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Keine deutschen Panzer gegen Russland!

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Stellungnahme vom 27. Januar 2023

Die Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine ist eine krasse Eskalation seitens der NATO und Deutschlands. Die BRD ist Kriegspartei und Aggressor. Sie treibt den Krieg immer weiter an. Sie verlängert den Krieg und verfolgt das Ziel, Russland in die Knie zu zwingen, zu ruinieren, damit es auf Jahrzehnte nicht mehr auf die Beine kommt.

Die Panzerlieferungen sind ein Dammbruch. Kampfjets und Langstreckenraketen werden bereits von der Ukraine gefordert und von den Regierungen der USA, Polens und Großbritanniens nicht ausgeschlossen. Auch der deutsche Verteidigungsminister hat eine solche Entscheidung nicht kategorisch ausgeschlossen. Der Dammbruch ist erfolgt. Er wird weitreichende Konsequenzen haben, die viel schneller erfolgen können, als wir heute denken.

Die angebliche „Besonnenheit“ von Kanzler Scholz (SPD), die in den Medien inszeniert wird, soll die Bevölkerung beruhigen. Sie ist eine Lüge. Die Bundesrepublik hat mit den USA diese Eskalation herbeigeführt. Die Bundesregierung ist nicht besonnen und vernünftig, sondern sie führt uns immer tiefer in den Krieg gegen Russland.

Deutschland führt Krieg gegen Russland! Deutsche Panzer schießen auf Russen! Zum dritten Mal ziehen deutsche Waffen und vielleicht auch bald deutsche Soldaten gegen Russland in den Krieg. 82 Jahre nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion, 78 Jahre nach der Befreiung Auschwitz’ durch die Rote Armee ruft eine deutsche Außenministerin: „Wir führen einen Krieg gegen Russland!“ und: „Wir werden Russland ruinieren!“

Es ist die Verantwortung aller Antifaschisten, Demokraten, Kommunisten und Friedenskräfte sofort und konsequent gegen die deutsche Kriegspolitik aufzustehen! Wir müssen überall und unmissverständlich klar machen, dass wir keinen Krieg gegen Russland wollen! Wir lehnen die militaristische und anti-russische Politik ab und müssen sie bekämpfen.

Die NATO hat den Krieg gegen Russland seit langem vorbereitet. Wir müssen jetzt handeln – gegen die Kriegsmaschine des Westens! Das ist unsere Pflicht und unser Beitrag zur Internationalen Solidarität!

Solidarität mit Heiner Bücker – Kampf dem Geschichtsrevisionismus!

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Anlässlich des 81. Jahrestags des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion im Juni 2022 hielt Heiner Bücker, Betreiber des Anti-War-Cafés in Berlin, am sowjetischen Ehrenmahl im Rahmen einer Kundgebung der Friedenskoordination vor verschiedenen Friedensaktivisten eine Rede. Darin thematisierte er die Rolle des deutschen Faschismus, dessen historischen Verlauf und den barbarischen Überfall auf die Sowjetunion. Er thematisierte auch die Kollaboration ukrainischer Faschisten damals sowie im heutigen Kontext des Kriegs in der Ukraine.

In seiner Rede hat er klar gemacht: „Nie wieder dürfen wir als Deutsche an einem Krieg gegen Russland in irgendeiner Form beteiligt sein. Wir müssen uns zusammenschließen und uns diesem Irrsinn gemeinsam entgegenstellen.“ Weiter plädiert er „offen und ehrlich zu versuchen, die russischen Gründe für die militärische Sonderoperation in der Ukraine zu verstehen und warum die überwiegende Mehrheit der Menschen in Russland die Regierung und ihren Präsidenten Wladimir Putin darin unterstützen.“ Er wolle und könne „die Sichtweise in Russland und die des russischen Präsidenten sehr gut nachvollziehen. Ich hege kein Misstrauen gegen Russland, denn der Verzicht auf Rache gegen Deutsche und Deutschland bestimmte seit 1945 die sowjetische und danach die russische Politik.“

Für diese Aussagen, die sich für Frieden und Völkerverständigung aussprechen und die eine andere Position zum Krieg in der Ukraine sind, soll er nun strafrechtlich verfolgt werden.

Bereits im Dezember 2022 berichtete die junge Welt[1] von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn. Der Vorwurf: Belohnung und Billigung von Straftaten nach §140 StGB[2].

Das Gericht spielt sich selbst zum politischen Richter auf, in dem es Bücker vorwirft, „dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine, um dessen Rechtswidrigkeit Sie wussten, zugestimmt und damit das in Paragraph 138 Absatz 1 Nummer 5 angeführte ‚Verbrechen der Aggression (Paragraph 13 des Völkerstrafgesetzbuches)‘ gebilligt zu haben, in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“

Schon am 08./09. Mai 2022 zeigten sich erste Anläufe des repressiven Geschichtsrevisionismus und Antikommunismus in Berlin, als der Berliner Senat per Allgemeinverfügung das Verbot von sowjetischen Fahnen und Symbolen durchdrückte. Statt der Befreiung vom Faschismus durch die größte Errungenschaft der Arbeiterklasse – der Sowjetunion – zu gedenken, hofiert der deutsche Staat in üblicher Manier ukrainische Faschisten und billigt zudem eine Relativierung des deutschen Faschismus, indem der Zweite Weltkrieg mit dem Krieg in der Ukraine gleichgestellt wird.

Im Oktober 2022 mündete der Geschichtsrevisionismus in den nun existierenden Absatz 5 des Paragraphen 130 – „Volksverhetzung“ StGB.

Nun ist wahr geworden, was wahr werden musste: Heiner Bücker wurde auf Grundlage § 140 StGB in Verbindung mit § 138 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von 2000 Euro – ersatzweise auch 40 Tage Haft – plus Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt![3]

Die deutsche Klassenjustiz hat nun einmal mehr deutlich gemacht:  Die Zeichen stehen auf Krieg! Jegliche Regungen gegen den Kriegstreiber Deutschland sollen mittels Repression zum Schweigen gebracht werden. Deutsche Gerichte bestimmen, wer völkerrechtswidrig handelt und wer Aggressor ist. Jeglicher Diskurs darüber, dass die NATO der Aggressor ist und es sehr wohl Völkerrechtler gibt, die Russlands Militäroperation aufgrund der massiven Eskalation seitens der NATO und der Ukraine als gerechtfertigt ansehen, wird in Deutschland von einem Amtsgericht mal eben so beiseite gewischt. Was bedeuten Diskussion und objektive Tatsachen schon gegenüber der Allwissenheit eines deutschen Amtsrichters.

Wir dürfen uns der politischen Kriegsjustiz nicht beugen! Gerade jetzt, wo nun offiziell verkündet wurde, dass wieder deutsche Panzer Richtung Osten rollen und somit die Eskalation weiter auf die Spitze getrieben wird. Galten die Lieferungen des Panzers „Leopard“ noch bis vor Kurzem in den bürgerlichen Medien als „rote Linie“, sind es nun Kampfflugzeuge und Bodentruppen. Ein voller Erfolg für die deutsche Rüstungsindustrie und allen voran den Kapitalisten von Krauss-Maffei Wegmann und Konsorten.

Wir rufen dazu auf, Solidarität zu üben, die eigene Meinung und politische Position gegen die Kriegstreiberei Deutschlands und die NATO frei und offen zu äußern und sich dem Kriegskurs der deutschen Regierung entgegenzustellen! Überall da, wo es uns möglich ist!

Solidarität mit Heiner Bücker, weil er sich aktiv gegen den Geschichtsrevisionismus und Antikommunismus äußerte und somit auch gegen die Aggression der NATO und dem deutschen Imperialismus!

Denn damals wie heute: Der Hauptfeind steht im eigenen Land! – Nieder mit dem deutschen Imperialismus als Teil der NATO und somit dem Aggressor dieses Krieges. Machen wir klar, dass dieser Krieg schon seit 2014 in der Ostukraine geführt und verschwiegen wird. Dass die Bundesregierung durch Bereitstellung von Geldern, der Ausbildung ukrainischer Soldaten und Waffenlieferungen schon lange ein Interesse an diesem Krieg hat – ganz im Sinne des deutschen Kapitals.

Kampf dem deutschen Kapital! Kampf für den Frieden heißt Kampf der NATO!

Kampf dem Geschichtsrevisionismus und der Klassenjustiz!


[1] https://www.jungewelt.de/artikel/440725.repression-gegen-linke-verengung-des-debattenraums.html

[2] https://dejure.org/gesetze/StGB/140.html

[3] https://cooptv.wordpress.com/2022/12/27/stellungnahmen-zu-den-ermittlungen-wegen-gedenkrede-zum-uberfall-auf-udssr-gegen-heinrich-bucker-betreiber-des-coop-anti-war-cafe-berlin/

Podcast #31 – Harpal Brar on Imperialism in the 21st century and the War in Ukraine

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We spoke with Harpal Brar of the CPGB-ML about the theory of imperialism, NATO’s current aggressions, and the task and demands of anti-imperialist politics. Harpal Brar is the founding chairman of CPGB-ML and author of numerous books. In German, his books „Imperialismus im 21. Jahrhundert – Sozialismus oder Barbarei“ (2001) and „Perestrojka – Der vollständige Zusammenbruch des Revisionismus“ (2002) have been published. The CPGB-ML is part of the international association „The World Anti-Imperialist Platfrom“, which has set itself the task of correctly characterizing the current war in Ukraine as well as the upcoming war in Taiwan and to work on a scientific assessment.

Communist Party of Great Britain (Marxist-Leninist): https://thecommunists.org/
World Anti-Imperialist Platform: https://wap21.org/

Lenin und das „imperialistische Weltsystem“

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Anmerkungen zum Diskussionsbeitrag: „Der Revisionismus in unseren Reihen“

Diskussionsbeitrag von Milo Barus

Die folgende Kritik bezieht sich auf einen Diskussionsbeitrag von Spanidis und Schulze, der am 30.12.2022 unter dem Titel „Der Revisionismus in unseren Reihen“ erschienen ist. Auch wenn sich der Beitrag auf eine Diskussion innerhalb der KO bezieht steht er stellvertretend für eine bestimmte Interpretation Lenins Imperialismustheorie, die auch von namhaften Organisationen wie der KKE, oder der SKP vertreten wird, welche letztlich den Bezugspunkt für Spanidis und Schulze darstellen. Da die mit dieser Interpretation verbundenen Positionen einen großen Einfluss auf die kommunistische Bewegung – insbesondere in Europa – haben ist es notwendig darauf einzugehen und sie kritisch zu durchleuchten. Dabei geht es um die Rolle der Monopole, des Finanzkapitals, des Kapitalexports und die Frage der nationalen Entwicklung in den ehemaligen Kolonien. In weiten Teilen der kommunistischen Bewegung finden sich Versatzstücke einer Theorie, die den Imperialismus als ein globales Geflecht wechselseitiger Abhängigkeiten begreifen in dem sich die meisten Länder annähernd gleichberechtigt gegenüberstehen. Der Kampf gegen den Imperialismus wird damit zum Kampf gegen den „Weltimperialismus“. Die Herrschaft weniger, ökonomisch besonders weit entwickelter Großmächte, die Lenin in seinen Schriften klar herausstellt wird dadurch negiert. Das Besondere an den Vertretern dieser Interpretation ist, dass sie sich als konsequente Verteidiger Lenins darstellen, aber in deutlichem Widerspruch zu seiner Theorie stehen. Dieser Widerspruch soll im Folgenden herausgearbeitet werden.

In Abschnitt 2.1 des Diskussionsbeitrags stellen Spanidis und Schulze ihre Vorstellungen des gegenwärtigen Imperialismus dar und grenzen diese gegen vermeintlich revisionistische Positionen ab. Um das zu beweisen, beziehen sich die Autoren allerdings nur an zwei Stellen auf Lenin selbst und verweisen ansonsten ausschließlich auf ihre eigenen Texte oder belegen ihre Aussagen nicht. Trotz der dürftigen Quellenlage möchte ich beispielhaft an einigen Positionen, die in dem Beitrag vertreten werden, das Verständnis der Autoren von Lenins Imperialismustheorie aufgreifen und kritisieren.

Monopol, Herrschaft und Abhängigkeit

Die Autoren schreiben, dass Lenin keine Trennung zwischen imperialistischen und nicht-imperialistischen monopolkapitalistischen Länder[n][i] vorgenommen hätte. Hier stellt sich die Frage, ob die Autoren tatsächlich diese Tautologie belegen möchten. Schließlich verwendet Lenin die Begriffe Monopolkapitalismus und Imperialismus gleichbedeutend. Dass das imperialistische Entwicklungsstadium des Kapitalismus maßgeblich von Monopolen bestimmt wird und damit auch die wirtschaftliche und politische Entwicklung aller Länder in dieser Epoche, steht für Lenin fest. Doch bedeutet dies nicht, dass sich in allen Ländern Monopole herausgebildet hätten – auch nicht in Ländern, in denen sich der Kapitalismus als vorherrschendes Gesellschaftssystem durchgesetzt hat. Das Monopol, dass nach Lenin wesentlich für den Monopolkapitalismus (Imperialismus) ist, stellt sich nicht einfach als ein beliebiges Unternehmen mit bestimmter Größe dar, sondern kennzeichnet den Imperialismus und die für ihn prägenden Länder durch „die gigantischen Ausmaße des in wenigen Händen konzentrierten Finanzkapitals, das sich ein außergewöhnlich weitverzweigtes und dichtes Netz von Beziehungen und Verbindungen schafft, durch das es sich die Masse nicht nur der mittleren und kleinen, sondern selbst der kleinsten Kapitalisten und Unternehmer unterwirft“ und durch den „verschärfte[n] Kampf mit den anderen nationalstaatlichen Finanzgruppen um die Aufteilung der Welt und um die Herrschaft über andere Länder […]“.[ii]

„Die Herrschaft über andere Länder“ setzt voraus, dass das Monopol über den nationalen Rahmen hinauswächst, erst dadurch entsteht nach Lenin das „volle Monopol“. In seiner Schrift „Über eine Karikatur auf den Marxismus“ beschreibt Lenin, wie sich die internationale Herrschaft der Monopole realisiert:

„Ökonomisch ist Imperialismus monopolistischer Kapitalismus. Damit das Monopol zum vollen Monopol wird, müssen die Konkurrenten nicht nur vom inneren Markt (vom Markt des betreffenden Staates), sondern auch vom äußeren Markt, müssen sie in der ganzen Welt verdrängt werden. Gibt es „in der Ära des Finanzkapitals“ eine ökonomische Möglichkeit, die Konkurrenz auch in einem fremden Staat zu verdrängen? Natürlich: Dieses Mittel ist die finanzielle Abhängigkeit und der Aufkauf der Rohstoffquellen und dann auch aller Unternehmen des Konkurrenten.“ [iii] Inwiefern dieses Mittel – der Schaffung einer „finanziellen Abhängigkeit und der Aufkauf der Rohstoffquellen und dann auch aller Unternehmen des Konkurrenten“ – allen kapitalistischen Ländern in der Epoche des Imperialismus zur Verfügung steht wird durch die Autoren nicht weiter belegt.

In derselben Schrift benennt Lenin Merkmale von „imperialistischen (d. h. eine ganze Reihe fremder Völker unterdrückenden und sie in das Netz der Abhängigkeit vom Finanzkapital verstrickenden usw.) Großmächten“.[iv] Das imperialistische an einer „Großmacht“ ist demnach – unter Anderem – die Möglichkeit fremde Völker in ein Netz von Abhängigkeiten vom eigenen Finanzkapital zu verstricken und diese zu unterdrücken. In der Schrift: „Vorschläge des Zentralkomitees der SDAPR“ beschreibt Lenin darüber hinaus den Charakter der „imperialistischen Politik, d. h. der Politik des finanzkapitalistischen Raubes, der Ausplünderung der Kolonien, der nationalen Unterdrückung, der politischen Reaktion, der Verschärfung der kapitalistischen Ausbeutung.[v] Auch hier bleiben die Autoren die Erklärung schuldig, inwiefern diese Merkmale heute auf fast alle Länder zutreffen.

Die Autoren behaupten außerdem, dass eine Unterteilung in herrschende und beherrschte Länder, nicht der Realität entspreche.[vi] Begründet wird dies damit, dass die Bourgeoisien die in „Abhängigkeit von den global dominierenden Kapitalgruppen“ stünden nach einer „eigenständigen Rolle“ strebten und versuchten das „schwächere Kapital von sich abhängig zu machen“. Inwiefern dieser „Versuch“ die Herrschaft weniger Staaten über eine Vielzahl abhängiger Staaten infrage stellt, bleibt unklar. Lenin hingegen beschreibt die Spaltung der Welt „in ein Häuflein Wucherstaaten und in eine ungeheure Mehrheit von Schuldnerstaaten“ [vii] deutlich und liefert mit seiner Untersuchung der finanziellen Abhängigkeit ein wichtiges Kriterium, um diese Einteilung vorzunehmen.

In ihrem Diskussionsbeitrag grenzen sich die Autoren deutlich von der aus ihrer Sicht „revisionistischen“ Position zum Imperialismus ab:

Nach der revisionistischen Position lässt sich die Welt jedoch klar unterteilen in eine kleine Gruppe „unterdrückender“ und eine sehr große Gruppe abhängiger und „unterdrückter“ Staaten. […] Die revisionistische Vorstellung geht demnach davon aus, dass eine Zweiteilung der Welt in diese Gruppen zu den Wesensmerkmalen des Imperialismus nach Lenin zählt.“ [viii]

Den Autoren nach widerspreche die Einteilung der Welt in unterdrückende und unterdrückte Länder der Realität und stelle nach Lenin kein Wesensmerkmal des Imperialismus dar. Sie gehen sogar so weit, Vorstellungen dieser Art pauschal als revisionistisch zu bezeichnen. Allerdings scheint Lenin dies anders zu sehen. In seiner Schrift „Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus“, in der er seinerseits falsche Vorstellungen vom Imperialismus – insbesondere diejenige von Kautsky – kritisiert, schreibt er dazu folgendes:

Ein Häuflein reicher Länder – es gibt ihrer im ganzen vier, wenn man selbständigen und wirklich riesengroßen „modernen“ Reichtum im Auge hat: England, Frankreich, die Vereinigten Staaten und Deutschland – , dieses Häuflein Länder hat Monopole in unermeßlichen Ausmaßen entwickelt, bezieht einen Extraprofit in Höhe von Hunderten Millionen, wenn nicht von Milliarden, saugt die anderen Länder, deren Bevölkerung nach Hunderten und aber Hunderten Millionen zählt, erbarmungslos aus und kämpft untereinander um die Teilung der besonders üppigen, besonders fetten, besonders bequemen Beute. Eben darin besteht das ökonomische und politische Wesen des Imperialismus, dessen überaus tiefe Widersprüche Kautsky nicht aufdeckt, sondern vertuscht.[ix]

Es stellt sich also die Frage, ob die Autoren nicht selbst genau jenen Fehler begehen, den Lenin hier Kautsky zum Vorwurf macht, nämlich die wesentlichen Widersprüche des Imperialismus zu verschleiern, anstatt sie aufzudecken.

Um ihre These dennoch zu stützen argumentieren die Autoren, dass auch Lenin von „Zwischenformen“ spricht und führen als Beleg für Ihre Aussage, Seite 267ff der Imperialismusschrift[x], mit dem Verweis auf die Rolle Argentiniens und Portugals an. Diese Länder sollen den Autoren nach also Beispiele dafür sein, dass Lenin eine entsprechende Unterteilung in herrschende und beherrschte Länder nicht vorgenommen hätte. Dass sie das Zitat nicht selbst anführen, könnte daran liegen, dass Lenin auf besagten Seiten scheinbar nicht zu denselben Schlüssen kommt wie die Autoren. Dort heißt es (Hervorhebungen durch den Autor):

„Spricht man von der Kolonialpolitik in der Epoche des kapitalistischen Imperialismus, dann muß bemerkt werden, daß das Finanzkapital und die ihm entsprechende internationale Politik, die auf einen Kampf der Großmächte um die ökonomische und politische Aufteilung der Welt hinausläuft, eine ganze Reihe von Übergangsformen der staatlichen Abhängigkeit schaffen. Typisch für diese Epoche sind nicht nur die beiden Hauptgruppen von Ländern – die Kolonien besitzenden und die Kolonien selber -, sondern auch die verschiedenartigen Formen der abhängigen Länder, die politisch, formal selbständig, in Wirklichkeit aber in ein Netz finanzieller und diplomatischer Abhängigkeit verstrickt sind. Auf eine dieser Formen, die Halbkolonien, haben wir bereits hingewiesen. Ein Musterbeispiel für eine andere Form ist z. B. Argentinien.“

Lenin bestätigt hier keinesfalls die These der Autoren, dass die Herausbildung von „Zwischenformen“ das Ende der Beherrschung oder Abhängigkeit bedeuten würde. Im Gegenteil stellt Lenin klar, dass sogar „politisch, formal selbständig [Länder] in Wirklichkeit […] in ein Netz finanzieller und diplomatischer Abhängigkeit verstrickt sind.“ Diesen Zusammenhang und auch die Rolle Argentiniens und Portugals beschreibt Lenin an anderer Stelle wie folgt:

„Das große Finanzkapital eines Landes ist stets in der Lage, seine Konkurrenten auch in einem fremden, politisch unabhängigen Land aufzukaufen, und tut dies auch ständig, ökonomisch ist das durchaus zu realisieren. [Das ist es was Lenin im weiter oben angeführten Zitat als imperialistisch beschreibt (Anm. des Autors)] Die ökonomische „Annexion“ ist durchaus „realisierbar“ ohne die politische und begegnet uns ständig. In der Literatur über den Imperialismus finden wir auf Schritt und Tritt Hinweise, daß z. B. Argentinien in Wirklichkeit eine „Handelskolonie“ Englands, Portugal faktisch ein „Vasall“ Englands ist u. dgl. Das ist richtig. Die ökonomische Abhängigkeit von den englischen Banken, die Verschuldung an England, der Aufkauf von Eisenbahnen, Gruben, Boden usw. durch England – all das macht die genannten Länder zu einer „Annexion“ Englands im ökonomischen Sinne, ohne Zerstörung der politischen Unabhängigkeit dieser Länder.“ [xi]

Dass Argentinien, „eine Handelskolonie Englands“ und Portugal, „ein Vasall Englands“ von den Autoren als Beispiele dafür herangezogen werden, dass Lenin keine Einteilung in herrschende und beherrschte Länder vornimmt, ist also fragwürdig und bedarf weiterer Erklärungen, die nicht geliefert werden.

