem Scheindebatten und Sündenböcke konstruiert werden.

 Wir verurteilen den rassistischen Generalverdacht gegen migrantische und muslimische Teile der Bevölkerung. Wir lassen uns nicht spalten.

Wir lehnen die massiven Einschränkungen unserer demokratischen Grundrechte, insbesondere der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ab und rufen alle auf, sich gegen diese Angriffe zu wehren.

 * In Anbetracht dieser Lage lassen das Völkerrecht (UN-Völkermordkonvention von 1948) sowie die Aussagen des ehemaligen Direktors des Hohen Kommissars für Menschenrechte, Craig Mokhiber “keinen Raum für Zweifel”.

Frankfurt, den 5. Dezember 2023

Unterzeichnende Organisationen und Einzelpersonen 

AAPRP Germany (All African People’s Revolutionary Party)

Black Power Frankfurt

Didf Frankfurt a.M.

DKP Frankfurt a.M.

Egyptian diaspora resists

Egyptian Revolutionary Socialists الاشتراكيون- الثوريون

Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost

Kommunistische Organisation (KO)

Migrantifa Rhein-Main

Palästina e.V.

Palästina-Forum Nahost Frankfurt

Palästinensische Gemeinde Hessen

Revolutionäre Linke 

Saadet Sönmez MdL

SDAJ Frankfurt a.M.

SDS Frankfurt a.M.

Studis gegen rechte Hetze 

Young Struggle Frankfurt a.M.

Zora 

23er Bewegung

Unterstützer:

Kifah كفاح

PPDS Europe

Tunisian Youth Movement in Germany

Tamurt, Tamghart & Tasghart

Migrantifa Köln

Wer gegen die Staatsräson verstößt, wird verboten!

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Zur Begründung, Form und politischem Kontext des Verbots von Samidoun

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  • Samidoun wurde verboten, weil es eine Position vertreten hat, die der Regierung nicht gepasst hat
  • Das Verbot ist ein Akt der Exekutive und dient der vereinfachten Repression gegen Demos
  • Das Verbot basiert auf Lügen und soll Widerstand gegen Besatzung und Kolonialismus kriminalisieren und einschüchtern
  • Es ist ein Warnruf an alle Demokraten, sich gemeinsam gegen die Aussetzung demokratischer Grundrechte zu wehren

Das Bundesinnenministerium hat per Erlass ein Betätigungsverbot gegen die Hamas und ein Betätigungsverbot für Samidoun sowie ein Verbot von Samidoun Deutschland verhängt.

Zur Begründung des Verbots

Die Verbote basieren auf Lügen und unhaltbaren Behauptungen. Bundesinnenministerin Faeser (SPD) hatte behauptet: „Samidoun verbreitete als internationales Netzwerk unter dem Deckmantel einer ‚Solidaritätsorganisation‘ für Gefangene in verschiedenen Ländern israel- und judenfeindliche Propaganda.“[1] Samidoun ist nicht antisemitisch, hat nie judenfeindliche Propaganda betrieben und das steht auch völlig außer Zweifel. Die Bundesregierung kann ihre Behauptung auch nicht belegen und beweisen. Die Bundesregierung muss deshalb Aktionen und Positionen von Samidoun als antisemitisch umdefinieren und kann dies nur, indem sie eine Umdefinition von Antisemitismus vornimmt. Sie muss Jüdinnen und Juden mit dem zionistischen Besatzungsregime gleichsetzen und dann jede Kritik oder jeden Kampf gegen dieses Besatzungsregime als einen angeblichen Kampf gegen Juden umdefinieren, was nicht nur eine Lüge ist, sondern selbst antisemitisch ist.

Entpolitisierung und Verleumdung des gerechten Widerstands

Samidoun hatte eine Aktion, die die Operation des palästinensischen Widerstands vom 7. Oktober begrüßt, veröffentlicht. Bei dieser Aktion wurden Baklava an Passanten verteilt – eine übliche Geste, um eine erfolgreiche Aktion des Volkswiderstands zu begrüßen. Die Bundesregierung und die Medien in Deutschland behaupten, damit sei das Töten von Zivilisten gefeiert worden. Das ist eine Verdrehung der Tatsachen und eine Entpolitisierung. Es handelte sich um eine eindeutig politische Willensbekundung, die sich auf die Seite des palästinensischen Widerstands gegen Besatzung, Blockade und Vertreibung stellt.

Erstens hat das palästinensische Volk das Recht auf bewaffneten Widerstand gegen Besatzung, zweitens ist völlig unklar, wieviele Zivilisten umgekommen sind, wer davon als Zivilist betrachtet werden kann und durch welche Seite getötet wurde. Es gibt zahlreiche Berichte, die Anhaltspunkte dafür liefern, dass die israelische Armee für den Tod zahlreicher eigener Bürger verantwortlich ist, um zu verhindern, dass Gefangene genommen werden können. Bei vielen Berichten stellte sich außerdem schnell heraus, dass es sich schlicht und ergreifend um Kriegslügen handelt.[2]

Während die Bundesregierung ganz selbstverständlich tausende zivile Opfer durch die Bombardierungen eines Besatzungsregimes als Kollateralschäden akzeptiert, wird das für die Aktionen des Widerstands gegen dieses Regime nicht getan. Das ist aus Sicht des Klassenstandpunkts der Bundesregierung logisch und ersichtlich, denn für sie ist die Gewalt des Besatzers legitim und nicht die des Unterdrückten.

Wichtig ist zunächst, dass der politische Ausdruck, sich auf die Seite des Widerstands zu stellen und die unbestritten historisch bedeutsame Aktion zu begrüßen, nur mit böswilliger Absicht als Begrüßung der Tötung von Zivilisten umdefiniert werden kann.

Eine noch böswilligere und unhaltbarere Unterstellung der Bundesregierung ist, dass es sich dabei um Antisemitismus handeln würde. Erstens hat die Aktion des Widerstands nicht das Töten von Juden zum Ziel, sondern die militärische und politische Schwächung der Besatzungsmacht und ihrer bewaffneten Organe. Zweitens hat die Aktion, die Samidoun veröffentlicht hat, mit der Begrüßung der Operation vom 7. Oktober nicht die Tötung von Zivilisten und nicht die Tötung von Juden begrüßt, sondern einen erfolgreichen Aufstand gegen die andauernde Vertreibung der Palästinenser. Mit der Verdrehung der Tatsachen will die Bundesregierung nicht nur das Verbot legitimieren, sondern insgesamt alle Stimmen, die sich gegen Besatzung und Vertreibung richten, mit einer ungeheuerlichen Unterstellung zum Schweigen bringen und einschüchtern – der Unterstellung, man wolle Menschen töten, weil sie Juden sind.

Wer handelt im Sinne der Völkerverständigung?

Eine weitere absurde Behauptung ist, dass Samidoun sich gegen die Völkerverständigung wenden würde.[3] Das ist ein Begriff, der im Vereinsgesetz benannt wird, um ein Verbot eines Vereins legitimieren zu können – und das ist auch der einzige Grund, warum die Bundesregierung dies anführt. Denn politisch inhaltlich ist diese Behauptung absurd und das Gegenteil richtig. Samidoun ist eine internationale Organisation zur Unterstützung palästinensischer Gefangener. Wie kann ein Kampf gegen Besatzung, Vertreibung und politische Unterdrückung gegen die Völkerverständigung gerichtet sein? Das kann man nur behaupten, wenn man sich selbst auf die Seite des Besatzers und Vertreibers stellt und behauptet, seine Verbrechen seien legitim und jeder Kampf dagegen illegitim. Das mag die Position der deutschen Regierung sein – sie steht damit aber im vollen Gegensatz zum Völkerrecht, zu UN-Resolutionen und zu den einfachsten Tatsachen. Die Unterstützung eines Besatzungsregimes und seiner Verbrechen ist gegen die Völkerverständigung gerichtet, nicht der Kampf dagegen. Das Besatzungs- und Apartheidsregime, das als Instrument des US-Imperialismus dient, ist Ausgangspunkt ständiger Kriegsdrohung und Spannung in der Region – und genau dafür wurde es auch installiert. Der Kampf gegen dieses Regime ist ein Kampf für Völkerverständigung.

Eine weitere Behauptung des Verbots ist, dass Samidoun Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele rechtfertige.[4] Das ist zum einen eine Lüge, denn Samidoun hat nie dazu aufgerufen, in Deutschland seine Ziele mit Gewalt durchsetzen zu wollen. Dass es den bewaffneten Widerstand der Palästinenser gegen die Besatzungsmacht unterstützt, ist nicht nur völkerrechtlich gestützt – es ist die Unterstützung einer gerechtfertigten Gewalt des Besetzten gegen die Gewalt des Besatzers. Dessen Gewalt wiederum ist durch nichts zu rechtfertigen – das mag die Bundesregierung anders sehen und sich damit international isolieren, das ändert nichts daran, dass es keinerlei Rechtfertigung für die Gewalt eines Besatzungsregimes gibt, außer niedere Gründe.

Unabhängig davon ist es heuchlerisch und politisch verdummend, zu behaupten, Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele sei nie gerechtfertigt. Die NATO und die BRD benutzen permanent Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele, die darüber hinaus nicht nur gegen Völkerrecht verstoßen, sondern einzig und allein den Macht- und Geldinteressen des deutschen Kapitals dienen. Gewalt ist normaler Bestandteil des Klassenkampfs und die Gewalt der Unterdrückten ist nicht nur notwendig und legitim, weil sie gerechten Interessen entspricht, sondern auch weil ihre Anwendung durch die Gewalt der Herrschenden aufgezwungen ist. Die Verleumdung und Anschuldigung, Gewalt nutzen zu wollen oder zu verherrlichen, wird von denjenigen aufgestellt, die permanent Gewalt anwenden und zwar um eigennützige und gegen die Mehrheit gerichtete Ziele zu erreichen.

Eine weitere falsche Behauptung ist, Samidoun sei ein Ableger der PFLP, die als Terrororganisation in der EU gelistet ist. Samidoun ist eine unabhängige Organisation, die strömungsübergreifend für Gefangene eintritt. Die Bundesregierung kann auch keinerlei Belege für ihre Behauptung anführen, deshalb greift sie zum willkürlichen Instrument des Vereinsverbots. Abgesehen davon ist auch die Kriminalisierung der PFLP zu kritisieren und abzulehnen.

„From the River to the Sea“

Das Verbot ist an einer Stelle besonders dreist. Es listet den Satz „Vom Fluss bis zum Meer“ einfach in der Liste der verbotenen Kennzeichen auf bzw. als eigene Aufzählung darunter. Die Bundesregierung versucht, über einen Erlass eine massive Einschränkung der Meinungsfreiheit durchzusetzen, die bisher von Gerichten in keinem einzigen Urteil vorgenommen wurde – trotz aller Versuche einiger Staatsanwaltschaften. In der Verfügung selbst wird keinerlei Begründung angeführt. Auch in der Verbotsverfügung gegen die Hamas wird diese Parole angeführt.

Dieser Verbotsversuch einer Parole ist in zweierlei Hinsicht lächerlich. Zum einen wird damit behauptet, die Parole sei ein Kennzeichen einer Organisation. Das ist absurd, weil es sich um eine Parole handelt, die von den verschiedensten Organisationen des palästinensischen Widerstands benutzt wird und die völlig unabhängig von Organisationen ein Ausdruck des Volkswiderstands der Palästinenser ist. Zum zweiten sagt diese Parole aus, dass es ein freies Palästina vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer geben soll – ein Land ohne Besatzung, ohne Apartheid und ohne Siedler, ohne Landraub, ohne Unterdrückung und Vertreibung. Wenn das Besatzungsregime dafür steht, wie es offensichtlich die Bundesregierung selbst annimmt, dann ist es nur logisch im Sinne der Völkerverständigung, sich gegen dieses Regime zu wenden und seine Beseitigung zu fordern. Die Behauptung, diese Parole sei antisemitisch, ist eine infame Diffamierung, denn sie wurde stets als Losung für ein freies Palästina benutzt, in dem selbstverständlich, wie auch bereits in den Zeiten vor der Besatzung, Juden, Muslime und Christen friedlich zusammenleben.

Im öffentlichen Diskurs bzw. in der Hetze von Regierung und Medien wird gesagt, dieser Slogan stelle das „Existenzrecht Israels“ in Frage. Tatsächlich geht es aber um die Existenz Palästinas und der Rechte der Palästinenser. Wer heute von einem „Existenzrecht Israels“ redet, meint die Existenz der Besatzung Palästinas – diese bekämpft real und seit Jahrzehnten die Existenz der palästinensischen Nation. Netanyahu selbst hat dies politisch offen verkündet und vor der Weltöffentlichkeit der UN-Versammlung vertreten, indem er eine Karte hochhielt, auf der vom Fluss bis zum Meer nur Israel existierte.[5]

Das ist auch die heutige Realität – vom Fluss bis zum Meer herrschen Besatzung, Vertreibung und Apartheid. Dass die Bundesregierung diesen Zustand begrüßt und aufrecht erhalten will, ist bekannt und zu kritisieren. Was als demokratische Öffentlichkeit mindestens zu fordern ist: Auch andere und gegenteilige Positionen wie die der Bundesregierung müssen artikuliert und öffentlich diskutiert werden können! Hier zeigt sich der ganze reaktionäre Charakter der sogenannten Staatsräson, die den Willen der Regierung über Gesetz und Gesellschaft stellen will und als Instrument zur Unterdrückung oppositioneller Positionen benutzt wird.

Das Verbot wird mit der angeblichen Nähe oder Verbindung zu anderen verbotenen Organisationen begründet. Dies ist eine typische Vorgehensweise der Repressionsorgane. Man wiederholt ständig die Behauptung der Verbindung zu einer verbotenen Organisation, um dies dann als Tatsache zu behandeln und ein Verbot zu verhängen. Dieses manipulative Verhalten muss durchbrochen werden.[6]

Zur Form des Verbots

Das Verbot ist ein Erlass des Bundesinnenministeriums. Es ist damit ein Akt der Exekutive. Er dient vor allem dazu, der Polizei mehr Repressionsmittel in die Hand zu geben und mit Verweis auf das Verbot Demonstrationen verbieten oder mit Auflagen versehen zu können. Das gilt insbesondere für den Versuch, den Slogan „Vom Fluss bis zum Meer“ zu verbieten. Das Verbot dient der Einschüchterung, weil damit weite Kreise der Palästina-Solidarität kriminalisiert werden können und das Damoklesschwert des Verbots und der Repression durch Hausdurchsuchungen, Festnahmen, etc. über der Solidaritätsbewegung schwebt.

Das Verbot und die damit einhergehende Medienkampagne sollen Angst und Schrecken verbreiten. Insbesondere durch die Diffamierung als antisemitisch werden Menschen eingeschüchtert. Denn im Gegensatz zur Bundesregierung, die den Vorwurf verleumderisch als Waffe zur Erreichung ihrer niederen Ziele einsetzt, nehmen die meisten normalen Menschen diesen Vorwurf ernst. Die bayerische Staatsanwaltschaft hat direkt mit der Verfügung ein Verbot des Slogans „From the River to the Sea“ verhängt und dies mit der Verwendung von SS-Zeichen oder dem Hakenkreuz gleichgesetzt. Damit wird die Parole eines gegen eine international angeprangerte Besatzung gerichteten Befreiungskampfs mit dem Nazi-Regime gleichgestellt – eine erneute Relativierung und Verharmlosung des Faschismus.[7]

Das Ziel des Verbots

Das ist das unmittelbare Ziel des Verbots: Eine gesellschaftliche Bewegung für die Freiheit Palästinas zu bekämpfen, zu bremsen, einzuschüchtern und zu isolieren. Im Rahmen der Repressionsorgane ist dieses Verbot ein willkürliches Instrument.

Das Verbot dient außerdem dazu, Strukturen zu zerschlagen. Es geht also nicht nur darum, dass mit den Kennzeichen nicht mehr öffentlich aufgetreten werden darf, sondern die materielle Grundlage der Vereinigung soll zerstört werden. Damit geht das Verbot sehr weit, da es nicht nur um den Ausschluss der Organisation aus dem öffentlichen Leben geht, sondern um die Vernichtung ihrer Existenz überhaupt. Dieser massive Eingriff wurde bereits mit dem KPD-Verbot 1956 extrem durchgesetzt, als alle Strukturen und das Vermögen der KPD konfisziert und beschlagnahmt wurden. Wir müssen uns bewusst machen, dass dies keineswegs selbstverständlich Teil einer bürgerlichen Demokratie ist.

Eine weitere Funktion des Verbots ist, alle, die sich gegen das Verbot wenden oder die ähnliche Positionen wie die verbotene Organisation vertreten, zu kriminalisieren und ebenfalls in die Gefahr des Verbots oder der Verfolgung zu bringen. Es hat somit eine große Ausstrahlungskraft über die Organisation selbst hinaus. Auch hier ist das KPD-Verbot ein Beispiel exzessiver Repression – es genügte, sich öffentlich gegen das KPD-Verbot auszusprechen, um selbst angeklagt und eingeknastet zu werden.

Das Verbot zeigt die Beschränktheit der Vereinigungsfreiheit in der Bundesrepublik. Das Vereinsgesetz besteht fast nur aus Vorschriften darüber, wie ein Verein verboten werden kann. Das mag „rechtsstaatlich“ erscheinen, weil es eine willkürliche Praxis scheinbar verhindert. Das Gegenteil ist aber der Fall. Auch wenn die Vereinigungsfreiheit nach dem Grundgesetz besteht, zeigt das Verbot, dass es dem Staat sehr einfach gemacht wird, dieses Grundrecht auszuhebeln. Denn es genügt, wenn eine Behörde ein Verbot anordnet. Es kann dagegen geklagt werden, allerdings in einem aufwändigen Verfahren, das zunächst nichts an dem Verbot und der Zerschlagung ändert.

Das Verbot ist aufgrund seiner herbeigebogenen und -gelogenen Begründung ein extremes Beispiel für Willkür. Die massive Medienkampagne, die die Regierung parallel zum Verbot orchestriert hatte, ist ein Indiz für die Schwäche der Begründung und ein Zeichen für den willkürlichen Charakter. Denn wenn mit einer Lügenkampagne ein Verbot begleitet werden muss, ist dies offensichtlich mehr als fragwürdig.

Zugleich ist das Verbot ein Auftakt für weitere Gesetzesverschärfungen. Der von der CDU eingebrachte Entwurf soll die „Leugnung des Existenzrecht Israels“ strafbar machen, sowie den Paragrafen 129 in dem Sinne verschärfen, dass auch „Sympathisanten“ einer verbotenen Organisation bestraft werden können. Das wäre eine massive Ausweitung der Gesinnungsjustiz und Einschränkung der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit.

Das Verbot dient der Spaltung der Palästina-Soli-Bewegung. Die Teile der Soli-Bewegung, die klare Positionen vertreten und sich nicht dem Bekenntnis- und Distanzierungszwang der Regierung unterordnen, sollen isoliert werden. Die Soli-Bewegung soll in eine scheinbar legale und eine kriminelle gespalten werden. Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass man durch politische Zugeständnisse, durch Distanzierungen, Verurteilungen, etc. mit weniger Repression rechnen könnte. Die Erfahrungen der letzten Wochen zeigen, dass die Zensur-Willkür der Polizei keine Grenzen kennt. Auch im öffentlichen politischen Diskurs wird man immer weiter verlieren, wenn man die Logik der Bundesregierung, das Besatzungsregime sei im absoluten Recht und der Widerstand nicht legitim, nicht angreift.

Gegen wen richtet sich das Verbot?

Es richtet sich gegen linke und antiimperialistische Kräfte und die palästinasolidarische Bewegung insgesamt. Es richtet sich aber auch gegen alle demokratischen Orgnisationen und Menschen, die ihre demokratischen Rechte wahrnehmen wollen. Mit seiner gesinnungsorientierten Repression setzt es eine Entwicklung fort, die im letzten Jahr gegen Gegner der NATO-Aggression gegen Russland begonnen hatte. Seit längerer Zeit richtete sich die staatliche Repression nicht „nur“ gegen „gewaltbereite“ Aktionen oder Strukturen, sondern gegen politische Positionen, die denen der Bundesregierung widersprachen. Dies war bereits eine deutliche Verschärfung und Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die wiederum auf der Entwicklung während der Corona-Pandemie fußte. Es handelt sich um reine Gesinnungs-Bestrafung: Es können keinerlei Straftaten nachgewiesen werden, der Grund für das Verbot liegt einzig und allein darin, dass man Positionen vertritt, die der Bundesregierung nicht passen!

Mit den jetzigen Verboten und Repressalien sollen Linke und Kriegsgegner eingeschüchtert und isoliert werden. Sie richten sich im ersten Schritt gegen eine junge Generation palästinensischer Aktivisten, die mutig und offensiv auftreten und Teil einer großen Community sind. Sie spiegeln die Entwicklung des palästinensischen Widerstands wider, der geeinter und handlungsfähiger ist als in den Jahren zuvor. Diese Bewegung hat der Staat bereits seit längerem im Visier und kriminalisierte sie außergewöhnlich hart, darunter insbesondere Samidoun und insbesondere in Berlin.

Zusammenhang mit Kriegskurs

Der Staat will verhindern, dass diese Bewegung sich vereinigt mit der Mehrheit der Gesellschaft, die keineswegs auf der Seite Israels steht, wie es die Herrschenden gerne hätten. Dabei geht es nicht nur konkret um Palästina, sondern um die Durchsetzung eines offenen Kriegskurses. Die offene Unterstützung des Völkermords Israels im Gazastreifen ist eine gezielte Verschärfung der Kriegspolitik, die die BRD vorantreibt und die keineswegs auf dieses Beispiel oder das der Ukraine beschränkt bleiben soll.

Im Fall des Ukrainekriegs konnten vermutlich relativ große Teile der mit dem Kriegskurs der Bundesregierung nicht einverstandenen Bevölkerung entweder neutralisiert und in Passivität gedrängt werden oder von Rechten Kräften wie der AfD in für die Herrschenden ungefährliche Bahnen gelenkt werden. Im Fall des Völkermords in Gaza ist das weniger einfach, da keine Kraft vorhanden ist, die die Opposition gegen diesen Kriegskurs der BRD absorbieren könnte – unter anderem, weil die Linkspartei (und auch die zukünftige Wagenknecht-Partei) sich größtenteils in die Reihen der Kriegsunterstützer eingereiht haben, die AfD in ihrem Rassismus gegen alles Arabische und Muslimische fest an der Seite Israels steht und damit gar keine andere Option darstellen könnte.

Daher ist Repression und eine kaum vergleichbare mediale Hetzkampagne notwendig, um Menschen abzuschrecken, von ihrem demokratischen Recht auf Protest Gebrauch zu machen.

BRD mit extremer Position

Das Verbot ist ein Teilelement einer massiven Rhetorik und extremen politischen Position der BRD. Sogar im Verhältnis zu anderen westlichen Staaten ist die innenpolitische Repression und Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzigartig. Auch im Bereich der Kunst und Kultur ist die Hetze und Hexenjagd in Deutschland herausragend. Während sogar die Innenministerin der absolut prozionistischen britischen Regierung zurücktreten musste, weil sie Repressalien gegen pro-palästinensische Demos gefordert hatte, müsste in Deutschland die Innenministerin wohl eher zurücktreten, wenn sie diese nicht massiv umsetzen würde. Die Bundesrepublik verhindert auf EU-Ebene auch nur geringe Zugeständnisse an Humanität und Völkerrecht. Wir müssen uns also die Frage stellen, was die Gründe dafür sind, dass die BRD als einer der krassesten Völkermord-Komplizen und Kriegstreiber auftritt.

Diese Frage soll hier nicht beantwortet werden, sondern zunächst aufgezeigt werden, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang dieser extrem aggressiven Position der BRD und der Aufrüstungspolitik gibt. Während die Außenministerin durch die Blume klar macht, dass man beim Kampf gegen „Terroristen“ keine Rücksicht auf Zivilisten nehmen könne – früher hätte man gesagt, den Partisanen müsse eben die Luft entzogen werden, von der sie leben, und das ist die Unterstützung des Volks – verkündet der Verteidigungsminister, Deutschland müsse kriegstüchtig werden und legt dabei die Betonung auf tüchtig. Die entsprechenden verteidigungspolitischen Richtlinien kündigen die weitere massive Aufrüstung an. Wichtig ist hier aber die politische Dimension: Die BRD plant offenkundig größere Kriegseinsätze und dafür muss noch sehr viel geleistet werden und zwar nicht nur auf der materiellen Aufrüstung, sondern vielleicht sogar insbesondere bei der geistigen und ideologischen Mobilmachung. Die Deutschen wollen bisher nicht recht zur Kriegsbegeisterung taugen – trotz aller medialer Kampagnen.