Die Autoren versuchen weiter, die von Lenin klar formulierten Aussagen zum Imperialismus in Zweifel zu ziehen. Sie schreiben in ihrem Diskussionsbeitrag:

„Die Genossin Saidi hat in ihrem Beitrag nachvollziehbar dargelegt, dass auch Lenin die Begriffe „Großmächte“ und „Räuber“ nicht einwandfrei auf dieselben Staaten angewandt hat. Er hat eine solche Trennlinie zwischen imperialistischen und nicht-imperialistischen monopolkapitalistischen Ländern nicht gezogen, sondern vielmehr die Unterscheidung zwischen Ländern mit entwickeltem Monopolkapital einerseits und Kolonien, Halbkolonien sowie Ländern mit einem kaum entwickelten Kapitalismus andererseits gemacht, wobei er auch unterschiedliche Zwischenformen analysiert hat.[xii]

Warum die angeblich „nicht einwandfreie“ Verwendung der Begriffe „Großmächte und Räuber“ ein Belegt für die Behauptung sein soll, dass Lenin eine Unterteilung in herrschende und beherrschte Staaten nicht vornimmt, bleibt unklar. Der Diskussionsbeitrag von Fatima Saidi, der als Beleg für die Behauptung angeführt wird, stellt lediglich fest, dass Lenin unterschiedliche Gruppen von Ländern in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich begrifflich fasst und merkt an, dass eine Auseinandersetzung hiermit in Zukunft wichtig sei. Ein Beleg für die Behauptung der Autoren findet sich darin nicht. Im Gegenteil benennt Saidi Zitate aus Lenins Schriften, die deutlich machen, dass er eine bestimmte Gruppe von Ländern, als diejenigen Akteure ansieht, die durch ihre fortgeschrittene Entwicklung, den Charakter der imperialistischen Epoche bestimmen. Dass Lenin auch unter diesen Ländern Unterschiede in der Entwicklung feststellt, widerlegt seine Ausführungen nicht.

Kapitalexport und nationale Entwicklung

Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Kapitalismus in den abhängigen Ländern führen die Autoren die Rolle des Kapitalexportes an. Dazu schreiben Sie (Hervorhebungen durch den Autor):

„Bereits Lenin beschrieb unzweideutig, wie der Kapitalexport der imperialistischen Länder die Produktivkraftentwicklung und Entwicklung des Kapitalismus in den abhängigen Ländern, sogar in den Kolonien und Halbkolonien außerordentlich beschleunigt.“ [xiii]

Es ist natürlich richtig, dass sich der Kapitalismus durch die Einführung der Warenproduktion zugunsten der beherrschenden Kolonialmächte in neuen Teilen der Welt ausbreitet und weiterentwickelt. Inwiefern diese Entwicklung aber die für das entsprechende Land nutzbaren Produktivkräfte entwickelt oder gar die Abhängigkeit oder Beherrschung der entsprechenden Länder auflöst bleibt unklar. Die Autoren belegen ihre Aussage mit Seite 247 von Lenins Imperialismusschrift. Dort heißt es:

Der Kapitalexport beeinflußt in den Ländern, in die er sich ergießt, die kapitalistische Entwicklung, die er außerordentlich beschleunigt. Wenn daher dieser Export bis zu einem gewissen Grade die Entwicklung in den exportierenden Ländern zu hemmen geeignet ist, so kann dies nur um den Preis einer Ausdehnung und Vertiefung der weiteren Entwicklung des Kapitalismus in der ganzen Welt geschehen. Die kapitalexportierenden Länder haben fast immer die Möglichkeit, gewisse „Vorteile“ zu erlangen, deren Charakter die Eigenart der Epoche des Finanzkapitals und der Monopole ins rechte Licht setzt.[xiv]

Lenin beschreibt hier, dass sich der Kapitalismus durch den Kapitalexport in den noch sehr wenig entwickelten Ländern weiterentwickelt. Er beschreibt aber nicht, dass sich dadurch die Abhängigkeiten oder die Herrschaft abschwächen würden. Im Gegenteil hebt Lenin hervor, dass die kapitalexportierenden Länder – und nicht die Länder in die sich der Kapitalexport „ergießt“ – vom Kapitalexport profitieren und betont, dass der Charakter der Vorteile, die sich die kapitalexportierenden Länder durch den Kapitalexport verschaffen „die Eigenart der Epoche des Finanzkapitals und der Monopole ins rechte Licht setzt.“ Das Wesentliche ist hier also die Vorteilnahme der kapitalexportierenden und nicht die vermeintliche Entwicklung der Produktivkräfte in den abhängigen Ländern.

Auf den nächsten Seiten beschreibt Lenin, wie die kapitalexportierenden Länder den Kapitalexport zur Aufrechterhaltung und zum Ausbau ihrer Vormachtstellung nutzen. Es wird die Machtstellung weniger Monopole und deren Verflechtung mit den Banken beschrieben: „Auf diese Weise wirft das Finanzkapital im buchstäblichen Sinne des Wortes seine Netze über alle Länder der Welt aus.“ Es lohnt sich an dieser Stelle, die von den Autoren referenzierten Abschnitte der Imperialismusschrift selbst nachzulesen.

Der impliziten Behauptung der Autoren, dass sich durch die Entwicklung des Kapitalismus in den weniger entwickelten Ländern, die Entwicklungsunterschiede abschwächen würden, entgegnet Lenin: „Das Finanzkapital und die Trusts schwächen die Unterschiede im Tempo des Wachstums der verschiedenen Teile der Weltwirtschaft nicht ab, sondern verstärken sie.“ Lenin schließt deshalb jedoch nicht aus, dass sich die Machtverhältnisse zwischen den Großmächten ändern können. [xv]

Lenin äußert sich zu dieser Frage auch an anderer Stelle. Dort bezeichnet er den Kapitalexport als „Parasitismus ins Quadrat erhoben[xvi]; die Bedeutung des Parasitismus beschreibt Lenin wie folgt: (Hervorhebungen durch den Autor) „Monopole, Oligarchie, das Streben nach Herrschaft statt nach Freiheit, die Ausbeutung einer immer größeren Anzahl kleiner oder schwacher Nationen durch ganz wenige reiche oder mächtige Nationen – all das erzeugte jene Merkmale des Imperialismus, die uns veranlassen, ihn als parasitären oder in Fäulnis begriffenen Kapitalismus zu kennzeichnen.“ [xvii]

Der Kapitalexport und der damit verbundene Parasitismus ist laut Lenin also durch die Ausbeutung einer großen Zahl von schwachen Nationen, durch eine kleine Anzahl von mächtigen Nationen gekennzeichnet. Dass Ausbeutung ein Herrschaftsverhältnis voraussetzt, sollte auch den Autoren klar sein.

An einer anderen Stelle bringt Lenin die Bedeutung des Kapitalexports noch einmal klar zum Ausdruck, indem er verdeutlicht, dass der Kapitalexport nicht als ein Motor nationaler Entwicklung in den weniger entwickelten Ländern zu begreifen ist, sondern als ein „Werkzeug zur Unterdrückung“:

„Der Bau von Eisenbahnen scheint ein einfaches, natürliches, demokratisches, kulturelles, zivilisatorisches Unternehmen zu sein: Ein solches ist er in den Augen der bürgerlichen Professoren, die für die Beschönigung der kapitalistischen Sklaverei bezahlt werden, und in den Augen der kleinbürgerlichen Philister. In Wirklichkeit haben die kapitalistischen Fäden, durch die diese Unternehmungen in tausendfältigen Verschlingungen mit dem Privateigentum an den Produktionsmitteln überhaupt verknüpft sind, diesen Bau in ein Werkzeug zur Unterdrückung von einer Milliarde Menschen (in den Kolonien und Halbkolonien), d. h. von mehr als der Hälfte der Erdbevölkerung in den abhängigen Ländern und der Lohnsklaven des Kapitals in den „zivilisierten“ Ländern verwandelt.“ [xviii]

Monopolprofit und Ausbeutung

Eng mit dem Kapitalexport verknüpft ist der Monopolprofit – eine für das Monopol wesentliche Form des Extraprofites – und die Frage der Ausbeutung der abhängigen Länder durch die Großmächte. Da den Autoren nach die Beherrschung und Ausbeutung abhängiger Länder keine entscheidende Rolle spielt, kann die Ausbeutung anderer Länder auch für den Monopolprofit nicht bestimmend sein. Hierzu schreiben sie:

„Der Monopolprofit wiederum entsteht keineswegs nur oder primär aus der Ausbeutung abhängiger Länder, sondern aus einem Werttransfer zwischen dem nichtmonopolistischen und dem monopolistischen Kapital zugunsten des Letzteren.“ [xix]

Jedoch lässt sich auch hier eine andere Einschätzung Lenins feststellen. Er beschreibt die Rolle und den Ursprung des monopolistischen Extraprofites in seiner bereits oben zitierten Schrift „Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus“ und verteidigt diese Einschätzung gegen die falschen Positionen Kautskys:

„Warum liefert die Monopolstellung Englands die Erklärung für den (zeitweiligen) Sieg des Opportunismus in England? Weil durch ein Monopol Extraprofit erzielt wird, d. h. ein Profitüberschuß über den in der ganzen Welt üblichen, normalen kapitalistischen Profit. Von diesem Extraprofit können die Kapitalisten einen Teil (und durchaus keinen geringen!) verwenden, um ihre Arbeiter zu bestechen, um eine Art Bündnis (man erinnere sich an die berühmten „Allianzen“ der englischen Trade-Unions mit ihren Unternehmern, die von den Webbs beschrieben wurden) der Arbeiter der betreffenden Nation mit ihren Kapitalisten gegen die übrigen Länder zu schaffen.“ [xx]

In seiner Imperialismusschrift ergänzt Lenin dieses Verständnis unter anderem mit der folgenden Ausführung (Hervorhebungen durch den Autor):

„Wie in der vorliegenden Schrift nachgewiesen ist, hat der Kapitalismus jetzt eine Handvoll (weniger als ein Zehntel der Erdbevölkerung, ganz „freigebig“ und übertrieben gerechnet, weniger als ein Fünftel) besonders reicher und mächtiger Staaten hervorgebracht, die – durch einfaches „Kuponschneiden“ – die ganze Welt ausplündern. Der Kapitalexport ergibt Einkünfte von 8-10 Milliarden Francs jährlich, und zwar nach den Vorkriegspreisen und der bürgerlichen Vorkriegsstatistik. Gegenwärtig ist es natürlich viel mehr. Es ist klar, daß man aus solchem gigantischen Extraprofit (denn diesen Profit streichen die Kapitalisten über den Profit hinaus ein, den sie aus den Arbeitern ihres „eigenen“ Landes herauspressen) die Arbeiterführer und die Oberschicht der Arbeiteraristokratie bestechen kann. Sie wird denn auch von den Kapitalisten der „fortgeschrittenen“ Länder bestochen – durch tausenderlei Methoden, direkte und indirekte, offene und versteckte.“ [xxi]

Lenin beschreibt also, dass der monopolistische Extraprofit durch das „Ausplündern“ der weniger entwickelten Länder entsteht, wobei der Kapitalexport eine zentrale Funktion einnimmt. Dies widerspricht jedoch nicht der Begründung, die die Autoren für ihre zweifelhafte Behauptung anführen, in welcher sie feststellen, dass der Monopolprofit„aus einem Werttransfer zwischen dem nichtmonopolistischen und dem monopolistischen Kapital zugunsten des Letzteren“ entsteht – schließlich befindet sich das nichtmonopolistische Kapital vor allem in den weniger entwickelten Ländern.

Doch der Zusammenhang zwischen dem monopolistischen Profit weniger weltbeherrschender Monopole und der Ausbeutung und Unterdrückung großer Teile der Weltbevölkerung, den Lenin deutlich benennt, spielt für die Autoren keine bedeutende Rolle mehr. Begriffe wie Ausbeutung, Abhängigkeit oder Beherrschung wollen sie im Kontext internationaler Beziehungen nicht verwenden, sondern sprechen stattdessen vom „asymmetrischen Charakter der imperialistischen Herrschaft“. Herrschaft wird also als etwas Gegenseitiges verstanden:

„Geleugnet wird also keineswegs die Unterdrückung und der asymmetrische Charakter der imperialistischen Herrschaft und auch der Begriff der unterdrückten Völker wird nicht negiert – die Kritik bezieht sich darauf, dass der Begriff nicht einfach auf kapitalistischen Staaten angewandt werden darf. Die politischen Gefahren dieser Auffassungen liegen vor allem darin, dass einerseits die Arbeiterklasse in entwickelteren Ländern zu einem Teil der Unterdrücker erklärt werden und dann nicht mehr mit einer geeigneten Taktik angesprochen und organisiert werden kann, während andererseits die Kapitalisten der schwächeren Länder als Teil eines unterdrückten Volkes betrachtet und der Klassenkampf gegen sie eingestellt oder relativiert werden könnte.“ [xxii]

Zentral ist für die Autoren, dass der Begriff der Unterdrückung nicht auf kapitalistische Staaten angewendet werden dürfe. Hier sehen sie die Gefahr, dass sich der Klassenkampf gegen die eigene Bourgeoisie abschwächen könnte. Es wäre durchaus falsch der Arbeiterklasse in allen abhängigen oder unterdrückten Ländern zu empfehlen den Kampf gegen ihre eigene Bourgeoisie aufzugeben. Aus der Bestimmung der wesentlichen Zusammenhänge des Imperialismus folgt kein allgemeingültiges Schema für den Klassenkampf. Doch ohne die wesentlichen Zusammenhänge zu erkennen, werden sich keine revolutionäre Strategie und Taktik entwickeln lassen. In seiner Schrift „Die Ergebnisse der Diskussion über die Selbstbestimmung“ geht Lenin auf die Bedeutung der Ausbeutung der kleinen Nationen für die Strategie und Taktik ein:

„Wichtig ist nicht, ob ein Fünfzigstel oder ein Hundertstel der kleinen Völker sich schon vor der sozialistischen Revolution befreien wird, wichtig ist vielmehr, daß das Proletariat in der imperialistischen Epoche, kraft objektiver Ursachen, sich in zwei internationale Lager geteilt hat, von denen das eine durch die Brocken, die vom Tische der Bourgeoisie der Großmächte abfallen – unteranderem auch infolge der doppelten und dreifachen Ausbeutung der kleinen Nationen korrumpiert worden ist, das andere aber sich nicht selbst befreien kann, ohne die kleinen Nationen zu befreien und ohne die Massen in antichauvinistischem, d. h. antiannexionistischem Geist, d. h. im Geist der „Selbstbestimmung“ zu erziehen.“ [xxiii]

Lenin beschreibt hier also, dass sich das Proletariat in der „Epoche des Imperialismus“ in „zwei internationale Lager geteilt hat“ und eine Befreiung des einen Lagers nicht ohne die des anderen möglich ist, woraus sich Konsequenzen für die „Erziehung der Massen“ ergeben.

Abschließende Bemerkung

Es ist unbestritten, dass sich der Kapitalismus seit Lenin seine Theorie ausformulierte, weiterentwickelt hat. Es wäre absurd und unwissenschaftlich diese Tatsache zu leugnen. Allerdings lässt die bloße Erkenntnis dieser Tatsache noch keine Schlüsse über die Aktualität Lenins, geschweige denn über eine richtige Theorie des gegenwärtigen Imperialismus zu. Die Autoren machen deutlich, dass sie wichtige Zusammenhänge, die Lenin in seinen Schriften aufzeigt, nicht mehr anerkennen. Eine Anwendung von Lenins Imperialismustheorie auf das gegenwärtige Entwicklungsstadium des Kapitalismus ist dringend notwendig. Dabei kann eine wissenschaftliche Untersuchung selbstverständlich auch zu dem Ergebnis führen, dass zentrale Aussagen Lenins nicht mehr aktuell sind. Allerdings setzt eine so weitreichende Infragestellung unserer Klassiker eben diese wissenschaftliche Untersuchung voraus. Ohne eine solche wissenschaftliche Untersuchung, wird der Vorwurf des Revisionismus, also die Abkehr vom Marxismus-Leninismus, zur Farce. Eben diesen Revisionismus wollen die Autoren in ihrem Diskussionsbeitrag aber nachweisen! Besonders problematisch ist dabei, dass die Autoren Lenin bestimmte Positionen unterstellen, um die aus ihrer Sicht richtige Weiterentwicklung seiner Theorie zu rechtfertigen. Die Autoren beginnen ihre Untersuchung des Imperialismus nicht mit Lenin selbst, sondern einer weitreichenden Weiterentwicklung und wohlmöglich sogar Revision seiner Theorie.


[i] Spanidis, Schulze, „Der Revisionismus in unseren eigenen Reihen“, S. 10

[ii] Lenin Werke, Band 22, Dietz Verlag Berlin, 1971, S. 290

[iii] Lenin Werke, Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1975, S. 35

[iv] Lenin Werke, Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1975, S. 24f

[v] Lenin Werke, Band 22, Dietz Verlag Berlin, 1971, S. 176

[vi] Spanidis, Schulze, „Der Revisionismus in unseren eigenen Reihen“, S. 8

[vii] Lenin Werke, Band 22, Dietz Verlag Berlin, 1971, S. 282

[viii] Spanidis, Schulze, „Der Revisionismus in unseren eigenen Reihen“, S. 9

[ix] Lenin Werke, Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1975, S. 112

[x] Lenin Werke, Band 22, Dietz Verlag Berlin, 1971, S. 267ff

[xi] Lenin Werke, Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1975, S. 36

[xii] Spanidis, Schulze, „Der Revisionismus in unseren eigenen Reihen“, S. 10

[xiii] Ebenda, S. 11

[xiv] Lenin Werke, Band 22, Dietz Verlag Berlin, 1971, S. 247

[xv] Lenin Werke, Band 22, Dietz Verlag Berlin, 1971, S. 278

[xvi] Lenin Werke, Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1975, S. 103

[xvii] Ebenda, S. 305

[xviii] Ebenda, S. 194ff

[xix] Spanidis, Schulze, „Der Revisionismus in unseren eigenen Reihen“, S. 11

[xx] Lenin Werke, Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1975, S. 111f

[xxi] Lenin Werke, Band 22, Dietz Verlag Berlin, 1971, S. 198

[xxii] Spanidis, Schulze, „Der Revisionismus in unseren eigenen Reihen“, S. 12

[xxiii] Lenin Werke, Band 22, Dietz Verlag Berlin, 1971, S. 350f

Für die Niederlage der NATO – in der Ukraine und in der Welt!

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Als KO haben wir uns die Klärung der Frage der richtigen Imperialismusanalyse und der Bewertung des Ukraine-Krieges aus Perspektive der internationalen Arbeiterklasse zur Aufgabe gemacht. Diese Klärung wollen wir gemeinsam mit der kommunistischen Bewegung in Deutschland und international angehen. Dass wir noch immer viele Fragen, Unsicherheiten und Uneinigkeit auch in unserer Organisation haben, bedeutet jedoch nicht, dass wir nicht jetzt schon Positionen in diesem Krieg beziehen können: Wir haben uns im Frühjahr 2022 auf einen gemeinsamen Konsens geeinigt, den wir für selbstverständlich für Kommunisten in Deutschland halten. Hinter diesen Konsens zurückzufallen, hieße, seinen antiimperialistischen und internationalistischen Standpunkt aufzugeben.

Der deutsche Imperialismus ist unser Hauptfeind – wir kämpfen für seine Niederlage!

Die BRD ist als Teil der NATO, dem weltweit aggressivsten und stärksten imperialistischen Bündnis unter Führung des US-Imperialismus, einer der mächtigsten imperialistischen Staaten der Welt – sie zu bekämpfen, ist unsere strategische Aufgabe als Kommunisten in Deutschland! Konkret heißt das, die Zerschlagung der NATO voranzutreiben, ihre Kriegspolitik zu behindern und ihre Lügen und Propaganda zu widerlegen.

Die politische und mediale Hetze gegen Russland läuft schon seit Jahren: Seit den 2000ern wurde das alte Feindbild Russland im Westen kontinuierlich reaktiviert und aufgebaut. Zu den größten Lügen zählt, dass der Krieg in der Ukraine am 24. Februar 2022 begonnen habe. In Wahrheit jedoch herrscht im Osten des Landes schon seit 2014 ein brutaler, hier jedoch totgeschwiegener Krieg, in dessen Folgen bis Anfang 2022 etwa 14.000 Menschen getötet wurden.

Deutschland unterstützt das Kiewer Regime politisch, ökonomisch und militärisch, sowohl bilateral als auch im Rahmen der EU: Die BRD liefert (zum Teil kostenlos) Rüstungsgüter im Wert von hunderten Millionen Euro, sie bildet ukrainische Soldaten aus, stellt Gelder für Waffenkäufe sowie geheimdienstliche Informationen zur Verfügung. Damit ist Deutschland auch formal längst Kriegspartei. Durch diese Politik wird der Krieg bewusst in die Länge gezogen und es soll auf Kosten von ukrainischen und russischen Menschenleben eine Niederlage Russlands im Interesse der NATO erzwungen werden. Zugleich dienen die Waffenlieferungen, wie auch die bereits gesicherten Verträge über Wiederaufbaumaßnahmen in der Ukraine, den Profitinteressen des deutschen Kapitals.

Der Hintergrund des Krieges wird hierzulande genutzt, um wichtige strategische Interessen des deutschen Kapitals im Eiltempo umzusetzen: Die Energieunabhängigkeit und die wirtschaftliche Transformation gehören ebenso dazu, wie massive Aufrüstung und Militarisierung, die Hand in Hand gehen mit der Zunahme repressiver Instrumente gegen eine politische Opposition im Inland.

Nein zur Aufrüstung! Nein zum 100-Milliarden-Kriegskredit!

Während schon die jüngsten Waffenlieferungen an die Ukraine, die mit Steuergeldern finanziert werden, Geschenke der Ampelregierung an die deutsche Rüstungsindustrie darstellen, so wird dies durch das sogenannte „Bundeswehr-Sondervermögen“ noch getoppt. Dabei handelt es sich um nichts anderes, als einen Kredit, den sich der Staat bei Banken leiht – und mit Zins und Zinseszins zurückzahlen muss –, um die größte Aufrüstung der deutschen Armee seit dem Zweiten Weltkrieg forcieren zu können. Ökonomisch kommt diese Aufrüstung natürlich primär der deutschen Waffenindustrie, aber auch dem Bankensektor zugute. Vor allem aber will der deutsche Imperialismus sich damit in die Lage versetzen, eigenständig größere Kriege zu führen. Zu verhindern, dass Deutschland wieder in die Lage gerät, die Welt mit Kolonialismus und Weltkrieg zu überziehen, ist unsere internationalistische Pflicht!

Kampf für den Frieden heißt Kampf der NATO!

Die NATO-Truppen und -Einrichtungen in Deutschland sind wesentlicher Bestandteil der Kriegsführung der USA, der BRD und der NATO insgesamt. Sie sind Zentren des Militarismus und der Bedrohung für andere Länder sowie eine Gefahr für die Arbeiterklasse hierzulande. Die bekanntesten und zugleich wichtigsten Stützpunkte sind die US-Luftwaffenbasis in Ramstein – Drehscheibe für sämtliche Kriege der USA in Osteuropa, Asien und Afrika –, der Militärflugplatz in Büchel – dort lagern im Rahmen von NATO-Verträgen Atombomben und die Bundeswehr trainiert Piloten für den Nuklearkrieg – und die Africom-Zentrale in Stuttgart, von der aus Washington seine imperialistische Politik in Afrika koordiniert. Wir kämpfen für den Austritt Deutschlands aus der NATO als konkreten Schritt zu ihrer Zerschlagung und den Abzug ihrer Truppen von deutschem Boden! Gleichzeitig kämpfen wir für ein Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr!

Kampf dem Faschismus – in der Ukraine, Deutschland und der Welt!

Die Faschisten, ihr Terror und ihre brutale menschenverachtende Ideologie gehören zur deutschen und NATO-Kriegspolitik. Dafür ist die Ukraine ein eindrückliches Beispiel: Der vom Westen finanziell und politisch unterstützte Putsch im Jahr 2014 gelang nur unter Einbindung ukrainischer Neonazis. Diese wurden in der Folge in den ukrainischen Staatsapparat, vor allem ins Militär und in den Geheimdienst, integriert. Die Faschisten waren die Speerspitze gegen die kommunistische und gewerkschaftliche Opposition in der Zentral- und gegen den Anti-Maidan-Aufstand in der Ostukraine. Das Massaker von Odessa geht genauso auf ihr Konto, wie der Terror gegen die Bevölkerung des Donbas. Nachdem zunächst viele deutsche Neonazis in die Ukraine reisten, um dort militärisch zu trainieren, treten mittlerweile auch in Deutschland verstärkt ukrainische Faschisten auf. Wir müssen die Faschisten bekämpfen, wo wir sie treffen!