Damit soll hier vorerst nur der politische Hintergrund der Verbote skizziert werden, den zu verstehen notwendig ist, um das unmittelbare Ereignis des Verbots in seiner politischen Zielsetzung besser zu verstehen.

Die Politik der Bundesregierung kann nur durch Lügen und Verdrehung der Tatsachen durchgesetzt werden. Indem das Besatzungsregime Israels mit Jüdinnen und Juden gleichgesetzt und somit der Kampf gegen dieses verbrecherische Regime als antisemitisch erklärt wird, soll die Unterstützung der offenkundigen Kriegsverbrechen gerechtfertigt erscheinen. Nur indem permanent und vollständig negiert wird, dass es sich um eine seit Jahrzehnten andauernde Besatzung handelt, kann dieses Lügenkonstrukt aufrecht erhalten bleiben. Dem muss aus demokratischer Sicht entgegengestellt werden: Bewaffneter Widerstand gegen Besatzung ist gerechtfertigt, seine Kriminalisierung und Verfolgung muss gestoppt werden. Nicht der Widerstand gegen Besatzung ist ein Verbrechen, sondern die Besatzung selbst!

Fazit

Die Verbote sowie die anderen massiven Einschränkungen der demokratischen Grundrechte müssen von allen fortschrittlichen Kräften als solche angeprangert und bekämpft werden – unabhängig davon, welche politische Position man im Einzelnen für richtig oder falsch hält. Das Wichtigste, was alle durchbrechen müssen, ist die Methode der Bundesregierung, unliebsame Positionen zu diffamieren, zu verleumden und schließlich zu verbieten. Einigkeit aller Demokraten muss darin bestehen, dass Positionen artikulierbar und diskutierbar sein müssen – auch und gerade, wenn sie sich frontal gegen die der Regierung stellen!

Aktuell stehen von der Arbeiterbewegung und anderen fortschrittlichen Bewegungen hart erkämpfte Grundrechte zur Disposition bzw. werden bereits ausgesetzt und auf längere Zeit ausgeschaltet. Das zeigt uns, keine Illusion in die bürgerliche Demokratie haben zu dürfen, in dem Sinne, dass dann von den Herrschenden unsere Grundrechte gewahrt sein würden. Es zeigt, dass insbesondere im deutschen Staat antidemokratische Elemente eingebaut und historisch tief verankert sind. Es zeigt uns gerade deshalb, dass der Kampf um die demokratischen Rechte ein politisch zentraler Kampf ist. Er muss zugleich gegen die Kriegspolitik gerichtet sein. In diesem Sinne hängen Frieden und Demokratie tatsächlich zusammen – oder anders herum gesagt: Die Bekämpfung demokratischer Rechte durch die Bundesregierung hängt mit ihrer Kriegspolitik zusammen.

Weg mit dem Verbot von Samidoun!

Nieder mit der Besatzung Palästinas! Für ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer!

Kämpfen wir für unsere demokratischen Rechte und für unsere internationale Solidarität gegen Kolonialismus, Unterdrückung und Repression!


[1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/11/vereinsverbot-hamas-samidoun.html

[2] https://www.jungewelt.de/artikel/460893.gaza-krieg-verbrechen-noch-dämonisiert.html?sstr=Zivilisten%7CIsrael%7Cunklar

https://new.thecradle.co/articles/israeli-apache-helicopters-killed-own-soldiers-civilians-on-7-october-report
https://www.haaretz.com/israel-news/2023-11-18/ty-article/.premium/israeli-security-establishment-hamas-likely-didnt-have-prior-knowledge-of-nova-festival/0000018b-e2ee-d168-a3ef-f7fe8ca20000

[3] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/11/vereinsverbot-hamas-samidoun.html

[4] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/11/vereinsverbot-hamas-samidoun.html

[5] In Israel ist es üblich, Karten eines Groß-Israel zu verbreiten, die sogar Teile oder ganz Jordanien umschließen, den Sinai, Teile Syriens etc.

[6] Siehe hierzu auch: https://kommunistische-organisation.de/artikel/repression-gegen-palaestina-solidaritaet-interview-mit-zaid-abdulnasser/

[7] Diese weitreichende Kriminalisierung ist sogar aufmerksamen Beobachtern aus dem bürgerlichen Spektrum aufgefallen – siehe X-Post von Deutschlandfunk-Redakteur Stephan Detjen vom 11. November 2023

Repression gegen Palästina-Solidarität – Interview mit Zaid Abdulnasser

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Wir veröffentlichen das vollständige Interview mit Zaid Abdulnasser, ehemaliges Mitglied von Samidoun in Deutschland. „Samidoun – Palestinian Prisoner Solidarity Network“ ist eine internationale Organisation, die sich für die Belange palästinensischer Gefangener einsetzt. Sie ist Teil der internationalen Bewegung Masar Badil. Am 2. November wurde Samidoun vom Innenministerium in Deutschland verboten. Gleichzeitig sind Demonstrationen und Kundgebungen in Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand und gegen den Völkermord Israels in Gaza heftigen Repressionen ausgesetzt. Aktivisten ohne deutsche Staatsangehörigkeit werden, auf Grund ihrer politischen Meinung und Arbeit mit Abschiebung bedroht. 

In diesem Interview gibt Zaid einen umfassenden Überblick über die Positionen und die Geschichte von Samidoun, die aktuellen massiven Repressionen gegen pro-palästinensische Solidarität und die Aushöhlung demokratischer Grundrechte durch den deutschen Staat. Zaid erklärt die Notwendigkeit, angesichts dieser massiven Repression an der Grundposition des Kampfes für die nationale Befreiung Palästinas festzuhalten. Er entlarvt den Rassismus gegen Araber und Muslime und die offene Unterstützung Deutschlands für die Besatzung.

Das Interview wurde am 12. November aufgenommen.

https://www.youtube.com/watch?v=5P-wq8Oc328

Schriftliche Version des Interviews

Schriftliche Version des Interviews

Also erst mal zu den Vorwürfen bezüglich PFLP, Hamas: Samidoun wurde als Arm der PFLF bezeichnet, als Arm der Hamas bezeichnet, als Arm des Islamischen Jihad bezeichnet, als Arm des Irans bezeichnet. Das ist eine typische Taktik, besonders in westlichen Ländern. Es wird versucht, eine Gruppe, die politische Arbeit zum Thema Palästina leistet, mit einer verbotenen Organisation zu verbinden, um sie auch zu verbieten. Und wenn diese Verbindung nicht besteht, dann wird sie hergestellt, indem sie diese Vorwürfe immer wieder wiederholen, bis sie greifbar genug sind, sodass sie es als Ausrede benutzen können. Aber wenn es tatsächlich Verbindungen zwischen Samidoun und irgendwelchen Fraktionen gäbe, dann hätten sie §129b benutzt. Es gibt doch ein Gesetz für diese Fälle. Das haben sie aber nicht. Weil sie es nicht nutzen können, weil diese Verbindungen überhaupt nicht bestehen. Wir begrüßen natürlich alle Widerstandskräfte Palästinas, aber Samidoun ist kein Teil irgendwelcher palästinensischen Fraktionen. Es ist eine selbstständige Organisation von Aktivisten, die weltweit für die palästinensischen Gefangenen arbeitet. Zum zweiten Teil: Also Samidoun hat natürlich nie zu Gewalt aufgerufen. Ich würde zu nichts aufrufen, was ich selbst nicht mache. Aber was sie hier versuchen zu sagen, ist, dass der palästinensische Widerstand illegitim ist, dass die Unterstützung des Widerstands bereits ein Aufruf zur Gewalt sei. Der palästinensische Widerstand ist legitim. Und das ist er nicht nur, weil wir Palästinenser sind und wir denken, wir müssen uns befreien etc. sondern das ist auch vom internationalen Recht garantiert, besetzte Völker haben das Recht auf bewaffneten Widerstand. Der Staat versucht irgendwie dieses Bild herzustellen, dass der palästinensische Widerstand terroristisch sei, als ob Deutschland, die USA, Großbritannien, Frankreich oder die EU überhaupt in der Lage wären zu bestimmen, wer als terroristisch einzustufen ist. Das sind die Länder, die in den letzten 100 Jahren massenhaft Mord und Tod und Genozid in der ganzen Welt verübt haben. 

Hunderte von Millionen von Menschen sind von diesen Ländern getötet worden. Durch die Weltkriege, durch die kolonialen Aktivitäten dieser Länder. Die Kriege im Irak, in Afghanistan, in Libyen etc…sie haben kein Recht darauf zu sagen, wer terroristisch ist, sie selbst sind die Terroristen. Und der palästinensische Widerstand hat nie auf die Zustimmung dieser westlichen barbarischen Regierungen gewartet. Das palästinensische Volk und die Völker der Welt akzeptieren und unterstützen diesen Widerstand. Sie brauchen die Unterstützung der westlichen Regierungen nicht und das erwarten wir auch nicht.

Diese Forderung, sich von Hamas zu distanzieren. Es gibt zwei unterschiedliche Ausgangspunkte. Aus der Sicht des Staates ist kein Widerstand legitim. Also der deutsche Staat sieht keinen palästinensischen Widerstand. Er sieht nur Terrorismus gegen die Bevölkerung der Siedler im besetzten Palästina. Da kann man nicht wirklich argumentieren, da dort das grundlegende Verständnis dafür fehlt, dass Palästina besetzt ist und Widerstand legitim ist. Andererseits gibt es andere Akteure wie zum Beispiel die deutsche Linke. Die haben dieses Verständnis: Es [Israel] ist eine Kolonie im Nahen Osten, es ist eine Kolonie in der arabischen Welt, die die Interessen der Imperialisten vertritt. Widerstand gegen diese Besatzung ist legitim. Aber sie wünschen sich einen kommunistischen Widerstand, damit sie diesen Widerstand von ihren Sofas aus unterstützen können. Und ich glaube, da gibt es ein enormes Missverständnis, auch eine enorm eurozentristische Ansicht gegenüber Palästina. Palästina ist ein Teil der arabischen Welt und der Islam gehört zur arabischen Welt, gehört zur Gesellschaft und gehört auch zum palästinensischen Befreiungskampf. Zum Beispiel der militante Arm von Hamas, der Al-Qassam-Brigaden heißt. Izz ad-Din al-Qassam ist ein Imam, der 1935 im heutigen Syrien geboren wurde. Er kämpfte gegen die Franzosen, kam dann nach Palästina und hat da die ersten organisierten Zellen gegen die Briten aufgebaut und ist dann in diesem Kampf gestorben. 

Und sein Tod hat die Revolution von 1936 bis 1939 gestartet. Und diese Revolution war so enorm in Palästina, dass es am Ende der Revolution mehr britische Soldaten in Palästina gab als in Indien. Da gab es einen Generalstreik über Monate in Palästina. Zur Rolle des Islams: er organisierte die Leute in den Moscheen. Auch heutzutage spielt der islamische Widerstand eine Führungsrolle im Befreiungskampf. Es gab eine Zeit, in der die PFLP, also die marxistisch-leninistische Widerstandsfraktion oder Fatah, die nationalistische Widerstandsfraktion, den Kampf geführt haben. Heutzutage haben sie eine kleinere Rolle und die islamischen Kräfte sind stärker. Und man muss dann auch verstehen, dass im nationalen Befreiungskampf der Hauptwiderspruch zur Besatzung besteht und andere Widersprüche innerhalb der Bewegung sekundär sind.

Das verstehen auch die marxistisch-leninistischen Fraktionen in Palästina, die PFLP oder DFLP. Sie unterstützen Hamas vollständig. Sie sind Teil des Kampfes in Gaza heutzutage. Sie verteidigen Gaza mit Hamas, mit al Dschihad etc. gegen die Besatzung. Es ist also tatsächlich eine sehr arrogante Vorstellung von Menschen, die zwei Bücher gelesen haben und keine materielle Erfahrung in einer Revolution und im Befreiungskampf haben. Sie denken, sie sind in der Lage, diese Leute, die an der Front kämpfen und ihr Leben für Palästina opfern, zu verurteilen. Also wenn das kein Eurozentrismus ist, dann habe ich keine Ahnung, was das sein soll. Wenn du siehst, dass du mit der Position des Staates 100 % übereinstimmst, dann musst du dich fragen, was mache ich hier falsch? Habe ich was falsch verstanden? Und es ist die Vorstellung des Staates. Insbesondere in Zeiten der Krise, spielt der Staat eine enorme Rolle und die Kriegsmedien spielen eine enorme Rolle für die Emotionalisierung der Gesellschaft, damit plötzlich alles geht. 

Sie können auf einmal alles machen, was sie wollen. Sie haben Demos verboten, sie haben Slogans verboten. Jetzt werden Leute bestraft, weil sie “Kindermörder Israel” sagen, weil sie sagen, dass es einen Genozid in Gaza gibt, weil sie sagen “From the river to the sea – Palestine will be free”. Personen werden auf Demos festgenommen, weil sie Schilder mit diesen Slogans haben. Gleichzeitig, in einem größeren Sinne, wird die Flüchtlingspolitik enorm verschärft. Der Waffenhandel Deutschlands mit der Besatzung hat sich in den letzten Monaten verzehnfacht und die militärische Unterstützung für die Ukraine wird sich nächstes Jahr verdoppeln. Und gleichzeitig sind die Lebensbedingungen in Deutschland schlimmer geworden. Leute können sich nichts mehr leisten etc. Aber in dieser Situation werden die “bösen, barbarischen Palästinenser auf unseren Straßen” zum Feind erklärt. Der Staat macht es immer so. In Zeiten der Krise sucht man sich immer einen Feind und nutzt die Chance, um die Bevölkerung zu emotionalisieren, und dann können sie alles machen, was sie wollen. Es war dasselbe bei 9/11, es war dasselbe vor dem Krieg in Afghanistan, vor dem Krieg im Irak, vor dem Krieg in Libyen. Wenn diese imperialistische Staaten Scheiße bauen wollen, dann fängt es mit den Medien an, der Dämonisierung von bestimmten Teilen der Gesellschaft und anderer Gesellschaften. Das ist typisch und es passiert die ganze Zeit. Wir haben das so oft gesehen. Und nach zehn Jahren denkt man: “Ah, dieser Krieg in Irak war nicht gut”; “Die Unterstützung vom Apartheidregime in Afrika war nicht wirklich gut”; “Dieser Krieg in Afghanistan war nicht gut”; “Was in Libyen passiert ist, ist eigentlich schlimm, aber das wussten wir nicht” etc.. Aber danach wiederholen sie die Muster doch wieder und wieder. Deutschland war immer auf der falschen Seite. Es war auf der falschen Seite mit Südafrika sogar, also Westdeutschland damals. 

Jetzt sind sie die Helden, aber in der Zeit waren sie die Terroristen, die Barbaren, die die Zivilbevölkerung töteten und keine Ahnung was. Das ist historisch, Deutschland lernt nicht aus seiner Geschichte. Wenn es etwas gelernt hätte, dann wären jetzt alle Deutschen auf der Straße, weil Deutschland jetzt aktiv den Genozid in Gaza unterstützt. Dann wäre zum Beispiel Olaf Scholz jetzt in Den Haag. 

Uns wird auch vorgeworfen, dass wir das friedliche Zusammenleben der Völker in Deutschland gefährden würden. Wir sagen: Deutschland und der deutsche Staat gefährden das friedliche Zusammenleben in Deutschland. Weil dieser Staat in den letzten Monaten Millionen von Menschen, Millionen von Palästinenser, Araber, Türken, Kurden, auch Deutsche entfremdet und ihnen extreme Gewalt angetan hat, mit Demoverboten, physischer Gewalt und Angriffen der Bullen auf friedliche Demonstrationen. Diese Leute fühlen sich nicht mehr sicher. Und es sind Leute, die sich in Deutschland wirklich entfremdet fühlen. Das sehen wir auch in unseren Kreisen. Leute sehen Deutschland jetzt ganz anders. 

Das alles wird unter dem Deckmantel der Bekämpfung des Antisemitismus gemacht. Und das ist auch gefährlich für die Juden in Deutschland. Was sie sagen, ist mehr oder weniger: wenn du sagst, das, was in Gaza passiert, sei ein Genozid, dann bist du Antisemit. Wenn du dich für die Befreiung Palästinas einsetzt, dann bist du Antisemit. Das führt dazu, dass die Besatzung die Juden repräsentiert. Der Genozid in Gaza repräsentiert die Juden und das wird immer und immer wiederholt. Dass irgendwelche Kritik gegenüber dieser Besatzung ein Angriff auf Juden sei. Das wird dazu führen, dass das Leute tatsächlich glauben. Wenn der Staat das die ganze Zeit wiederholt, werden die Leute auch glauben: “Ah, das sind doch die Juden, die den Genozid in Gaza verursacht haben, und das sind Juden, die auch hier wohnen”. 

Das ist gefährlich, das ist extrem gefährlich. Es war Samidoun’s Arbeit und auch die Arbeit von allen Palästinensern, diese Gleichsetzung zwischen den Verbrechen in Palästina und Judentum zu trennen. Wir denken nicht, dass das, was gerade in Gaza passiert, das Judentum in irgendeinem Sinne repräsentiert. Es ist eine Kolonie, eine europäische Kolonie in Palästina, die ganz normal handelt wie alle anderen Kolonien in der Geschichte. Sie sieht das einheimische Volk als Untermenschen, die getötet werden können, die vernichtet werden können, die vertrieben werden können. Das ist typisch für die Kolonialisten, das haben wir in französischen Kolonien gesehen, in belgischen Kolonien gesehen, in deutschen Kolonien gesehen. Alle Kolonien der Welt haben diese Vorstellung und haben auch entsprechend gehandelt. Wir haben ein Problem mit dieser Kolonie und nicht mit Juden oder dem Judentum. 

Und hier ist es extrem geschmacklos, das Wort Vernichtung zu nutzen. Besonders, wenn es von Deutschland kommt. Denn die Vernichtung der Juden ist die deutsche Geschichte. Es war nie die palästinensische Geschichte und wird nie die palästinensische Geschichte sein. Es ist die palästinensische Revolution und der palästinensische Befreiungskampf, der immer diese Gleichsetzung zwischen Judentum und Zionismus abgelehnt hat. Das steht sogar in der Charta von 1967, das in den Flüchtlingslagern in Jordanien geschrieben wurde, von allen Widerstandsfraktionen. Da ist diese klare Trennung zwischen beidem zu lesen. Wenn man sagt, wir wollen die Besatzung zerstören, wir wollen ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer, dann heißt es, wir wollen ein freies Palästina, wo alle zusammen leben können. Das ist die Alternative zur Apartheid, das ist die Alternative zum Kolonialismus, das ist die Alternative zur Vertreibung der Palästinenser. Das ist die Alternative dazu, die Palästinenser wie Untermenschen zu behandeln, zum täglichen Töten, zum Genozid, den wir heute in Gaza sehen und zu den tatsächlichen Vernichtungsversuchen in Gaza. Und nicht weil ich das sage, sondern weil hochrangige israelische Politiker, Minister, Premierminister explizit gesagt haben, dass sie alle Palästinenser in Gaza töten und vernichten wollen. 

Es gab auch dem Vorschlag, eine Atombombe auf Gaza zu schießen- das ist Vernichtung, das sind Vernichtungsideologien und das sind Vernichtungspraktiken, die wir heute sehen. Sie greifen Krankenhäuser an, sie greifen Schulen an, sie greifen Journalisten an, sie greifen alle, jegliche Personen an. Mehr als 10.000 sind getötet, fast 5000 davon sind Kinder. Und man sieht keine Empörung in Deutschland. Was sie natürlich zeigen, sind die Fake News mit 40 getöteten Kindern in den Siedlungen. Das zeigt offensichtlich, dass es nicht um humanitäre Vorstellungen Deutschlands gegenüber der Welt geht. Wegen fake 40 Kinder gab es diese enorme Kampagne gegen alle Palästinenser, Verschärfung der Flüchtlingspolitik, diese Angriffe gegen Demos, alles ging. Aber jetzt gibt es 5000 reale Kinder, die getötet wurden. Wo ist die Empörung? Wo sind die deutschen Politiker, die das nicht akzeptieren? Andersherum: Sie unterstützen den Genozid aktiv. 

Die Zweistaatenlösung ist, was wir gerade haben. Das ist die natürliche Entwicklung des Zweistaatenlösungs-Versuchs. Wir haben Siedlungen überall in der Westbank. Wir haben eine quasi Regierung, die von Kollaborateuren geführt wird und als Werkzeug der Besatzung arbeitet. Wir haben ein belagertes Gaza, das heute vernichtet wird. Das ist die Zweistaatenlösung. Die Leute oder die Organisationen, die zur Zweistaatenlösung aufrufen – es gibt manche, die das aus einem Unverständnis heraus machen und es gibt manche, die wissen, was sie machen, zum Beispiel die USA. Für die USA ist so: Wir halten die Lage im Schwebezustand, sodass keiner irgendwas machen kann und gleichzeitig wird die Besatzung mit ihrer Politik einfach weitermachen und stärker werden. 

Und so weiter und so fort, sie kann alles machen, was sie möchte. Gleichzeitig, wenn die Palästinenser irgendetwas sagen: “warte, ihr gefährdet die Zweistaatenlösung”. Es gibt auch komische Vorstellungen, wo die Arbeiterklasse aus Palästina mit der Arbeiterklasse in Israel zusammenkommen soll, um die Besatzung zu zerschlagen. Das ist einfach Schwachsinn. Die Arbeiter in der Besatzung sind Siedler, die von dieser Besatzung aktiv profitieren. Und diese Besatzung hat als Kernideologie Expansion, Vertreibung, Vernichtung, Tötung etc.. Das ist Kern der Praktiken dieser Besatzung. Zweistaatenlösung ist, noch mal, was wir heute sehen, es gibt keine Lösung für Palästina, ohne diese Besatzung zu zerschlagen. Bezüglich der Vorstellung von Zweistaatenlösung kann man sich die Geschichte angucken. Was ist mit historischen Kolonien passiert. Es gibt entweder die Zukunft, wo Palästina sich wie Algerien von den Franzosen befreit, wie die Leute in Südafrika, die das Apartheidregime zerstört haben, wie die Leute in Vietnam, die die amerikanische Besatzung rausgeschmissen haben. Und danach können dann die Leute in Würde und Gerechtigkeit leben. Und das ist ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer, wo Leute einfach als Gleichberechtigte, egal welcher Religion, in Ruhe und in Frieden zusammen leben können. Die zweite Alternative ist dann, wie die Kolonien von Kanada, von USA, von Australien, von Neuseeland, wo die Kolonialisten die einheimische Bevölkerung vernichten. Das sind die beiden Möglichkeiten. Die erste, wo Leute einfach zusammenleben können, wie vor der Besatzung, und die zweite ist die Vernichtung. Und wenn der deutsche Staat denkt, dass ein friedliches Zusammenleben nicht geht und dass diese Siedler ihr eigenes Land haben müssen, dann können sie ihnen einfach Sachsen zur Verfügung stellen. Sie haben nichts in Palästina zu suchen. 

Also der 7. Oktober war tatsächlich eine Wiedergeburt der modernen palästinensischen Revolution. Er hat gezeigt, dass der palästinensische Widerstand in der Lage ist zu kämpfen, initiativ zu handeln. Mehrere Normalisierungsversuche mit arabischen Staaten wurden komplett gestoppt. Es hat dazu geführt, dass mehrere Fronten gegen die Besatzung und gegen Amerika, in Irak und Jemen und so weiter eröffnet wurden. Es hat das wahre Gesicht der Besatzung in der ganzen Welt gezeigt. Was die Besatzung heute in Gaza macht, der Genozid und Tötung von Kinder und Angriffe auf Krankenhäuser und so weiter und so fort- das sehen die Palästinenser täglich seit 75 Jahren. Die Welt wollte es nicht sehen. Aber heute kann man nicht mehr wegschauen. Es ist zu offensichtlich. Und das ist ein klares Signal für jeden, der sagt, erstmal Zweistaatenlösung. Es geht nicht. Der Widerstand hat auch in der Praxis gezeigt, wie die Belagerung von Gaza gestoppt werden kann. Weil in den 17 Jahren, also seit dem Anfang der Belagerung, gab es mehrere diplomatische und politische Kampagnen, Initiativen und so weiter und so fort, um diese Belagerung zu beenden. Es gab diese “marches of return”, wo Leute aus Gaza zur Mauer gelaufen sind. Hunderte wurden getötet. Tausende wurden verletzt, sie schießen gezielt auf die Knie. Es gibt jetzt eine große Bevölkerungsgruppe, die im Rollstuhl sind. Es gab auch mehrere Angriffe auf Gaza, wo der Widerstand sogar nicht geantwortet hat. Wo die Besatzung ein Attentat in Gaza verübte oder einen Angriff auf irgendwelche Stützpunkte oder irgendwelche Gebäude, wo die denken, da gibt es dies und das, wo hunderte von Leuten auch gestorben sind und der Widerstand hat nichts gemacht. Die 17 Jahren haben gezeigt, dass nichts funktioniert hat. Und die internationale Community und UN und EU und keine Ahnung was und auch die arabischen Länder können diese Belagerung nicht stoppen. 

Der Widerstand hat einen klaren Weg zur Aufhebung dieser Belagerung gezeigt. Der 7. Oktober hat auch wiederum die palästinensische Sache zum Ersten Punkt der geopolitischen Diskussionen gemacht. Man hat sehr schnell gesehen, wie sich imperialistische Länder hinter die Besatzung stellten und dass diese Besatzung tatsächlich eine Kolonie des Westens in der arabischen Welt ist. 

Aber besonders in Deutschland, mit den repressiven Mitteln, die wir gesehen haben. Es war tatsächlich absurd. Es war und ist absurd, was in Deutschland passiert ist. Und es ist auch Teil eines globalen Trends, in dem die westliche Staaten versuchen, mit allen Mitteln die Wahrnehmung der Bevölkerung bezüglich geopolitischer Ereignisse zu kontrollieren. Und das machen sie, indem sie Leute angreifen, Medienartikel nach Medienartikel, wo die Leute sich unsicher fühlen und geärgert werden, und so weiter und so fort. Und dann nutzen sie diese Chance, um Gesetze zu schaffen, die sie dann später auch auf allen anderen Gebieten benutzen können. Deswegen also muss es wirklich ein Alarmsignal für alle Personen in Deutschland sein. Samidoun hat ganz normale politische Arbeit geleistet. Sie haben Demos organisiert, Kundgebungen, alles beim Staat angemeldet, Vorträge. Das war ganz normale politische Arbeit. Aber die politische Linie gefällt dem Staat nicht. Und weil es dem Staat nicht gefällt und weil die Lage sich so entwickelt hat, hat der Staat dann diese Mittel auf den Tisch gebracht, womit sie eigentlich jegliche politische Organisation mehr oder weniger verbieten könnten. Denn es gibt keinen strafrechtlichen Hintergrund dahinter. Es geht nur darum, diese Leute haben etwas gesagt, was wir nicht mögen. Und deswegen werden die Rechte, die ja im Grundgesetz stehen, mit Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und keine Ahnung was, sie werden komplett abgeschafft. 

Ich bekam einen Brief vom BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, wo sie sagten, dass der Staat meinen Aufenthaltstitel entziehen möchte, weil ich Mitglied von Samidoun sei. 

Dieselben Gründe, die wir beim Verbot von Samidoun gesehen haben, wurden auch bei mir benutzt. Also Unterstützung der PFLP, Gefährdung für das Zusammenleben der Völker in Deutschland und der demokratischen Grundordnung. Seit dem letzten Monat gibt es noch zwei weitere Personen, die von Abschiebung bedroht sind. Musaab, der ein politisches Verbot hatte, sein Verbot wurde verlängert bis Ende des Jahres. Er darf an keiner politischen Veranstaltungen teilnehmen, was natürlich absurd ist. Es ist sehr wichtig zu sehen, wie widerwärtig dieser Angriff ist, denn sie greifen palästinensische Flüchtlinge mit ihren Papieren, mit ihrem Aufenthaltsrecht an. Sie wissen, dass diese Leute unsichere Papiere haben. Sie wissen, dass diese Leute prekäre Lebenssituationen haben und sie nutzen das aus, um diese Personen zum Schweigen zu bringen. Sie können diese Personen nicht strafrechtlich verfolgen. Und deswegen nutzen sie dann das Aufenthaltsrecht. Das überschreitet alle Linien des menschlichen Anstands. Zu meinem Fall konkret: Wir haben Widerspruch eingelegt. Wir warten immer noch. In ähnlichen Fällen hatte ein solches Verfahren zwei Phasen. Die erste ist der Entzug des Flüchtlingsstatus. Und das zweite ist dann ein Abschiebeverfahren. Wir werden gucken, wie sich die Lage entwickelt, besonders in dieser Atmosphäre der allgemeinen anti-palästinensischen Repressionen in Deutschland und nach dem Verbot von Samidoun. Also es wird sehr gefährlich. Weil sie damit die politische Legitimität haben, alles zu machen, was sie wollen. 

Es kam also das Verbot von Samidoun und Hamas. Und der große Unterschied in der Rolle und den Strukturen zwischen diesen zwei Organisationen zeigt einfach, wie enorm der Angriff gegen Palästinenser in Deutschland ist. Hamas auf der einen Seite ist eine Massenorganisation, eine militante Organisation, die den Widerstand in Palästina führt. Samidoun andererseits ist eine Gruppe von Aktivisten, die weltweit für die Sache der Gefangenen in Palästina arbeitet. 

Samidoun wurde 2011 gegründet als eine Webseite, auf der die Erklärungen der palästinensischen Gefangenenbewegung übersetzt und veröffentlicht wurden, die davor nur auf Arabisch zu lesen waren. Und diese Arbeit hat sich dann mit der Zeit entwickelt und Samidoun ist jetzt in mehreren Ländern aktiv auf der Straße. Sie machen Demonstrationen, Kundgebungen, Vorträge, und so weiter und so fort, verbinden die Kämpfe der palästinensischen Gefangenen mit internationalen Kämpfen, denn jede Befreiungsbewegung hat Gefangene und jede Befreiungsbewegung hat die Gefangenen als Zentralpunkt ihres Kampfes. Also, das ist Samidoun und heutzutage ist die Arbeit von Samidoun wichtiger denn je. 

Die Lage in den Gefängnissen jetzt ist schlimmer als je davor. Die Anzahl an palästinensischen Gefangenen hat sich verdoppelt. Die Bedingungen in den Gefängnissen. Ihnen wird Wasser abgeschaltet, ihnen wird Strom abgeschaltet, ihre Kleidung, ihre Bücher, alles wird weggenommen. Sie dürfen keine Besuche bekommen, sie dürfen kein Fernsehen schauen, sie dürfen kein Radio hören. Sie sind komplett von der Welt getrennt. Und bis zu diesem Tag sind, wenn ich mich nicht irre, mindestens fünf Personen im Gefängnis durch Folter gestorben. An einem Punkt gab es mehr als 10.000 Gefangene. Jetzt kann man sie nicht genau zählen. Ein Teil der gefangenen Arbeiter von Gaza wurde rausgelassen, ein anderer Teil von ihnen ist immer noch da. Die Zahl wird sich auch erhöhen, weil die Festnahmen in der Westbank extrem hoch sind. Eine genaue Anzahl haben wir nicht. Aber es gibt mehr als 1000 Gefangene, die in Administrativhaft sind. Das ist Haft ohne einen Gerichtsprozess. Dieses Instrument hat die Besatzung von der britischen Besatzung geerbt. Es erlaubt der Besatzung, irgendwelche Personen ohne Grund festzunehmen und im Gefängnis für eine unbegrenzte Zeit zu verhaften. 

Masar Badil ist eine Bewegung, die 2021 gegründet wurde. Samidoun ist Teil dieser Bewegung. Samidoun hat natürlich einen Fokus auf die palästinensischen Gefangenen, aber ist ein Teil eines größeren Projekts. Masar Badil hat zum Hauptziel, die Rolle der palästinensischen Diaspora in der palästinensischen Sache wieder zu gewinnen. Weil besonders nach dem Oslo-Abkommen wurde die palästinensische Diaspora komplett rausgelassen. Und jetzt, wenn wir über Palästinenser reden oder über Palästina, dann heißt das: Westbank und Gaza. Da seien die einzigen Leute, die irgendwas für Palästina machen könnten, alle anderen seien nur solidarisch. In den 70er Jahren war die palästinensische Revolution im Ausland, nicht in Palästina. Und wir glauben, dass die palästinensische Diaspora eine enorme Rolle bei der Befreiung Palästinas zu spielen hat, und wir versuchen, diese Rolle wieder zu stärken. Und das macht man, indem man erstmal die Werkzeuge der palästinensischen Diaspora wieder aufbaut. Es gab mehrere Organisationen, mehrere Gewerkschaften, Studentenorganisationen, etc.. Durch diese haben sich die Palästinenser im Ausland organisiert. Sie wurden nach dem Oslo-Abkommen komplett zerstört. Wir müssen sie erst wieder aufbauen. 

Auch in dieser repressiven Atmosphäre, trotz all der Mittel, die der Staat benutzt hat, gab es Massendemonstrationen in Berlin und in Düsseldorf, und so weiter und so fort. Die Völker der Welt unterstützen Palästina. Gleichzeitig müssen alle politischen Parteien Deutschlands, Olaf Scholz, die Botschafter und keine Ahnung welche Diplomaten alle eine Kundgebung vor dem Brandenburger Tor organisieren und dazu einladen und zehntausende von Euros darin investieren, damit 5000 Personen kommen, um Israel zu unterstützen und die meisten davon sind Parteimitglieder. Es ist offensichtlich, die Völker der Welt unterstützen Palästina. Das sehen wir in den Straßen aller Städte der Welt. Es gibt auch Massendemonstrationen in Afrika, in Mali, es gibt Demonstrationen in Südafrika, in Niger, es gibt Massendemonstrationen in Bangladesch, in Nepal, in Peru. 

Also nicht nur in den USA und Kanada und Frankreich und dem Vereinigten Königreich, usw.  Es gab sogar tatsächlich eine Demo in Katar. Normalerweise gibt es in den Golfstaaten diese Atmosphäre nicht, wo Leute auf die Straße gehen. Aber ich glaube, es ist sehr wichtig, eine klare politische Linie zu haben. Die Befreiung Palästinas vom Fluss bis zum Meer ist nicht verhandelbar. Diese Position darf man strategisch nicht aufgeben. Die Unterstützung des Widerstands ist jetzt wichtiger als in den letzten 30 Jahren. Das heißt, es braucht jetzt diese klare Position: der palästinensische Widerstand ist legitim und der palästinensische Widerstand ist das einzige, was das palästinensische Volk verteidigen kann. Und das sehen wir heute in Gaza. International Community, EU, UN, auch die arabischen Länder können die Palästinenser nicht verteidigen. Es ist nur der palästinensische Widerstand, der die Palästinenser verteidigen kann und wird und der Palästina befreien wird. Es ist extrem wichtig, diese klare politische Position auf die Straße zu tragen und sich nicht einschüchtern zu lassen. 

Die Repression, die wir heute in Deutschland sehen, richtet sich natürlich gegen die gesamte pro-palästinensische Bewegung. Aber insbesondere gegen den Teil der Bewegung, der sehr klar für die Befreiung Palästinas steht und den Widerstand sehr klar unterstützt. Während des Angriffs auf diesen Teil der Bewegung, wird ein anderer Flügel der Bewegung bestärkt. Sie dürfen jetzt zum Beispiel Demos veranstalten, Kundgebungen machen, wo mehrere 1000 Leuten hingehen, aber unter den Bedingungen des Staates. Sie dürfen jetzt nicht mehr “from the river to the sea” sagen, sie dürfen jetzt nicht mehr sagen, dass es einen Genozid in Gaza gibt. Sie dürfen nicht mehr sagen “Kindermörder Israel”. Die Palästinenser, die diese Demos veranstalten, machen dann die Arbeit der Bullen. Sie gehen zu den Demonstranten und zwingen sie dieses und jenes nicht mehr zu sagen, weil man die Demonstration gefährden würde, sie könnte aufgelöst werden. Das ist auch extrem gefährlich. 

Es ist viel wichtiger, 1000 Personen auf der Straße zu haben, die offen und klar sagen: wir sind für die Befreiung Palästinas vom Fluss bis zum Meer, als 10.000 Leute zu haben, die nichts sagen. Besonders in diesem Klima der Repression ist es sehr, sehr wichtig, eine klare Position und klare Unterstützung Palästinas zu zeigen. Man darf keinen einfachen Ausweg suchen, nicht im Angesicht dieser Repression. Weil wenn man sich zurückzieht, wird die Repression noch mehr, wenn man einen Schritt nach hinten geht, wird der Staat mit aller Stärke nach vorne gehen. Man muss unbedingt standhaft bleiben. Man macht auch nichts Falsches. Es ist einfach eine politische Position, die in der ganzen Welt bekannt ist, von allen Völkern auch unterstützt wird. Und das sagt man einfach auf der Straße. Also man begeht keine Strafe, man verursacht keinen Schaden. Man sagt einfach, was man denkt. Und der Staat darf das nicht diktieren. 

Auch während dieser Repression, die wir in Berlin zum Beispiel gesehen haben und besonders auf der Sonnenallee, die Festnahmen und die physischen Angriffe auf Personen, die nichts gemacht haben. Auch im Angesicht des quasi militärischen Gesichts des Staates auf der Straße, wo hunderte und tausende von Bullen 24/7 auf dieser Straße waren. Sie haben jede Person kontrolliert, alles wurde verboten. Jedes Zeichen von Palästina wird als Bedrohung wahrgenommen. Jede Person ist verdächtig. Das hat dazu geführt, dass die Leute das irgendwann nicht mehr akzeptiert haben. Und sie haben dann auf der Straße für ihr Recht gekämpft. Sie haben die Konfrontation mit den Bullen einfach geführt. Sie haben sich verteidigt. Diese Leute wurden wochenlang angegriffen und danach kam ein Tag, an dem sie sich verteidigt haben. 

Die Palästinenser und Araber und auch die Unterstützer der palästinensischen Sache haben auf jeden Fall gezeigt, dass sie viel weiter sind als alle Organisationen, als Samidoun, egal wer. Sie waren bereit, in diese Konfrontation zu gehen und sich selbst zu verteidigen. Also ohne irgendeine politische Führung und ohne irgendwelche Analysen. Für sie ist alles extrem klar und sogar klarer als in vielen Organisationen. Was passiert gerade in Palästina? Besatzung, Genozid, die Befreiung Palästinas ist legitim, Widerstand ist legitim. Was Deutschland macht, geht nicht. Das akzeptieren wir nicht und wir verteidigen uns. 

Nach diesem Tag, das war der 18. Oktober, glaube ich, hat sich der Staat zurückgezogen und hat plötzlich jetzt Demos und Kundgebungen erlaubt. Aber außerhalb der Sonnenallee, außerhalb dieser Straße, wo die extreme Repression stattgefunden hat und diese Konfrontation stattgefunden hat. Sie haben diese Veranstaltungen außerhalb der Straße erlaubt, um erstmal zu sagen: “Hey, wir sind doch nicht repressiv, wir erlauben doch Demos, wir haben Meinungsfreiheit, wir haben Versammlungsfreiheit, aber unter unseren Bedingungen”. Aber gleichzeitig wollen sie verhindern, dass sich das, was am 18. passiert ist, wiederholt. Nicht auf dieser Straße und nicht auf andere Straßen in Deutschland. Weil es funktioniert. Wenn der Staat extrem repressiv ist und die Leute diese Repression nicht akzeptieren, dann muss der Staat sich zurückziehen, sonst geht es nicht. Diese Personen haben nichts Falsches gemacht, sie waren einfach auf der Straße und sie wurden angegriffen. Eine Woche nach der anderen und dann irgendwann hat es gereicht. Und sie haben gesagt: nee, wir bleiben doch auf der Straße. Und wenn die Bullen uns angreifen, dann werden wir uns verteidigen. 

Repression against Palestine solidarity – Interview with Zaid Abdulnasser

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We are publishing the full interview with Zaid Abdulnasser, former member of Samidoun in Germany. „Samidoun – Palestinian Prisoner Solidarity Network“ is an international organization that supports the interests of Palestinian prisoners. It is part of the international movement Masar Badil. On November 2, Samidoun was banned by the Ministry of Interior in Germany. At the same time, demonstrations and rallies in solidarity with the Palestinian resistance and against Israel’s genocide in Gaza are subject to severe repression. Activists without German citizenship are threatened with deportation because of their political opinions and work.

In this interview, Zaid gives a comprehensive overview of the positions and history of Samidoun, the current massive repression against pro-Palestinian solidarity and the erosion of basic democratic rights by the German state. Zaid explains the necessity of sticking to the basic position of the struggle for the national liberation of Palestine in the face of this massive repression. He exposes the racism against Arabs and Muslims and Germany’s open support for the occupation.

The interview was recorded on November 12.

https://www.youtube.com/watch?v=5P-wq8Oc328

Written version of the complete interview

So first of all, the accusations. You know, PFLP, Hamas… Samidoun has been labeled 

an arm of the PFLF, labeled an arm of Hamas, labeled an arm of Islamic Jihad, labeled an arm of Iran. This is a typical tactic, especially in Western countries. A group that is doing political work on the issue of Palestine is sought to be linked to a banned organization in order to ban it. And if this connection does not exist, then they fabricate it by repeating these accusations over and over again until they are tangible enough that they can use it as an excuse. But if there really were links between Samidoun and any factions, then they would have used §129b (Law against terrorist organizations abroad). There is a law for these cases. But they didn’t use it. Because they can’t use it, because these connections don’t exist at all. Of course we appreciate all Palestinian resistance forces, but Samidoun is not part of any Palestinian factions. It is an independent organization of activists working for Palestinian prisoners worldwide. But what they are trying to say here is that the Palestinian resistance is illegitimate, that supporting the resistance is already a call for violence. The Palestinian resistance is legitimate. And it is not only because we are Palestinians and we think we have to liberate ourselves etc., but it is also guaranteed by international law, occupied peoples have the right to armed resistance. The state is somehow trying to create this image that the Palestinian resistance is terrorist, as if Germany or the US or Britain or France or the EU were even in a position to say who is a terrorist. These are the countries that have committed mass murder, death and genocide all over the world in the last 100 years.

Hundreds of millions of people have been killed by these countries. Through the world wars, through the colonial activities of these countries. The wars in Iraq, in Afghanistan, in Libya and so on. You have no right to say who is terrorist, you are the terrorists. And the Palestinian resistance has never waited for the approval of these Western barbaric governments. The Palestinian people and the peoples of the world accept and support this resistance. They do not need the support of Western governments and we do not expect it. 

Concerning this demand to distance oneself from Hamas. There are two different starting points for this. From the point of view of the state, no resistance is legitimate. So the German state sees no Palestinian resistance. It only sees terrorism against the settler population in occupied Palestine. You can’t really argue with that, because there is no basic understanding that Palestine is occupied and that resistance is legitimate. On the other hand, there are other actors, such as the German left. They have this understanding: it is a colony in the Middle East, it is a colony in the Arab world, it represents the interests of the imperialists. Resistance to this occupation is legitimate. But they want a communist resistance so that they can support this resistance from their sofas. And I think there is a huge misunderstanding here, also a hugely Eurocentric view of Palestine. Palestine is part of the Arab world and Islam is part of the Arab world, Islam is part of society and Islam is also part of the Palestinian liberation struggle. 

For example, the militant arm of Hamas, what is it called? Al-Qassam Brigades. Izz ad-Din al-Qassam is an imam. In 1935, he was in Syria. Well, there was no Syria and Palestine, but the Arab region, but he was from what is now Syria and he fought the French. Then he came to Palestine and set up the first the first organized cells against the British and then died in this fight. And his death triggered the revolution from 1936 to 1939.  And this revolution was so enormous in Palestine that by the end of the revolution, there were more British soldiers in Palestine than in India. There was a general strike in Palestine for months. Thus the role of Islam – he was organizing people from within the mosques. Even today, the Islamic resistance plays a leading role in the liberation struggle. There was a time when the PFLP, the Marxist-Leninist resistance faction, or Fatah, the nationalist resistance faction, led the struggle. Nowadays they have a smaller role and the Islamic forces are stronger. And you also have to understand that in the national liberation struggle the main contradiction is with the occupation and there are secondary contradictions within the movement. And the Marxist-Leninist factions in Palestine, the PFLP or DFLP, also understand this. They fully support Hamas. They are part of the struggle in Gaza today. They are defending Gaza with Hamas, with al Jihad etc. against the occupation. So it’s actually a very arrogant notion. People who have read two books and have no material experience in a revolution and liberation struggle. They think they are in a position to condemn these people who are fighting on the frontline and sacrificing their lives for Palestine. So if that’s not Eurocentrism, then I have no idea what is.

If you see that you agree 100% with the position of the state, then you have to ask yourself, what am I doing wrong here? Have I misunderstood something? And it is the understanding of the state. Especially in times of crisis, the state plays an enormous role, and the war media plays an enormous role in emotionalizing society so that suddenly anything goes. They can suddenly do anything they want. They have banned demonstrations, they have banned slogans. Now people are being punished for saying „Israel kills children“, for saying that there is a genocide in Gaza, for saying „From the river to the see – Palestine will be free“ people are being punished. People are arrested at demonstrations for having signs with these slogans. At the same time, in a larger sense, the refugee policy is being tightened enormously. Germany’s arms trade with the occupation has increased tenfold in recent months, tenfold! And military support for Ukraine will double next year. And at the same time, living conditions in Germany have become worse. People can no longer afford anything etc. etc. etc. But in this situation, these „evil, barbaric Palestinians on our streets“ are declared the enemy.

The state always does it this way. In times of crisis, they always look for an enemy and use the opportunity to emotionalize the population, and then they can do anything they want. It was the same with 9/11, it was the same before the war in Afghanistan, before the war in Iraq, before a war in Libya. When these imperialist states want to fuck around, it starts with the media, the demonization of certain parts of society and other societies. This is typical and it happens all the time. We’ve seen it so many times. And after ten years you think: „ah this war in Iraq wasn’t good“; „the support for the apartheid regime in Africa wasn’t really good“; „this war in Afghanistan wasn’t good“; „what’s happening in Libya is actually bad, but we didn’t know that“ and so on. But then they repeat the pattern again and again.

Germany was always on the wrong side. It was even on the wrong side with South Africa, i.e. West Germany at the time. Now they’re the heroes, but at the time they were the terrorists, the barbarians, killing civilians and whatever. That’s historically so, because Germany doesn’t learn from its history. If it had learned, then all Germans would now be on the streets because Germany is now actively supporting the genocide in Gaza. Then Olaf Scholz, for example, would now be in The Hague.

We are also accused of endangering the „peaceful coexistence of the peoples in Germany“. And what we are saying here is that Germany and the German state are endangering peaceful coexistence in Germany. Because this state has alienated millions of people, millions of Palestinians, Arabs, Turks, Kurds, Germans too, and has inflicted extreme violence on them in recent months. In terms of banning demonstrations, physical violence and attacks by the cops on peaceful demonstrations. And these people no longer feel safe. And these are people who really feel alienated in Germany. We see that in our circles too. People see Germany very differently now. 

All this is being done under the guise of combating anti-Semitism. And that is also dangerous for the Jews in Germany. It’s extremely dangerous for the Jews in Germany. What they are saying is more or less: if you say what is happening in Gaza is genocide, then you are anti-Semitic. If you support the liberation of Palestine, then you are anti-Semitic. As a result, the occupation represents the Jews, the genocide in Gaza represents the Jews and this is repeated over and over again. That any criticism on this occupation would be an attack on Jews.  That will lead to people actually believing that. If the state repeats this all the time, people will also believe: „Ah, isn’t it Jews who caused the genocide in Gaza, and there are Jews who also live here“. This is dangerous, this is extremely dangerous. It was Samidoun’s work and also the work of all Palestinians to separate this equation between the crimes in Palestine and Judaism. We don’t think that what is happening in Gaza right now represents Judaism in any sense. It is a colony, a European colony in Palestine, which is acting quite normally like all other colonies in history. It sees the indigenous people as sub-human, who can be killed, who can be destroyed, who can be expelled. This is typical of the colonialists, and we have seen this in French colonies, in Belgian colonies, in German colonies. All the colonies in the world have this idea and have acted accordingly. We have a problem with this colony and not with Jews or Judaism. 

And here it is extremely distasteful to use the word annihilation. Especially when it comes from Germany. Because the extermination of the Jews is the German history. It was never the Palestinian history and it will never be the Palestinian history. It is the Palestinian revolution and the Palestinian liberation struggle that has always rejected this equation between Judaism and Zionism. This is even written in the 1967 Charter, which was written in the refugee camps in Jordan by all the resistance factions. There you can read this clear separation between the two. If you say we want to destroy the occupation, we want a free Palestine from the river to the sea, then it means we want a free Palestine where everyone can live together. That is the alternative to apartheid, that is the alternative to colonialism. That is the alternative to the expulsion of the Palestinians. This is the alternative to treating the Palestinians as sub-humans and to the daily killing and genocide that we see today in Gaza and these real extermination attempts in Gaza. And not because I say so, but because senior Israeli politicians, ministers, prime ministers have explicitly said that they want to kill and annihilate all Palestinians in Gaza. There was also a suggestion that a nuclear bomb should be dropped on Gaza. This is extermination, these are extermination ideologies and these are extermination practices that we see today.