Gegen Geschichtsrevisionismus und Faschismus-Rehabilitierung!

Der ukrainische Faschismus wird von deutschen Medien und Politikern systematisch salonfähig gemacht: Nicht nur wird der Einfluss faschistischer Kräfte in der Ukraine geleugnet. Vielmehr werden durch und durch faschistische Kräfte wie das Asow-Bataillon als „Patrioten“ und „Freiheitskämpfer“ verklärt. Auch dem Vater des ukrainischen Faschismus, dem Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera, wird postum der Persilschein ausgehändigt: Über die von seinen Schergen massenweise ermordeten Juden, Roma, Polen, Russen und Kommunisten wird geschwiegen, während die EU der Sowjetunion mittlerweile offiziell die Schuld am Zweiten Weltkrieg anlastet und die „stalinistischen Verbrechen“ mittlerweile per Gesetz praktisch mit dem Holocaust gleichgesetzt werden. Diese Rehabilitierung der historischen wie heutigen Faschisten dient dazu, die deutsche bürgerliche Klasse von ihrer Kriegsschuld reinzuwaschen, damit sie ungeniert neue Kriege vom Zaun brechen kann.

Stoppt den antirussischen Rassismus! Es lebe das Erbe der Sowjetunion!

Seit Anfang 2022 überschlagen sich die Propagandisten der herrschenden Klasse Deutschlands regelrecht in ihrer antirussischen Hetze: Russische Kultur und Literatur werden verbannt, Fahnen und Symbole der Sowjetunion, der Russländischen Föderation und der Volksrepubliken im Donbas kriminalisiert und Außenministerin Baerbock (Grüne) erklärt offen, dass es das Ziel sei, Russland, das heißt das Land und seine Menschen, zu „ruinieren“. In Talkshows hört man Aussagen wie diese: „Wir dürfen nicht vergessen, auch wenn Russen europäisch aussehen, dass es keine Europäer sind (…) die einen anderen Bezug zu Gewalt haben, die einen anderen Bezug zu Tod haben.“ Diese rassistische und chauvinistische Hetze gegen Russland, gegen sein Volk und seine Kultur wird von den Herrschenden befeuert und dient der ideologischen Mobilmachung.

Diese Hetze der Herrschenden schlägt sich nieder in Gewalt: Russische und russlandstämmige Menschen werden eingeschüchtert, mundtot gemacht und attackiert, russische Geschäfte und Einrichtungen werden angegriffen, sowjetische Denkmäler geschändet. Währenddessen werden Ukrainer kollektiv zu „Antirussen“ und Opfern verklärt. In Deutschland herrscht derzeit eine widerwertig heuchlerische „Willkommenskultur“ als Kehrseite der antirussischen Kriegshetze: Während Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten, aus Afrika oder vom Balkan wie eh und je dem staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus ausgesetzt und von Arbeit und sozialer Teilhabe ausgegrenzt sind, werden Ukrainer derzeit als die „echten“ Flüchtlinge betrachtet und entsprechend bevorzugt. Wir kämpfen gegen diese Ungleichbehandlung von Geflüchteten!

Gefahren: Burgfrieden, Relativierung, Vermeidungstaktik

Wir sehen aber auch auf Seiten der politischen Linken und der kommunistischen Bewegung zahlreiche Fallstricke, über die man in das Lager des westlichen Imperialismus stolpern kann, wie es in der Vergangenheit allzu oft passiert ist. Die linke Sozialdemokratie, allen voran die Linkspartei, ist in weiten Teilen bereits komplett umgekippt. Aber auch sich als kommunistisch verstehende Organisationen und Parteien laufen Gefahr oder sind schon längst dabei, der NATO objektiv den Rücken zu stärken.

Letzteres führen wir auf drei Tendenzen zurück, die wir als grundlegende Gefahren für Kommunisten in den westlichen imperialistischen Zentren identifiziert haben: 1. Die Äquidistanz, die die NATO und Russland gleichsetzt; 2. die Tendenz, die derzeitige Verarmungspolitik künstlich vom Krieg gegen Russland zu trennen und somit die Kämpfe gegen Sozialabbau und Preissteigerungen von jenen gegen Aufrüstung, Waffenlieferungen und Kriegspropaganda zu trennen. 3. Eine Relativierung des Faschismus, wie er in der Ukraine von der NATO aufgebaut und gefördert wird und der auch auf die Verhältnisse im Westen zurückwirkt.

Klären, kämpfen, organisieren!

Auf dieser inhaltlichen Grundlage bekämpfen wir die Verhältnisse in Deutschland und von ihr aus wollen wir gemeinsam mit der kommunistischen Bewegung in die Klärung gehen. Es gilt schließlich, den genauen Charakter dieses Krieges und seiner Protagonisten, die konkreten Ursachen sowie eine Einordnung in das Weltgeschehen korrekt und genau zu bestimmen, um den Kampf gegen den Imperialismus und für den Sozialismus mit der richtigen Strategie führen zu können. Gehen wir es gemeinsam an!

Kolonialismus, Neokolonialismus und Herrschaft im Imperialismus

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Diskussionsbeitrag von Franzi Stein

In unserer Diskussion um die Imperialismusanalyse im Allgemeinen, aber auch in der Diskussion um die Charakterisierung Russlands im Speziellen, stoßen wir immer wieder auf die Begriffe des Kolonialismus und Neokolonialismus. Daher habe ich mich mit den Begriffen auseinandergesetzt, auch wenn ich hier keineswegs abschließende Ergebnisse vorstellen kann. Im ersten Teil trage ich verschiedene Analysen zum Thema zusammen und versuche einen Überblick über die Begriffe zu geben. Ich habe mich dabei v.a. auf Literatur aus der DDR konzentriert, da die DDR über einen gut aufgestellten Forschungsapparat verfügte und viele Analysen zum Thema veröffentlichte. Der Text soll nur ein Aufschlag sein und müsste an vielen Stellen vertieft und qualifiziert werden. Wir sollten uns unbedingt eingehender mit den Forschungsergebnissen der DDR beschäftigen. Die Positionen im ersten Teil sind nicht alle eins zu eins meine eigene Position – im zweiten Teil stelle ich dann eigene Thesen auf und halte offene Fragen fest.

In unserer Diskussion ist mir oft folgendes Argument gegen Neokolonialismus begegnet: Davon auszugehen, dass Neokolonialismus existiere und unterdrückte Staaten nicht nur noch ein paar Ausnahmen seien, führe zwangsläufig zu Opportunismus, da dann ein Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bourgeoisie befürwortet werde. Dies ist kein gültiges Argument: Denn eine mögliche Konsequenz, die sich aus einer Analyse ergeben kann, sagt noch nichts über die Richtigkeit der Analyse selbst aus. Im Beitrag fokussiere ich mich daher auf die Analyse des Herrschaftsverhältnisses in der Welt, worüber wir uns in einem ersten Schritt Klarheit verschaffen sollten. Um die komplexen Fragen von Strategie und Taktik beantworten zu können, müssten wir uns u.a. mit dem Begriff des subjektiven und objektiven Faktors als Teil der Revolutionstheorie beschäftigt. Eine notwendige Grundlage dafür ist jedoch eine korrekte Analyse der weltweiten Herrschaftsverhältnisse. Dabei ist die Frage wichtig, was an die Stelle des imperialistischen Kolonialsystems getreten ist, ob wir von Neokolonialismus sprechen können oder nicht. In unserer Diskussion ist mir aufgefallen, dass wir oft mit dem Begriff Abhängigkeit hantieren, ihn aber wenig füllen: Wenn man nur festhält, dass ein Land abhängig von einem anderen ist oder dass Länder sich in wechselseitigen Abhängigkeiten befinden, ist noch nicht so viel ausgesagt: Wer ist von wem abhängig und warum? Wie kommt es zu Abhängigkeiten und wie werden sie aufrechterhalten? Wem nutzt die Abhängigkeit inwiefern und wem schadet sie? Was passiert, wenn sich eine Seite versucht, der Abhängigkeit zu entziehen?

Im Kolonialismus waren die Kolonien politisch, militärisch und ökonomisch abhängig von den Kolonialmächten. Sie waren jedoch nicht abhängig, weil sie ohne die Kolonialmächte nicht hätten existieren können, sondern weil sie von diesen mit Anwendung von Gewalt in dieses Verhältnis gezwungen wurde. Die Kolonialmächte setzten ihre Herrschaft, die ihrer wirtschaftlichen, militärischen und politischen Stärke entsprach, den Kolonien gegenüber gewaltsam durch. Lenin greift das in seiner Imperialismusschrift auf und nennt Herrschaft und Gewalt als wesentliche Faktoren des Imperialismus. „Das Herrschaftsverhältnis und die damit verbundene Gewalt – das ist das Typische für die „jüngste Entwicklung des Kapitalismus“, das ist es, was aus der Bildung allmächtiger wirtschaftlicher Monopole unvermeidlich hervorgehen mußte und hervorgegangen ist“1 Gleichzeitig betont er die Herrschaft einiger weniger Staaten über andere Staaten: „Die Ausbeutung aller übrigen Länder durch ein privilegiertes, finanziell reiches Land ist geblieben und hat sich verstärkt. Ein Häuflein reicher Länder (…), diese Häuflein hat Monopole in unermeßlichen Ausmaßen entwickelt, bezieht seinen Extraprofit in Höhe von Hunderten Millionen, wenn nicht von Milliarden, saugt die anderen Länder, deren Bevölkerung nach Hunderten und aber Hunderten Millionen zählt, erbarmungslos aus und kämpft untereinander um die Teilung der besonders üppigen, besonders fetten, besonders bequemen Beute. Eben darin besteht das ökonomische und politische Wesen des Imperialismus (…).“2

Welche Staaten heute ihre Herrschaft wie und wem gegenüber durchsetzen können und mit welcher Konsequenz, das müssen wir anfangen, konkret zu analysieren. Das imperialistische Kolonialsystem war eine spezifische Erscheinungsform der Herrschaftsdurchsetzung des Imperialismus in der Welt, nämlich die der Kolonialmächte gegenüber der Kolonien.

Mit dem Zerfall des Kolonialsystems verschwand jedoch nicht das Wesen des Imperialismus, der Drang, seine Herrschaft weltweit durchzusetzen.

Teil I

Begriff des imperialistischen Kolonialsystems

Das imperialistische Kolonialsystem ist ein System zur „kolonialen Unterdrückung der überwiegenden Mehrheit der Erdbevölkerung durch einige wenige Staaten.“3 Verschiedene Methoden sichern u.a. die Unterdrückung und Ausbeutung: der Kolonialraub (u.a. durch Kriegsbeute), der unmittelbare staatliche Zwang (z.B. koloniale Verwaltung, Kolonialarmeen), die Ausbeutung der Kolonien als Rohstofflieferant und Absatzmarkt und die Einbeziehung der Kolonien in den Mechanismus des nicht-äquivalenten Warenaustauschs.4 Ebenso wird die Wirtschaft in den Kolonien oftmals deformiert (z.B. durch Raubbau oder Monokulturen), wohingegen sich die kapitalistische Entwicklung der Kolonialmächte stark beschleunigt. Durch diese Methoden „erzwingt der Kolonialismus besonders günstige Verwertungsbedingungen für das Auslandskapital in der kolonialen Welt, die sich in überdurchschnittlichen Profitraten niederschlagen. Weltwirtschaftlich schließt der Kolonialismus die Herausbildung und Wirksamkeit eines Systems der internationalen kapitalistischen Arbeitsteilung ein, dessen wesentliche Merkmale die untergeordnete, nicht gleichberechtigte und strukturell abhängige Stellung der ökonomisch schwach-entwickelten Länder als Rohstoff- und Agraranhängsel der industriell entwickelteren kapitalistischen Zentren und wachsende Unterschiede im ökonomischen Niveau zwischen diesen beiden Wirtschaftsgebieten sind“5. Die Epoche des Imperialismus ist durch den ständigen Kampf um die Neuaufteilung der Welt gekennzeichnet. Wichtige Gründe für den ersten und zweiten Weltkrieg waren der Kampf um die Neuaufteilung der Kolonien unter den Kolonialmächten. Schauen wir uns noch in der DDR aufgestellt Begriffsdefinitionen an: Eine Kolonie ist im Kapitalismus ein „Land oder ein Gebiet, das von einem kapitalistischen Staat gewaltsam seiner wirtschaftlichen und politischen Selbstständigkeit beraubt und diesem angegliedert ist sowie gänzlich von ihm beherrscht wird. Kolonien verkörpern im Kapitalismus den höchsten Grad der direkten Abhängigkeit eines Landes von einem kapitalistischen Staat.“6 Eine Halbkolonie hingegen ist ein Land, „das formell politisch unabhängig ist, dessen Wirtschaft und Politik jedoch von imperialistischen Staaten bzw. Monopolen bestimmt werden. (…) Die Monopole drängten danach, die Wirtschaft der Halbkolonien völlig an sich zu reißen und nach Möglichkeit auch die unumschränkte politische Herrschaft über diese Länder zu erreichen.“7

Entwicklung des imperialistischen Kolonialsystems

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Aufteilung der Welt weitgehend abgeschlossen und eine große Fläche war Kolonie (z.B. in Afrika ca. 90% der Fläche). Die Kolonien standen unter direkter Kontrolle der Kolonialmacht und wurden u.a. als Absatzmarkt für Waren erschlossen, später dann auch zunehmend als Investitionsmöglichkeit für das Finanzkapital. Der Kampf der Kolonialmächte untereinander verschärfte sich, so bedrohten Deutschland und die USA zunehmend die Kolonialmacht England. Gleichzeit erschloss Japan im Pazifikraum viele Kolonien. Deutschland hatte im Vergleich zur ökonomischen Potenz wenige Kolonien, was einer der Faktoren waren, der in den ersten Weltkrieg führte. Dieser stellte einen Höhepunkt im Kampf um die Neuaufteilung der Welt dar, die auch zuvor schon kriegerisch ausgetragen wurde,z.B. im spanisch-amerikanischen Krieg. Verschiedene Resultate des ersten Weltkrieges trieben das Kolonialsystem zunehmend in die Krise: Zum einen war in Russland die Oktoberrevolution erfolgreich und das russische Kolonialreich zerfiel. Zum anderen bildeten sich zunehmend antikoloniale Kämpfe heraus wie z.B. in China. Richtig an Fahrt gewann die antikoloniale Befreiungsbewegung jedoch erst nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, der eine Schwächung der Kolonialländer wie Deutschland, Japan oder England bedeutete. Es kam zu großen antikolonialen Kämpfe wie in Laos, Vietnam, Indonesien oder Indien und die Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 war ein weiterer Rückschlag für die Kolonialmächte. In den darauffolgenden Jahren erlebte die Welt eine Reihe von lang und oftmals blutig geführten Befreiungskämpfen, wie z.B. in Vietnam oder in Algerien. Während die USA in Vietnam direkt Krieg führten, bekämpften sie in Südamerika Befreiungsbewegungen durch Putsche und Militärdiktaturen, wie z.B. in Chile. Die ehemaligen Kolonialmächte versuchten aktiv gegen die Befreiungskämpfe zu wirken oder die neu entstandenen Nationalstaaten zu schwächen z.B. durch die Ermordung wichtiger Kämpfer im Befreiungskrieg (z.B. Che Guevara in Bolivien, Thomas Sankara in Burkina Faso, Patrice Lumumba im Kongo etc.). Die neu entstandenen Nationalstaaten erhielten politische, formelle Unabhängigkeit. Ökonomisch wurden sie ins kapitalistische Weltsystem integriert, die lokalen Eliten waren oft eng mit den ehemaligen Kolonialmächten verstrickt, die ökonomisch meist dominant blieben.

Es gibt verschiedene Faktoren, die zur Krise und schließlich zum Zerfall des Kolonialsystems geführt haben. Zum einen gab es Widersprüche zwischen der imperialistischen Staaten: So hatten sowohl die USA als auch Deutschland, die beide über einen nicht so großen Kolonialbesitz angesichts ihrer ökonomischen Stärke verfügten, das Interesse, die Konkurrenten England und Frankreich, die über einen großen Kolonialbesitz verfügten, zu schwächen. Es gibt auch die Analyse, dass sich das Kolonialsystem ab einem bestimmten Zeitpunkt als Fessel für die Expansion der Monopole in die Kolonien – aufgrund deren kolonialer Unterentwicklung der Produktivkräfte und der zum Teil vorkapitalistischer Verhältnisse – erwies.8 Zum anderen erstarkte der Weltsozialismus als der wichtigste Verbündete der antikolonialen Bewegungen und als größter Feind des Imperialismus immer mehr. Der antikoloniale Befreiungskampf verstärkte sich und gewann an Stärke, sich von der Kolonialherrschaft zu lösen und die politische Unabhängigkeit zu erkämpfen.

Die Erringung der staatlichen Selbstständigkeit in über 70 Staaten stellte für den Imperialismus eine Niederlage dar und führte zu einer verstärkten Krise. Ausbeutungsinstrumente wie die kolonialen Steuern entfielen, der koloniale Staatsapparat zerfiel. In vielen Nationalstaaten fand eine Nationalisierung oder Beschränkung von Auslandskapital statt. Die sozialistischen Staaten entwickelten sich zu wichtigen politischen und ökonomischen Bündnispartner der ehemaligen Kolonien. Ein Großteil des BIP der ehemaligen Kolonien stammte aus der Landwirtschaft und der extraktiven Industrie (= Industrie zur Gewinnung von Rohstoffen). Meist handelte es sich um Monokulturen, die eine starke Abhängigkeit von einem Produkt ausmachten. Aufgrund technischer Rückständigkeit entstand eine große technisch-ökonomische Abhängigkeit von den imperialistischen Mächten. „Diese Struktur macht ihre Wirtschaft nicht nur von den imperialistischen Staaten abhängig, sondern auch höchst anfällig für Preisschwankungen auf dem kapitalistischen Weltmarkt, die von den großen Monopolen zusätzlich manipuliert werden. (…) Von besonderer Bedeutung für die wirtschaftliche Situation der jungen national befreiten Länder ist nicht nur das niedrige Entwicklungsniveau und die Deformation ihrer Produktivkräfte, sondern vor allem die Tatsache, daß die Kluft im ökonomischen Niveau zu den imperialistischen Staaten weiter anwächst.“9 Der Staat spielte eine wichtige Rolle bei der Industrialisierung und wirtschaftlichen Entwicklung der ehemaligen Kolonien. Meist war das Auslandskapital immer noch sehr einflussreich, die Stellung des Finanzkapitals wurde u.a. durch hohe Auslandsverschuldung gefestigt. In vielen Staaten bildete sich ein Industrieproletariat langsam heraus, das jedoch längst nicht so weit entwickelt war wie in den imperialistischen Zentren.

Neue Methoden des Imperialismus in Gestalt des Neokolonialismus

In der DDR wurde festgehalten, dass mit dem Zerfall des imperialistischen Kolonialsystems zwar die Kolonien als Mittel der Unterdrückung und Ausbeutung wegfielen, der Drang des Imperialismus nach Ausbeutung und Unterdrückung jedoch keineswegs. Was sich änderte waren die Bedingungen der Zugriffsmöglichkeiten für den Imperialismus. Es wurde daher der Begriff des Neokolonialismus geprägt, der eine neue Form des Kolonialismus beschreibt, die sich den veränderten Bedingungen anpasst. Das Hauptziel des Neokolonialismus ist es, die Ausbeutung und Unterdrückung aufrechtzuerhalten, weiterhin Profite aus den neuen Nationalstaaten zu ziehen und diese von einem sozialistischen Weg abzuhalten. Der Neokolonialismus „setzt den Kolonialismus mit veränderten ökonomischen, politischen, ideologischen und militärischen Methoden und Formen unter den Bedingungen des zugunsten des Sozialismus veränderten Kräfteverhältnisses fort. Es ist der Ausdruck imperialistischen Strebens, sich diesen neuen Klassenkampfbedingungen (…) anzupassen.“10 Zu den gängigsten Methoden zählen u.a. „neue Formen des Kapitalexportes, die als Entwicklungshilfe bezeichnet werden; Verbindung von Anleihen und Investitionen mit politischen Auflagen; Ausnutzung des Nahrungsmittelmangels und der Exportschwierigkeiten junger Nationalstaaten zu innen- und außenpolitischen Erpressungen; nicht-gleichberechtigte Vertragsgestaltung; Preismanipulation (bes. bei Rohstoffen) und Importrestriktionen, die die jungen Nationalstaaten in wirtschaftliche Schwierigkeit stürzen; Durchsetzung des Verwaltungs- und Planungsapparates junger Nationalstaaten mit Beratern, Experten und Gutachtern imperialistischer Staaten; technische Hilfe und Ausbildungshilfe, die zur ideologischen Diversion benutzt wird; Einflußnahme auf das Offizierskorps der jungen Nationalstaaten durch Militärhilfe; Anzettelung von Militärputschen; Versuche zur Spaltung der anti-imperialistischen Kräfte; Propagierung von Modellen zur wirtschaftlichen Entwicklung und von Wirtschaftstheorien, die die jungen Nationalstaaten auf einen kapitalistischen Weg drängen sollen; Förderung der Herausbildung einheimischer kapitalistischer Klassenkämpfe als soziale Stütze des Imperialismus.“11

Der Imperialismus wählt den offenen Interventionismus (z.B. durch einen Putsch oder Krieg) oder setzt auf indirekte und langfristige Infiltration (z.B. durch die Spaltung der nationalen Befreiungsbewegung). Auf ökonomischen Gebiet versucht der Imperialismus, die ehemaligen Kolonien in das kapitalistische System hineinzudrängen, sie vom sozialistischen Weg abzuhalten und nationale kapitalistische Klassenkräfte als Stütze des Imperialismus zu fördern. Politisch werden reaktionäre Organisationen gefördert und Putsche durchgeführt. Auf militärischem Gebiet werden die Staaten in Militärblöcke integriert und / oder Militärstützpunkte in den jeweiligen Staaten errichtet. Der Abstand in Bezug auf das ökonomische Niveau der ehemaligen Kolonien soll auf jeden Fall aufrechterhalten bleiben. Dabei gibt es verschiedene Hebel, wie z.B. der des nicht-äquivalenten Warenaustauschs, der eine Preisschere zwischen Industriestaaten und ehemaligen Kolonien bewirkt. Entwicklungshilfe stellt ein weiteres Instrument dar, die Ökonomie der Staaten zu schwächen und die eigenen Monopolinteressen zu sichern. Aufgrund der Einbindung der ehemaligen Kolonien kann eine Industrialisierung und wirtschaftliche Entwicklung in den ehemaligen Kolonien jedoch nicht verhindert werden, sie soll jedoch in eine neokolonialistische Industrialisierung verwandelt werden, u.a. durch die Errichtung von arbeitsintensiven Industrien mit niedriger organischer Zusammensetzung und niedriger Arbeitsproduktivität. Im Rahmen des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems soll eine neokolonialistische Arbeitsteilung entwickelt werden, in der sich die imperialistischen Mächte auf kapital- und forschungsintensive Erzeugnisse konzentrieren, die ehemaligen Kolonien sollen sich auf Rohstoffwirtschaft und industrielle Fertigung mit niedriger Produktivität konzentrieren. „Das Ergebnis dieser neokolonialistischen Strategie wäre erstens eine „Flurbereinigung“ der Wirtschaftsstruktur der entwickelten kapitalistischen Industrieländer; dadurch würden sich die Bedingungen für die Erhaltung ihrer technisch-ökonomischen Überlegenheit über diese Staaten noch verbessern; zweitens eine Erweiterung der Absatzmärkte der Monopole, vor allem bei Produktionsmitteln und industriellen Ausrüstungen; drittens die Erhaltung des Abstands im Niveau der Arbeitsproduktivität und damit der Basis für den nicht-äquivalenten Austausch, den Ausplünderungsmechanismus über den kapitalistischen Weltmarkt, und schließlich viertens die Beibehaltung der untergeordneten und abhängigen Stellung der jungen Nationalstaaten in der kapitalistischen Weltwirtschaft, obwohl sich ihre Wirtschaft allmählich entwickelt und die Arbeitsteilung nicht mehr einfach zwischen Rohstoffen und Fertigwaren verläuft, sondern zwischen qualitativ verschiedenen Stufen der Industrie.“12