They are attacking hospitals, they are attacking schools, they are attacking journalists, they are attacking everyone, every person. More than 10,000 are killed, almost 5,000 of them are children. And there is no outrage in Germany. What they showed of course was the fake news about 40 children killed in the settlements. That obviously shows that  it’s not about Germany’s humanitarian agenda towards the world. Because of fake 40 children there was this huge campaign against all Palestinians, tightening of refugee policy, these attacks against demos, everything was possible. But now there are 5000 real children who have been killed. Where is the outrage? Where are the German politicians who won’t accept it? „We can’t have that.“ „We don’t allow that on our streets“ and whatever. On the contrary: they actively support the genocide. 

The two-state solution is what we have right now. It’s the natural evolution of the two-state solution attempt. We have settlements all over the West Bank. We have a quasi-government run by collaborators working as a tool of the occupation. We have a besieged Gaza that is being annihilated today. This is the two-state solution. The people or the organizations or anyone who calls for the two-state solution – there are some who do it out of a lack of understanding and there are some who know what they are doing, for example, the US. For the USA, it’s like this: We keep the situation in a state of limbo so that nobody can do anything and at the same time the occupation will simply continue with its policy and become stronger. And so on and so forth and it can do anything it wants. At the same time if the Palestinians say anything, „wait, you’re jeopardizing the two-state solution.“  

There are also weird ideas where the working class from Palestine will come together with the working class in Israel to smash the occupation. This is simply nonsense. The workers in the occupation are settlers who actively benefit from this occupation. And this occupation has as its core ideology, expansion, expulsion, extermination, killing etc.. These are at the heart of the practices of this occupation. Two-state solution is, again, what we see today and there is no solution for Palestine without dismantling this occupation. Regarding the idea of the two-state solution, you can look at history. What happened to colonies in the past? There is either the future where Palestine liberates itself as Algeria did from the French, as South Africans did who destroyed the apartheid regime, as the Vietnamese did who kicked out the American occupation. And then people can live in dignity and justice. And that is a free Palestine from the river to the sea, where people can simply live together as equals, regardless of religion, in peace and quiet. The second alternative is then that of the colonies of Canada, the USA, Australia, New Zealand, where the colonialists destroy the indigenous population. And these are now the two possibilities. The first, is where people can simply live together as they did before the occupation, and the second is extermination. And if the German state thinks that peaceful coexistence is not possible and that these settlers must have their own land, then they can simply give them Saxony. They have no business in Palestine.

So October 7th was indeed a rebirth of the modern Palestinian revolution. It showed that the Palestinian resistance is capable of fighting, of taking initiative. Several attempts at normalization with Arab states were completely stopped. It has led to the opening of several fronts against the occupation and against America, in Iraq and Yemen and so on. It has shown the true face of the occupation to the whole world: what the occupation is doing today in Gaza, the genocide and killing of children and attacking hospitals and so on and so forth. The Palestinians have seen this every day for 75 years. The world didn’t want to see it. But today, you can’t look away. It is too obvious. And that is a clear signal for anyone who says two-state solution first. It won’t work. The resistance has also shown in practice how the siege of Gaza can be stopped. Because over the 17 years, since the beginning of the siege, there have been several diplomatic and political campaigns,  initiatives and so on and so forth to end this siege. There were these „marches of return“ where people from Gaza walked to the wall. Hundreds were killed. Thousands, thousands have not only been injured, they are shooting on their knees. There is now a large population who are in wheelchairs. There have also been several attacks on Gaza where the resistance has not even responded. Where the occupation has made an attack in Gaza or an attack on some bases or some buildings, where they think there is this and that, where hundreds of people have also died and the resistance has done nothing. The 17 years have shown that nothing has worked. And the international community and the UN and the EU etc. and the Arab countries can’t stop this siege. The resistance has shown a clear path to lifting this siege.

October 7th, in addition, made the Palestinian cause the first point of geopolitical discussion. We saw very quickly how imperialist countries are backing the occupation and that this occupation is in fact a colony of the West in the Arab world. But especially in Germany, with the repressive measures that we saw. It was really absurd it was really absurd what happened in Germany. And it’s also part of a global trend where these Western states are trying to control the population’s perception of geopolitical events by all means. And they do this by attacking people, media article after media article, where people feel insecure and are annoyed, and then they use this opportunity to create laws that they can then later use in all other areas. 

So it really must be an alarm signal for everyone in Germany. Samidoun has done normal political work. They organized demonstrations, rallies, registered everything with the state, gave lectures. That was completely normal political work. But the state doesn’t like the political line. And because the state didn’t like it and because the situation had developed in this way, the state then brought these means to the table, where it could actually ban any political organization more or less. Because there are no criminal activities to back this. It’s just that “these people have said something we don’t like.” And that’s why these rights, which are in the Basic Constitutional Law, with freedom of opinion, freedom of assembly are being completely abolished.

I got a letter from the BAMF, the Federal Office for Migration and Refugees, saying that the state wants to revoke my residence permit because I was a member of Samidoun. The same reasons that we saw for banning Samidoun were also used for me. That is, support for the PFLP, endangering the coexistence of the peoples in Germany and the basic democratic order. Since last month, there are two more people who are threatened with deportation. Musaab, who had a political ban, his ban was extended until the end of the year. He is not allowed to take part in any political events, which is of course absurd. It is very important to see how disgusting this attack is, because they are attacking Palestinian refugees using their papers, their right of residence. They know that these people have insecure papers.They know that these people have precarious living situations and they take advantage of that to silence these people. They cannot prosecute these people. And that’s why they use their right of residence. That crosses all lines of human decency. 

Specifically to my case. We have lodged an appeal. We are still waiting. In similar cases, such proceedings have had two phases. The first is withdrawal of refugee status. And the second is deportation proceedings. We will see how the situation develops, especially in this atmosphere of general anti-Palestinian repression in Germany. And after the ban on Samidoun. So it will be very dangerous. Because it gives them the political legitimacy to do whatever they want.

So there was the ban on Samidoun and Hamas. And the big difference in the role and the structures between these two organizations just shows how enormous the attack against Palestinians in Germany is. Hamas, on the one hand, is a mass organization, a militant organization that leads the resistance in Palestine. Samidoun, on the other hand, is a group of activists working worldwide for the cause of the prisoners in Palestine. Samidoun was founded in 2011 as a website where the statements of the Palestinian prisoners‘ movement were translated and published. Because these statements were only ever in Arabic. And this work then developed over time and Samidoun is now active on the streets in several countries. They do demonstrations, rallies, lectures, and so on and so forth, linking the struggles of Palestinian prisoners with international struggles, because every liberation movement has political prisoners every liberation movement has prisoners at the center of its struggle

So this is Samidoun, and today the work of Samidoun is more important than ever. The situation in the prisons now is simply worse than ever before. The number of Palestinian prisoners has doubled. The conditions in the prisons: Their water is cut off, their electricity is cut off, their clothes, their books, everything is taken away. They are not allowed visits, they are not allowed to watch television, they are not allowed to listen to the radio. They are completely separated from the world. And up to this day, if I’m not mistaken, at least five people have died in prison from torture. At one point there were more than 10,000 prisoners. Now you can’t count them exactly. Some of the imprisoned workers from Gaza have been let out, some of them are still there. The number will also increase because the arrests in the West Bank are extremely high. We don’t have an exact number. But there are more than 1000 prisoners in administrative detention. This is detention without trial. This instrument was inherited by the occupation from the British occupation. It allows the occupation to arrest any person at any time without reason and detain them in prison for an indefinite period of time.

Masar Badil is a movement that was founded in 2021. And Samidoun is part of this movement. Samidoun of course has a focus on the Palestinian prisoners, but is part of a larger project. Masar Badil’s main goal is to restore the role of the Palestinian diaspora in the Palestinian cause. Because especially after the Oslo Accords, the Palestinian diaspora was completely left out. And now, when we talk about Palestinians or Palestine, it’s West Bank and Gaza. These are the only people who can do anything for Palestine, and everyone else is just showing solidarity. In the 70s, the Palestinian revolution was abroad, it wasn’t in Palestine. And we believe that the Palestinian diaspora has an enormous role to play in the liberation of Palestine, and we are trying to strengthen this role again. And you do that by first rebuilding the tools of the Palestinian diaspora. There were several organizations, several trade unions, student organizations, etc. Through these, the Palestinians abroad organized themselves and these were completely destroyed after the Oslo Accords. We have to rebuild them first. 

Even in this repressive atmosphere, despite all the tools that the state used, there were mass demonstrations in Berlin and in Düsseldorf, and beyond. The peoples of the world support Palestine. At the same time, all the political parties in Germany,  Olaf Scholz had to attend and the embassy officials and who knows what diplomats all had to organize and invite to a rally in front of the Brandenburg Gate and invest tens of thousands of euros in it so that 5,000 people would come to support Israel and most of them are party members. It is obvious that the people of the world support Palestine. We see this in the streets of every city in the world. There are also mass demonstrations in Africa, in Mali, there are mass demonstrations in South Africa, in Niger, there are mass demonstrations in Bangladesh, in Nepal, in Peru. So it’s not just in the US and Canada and France and the UK, etc. There was actually a protest in Qatar even. Normally there is not this atmosphere where people take to the streets in the Gulf States. 

But I think it’s very important to have a clear political line. The liberation of Palestine from the river to the sea is non-negotiable. This position must not be abandoned strategically. Supporting the resistance is more important now than it has been in the last 30 years. This means that we now need this clear position: the Palestinian resistance is legitimate, and the Palestinian resistance is the only thing that can defend the Palestinian people. And that is what we are seeing in Gaza today. The international community, the EU, the UN, even the Arab countries cannot defend the Palestinians. It is only the Palestinian resistance that can and will defend the Palestinians and that will liberate Palestine. It is extremely important to take this clear political position to the streets and not be intimidated.

The repression that we see in Germany today is of course directed against the entire pro-Palestinian movement. But especially against the part of the movement that very clearly stands for the liberation of Palestine and very clearly supports the resistance. While this part of the movement is being attacked, another wing of the movement is being strengthened. For example, they are now allowed to organize demonstrations and rallies where several thousand people go, but under the conditions of the state. They are no longer allowed to say „from the river to the sea“, they are no longer allowed to say that there is genocide in Gaza. They are no longer allowed to say „child murderer Israel“. The Palestinians who organize these demonstrations then do the work of the cops. They go to the demonstrators and force them to stop saying this and that because it would endanger the demonstration, it could be broken up. That is also extremely dangerous.

It’s much more important to have 1000 people on the street saying openly and clearly: we are for the liberation of Palestine from the river to the sea, than to have 10,000 people saying nothing. Especially in this climate of repression, it is very, very important to show a clear position of support for Palestine. You must not look for an easy way out, not in the face of this repression. Because if you retreat, the repression will increase, if you take a step backwards, the state will push forward with all its strength. One must be absolutely steadfast. One isn’t doing anything wrong. It is simply a political position that is known throughout the world and supported by all nations. And you simply say that on the street. So you don’t do anything wrong you don’t cause any harm. You simply say what you think. And the state is not allowed to dictate that.

Even during this repression that we saw in Berlin, for example, and especially on the Sonnenallee, and these arrests and these physical attacks on people who weren’t doing anything, they were just on the street. This quasi military face of the state on the street, 

where hundreds and thousands of cops were on the street 24/7.They inspected every person, everything was banned. Every sign of Palestine is perceived as a threat. Every person is suspicious. As a result, at some point people no longer accepted this. And they then took to the streets to fight for their rights. They simply confronted the cops. They defended themselves. These people were attacked for weeks and then came a day when they defended themselves. The Palestinians and Arabs and also the supporters of the Palestinian cause have definitely shown that they are much more advanced than any organization, than Samidoun, no matter who. They were ready to go into this confrontation and defend themselves. That is, without any political leadership and without any deep analysis. 

For them, everything is extremely clear and even clearer than many organizations. What is happening in Palestine right now? Occupation, genocide; the liberation of Palestine is legitimate; resistance is legitimate. What Germany is doing is not acceptable. We do not accept that and we are defending ourselves. After that day, which was October 18, I think the state withdrew and suddenly allowed demonstrations and rallies. But outside of Sonnenallee, outside of this street where the extreme repression had taken place and this confrontation had taken place. They have allowed these events outside the street in order to say: „Hey, we’re not repressive, we allow demos, we have freedom of expression, we have freedom of assembly, but under our conditions“. But at the same time they want to prevent what happened on the 18th from happening again. Not on that street and not on other streets in Germany. Because it works. If the state is extremely repressive and people don’t accept this repression, then the state has to withdraw, because otherwise it won’t work. These people didn’t do anything wrong, they were simply on the street and they were attacked. One week after another and then at some point it was enough. And they said no, we’ll stay on the street. And if the cops attack us, we’ll defend ourselves.

Redebeitrag der KO auf Konferenz der WAP in Athen

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Wir haben am 18. November 2023 als Gast an der Konferenz der World Anti-imperialist Platform in Athen teilgenommen.

Dabei hatten wir die Gelegenheit mit verschiedenen kommunistischen Parteien und Organisationen aus aller Welt ins Gespräch zu kommen. Wir unterstützen die scharfe Position gegen die NATO und die klare Solidarität für den palästinensischen Widerstand, die von der Konferenz ausgingen. Wir begrüßen den Impuls der Platform (WAP) zur vertieften Diskussion und Analyse, der vor dem Hintergrund der Fragmentierung und Unklarheiten innerhalb der internationalen Kommunistischen Bewegung umso nötiger wird.

In unserem Redebeitrag zur Konferenz machten wir auch deutlich, dass wir denken, dass es unbedingt die Offenheit zur Debatte und Auseinandersetzung mit den Parteien des Solidnet braucht, und dass die Kritik an Positionen wie der imperialistischen Pyramide umfassend und genau geführt werden muss, damit sich die Kommunistische Bewegung als Ganzes weiterentwickeln kann.

Wir wollen uns auch in Zukunft in die Diskussionen und politischen Auseinandersetzung der Platform einbringen von den Analysen lernen und darüber streiten wie die kommunistische Weltbewegung sich im Kontext der imperialistischen Aggression aufstellen und stärken kann. Wir dokumentieren im Folgenden den Redebeitrag, den wir auf der Konferenz gehalten haben, der auf Englisch auch auf der Website der Platform gelesen werden kann.1https://wap21.org/?p=4660 Der Bericht zur Konferenz und alle weiteren Redebeiträge finden sich ebenfalls auf der Homepage der Platform.2https://wapnews.org/?p=3713

Redebeitrag der Kommunistischen Organisation auf der Konferenz der World Anti-imperialist Platform in Athen (18.11.2023)

Liebe Genossen,

die Kommunistische Organisation freut sich sehr zum ersten Mal an einer Konferenz der Platform als Gast teilnehmen zu können. Wir wollen in unserem kurzen Redebeitrag Überlegungen aus der Perspektive unserer eigenen Entwicklungsgeschichte über die Entwicklungen der internationalen kommunistischen Bewegung zur Diskussion stellen und freuen uns darüber uns mit euch dazu intensiver austauschen zu können.

Gegründet wurde unsere kleine und junge Organisation 2018 mit dem Ziel einen kommunistischen Klärungsprozess anzustoßen und zu organisieren. Was meinen wir damit? Wir hatten erkannt, dass die kommunistische Bewegung in Deutschland und im Kern auch weltweit, trotz einiger großer und einflussreicher Parteien, in einer tiefen Krise steckt. Die Erscheinungen dieser Krise, sind bis heute offensichtlich: Die kommunistische Bewegung ist zersplittert, vielfach isoliert von der Arbeiterklasse, das Wissen über die weltweite Geschichte der Arbeiterbewegung und die Kenntnisse des wissenschaftlichen Kommunismus liegen verschüttet. Weder ein umfassendes Verständnis der Niederlage des Sozialismus noch eine revolutionäre Strategie für die Klassenkämpfe unserer Zeit konnten wir in der kommunistischen Bewegung in Deutschland und international ausmachen. Auch wir selbst waren dazu nicht in der Lage.

Als zentrale Ursache der Krise verstehen wir den Revisionismus, d.h. den Einfluss und das Eindringen bürgerlicher Ideologie in die Weltanschauung der Arbeiterklasse. Auf dieser Grundlage konnten Theorien und Strategien erwachsen, die die Arbeiterbewegung als Ganzes von einer revolutionären Linie im epochenmäßigen Kampf gegen den Kapitalismus abgebracht haben. Den Einfluss des modernen Revisionismus, der Anti-Stalinismus, die Auflösung und das Abrücken von Positionen der zentralen Planwirtschaft, der Partei neuen Typs, der Diktatur des Proletariats, den Einfluss des Eurokommunismus und weiterem mehr, konnten wir nicht zuletzt in der deutschen kommunistischen Bewegung vielfach erkennen.

Zu Beginn waren wir insbesondere interessiert an der KKE, der Kommunistischen Partei Griechenlands. Wir erkannten in ihrem Bemühen nach 1990 das Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien wieder zu gründen, den Analysen zur Niederlage des Realsozialismus, dem Kampf gegen die Einflüsse des Eurokommunismus, dem Aufbau der Europäischen Initiative der Kommunistischen Parteien und der Kommunistischen Rundschau viele der Elemente, die wir mit dem Vorhaben eines Kommunistischen Klärungsprozesses verbunden hatten. Nicht zuletzt blickten wir interessiert auf die praktischen Erfolge der KKE, im Aufbau der PAME und ihrer anhaltenden, historisch gewachsenen Verankerung im griechischen Volk.

Aus unserer Sicht war die Initiative zur Debatte, zur scharfen, aber offenen Auseinandersetzung innerhalb der weltweiten Bewegung genau richtig und die einzige Möglichkeit die Grundlage der Krise der Bewegung zu identifizieren und zu bekämpfen. Umso tragischer, dass diese Tendenz abgebrochen wurde.

Schon längst vor dem Beginn der Speziellen Militäroperation Russlands im Februar 2022, war wohl mit das zentralste Anliegen der KKE innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung die Position durchzusetzen, dass China nicht sozialistisch sei und sich um China und Russland ein aufstrebender imperialistischer Pol organisieren würde. Die offene Debatte ist zunehmend einer Abgrenzung und Sammlung um einen vermeintlich „revolutionären Pol“ und der Diffamierung dem großen Teil der Kommunistischen Parteien als „revisionistisch“ gewichen.

Mit dem Beginn der Speziellen Militäroperation wurde die schädliche Wirkung der Vorstellung der „imperialistischen Pyramide“ und die Position der KKE, dass sich die Kommunisten hinter einem „neuen, aufstrebenden imperialistischen Pol“ sammeln würden, anstatt eigenständig die sozialistische Revolution auf die Tagesordnung zu setzen in seiner gefährlichen Tragweite erkennbar. Diese Linie der angeblichen Äquidistanz führt zur Desorientierung und erschwert einen konsequenten politischen Kampf gegen die NATO, auch wenn die Aktionen der KKE und PAME gegen die Waffenlieferungen und NATO-Stützpunkte dabei nicht übersehen werden dürfen und wichtige Beiträge bleiben. Ihre Analysen über die Rolle Chinas und Russlands sind einseitig, verzerrt und irreführend. Indem sie diese Länder de facto mit dem Imperialismus gleichstellen, entlasten sie nicht nur den Westen, sondern stellen ein gefährlich falsches Bild insbesondere über China und seinen Charakter her. Das Verständnis vom Imperialismus als Ganzes wurde dadurch entkernt, dass man behauptete, es gebe keine qualitativen Unterschiede zwischen den Ländern mehr, in denen monopolkapitalistische Verhältnisse herrschten. Es gäbe keine unterdrückenden und keine unterdrückten Länder, sondern nur einen Mengenunterschied im Anteil der global organisieren Ausbeutung, ein Rückfall in den Kapitalismus der freien Konkurrenz bedeutet. Das wesentliche aus der Imperialismustheorie wurde von ihnen gestrichen.

In unserer Organisation haben diese Ereignisse zu scharfen Auseinandersetzungen und schließlich zu einer Spaltung geführt, wobei ein Teil der Organisation sich den vermeintlich revolutionären und radikalen Losungen und Linien der KKE anschloss. Im Rahmen dieser Spaltung haben wir nicht nur die Falschheit und schädliche Wirkung der Imperialismusvorstellung der KKE und anderer Parteien erkannt, sondern insbesondere erkannt, dass die Sammlung um einen vermeintlich revolutionären Pol, die guten und richtigen Impulse der KKE in eine spalterische Tendenz für die internationale Bewegung auflöst. Anstatt die notwendige und interessante Auseinandersetzung zwischen KKE und RKAP über die Frage des „exportierten Faschismus“ sachlich und kontrovers in der Öffentlichkeit der Bewegung auszutragen, wurde sie beendet. Anstatt das Internationale Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien zum Austausch und zur scharfen Diskussion zu nutzen, um die Bewegung als Ganzes zu entwickeln, wurde versucht die Parteien mit Statements zu polarisieren. Die Europäische Initiative der Kommunistischen und Arbeiterparteien wurde kurzerhand einseitig und ohne Absprache von der KKE für aufgelöst erklärt. Wir sehen hier eine Entwicklung, in der die KKE, die ursprünglich mit dem Aufbau von solidnet den Austausch und Diskussion innerhalb der Kommunistischen Bewegung führend vorangetrieben hat, mittlerweile den Austausch und Entwicklung auf weltweiter Ebene behindert. Wir fragen uns, wie es zu diesem Kurswechsel in der KKE kommen konnte. Sie formuliert einen ideologischen und politischen Führungsanspruch, den sie nicht in der Lage ist, einzulösen.

Wir wollen hingegen betonen, dass wir die gemeinsame Diskussion mit allen Teilen der Kommunistischen Bewegung anstreben und insbesondere auch mit Parteien wie der KKE. Wir brauchen die offene und kontroverse Diskussion zur Entwicklung und Klärung. Scharfe Kritik und bohrende Fragen sind notwendig, aber sie müssen und sollten gegenwärtig nicht zur Beendigung von Gesprächen und der möglichen Arbeit auf Grundlage gemeinsamer Positionen führen. Wir müssen die Probleme und Widersprüche innerhalb der kommunistischen Weltbewegung umfassend erkennen und dürfen auch an uns selbst vor diesen Mängeln nicht die Augen verschließen. Schädliche und falsche politische Positionen von kommunistischen Parteien bedeuten nicht zugleich, dass sie als Ganzes als revisionistisch verstanden werden können. Ein vereinfachtes Abschreiben und Etikettieren, kann einen Zugang zu der widersprüchlichen und komplizierten Lage und historischen Entwicklung der kommunistischen Kräfte verstellen. Diese Problematik erkennen wir insbesondere auch innerhalb der kommunistischen Bewegung in Deutschland und in unserer eigenen Entwicklung.

Wir sehen, dass die Diskussionen, die von der Platform angestoßen werden, wichtig sind und starke Impulse für die kommunistische Bewegung sein können. Der Hauptstoß der fortschrittlichen Kräfte und der unterdrückten Völker weltweit muss sich gegen die US-geführte NATO richten, die einen Krieg gegen Russland führt und gegen China vorbereitet. Weltweit formieren sich in rasanter Dynamik die schärfer konturierten Lager des Klassenkampfes. Der heroische Widerstand des palästinensischen Volkes zeigt in aller Deutlichkeit die zunehmende Isolation und zugleich völlig enthemmte Aggressivität des Imperialismus. Der Kampf für den Sozialismus ist Teil dieser Auseinandersetzungen, Teil des Kampfes gegen imperialistische Unterdrückung und für nationale Befreiung. Erst inmitten und durch diese Kämpfe werden wir in der Lage sein die revolutionäre Arbeiterbewegung zu formieren. Die Notwendigkeit zur internationalen Organisierung wird ganz praktisch und mit Nachdruck von den Kämpfen auf die Tagesordnung gesetzt. Wir brauchen nicht einen losen Diskussionszusammenhang, sondern zunehmend verbindlicher werdende und politisch einheitlich werdende internationale Verbindungen der Kommunisten. Aber wie kann diese Aufgabe gelingen?

Wir denken, dass ein Bezug zu den Diskussionen und Entwicklungen des Internationalen Treffens der Kommunistischen und Arbeiterparteien hergestellt unabdingbar ist. Wenngleich wir in eine dynamischere Phase des internationalen Klassenkampfes eintreten, wird die Krise der weltweiten kommunistischen Bewegung sich nicht einfach aufheben oder beenden lassen. Erst durch scharfe, aber offen geführte Auseinandersetzungen mit und in der weltweiten Bewegung, werden sich die revolutionären Linien und Kräfte der Arbeiterbewegung durchsetzen können. Dafür braucht es nicht zuletzt intensive Arbeit, um den Wissenschaftlichen Kommunismus in unseren Reihen zu stärken. Eine neue Internationale, wird sich nicht neben und abseits der historisch gewachsenen Parteien der Bewegung herausbilden. In vielen von ihnen gibt es Debatten und Auseinandersetzungen, die wir nicht einfach übergehen dürfen, auch in Parteien wie der KKE. Viele spielen keine unwichtige Rolle in den politischen Kämpfen, in vielen sind die historischen Erfahrungen unserer Kämpfe aufgehoben. Wir meinen, dass in einem vorschnellen Abschreiben der Kräfte, die sich beispielsweise in solidnet zusammengeschlossen haben, eine Gefahr liegt, die wir gerne weiter mit euch diskutieren und zu der wir uns besser austauschen wollen.

Gleichzeitig beobachten wir interessiert Entwicklungen die sich in so pluralen Zusammenhängen wie der International Peoples Assembly (IPA) entwickeln, in denen kommunistische Kräfte gemeinsam mit Gewerkschaftsorganisationen, Bauernverbänden und anderen auch sozialdemokratischen Organisationen über die strategischen Linien im internationalen Klassenkampf streiten. Kurzum: Eine scharfe und klare Position und Stellung zu den brennenden politischen Fragen unserer Zeit, die insbesondere auch von Vertretern in der Platform richtigerweise eingefordert wird, darf uns zum einen nicht über unsere eigenen Schwächen hinwegtäuschen und zum anderen nicht daran hindern die Dynamik und Unabgeschlossenheit der Entwicklungen in der weltweiten kommunistischen Bewegung zu erkennen und produktiv auf sie einzuwirken. Wir brauchen ideologische Debatte, bessere und umfassendere marxistische Analysen. Nur auf dieser Grundlage werden wir letztlich die Einheit der revolutionären Arbeiterbewegung weltweit voranbringen können.

Zum Verständnis des Anti-imperialismus, zum Zusammenhang aus nationalem Befreiungs- und Klassenkampf haben sich zuletzt viele Debatten und Fragen deutlicher herausgeschält. Die Begrenztheit und Widersprüchlichkeit der Rolle der BRICS, die Beschränktheit von bürgerlichen Vorstellungen zur Multipolarität und auch die Notwendigkeit zur umfassenden und historisch-konkreten Analyse der Kräfteverhältnisse, wie sie die komplizierte Lage der Kommunisten in Venezuela beispielhaft verdeutlicht. In Deutschland erkennen wir eine gefährliche Tendenz darin, die Abhängigkeit des deutschen Imperialismus zu den USA zu absolut und einseitig zu betrachten. Fortschrittliche Positionen zur nationalen Befreiung werden leichtfertig auf die Lage eines imperialistischen Landes übertragen, mit weitreichenden Schlussfolgerungen für eine Bündnispolitik mit chauvinistischen Kräften. Über all diese Fragen werden wir uns weiter und viel genauer austauschen und diskutieren müssen, innerhalb der kommunistischen Bewegung und sehr gerne auch konkret in der Platform.

Liebe Genossen, in der Bundesrepublik sind wir aktuell mit einer der heftigsten Repressionswellen der jüngeren Geschichte der BRD konfrontiert. Mit der militärischen Sonderoperation Russlands und zusätzlich verschärft seit dem heroischen Widerstand vom 7. Oktober, werden Grundrechte massiv ausgehebelt. Den Krieg gegen Gaza als Völkermord zu bezeichnen wird verboten, eine Zustimmung zum sogenannten „Existenzrecht“ Israels zur Bedingung für Pro-Palästinensischen Protest und evtl. gar zur Voraussetzung für Asylanträge und die deutsche Staatsangehörigkeit gemacht. Die palästinensische Gefangenensolidaritätsorganisation Samidoun wurde mit absurden Argumenten verboten. Es ist die innenpolitische Seite eines in vorderster Kriegsfront befindlichen imperialistischen Staates, die der Arbeiterbewegung in Deutschland entgegenschlägt. In Eiltempo soll die Kriegsfähigkeit Deutschlands potenziert, militärische Kapazitäten aufgebaut, die Bevölkerung aufgehetzt und jeglicher Widerstand im Keim erstickt werden. Unter dem Schirm der NATO sucht der BRD-Imperialismus seine Dominanz in Europa zu sichern und auszubauen, wirtschaftliche Transformationsprozesse auf dem Rücken der Arbeiterklasse auszutragen, militärische Führung an der NATO-Ostflanke einzunehmen. Der deutsche Faschismus wird im Kontext des Krieges gegen Russland rehabilitiert, glühende Naziverehrer gefeiert, eine widerliche Opfer-Täter Umkehr des zweiten Weltkrieges betrieben und mit anti-russischer Hetze vermischt.

Die Kräfte, die an einem konsequenten antiimperialistischen Kurs festhalten, sind in der BRD rar gesät. Über Jahrzehnte haben pro-zionistische Kräfte daran gewirkt Gewerkschaften und Linke auf pro-imperialistischen Kurs zu bringen. Mit Beginn der Spezialoperation Russlands haben sich etablierte und organisierte Kräfte wie die sozialliberale „Linkspartei“ vollends in den Schoß der NATO begeben. Dennoch regt sich Widerstand in der arbeitenden Bevölkerung. Großdemonstrationen gegen den Völkermord in Gaza und Protest gegen den Krieg gegen Russland haben trotz medialer Verhetzung und Repression stattgefunden. Vielfach treten diese politischen Kämpfe unorganisiert und politisch diffus auf. Ein Nährboden auch für faschistische Kräfte in Deutschland. Eine politische Kraft, verwachsen und verbunden mit der Arbeiterklasse und tief verankert im wissenschaftlichen Kommunismus und proletarischen Internationalismus muss erst noch formiert werden. Hierin sehen wir unsere Aufgabe, die wir auch gerne im gemeinsamen Prozess mit euch und der internationalen kommunistischen Bewegung angehen wollen.

Hoch die internationale Solidarität!


Nie wieder Krieg heißt Kampf der NATO und ihren Verbündeten!

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Stellungnahme zu den Friedensprotesten am 25.11.2023 in Berlin

Die Initiative „Nein zum Krieg – Die Waffen nieder!“ ruft für den 25.11.2023 zu einer Demonstration gegen Krieg und Sozialabbau in Berlin auf[i]. Der Aufruf setzt wichtige Eckpfeiler für einen breiten Protest gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung. Anders als der Aufruf zur Wagenknecht-Schwarzer-Demo, der einen Schwerpunkt auf die Verurteilung Russlands legte und die Notwendigkeit für Frieden vor allem aus der Erkenntnis ableitete, dass Russland militärisch nicht zu besiegen sei, legt dieser Aufruf den Schwerpunkt auf die deutsche Kriegspolitik und den damit einhergehenden Sozialabbau. Für die Verarmung der Menschen in Deutschland macht der Aufruf auch die Sanktionen gegen Russland verantwortlich und fordert folgerichtig diese aufzuheben. Indem der Zusammenhang zwischen Kriegspolitik und sozialer Verelendung klar benannt wird, trägt der Aufruf die Anliegen der Friedensbewegung in die Massen der Bevölkerung und bildet wichtige Anknüpfungspunkte. Doch neben dieser richtigen Stoßrichtung hat der Aufruf auch Schwächen, zu denen wir uns hier äußern möchten.

Wir müssen kriegstüchtig werden“

Die Beratungen über den Bundeshaushalt für das Jahr 2024 nähern sich dem Ende. Deutschland wird den größten Kriegsetat seit 1945 beschließen und das Zwei-Prozent-Ziel der NATO übersteigen. Den enormen Kriegsausgaben stehen drastische Einschnitte in den Bereichen Löhne, Bildung, Wissenschaft, Kinderbetreuung, Gesundheit und Renten gegenüber. Die Lebenshaltungskosten in Deutschland sind seit dem Krieg gegen Russland explodiert. Die Kriegsgelder an die Ukraine sollen verdoppelt werden, womit Deutschland die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben hat, die sogar die der USA um mehr als das Doppelte übersteigen [ii].

Sobald in der Ukraine ein vorübergehender Frieden einkehrt, soll den Strategen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) zu Folge das „Jahrzehnt der Aufrüstung“ eingeläutet werden. Während sich in den USA eine Reduzierung der umstritten Kriegsgelder für den Ukrainekrieg abzeichnet, soll die deutsche Regierung „Europas stärkste Armee“ stellen und „Rückgrat der Bündnisverteidigung“ werden. Durch den Aufbau einer gigantischen Rüstungsindustrie soll die Ukraine – mehr denn je – zum antirussischen Vorposten des deutschen Imperialismus ausgebaut werden. Dafür sei es nötig aus der „stockenden Zeitenwende heraus einen Quantensprung beim Wiederaufbau der Bundeswehr, der Erneuerung der rüstungsindustriellen Basis und der Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz“ zu leisten. Neben einer Intensivierung der ideologischen Kriegsführung gegen die eigene Bevölkerung solle die Gesellschaft lernen, „im Kriegsfall mit Toten und Verwundeten praktisch und mental“ umzugehen. Die NATO müsse „in fünf bis neun Jahren kriegsfähig sein, um Russland […] abschrecken zu können“.[iii]

Deutschland solle endlich wieder „kriegstüchtig werden“[iv], der Krieg gegen Russland solle dies ermöglichen. Um die gigantischen Kriegskosten im kommenden Jahr trotz der Haushaltslücke zu stemmen, werden weitere Sozialkürzungen gefordert [v]. Bezahlen wird also die Arbeiterklasse. Für sie bedeutet der Krieg gegen Russland eine existenzielle Bedrohung.

Die Kriegstreiber beim Namen nennen!

Doch anstatt das beispiellose Ausmaß der deutschen Kriegspolitik klar zu benennen, appelliert der Aufruf an die Vernunft der Kriegstreiber und fordert eine neue Entspannungspolitik. Dabei hatte die Annäherungspolitik, wie sie unter Michail Gorbatschow und Willi Brandt in den 70er und 80er Jahren entstand, nie Völkerfreundschaft und Frieden im Sinn, sondern stellte einen Strategiewechsel des deutschen Imperialismus im Kampf gegen die Sowjetunion dar. Mit der Zerschlagung und dem Ausverkauf der Sowjetunion wurden die sowjetischen Völker in Armut und Elend gestürzt. Zu Recht wird Gorbatschow bis heute von vielen Menschen in Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken als „Verräter“ bezeichnet. Auch die Sozialpolitik Brandts, auf die sich in Teilen der Friedensbewegung positiv bezogen wird, muss in den richtigen Kontext gesetzt werden. Die „Ära Brandt“, die für die Arbeiterklasse tatsächliche Verbesserung mit sich brachte, muss vor dem Hintergrund des enormen Drucks betrachtet werden, den die DDR mit ihren hohen sozialen Standards auf die Sozialpolitik der BRD ausübte. Richtig ist, dass die diplomatischen Beziehungen zwischen „Ost und West“ heute auf einen historischen Tiefpunkt gefallen sind und dass ein Ende der kriegerischen Eskalation diplomatische Bemühungen voraussetzt. Allerdings scheitern diese bisher vor allem am westlichen Kriegskurs und nicht an der fehlenden Verhandlungsbereitschaft Russlands [vi].

Der Aufruf für den 25.11. benennt nicht, wer für die „21 Kriege und 216 bewaffnete[n] militärische[n] Auseinandersetzungen“[vii], die gegenwärtig auf der Welt toben, die Hauptverantwortung trägt. Stattdessen zieht man sich auf einen neutralen Standpunkt zurück und distanziert sich sowohl von Russland als auch von der NATO. Doch die meisten der blutigen Konflikte stehen direkt oder indirekt unter dem Einfluss des `politischen Westens`, oder wenden sich gegen seine brutale Vorherrschaft.

Auch im Falle Palästinas ist die treibende Kraft hinter dem Krieg klar zu erkennen: Seit Jahrzehnten ist die palästinensische Bevölkerung einer kolonialen Besatzung ausgesetzt, die vom Westen unterstützt und finanziert wird. Doch in Teilen der Friedensbewegung stößt die Unterstützung Palästinas auf Ablehnung. Erneut wird versucht einen vermeintlich neutralen, vermittelnden Standpunkt einzunehmen und beide Seiten gleichermaßen für den Krieg verantwortlich zu machen. Zum Teil wird sogar die antipalästinensische Regierungshetze unkritisch weitergetragen und der berechtigte Widerstand der Palästinenser als Terrorismus diffamiert. Doch der palästinensische Widerstand ist ein gerechter Kampf gegen koloniale Unterdrückung, der sich nicht zuletzt auch gegen den deutschen Imperialismus richtet. Dieser nutzt Israel als Rammbock gegen die arabische und islamische Welt für die Durchsetzung seiner eigenen Interessen. Es war und ist der `Westen`, der Israels Besatzung seit je her unterstützt und die Verantwortung für die kontinuierlichen Verbrechen trägt. Ebenso ist es der `Westen`, der den Krieg gegen Russland fortsetzen und Russland ruinieren will.

Partei für die Unterdrückten ergreifen!

Der deutsche Imperialismus ist Teil einer globalen Ordnung, deren Existenz materiell von der globalen Ausbeutung der unterdrückten Klassen und Völker abhängt. Um diese ´westliche Ordnung´, die seit Jahrzehnten nur Gewinner und Verlierer kennt, gegen den Widerstand der Massen aufrechtzuerhalten, werden weltweit Kriege geführt, die ganze Völker ins Elend stürzen. Als Friedensbewegung sollten wir diese Tatsache nicht verschweigen, sondern Partei ergreifen und uns an die Seite der unterdrückten Klassen und Völker stellen. Wir müssen eine aktive Rolle in den antiimperialistischen Kämpfen in Deutschland einnehmen und den internationalistischen Charakter dieser Kämpfe verdeutlichen. Dies schaffen wir, indem wir den direkten Zusammenhang zwischen Krieg, Unterdrückung und den gigantischen Profiten der deutschen, französischen oder US-amerikanischen Monopole aufzeigen. Wir müssen herausstellen, dass der Widerstand in Gaza auf derselben Seite im Kampf gegen die NATO und den deutschen Imperialismus steht wie wir. Denn der Kampf gegen diese Weltordnung ist ein gemeinsamer Kampf der unterdrückten Klassen und Völker der Welt. In Deutschland müssen wir uns dafür gegen unseren Hauptfeind stellen, den deutschen Imperialismus sowie die NATO.

Den deutschen Imperialismus entwaffnen: Rheinmetall und Co. enteignen!

Nein zum Krieg heißt nein zur NATO!

Für die Befreiung der unterdrückten Völker – Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand!

[i]https://nie-wieder-krieg.org/

[ii]https://www.fr.de/politik/ukraine-krieg-waffenlieferungen-kiew-usa-deutschland-berlin-scholz-pistorius-92674903.html

[iii]https://dgap.org/de/forschung/publikationen/den-naechsten-krieg-verhindern

[iv]https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-10/pistorius-modernisierung-bundeswehr-kriegsgefahr-europa

[v]https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-11/bundeshaushalt-dfp-sozialkuerzungen-ampelkoalition-urteil-bundesverfassungsgericht

[vi]https://www.berliner-zeitung.de/open-source/ukraine-krieg-wie-die-chance-fuer-eine-friedensregelung-vertan-wurde-li.2159432

[vii]https://nie-wieder-krieg.org/

Eine weitere Niederlage für den Imperialismus?

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Artikel von Paul Oswald

Überblick über aktuelle Analysen zu den politischen Auswirkungen der Al-Aqsa Flut

Am 07. Oktober mit dem Beginn der Al-Aqsa Flut gelang dem palästinensischen Widerstand die bisher größte militärische Offensive seiner mehr als 70-jährigen Geschichte. Unabhängig von den weiteren Einschätzungen zeigen die Ereignisse, erstens, dass der Versuch des Westens und der Besatzungsmacht, Palästina Stück für Stück zu zerstören und politisch zu begraben, gescheitert ist – Palästina ist mit voller Wucht auf die internationale Bühne zurückgekehrt – zweitens, dass der Widerstand zu einem großen Teil einheitlich handelt, damit seine Aktionsfähigkeit gestärkt hat und gesellschaftliche Spaltungen überwindet und drittens, die Schwäche des Besatzerstaats in bisher ungekanntem Ausmaß – das aufgebaute Narrativ der Unverwundbarkeit der Siedlerkolonie ist zerstört. Die Aktion übt des weiteren Druck auf verschiedene Akteure der Region auf, was potenziell Bündniskonstellationen verändert, die politische Landkarte wandelt und eine existenzielle Gefahr für die zionistische Entität bürgt.

Es gibt bisher wenig Debatten über die Einschätzung der Ereignisse und Entwicklung auf größerer Ebene, obwohl es sich offensichtlich um Ereignisse historischen Ausmaßes handelt. Politisch handelt es sich um eine Offensive des palästinensischen Widerstands und um die völlige Offenlegung des politischen Bankrotts der zionistischen Besatzungsmacht, die nur mit Zerstörung reagieren und lediglich mit militärischer Unterstützung der USA überleben kann.

Durch die Entwicklungen wird schnell die Frage aufgeworfen, welche Auswirkungen die Al-Aqsa Flut auf die Region haben wird. Aber auch in welcher Situation sich allen voran der US-Imperialismus befindet und ob die Ereignisse in Palästina bspw. zu einem Strategiewechsel führen könnten. Einige Einschätzungen und Analysen werden hier kurz dargestellt. Dies kann lediglich eine Momentaufnahme darstellen und soll als Aufschlag dienen, für eine kontinuierliche Beschäftigung mit den laufenden Diskussionen.

In den mir bisher bekannten Analysen zeigen sich im Wesentlichen zwei unterschiedliche Linien, was die politische Einordnung der Al-Alqsa Flut hinsichtlich des US-Imperialismus anbelangt:

  1. Die Al-Aqsa Flut bietet den USA die Möglichkeit einer Offensive, die sich übergeordnet gegen die BRICS und die Neue Seidenstraße richtet und dabei vor allem den Iran in das Visier nimmt. Nach dieser Einschätzung haben die USA ein Interesse am Genozid in Gaza und einer Ausweitung der Kampfhandlungen auf die gesamte Region. Vereinfacht nenne ich diesen Argumentationsstrang Offensive des US-Imperialismus.
  2. Die USA haben kein Interesse an einer Ausweitung des Konflikts auf die gesamte Region. Der US-Imperialismus wird von Netanjahu in einen Konflikt hineingezogen, der nicht nur die Zionisten, sondern auch die US-Hegemonie existenziell bedroht und einen nächsten Schritt im globalen Abstieg der USA darstellt. Diese Perspektive fasse ich unter steigender Druck auf US-Herrschaft zusammen.

Während sich die erste Linie vor allem bei Journalisten wiederfindet, die in ihren Veröffentlichungen von einer zunehmend multipolaren Weltordnung ausgehen, lassen sich die Vertreter der zweiten Linie keinem eindeutigen Spektrum zuordnen.

Am Ende dieses Artikels werden noch zusätzliche Artikel dargestellt, die nicht direkt zu einer der beiden Linien zuzuordnen sind, aber dennoch interessante Zusammenhänge darstellen z.B. die Situation der Besatzer, aber auch das Verhalten von Ländern wie Russland zu Palästina.

Offensive des US-Imperialismus

Die weitreichendsten und am sichersten klingenden Einschätzungen, die eine Offensive des US-Imperialismus sehen, habe ich bisher bei The Cradle und Geopolitical Economy von drei Autoren gelesen, die nicht selten zusammen publizieren (Pepe Escobar, Ben Norton und Michael Hudson).

Eindämmung der BRICS

Pepe Escobar setzt die Al-Aqsa Flut in einem Artikel für The Cradle[i] in den Kontext der wachsenden Anzahl an Ländern die in die BRICS+ aufgenommen werden wollen. Die Al-Aqsa Flut böte den USA die Möglichkeit den Druck auf die BRICS+ Staaten zu erhöhen. Der Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate spielen für die BRICS eine Schlüsselrolle bei der Entdollarisierung, dessen Ziel darin besteht den Petrodollar zu umgehen. Von dieser Annäherung der BRICS und den OPEC+ würden die Öl-Staaten enorm profitieren.

Gleichzeitig bestehen seit den 1960er Jahren Pläne den Ben-Gurion-Kanal vom Golf von Aqaba bis zum östlichen Mittelmeer zu bauen. Dieser würde bis zum nördlichen Gazastreifen laufen. Dieser Kanal würde es dem Besatzerstaat ermöglichen, zu einem zentralen Energieknotenpunkt zu werden und den ägyptischen Suezkanal zu verdrängen. Dies passe nach Escobar zu einer möglichen Rolle Israels im Kampf um neue Wirtschaftskorridore, den die USA führen. Escobar nennt beispielhaft den Indien-MidEast Corridor (Imec) als ein solches Projekt.

In diesen Kontext stellt Escobar auch das Auftreten Netanjahus im September bei einer UN-Versammlung, bei welcher er eine Karte des „Neuen Nahen Osten“ präsentierte, auf der Palästina vollständig ausgelöscht war.

Die USA würden derzeit versuchen, die BRICS an zwei Fronten anzugreifen: in Südamerika und in Westasien. In Südamerika durch die Unterstützung Mileis in Argentinien, der versprochen hat die Beziehungen zu Brasilien abzubrechen. In Westasien durch die Erhöhung des Drucks auf Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Annäherung der OPEC+ an die BRICS zu blockieren. Escobar schätzt ein, dass die Biden-Regierung dem Druck aus einem Teil der amerikanischen Bevölkerung nicht nachgeben wird, den Genozid in Gaza zu stoppen. Für Escobar stellen Kriege in Europa und in Westasien die einzige Chance für die USA dar, ein „friedliches Eurasisches Jahrhundert“ zu verhindern.

Fokus auf den Iran

In einem Interview, das Ben Norton mit Michael Hudson führte[ii], schätzt dieser ein, dass die USA Israel so lange antreiben werden, bis die Hisbollah eingreifen werde. Dies würde den USA nicht nur ermöglichen den Libanon anzugreifen, sondern auch den Iran. Aus diesem Grund habe der US-Imperialismus Flugzeugträger und ein Atom-Uboot in der Region stationiert.

Die Angriffe auf Gaza dienen den USA als Vorwand um gemeinsam mit der Besatzerarmee einen syrischen Flughafen zu bombardieren, um zu verhindern das Syrien Waffen an den Libanon senden kann.

Ben Norton führt in dem Interview aus, dass die USA den Plan verfolgt haben, sieben Länder in Nordafrika und Westasien in fünf Jahren zu destabilisieren: Irak, Iran, Libanon, Libyen, Somalia und den Sudan. Der Iran sei das einzige Land, was seitdem nicht völlig zerstört worden wäre. Israel hat bei dieser Politik eine Schlüsselrolle gespielt. Michael Hudson meint, dass die Neocons in den USA davon ausgehen, dass sie keine bessere Chance bekommen würden, den Iran anzugreifen, als sie aktuell haben. Wenn es den USA gelingen sollte, dass Öl im Nahen Osten zu kontrollieren (vgl. Escobars Ausführungen), dann erhielten die USA die Möglichkeit über Energiesanktionen Länder davon abzuhalten, eine eigenständigere Entwicklung zu fördern (Multipolarität). Der Iran habe dies verstanden. Auch China und Russland wüssten, dass es um den Iran ginge. Die Dämonisierung des Irans durch die amerikanischen Medien diene als eine Kriegsvorbereitung.

Auch der amerikanische Ökonom Paul Craig Roberts[iii] spricht davon, dass die USA ein Interesse daran hätten, den Krieg regional auszuweiten und den Iran und Syrien mit einzubeziehen. Roberts meint, dass die israelische Regierung gewusst haben müsse, dass US-Streitkräfte sofort vor Ort sein werden, da sie durch den Angriff auf Gaza sehr verwundbar sind.

Der Kolumnist Sergej Ischtschenko spricht davon[iv], dass sich die Flottenbewegung der USA im Indischen Ozean sich nicht gegen die Hamas, sondern gegen den Iran richten. Auch Ischtschenko spricht davon, dass ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen und der Niederlage in der Ukraine, die Möglichkeit gegen den Iran vorzugehen, wie ein Geschenk für die amerikanische Elite zu sehen sei. Der Iran habe sich trotz militanter Rhetorik bislang faktisch zurückgehalten.

Hasan Illaik[v] (The Cradle) betont ebenfalls, dass die Stationierung amerikanischer Flotten dazu diene, Israel in ihrem militärischen Vorgehen zu ermutigen.