Die ehemaligen Kolonien sind besonders stark von Krisen im Weltwährungssystem betroffen, so werden Importe durch die Inflation teurer und eine Abwertung des Dollars senkt die Kaufkraft der Devisenreserven. Ein weiteres Instrument des Neokolonialismus ist die Verschuldung beim IWF oder der Weltbank. In beiden Gremien besitzen die USA und die EU die Hauptanteile und verfügen über eine Sperrminorität. Die Kreditvergabe ist an sogenannte Strukturanpassungsprogramme geknüpft, die meist mit einer Gestaltung der nationalen Wirtschaft und sozialpolitischen Situation zugunsten des Auslandskapital verbunden sind. Dazu zählen u.a. Privatisierungen, Kürzungen im öffentlichen Bereich (Gesundheit, Bildung etc.), Kürzungen der Sozialleistungen oder staatlichen Subventionen oder die Aufhebung von Zöllen zum Schutz einheimischer Produkte. So drängte der IWF beispielsweise in Nigeria darauf, den Finanzsektor zu reformieren und die Ressourcenausbeutung effektiver zu gestalten. Daraufhin wurden alle staatlichen Subventionen auf Treibstoffe zurückgenommen und die Preise schnellten in die Höhe.13 Die Schulden werden außerdem dazu benutzt, den Einfluss anderer Staaten zurückzudrängen. Hier sei nur ein Beispiel genannt: 2007 wollten China und der Kongo ein Joint-Venture Programm starten, das die Förderung von Rohstoffen im Gegenzug zu massiven Infrastrukturmaßnahmen (Verkehrswege, Bau von Krankenhäusern und Sozialwohnungen etc.) vorsah. Der westliche Imperialismus blockierte das Projekt jedoch durch die Zahlungserinnerung der Schulden des Kongos: Wenn der Vertrag mit China revidiert würde, könnten 9 der 13 Milliarden Schulden durch den IWF gestrichen werden. Der Kongo hatte keine andere Möglichkeit, als das geplante Projekt abzublasen.14

Phasen der nationalen Befreiung

In der DDR wurde von verschiedenen Phasen der nationalen Befreiung gesprochen. In der ersten Phase geht es um die Befreiung der direkten Kolonialherrschaft. In dieser Phase gibt es oftmals noch keine weit ausgebildete Arbeiterklasse und es kommt zu Zusammenschlüssen der nationalen Eliten mit verschiedenen Teilen des Volkes u.a. Bauernschaft. Die Bourgeoisie spielt in dieser Phase eine wichtige Rolle als Partner im Kampf gegen die Kolonialherrschaft. „Mit der Erringung der politischen Unabhängigkeit endet die erste große historische Etappe des Kampfes der ehemals unterdrückten Völkern für ihre Befreiung. Ihre wesentlichen Ergebnisse sind dadurch gekennzeichnet, daß das System der direkten politischen Unterjochung und der rigorosen wirtschaftlichen Ausplünderung, das besonders günstige Bedingungen für das ausländische Kapital schuf und die allgemeine Rückständigkeit konservierte, liquidiert wurde. Die nationale Befreiungsbewegung konstituierte sich staatlich und völkerrechtlich, d.h. sie übt auf ihrem Territorium die Hoheitsgewalt aus (…). Die unabhängigen Nationalstaaten blieben dem kapitalistischen Weltwirtschaftssystem verbunden und von ihm weiterhin abhängig.“15

Daran schließt sich eine weitere Phase der Befreiung an. In der zweiten Phase ringen die Staaten zunehmend um den Aufbau einer unabhängigeren nationalen Wirtschaft. Oftmals geht dieser Prozess mit einer starken Rolle des Staates einher und mit der Nationalisierung von ausländischem Kapital. Teile der Bourgeoisie im Staat sind jedoch weiterhin eng an die frühere Kolonialmacht gekoppelt (oft auch aufgrund von direkter Unterstützung). „Hauptinhalt der nach der Erringung der politischen Unabhängigkeit beginnenden zweiten Etappe der nationalen Befreiungsrevolution ist die Überwindung der wirtschaftlichen Rückständigkeit, der Aufbau einer unabhängigen nationalen Wirtschaft, einschließlich einer nationalen Industrie, und die Hebung des Lebensstandards des Volkes. Im Kampf um die Lösung dieser Aufgabe verschärft sich der Konflikt der Arbeiterklasse, der Bauernschaft und der anderen demokratischen Kräfte, darunter der demokratisch gesinnten Schichten des Kleinbürgertums, mit dem Imperialismus und den Kräften der inneren Reaktion, mit jenen Elementen der nationalen Bourgeoisie, die in immer stärkerem Maße mit dem Imperialismus kollaborieren.“16

In der zweiten Phase muss die Rolle der Bourgeoisie folglich anderes eingeschätzt werden als in der ersten. Die Klassenauseinandersetzungen werden, auch aufgrund der stärkeren Herausbildung einer Arbeiterklasse, immer deutlicher. Die Bourgeoisie gerät unter zunehmenden Druck, von Seiten des Imperialismus und von Seiten der Arbeiterklasse. Es wird festgehalten, dass man bei der Einschätzung der Rolle der Bourgeoisie differenzieren muss, zwischen einem Teil, der an der Stärkung der nationalen Unabhängigkeit interessiert ist und damit meist gegen die Interessen des Imperialismus steht und gleichzeitig einem Teil, der eng mit dem Imperialismus verknüpft ist. Die erste Gruppe kann unter bestimmten Umständen eine progressive Rolle für den Kampf der Arbeiterklasse in der nationalen Befreiung spielen: „In den jungen Nationalstaaten existieren und entwickeln sich in der Regel zwei bürgerliche Kräftegruppierungen: die Gruppierung, die mit anderen reaktionären Kräften, mit feudalen Überresten in Politik und Wirtschaft und dem Auslandskapital verbunden ist, sowie die nationalbewußte Gruppierung, die gegen den Kolonialismus und Feudalismus auftritt. Während der ersten Etappe des nationalen Befreiungskampfes beteiligt sich fast die gesamte Bourgeoisie an diesem Kampf. Die Position der Bourgeoisie verändert sich aber in den verschiedenen Etappen des Kampfes. Die Bourgeoisie ist nach ihrem Machtantritt dem Druck zweiter Kräfte ausgesetzt: Auf der einen Seite stehen die Imperialisten, die ihre Positionen erhalten bzw. zurückgewinnen wollen, und die feudalen Kreise, die an ihren Privilegien festhalten, auf der andere Seite die Massen des Volkes, die für eine grundlegende Verbesserung ihrer Lage kämpfen. Unter dem Druck dieser Kräfte offenbart die Bourgeoisie ihre unentschlossene, schwankende und zwiespältige Haltung als Klasse. Zugeständnisse an die imperialistischen Mächte und feudalen Kreise, Versprechungen und nationalistische Demagogie für die Volksmassen und gleichzeitige Unterdrückung ihrer demokratischen Forderungen kennzeichnen ihre Politik. Obwohl die Widersprüche zwischen den Imperialisten und der einheimischen Bourgeoisie weiterbestehen und damit die objektiven Voraussetzungen für die Beteiligung dieser Bourgeoisie am antiimperialistischen Kampf, ist sie im fortschreitenden Prozeß der nationalen Befreiungsrevolution immer weniger fähig, die gesamtnationalen Interessen zu vertreten. Das wird in der zweiten Etappe der nationalen Befreiungsbewegung deutlich, in der die inneren Klassenauseinandersetzungen stärker werden und die antikapitalistische Tendenz des Kampfes der Arbeiterklasse und der Volksmassen sichtbarer in Erscheinung tritt. Die nationale Bourgeoisie spielt aber in der gegenwärtigen Etappe in einer Reihe von Ländern noch eine bestimmte Rolle im antiimperialistischen Kampf. Sie ist an einer unabhängigen ökonomischen und politischen Entwicklung des Landes, an der selbstständigen Ausbeutung des nationalen Marktes usw. interessiert. Sie verfügt, wenn auch in den einzelnen Ländern unterschiedlich, noch über progressive Potenzen, die es möglich und notwendig machen, sie in die gesamtnationale Kampffront gegen den Imperialismus einzubeziehen.“17

Teil II

Thesen, Fragen, Ausblick

Im Folgenden will ich ein paar Thesen festhalten und offene Fragen anschließen, die wir im Klärungsprozess genauer untersuchen müssten. Die Fragen beziehen sich auf die Analyse der Kräfteverhältnisse in der Welt und noch nicht auf die Schlussfolgerungen, die wir als Kommunisten daraus ziehen müssen. Hier müsste in einem zweiten Schritt die Bedeutung dieser Analyse für die Strategie und Taktik der Arbeiterklassen in den imperialistischen Zentren oder in den peripheren Ländern herausgearbeitet werden. Bevor jedoch dieser Schritt gegangen wird, sollten wir uns, wie bereits in der Einleitung ausgeführt, auf die Analyse fokussieren.

1. Herrschaft ist ein wesentliches Phänomen, das die Epoche des Imperialismus kennzeichnet. Herrschaft ist immer mit Unterdrückung und Gewalt, zur Aufrechterhaltung der Herrschaft und Ausbeutung verbunden. Das imperialistische Kolonialsystem war eine spezifische Erscheinungsform der Herrschaftsausübung einiger weniger Staaten über andere. Diese Form der Unterdrückung hat ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr den Machtverhältnissen in der Welt entsprochen, z.B. angesichts des aufstrebenden Sozialismus und dem Machtverlust alter Kolonialreiche wie z.B. England, Frankreich oder Belgien. An die Stelle des Kolonialsystems ist jedoch nicht ein gleichberechtigtes Agieren der Staaten weltweit getreten, sondern es gibt große Unterschiede in der Potenz und im tatsächlichen Agieren der Länder, ihre Macht durchzusetzen.

→ Über welche Hebel setzen welche Staaten heute ihre Herrschaft gegenüber wem durch?

Bevor wir feststellen können, ob der Begriff des Neokolonialismus eine richtige Analyse für die heutige Zeit ist, müssen wir verstehen, wie die Durchsetzung der Herrschaftsverhältnisse weltweit funktioniert. Wir sollten uns hier genauer mit den in der DDR entwickelten Analysen und Kriterien (z.B. das des nicht-äquivalenten Warenaustauschs) beschäftigen und prüfen, ob sie auch heute noch gelten.

→ Außerdem brauchen wir unbedingt eine bessere Analyse der USA, die aktuell „am effektivsten“ ihre Herrschaft in der Welt durchsetzen, sowie eine bessere Analyse Deutschlands und des Verhältnisses USA – Deutschland. Wir müssen verstehen, wo die zwischen-imperialistischen Kämpfe konkret verlaufen und wo eine Zusammenarbeit stattfindet, um die gemeinsamen Gegner niederzuhalten. Ebenso brauchen wir eine Analyse davon, wie die Potenz Chinas und auch Russlands einzuschätzen ist, ihre Herrschaft in der Welt durchzusetzen.

2. Die Herrschaft des Finanzkapitals ist ein wesentlicher Faktor zur Beschreibung der Epoche des Imperialismus. Lenin schreibt: „Der Imperialismus oder die Herrschaft des Finanzkapitals ist jene höchste Stufe des Kapitalismus, wo diese Trennung [Anm. hier ist die Trennung zwischen Geldkapital und industriellem Kapital gemeint] gewaltige Ausdehnung erreicht. Das Übergewicht des Finanzkapitals über alle übrigen Formen des Kapitals bedeutet, die Vorherrschaft des Rentners und der Finanzoligarchie, bedeutet die Aussonderung weniger Staaten, die finanzielle Macht besitzen.“18 und „Das Finanzkapital ist eine so gewaltige, man darf wohl sagen, entscheidende Macht in allen ökonomischen und in allen internationalen Beziehungen, daß es sich sogar Staaten unterwerfen kann und tatsächlich auch unterwirft, die volle politische Unabhängigkeit genießen;“19

→ Doch was heißt das konkret für die Analyse der aktuellen Herrschaft des Finanzkapitals? In welchen Staaten liegt das Finanzkapital, das in der Lage ist, diese Herrschaft auszuüben? Wie übt es diese Herrschaft aus? Was bedeutet das für die anderen Staaten? Hier müssen wir die aktuelle Verfasstheit des Finanzkapitals besser begreifen. Welche Bedeutung hat es z.B. dass die meisten größten Kapitalorganisationen ihren operativen Sitz in den USA haben?20 Wie schätzen wir den Faktor ein, dass der Dollar die weltweite Leitwährung ist, in Bezug auf die Herrschaftsdurchsetzung der USA? Was bedeutet das für die Einschätzung anderer Staaten z.B. China?

3. Wenn wir in unserer Analyse einfach Kennzahlen nebeneinander legen, z.B. wie viel Kapitalexport tätigt Russland, wie viel die USA, wie viel China, können wir noch nicht so viel aussagen. Wir müssen begreifen, welche Wirkung der Kapitalexport auf die Länder, in die das Kapital exportiert wird, hat. Lenin hält dazu fest: „Um über die Bedeutung des Finanzkapitals für die Ausfuhr usw. ein Urteil abzugeben, muß man es verstehen, den Zusammenhang der Ausfuhr speziell und lediglich mit den Manövern des Finanziers, speziell und lediglich mit dem Absatz der Kartellerzeugnisse usw. herauszuarbeiten. Aber einfach Kolonien überhaupt mit Nichtkolonien, einen Imperialismus mit einem anderen Imperialismus, eine Halbkolonie oder Kolonie (…) mit allen übrigen Ländern zu vergleichen, heißt gerade das Wesen der Dinge umgehen und vertuschen.21

→ In diesem Zusammenhang müssen wir u.a. analysieren, ob der Kapitalexport Chinas in andere Staaten zum jetzigen Zeitpunkt eine andere Wirkung entfaltet als der Kapitalexport des westlichen Imperialismus. An welche Bedingungen sind die chinesischen Kredite geknüpft? Sind diese Bedingungen ähnlich einzuschätzen wie die Strukturanpassungsprogramme des IWF? Oder ist China nicht sogar dazu gezwungen, die Kredite zu besseren Bedingungen anzubieten als es der IWF macht? Und wenn ja, was heißt eigentlich „bessere“ Bedingungen?

4. Auch wenn das imperialistische Kolonialsystem in fast allen Länder überwunden wurde und die Kolonien formell unabhängig wurden, ist nicht der Imperialismus überwunden, der immer mit Unterdrückung und Ausbeutung verbunden ist. Ausbeutung der internationalen Arbeiterklasse bei gleichzeitiger Unterdrückung und versuchter Unterwerfung anderer Staaten. Wenn man sich z.B. die Entwicklung in Bolivien anschaut, sieht man diesen Versuch der Unterwerfung des westlichen Imperialismus klar. Die Tatsache, dass die bolivianische Regierung unter Evo Morales entschied, den Rohstoff Lithium nicht einfach unverarbeitet aus dem Land abtransportieren zu lassen, sondern im Land zu Akkus weiterzuverarbeiten, führte zu einem vom westlichen Imperialismus initiierten Putsch. Das Ziel war es, Bolivien zum billigen Lithiumlieferanten zu degradieren, wenn nötig eben mit Gewalt. Das ist es, was im ersten Teil in Bezug auf die Wirtschaftsstruktur der ehemaligen Kolonien beschrieben wurde. Ein anderes Beispiel ist Nigeria, ein wichtiger Erdöllieferant. Während über 40% der Ölfördermenge in die USA geschafft wird, muss das Land selbst Benzin importieren, da es aufgrund mangelnder Raffinerien nicht dazu in der Lage ist, selbst Benzin zu produzieren.22 Viele der ehemaligen Kolonien richten sich zunehmend in Richtung China oder Russland aus und gehen Kooperationen mit diesen Staaten ein. Hier seien nur beispielhaft die chinesischen Investitionsprogramme in afrikanischen Staaten, die UN-Abstimmungen in Bezug auf die Sanktionen gegen Russland oder neue Mitgliedschaften im Bündnis BRICS genannt. Dieses Agieren findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern wird vom westlichen Imperialismus stark bekämpft. Oben wurde bereits das Beispiel China und Kongo ausgeführt.

→ Bezugnehmend auf meine Ausführungen zu den Theorien aus der DDR zum Neokolonialismus müssen wir die Verfasstheit der ehemaligen Kolonien analysieren. Wie ist die ökonomische und politische Entwicklung in diesen Ländern einzuschätzen? Wie ist die Bourgeoisie und die Arbeiterklasse aufgestellt? Kann man von einem Teil der Bourgeoisie sprechen, der sich noch immer im engen Bündnis mit der früheren Kolonialmacht befindet? Und ist es richtig, dass ein anderer Teil der Bourgeoisie mehr auf die nationale Eigenständigkeit dieser Länder orientiert?

5. Mit der Konterrevolution und dem Ende der Sowjetunion hat sich eine weltweite Kräfte-Neuordnung ergeben. Die meisten sozialistischen Staaten standen als Bündnispartner für die ehemaligen Kolonien und deren junge Nationalstaaten nicht mehr zur Verfügung. Im Gegenteil wurden sie in das kapitalistische Weltsystem (teils gewaltsam) integriert und in ihrer Entwicklung stark geschwächt, z.B. durch Deindustrialisierung oder Zerstörung mittels Krieg wie z.B. in Jugoslawien. Staaten wie Deutschland und die USA konnten ihre Machtposition damit noch weiter ausbauen. Die Konterrevolution bedeutete eine enorme Stärkung des westlichen Imperialismus und eine starke Schwächung der ehemaligen Kolonien (wobei wir hier natürlich differenzieren müssen). Allen voran haben die USA in den letzten 30 Jahren intensiv versucht (und auch schon zuvor), Länder, die eine eigenständige Entwicklung anstrebten, zu zerstören: So wurden u.a. der Irak, Libyen, Syrien, Afghanistan, Jugoslawien durch Kriege in ihrem Entwicklungsstand Jahrzehnte zurückgeworfen. Andere Länder sollen durch harte Sanktionspolitik wirtschaftlich und politisch destabilisiert werden, wie z.B. Venezuela, Kuba, Iran oder Russland. In anderen Staaten versucht der westliche Imperialismus, die Politik durch Putsche mitzubestimmen wie z.B. in Bolivien oder der Ukraine.

→ Hier wird deutlich, dass wir ein besseres Verständnis für die Bedeutung der Konterrevolution in Bezug auf die weltweiten Machtverhältnisse entwickeln müssen, zum einen für die Potenz der imperialistischen Staaten v.a. der USA und Deutschlands, ihre Herrschaft in der Welt durchzusetzen und zum anderen für die Entwicklungsmöglichkeiten der ehemaligen Kolonien.

Ausblick

Werfen wir einen Blick in die Welt: In Haiti, ein Land mit langer Kolonialgeschichte (u.a. Kolonie von Frankreich und von den USA lange Zeit militärisch besetzt) sind immer wieder Proteste am Schwelen, zuletzt verstärkt zum Ende des letzten Jahres. Im September hatten sich die Proteste verschärft, nachdem der Interimsministerspräsident Ariel Henry eine Erhöhung des Kraftstoffpreises um 100% angekündigt hat. Die Bevölkerung leidet unter den hohen Preisen, aber auch unter dem herrschenden Trinkwassermangel und dem Ausbruch der Cholera. Die Situation hat sich nach dem zweiten Putsch gegen den linksgerichteten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide 2004 immer weiter verschärft. Der Putsch wurde 2004 u.a. von den USA und Frankreich gefördert,weil Aristide u.a. Reparationen von Frankreich einfordern wollte, um diese u.a. in Bildung und Gesundheitsversorgung zu investieren. Nach dem Putsch wurde dann die UN-Blauhelmmission Minustah (United Nations Stabilization Mission in Haiti) durchgeführt. Diese rief immer wieder Proteste der Bevölkerung hervor, da sie als Besatzungsmacht begriffen wird und u.a. gewaltsam gegen Demonstrierende vorgegangen ist. Außerdem trägt sie die Verantwortung für den Cholera-Ausbruch im Land 2010, als Blauhelm-Soldaten die Krankheit nach Haiti einschleppten, die sich dort rasant verbreitete und an deren Folgen mindestens 10.000 Menschen starben.23 Nachdem Henry im Oktober Unterstützung durch eine ausländische Militärintervention verlangt hatte, haben die Proteste im Land gegen Henry und auch dessen Unterstützer, die USA und Kanada, noch weiter an Fahrt aufgenommen. Im UN-Sicherheitsrat wurde die US-Vorlage nach einer ausländischen militärischen Intervention jedoch abgelehnt: China und Russland sprachen sich gegen die Intervention aus, mit der Begründung, dass die Lösung im Land selbst gefunden werden müsste und nicht durch ausländische Kräfte. Dies stieß bei den Demonstrierenden auf Zustimmung und so waren auf den Demonstrationen zahlreiche Russland- und Chinaflaggen zu sehen. Es ist die Erfahrung der Bevölkerung, dass Interventionen der westlichen Imperialisten nie Sicherheit und Stabilität gebracht haben, sondern Verarmung und Instabilität. So schreibt das haitianische Netzwerk Alterpresse: „Nach der Besetzung durch die USA im Jahr 1915, die 19 Jahre andauerte, und der Landung der US-Marines 1994 erlebte Haiti in den letzten 30 Jahren mehrere ausländische Interventionen und verschiedene UN-Missionen, ohne dass seine Stabilitäts- und Sicherheitsprobleme gelöst wurden.“24

Wenn wir uns mit den aktuellen Zuständen und Kämpfe in der Welt, wie zum Beispiel mit dem nur sehr knapp ausgeführten Beispiel Haitis, beschäftigen, wird schnell klar, dass wir dringend mehr Klarheit zu den oben aufgeführten Fragen brauchen.

Auf diesem Weg werden wir uns intensiv mit den Analysen aus der DDR, aber auch der internationalen kommunistischen Bewegung beschäftigen müssen. Dabei sollten wir auch nicht vergessen, den Blick auf die ehemaligen Kolonien und die dort verarbeiteten Erfahrungen und erstellten Analysen zu wenden.

Dieser Beitrag soll ein erster Schritt dahin sein und muss durch den kollektiven Prozess qualifiziert werden.