Sicherung des Abschreckungspotenzials

Der französische Autor Thierry Meyssan[vi] stellt das Risiko für die USA an militärischem Abschreckungspotenzial zu verlieren ins Zentrum seiner Argumentation. Die USA befürchten nach einer Niederlage in Syrien und in der Ukraine eine baldige Niederlage in Palästina. Meyssan wirft die Frage auf, wieso Staaten dann weiterhin in Dollar handeln sollten, wenn diese keine Angst mehr vor der amerikanischen Armee haben bräuchten.

Defensive und Schwäche der USA

Im Unterschied zu den oben erwähnten Artikeln, sehen andere Autoren in der Al-Aqsa Flut vor allem eine enorme Schwächung des US-Imperialismus sowie der Zionisten.

Schwächung der amerikanischen Position

Häufig wird sich in Artikeln auf das sogenannten Abraham-Abkommen der USA bezogen. Seit 2020 haben eine Reihe von Staaten ein diplomatisches Dokument unterschrieben, durch welches sich die USA eine Annäherung von Staaten in Westasien und Nordafrika an Israel erhoffen, ohne die Palästinafrage dafür lösen zu müssen. Neben den USA zählen zu den Unterzeichnern Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate, Marokko und der Sudan.[vii]

Abdalljawad Omar schreibt in einem Artikel für Mondoweiss[viii] zu den Abrahmen-Abkommen, dass sie den Versuch der USA darstellten, regionale Bündnisse durch die Normalisierung der Beziehungen zu Israel herzustellen, ohne die Palästinafrage dabei zu lösen und ihre Soft Power zu erhöhen. Dies solle den USA dazu dienen, den militärischen Fokus auf Asien verlagern zu können. Die Situation, dass die Besatzer Verhandlungen ablehnen, sorge dafür, dass militärische Unterstützung notwendig wurde, was für den amerikanischen militärisch-industriellen Sektor eine zusätzliche Belastung neben dem Ukrainekrieg darstelle. Auch wirke sich das israelische Vorgehen auf das amerikanische Bündnissystem aus und schließt US-Soldaten mit ein.

In einem Artikel für Peoples Dispatch schreibt Abdula Rahman[ix] entgegen den Einschätzungen, die bei The Cradle oder Geopolitical Economy zu finden sind, dass viele Länder in Westasien, darunter auch jene, die die sogenannten Abraham-Abkommen unterzeichneten, zum Krieg in Gaza eine klare Position einnehmen und die Zionisten als den Aggressor verurteilen und ein Ende der Besatzung fordern. Die Besuche von Biden und Blinken in der Region führten nicht zu mehr Zuspruch, was die USA erst dazu veranlasst habe, Militär zu entsenden. Die Mehrheit der Regierungen seien dazu übergegangen, ihre Palästinaposition zu überdenken, zum einen durch den Druck durch die Bevölkerung, zum anderen wegen der sich veränderten geopolitischen Lage in der Region. Rahman führt das Beispiel Saudi-Arabien an, die eine Gaza Konferenz ausrichten werden, zu der auch der Iran eingeladen wird.

Ein sehr interessanter Artikel findet sich im Magma-Magazin von Sara Flouders[x]. Sie schreibt, dass die Al-Aqsa Flut den Mythos der „Unbesiegbarkeit“ des Siedlerstaats endgültig zerstört habe. Ähnlich wie Abdula Rahman schätzt Flouders ein, dass die sofortige Reise von Biden und das Versprechen von mehr Waffenlieferungen Ausdruck der Schwere des Schlags seien, den die US-Hegemonie erlitten habe. Der wachsende Zorn im Nahen Osten gegen die USA, haben die Abraham-Abkommen erledigt. Flouders konstatiert, dass die irakischen Raketenangriffe auf die verbleibenden US-Militärbasen, der Territorienverlust in Syrien und der Beschuss aus dem Jemen auf Israel für die strategische Position der USA gefährlich seien. Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass die Tage der Besatzung gezählt seien, da Millionen von Siedlern täglich prüfen würden, wann ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden könne.

Schwächung von alternativen Wirtschaftskorridoren

Im Unterschied zu Pepe Escobar (s.o.) sieht Vijay Prashad[xi] das Vorhaben der USA einen Wirtschaftskorridor von Indien über den Nahen Osten bis Europa (Imec) aufzubauen, durch die Al-Aqsa Flut bedroht. Dieses Vorhaben sei ins Stocken geraten, weil es für Saudi-Arabien und die Vereinigten Emirate undenkbar geworden sei, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren. D.h. im Unterschied zu Escobar, aber auch Michael Hudson, die davon schreiben, dass der Druck auf diese beiden Länder derzeit der entscheidende Punkt sei, schließt Vijay Prashad dies aus. Er zieht den Schluss, dass das Projekt scheitern wird und insgesamt die Wirtschaftssanktionen gegen China fehlschlagen werden.

Oberhand durch Achse des Widerstandes

Interessant in Bezug auf das Endsenden von Flotten durch die USA, sind die Ausführungen des Bloggers SIMPLICIUS THE THINKER[xii]. Er bewertet die Flotten eher als einen Reflex der USA. Mittlerweile komme es fast täglich zu Angriffen auf US-Stützpunkten in der Region. Durch die US-Flotten gehe natürlich eine Gefahr aus, allerdings würden diese eher darauf hindeuten, dass aktuell eher der Iran und die Achse des Widerstandes den Ton angeben würden. Dies steht in Widerspruch zu den oben angeführten Annahmen, wonach sich die Achsenstaaten eher zurückhalten werden. Der Blogger bezieht sich auf die internationalen Erwartungen, die an die Rede von Nasrallah gerichtet wurden: Nach SIMPLICIUS THE THINKER übersähen diejenigen, die lediglich auf ein stärkeres militärisches Eingreifen der Hisbollah hofften, dass die langsame Strategie der Spannung durch zunehmende Versöhnungen in der Region und dem Wachsen von neuen Bündnissen, die vom Iran und der Achse des Widerstands verfolgt wird, dem Westen einen viel größeren Schaden zusetzten.

Fehlendes Interesse an Ausweitung

Trita Parsi beschreibt in einem Artikel für Telepolis[xiii], dass Israel keine Ausweitung des Kriegs anstrebe. Durch eine zweite Front würde sich die Lage für die Besatzer enorm verschlechtern. In dem Artikel wird argumentiert, dass eigentlich kein Akteur von einem Krieg profitieren würde. Die Hisbollah aufgrund der schlechten ökonomischen Lage im Libanon. Gleiches gelte für den Iran. Biden könne sich wegen dem Scheitern in der Ukraine und den wachsenden Spannungen mit China keinen Krieg in Westasien leisten. Auch Ägypten, Syrien, aber auch Saudi-Arabien hätten nichts zu gewinnen durch eine Ausweitung. Die USA stünden unter enormen Druck, dadurch, dass die Hisbollah und potenziell der Iran in den Krieg gezogen werden. Ein direktes Eingreifen der USA in Gaza, oder gegen die Hisbollah oder den Iran würden größere Angriffe auf US-Truppen und Interessen nach sich ziehen. Das aktuelle Vorgehen Bidens, die Hisbollah und den Iran zu warnen, und gleichzeitig Israel aufzufordern, sich nicht zurückzuhalten, werde zu einem Flächenbrand führen. Im Unterschied dazu sei es den USA nach Hasan Illaik[xiv]  gelungen, Israel davon zu überzeugen, seine Ziele zurückzuschrauben und eine geplante umfassende Bodenoffensive verhindern. Seitdem verfolge Israel spezifischere Ziele: die Kontrolle des Nordens und dem äußeren Rand Gazas und die Befreiung von Gefangenen.

Letzte Hoffnung für Netanjahu

James North argumentiert in einem Artikel bei Mondoweiss[xv], im Unterschied zu Trita Parsi, dass es Netanjahu sei, der einen Krieg gegen den Iran provoziere, um dadurch die politische Katastrophe durch den 07. Oktober zu verschleiern. Ein großer Krieg wäre das einzige, das ihn im Amt halten könnte. Aus Norths Sicht und in Abgrenzung zu den obigen Artikeln, hätten die USA kein Interesse an einer Ausweitung des Kriegsgeschehen. In dem Artikel wird angeführt, dass der israelische Diplomat Alon Pinkas davon sprechen würde, dass die USA und Israel wegen der Situation in Gaza in einem Konflikt stünden. North sieht eine Gefahr darin gegeben, dass die israelische Lobby in den USA Netanjahu verteidigt und die Republikaner die Biden-Regierung dafür kritisiere, dass die USA nicht fest genug an der Seite Israel stehe. Dies könne dazu führen, dass Biden der zunehmenden Eskalation Netanjahus in Gaza, aber auch jenen gegen den Iran nachgeben könnte.

Risse in der pro-israelischen Lobby

Der Journalist Saurah Kumar Shahi [xvi] erläutert, dass die internationale Ordnung, welche von den USA geführt wird im Sterben liegt. Dies stellt noch keinen Widerspruch zu den weiter oben angegebenen Positionen dar. In seiner Analyse beleuchtet er einen nicht unwesentlichen Zusammenhang: Er erwähnt, dass die Proteste in Europa und den USA größer würden und dies bedeute, dass es für die Eliten schwieriger werde, die Interessen der pro-israelischen Lobby über die der eigenen Bevölkerung zu stellen. Die Stimmen, die eine Gerechtigkeit für die Palästinenser fordern werden unter den westlichen Eliten lauter. In dem Artikel wird die Einschätzung getroffen, dass die pro-israelische Lobby in der Politik bereits Risse verzeichne. Des zeige sich in europäischen Ländern wie Spanien, Griechenland und Irland, die sich für Palästina aussprechen. Dies sei ein Rückschlag für die pro-israelische Kräfte der jeweiligen Länder.

Weitere Themen

Russlands Rolle

Bezogen auf die Rolle Russlands gibt es unter Analysten sehr divergierende Einschätzungen. Paul Craig Roberts[xvii] spricht beispielsweise davon, dass Putin andere Akteure zurückhalte, damit sich der Krieg nicht ausbreite. Dadurch würde Russland den USA die Oberhand überlassen, wodurch wiederum das Risiko eines Flächenbrandes steige.

Pepe Escobar[xviii] betont hingegen, dass Russland seine neutrale Position verlassen habe. Putin spreche nicht nur eindeutig davon, dass es keine Rechtfertigung dafür gebe, was in Gaza passiere, sondern auch davon, dass es eindeutig sei, dass sich die USA im Abstieg befänden und mit dem Chaos, dass sie verbreiten, versuchen würden, ihre Rivalen einzudämmen. Russland erkenne zwar das Existenzrecht Israels an, allerdings nur so lange eine „faire Lösung auf der Grundlage der UN-Resolution“ garantiert bliebe, wie der russische UN-Abgeordnete deutlich machte.

Wirtschaftliche Situation Israel

Kit Klarenberg[xix] schreibt, dass der Angriff auf Gaza Israel bisher knapp acht Milliarden Dollar gekostet habe und jeden weiteren Tag Ausgaben in Höhe von 260 Millionen Dollar verursache. Mehrere Bauprojekte seien zum Erliegen gekommen, weil die Besatzer keine Palästinenser mehr arbeiten lassen wollen würden. Zusätzlich sei der Tourismus, welcher für die israelische Wirtschaft eine wichtige Stütze darstellt, komplett ausgefallen. Innerhalb des Technologiesektors bahne sich eine Krise an, dessen Ausmaß für die Zionisten noch schwer abzusehen ist. Grund hierfür sei die sich verschlechternde Sicherheitslage. Es wird von Klarenberg eingeschätzt, dass die Al-Aqsa Flut zu einer Schwächung des israelischen Cybersicherheitssektors führen könnte.

In einem früheren Artikel spricht Klarenberg[xx] von einem völligen Versagen des israelischen Geheimdienstes, was britische und amerikanische Think Tanks in Erklärungsnöte brächte. Damit wendet sich Klarenberg gegen Erzählungen, nach denen die Al-Aqsa Flut von Israel zugelassen wurde. Die Offenlegung der Ineffektivität und Anfälligkeit der elektronischen Überwachsungs- und Kriegsführungssysteme durch Guerillaangriffe habe dem Ansehen des milliardenschweren Technologiesektors einen Schlag versetzt. Noch kurz vor Beginn der Operation des palästinensischen Widerstands berichteten israelische Medien über einen enormen Anstieg an Ländern, die im Jahr 2022 Cyberkriegsführungs- und Geheimdienstsysteme von Israel gekauft hatten.

Laut SIMPLICIUS THE THINKER[xxi] führe der Einzug von Reservisten zu einem erhöhten Druck auf die Wirtschaft Israels. Die Einkommen in Israel seien um 1/3 gefallen. Zusätzlich nehmen die Militärausgaben und die Schuldenquote zu. Dies führt den Blogger zu der Frage, wie lang Israel sich militärisch noch Zeit lassen könne. Er beschreibt das militärische Vorgehen als sehr langsam, da Feuergefechte vermieden würden.

In einer Bloomberg Studie[xxii] werden drei Szenarien über mögliche internationale ökonomische Auswirkungen des Kriegs beschrieben. In allen drei Szenarien ist die Wirkungsrichtung dieselbe und lediglich die Intensität variiere: Anstieg der Ölpreise, steigende Inflation und ein langsameres Wirtschaftswachstum.

Schlussbemerkung

Der knappe Überblick verdeutlicht, dass es sich mit der Al-Aqsa Flut um ein entscheidendes Ereignis für die imperialistische Vorherrschaft handelt, unabhängig davon, ob in den Ereignissen eine Offensive des Imperialismus gegen die nach politischer Souveränität strebenden Staaten gesehen wird, oder ob von Zentrifugalkräften ausgegangen wird, die die Region sowie die Imperialisten in einen ungewollten größeren Krieg ziehen.

Eine gewisse Einigkeit scheint für einen Großteil der Analysten darin zu bestehen, dass es auf die eine oder andere Weise einen größeren Krieg in der Region geben wird. Interessant ist hier zu sehen, dass auch diejenigen, die von einer Offensive der USA sprechen, ihre Niederlage bereits heraufziehen sehen. Dies rückt Palästina in das Zentrum der weltweiten antiimperialistischen Kämpfe und der palästinensische Befreiungskampf erhält strategische Bedeutung für antiimperialistische Kämpfe international.


[i] https://new.thecradle.co/articles/why-the-us-needs-this-war-in-gaza

[ii] https://geopoliticaleconomy.com/2023/11/12/why-us-support-israel-geopolitics-michael-hudson/

[iii] https://linkezeitung.de/2023/11/10/wird-der-hamas-israel-konflikt-ausser-kontrolle-geraten/

[iv] https://linkezeitung.de/2023/11/11/revanche-fuer-die-niederlage-in-der-ukraine-vor-dem-hintergrund-der-gaza-krise-bereiten-die-usa-einen-schlag-gegen-den-iran-vor/

[v] https://new.thecradle.co/articles/after-nasrallahs-speech-us-and-israel-escalate-gaza-war

[vi] https://www.voltairenet.org/article219976.html

[vii] https://dgap.org/de/forschung/publikationen/die-abraham-abkommen

[viii] https://mondoweiss.net/2023/11/could-the-war-in-palestine-potentially-undermine-the-u-s-israeli-strategic-partnership/

[ix] https://peoplesdispatch.org/2023/11/10/west-asian-governments-take-assertive-stances-against-israeli-occupation-and-its-crimes/

[x] https://magma-magazin.su/2023/11/sara-flounders/widerstand-in-gaza-zeigt-die-grenzen-der-us-macht-auf/

[xi] https://www.telepolis.de/features/Wie-der-Israel-Krieg-den-Handel-zwischen-Indien-und-Europa-abwuergt-9362495.html

[xii] https://linkezeitung.de/2023/11/11/sitrep-11-10-23-israels-wirtschaft-knickt-ein-russland-bricht-in-avdeevka-durch/

[xiii] https://www.telepolis.de/features/Israel-Gaza-USA-muessen-Waffenstillstand-fordern-um-regionalen-Krieg-zu-verhindern-9335015.html

[xiv] https://new.thecradle.co/articles/the-us-is-fueling-not-avoiding-a-regional-war

[xv] https://mondoweiss.net/2023/11/benjamin-netanyahu-is-using-joe-biden-and-it-will-cost-biden-his-presidency/

[xvi] https://orinocotribune.com/the-genie-has-escaped-the-bottle-the-zionists-dont-know-it-though/

[xvii] https://linkezeitung.de/2023/11/10/wird-der-hamas-israel-konflikt-ausser-kontrolle-geraten/

[xviii] https://new.thecradle.co/articles/russias-public-pivot-to-palestine

[xix] https://new.thecradle.co/articles/blowback-the-gaza-wars-massive-toll-on-israels-economy

[xx] https://new.thecradle.co/articles/israels-intel-failure-is-bad-for-business

[xxi] https://linkezeitung.de/2023/11/11/sitrep-11-10-23-israels-wirtschaft-knickt-ein-russland-bricht-in-avdeevka-durch/

[xxii] https://www.bloomberg.com/news/features/2023-10-12/israel-hamas-war-impact-could-tip-global-economy-into-recession

Das war der Kommunismus-Kongress 2023

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Auf dem diesjährigen Kommunismus Kongress wurde drei Tage intensiv über die aktuellen Aufgaben und Probleme von Kommunisten im internationalen Maßstab diskutiert. Fluchtpunkt der Diskussionen waren dabei der Antiimperialismus, die Klassenkämpfe sowie die nationale Befreiung, um letztlich zu der Frage der politischen Orientierungen in den Kämpfen zu gelangen. 

Mit knapp 300 Gästen aus der deutschen Kommunistischen Bewegung und 22 Referenten, unter anderem aus Russland, Palästina, Griechenland, China, Südkorea und Großbritannien, haben wir diese Fragen der internationalen Arbeiterbewegung offensiv angepackt. Der Kommunismus Kongress konnte ein starkes Signal für den Kampf gegen die NATO und die notwendige Einheit mit antiimperialistischen Bewegungen weltweit senden und zeigen, wie viele Potenziale es in der Kommunistischen Bewegung in Deutschland sowie international gibt. Für uns zeigte sich an dem Kongress deutlich, wie bereichernd es ist, gemeinsame Diskussionen zu ermöglichen und wie wichtig sie für die Zusammenarbeit der Bewegung und den internationalen Austausch sind.

Allerdings wurde an den Podien des Kongresses auch deutlich, dass es keine fest etablierte Streitkultur unter Kommunisten gibt, die sich darauf konzentriert, Standpunkte intensiv zu diskutieren. In der Moderation ist es uns bisher nicht ausreichend gelungen, dieses Muster zu durchbrechen und Diskussionen zielgerichtet und zugespitzt zu führen.

Es wurde klar, dass die kommunistische Bewegung in Deutschland vor drängenden Aufgaben steht. Die Uneinigkeit in der Frage „Was tun?“, also wie dieser Kampf konkret zu führen ist, mit wem, mit welchen Losungen, wie scharf und offensiv, zeigt eine gewisse Schwäche des Kongresses und auch, welche Aufgaben sich aus ihm ergeben. In der internationalen Kommunistischen Bewegung muss eine konsequente antiimperialistische und klassenkämpferische Position herausgearbeitet werden. Wenn die Kommunisten eingreifen, die historische Entwicklung beeinflussen und die Kämpfe organisieren wollen, müssen sie in ihren eigenen Reihen Klarheit herstellen. Sie müssen die Dynamik des internationalen Klassenkampfes verstehen, müssen die Kräfteverhältnisse umfassend und genau studieren, nicht zuletzt in Deutschland. 

Eine Vielzahl der Vorträge kann hier Online nachgehört werden

Die meisten Vorträge gibt’s auch auf unserem Spotify-Kanal nachzuholen.

Politische Relevanz des Kongresses

Der Krieg in der Ukraine, die Kämpfe in Westafrika und die parallel zum Kongress beginnende al aqsa flood drücken größer werdenden Widerstand gegen die imperialistische Expansion und Unterdrückung aus. Die anwachsenden internationalen Konflikte in Europa, Afrika und Westasien stellen die imperialistische Vorherrschaft zunehmend in Frage. Das Fortsetzen des bisherigen Vorgehens scheint für die Imperialisten zunehmend Schwierigkeiten zu bereiten, deren Kontrolle und Lösung immer komplexer werden.

Spätestens mit dem Beginn der Militäroperation Russlands in der Ukraine und der praktischen Frage, wie sich Kommunisten zu diesen Entwicklungen zu stellen haben, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Internationalen Kommunistischen Bewegung. Die politischen Entwicklungen haben der Kommunistischen Bewegung mit Nachdruck eine Reihe an Fragen aufgedrückt, die sich im Zusammenhang mit der Beurteilung des russischen Vorgehens als eine gerechtfertigte Verteidigungsmaßnahme oder aber als imperialistischen Angriffskrieg stellen. Diese Fragen umfassen das Verständnis des Imperialismus im Allgemeinen sowie die Frage nach dem Charakter der Ausplünderung von unterdrückten Ländern durch die Imperialisten. Auch Fragen zur internationalen Wirkung Chinas sowie zum Verhältnis der USA zu ihren europäischen Verbündeten wie der BRD, Großbritannien und Frankreich können exemplarisch als Gegenstand dieser Auseinandersetzungen genannt werden.

Die Streitfragen innerhalb der Internationalen Kommunistischen Bewegung führten zu einer zunehmenden Polarisierung und auch Spaltung. Die zwei Resolutionen des 22. Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien im Oktober 2022 zeigen die weitauseinanderliegenden Positionen und verdeutlichen das Fehlen einer gemeinsamen internationalen Kraft. Spaltungen von Organisationen wie dem RKSM(b) oder die vor kurzem stattgefundene einseitige Auflösung der Europäischen Initiative durch die KKE veranschaulichen die zugespitzte Lage. Auch wir als KO sind von dieser Dynamik nicht unberührt geblieben. Die internen Debatten sowie der erhöhte gesellschaftliche Druck durch Politik und Medien führten letztlich zu einer Zersetzung der Organisation entlang der Imperialismus- und Kriegsfrage.

Als KO haben wir entschieden, uns eindeutig gegen den NATO-Kriegskurs zu positionieren, die Debatten in der Kommunistischen Bewegung ernst zu nehmen und unsere Arbeit so auszurichten, dass eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Diskussionen möglich bleibt. Auf diese Weise möchten wir einen Beitrag zur Stärkung der Bewegung leisten. Dies schließt auch eine verstärkte Zuwendung zu internationalen Kämpfen ein, die überhaupt erst eine politische Auseinandersetzung mit den strittigen Fragen ermöglicht. Neben den Fragen rund um die Einschätzung des Kriegs in der Ukraine kamen neue Themen hinzu, wie etwa die Bedeutung und Geschichte des Antiimperialismus. Der Kommunismus-Kongress stellte eine wichtige Etappe für unsere Entwicklung dar, um die aufgekommenen Fragen öffentlich zu diskutieren.

Phase der Umbrüche?

Auf dem Kongress zeigte sich zwischen den Teilnehmern und Referenten eine große Einigkeit in der Einschätzung der internationalen politischen Lage. Gleich zu Beginn des Kongresses, auf einem spontanen Podium am Freitagabend, betonte Stephan Cho von der People’s Democracy Party aus Südkorea die akut drohende Kriegsgefahr, die vom US-Imperialismus gegenüber China ausgeht. Seiner Einschätzung nach könnten Südkorea oder Taiwan den Ausgangspunkt für militärische Aggressionen darstellen. Joti Brar von der Kommunistischen Partei Großbritannien (Marxistisch-Leninistisch) fasste die Entwicklungen folgendermaßen zusammen: „Es ist jetzt völlig klar, dass dieser Weltkrieg, der begonnen hat und sich noch vertiefen und ausweiten wird, im Grunde ein Aufeinandertreffen zwischen den Kräften des Imperialismus auf der einen Seite und den Kräften des Antiimperialismus und der nationalen Befreiung auf der anderen Seite ist. Und wir sind darauf angewiesen, dass die letztgenannte Seite gewinnt.“ Dimitrios Patelis (World Antiimperialist Platform) setzte in seinem Samstagnachmittagsvortrag den Diskurs fort, und es folgte eine Diskussion über die Aufgaben und Schwierigkeiten in der Internationalen Kommunistischen Bewegung. Diese Debatte wurde auch von Joti Brar in ihrem Vortrag am Sonntag wieder aufgegriffen.