1Lenin; Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalimus. Verlag das Freie Buch München, 2014. S. 30

2Lenin; Imperialismus. S.141

3Wörterbuch der Geschichte A-K; Dietz Verlag Berlin, 1983. S.586.

4Ich konnte mich leider nicht intensiver mit dem Phänomen des nicht-äquivalenten Warenaustauschs beschäftigen. Kurz gesagt bedeutet es, dass die Preise der Waren aus ökonomisch stärkeren Staaten verhältnismäßig stärker ansteigen als die der Waren in ökonomisch schwächeren Staaten, was eine Bereicherung der stärkeren Staaten auf Kosten der schwächeren Staaten bedeutet.

5Wörterbuch der Geschichte A-K; S.587.

6Sachwörterbuch der Geschichte Deutschlands und der deutschen Arbeiterbewegung Band 1; Dietz Verlag Berlin, 1969; S.949.

7Sachwörterbuch Band 1; S.761.

8Vgl. Einführung in die Politische Ökonomie des Kapitalismus; Dietz Verlag Berlin, 1975. S.373.

9Einführung Ökonomie; S.381.

10Wörterbuch der Geschichte L-Z; Dietz Verlag Berlin, 1983. S.748.

11Sachwörterbuch 2. S.160.

12Einführung Ökonomie; S.394.

13Vgl. Schumann, Gerd; Kolonialismus. PapyRossa Verlag Köln, 2016. S.103.

14Vgl. Schumann S.102+103.

15Wissenschaftlicher Kommunismus. Lehrbuch für das marxistisch-leninistische Grundlagenstudium. VEB Verlag Berlin, 1980. S.187+188.

16Wissenschaftlicher Kommunismus. S.189.

17Wissenschaftlicher Kommunismus. S.195+196.

18https://kommunistische-geschichte.de/LeninWerke/LW22.pdf. S.242.

19Lenin; Imperialismus. S.91.

20Vgl. Rügemer, Werner. Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. PapyRossa Verlag Köln, 2018. S. 44+129.

21Lenin; Imperialismus. S.132

22Vgl. Schumann. S.96.

23Vgl. https://amerika21.de/2022/10/260444/haiti-auslaendische-militaerintervention

24 https://amerika21.de/2022/10/260558/us-regierung-militaerintervention-haiti

Save the Date: Kommunismus Kongress 2023

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Kommunismus Kongress 2023

Imperialismus & Krieg

Imperialismus bedeutet Krieg.
Was bedeutet Antiimperialismus?

6. – 8. Oktober 2023 | Berlin

Findet international gerade ein Prozess der „De-Westernization“ statt? Hat der „westliche Imperialismus“ ausgedient? Was bedeutet ein potentieller Aufstieg Chinas für Kämpfe der Arbeiterklasse weltweit? Was ist der Zusammenhang von Antiimperialismus und Kampf für den Sozialismus? Wie sieht die politische Spaltung der Arbeiterklasse zwischen den imperialistischen Zentren und der Peripherie aus?

In zahlreichen Ländern gewinnt der Kampf gegen den Neokolonialismus, gegen Besatzung und Fremdbestimmung eine neue Qualität. Viele Teile der internationalen Arbeiterklasse sind stärker in Bewegung als aktuell in den imperialistischen Zentren. Wie können wir von ihren Erfahrungen lernen und diese Kämpfe unterstützen?

Der Westen eskaliert den Krieg gegen Russland mit schweren Waffen, Milliardenkrediten und antirussischer Propaganda. Die USA, ebenso wie Deutschland drängen auf einen Siegfrieden. Hierzulande herrscht eine Verarmung breiterer Teile der Arbeiterklasse, eine dröhnende mediale Kriegspropaganda und Verschärfung der Repression. Während die Zerstörung der Nord-Stream II Pipeline oder der „Inflation Reduction Act“ die Zuspitzung der Konkurrenz innerhalb des Westens belegen, weitet der „kollektive Westen“ zugleich seinen Krieg gegen Russland auf einen hybriden Krieg gegen China aus. Wie ist die Gleichzeitigkeit von Konkurrenz und Unterordnung der BRD gegenüber den USA einzuordnen?

Wo steht die kommunistische Bewegung? Auch sie ist durch den Krieg in der Ukraine in Bewegung geraten. Neuordnungsprozesse, Spaltungen, das Ringen um eine Orientierung für die internationale Arbeiterklasse haben die Bewegung erschüttert. Die internationalen Prozesse des Kapitals umfassend zu verstehen, gelingt unserer Bewegung nicht ausreichend oder einheitlich. Das letzte Jahr hat gezeigt, dass unsere Bewegung in der Imperialismusfrage und der Einschätzung des Krieges in der Ukraine tief gespalten ist.

Debatten vertiefen und zusammenführen.

Dissens wissenschaftlich bearbeiten.

Einheitlich kämpfen.

Bericht zum Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Wochenende

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Wir starteten am Freitagabend in das LLL-Wochenende mit einer Diskussionsveranstaltung mit Richard Correll von der Kommunistischen Arbeiterzeitung (KAZ), den wir bereits bei einem Podcast zu Russlands Entwicklung seit 1991 und zur Imperialismusfrage zu Gast hatten. Inhalt der Veranstaltung mit dem Titel „Deindustrialisierung? Transformation? Beides? – Schadet der deutsche Imperialismus sich selbst?“ war die Einschätzung der deutschen Strategie sowie der Bedeutung Osteuropas für den deutschen Imperialismus. In einer anschließenden Diskussionsrunde ging es unter anderem um die Fragen, wie Staaten ihren „Willen“ und ihr Handeln herausbilden, was Kapitalfraktionen dabei für eine Rolle spielen und konkret wie die Politik der Grünen einzuschätzen ist. Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und wird von uns in Kürze online gestellt. Zudem soll der Inhalt dieses Vortrags in einem Artikel in der kommenden KAZ-Ausgabe aufgegriffen werden.

Samstags waren wir auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt. Neben dem Besuch der verschiedenen Vorträge und Podiumsdiskussionen sowie spannenden Diskussionen mit Genossen anderer Organisationen an ihren Ständen konnten wir mit einem eigenen Stand über die derzeitige Lage unserer Organisation informieren. Dabei kamen wir mit vielen Genossen über unser Klärungsvorhaben, den im Oktober anstehenden 2. Kommunismus-Kongress und unsere Ausrichtung im Kampf gegen den NATO-Imperialismus ins Gespräch.

Kämpferisches Auftreten auf der LLL-Demo

Am Sonntag schließlich nahmen wir an der jährlichen Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Gedenkdemonstration in Berlin teil. 104 Jahre nach der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die konsequent gegen den Ersten Weltkrieg und unseren strategischen Hauptfeind, den deutschen Imperialismus, gekämpft haben, und 100 Jahre nach der Gründung der Sowjetunion führt Deutschland wieder Krieg im Osten – diesmal als Teil der NATO und mit der Ukraine als Rammbock. Mithilfe des „Bundeswehr-Sondervermögens“ will sich der deutsche Imperialismus erneut in die Lage versetzen, eigenständig größere Kriege führen zu können.

Umso wichtiger war es dieses Jahr, Liebknecht und Luxemburg sowie Lenin und ihren Kampf gegen Krieg und für die Revolution zu ehren. Unter dem Motto „Der Hauptfeind steht im eigenen Land heißt: Kampf der deutschen Kriegspolitik – nicht Kampf gegen Russland!“ konnten wir als KO einen kämpferischen Auftritt hinlegen und unsere Anti-NATO-Position lautstark auf die Straße tragen.

Slogans wie „NATO raus – aus der Ukraine!“, „Bandera – Melnyk – Asow-Brigadisten – Massenmörder und Faschisten!“ oder „Mali, Donbass, Gaza-Stadt – macht den Westen endlich platt!“ riefen Zustimmung bei einigen Passanten und Demo-Teilnehmern hervor – und sorgten für erboste Reaktionen rechter und zionistischer Akteure wie der Welt1 und dem sog. „Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus“.2 Es ist nur natürlich, dass diejenigen, die seit Jahrzehnten das Völkermorden des Westens in Palästina über Vietnam bis Irak und Afghanistan rechtfertigen, die seit Jahren zum Krieg gegen Russland hetzen, die den Terror des Kiewer Regimes gegen die Menschen des Donbass totschweigen und die die globale kapitalistische Ausbeutung als höchste Form der „Freiheit“ feiern, vor Wut toben, wenn der Widerstand der Völker gegen diese westliche Vorherrschaft hier, in den Zentren des Imperialismus, Solidarität erfährt.

  1. https://www.welt.de/politik/deutschland/article243228427/Berlin-Macht-den-Westen-endlich-platt-Prorussische-Propaganda-bei-linker-Demo.html
  2. https://twitter.com/jfda_ev/status/1614683040294342657?s=46&t=1oWws-xMX1wLJxbJtJ8Zxw

Резолюция: Борьба и разъяснение текущих вопросов в коммунистическом движение связаны друг с другом!

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Resolution „Klärung und Kampf gehören zusammen“ auf russisch

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Резолюция внеочередного съезда КО, 08.01.23

Политическая реальность в мире, сложившаяся на наших глазах с 24 февраля 2022 года, заставляет нас, коммунистов Германии, выполнить две задачи: 1. занять позицию и бороться против нашего главного врага, германского империализма, который активно участвует в войне против России, а также против НАТО, мирового господствующая и наиболее агрессивного империалистического альянса, в который интегрирована ФРГ и который находится под руководством империализма США. 2. разъяснение вопросов империализма, поскольку разногласия по этому центральному вопросу не только разделяют коммунистическое мировое движение, но и препятствуют значительным его частям, в том числе и нам, эффективно бороться против него. На нашем 4-м пленуме мы зафиксировали во-первых «Ориентиры для дальнейшей работы и действий», а во-вторых нашу резолюцею по разъяснение вопросов об империализме и войне.

Наша коллективная позиция: борьба с главным врагом!

Но эти два направления – борьба против НАТО и разъяснение вопросов империализма – не просто стоят рядом. Дело не в том, что одно – теория, а другое – практика, или что одно – „наука“, а другое – „активизм“. Скорее, эти два понятия неразделимы: Наша разъяснительная работа является частью нашей практики. А «Ориентиры для дальнейшей работы и действий» – это наш консенсус по содержанию, с которого мы начинаем наше разъяснение.
Исходя из «Ориентиров для дальнейшей работы и действий», мы также приняли следующее решение с руководящим предложением к внеочередному съезду:
„Мы боремся не против России, а против НАТО и германского империализма“.
И далее:
 „Мы выступаем против репрессивных мер государства, проводим антинатовские и антибундесверовские акции и показываем, что положение рабочего класса здесь, в Германии, вытекает из военной политики собственной буржуазии, боремся с шовинистической и апологетической пропагандой, а также с ее воздействием на сознание рабочего класса Германии“. В публикациях мы делаем большой акцент на германском империализме и НАТО и разоблачаем их военную политику как преступление“.

В пояснительном заявлении к руководящему предложению говорится следующее:
 „Мы понимаем наступление на борьбу рабочего класса и политическую борьбу против германского империализма как важную часть разъяснения и нашего политического развития. Мы хотим перейти в наступательную борьбу рабочего класса и начать политическую борьбу с нашим врагом – германским империализмом. Мы разоблачаем, что военная политика Германии является преступлением, и раскрываем реакционный характер нашего правительства“.
Мы четко заявляем: наш враг, с которым мы активно боремся, – это НАТО, а не Россия. Это не только ориентация на политическую практику, но и позицеонирование.

Эта единая позиция в отношении германского империализма в целом, и войны в Украине в частности, неотделима от нашего самопонимания как коммунистов, антиимпериалистов и интернационалистов. С нашей точки зрения, отказ от этой позиции означал бы отход от интернационалистской и антиимпериалистической, а значит, и от коммунистической позиции.

Опасности: Соучастие с собственной буржуазией, релятивизация, тактика избегания.

Эта опасность конкретна. Поэтому мы также называем то, что считаем самыми большими рисками для коммунистического и рабочего движения в Германии и империалистических центров в целом. В резолюции говорится об этом в самом начале:

„Подобные военные ситуации бросают особый вызов стойкости и ясности международного рабочего движения. (…) Опасность соучастия с собственной буржуазией реальна. Немецкое рабочее движение не должно встречать страны, вовлеченные в войну, равноудаленно“.

В пояснительной записке говорится:

„Слишком часто в истории именно так и происходило, и даже сейчас мы видим, как левые силы падают рядами. Они не выступают против военного курса германского империализма, а даже косвенно поддерживают его. Мы не должны отделять разъяснение от этой борьбы, которая уже идет полным ходом. Мы должны понимать разъяснение как средство, позволяющее нам вести эту борьбу действительно последовательно и в правильном направлении. Это предполагает, что мы участвуем в борьбе“.

Эта опасная для немецкого рабочего движения ситуация одновременно является политическим фоном раскола в КО. Во введении мы заявили об этом:

„Наш главный стратегический враг, германский империализм, активно ведет войну против России. Безрассудно занимать в такой ситуации позицию, которая объявляет оппонента ФРГ империалистом и осуждает его действия как империалистические, как это делают наши правители, – огнеопасно!“.

Кроме того, мы хотим назвать следующие ловушки, которые мы наблюдали в коммунистическом и рабочем движении:

1. существует не только опасность свернуть на курс собственного империализма. Гораздо легче попасть в ловушку ослабления роли НАТО, что, однако, неизбежно приводит к отказу от борьбы народов и рабочего движения против эксплуатации, угнетения, войн, которые Запад развязывает и организует по всему миру.

2. мы видим опасность того, что часть коммунистического движения в империалистических центрах избегает открытой борьбы против военной политики НАТО, и вместо этого ограничивается борьбой с социальными сокращениями и инфляцией и разделяет эти два направления. Поступая так, они лишают борьбу рабочего движения его руководства и потенциала, чтобы сознательно встать на сторону борьбы своих классовых братьев и сестер и угнетенных народов против западного империализма.

3. Наконец, мы также видим опасность недооценки и релятивизации борьбы против фашизма, который НАТО продвигал и создавал. Соответственно, угроза, исходящая от этого фашизма, не признается, и в рабочем движении не формируется сознание о этой угрозе.

В этом смысле мы утверждаем:

Разъяснять, бороться, организовывать!

Долой германский империализм!

За поражение НАТО!

Да здравствует международная солидарность!

Resolution: Struggle and clarification go hand in hand!

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Decision of the extraordinary congress of KO, 8 January 2023

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The political reality in the world, which has come to a head before our eyes since 24 February 2022, forces us as communists in Germany to do two things. First, to position ourselves and fight against our main enemy, German imperialism, which is actively involved in the war against Russia, as well as against NATO, the hegemonic and most aggressive imperialist alliance in which Germany is integrated and which is under the leadership of US imperialism. Second, to clarify the question of imperialism, because the dissensions on this central question not only divide the international communist movement, but also hinder large sections of it, including ourselves, to fight effectively against imperialism. At our 4th General Assembly [in April 2022], we set out the first task in the form of an “Action Orientation” and the second task in the form of our “Resolution to clarify the question of imperialism and war”.

Our collective position: fight against the main enemy!

But the two – struggling against NATO and clarifying the question of imperialism – are not detached from one another. It is not the case that one is theory and the other practice, or that one is „science“ and the other „activism“. Rather, the two are inseparable: Our clarification is part of our practice. And the Action Orientation is our theoretical consensus from which we start our clarification process.

Based on the Action Orientation, we also decided the following with the leading motion at our recentextraordinary congress:

 „We are not fighting Russia, but NATO and German imperialism.“

And further:

„We oppose the repressive measures of the state, carry out anti-NATO and anti-Bundeswehr actions and show that the situation of the working class here in Germany stems from the war drive of its own bourgeoisie. We fight chauvinist and apologetic propaganda as well as its effects on the consciousness of the working class in Germany. In publications we put a greater focus on German imperialism and NATO and expose their war policy as a crime.“

The explanatory statement to the leading motion goes on to state:
 „We realise that going offensively into the struggles of the working class and the political struggle against German imperialism constitute an important part of the clarification process and of our own political development. We intend to go offensively into the struggles of the working class and to take up the political struggle with our enemy, German imperialism. We will expose German war policy as a crime and reveal the reactionary character of the coalition government [between the social democrats, the greens and the liberal democrats].“

We clearly maintain that the enemy we are actively fighting is NATO, not Russia. This is not only an orientation for political practice, but a substance-based position.

This consistent stance on German imperialism in general and on the Ukraine war in particular is inseparable from our self-perception as communists, as anti-imperialists and as internationalists. To fall behind it would mean, in our view, to fall away from the internationalist and anti-imperialist, and thus from the communist standpoint.

Dangers: “Burgfrieden”, relativisation, evasion tactics

This danger is concrete. Therefore, we also name what we consider to be the greatest risks for the communist and workers‘ movement in Germany and the imperialist centres in general. The resolution states right at the beginning:

„Situations of war like this challenge the steadfastness and clarity of the international workers‘ movement to a great extent. (…) The danger of complicity with one’s own bourgeoisie is real. The German labour movement must not approach the countries involved in the war with equidistance.“

The statement continues:

„Too often in history this is exactly what has happened, and also now we are witnessing how left forces are falling like dominos. They are not opposing the war path of German imperialism but are even indirectly supporting it. We must not separate our clarification process from this struggle, which is already in full swing. We must understand clarification as the means that enables us to lead this struggle in a truly consistent manner and in the correct direction. This requires that we enter the struggle.“

This dangerous situation for the German workers‘ movement is at the same time the political background of the split in the KO. In the introduction to the resolution we stated with this in mind:

„Our main strategic enemy, German imperialism, is actively waging war against Russia. In such a situation, to rashly take a position which declares Germany’s opponent to be an imperialist power and condemns its actions as imperialist, just as our rulers are doing, is extremely dangerous!“

In addition, we also want to identify the following pitfalls that we have observed in the communist and labour movements:

1. There is not only the danger of falling into the trap of one’s own imperialism. The trap that is much easier to fall into is that of downplaying the role of NATO, for this inevitably results an abandonment of the struggles of the peoples’ and the workers‘ movement against exploitation, oppression, and the wars that the West wages worldwide.

2. We see the danger that sections of the communist movement in the imperialist centres avoid an open struggle against the NATO’s warmongering, instead limiting themselves to struggles against social cuts and inflation, separating these two aspects. In doing so, they sap the workers‘ movement and rob it of the potential to consciously align with their class brothers and sisters and the oppressed peoples against Western imperialism.

3. Finally, we see the danger that the struggle against the fascism promoted and developed by NATO is underestimated and relativised. The threat posed by this fascism is accordingly not recognised and no consciousness is raised about it in the workers‘ movement.

In this spirit, we maintain:

Clarify, struggle, organise!

Down with German imperialism!

For the defeat of NATO!

Long live international solidarity!

Resolution: Kampf und Klärung gehören zusammen!

Beschluss des außerordentlichen Kongresses der KO, 08.01.23

Text als PDF

Die politische Realität in der Welt, die sich seit dem 24. Februar 2022 vor unser aller Augen zugespitzt hat, zwingt uns als Kommunisten in Deutschland zweierlei auf: 1. die Positionierung und den Kampf gegen unseren Hauptfeind, den deutschen Imperialismus, der aktiv am Krieg gegen Russland beteiligt ist, sowie gegen die NATO, das welthegemoniale und aggressivste imperialistische Bündnis, in das die BRD eingebunden ist und das unter Führung des US-Imperialismus steht. 2. die Klärung der Imperialismusfrage, denn die Dissense in dieser zentralen Frage spalten nicht nur die kommunistische Weltbewegung, sondern behindern auch weite Teile von ihr, darunter uns selbst, effektiv gegen ihn zu kämpfen. Auf unserer 4. Vollversammlung haben wir ersteres in Form der Aktionsorientierung festgehalten und letzteres in Form unseres Beschluss zur Klärung der Imperialismus- und Kriegsfrage.

Unser kollektiver Stand: Kampf gegen den Hauptfeind!

Doch beides – der Kampf gegen die NATO und die Klärung der Imperialismusfrage – stehen nicht einfach losgelöst nebeneinander. Es ist nicht so, dass das eine etwa die Theorie und das andere die Praxis oder das eine „Wissenschaft“ und das andere „Aktivismus“ ist. Vielmehr hängt beides untrennbar zusammen: Unsere Klärung ist Teil unserer Praxis. Und die Aktionsorientierung ist unser inhaltlicher Konsens, von dem wir bei der Klärung ausgehen.

 Ausgehend von der Aktionsorientierung haben wir mit dem Leitantrag zum außerordentlichen Kongress zudem folgendes beschlossen:

 „Wir bekämpfen nicht Russland, sondern die NATO und den deutschen Imperialismus.“

Und weiter:

 „Wir gehen gegen die repressiven Maßnahmen des Staates vor, setzen Anti-NATO- und Anti-Bundeswehr-Aktionen um und zeigen auf, dass die Lage der Arbeiterklasse hier in Deutschland aus der Kriegspolitik der eigenen Bourgeoisie folgt und bekämpfen chauvinistische und apologetische Propaganda genauso wie ihre Auswirkungen auf das Bewusstsein der Arbeiterklasse in Deutschland. In Veröffentlichungen legen wir einen größeren Fokus auf den deutschen Imperialismus und die NATO und entlarven ihre Kriegspolitik als Verbrechen.“

In der Begründung zum Leitantrag heißt es weiter:
 „Wir begreifen das offensive Hineinbegeben in die Kämpfe der Arbeiterklasse und den politischen Kampf gegen den deutschen Imperialismus als wichtigen Bestandteil der Klärung und unserer politischen Entwicklung. Wir wollen uns offensiv in die Kämpfe der Arbeiterklasse begeben und den politischen Kampf mit unserem Feind, dem deutschen Imperialismus, aufnehmen. Wir decken auf, dass die deutsche Kriegspolitik ein Verbrechen ist und entlarven den reaktionären Charakter der Ampelregierung.“

Wir halten klar fest: Unser Feind, den wir aktiv bekämpfen, ist die NATO, nicht Russland. Das ist nicht nur eine Orientierung für die politische Praxis, sondern eine inhaltliche Positionierung.

Dieser einheitliche Standpunkt zum deutschen Imperialismus im Allgemeinen und zum Ukraine-Krieg im Konkreten hängt untrennbar mit unserem Selbstverständnis als Kommunisten, als Antiimperialisten und Internationalisten, zusammen. Hinter ihn zurückzufallen, hieße aus unserer Sicht, vom internationalistischen und antiimperialistischen, und damit vom kommunistischen Standpunkt abzufallen.

Gefahren: Burgfrieden, Relativierung, Vermeidungstaktik

Diese Gefahr ist konkret. Daher benennen wir auch die aus unserer Sicht größten Risiken für die kommunistische und Arbeiterbewegung in Deutschland und den imperialistischen Zentren allgemein. Im Beschluss heißt es gleich zu Beginn:

„Kriegssituationen wie diese fordern die Standhaftigkeit und Klarheit der internationalen Arbeiterbewegung in besonderem Maße heraus. (…) Die Gefahr der Komplizenschaft mit der eigenen Bourgeoisie ist real. Die deutsche Arbeiterbewegung darf den am Krieg beteiligten Ländern nicht mit Äquidistanz begegnen.“

In der Begründung wird ausgeführt:

„Zu oft schon ist genau das in der Geschichte passiert, und auch jetzt erleben wir, wie reihenweise linke Kräfte umfallen. Sie stellen sich dem Kriegskurs des deutschen Imperialismus nicht entgegen, sondern tragen ihn auf indirektem Wege sogar mit. Wir dürfen die Klärung nicht von diesem Kampf, der bereits auf Hochtouren läuft, trennen. Wir müssen die Klärung als das Mittel begreifen, was uns dazu befähigt, diesen Kampf wirklich konsequent und in die richtige Richtung zu führen. Das setzt voraus, dass wir uns in den Kampf begeben.“

Diese gefährliche Situation für die deutsche Arbeiterbewegung ist zugleich der politische Hintergrund der Spaltung der KO. In der Einleitung haben wir mit Blick darauf festgehalten:

„Unser strategischer Hauptfeind, der deutsche Imperialismus, führt aktiv Krieg gegen Russland. In einer solchen Situation leichtfertig eine Position zu vertreten, die den Gegner der BRD zum Imperialisten erklärt und seine Handlungen als imperialistisch verurteilt, genau wie es unsere Herrschenden tun, ist brandgefährlich!“

Darüber hinaus wollen wir auch folgende Fallstricke benennen, die wir in der kommunistischen und Arbeiterbewegung beobachtet haben:
 

1. besteht nicht nur die Gefahr, auf den Kurs des eigenen Imperialismus einzuschwenken. Die Falle, in die man viel leichter hineintappt, ist die der Abschwächung der Rolle der NATO, die in der Folge jedoch unweigerlich die Abwendung von den Kämpfen der Völker und der Arbeiterbewegung gegen die Ausbeutung, die Unterdrückung, die Kriege, die der Westen weltweit führt und organisiert, zu Folge hat.

2. sehen wir die Gefahr, dass Teile der kommunistischen Bewegung in den imperialistischen Zentren den offenen Kampf gegen die NATO-Kriegspolitik vermeiden, sich stattdessen auf Sozialabbau und Inflation beschränken und beides voneinander trennen. Damit nehmen sie dem Kampf der Arbeiterbewegung die Spitze und das Potential, sich bewusst auf die Seite des Kampfs ihrer Klassengeschwister und der unterdrückten Völker gegen die westlichen Imperialismus zu stellen.

3. sehen wir schließlich auch die Gefahr, dass der Kampf gegen den von der NATO geförderten und aufgebauten Faschismus unterschätzt und relativiert wird. Die Bedrohung, die von diesem Faschismus ausgeht, wird entsprechend nicht erkannt und in der Arbeiterbewegung kein Bewusstsein darüber geschaffen.

In diesem Sinne halten wir fest:
Klären, kämpfen, organisieren!

Nieder mit dem deutschen Imperialismus!
Für die Niederlage der NATO!

Hoch die internationale Solidarität!

Bericht zum außerordentlichen Mitgliederkongress der KO

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Seit November ist die KO faktisch gespalten, Mitte Dezember haben wir der Bewegung dies öffentlich transparent gemacht. Nun wurde dieser Bruch auch formell vollzogen: Vom 6. bis 8. Januar fand ein außerordentlicher Mitglieder-Kongress statt; an diesem Kongress nahmen alle Genossen, die der KO – ihrem bisherigen Kurs, ihren statuarischen Regeln und ihrer gewählten Leitung – treu geblieben waren, teil. Die ehem. KO-Genossen, die seit November offen fraktioniert oder aber sich im weiteren Verlauf dieser Fraktion angeschlossen haben, haben sich parallel zusammengefunden. Im Vorfeld des Kongresses waren jene Genossen, die die Fraktionierung ablehnten, zu der Erkenntnis gelangt, dass ein gemeinsamer Kongress keinerlei Sinn haben würde: Die Fraktionierung, die im November und Dezember immer krassere Auswüchse angenommen hatte (angefangen bei den wiederholten bzw. anhaltenden Brüchen der Beschlüsse und dem Raub des KO-Vermögens über die Nichtanerkennung der gewählten Leitung und die Kaperung fast sämtlicher Online-Medien und -Kommunikationskanäle bis hin zur Schaffung paralleler Strukturen), hat bereits vor dem Kongress faktisch eine eigene Organisation mit eigener Leitung und eigener Disziplin neben der KO hergestellt, die der KO zudem feindlich gegenüberstand bzw. -steht.

Auf dem außerordentlichen Kongress wurde die alte Zentrale Leitung (ZL), die bis dahin noch aus jenem Teil der auf der 4. Vollversammlung (VV4) gewählten Genossen bestand, die sich nicht fraktioniert hatten, einstimmig entlastet. Zuvor hatte sie in ihrem Rechenschaftsbericht sowie in der Debatte auf dem Kongress Selbstkritik dahingehend geleistet , die Zersetzung und Fraktionierung nicht früh genug begriffen und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet zu haben. Auch von vielen Genossen wurde sie dafür scharf kritisiert. Eine tiefergehende Analyse der Ursachen und Vorgänge sowie eine umfassendere Selbstkritik nicht nur der Leitung, sondern der gesamten KO, wollen wir im kommenden halben Jahr erarbeiten. Nach der Entlastung der alten ZL wurde eine neue Leitung gewählt.

Durch Klarheit zur Einheit die Klärung geht weiter!

Die alte ZL hatte bereits in ihrem Leitantrag unter dem Titel „Wir kämpfen um die KO!“ Ziele und Leitlinien für die nächste Legislatur bis zum regulären 5. Kongress der KO vorgeschlagen. Diese wurde nun von der Vollversammlung bestätigt. Im kommenden Jahr wollen wir:

1. die Klärung der Imperialismus- und Kriegsfrage, die die 4. Vollversammlung der KO im April 2022 beschlossen hat und die wir bereits mit vielversprechenden Ansätzen begonnen hatten, bevor die Fraktionierer uns den außerordentlichen Kongress und die Spaltung aufzwangen, fortsetzen.

2. die von der VV 4 beschlossene Aktionsorientierung gegen den deutschen und den NATO-Imperialismus, gegen den grassierenden anti-russischen Rassismus und die mit der Kriegspolitik zusammenhängenden Verarmungspolitik der Bundesregierung weiter umsetzen.

3. werden wir einen zweiten Kommunismus-Kongress zur Imperialismus- und Kriegsfrage durchführen. Dieser wird am ersten Oktober-Wochenende (6.-8.10.2023) stattfinden. Weitere Informationen diesbezüglich folgen in Kürze.

Des weiteren haben wir beschlossen, dass wir uns als KO nicht zu einem vermeintlich „revolutionären Pol“ innerhalb der kommunistischen Bewegung zuordnen und im Umkehrschluss alle anderen als Revisionisten und Rechtsopportunisten abstempeln. Vielmehr sehen wir uns als Teil der gesamten internationalen Kommunistischen Bewegung, was bedeutet, dass auch wir Teil der Krise der Bewegung und von ihr betroffen sind.  Der Anspruch, den wir an uns selbst stellen, ist es, die organisierte Selbstkritik der kommunistischen Bewegung zu sein. Damit meinen wir nicht eine überhebliche Kritik anderer, sondern auch von uns selbst als Teil der Bewegung: Die Probleme der Bewegung sind unsere und wir wollen mittels eines Klärungsprozesses einen Beitrag zur Überwindung der Krise leisten und für die Formierung einer einheitlichen und starken Kommunistischen Partei mit revolutionärem Programm in Deutschland wirken. Dieses Vorhaben kann nur mit der gesamten Bewegung, nicht gegen oder unabhängig von ihr bzw. Teilen von ihr gelingen. Wir halten daran fest, dass wir im Sinne dieses Klärungsprozesses ein konstruktives Verhältnis zu anderen kommunistischen Organisationen und Parteien, insbesondere der DKP, anstreben. Und wir halten daran fest, uns stets selbstkritisch zu hinterfragen und unsere bisherigen Kurse und Positionen wenn nötig zu korrigieren, wie wir es auch in der Vergangenheit getan haben.

Klären und kämpfen!

Ausgehend von diesen Beschlüssen haben wir zudem eine Resolution verabschiedet, die das Verhältnis zwischen Aktionsorientierung und Klärung noch einmal klarstellt: Der von uns angestrebte Klärungsprozess ist ein politischer. Er ist Teil unserer politischen Praxis und dient unserem Kampf als Kommunisten in Deutschland. Die Positionierungen, die wir bereits mit unserer Aktionsorientierung beschlossen und im Leitantrag zum außerordentlichen Kongress bestätigt haben, sind nicht nur Kampfparolen für die Straße, sondern sie sind bereits eine erste Positionierung und damit Grundannahmen im Sinne des Klärungsprozesses: 1. Der deutsche Imperialismus ist unser strategischer Hauptfeind. 2. Er ist Teil des US-geführten NATO-Blocks, dem weltweit aggressivsten imperialistischen Bündnis. 3. Als Kommunisten in Deutschland ist es unsere Aufgabe, den deutschen Imperialismus und die NATO zu bekämpfen, nicht Russland. Darüber hinaus halten wir mehrere zentrale Gefahren fest, die wir für das Verhalten und Handeln der Kommunisten nicht nur in der BRD, sondern überhaupt in den imperialistischen Metropolen sehen: 1. Die Gefahr der Äquidistanz, die die NATO und Russland gleichsetzt, bis hin zum Burgfrieden mit dem eigenen Monopolkapital; 2. die Gefahr, die derzeitige Verarmungspolitik künstlich vom Krieg gegen Russland zu trennen und somit die Kämpfe gegen Sozialabbau und Preissteigerungen von jenen gegen Aufrüstung, Waffenlieferungen und Kriegspropaganda zu trennen. 3. Die Gefahr des Faschismus, wie er in der Ukraine von der NATO aufgebaut und gefördert wird, und der auch hierzulande Blüten trägt, zu relativieren.

Mit diesen Beschlüssen – diesen Aufträgen und dieser Selbstverortung – haben wir dem Kurs der Fraktionierer eine Absage erteilt: Zwar konnten wir die von ihnen lange geplante und forcierte Spaltung, die unser Klärungsvorhaben ad absurdum führt, uns als KO auf eine harte Probe gestellt hat und in der nahen Zukunft noch weiter stellen wird, letztlich nicht abwenden; doch haben wir uns entschieden gegen den Abbruch der Klärung der Imperialismusfrage und damit des gesamten Klärungsvorhabens, gegen eine Positionierung im Ukrainekrieg zum jetzigen Zeitpunkt und gegen einen links-sektiererischen Weg, der einen kleinen Teil der internationalen kommunistischen Bewegung für die Gralshüter des Marxismus-Leninismus hält und alle anderen als Rechtsopportunisten und Revisionisten verdammt, gewendet. Zudem konnten wir uns endlich von der zunehmenden Handlungs- und Kampfunfähigkeit befreien, die uns das die Disziplin und Moral zersetzende Verhalten der Fraktionierer in den letzten Monaten aufgezwungen hat.

Selbstkritisch voranschreiten

Das vergangene Jahr muss uns eine Lehre sein – doch welche Lehren genau zu ziehen sind, müssen wir in den kommenden Monaten noch herausarbeiten. Dabei wird es sowohl um eine konkrete Aufarbeitung der bisherigen Geschichte der KO gehen müssen, als auch um konkrete Schlussfolgerungen, etwa was die Anwendung des Demokratischen Zentralismus angeht. Unseren Charakter als Aufbauorganisation und die Art und Weise, wie wir den Anspruch, dass wir die Kommunistische Partei in Deutschland aufbauen wollen, umgesetzt haben und welche Probleme der Überhöhung und der Abwendung von der Bewegung damit einhergingen,  gilt es genauso zu reflektieren, wie wir unser Klärungsverständnis vereinheitlichen und schärfen müssen.

Zugleich bedeutet das nicht, dass wir uns nur mit uns selbst beschäftigen wollen, sondern es gilt vielmehr, die Klärung mit der Bewegung zu intensivieren und zu vertiefen. Andererseits wollen wir uns verstärkt in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und speziell in die Kämpfe gegen die NATO-Kriegspolitik hineinwerfen. Der Abspaltungsprozess, der natürlich eine regelrechte Zerreißprobe für uns war, hat letztlich zwei wesentliche Konsequenzen mit sich gebracht: Zum einen hat er uns Hausaufgaben aufgegeben, die wir dringend erledigen müssen. Zum anderen hat er uns aber auch von einem Hemmschuh befreit, ohne den wir endlich kämpfen und klären können!

Bericht zum außerordentlichen Mitgliederkongress der KO

Seit November ist die KO faktisch gespalten, Mitte Dezember haben wir der Bewegung dies öffentlich transparent gemacht. Nun wurde dieser Bruch auch formell vollzogen: Vom 6. bis 8. Januar fand ein außerordentlicher Mitglieder-Kongress statt; an diesem Kongress nahmen alle Genossen, die der KO – ihrem bisherigen Kurs, ihren statuarischen Regeln und ihrer gewählten Leitung – treu geblieben waren, teil. Die ehem. KO-Genossen, die seit November offen fraktioniert oder aber sich im weiteren Verlauf dieser Fraktion angeschlossen haben, haben sich parallel zusammengefunden. Im Vorfeld des Kongresses waren jene Genossen, die die Fraktionierung ablehnten, zu der Erkenntnis gelangt, dass ein gemeinsamer Kongress keinerlei Sinn haben würde: Die Fraktionierung, die im November und Dezember immer krassere Auswüchse angenommen hatte (angefangen bei den wiederholten bzw. anhaltenden Brüchen der Beschlüsse und dem Raub des KO-Vermögens über die Nichtanerkennung der gewählten Leitung und die Kaperung fast sämtlicher Online-Medien und -Kommunikationskanäle bis hin zur Schaffung paralleler Strukturen), hat bereits vor dem Kongress faktisch eine eigene Organisation mit eigener Leitung und eigener Disziplin neben der KO hergestellt, die der KO zudem feindlich gegenüberstand bzw. -steht.

Auf dem außerordentlichen Kongress wurde die alte Zentrale Leitung (ZL), die bis dahin noch aus jenem Teil der auf der 4. Vollversammlung (VV4) gewählten Genossen bestand, die sich nicht fraktioniert hatten, einstimmig entlastet. Zuvor hatte sie in ihrem Rechenschaftsbericht sowie in der Debatte auf dem Kongress Selbstkritik dahingehend geleistet , die Zersetzung und Fraktionierung nicht früh genug begriffen und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet zu haben. Auch von vielen Genossen wurde sie dafür scharf kritisiert. Eine tiefergehende Analyse der Ursachen und Vorgänge sowie eine umfassendere Selbstkritik nicht nur der Leitung, sondern der gesamten KO, wollen wir im kommenden halben Jahr erarbeiten. Nach der Entlastung der alten ZL wurde eine neue Leitung gewählt.

Durch Klarheit zur Einheit die Klärung geht weiter!

Die alte ZL hatte bereits in ihrem Leitantrag unter dem Titel „Wir kämpfen um die KO!“ Ziele und Leitlinien für die nächste Legislatur bis zum regulären 5. Kongress der KO vorgeschlagen. Diese wurde nun von der Vollversammlung bestätigt. Im kommenden Jahr wollen wir:

1. die Klärung der Imperialismus- und Kriegsfrage, die die 4. Vollversammlung der KO im April 2022 beschlossen hat und die wir bereits mit vielversprechenden Ansätzen begonnen hatten, bevor die Fraktionierer uns den außerordentlichen Kongress und die Spaltung aufzwangen, fortsetzen.

2. die von der VV 4 beschlossene Aktionsorientierung gegen den deutschen und den NATO-Imperialismus, gegen den grassierenden anti-russischen Rassismus und die mit der Kriegspolitik zusammenhängenden Verarmungspolitik der Bundesregierung weiter umsetzen.

3. werden wir einen zweiten Kommunismus-Kongress zur Imperialismus- und Kriegsfrage durchführen. Dieser wird am ersten Oktober-Wochenende (6.-8.10.2023) stattfinden. Weitere Informationen diesbezüglich folgen in Kürze.

Des weiteren haben wir beschlossen, dass wir uns als KO nicht zu einem vermeintlich „revolutionären Pol“ innerhalb der kommunistischen Bewegung zuordnen und im Umkehrschluss alle anderen als Revisionisten und Rechtsopportunisten abstempeln. Vielmehr sehen wir uns als Teil der gesamten internationalen Kommunistischen Bewegung, was bedeutet, dass auch wir Teil der Krise der Bewegung und von ihr betroffen sind.  Der Anspruch, den wir an uns selbst stellen, ist es, die organisierte Selbstkritik der kommunistischen Bewegung zu sein. Damit meinen wir nicht eine überhebliche Kritik anderer, sondern auch von uns selbst als Teil der Bewegung: Die Probleme der Bewegung sind unsere und wir wollen mittels eines Klärungsprozesses einen Beitrag zur Überwindung der Krise leisten und für die Formierung einer einheitlichen und starken Kommunistischen Partei mit revolutionärem Programm in Deutschland wirken. Dieses Vorhaben kann nur mit der gesamten Bewegung, nicht gegen oder unabhängig von ihr bzw. Teilen von ihr gelingen. Wir halten daran fest, dass wir im Sinne dieses Klärungsprozesses ein konstruktives Verhältnis zu anderen kommunistischen Organisationen und Parteien, insbesondere der DKP, anstreben. Und wir halten daran fest, uns stets selbstkritisch zu hinterfragen und unsere bisherigen Kurse und Positionen wenn nötig zu korrigieren, wie wir es auch in der Vergangenheit getan haben.

Klären und kämpfen!

Ausgehend von diesen Beschlüssen haben wir zudem eine Resolution verabschiedet, die das Verhältnis zwischen Aktionsorientierung und Klärung noch einmal klarstellt: Der von uns angestrebte Klärungsprozess ist ein politischer. Er ist Teil unserer politischen Praxis und dient unserem Kampf als Kommunisten in Deutschland. Die Positionierungen, die wir bereits mit unserer Aktionsorientierung beschlossen und im Leitantrag zum außerordentlichen Kongress bestätigt haben, sind nicht nur Kampfparolen für die Straße, sondern sie sind bereits eine erste Positionierung und damit Grundannahmen im Sinne des Klärungsprozesses: 1. Der deutsche Imperialismus ist unser strategischer Hauptfeind. 2. Er ist Teil des US-geführten NATO-Blocks, dem weltweit aggressivsten imperialistischen Bündnis. 3. Als Kommunisten in Deutschland ist es unsere Aufgabe, den deutschen Imperialismus und die NATO zu bekämpfen, nicht Russland. Darüber hinaus halten wir mehrere zentrale Gefahren fest, die wir für das Verhalten und Handeln der Kommunisten nicht nur in der BRD, sondern überhaupt in den imperialistischen Metropolen sehen: 1. Die Gefahr der Äquidistanz, die die NATO und Russland gleichsetzt, bis hin zum Burgfrieden mit dem eigenen Monopolkapital; 2. die Gefahr, die derzeitige Verarmungspolitik künstlich vom Krieg gegen Russland zu trennen und somit die Kämpfe gegen Sozialabbau und Preissteigerungen von jenen gegen Aufrüstung, Waffenlieferungen und Kriegspropaganda zu trennen. 3. Die Gefahr des Faschismus, wie er in der Ukraine von der NATO aufgebaut und gefördert wird, und der auch hierzulande Blüten trägt, zu relativieren.

Mit diesen Beschlüssen – diesen Aufträgen und dieser Selbstverortung – haben wir dem Kurs der Fraktionierer eine Absage erteilt: Zwar konnten wir die von ihnen lange geplante und forcierte Spaltung, die unser Klärungsvorhaben ad absurdum führt, uns als KO auf eine harte Probe gestellt hat und in der nahen Zukunft noch weiter stellen wird, letztlich nicht abwenden; doch haben wir uns entschieden gegen den Abbruch der Klärung der Imperialismusfrage und damit des gesamten Klärungsvorhabens, gegen eine Positionierung im Ukrainekrieg zum jetzigen Zeitpunkt und gegen einen links-sektiererischen Weg, der einen kleinen Teil der internationalen kommunistischen Bewegung für die Gralshüter des Marxismus-Leninismus hält und alle anderen als Rechtsopportunisten und Revisionisten verdammt, gewendet. Zudem konnten wir uns endlich von der zunehmenden Handlungs- und Kampfunfähigkeit befreien, die uns das die Disziplin und Moral zersetzende Verhalten der Fraktionierer in den letzten Monaten aufgezwungen hat.

Selbstkritisch voranschreiten

Das vergangene Jahr muss uns eine Lehre sein – doch welche Lehren genau zu ziehen sind, müssen wir in den kommenden Monaten noch herausarbeiten. Dabei wird es sowohl um eine konkrete Aufarbeitung der bisherigen Geschichte der KO gehen müssen, als auch um konkrete Schlussfolgerungen, etwa was die Anwendung des Demokratischen Zentralismus angeht. Unseren Charakter als Aufbauorganisation und die Art und Weise, wie wir den Anspruch, dass wir die Kommunistische Partei in Deutschland aufbauen wollen, umgesetzt haben und welche Probleme der Überhöhung und der Abwendung von der Bewegung damit einhergingen,  gilt es genauso zu reflektieren, wie wir unser Klärungsverständnis vereinheitlichen und schärfen müssen.

Zugleich bedeutet das nicht, dass wir uns nur mit uns selbst beschäftigen wollen, sondern es gilt vielmehr, die Klärung mit der Bewegung zu intensivieren und zu vertiefen. Andererseits wollen wir uns verstärkt in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und speziell in die Kämpfe gegen die NATO-Kriegspolitik hineinwerfen. Der Abspaltungsprozess, der natürlich eine regelrechte Zerreißprobe für uns war, hat letztlich zwei wesentliche Konsequenzen mit sich gebracht: Zum einen hat er uns Hausaufgaben aufgegeben, die wir dringend erledigen müssen. Zum anderen hat er uns aber auch von einem Hemmschuh befreit, ohne den wir endlich kämpfen und klären können!

Was bedeutet „Nicht unser Krieg!“?

Eine Analyse der „Resolution“ der ehemaligen Fraktion in der KO

Diskussionsbeitrag von Philipp Kissel

Hier als PDF

Die zentralen Aussagen der „Resolution“ – „Nicht unser Krieg!“ sind:
Die NATO führt keinen Krieg gegen Russland.
Russland hat keinen Anlass sich zu verteidigen, sondern führt einen imperialistischen Krieg.
In der Ukraine gibt es keinen Faschismus, sondern Autoritarismus ebenso wie in Russland.
Die Weltordnung ist nicht von der Herrschaft einiger weniger Länder vor allem der USA geprägt, sondern vom Aufstreben anderer.

Daraus resultiert:
Die Position „nicht unser Krieg“ bedeutet, die NATO zu rechtfertigen und damit die Arbeiterklasse auf die Komplizenschaft mit den Herrschenden der NATO-Staaten zu orientieren. Scheinbare Äquidistanz entpuppt sich als Positionierung gegen Russland.

Kontext

Dies ist ein Diskussionsbeitrag, in dem ich auch meine eigene Position einfließen lasse. Es ist nicht die Position der KO. Ich trete dafür ein, dass sie Teil des Klärungs- und Diskussionsprozesses bleiben kann, den wir uns vorgenommen haben. Ich will, dass sie durch die Mangel genommen, kritisiert und geprüft werden kann. Ich finde den Leitantrag der ZL, der vorschlägt, keine endgültige Position zum Ukrainekrieg vorzunehmen, sondern diese als Ergebnis der Klärung zu formulieren, richtig, da er dem Stand der KO entspricht und wir gerade in einem produktiven Prozess der Arbeit zu diesen Fragen waren und nun auch bald wieder sein werden.