Das Podium am Samstagmittag mit Arnold Schölzel (DKP), Dimitrios Patelis und Jörg Kronauer (Journalist) stellte heraus, dass die internationalen Entwicklungen seit der Finanzkrise von 2008 die globale Dominanz der imperialistischen Länder infrage gestellt haben. Weltweit zeichnen sich klare Konfliktlinien durch zunehmenden Widerstand gegen das bestehende imperialistische System ab. Der Krieg in der Ukraine spielte eine entscheidende Rolle als Katalysator für diese Entwicklung und beschleunigt die Dynamik. Arnold Schölzel betonte die Notwendigkeit für Kommunisten, ihren Fokus wieder stärker auf den Charakter der gegenwärtigen Epoche zu lenken. BRICS, G77 oder CELCA signalisieren: Die allgemeine Krise des Imperialismus hat einen Punkt erreicht, an dem die reale Möglichkeit besteht, das ‚kolumbianische Zeitalter‘ zu beenden. Die Entwicklungen in den unterdrückten Ländern sind dabei nicht in Stein gemeißelt, und die Gefahr von Rückschlägen bleibt bestehen. An der Grundtendenz der Entwicklung, dem Abstieg des Imperialismus, ändere dies aber nichts, so Schölzel. 

Jörg Kronauer machte auf dem Podium deutlich, dass die USA den Krieg in der Ukraine nutzen, um eine Spaltung zwischen Deutschland und Russland voranzutreiben. Dabei zielten sie darauf ab, Deutschland in den Bereichen Energie und Rüstung verstärkt unter die Abhängigkeit des US-Imperialismus zu bringen. Trotz der klar erkennbaren wirtschaftlichen Kollateralschäden habe der deutsche Imperialismus ein starkes eigenständiges Interesse an der Unterwerfung Russlands. Es wurde im weiteren Verlauf des Kongresses deutlich, dass unter den Teilnehmern Uneinigkeiten und Fragen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem US- und dem deutschen Imperialismus bestehen. Dass diese Uneinigkeit große Auswirkungen auf die politischen Kampforientierungen hat, verdeutlichten spätere Diskussionen über Bündnisorientierung, der Charakterisierung und der Rolle der deutschen Bourgeoisie sowie Kampflosungen, die als Bündnisgrundlagen dienen sollten. 

Die Einschätzung des deutschen Imperialismus zog sich durch einige Programmpunkte des Kongresses. Im Kolloquium über Deutschlands Rolle im Ukraine Krieg von der KO wurde die Diskussion vertieft und über die deutschen Interessen im Krieg gegen Russland sowie das Verhältnis zu den USA debattiert. Dabei wurde hervorgehoben, dass weder von einer einseitigen Vasallenrolle noch von einem vollständigen Konkurrenzkampf mit den USA in der Ukraine gesprochen werden kann. Andreas Wehr (Marx-Engels-Zentrum Berlin) ging in seinem Vortrag ausführlicher auf den deutschen Imperialismus und die Rolle der EU für seinen Expansionismus ein. In diesem Zusammenhang wurden sowohl Potenziale als auch Hindernisse durch die EU beleuchtet. Die zunehmende Faschisierung der deutschen Politik sowie der größer werdende Bellizismus war Gegenstand von Bahmans Shafigh’s (Tadarok) Vortrag

Kämpfe verstehen und orientieren. Aber wie?

Die Podien am Samstagabend sowie am Sonntagmittag sendeten ein starkes politisches Signal. Die grundlegende Einigkeit bestand darin, entschlossen und unnachgiebig für die Niederlage der NATO zu kämpfen. Äquidistante Positionen, die weltweit in verschiedenen Ausprägungen von einigen Vertretern in der kommunistischen Bewegung vertreten werden, positionieren sich, ob gewollt oder nicht, zwangsläufig im Lager des Imperialismus und verkennen die Hauptausrichtung, die der Kampf der unterdrückten Völker und der weltweiten Arbeiterbewegung einnehmen muss.

Während das neu aufflammende Selbstbewusstsein der antiimperialistischen Bewegung, zu dem auch der Durchbruch des palästinensischen Widerstands gehört, die Potenziale für den Kampf gegen den Imperialismus und den weltweiten Klassenkampf kraftvoll verdeutlicht, sind die reaktionären und faschistischen Tendenzen, die die blutige Geschichte der NATO-Imperialisten prägen, ebenso klar vor unseren Augen erkennbar, sei es in der Ukraine oder in Palästina.

In den Vorträgen am Samstagvormittag und -nachmittag sowie am Sonntag wurde umfassender auf den Antiimperialismus und die nationale Befreiung eingegangen. Dabei wurden verschiedene Länder und Weltregionen betrachtet. Alexej Albu (Borotba, Ukraine) bot einen Einblick in die Frage nach der Rolle der Eingliederung der Volksrepubliken durch Russland und ihre Bedeutung für die Kämpfe und Entwicklungen in der Ostukraine. Im Kolloquium der KO über die Charakterisierung des russischen Kapitalismus wurden die Arbeitsergebnisse einer Gruppe von Genossen diskutiert, die sich mit der historischen Entwicklung des russischen Kapitalismus nach der Konterrevolution beschäftigten. Der Krieg in der Ukraine war aus kriegstheoretischer und militärpraktischer Perspektive Gegenstand in Pit Simons (Partei die Linke) und Ingo Höhmanns (Oberstleutnant der NVA a.D.) Vortrag. Sabine Kebir (Autorin) gab mit einem umfassenden Überblick eine Einschätzung über die Lage im Nahen Osten und Afrika. Tinks Chak (Dongsheng News, China) referierte über die chinesische Armutsbekämpfung, die Rolle der Kommunistischen Partei sowie die Massenmobilisierung. 

In den Podien am Samstag und Sonntag wurden eine Reihe von Fragen und Probleme deutlich, die aufzeigen, welche Arbeit wir noch zu tun haben, um uns als Kommunisten orientierend an die Spitze von Klassenkämpfen stellen zu können. Dies betrifft zum einen die Frage der Einschätzung des deutschen Imperialismus und sein Verhältnis zu den USA. Einigkeit besteht in den Gefahren, die von den westlichen Imperialisten ausgeht, wie die drohende Faschisierung in Deutschland. Allerdings zeigten sich deutliche Unterschiede in den Versuchen der strategischen Übersetzung dieser Situation: wie kämpfen wir gegen die NATO-Aggression und wer sind unsere Bündnispartner in diesem Kampf? Es geht also um die Bestimmung unseres Kampffeldes. Willi Langenthaler sowie Klaus Hartmann vertraten eine Position der extremen Abhängigkeit des deutschen Imperialismus und der Notwendigkeit einer möglichst breiten gesellschaftlichen Front gegen die NATO, über politische Grenzen hinweg. Es wurde darüber diskutiert, ob unter den Begriffen ‚Nieder mit der NATO‘ oder ‚Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus‘ eine solche Front entstehen könnte. Diese könnte es Kommunisten ermöglichen, Rechte vor sich herzutreiben und zu entlarven. Dem stand jedoch die Annahme entgegen, dass Rechte durch ihre gefährliche integrative Funktion in den Kriegskurs der bestehenden Parteien die kommunistische Bewegung leicht instrumentalisieren und weiter schwächen könnten.

Diese unterschiedlichen Einschätzungen zeigten sich auch während des Abschlusspodiums des Kongresses. Klaus Hartman sprach beispielsweise davon, dass es objektiv etwas Positives wäre, wenn die AfD sich gegen den Krieg, Sanktionen und den antirussischen Rassismus aussprechen würde. Dies könnte in der Öffentlichkeit signalisieren, dass auch die Möglichkeit besteht, sich anders zu artikulieren als die etablierten Parteien. Auf der Straße müsste es unsere Aufgabe sein, diese Kräfte zu entlarven, dafür müssten wir sie aber vor uns hertreiben und Berührungsängste verlieren. Harri Grünberg stellte eine breite Massenpartei als wichtigste Aufgabe in Deutschland ins Zentrum. Auf einer antimonopolistischen Grundlage müssten sich weite Teile sammeln und die Aufgabe der Kommunisten müsse darin bestehen, die sozialdemokratischen Tendenzen in diesem Zusammenhang zu bekämpfen. Nur so könne es gelingen, einen Masseneinfluss in Deutschland zu gewinnen. Susann Witt-Stahl wies auf die Gefahr hin, dass durch das Fehlen einer klaren Definition von Faschismus die Kräfteverhältnisse nicht richtig eingeschätzt werden könnten. Dadurch könnten Parolen wie ‚Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus‘ als Bündnisgrundlage in den praktischen Kämpfen ins Gegenteil umschlagen.

Antiimperialistischer Kampf ganz praktisch

Die Rolle und der Charakter von nationalen Befreiungsbewegungen waren Gegenstand des Grundlagenworkshops zur Nationalen Frage und zum Neokolonialismus. Dabei wurde gemeinsam über Texte von Stalin, Mao sowie Nkrumah diskutiert. Thematisiert wurde die Frage der Nation, die Unterstützung von Unabhängigkeitsbewegungen durch Kommunisten und der Zusammenhang zwischen nationaler Befreiung und dem Kampf für den Sozialismus. Hans Bauer (DKP und grh) gab einen genaueren Einblick über die Diskussionen in der DDR über den Kampf um nationale Unabhängigkeit und der Rolle der sozialistischen Staaten für die Befreiungsbewegungen. 

Zaid Abdulnasser ehemaliges Mitglied von Samidoun veranschaulichte in seinem Vortrag die Gewalt, die dem palästinensischen Widerstand entgegengebracht wird: Wer den Kampf gegen diese gut organisierten Verbrecher aufnimmt, wer sich den Kriegstreibern der NATO entgegenstellt, muss mit Isolation und Repression rechnen. Der wird lächerlich oder verächtlich gemacht. Wer für die Freiheit der Unterdrückten kämpft, wird mit ihrem Gesetzesapparat verfolgt. 

Der enorme politische Druck der pro-zionistischen deutschen Politik versucht, jede Form der Solidarität mit dem gerechten Kampf des palästinensischen Volkes im Keim zu ersticken. Nicht ohne Grund hob Susann Witt-Stahl auf dem Abschlusspodium des Kongresses die Verantwortung der sogenannten Antideutschen für die tiefe Verankerung pro-imperialistischer Positionen im Lager linker Organisationen und der Gewerkschaften nach der Konterrevolution hervor. Die Reaktion linker Kreise auf den Angriffskrieg Jugoslawiens und auch des Krieges gegen Russland haben diese Tendenz weiter verschärft.

Der Kommunismus Kongress 2023 hat deutlich und scharf dagegen gehalten, ein unmissverständliches Signal der Solidarität mit dem kämpfenden palästinensischen Volk und den den unterdrückten Völkern weltweit gesendet. Nicht zuletzt haben wir das in unserer Kongress-Resolution verdeutlicht:

Der Kampf gegen die imperialistischen Unterdrücker ist ein internationaler Kampf, es muss ein gemeinsamer Kampf der unterdrückten Völker und der Arbeiterklasse in den imperialistischen Zentren sein.

Wir wissen, dass die Herrschenden in den Zentren alle Mittel des Terrors und der Vernichtung gegen unsere Genossen in den unterdrückten Ländern anwenden. Viele Freiheitskämpfer fielen ihren Meucheltaten zum Opfer. Und auch heute werden viele verfolgt und mit dem Tode bedroht.

Der Kommunismus-Kongress sendet internationalistische Grüße an alle Kämpfer gegen Kolonialismus, Unterdrückung und Imperialismus.

Es lebe die internationale Solidarität — die Zärtlichkeit der Völker! 

Impressions of the Communism Congress 2023

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At this year’s Communism Congress, the current tasks and problems of communists on an international scale were discussed intensively for three days. The focal points of the discussions were anti-imperialism, class struggle, national liberation, and ultimately the question of political orientation in these struggles. 

With almost 300 guests from the German Communist movement, 22 speakers from Russia, Palestine, Greece, China, South Korea and Great Britain, among others, we tackled these questions of the international workers‘ movement head-on. The Communism Congress was able to send a strong signal for the fight against NATO, for the necessary unity with anti-imperialist movements worldwide, and show how much potential there is in the Communist movement in Germany and internationally. The congress made it clear to us how worthwhile it is to facilitate collective discussions. It became evident that more time for such exchange and discussion would be important in the future and that an intensification of international exchange and cooperation would develop the movement. The panels at the congress showed that there is no established culture of debate among communists, through which concentrated efforts are made to wrestle with different positions. In the moderation, we were not yet successful enough in breaking this up and bringing discussions to a head.

It became clear that the communist movement in Germany is facing some urgent tasks. The disagreement on the question „What to do?“, i.e. how this struggle is to be waged concretely, with whom, with which slogans, how sharply and offensively, shows a certain weakness of the congress and which tasks result from it. In the international communist movement, a consistent anti-imperialist and class-struggle position must be worked out. If the communists want to intervene, influence historical development, and orient the struggles, they must generate clarity in their ranks. They must understand the dynamics of the international class struggle and study the balance of forces comprehensively and precisely, not least of all in Germany.

Many of the presentations can be listened to online here (several in English):

Also on our Spotify-channel:

Political relevance of the congress

The war in Ukraine, the fighting in West Africa, and the al aqsa flood, which began parallel to the congress, are expressions of growing resistance to imperialist expansion and oppression. The growing international conflicts in Europe, Africa and West Asia are increasingly calling imperialist domination into question. Continuing with business as usual seems to be creating more and more complex and difficult problems for the imperialists to control and solve.

At the latest with the start of Russia’s military operation in Ukraine and the practical question of how communists should position themselves in relation to these developments, there have been fierce disputes within the International Communist Movement. Political developments have forcefully imposed a series of questions on the Communist movement that arise in conjunction with the assessment of the Russian action as a justified defensive measure or as an imperialist war of aggression. These include the understanding of imperialism in general and the question of the character of the plundering of oppressed countries by the imperialists. Questions about the international impact of China, as well as the relationship between the USA and its European allies such as Germany, Great Britain and France, are also examples of these debates.

The disputes within the International Communist Movement led to increasing polarization and division. The two resolutions of the 22nd meeting of the Communist and Workers‘ Parties in October 2022 show the widely divergent positions and illustrate the lack of a collective international force. Splits in organizations such as the RKSM(b) or the recent unilateral dissolution of the European Initiative by the KKE illustrate the aggravated situation. We as KO have not remained unaffected by this dynamic and the debates and the increased social pressure from policymakers and the media have ultimately led to a disintegration of the organization along the lines of the imperialist and war question.

As KO, we have taken the path of clearly opposing the NATO war course, taking the debates of the communist movement seriously, and orienting our work in such a way that intensive engagement with the debates remains possible with a view to making a small contribution to the movement. This also includes a stronger orientation towards international struggles, which is what made political work on contentious issues possible in the first place. In addition to the questions surrounding the assessment of the war in Ukraine, new questions arose, such as the significance and history of anti-imperialism. The Communism Congress represented an important stage in our development at which we were able to publicly discuss the questions that had arisen.

A phase of upheaval?

At the congress, the participants and speakers showed considerable unity in defining the international political situation. Right at the beginning of the congress, on a spontaneous podium on Friday evening, Stephan Cho from the People’s Democracy Party from South Korea emphasized the acute threat of war emanating from US imperialism against China. In his opinion, South Korea or Taiwan would be the starting point for military aggression.  Joti Brar of the Communist Party of Great Britain (Marxist-Leninist) summarised the developments as follows: „It is now absolutely clear that this world war, which has begun and will deepen and widen, is basically a clash between the forces of imperialism on the one side and the forces of anti-imperialism and national liberation on the other. And we are dependent on the latter side winning.“ Dimitrios Patelis (World Antiimperialist Platform) picked up on this in his lecture on Saturday afternoon in which the tasks and problems of the international communist movement were discussed. Joti Brar also resumed the debate in her lecture on Sunday.

The panel on Saturday afternoon with Arnold Schölzel (DKP), Dimitrios Patelis and Jörg Kronauer (journalist) emphasized that international developments since the 2008 financial crisis have called into question the global dominance of the imperialist countries. Internationally, lines of conflict are becoming clearer due to growing resistance to the existing imperialist system The war in Ukraine was an important catalyst, and accelerator of this dynamic. Arnold Schölzel emphasized that we as communists must focus more strongly on the character of the epoch. BRICS, G77 or CELCA signal: the general crisis of imperialism has reached a point where there is a real possibility of ending the „Columbian age“. The developments in the oppressed countries are not fixed and the danger of setbacks remains. However, this does not mean that this changes the basic trend of development: the decline of imperialism.

Jörg Kronauer argued on the podium that the USA had used the war in Ukraine to drive a wedge between Germany and Russia and to force Germany into greater dependence on US imperialism in the areas of energy and armaments. Despite the clearly recognizable economic collateral damage, German imperialism has a strong independent interest in the subjugation of Russia. As the congress progressed, it became clear that disagreements and questions remained between the participants regarding the relationship between US and German imperialism. Later discussions on alliance orientation, the characterization and role of the German bourgeoisie as well as slogans to serve as a basis for alliances made it clear that these disagreements had a major impact on the political orientation of the struggle. 

The assessment of German imperialism ran through several items on the congress program. In the colloquium on Germany’s role in the Ukraine war organized by the KO, the discussion was taken up in depth and German interests in the war against Russia and its relationship with the USA were debated. It was made clear that neither a one-sided vassal role nor a fully-fledged competition with the USA can be spoken of in Ukraine. In his presentation, Andreas Wehr (Marx-Engels-Zentrum Berlin) went into more detail on German imperialism and the role of the EU in its expansionism. The potential but also the obstacles of the EU were highlighted. Bahmans Shafigh’s (Tadarok) lecture focused on the increasing fascization and growing bellicism of German politics.

Understanding and orienting struggles. But how?

The podiums on Saturday evening and Sunday afternoon sent a strong political signal. The basic consensus was to fight resolutely and relentlessly for the defeat of NATO. Positions that express equidistance in various forms, such as those held by some representatives of the worldwide communist movement, necessarily place themselves, whether they like it or not, in the camp of imperialism and fail to recognize the main direction that the struggle of the oppressed peoples and the worldwide workers‘ movement must take. While the newly inflamed self-confidence of the anti-imperialist movement, within which the breakthrough of the Palestinian resistance can also be understood, is a powerful illustration of the opportunities for the struggle against imperialism and the global class struggle, the reactionary and fascist tendencies that characterize the bloody history of the NATO imperialists are just as evident now in the Ukraine as they are in Palestine.

Lectures on Saturday morning and afternoon, as well as on Sunday, dealt more comprehensively with anti-imperialism and national liberation, looking at different countries and regions of the world. Alexei Albu (Borotba, Ukraine) offered an insight into the role of the incorporation of the People’s Republics by Russia and their significance for the struggles and developments in eastern Ukraine. In the KO colloquium on the characterization of Russian capitalism, the results of the work of a group of comrades dealing with the historical development of Russian capitalism after the counter-revolution were discussed. The war in Ukraine was the subject of Pit Simon’s (Party of the Left) and Ingo Höhmann’s (retired NVA lieutenant colonel) presentation from the perspective of war theory and military practice. Sabine Kebir (author) gave a comprehensive overview of the situation in the Middle East and Africa. Tinks Chak (Dongsheng News, China) spoke about the Chinese fight against poverty, and the role of the Communist Party and mass mobilization.

In the podiums on Saturday and Sunday, a number of questions and problems became apparent that show what work we still have to do in order to be able to place ourselves as communists at the forefront of class struggles. On the one hand, this concerns the question of the assessment of German imperialism and its relationship to the USA. There was agreement on the dangers posed by the Western imperialists and also on the threat of fascization in Germany. However, there were clear differences in the attempts to strategically translate this situation: how do we fight against NATO aggression and who are our allies in this struggle? It is therefore a question of defining our field of struggle. Willi Langenthaler and Klaus Hartmann advocated a position that assumes the extreme dependence of German imperialism and the need for the broadest possible social front against NATO, across political boundaries, and discussed whether such a front could emerge under the labels „down with NATO“ or „never again war and never again fascism“, on the basis of which communists could push and expose right-wingers? Or is it rather the case that they play a dangerous integrative function for a similar course of war to that of established parties and that our weak roots make us more likely to become a pawn of the right through such broad alliances?

These different assessments were also evident during the closing panel of the congress. Klaus Hartman, for example, said that it was objectively a good thing if the AfD spoke out against the war, sanctions and anti-Russian racism. This would signal to the public that there is also the possibility of articulating oneself differently from the established parties. It should be our task on the streets to expose these forces, but to do so we would have to herd them forwards and lose our fear of contact. Harri Grünberg focused on a broad mass party as the most important task in Germany. Broad sections would have to rally on an anti-monopolistic basis and the task of the communists would have to be to combat social democratic tendencies in this context. This alone would make it possible to gain mass influence in Germany. Susann Witt-Stahl pointed out the dangers of not being able to correctly assess the balance of power due to the lack of a concept of fascism. As a result, slogans such as „never again war and never again fascism“ as a basis for alliances would turn into their opposite in practical struggles.

Anti-imperialist struggle in practice

The role and character of national liberation movements was the subject of the foundation workshop on the national question and neo-colonialism. The participants discussed texts by Stalin, Mao and Nkrumah, the question of the nation, the support of independence movements by communists and the connection between national liberation and the struggle for socialism. Hans Bauer (DKP and grh) gave a more detailed insight into the discussions in the GDR about the struggle for national independence and the role of the socialist states for the liberation movements.

Anyone who takes up the fight against these well-organized criminals, who opposes the warmongers of NATO, must expect isolation and repression. They will be mocked or vilified. Anyone who fights for the freedom of the oppressed will be persecuted by their legal apparatus. In his presentation at the congress, Zaid Abdulnasser from Samidoun described starkly the violence that is being used against the Palestinian resistance. 

The massive political pressure of pro-Zionist German politics is trying to nip any movement of solidarity with the just struggle of the Palestinian people in the bud. It was not without reason that Susann Witt-Stahl emphasized on the closing podium of the congress the responsibility of the so-called anti-Germans for the deep anchoring of pro-imperialist positions in the camp of left-wing organizations and the trade unions after the counter-revolution. The reaction of left-wing circles to the war of aggression in Yugoslavia and the war against Russia have further exacerbated this tendency.

The Communism Congress 2023 has clearly and sharply opposed this, sending an uncompromising signal of solidarity with the struggling Palestinian people and oppressed peoples worldwide. Last but not least, we made this clear in our congress resolution:

The fight against the imperialist oppressors is an international struggle, it must be a common struggle of the oppressed peoples and the working class in the imperialist centers. We know that those in power in the centers use all means of terror and destruction against our comrades in the oppressed countries. Many freedom fighters fell victim to their assassinations. And even today many are persecuted and threatened with death.

The Communism Congress sends internationalist greetings to all fighters against colonialism, oppression and imperialism.
Long live international solidarity – the tenderness of peoples!

Together against the rehabilitation of fascism!

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Statement on 9 November 2023

100 years after the failed Hitler putsch and 85 years after the Reichspogromnacht, Germany has supposedly democratically overcome its fascist past and can therefore once again „show responsibility in the world“ by supporting a genocide.

Genocide in the name of the Holocaust

From the first day of the Bonn Republic, the successor state to Hitler’s Germany, the ruling class worked to turn the lesson of 12 years of the blackest reaction „Never again war and fascism“ into its opposite. With the „turn of an era“ („Zeitenwende“) propagated today, German imperialism has launched a major ideological attack that goes beyond the dismantling of anti-fascism and has gone over to openly rehabilitating fascism. 100 years after the Hitler putsch and 85 years after the Reichspogromnacht, the key word givers of German great power ambitions have succeeded in developing a justification ideology for the next attempt at militarism and reaction from so-called German remembrance culture.

The systematic mass murder of millions of Jews has been part of the standard repertoire of German war propaganda since the invasion of Serbia in 1999 at the latest. It is used to beat the war drum for new campaigns and genocides – in the name of „democracy and freedom“. In this way, the Holocaust is relativised and instrumentalised for the implementation of German war policy.

While German and Israeli fighter jets thunder over Dachau to commemorate the Holocaust, the next genocide in Gaza is being supported in the name of this genocide. Disinhibited from any restraint, the annihilation of Palestinian resistance is invoked. Jews around the world who oppose the instrumentalisation of the Holocaust as a justification for ongoing crimes against the Palestinian population are being attacked and defamed. When it comes to the latest large-scale colonial crime in the 21st century, Germany knows no parties[1]. In the name of the Holocaust, genocide is once again German raison d’état.

Jews were declared non-Germans and destroyed or instrumentalised

Zionism, which originated as a European colonial project, went hand in hand with the expulsion of the Jews from Europe. Today, it is celebrated as the appropriate response to the crimes of Hitler’s Germany. Yet this is where the true ugly face of anti-Semitism is revealed. The terrible fate of the Jews was exploited for imperialist superpower interests in the Middle East after the failure to destroy the Soviet Union. The lack of prospects for thousands of Jews was exploited to lock them up in internment camps and deport them to Palestine, where the Zionist movement was already preparing the next ethnic cleansing and carrying it out with the help of the imperialist centres. Anti-Semitism thus found a new practical opportunity in Zionism: in the name of a Jewish state as a safe haven against anti-Semitism, the denaturalisation of Germans of Jewish faith was put into practice – and this directly after the defeat of German fascism.