Die Gefahr, die im Leitantrag genannt wird, drückt sich in der „Resolution“ eindeutig aus: „Die Gefahr der Komplizenschaft mit der eigenen Bourgeoisie ist real. Die deutsche Arbeiterbewegung darf den am Krieg beteiligten Ländern nicht mit Äquidistanz begegnen. Wir bekämpfen nicht Russland, sondern die NATO und den deutschen Imperialismus.“

Der Text der „Resolution“ der ehemaligen Fraktion in der KO ist im Kontext der Auseinandersetzung der KO zu verstehen. Aus der Fraktion ist mittlerweile eine von der KO unabhängige Organisation entstanden.

Der Text muss verschiedene Verrenkungen und Ausschmückungen vornehmen, die dazu geeignet sein sollten, eine Mehrheit zu erlangen. Er ist außerdem davon beeinflusst, dass bereits eine Diskussion geführt wurde, die ihn dazu zwingt, bestimmte Signale zu senden. Die scheinbare Gegnerschaft zur NATO muss häufig benannt werden, weil das ein wichtiges Ergebnis der Diskussionen in der KO war, das unter anderem im Beschluss zur Aktionsorientierung Ausdruck fand. Mehr als bei anderen Gruppierungen, die eine ähnliche Position wie die ehemalige Fraktion der KO vertreten, muss deshalb betont werden, wie sehr man Feind der NATO sei, während man sie gleichzeitig durch die Verdrehung und Verharmlosung der Tatsachen entlastet.

Die Autoren mussten einen weiteren Kniff anwenden, um möglichst viele Genossen zu überzeugen. Er besteht darin, sich als „Kriegsgegner“ und die Gegenseite als „Kriegsbefürworter“ zu bezeichnen und es als skandalös zu diffamieren, dass es Genossen gibt, die die Militäroperation gerechtfertigt finden. Er appelliert deshalb an „Friedenssehnsüchte“ und benutzt eine pseudopazifistische Argumentation.

Die Methode des Textes zeichnet sich dadurch aus, bestimmte Fragen und Tatsachen schlicht und ergreifend wegzulassen oder nicht explizit zu sagen. Beispielsweise wird nicht explizit gesagt, dass Denazifizierung nur eine Lüge Russlands für seinen imperialistischen Krieg sei, sondern das Kiewer Regime wird einfach zu „schwärzester Reaktion“ umgedeutet und von den Faschisten distanziert, mit denen es „kooperiere“. Damit soll durch die Umdichtung der Verhältnisse ein mögliches Argument für die Berechtigung der Spezialoperation aus dem Weg geräumt werden. Die „Resolution“ erscheint als ein vernünftiger und einleuchtender Text, sie lässt nichts davon erahnen, wie ihre Autoren innerhalb der KO vorgegangen sind: Mit Diffamierung, Beschimpfung und sie lässt nur an wenigen Stellen erahnen, dass es einen starken Drang unter ihnen gibt, Russland zum Feind zu machen.

Die Methode der „Resolution“ besteht darin, die Tatsachen zu verdrehen, sie aus dem Zusammenhang zu reißen und wichtige Tatsachen wegzulassen. Das, was man eigentlich sagen will, nicht offen zu sagen, vieles phrasenhaft zu sagen, was von dem eigentlichen Kern der Aussage ablenken und dessen Bedeutung verschleiern soll. Eine weitere Methode besteht darin, Tatsachen nur halb zu nennen oder anders herum nur halb zu lügen, also nah an der Wahrheit bleiben, aber eben nicht sie sagen. So funktioniert die „Resolution“ und das soll hier aufgezeigt werden. Die Abschnitte werden einzeln durchgegangen.

„Krieg zwischen Ukraine und Russland“

„Der Krieg in der Ukraine ist ein imperialistischer Krieg zwischen der Ukraine, hinter der die NATO steht, und der Russischen Föderation.“ Es ist also kein Krieg zwischen der NATO und der RF und schon gar nicht ein Krieg der NATO gegen die RF. Damit soll klar gemacht werden, dass es sich auf keinen Fall um eine Verteidigung der Souveränität Russlands handeln könne. Die Formulierung „hinter der Ukraine stehe die NATO“, ist eine völlig unzureichende Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse, dazu weiter unten mehr. Es dient hier zur Absicherung der Aussage, es sei ein Krieg zwischen der Ukraine und Russland, denn es ist ein allzu offensichtlicher Fakt, dass die NATO diesen Krieg herbeigeführt hat und aktiv führt. Er kann also nicht ganz verschwiegen werden, das wäre allzu offensichtlich absurd. Dieser soll aber so weit wie möglich in den Hintergrund gerückt werden, weil sonst die gesamte Argumentation nicht funktionieren würde.

Diese Satz-Konstellation bringt die absurde Aussage hervor, es sei ein imperialistischer Krieg zwischen der Ukraine und Russland. Dieser Logik nach ist die Ukraine ein imperialistisches Land. Das ist absurd, weil die Ukraine nicht mal mehr ein eigenständiges Land ist, sondern ein von den USA gesteuertes Gebilde.

„Dieser Krieg ist nicht unser Krieg und die internationale Arbeiterklasse darf sich auf keine der beiden Seiten stellen.“ Diese Aussage klingt zunächst für viele vermutlich plausibel, vor allem die Verbindung beider Aussagen: Krieg ist schlecht, das kann man nicht wollen, da halten wir uns raus. Die Arbeiterklasse hat damit nichts zu tun. Es spiegelt ein Gefühl wider und erzeugt dieses zugleich: Das ist schlimm und böse und damit ist genug gesagt, um sich davon abzuwenden. Vor allem aber werden damit „beide Seiten“ gleich gestellt und gleichermaßen abgelehnt, es gibt keine Aussage darüber, wer der Aggressor ist, wer vielleicht im Recht sein könnte, wer vielleicht etwas tut, wozu er gezwungen wurde durch die Gegenseite. Es verschwimmt alles im diffusen Nebel. Es handelt sich um eine Äquidistanz, wobei das äqui – also Gleichstellen eine Folge der Distanz ist. Die Distanzierung ist der entscheidende Faktor, sie spiegelt die eigene gesellschaftliche (im nationalen wie im internationalen Maßstab) Lage und ihr Bewußtsein wider.

Man kann es sich erlauben, sich davon zu distanzieren und aus der Ferne eine Verwischung der Wirklichkeit vorzunehmen, die vor allem sichert, dass man die gesellschaftliche Stellung bewahren kann. Denn sie ist gefährdet durch die Ereignisse. Zum einen durch die gesellschaftliche Ächtung (Putinfreund), zum anderen durch den Fakt, dass die Vorherrschaft, die die Voraussetzung für die eigene privilegierte Lage ist, nun ernsthaft bedroht werden könnte bzw. der mit dieser Vorherrschaft verbundenen Kriegsführung ernsthafter Widerstand entgegen gesetzt wird. Die Distanzierung selbst ist ein Ausdruck der privilegierten Stellung eines imperialistischen Landes wie Deutschland und darin privilegierter Schichten. Man könnte etwas unfeiner wie vielleicht an einigen Stammtischen auch einfach sagen: Sollen sie sich doch die Köpfe einschlagen, solange ich meine Ruhe habe.

Für die Herrschenden ist eine offene pro-NATO-Position natürlich das Beste, aber eine Gegen-Russland-Position ist das Wichtigste. Das ist das Eintrittsticket für den gesellschaftlichen Diskurs. Ohne Verurteilung des „russischen Angriffskriegs“, kein Rederecht. Eine sowohl gegen-die-NATO-als-auch-gegen-Russland-Position ist eine Farce, und zwar weil es eine Karikatur auf die tatsächlichen Verhältnisse ist und nach dem Zusammenschrumpfen aller Schnörkel in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu einem schnöden gegen-Russland werden muss.

Die zentrale Aussage: „Nicht unser Krieg“ will etwas abwehren, was so offensichtlich im Raum steht: Es könnte ein gerechter Krieg auf Seiten Russlands sein. Ein sehr zentraler Aspekt dieser Frage wird in dem Text völlig ausgelassen bzw. umschifft und umgedeutet: Die des Faschismus. Das ist aber unbestreitbar und für jeden völlig offensichtlich keine Nebensache. Interessanterweise ist es im Fall des Kiewer Regimes sogar vom historischen Bezug, der Symbolik und allen oberflächlichen Erscheinungsformen her eine klare Identifikation mit dem Hitlerfaschismus, also nicht einmal eine irgendwie getarnte bzw. einfach anders erscheinende Form des Faschismus. Hier muss dann nach dem Motto verfahren werden: Was nicht sein darf, kann nicht sein und dementsprechend werden die tatsächlichen und so offensichtlichen Verhältnisse verschwiegen oder verdreht und verharmlost. Der Satz, „Unsere Hauptaufgabe (…) ist der Kampf gegen die Kriegspolitik der NATO und des dt. Imperialismus und die Entlarvung ihrer Kriegspropaganda“ ist eine Beschwichtigung, eine Formel, die man aufzusagen hat. Tatsächlich trägt die Resolution die zentrale Aussage der NATO-Kriegspolitik mit: Russland führt diesen imperialistischen Krieg, weil es eine Großmacht sein will.

„Unser Hauptfeind: Der deutsche Imperialismus und die NATO!“

„In der Ukraine stehen sich die Streitkräfte der Ukraine und der Russischen Föderation, also zweier ehemals sowjetischer Brudervölker, im offenen Krieg gegenüber.“ Das scheint eine korrekte Aussage zu sein, gegen die man nichts sagen kann. Aber stimmt es wirklich, dass dort einfach die Streitkräfte der Ukraine Russland gegenüber stehen? Was sind das für Streitkräfte? Sie sind aufgebaut, trainiert, bewaffnet und ihre Kriegsführung von den USA gesteuert. Es folgt der Satz, dass hinter der Ukraine die NATO stehe, die aber nicht direkt in Kampfhandlungen eingreife, aber die Regierung mit Geld und Waffenlieferungen unterstütze. Damit könnte man meinen, sei doch alles gesagt. Aber eigentlich wird hier etwas anderes herausgestellt, ohne zu sagen, dass das eigentlich wichtig ist: Die NATO greift nicht direkt in die Kampfhandlungen ein. Das ist nicht richtig, die ukrainische Armee ist eine NATO-Armee, sie ist von ihr ausgebildet und ausgerüstet. Die NATO leistet die Aufklärungsarbeit, die Ausarbeitung der Offensiven, etc. Desweiteren kämpfen Söldner der NATO-Länder unter voller Akzeptanz bzw. unter Organisation der NATO-Staaten in der Ukraine.

Wenn sich jemand mit allen Zeichen eines Clowns ausstattet (rote Nase, Perücke, große Schuhe, Pluderhosen, etc.) und einfach behauptet, er sei kein Clown; wenn er sich exakt so verhält wie ein Clown und lustige Nummern macht und behauptet, er sei kein Clown – dann ist er trotzdem ein Clown. So ist es mit der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine – die USA behaupten, sie sei kein Mitglied, aber die Ukraine ist viel stärker in die NATO integriert als andere NATO-Staaten, die Armee ist eine NATO-Armee. Die Ukraine ist der Söldnerteil der NATO, war kurz vor Abschluss aller Bedingungen der Aufnahme und nur der formale Beschluss zur Aufnahme wurde ausgelassen, weil man seine Ziele ohne diesen Schritt ohnehin viel besser erreichen kann. Es ist ein Krieg der NATO gegen Russland und das Territorium der RF wird dabei auch ganz direkt angegriffen.

Aber die „Resolution“ spricht von all dem nicht und suggeriert, dass da ein Land ist, dass eben Geld und Waffen erhält in einem Krieg mit einem anderen Land. Es wird nicht einmal die Formulierung Stellvertreterkrieg benutzt, die sogar in bürgerlichen Veröffentlichungen zu lesen ist. Wenn man nun die von der „Resolution“ ausgemachte Kriegsursache – Russland will Großmacht sein und greift deshalb die Ukraine an – hinzuzieht, dann müsste klar sein, dass die Streitkräfte der Ukraine im Recht sein müssten.

Die Aussage im ersten Satz, dass es sich um einen Bruderkrieg handele, verstärkt das Bild, dass hier diese zwei Länder gegeneinander kämpfen. Aber es ist kein Bruderkrieg. Die Ukrainer ziehen für eine fremde Macht in einen Krieg gegen ihre Brüder – das muss man deutlich sagen, sonst erscheint es gerechtfertigt, dass sie gegen die Russen kämpfen, sich eben gegen die Invasion verteidigen. Aber sie verteidigen sich nicht gegen eine Invasion, sie kämpfen in Folge einer Invasion. Sie kämpfen im Auftrag der Herren, die in ihr Land 2014 (und bereits zuvor) einmarschierten und es übernahmen – nicht mit den eigenen Soldaten, sondern mit den von ihnen bezahlten Faschisten, mit Nadelstreifenträgern, Senatoren, Stiftungen, Medien, NGOs, Kulturschaffenden, einer ganzen Armee von Unterwanderern, „Influencern“ und Brandstiftern, die sie bei sich ausbildeten, einschleusten, vor Ort rekrutierten oder in anderen Ländern fanden. Die Invasion der USA ist die, die die Ukraine zu einem Kriegsgerät gegen Russland machte und zerstörte. In diesem Krieg stehen die Ukrainer und sterben für diese Auftraggeber – und töten in deren Auftrag ihre russischen Brüder. Und es ist auch ein Bruderkrieg, weil die von der NATO aufgehetzten Teile der ukrainischen Bevölkerung ihre russischen Brüder bekämpfen.

Die in der „Resolution“ folgenden Sätze über die Gewalttaten der NATO in anderen Ländern lenken davon ab, dass nicht gesagt wird, dass die NATO die Ukraine zu ihrem wichtigsten Manövergebiet gemacht hat, dass sie dort Biolabore aufgebaut hat zur Kriegsführung mit biologischen Kampfmitteln, dass sie die Ukraine hat verkünden lassen, das Budapester Memorandum aufzukündigen, dass US-Offiziere die Armee ausgebildet haben, dass die NATO die faschistischen Banden der Ukraine im Baltikum militärisch trainiert und bewaffnet hat für den Maidan-Putsch und für den Krieg gegen die Bevölkerung im Osten und Süden. Die USA haben über ihre Marionette Selensky den militärischen Aktionsplan zum Angriff auf die Volksrepubliken und die Krim verkünden und umsetzen lassen, die zur unvermeidlichen Niederlage der Volksrepubliken geführt hätte.

Die Täuschung der „Resolution“ besteht zu einem nicht unwesentlichen Teil darin, wichtige Dinge nicht zu sagen, stattdessen mit allgemeinen Phrasen gegen die NATO die eigentlichen Kernaussagen gegen Russland zu verzieren. Der angebliche Hauptfeind NATO wird aus der Schusslinie genommen, da helfen auch die verbalen Beteuerungen nichts.

Könnte „die Ukraine“ diesen Krieg ohne die NATO führen? Würde „die Ukraine“ diesen Krieg führen wollen? Ist der Krieg ohne den Putsch und ohne die USA denkbar? Nein.

Was ist „die Ukraine“? Sie gibt es seit 2014 nicht mehr – es gibt ein faschistisches Kiewer Marionettenregime, das auch einen Krieg gegen das eigene Volk führt!

Es sind die Waffen und das Geld der USA, es sind die Interessen der USA, es ist der Krieg der USA! Es ist also kein Krieg der Ukraine „mit“ Russland, sondern ein Krieg der USA gegen Russland.

„Die Ukraine fest in den westlichen Block zu integrieren und damit Russland von seinen europäischen Nachbarländern zu isolieren, galt als wichtiger Baustein der Eindämmung und Einkreisung Russlands.“ Die Ukraine soll nicht in einen Machtblock „integriert“ werden, sie soll zu einem Rammbock, zu einem Aufmarschgebiet gegen Russland gemacht werden, zu einem Söldnerland. Russland soll nicht von seinen Nachbarn „isoliert“ werden, es soll direkt bedroht werden, in seinem Zentrum bedroht werden. Die Ukraine ist die strategische Tiefe, das Gebiet, das man erobern muss, um Moskau erobern zu können. Wer Kiew hat, kann Moskau zwingen. Die ganze Formulierung der Resolution ist eine Verdrehung, ein Einseifen in die Logik, es gehe um „Machtblöcke“.

Es ist deshalb ein Einseifen in eine falsche Erzählung, weil es den USA explizit darum geht, Russland in Einzelteile zu zerlegen und es auszuschalten. Dazu soll der Staat schwach sein, das Land ethnisch aufgespalten und in Einzelrepubliken zerlegt werden und ökonomisch niedergedrückt werden. Das sind nicht nur die Träume einzelner Strategen, es ist der Kern der NATO-Strategie seit über zehn Jahren – einen Krieg gegen Russland zu führen. In unserem weiteren Klärungsprozess werden wir zu diesen Fragen unsere Arbeit vertiefen müssen. Was klar erkennbar ist, ist dass die „Resolution“ sehr widersprüchlich ist. Sie sagt, dass die NATO an die Grenzen Russlands vorrückt, andererseits behauptet sie ganz selbstverständlich, dass Russland nicht bedroht sei. Das ist einer der wunden Punkte nicht nur der ehemaligen Fraktion der KO und deshalb ein wichtiger Teil der weiteren Klärungsarbeit.

Der zentrale Satz der „Resolution“ befindet sich fast nebenläufig und versteckt in allerlei Aussagen: „Ernsthafte Hinweise auf eine unmittelbare und existenzielle Bedrohung Russlands durch die NATO sehen wir nicht (…).“ Damit ist die zentrale Frage, die konkret beantwortet werden muss, einfach beiseite gewischt. Alle Argumente, Fakten, Hintergründe, die in der bisherigen Diskussion angeführt wurden, werden nicht einmal erwähnt geschweige denn darauf eingegangen.

In der „Resolution“ wird unter dem hier behandelten Abschnitt eine Beschreibung der Entwicklung in der Ukraine seit 2004 vorgenommen. Wesentliche Teile der Entwicklung werden dann aber unter dem Abschnitt „Die Herrschaft der schwärzesten Reaktion“ benannt und damit aus dem Zusammenhang gerissen, in dem sie eigentlich stehen. Das Massaker von Odessa wird nicht als Strafaktion gegen die Autonomiebestrebungen benannt, sondern als Terror von Faschisten gegen politische Gegner. Das Massaker von Mariupol und viele weitere werden gar nicht genannt.

In dem hier behandelten Abschnitt „Unser Hauptfeind…“ wird auf die Entwicklung des Putsches und der Gegenproteste eingegangen. „Die Gegenproteste in der Süd- und Ostukraine, die anfangs vor allem durch die antirussische Nationalitätenpolitik sowie die Rehabilitierung des Faschismus durch die Kiewer Regierung motiviert waren, führten im Donbass zur Abspaltung der ‚Volksrepublik Donbass‘ und der ‚Volksrepublik Lugansk‘.“

Dieser Absatz beinhaltet vor allem eines: Keine klare Positionierung, aber eine mindestens versteckte Distanzierung und zwar von den Volksrepubliken und der antifaschistischen Bewegung. Das Wörtchen „anfangs“ ist hier von Bedeutung. Denn die Frage, was sie dann waren oder nicht mehr waren, wird nicht beantwortet, stattdessen wird von Abspaltung der Volksrepubliken gesprochen, aber kein Wort dazu gesagt, ob das nun ein gutes Ergebnis war oder nicht. In den Diskussionen der letzten Monate und in den Positionen der KKE und anderen Parteien ist die Sache klar: Die Volksrepubliken seien gar keine und nur Instrumente des russischen Imperialismus, der die anfangs antifaschistisch, also vermutlich gerechtfertigten Proteste ausgenutzt habe. Das ist also die Botschaft der „Resolution“: Anfangs ganz gut, dann Abspaltung und Anführungszeichen – in diese werden die Volksrepubliken gesetzt und damit sollte wohl schon klar sein, dass man sich davon distanziert.

Aus meiner Sicht ist das ein krasser Vorgang, denn es war ein völkerrechtswidriger Krieg des Kiewer NATO-Regimes gegen die eigene Bevölkerung. Es war ein faschistischer Krieg gegen die Menschen, die sich dem Faschismus entgegen gestellt haben. Es war ein Völkermord, weil eigene Bürger mit Militär beschossen wurden, die als Feinde definiert wurden, weil sie Russen sind! Die Errichtung der Volksrepubliken und das Zurückschlagen des Faschismus durch sie war ein großer Erfolg. War das bereits aus Sicht der „Resolution“ „nicht unser Krieg!“? Weil die Antifaschisten Russland um Hilfe gebeten haben und Teil Russlands sein wollten und das aus Sicht der „Resolution“ „sich auf eine Seite stellen“ heißt und deshalb abzulehnen sei?

Weiter geht es damit, dass die Kiewer Regierung diese Gebiete militärisch zurückerobern wollte. War das gerechtfertigt? Weiter heißt es, die Kiewer Regierung wurde vom Westen in diesem „laufenden Krieg“ unterstützt und eine Lösung „des Konflikts“ verhindert.

Was war das für ein Krieg? Wie ist er zu beurteilen? Nichts dazu zu lesen.

Stattdessen: Die Kriegsgefahr wurde erhöht, weil Russland etwas nicht akzeptieren würde: „Dass eine an die NATO angebundene Ukraine für die russische Regierung nicht akzeptabel sein würde, dass jeder Schritt in diese Richtung die Gefahr eines Krieges erhöhen würde, war den herrschenden Kreisen im Westen bewusst und sie haben an ihrem aggressiven Kurs bewusst festgehalten.“ Was heißt das? Die Kriegsgefahr besteht eigentlich darin, dass die russische Regierung etwas nicht akzeptiert? Dass die NATO an ihrem Kurs festgehalten hat, obwohl die Kriegsgefahr bestand? Die NATO hat den Krieg vorbereitet und 2014 begonnen zu führen! Sie hat nicht an etwas festgehalten, obwohl sie etwas wussten, sondern weil ihr Kurs der Krieg gegen Russland ist.

So endet der Abschnitt mit der großen Ankündigung „Unser Hauptfeind der deutsche Imperialismus und die NATO“ und es klingt auch ganz so, als sei man hier gegen die NATO positioniert – aber eben auch gegen Russland, dessen Nicht-Akzeptanz die Kriegsgefahr erhöht bzw. erst hergestellt habe. Eine schöne Gegnerschaft für die NATO.

„Die Herrschaft der schwärzesten Reaktion“

In diesem Abschnitt wird von „schwärzester Reaktion“ gesprochen, um wovon nicht zu sprechen? Vom Faschismus in der Ukraine. „Während in der Zeit nach dem Putsch Minister der faschistischen Partei Swoboda sogar Teil der Regierung waren, kooperierten die folgenden Regierungen auch später noch mit den verschiedenen faschistischen Gruppen, insbesondere mit dem Regiment Asow im Rahmen des Bürgerkriegs gegen den Donbass.“ Damit soll gesagt werden, dass die Regierung nicht faschistisch sei, denn die Parteien seien nur am Anfang und nur zum Teil faschistisch gewesen. Die Regierung kooperiere also lediglich mit faschistischen Gruppen.

Wir werden zum Faschismus in der Ukraine (ich nennen ihn so, weil er das aus meiner Sicht ist) noch Arbeit leisten müssen und können dabei auf viele Analysen zurückgreifen. Mir geht es hier darum, aufzuzeigen, wie die tatsächlichen Verhältnisse zurechtgebogen werden, um gar nicht erst auf den Gedanken zu kommen, dass es hier um einen Kampf gegen den Faschismus gehen könnte.