It is this colonial movement that Germany unconditionally supports in the genocide of the Palestinians committed by this colonial movement in the name of democratically overcoming its genocide against the Jews.  

Export hit fascism

It is not only the redemption of German imperialism from its criminal history that is part of the turning point. Support for fascist regimes is also becoming indispensable for maintaining the hegemony of Germany and its Western allies in the face of growing anti-imperialist movements in the world. Ukraine and Israel, as battering rams of imperialism in Eastern Europe and the Arab world, rule through the support of Western finance capital with openly fascist methods.

In countries where there is a struggle for national liberation or where further economic and military expansion is not possible, resorting to fascist forms of rule is a tried and tested means of imperialism.

The historical support for Stepan Bandera in Ukraine and Meir Kahane’s pro-Zionist racial ideology is still paying off today. The fascist movements built up at that time were deliberately developed into state-supporting elements in order to break the anti-imperialist resistance in Palestine and the Donbass. To this end, they are also financed and armed from Berlin, their inhuman attitudes are whitewashed and presented to the public as saviours of democracy.

Western arrogance of values – the womb is still fertile

The Western community of values is moving closer together to form a liberal national community, using blunt fascist rhetoric in the process. The response to the struggles of the oppressed peoples is an arrogant and racist ideology of the master race, which paints a picture of uncivilised barbarians with a penchant for violence. At the same time, the goal of military dominance and the firm stranglehold of German imperialism in the regions is disguised as a progressive commitment to minorities and women’s rights. Propagandistically, left-liberal individualism and fascist chauvinism go hand in hand. A culture war sparked by those in power serves xenophobic agitation and war propaganda.

Then as now: Fight imperialist German-Europe!

On its way back to its former strength, Germany is rehabilitating fascism and supporting it unconditionally on the front lines of German Europe’s imperialist policy. This goes hand in hand with the complete distortion and defamation of the historical crimes of German fascism in favour of intensified ideological preparations for war.

Fight the decomposition and softening of anti-fascism! Never again fascism and war! Together against the rehabilitation of fascism!


[1] Wilhelm II, German Emperor said in the Reichstag when he started World War I that he only knows Germans and no more different parties – happy to see the consent of the Social Democrats to war credits.

Gemeinsam gegen die Rehabilitierung des Faschismus!

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Stellungnahme zum 9. November 2023

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100 Jahre nach dem Hitlerputsch und 85 Jahre nach der Reichspogromnacht hat Deutschland seine faschistische Vergangenheit angeblich demokratisch bewältigt und kann deshalb durch Unterstützung eines Völkermords erneut  „Verantwortung in der Welt zeigen“.

Völkermord im Namen des Holocausts

Ab dem ersten Tag der Bonner Republik, dem Nachfolgestaat Hitlerdeutschlands, arbeitete die herrschende Klasse daran, die Lehre aus 12 Jahren schwärzester Reaktion „Nie wieder Krieg und Faschismus“ in ihr Gegenteil zu verkehren. Mit der heute propagierten „Zeitenwende“ hat der deutsche Imperialismus einen ideologischen Großangriff eröffnet, der über die Demontage des Antifaschismus hinaus geht und dazu übergegangen ist, offen den Faschismus zu rehabilitieren. 100 Jahre nach dem Hitlerputsch und 85 Jahre nach der Reichspogromnacht ist es den Stichwortgebern deutscher Großmachtambitionen gelungen, aus so genannter deutscher Erinnerungskultur eine Rechtfertigungsideologie für den nächsten Anlauf zu Militarismus und Reaktion zu entwickeln.

Der systematische Massenmord an Millionen Juden gehört spätestens seit dem Überfall auf Serbien 1999 zum Standardrepertoire der bundesdeutschen Kriegspropaganda. Er wird genutzt, um die Kriegstrommel für neue Feldzüge und Völkermorde- im Namen von „Demokratie und Freiheit“- zu rühren. Damit wird der Holocaust relativiert und für die Durchsetzung deutscher Kriegspolitik instrumentalisiert.

Während anlässlich eines Holocaustgedenkens deutsche und israelische Kampfjets über Dachau hinwegdonnern, wird im Namen dieses Völkermordes der nächste Völkermord in Gaza unterstützt. Von jeder Zurückhaltung enthemmt, wird die Vernichtung des palästinensischen Widerstands beschworen. Juden auf der ganzen Welt, die sich gegen die Instrumentalisierung des Holocausts als Rechtfertigung für andauernde Verbrechen gegen die palästinensische Bevölkerung stellen, werden angefeindet und diffamiert. Was das neueste großangelegte Kolonialverbrechen im 21. Jahrhundert angeht, kennt Deutschland keine Parteien. Im Namen des Holocaust ist Völkermord aufs Neue deutsche Staatsräson.

Juden wurden zu Nicht-Deutschen erklärt und vernichtet oder instrumentalisiert

Der Zionismus, entstanden als europäisches Kolonialprojekt, ging einher mit der Vertreibung der Juden aus Europa. Er wird heute als die angemessene Antwort auf die Verbrechen Hitlerdeutschlands gefeiert. Dabei offenbart sich hier die wahre hässliche Fratze des Antisemitismus. Das furchtbare Schicksal der Juden wurde ausgenutzt für imperialistische Großmachtinteressen im Nahen Osten, nachdem die Vernichtung der Sowjetunion fehlschlug. Die Perspektivlosigkeit tausender Juden wurde ausgenutzt, um sie in Internierungslager zu sperren und nach Palästina zu deportieren, wo die zionistische Bewegung bereits eine nächste ethnische Säuberung vorbereitete und mithilfe der imperialistischen Zentren vollzog. Der Antisemitismus fand im Zionismus damit eine neue praktische Gelegenheit: im Namen eines Judenstaates als Schutzstätte gegen Antisemitismus wurde die Denaturalisierung von Deutschen mit jüdischem Glauben in die Tat umgesetzt- und das direkt nach der Niederlage des deutschen Faschismus.

Diese Kolonialbewegegung ist es, die Deutschland im Namen der demokratischen Bewältigung seines Genozids an den Juden bedingungslos in dem Völkermord an den Palästinensern unterstützt, der von dieser Kolonialbewegung begangen wird.  

Exportschlager Faschismus

Nicht nur die Erlösung des deutschen Imperialismus von seiner verbrecherischen Geschichte ist Bestandteil der Zeitenwende. Auch die Unterstützung faschistischer Regime wird angesichts erstarkender antiimperialistischer Bewegungen in der Welt unverzichtbar für die Aufrechterhaltung der Hegemonie Deutschlands und seiner westlichen Verbündeten. Die Ukraine und Israel als Rammböcke des Imperialismus in Osteuropa und im arabischen Raum herrschen durch die Unterstützung westlichen Finanzkapitals mit offen faschistischen Methoden.

In Ländern, in denen für die nationale Befreiung gekämpft wird oder in denen eine weitere wirtschaftliche und militärische Expansion nicht möglich ist, ist das Zurückgreifen auf faschistische Herrschaftsformen ein probates Mittel des Imperialismus.

Die historische Unterstützung für Stepan Bandera in der Ukraine und Meir Kahanes prozionistischer Rassenideologie zahlen sich bis heute aus. Die damals aufgebauten faschistischen Bewegungen wurden gezielt zu staatstragenden Elementen entwickelt, um den antiimperialistischen Widerstand in Palästina und dem Donbass zu brechen. Zu diesem Zweck werden sie auch aus Berlin finanziert und bewaffnet, ihre menschenverachtende Gesinnung wird reingewaschen und der Öffentlichkeit als Retter der Demokratie vorgestellt.

Wertewestliche Herrenmenschenarroganz – der Schoß ist fruchtbar noch

Die westliche Wertegemeinschaft rückt zur liberalen Volksgemeinschaft zusammen und bedient sich dabei unverblümter faschistischer Rhetorik. Auf die Kämpfe der unterdrückten Völker wird  mit überheblicher und rassistischer Herrenmenschenideologie reagiert, die ein Bild unzivilisierter und gewaltfröhnender Barbaren zeichnet. Gleichzeitig wird das Ziel der militärischen Dominanz und des festen Würgegriffes des deutschen Imperialismus in den Regionen als progressiver Einsatz für Minderheiten und Frauenrechte verschleiert. Propagandistisch gehen linksliberaler Individualismus und faschistischer Chauvinismus Hand in Hand. Ein von den Herrschenden entfachter Kulturkampf dient ausländerfeindlicher Hetze und Kriegspropaganda.

Damals wie heute: Kampf dem imperialistischen Deutsch-Europa!

Auf seinem Weg zurück zu alter Stärke rehabilitiert Deutschland den Faschismus  und unterstützt ihn bedingungslos an den Frontlinien der imperialistischen Politik Deutscheuropas. Damit einher geht die völlige Verdrehung und Verleumdung der historischen Verbrechen des deutschen Faschismus zugunsten verstärkter ideologischer Kriegsvorbereitung. 

Kampf der Zersetzung und Aufweichung des Antifaschismus! Nie wieder Faschismus und Krieg! Gemeinsam gegen die Rehabilitierung des Faschismus!

Freiheit für Palästina!

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Der Völkermord in Gaza schreitet voran. Schulen, Krankenhäuser, Flüchtlingslager – vor nichts machen die israelischen Bomben halt. Unterstützung kommt dabei von Deutschland, den USA und anderen westlichen Staaten. Der Widerstand des palästinensischen Volkes ist notwendig und gerecht – und er braucht die internationale Solidarität! 

Israel ist eine siedlerkoloniale Besatzungsmacht. Apartheid ist nur ein Teil davon. Die Staatsgründung Israels begann mit der Nakba – der brutalen Vertreibung von 750.000 Palästinensern ab 1947. Die Mehrheit der Palästinenser lebt bis heute in Flüchtlingslagern in den umliegenden arabischen Ländern, im Westjordanland oder in Gaza sowie im nichtarabischen Exil. Die von Israel als „humanitärer Akt“ verkaufte „Evakuierung“ der Palästinenser aus Gaza nach Ägypten wäre nichts als eine Fortführung der Nakba! Die Geflüchteten dürften nie wieder zurückkehren – wie schon 1948. Auch im Westjordanland wurden Flugblätter verteilt, die die Einheimischen dazu aufriefen, nach Jordanien zu fliehen.  

Eine „Zwei-Staaten-Lösung“ ist eine Illusion und verkennt den siedlerkolonialen Charakter Israels! Die offiziell geäußerten und derzeit in die Tat umgesetzten Pläne Israels, Gaza ethnisch zu säubern, bestätigen den siedlerkolonialen Charakter Israels und seiner Ideologie, dem Zionismus. Dessen Ziel ist die vollständige Kontrolle „Großisraels“. Damit ist nicht nur das Gebiet ganz Palästinas gemeint: Israels Minister Bezalel Smotrich proklamiert ein „Großisrael“, das Teile Jordaniens, Ägyptens, Syriens und des Libanon beinhaltet. Die Oslo-Abkommen der 90er Jahre haben an diesem expansionistischen Charakter nichts verändert. Die darin den Palästinensern zugesprochenen Gebiete werden de facto von Israel kontrolliert und immer weiter annektiert. 750.000 Siedler leben mittlerweile in der Westbank und Ostjerusalem. Deshalb: das Festhalten an der sog. Zwei-Staaten-Lösung ist illusorisch, lähmt den Widerstand des palästinensischen Volks und akzeptiert de facto den Kolonialismus Israels, mit dem kein Frieden möglich ist!  

Es geht nicht um einen Kampf der Religionen oder Kulturen, sondern um einen Kampf zwischen Kolonisierten und Kolonisatoren. Antizionismus ist kein Antisemitismus! Israel spricht keinesfalls für alle Juden. Weltweit sprechen sich zahlreiche Juden gegen den Zionismus aus. Eine Gleichsetzung aller Juden mit den Verbrechen des israelischen Regimes wäre antisemitisch! Die Verbrechen des deutschen Imperialismus an den europäischen Juden werden instrumentalisiert, um den Siedlerkolonialismus moralisch zu rechtfertigen. Der deutsche Imperialismus nutzt seine „bedingungslose Solidarität mit Israel“ als Trugbild für historische Aufarbeitung. Stattdessen hat die BRD viele Täter der Nazi-Zeit, die den systematischen Massenmord an Juden mit ermöglichten, nie ihrer Posten enthoben, geschweige denn bestraft, sondern sie direkt rehabilitiert und versucht, weiterhin ihre Rolle im Aufbau faschistischer Terrornetzwerke zu vertuschen. In der Ukraine unterstützt die BRD Faschisten, die sich auf den Antisemiten Stepan Bandera berufen, sogar ganz offen. Kampf gegen Antisemitismus heißt, genau das anzugreifen! Kritik und Widerstand gegen den Zionismus hat nichts mit Antisemitismus zu tun. Die Gleichsetzung dient der Repression gegen Solidarität mit dem gerechten Kampf Palästinas um seine Befreiung.   

Meinungsfreiheit gibt es nur für die Vertreter der „deutschen Staatsräson“. Während Nazimärsche stattfinden dürfen, wird der Antisemitismus-Vorwurf genutzt, um palästinasolidarische Demonstrationen zu kriminalisieren und zu verbieten. Journalistisch ernstzunehmende Berichterstattung ist in Deutschland kaum noch zu finden. Stattdessen tragen die großen Medienhäuser den Krieg gegen Palästina mit ihrer hetzerischen, einseitigen Berichterstattung aktiv mit. Dass Demokratie und Meinungsfreiheit in Deutschland nur hohle Phrasen sind, zeigt auch die Diffamierung des Widerstandes als „Terror“: 2006 wurde die Hamas in demokratischen Wahlen als Vertretung des palästinensischen Volkes in Gaza gewählt. Rassistische und islamfeindliche Vorurteile, die im sog. „Krieg gegen den Terror“ aufgebaut wurden, werden genutzt, um alle Teile des Widerstandes, ob islamisch oder säkular, zu dämonisieren und zu kriminalisieren. Die Lügen und Verleumdungen der Regierung wurden in Erlasse gegossen und neben der Hamas das Gefangenennetzwerk Samidoun verboten und aufgelöst. Dies soll Repressionen ermöglichen und ist ein willkürliches Polizei-Instrument zum Verbot von Demonstrationen und der Palästina-Solidarität. Es ist ein tiefer Eingriff in die demokratischen Rechte und Ausdruck der Politik der Unterstützung des israelischen Völkermords. 

Der Kampf um nationale Befreiung des palästinensischen Volks richtet sich gegen den Imperialismus!Israel als Siedlerkolonie ist ein wesentliches Instrument des US-Imperialismus und seiner Verbündeten. Damit sollen die geopolitische Kontrolle und die ökonomische Ausbeutung der gesamten Region sichergestellt werden. Der Widerstand gegen die zionistische Besatzung steht in der Tradition antiimperialistischer Kämpfe gegen die Kolonialherren und ihre Erben – die Kämpfe, die gegenwärtig auch in anderen Teilen der Welt (etwa Westafrika) an Dynamik gewinnen! 

Gespalten wird die nationale Befreiung nicht möglich sein! Seit Jahrzehnten wehrt sich das palästinensische Volk gegen illegale Besiedlung, Besatzung und Apartheid: Die notwendigen Mittel des Widerstands bestimmen die Unterdrücker: Massendemonstrationen, Streiks, Öffentlichkeitsarbeit und viele andere friedliche Wege des Widerstands wurden bereits ausgiebig erprobt. Doch das palästinensische Volk musste bitter lernen, dass es keinen Frieden mit der Besatzungsmacht geben kann. Das palästinensische Volk hat das Recht auf bewaffneten Widerstand gegen den Siedlerkolonialismus, es ist wichtiger Teil seines Rechts auf Selbstbestimmung. Im Ziel der Befreiung ist der Widerstand vereint: Alle nationalen Kräfte des palästinensischen Widerstands haben gemeinsam die Operationen seit dem siebten Oktober geplant und durchgeführt. Islamische, nationalistische und kommunistische Kräfte kämpfen Seite an Seite. Das ist genau richtig: Gespalten wird die nationale Befreiung nicht möglich sein! Sie muss im Vordergrund stehen, und andere Differenzen müssen dahinter zurückstehen. 

Nieder mit dem Imperialismus!

Kampf der Besatzung, dem Siedlerkolonialismus und der Apartheid! 

Solidarität mit dem Widerstand! Es leben Palästina und sein Befreiungskampf! 

Antideutsche sind keine Linken! Wir verurteilen den rassistischen Angriff auf die „Bäckerei“ in Leipzig!

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In Leipzig erreicht die rassistische Hetze von selbsternannten „Linken“ einen neuen Höhepunkt. In der Nacht zum Dienstag, 24.10.2023 gab es einen Angriff auf die Bäckerei (Casa), ein von migrantischen Menschen organisiertes Hausprojekt und linker Veranstaltungsraum im Leipziger Westen.[i]Mehrere Scheiben wurden eingeschlagen und ein Behälter mit Schweinefett in die Räume geworfen. Die Nutzung von Schweinefett belegt eindeutig ein rassistisches Motiv des Angriffs. Was sich anhört wie ein Angriff von Faschisten, wird im Bekennerschreiben auf indymedia von selbsternannten „Antifaschisten“ für sich beansprucht.[ii] Der Angriff kam mit Ansage[iii] und wurde von „Antideutschen“ in sozialen Netzwerken verteidigt.

Die Angreifer stimmen ein in die gesellschaftliche Stimmung, in der Palästina-Solidarität als Antisemitismus verunglimpft wird und anti-muslimischer Rassismus auf dem Vormarsch ist. Um Faschismus wieder salonfähig zu machen, lenkt der deutsche Imperialismus von seiner eigenen Vergangenheit ab und projiziert sie stattdessen auf die Palästinenser. So werden deutsche Faschisten weiterhin als Einzeltäter abgetan und es wird stattdessen von „importiertem Antisemitismus“ gesprochen. Während der zweite „War on Terror“ anrollt, sollten wir nicht vergessen, dass es der deutsche Faschismus ist, der den Völkermord an den Juden in Europa zu verantworten hat, nicht etwa die Palästinenser.

Während Israel mit der Unterstützung der deutschen Regierung in Gaza einen Genozid vor den Augen der ganzen Welt verübt, während hierzulande fast jeglicher Protest gegen den Genozid kriminalisiert wird und deutsche Polizisten Kerzen auf Mahnwachen austreten, während Abschiebungsregelungen verschärft werden, haben diese selbsternannten „Antifas“ nichts Besseres zu tun, als propalästinensische Kräfte einzuschüchtern, um so die deutsche Staatsräson aggressiv zu unterstützen. Dass sie dabei zu rassistischen Mitteln wie Schweinefett greifen, entblößt einmal mehr ihr wahres Gesicht. Während sie sich selbst als „Antifaschisten“ und „Kämpfer gegen Antisemitismus“ stilisieren, ignorieren sie, dass sich in den Räumen der Bäckerei und des Zweiecks, die sie zum Angriffsziel erklären, auch jüdische Personen treffen. Ihr Angriff hat nichts mit dem Schutz von Juden zu tun. Indem sie Verbrechen in ihrem Namen verüben und dabei Methoden anwenden, die sich nicht von denen der Faschisten unterscheiden, tun sie genau das Gegenteil. Indem sie sich so klar für Kolonialismus, Unterdrückung und Rassismus positionieren, schwimmen sie nicht nur mit dem Strom der reaktionären Politik der Herrschenden, sondern setzen diese auch noch aggressiv durch. Sie sind die Fußtruppen des Imperialismus, keine Linken.

Leipzig hat eine traurige antideutsche Tradition. Sei es das Hofieren des islamophoben AfD-Fans Thomas Maul im Conne Island[iv], das unwidersprochene Beheimaten einer Ausstellung in Connewitz, die u.a. das faschistische Asow-Bataillon verherrlicht oder der Übergriff einer „linken“ Demo auf eine Moschee auf der Eisenbahnstraße. Die Liste könnte lang weitergehen. Es ist eine Schande, dass sich diese Täter immer noch als Linke bezeichnen und in Teilen der Szene Anerkennung finden.

Doch in den letzten Jahren verloren Antideutsche in Leipzig zunehmend an Einfluss. So scheiterte zuletzt der Versuch einiger antideutscher Mitglieder des Studierendenrates der Uni Leipzig alle Palästina-solidarischen Gruppen von der Uni zu verbannen. Das ist ein klarer Sieg gegen diese Kräfte.

Wir solidarisieren uns mit den Angegriffenen und stellen uns klar gegen den rassistischen Angriff. Antideutsche sind keine Linken! Sie müssen als das benannt werden, was sie sind: rechte, pro-imperialistische Kräfte. Sie werden uns mit ihren Angriffen weder einschüchtern noch zum Schweigen bringen.

Antizionismus ist kein Antisemitismus! Gegen die deutsche Staatsräson! Für ein freies Palästina!


[i] https://www.jungewelt.de/artikel/461816.angriff-auf-linkes-zentrum-hetze-tr%C3%A4gt-fr%C3%BCchte.html

[ii] Das Schreiben ist mittlerweile gelöscht. Screenshots finden sich in dem Statement der Bäckerei: https://www.instagram.com/p/CyyjtdGs_gF/?igshid=MzRlODBiNWFlZA==

[iii] https://knack.news/6996

[iv] https://www.facebook.com/photo/?fbid=167008700659929&set=pb.100064333976322.-2207520000

Stoppt den Völkermord in Gaza!

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Israel begeht Massaker in Krankenhaus – Deutsche Politiker und Medien verbreiten Hass und Angst

Die Welt wurde gestern Zeuge eines barbarischen Kriegsverbrechens. Die zionistische Besatzungsmacht hat ein Krankenhaus in Gaza bombardiert und das Leben Hunderter Menschen, darunter unzählige Kinder ausgelöscht. Sie hat wieder einmal unter Beweis gestellt, dass sie keinen Respekt vor Recht und Gesetz kennt, dass sie auf die verrohteste Art bereit ist, Menschen abzuschlachten, ganz egal ob Schutzsuchende, Kinder, Ärzte, Zivilisten.

Vor unseren Augen wird gerade ein systematischer Völkermord in Gaza begangen. Über zwei Millionen Menschen sollen vernichtet werden. Der offene Rassismus, mit der dieser Genozid seitens der zionistischen Entität Israel gerechtfertigt wird, zeigt uns dass der Zionismus am Ende ist. Sie können das Wesen der rassistischen Kolonisierung und Besatzung Palästinas nicht mehr verstecken.

Und in Deutschland? Hier rufen Politiker und Medien einhellig zur Solidarität mit den Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Besatzungsmacht Israel auf. Was wir hier in Deutschland erleben, ist eine völlig aus der Kontrolle geratene Enthemmung: Volksverhetzung, Rassismus, Willkür, Verbote, Drohungen und Übergriffe reihen sich in einem schwindelerregenden Tempo aneinander.

Seit Beginn des Aufstandes vom 7. Oktober überziehen uns Israel und die pro-israelischen Medien und Politiker mit Lügen: Der Widerstand soll Massaker und Massenvergewaltigungen haben, er soll 40 Kinder geköpft haben und nun soll er selbst das Krankenhaus in die Luft gejagt haben. Diese Lügen haben eine lange Tradition, was Palästina angeht, denn das zionistische Kolonialregime kann sich nur mit Lügen legitimieren und an der Macht halten. Diese Lügen fangen bei der Behauptung an, Palästina sei ein „Land ohne Volk“ gewesen, das nur auf ein „Volk ohne Land“ gewartet habe. Sie erstrecken sich über eine lange Geschichte, in der Israel sich in die Opfer- und Verteidigungsrolle begeben hat, obwohl es immer Täter und Aggressor war. Und sie reichen bis zu dieser Stunde, wenn Tel Aviv den Völkermord in Gaza und jede Verantwortung für das Massaker der letzten Nacht leugnet.

Alle Zeichen stehen auf Rot, wenn die ach so starken Mächte ins Wanken geraten. Jetzt heißt es: wachsam sein, standhaft bleiben und die Reihen schließen. Gestern Abend waren viele Menschen überall auf der Welt auf den Straßen, so auch in Deutschland. Auch heute werden es viele sein. Das sind die ersten Regungen für eine Zukunft ohne Krieg, ohne Besatzung, ohne Gewalt.

Es lebe die Solidarität der Völker!

Es lebe der Befreiungskampf Palästinas!

Nieder mit dem Zionismus!

Schluss mit der rassistischen Polizeigewalt in Deutschland!