Aus meiner Sicht wird damit ein völlig oberflächliches Verständnis von Faschismus vertreten. Es kommt auf die konkrete Politik der Regierung an, nicht in erster Linie auf die ideologische und symbolischen Zeichen ihrer Parteien. Der Krieg gegen die eigene Bevölkerung im Donbass, die Vorbereitung des Kriegs gegen Russland, die Bekämpfung alles Russischen – das ist der faschistische Inhalt der Regierung, ganz egal ob die Parteien sich noch liberal geben. „Kooperieren“ ist eine völlige Verdrehung und Verharmlosung davon, dass die faschistischen Horden zentraler Bestandteil der Kriegsführung sind, dass sie für die Pogrome gezielt eingesetzt und gelenkt wurden, sie wurden dann sogar zum regulären Teil der Nationalgarde. „Der Terror der Faschisten gegen politische Gegner wurde vom Staat gedeckt; das Massaker im Haus der Gewerkschaften von Odessa am 2. Mai 2014, bei dem nach offiziellen Angaben 28 Menschen durch Neonazis umgebracht wurden, wurde nicht aufgeklärt und niemand verurteilt“ heißt es einen Satz später. Auch das ist eine Verdrehung und Verharmlosung: Die faschistischen Banden wurden zentral und koordiniert vom Befehlshaber der „Anti-Terror-Operation“ eingesetzt und kommandiert. Es war nicht einfach ein Kampf zwischen Faschos und politischen Gegnern, es war eine Strafaktion gegen die Bevölkerung, um sie von Separation abzuhalten und zu unterwerfen.

Im Abschnitt heißt es weiter: „Seit dem russischen Einmarsch vom 24. Februar 2022 hat sich der autoritäre Charakter der ukrainischen Regierung verschärft (…).“ Hier muss man wissen, dass in den Diskussionen sehr häufig gesagt wurde, die Invasion habe nur zur Festigung und Stärkung der Faschisten geführt und nicht ihrer Bekämpfung gedient. Eine einfache Verdrehung von Ursache und Wirkung. Man könnte fast sagen: Russlands Einmarsch ist schuld daran, dass die ukrainische Regierung so schlimm ist.

Die ukrainische Regierung ist scharf zu verurteilen und jede Unterstützung für diese Regierung zu bekämpfen, dies gilt aufgrund der starken Abhängigkeit der Ukraine von EU und NATO gerade für uns als Kommunisten in Deutschland. Es zeigt die Heuchelei und Verlogenheit der westlichen Propaganda auf, indem der Autoritarismus in Russland angeprangert, in der Ukraine aber geleugnet und relativiert wird.“

Hier wird also gesagt, die ukrainische Regierung sei zu verurteilen, aber die westliche Propaganda heuchele, weil sie nur die Regierung in Russland verurteile, aber nicht die der Ukraine. Das heißt, sowohl die ukrainische als auch die russische Regierung seien zu verurteilen. Dass hier der Begriff „autoritär“ benutzt wird, weist auf die äquidistante Verschleierung dessen hin, dass es sich in der Ukraine um Faschismus handelt und in Russland eben nicht. Wenn man aber beide dem „Autoritarismus“ oder der „schwärzesten Reaktion“ zuordnet, dann kann man auch beide gleichermaßen verurteilen.

In Russland gibt es auch Repressalien gegen Kommunisten, beispielsweise bei Wahlen. Aber sowohl KPRF als auch RKAP können legal agieren und betonen selbst, dass jede Gleichstellung der Systeme in Russland und der Ukraine der Verharmlosung des Faschismus in der Ukraine dient. Dort werden Kommunisten verboten, verfolgt und viele von ihnen sind ermordet worden. Aber auch was andere politische Fragen anbetrifft, ist eine Gleichstellung unzulässig. Die RF betreibt keine rassistische Politik gegenüber anderen Nationalitäten, sondern betont die Zusammengehörigkeit verschiedener Nationalitäten innerhalb der RF. Die Aussagen Putins zur Nationalitätenpolitik der Bolschewiki sind falsch und entsprechen nicht den historischen Tatsachen, aber das ändert nichts daran, dass die RF im Gegensatz zum Kiewer Regime keinen Rassenhass verbreitet.

Aber diese Aussage bildet plastisch vor allem eines ab: Den Reflex. Es ist der Reflex vieler deutscher Linken. Sobald es um den Faschismus in der Ukraine geht, wird gesagt: Aber was ist mit Russland! Auf dem Kommunismus-Kongress in der Diskussion mit Susann Witt-Stahl war genau dieser Reflex aufgetreten und wurde von ihr präzise auf den Punkt gebracht und kritisiert. Das Ergebnis könnte fataler kaum sein, denn es ist vor allem die Relativierung und Deckung des Faschismus, der von hier (und den USA) aufgebaut und gefördert wurde und der hier mit Slawa Ukraini-Rufen im Bundestag und sonstwo Einzug hält.

„Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt“

Wurden bereits die Verhältnisse und Tatsachen zum Ukrainekrieg verdreht, so muss es auch mit den „Hintergründen“ geschehen, mit der „Weltordnung“, in die sie eingeordnet werden. Dazu wird diese auf völlig abstrakter Ebene beschrieben und auf dieser zugleich nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend, sondern so wie es in die von diesen distanzierte Position passt.

„Das imperialistische Weltsystem ist eine globale Weltordnung, innerhalb derer

kapitalistische Monopole und die mit ihnen verbundenen Staaten miteinander um die Aufteilung des Mehrwerts, der aus der Ausbeutung der internationalen Arbeiterklasse

gewonnen wird, aber auch um die Kontrolle strategisch wichtiger Territorien, Rohstoffe usw.

konkurrieren. Die ökonomische Grundlage des Imperialismus, der monopolistische Kapitalismus, hat sich dabei fast überall auf der Welt durchgesetzt.“

Damit wird erstmal eine Beschreibung vorgenommen, die bereits eine Gleichstellung vornimmt: kapitalistische Monopole und ihre Staaten überall. Sie konkurrieren um die Aufteilung des Mehrwerts, der aus der Ausbeutung der Arbeiterklasse international gewonnen wird. Also: Türkische Monopole ringen mit US-amerikanischen Monopolen um die Ausbeutung der internationalen Arbeiterklasse? Also, alle beuten die Klasse aus und kriegen vermutlich eben größere oder kleinere Stücke vom Kuchen. Das ist nichts anderes als die völlige Verwischung der Ausbeutung der Arbeiterklasse durch die Monopole des Westens, die eine völlig andere Machtstellung, völlig andere Herrschaft ausüben. Sie haben eine andere Qualität, weil sie eine andere Quantität erreicht haben in den letzten einhundert Jahren.

Es ist die Negierung der Herrschaft einiger weniger Länder, die seit über 100 Jahren eine ökonomische und politische Macht errungen haben, an die niemand heranreicht. Mit der Aussage, dass die „ökonomische Grundlage des Kapitalismus“ sich „fast überall auf der Welt durchgesetzt hat“, wird diese Gleichstellung eines vor allem von Herrschaft geprägten Systems umschrieben.

Nun wird aber eingewendet – und das muss geschehen, weil es in der KO genau um diese Frage eine kontroverse Diskussion gab, dass es „riesige Unterschiede zwischen der Stärke der Länder, die an der Spitze oder unten in der Rangordnung stehen“ gäbe. Worin werde diese Unterschiede nun fest gemacht? In „qualitativ unterschiedlichen Möglichkeiten zur Ausübung von Einfluss“. Das ist eine interessante Umschreibung der brutalen Herrschaft einiger weniger Länder, die in der Lage sind, ganze Länder in Schutt und Asche zu legen. Denn es stimmt: „Einfluss ausüben“ – das können ziemlich viele Länder, eben nur in unterschiedlichem Ausmaß. Länder ökonomisch ausbeuten, in die Knie zwingen, zerstören und in Abhängigkeit halten – das können wohl ziemlich wenige Länder.

Es wird ausgeführt, worin diese Möglichkeit bestehen solle: „beispielsweise in der Verfügung über Massenvernichtungswaffen und strategisch bedeutsame Waffensysteme wie Flugzeugträger,der Existenz weltweit marktbeherrschender Monopole, einer international verwendeten Währung wie dem Dollar oder Euro, eigene Industrien in hochtechnologischen Branchen und eigene Rüstungsindustrie, auswärtige Militärbasen usw.“ Diese Formulierung reiht sehr unterschiedliche Dinge aneinander und besteht vor allem lediglich in der Benennung von einzelnen Faktoren, aber nicht in der Benennung von Verhältnissen.  

Flugzeugträger haben einige Staaten – aber wer hat wieviele und wer hat sie wo eingesetzt gegen wen? Bedeutsame Waffensysteme haben ebenfalls mehrere Staaten, aber wer hat welche in welcher Dimension und wo hat er sie stationiert mit welchem Ziel? Massenvernichtungswaffen (also beispielsweise Atomwaffen) haben ebenfalls sehr unterschiedliche Staaten, aber wer hat welche mit welchem Ziel und wer hat sie schon mal eingesetzt, wer arbeitet daran, die der anderen erfolgreich auszuschalten? Weltweit marktbeherrschende Monopole können ebenfalls sehr viele verschiedene Sachen sein – ein großes Weizenmonopol hat weltweit eine völlig andere – nämlich nahezu unbedeutende Rolle im Vergleich zu Finanzmonopolen, die über die Kapitalströme FÜR ALLE diktieren können. Auswärtige Militärbasen haben ebenfalls verschiedene Staaten, aber hier dürfte wohl am augenfälligsten sein, was mit einer solchen Aneinanderreihung bezweckt werden kann: Nur ein Land hat hunderte und überall dort, wo es sie zum Zerstören ganzer Länder einsetzen will und auch einsetzt: Die USA. Die Aufzählung der Leitwährung(en) könnte selbst die Autoren stutzig machen: Es gibt nur eine (Dollar)! Und die, die man als potentielle hinzufügen könnte (Euro), wird gerade von der Nummer Eins ziemlich unter Druck gesetzt. Das könnte also aufzeigen, dass es eben nicht geht, einfach eine Aufzählung aller möglichen Faktoren vorzunehmen, denn dann versteht man das Verhältnis nicht. Man könnte auch kurz zusammenfassen: Was hier wegaufgezählt wird, ist der einfache Fakt, dass die USA eine enorme Machtstellung auf all diesen Gebieten haben und dass sie die einzige Macht sind, die in der Lage ist, diese Herrschaft auszuüben.

Entscheidend ist also die Gleichzeitigkeit, sowohl Waffensysteme zu haben, wie auch Monopole und Leitwährung, etc. Leitwährung geht nur mit hunderten Militärbasen, Massenvernichtungswaffen, die auch eingesetzt werden. Dieser Vorgang lässt sich nicht einfach wiederholen, also er kann nicht von einem anderen Land einfach hergestellt werden. Das ist nicht mit Gesetzmäßigkeit gemeint. Es ist ein historisch konkreter Vorgang. Auch dazu werden wir die Diskussion und die Fragestellung systematisch darstellen und daran arbeiten müssen.

Was in dieser „Resolution“ desweiteren geschieht, ist, dass eine ganz andere, vielleicht viel entscheidendere Rivalität nicht benannt wird, obwohl sie bereits Gegenstand unserer Diskussionen ist. Die USA sind sogar in der Lage und bereit dazu, ihrem „engsten Verbündeten“ die Energiezufuhr wegzusprengen – jeder weiß es und niemand darf es sagen, ein peinliches Tabu, das doch so viel über die Verhältnisse sagt. Ein vielleicht entscheidender Hintergrund des Kriegs der USA gegen Russland dürfte der sein, eine mögliche engere Verbindung zwischen EU und RF zu verhindern. Das wäre ökonomisch und politisch eine Bedrohung für die Vormachtstellung der USA. Eventuell geht es also eigentlich darum, dem ökonomisch potentesten Rivalen BRD zu schaden und ihn in die Schranken zu weisen.

Um jeglichen Gedanken, der vielleicht angesichts der Realität aufkommen könnte, schnell zu unterbinden, werden diese zuvor gar nicht richtig benannten Unterschiede als eigentlich irrelevant bezeichnet, außer für die „Analyse der globalen Politik“: „Diese Unterschiede sind für die Analyse der globalen Politik keinesfalls zu unterschätzen, sie bedeuten allerdings nicht, dass der gesellschaftliche Charakter der schwächeren und stärkeren Staaten qualitativ zu unterscheiden wäre, denn auch in den schwächer entwickelten kapitalistischen Ländern herrschen die Gesetzmäßigkeiten des Monopolkapitalismus.“ Also auf keinen Fall eine qualitative Unterscheidung, weil alles Kapitalismus. Was bedeutet diese Aussage? Sie soll eine klare Ablehnung davon sein, dass irgendeine kapitalistische Regierung unterstützt werden dürfe oder es gar ein Bündnis mit Teilen der Bourgeoisie geben könne.

Das war das am meisten vorgebrachte Argument in der Diskussion der vergangenen Monate. Es hat skurrile Blüten getrieben, bis hin dazu, dass es immer darum gehen müsse, die Regierung zu stürzen, Destabilisierung gut sei, etc. etc. Auf dem Kommunismus-Kongress führte es zu der Aussage: Russland ist unser Feind, denn es sei ja ein kapitalistischer Nationalstaat! Man dürfe deshalb auch nicht zwischen verschiedenen Teilen der Bourgeoisie unterscheiden und zwar nirgendwo! Es ist das alte trotzkistische „Klasse gegen Klasse“, das stets an die Seite der NATO führt, wie zuletzt in Syrien, wo es dann unter dem Label „Adopt a revolution“ heißt: Sturz des Assad-Regimes – ganz im Sinne der USA. Deshalb wird die KPRF als chauvinistisch beschimpft, weil sie einen Weg sucht, den Russland gehen muss, um sich zu verteidigen und zu befreien und unter diesen Bedingungen sich dann auch die Frage des Verhältnisses zur Regierung stellt. Und selbstverständlich gibt es meilenweite Unterschiede zwischen Jelzin und Putin! Wer das nicht erkennt, will es nicht sehen und den interessiert die konkrete Lage und Bedingungen des russischen Volkes und der russischen Arbeiterklasse einen feuchten Dreck. Der akzeptiert, dass es Regierungen gibt, die ihr Land mit Haut und Haaren dem Westen ausliefern und dies Elend und Demütigung für das Volk bringen.

Das ist der platteste Ökonomismus, der aus dem Imperialismus das entscheidende Merkmal löscht: Die Herrschaft einiger weniger Staaten. Er schaltet erst auf scheinbar „korrekter“ ökonomischer Ebene (Ringen aller Beteiligten um Mehrwert!) alle gleich, um dann alles unter der Formel – Gesetzmäßigkeiten des Monopolkapitalismus ad absurdum zu führen.

In dieses verzerrte Bild wird nun „eingeordnet“. Die heutige Weltlage sei durch das Aufsteigen Chinas und anderer Länder und damit der Bedrohung der Vorherrschaft der USA gekennzeichnet. Um den Abstieg aufzuhalten, gehe der Westen aggressiv gegen die Hauptrivalen Russland und China vor und kreise sie ein, verhänge Sanktionen, um den Handlungsspielraum einzuschränken. Dabei wird meist massiv übertrieben und die konkrete Lage Chinas und Russlands (sowohl ökonomisch als auch militärisch) kaum beachtet. Aber selbst wenn man dem zustimmen würde, dass diese Länder „aufsteigen“ und dass die enorme Machtstellung der USA sich zu verändern beginnt: Müsste man dann nicht dennoch anerkennen, dass diese Länder sich zurecht gegen die Drangsalierung, Bedrohung, Unterwanderung, ökonomische und psychologische Kriegsführung des Westens wehren?

Könnte man daraus nicht schlussfolgern, dass diese Staaten die Notwendigkeit haben, sich gegen diese Aggression zu verteidigen. Aber da es sich um vorher definierte imperialistische Rivalen handeln soll, spielen Souveränität, Selbstbestimmung, Verteidigung und Widerstand gegen die Aggression des Westens keine Rolle mehr. Und das obwohl alle Fakten zu der Zielstellung der NATO, Krieg gegen Russland zu führen und dieser seit mehr als zehn Jahren vorbereitet wird, auf dem Tisch liegen und für die ganze Welt offen sichtbar sind, obwohl diese eine Dimension erreicht haben, die selbst in bürgerlichen Kreisen die Erkenntnis hervorbringt, dass Russland gar nicht mehr anders handeln konnte, wenn es nicht die eigene Sicherheit völlig aufs Spiel gesetzt hätte. Trotz dieser ganzen Tatsachen darf es sich nicht um Verteidigung handeln. Niemand konnte bisher die Frage ernsthaft beantworten, welche Optionen Russland noch gehabt hätte. Alle Versuche der Diplomatie, der Verhandlungen, das Zugeständnis Minsk, alle Warnungen wurden vom Westen nicht nur abgetan, sondern mit weiterer Eskalation beantwortet.

Mit der Herangehensweise der „Resolution“ macht man sich zum Apologeten der herrschenden Ordnung des Imperialismus. Seine Veränderung, wenn sie von kapitalistischen Staaten ausgeht, bringe keine Verbesserung, im Gegenteil führe sie zu Krieg. Deshalb sei es für die Arbeiterklasse dann schon besser, wenn es alles so bleibt wie es ist, oder eben Sozialismus gibt. Es gibt Vorstellungen der multipolaren Weltordnung, die mit Illusionen verbunden sind, das ist Fakt. Aber es ist auch Fakt, dass wenn die Arbeiterklasse und Völker der unterdrückten Länder nicht mehr einer geschlossenen Front der Unterdrücker gegenüberstehen, sondern andere Optionen haben, ihr Kampf bessere Bedingungen hat. Und aus meiner Sicht führt auch das russische Volk, die russische Arbeiterklasse einen Kampf gegen ihre Unterdrückung und angedrohte Vernichtung durch den Westen. Darauf reagierten die Autoren der „Resolution“ mit Geschrei und Beschimpfung „Putinist“, konnten aber kein einziges der Argumente widerlegen, sondern wischen es einfach beiseite: Kein Anlass zur Verteidigung.

Der Kampf für Sozialismus wird in der Logik der „Resolution“ zu einer Farce, zu einer reinen Proklamation. Er wird nicht verbunden mit den gegebenen Bedingungen und wie man auf diese reagieren muss bzw. wie man darin den Weg zum Sozialismus erkämpfen muss und auch welche Bündnispartner dafür in Frage kommen. Diese Frage stellt sich natürlich auch für die imperialistischen Zentren, allerdings unter den dort gegebenen Bedingungen. Damit stellt sich die Frage der Strategie für die Länder hier und da sehe ich keine Möglichkeiten für ein Bündnis mit Teilen der Bourgeoisie und denke weiterhin, dass Übergangsvorstellungen einer antimonopolistischen Demokratie oder ähnliches nicht richtig sind. Aber die Kritik an diesen Vorstellungen kann erst dann wirklich produktiv werden, wenn man versucht andere konkrete Wege zum Sozialismus auch hier zu entwickeln. Die Kritik sollte meiner Ansicht nach nie darin bestehen, einfach zu sagen: Sozialismus. Das wäre eine Plattheit. Für Länder, die vom Westen bedroht und in ihrer Entwicklung angegriffen werden, die in starker Abhängigkeit stehen, ist die Frage des Bündnisses mit Teilen der Bourgeoisie auf jeden Fall gegeben und muss konkret beantwortet werden und schließt natürlich nicht den Klassenkampf aus – es ist eine Form des Klassenkampfs. Revisionistisch wäre es, den Klassenkampf abzuschwächen, von Friedensfähigkeit zu sprechen oder einer Konvergenz der Systeme das Wort zu reden, etc.

Die „Resolution“ der ehemaligen KO-Fraktion findet einen Ausweg, um diese Fragen nicht beantworten zu müssen. Russlands „Invasion“ wird kurzerhand zu einer imperialistischen Maßnahme definiert. „Die Invasion Russlands in der Ukraine war eine Maßnahme des russischen Imperialismus, um dem entgegenzuwirken und die Machtstellung Russlands zu untermauern. Möglich wurde der Krieg durch die kapitalistische Konterrevolution in der Sowjetunion, durch die Zerstörung des Sozialismus, der ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Völker über Jahrzehnte hinweg ermöglicht hat, die heute wieder in verschiedenen blutigen Kriegen (Ukraine, Aserbaidschan-Armenien, Kirgistan-Tadschikistan, Tschetschenien, Transnistrien) aufeinander gehetzt werden, um sich gegenseitig niederzumetzeln.“

Dieser Absatz hat es in sich. Eigentlich müsste hier die sehr weitreichende Aussage, dass es sich um eine imperialistische Aggression Russlands handele, nachgewiesen werden. Dass es also gar nicht um Bedrohung geht, gar nicht um Faschismus, gar nicht um Verteidigung, sondern, dass hier ein Plan der RF umgesetzt wird, die Rohstoffe, Transportwege, etc. der Ukraine zu sichern. Das funktioniert kaum und die Vertreter dieser These haben in den vergangenen Monaten keinen Beweis für diese Behauptung erbracht. Sie haben nur eines gemacht: Alle Argumente und Behauptungen, dass es sich um eine Verteidigung der nationalen Souveränität und um einen Kampf gegen den NATO-Faschismus in der Ukraine handele, beiseite gewischt, die Tatsachen verdreht und geleugnet.

Mit der Aussage werden der RF gleich alle Kriege der Region zugeschustert: Konterrevolution in der SU, Machtanspruch des russischen Imperialismus, blutige Kriege Russlands. Da ist dann schon gar nicht mehr die Rede von der Rolle der USA und der NATO, ihre Putsche und Unterwanderungen. Die Formel könnte lauten: Die Konterrevolution in der SU hat den blutigen russischen Imperialismus entfesselt. Denn wer sonst sollte in den in Klammern genannten Ländern sonst für die Kriege verantwortlich sein als der größte Nachfolger der SU, der in der Logik der Autoren der „Resolution“ imperialistisch agiert?

Eine weitere Möglichkeit, die die „Resolution“ gar nicht erst in Betracht zieht, die aber Teil der Diskussion ist, wäre, zuzugestehen, dass beides möglich sein könnte: Der Versuch russischer Oligarchen, ihren Einfluss auszuweiten und sich Optionen offen zu halten und der gerechtfertigte Kampf gegen den Faschismus. So argumentiert die RKAP und führt das aus. Ich halte die Behauptung, Russland würde hier agieren, um seinen „imperialistischen“ Einfluss auszuweiten, für nicht richtig und habe noch keine guten Belege dafür gefunden. Aber die Argumentation muss unbedingt Teil unseres Klärungsprozesses sein und genau so überprüft werden, wie andere.

Worum es bei dieser Argumentation geht: Es kann auch ein imperialistischer Staat und trotzdem Verteidigung sein, wie auch andersrum. Die „Resolution“ behauptet, es sei alles auf Grundlage ihrer (vermeintlichen) Allgemeinplätzen selbsterklärend. Die tatsächliche Genese und Vorgeschichte des Kriegs interessiert nicht weiter, ist nur etwas für bürgerliche Geopolitiker. Aber selbst wenn nachgewiesen wäre, dass es sich um eine Verteidigung Russlands handele, haben wir damit die Imperialismusfrage noch nicht geklärt, wenn auch entscheidende Hinweise bekommen. Man kann auch zusammenfassen, dass was in der „Resolution“ gemacht wird, ist keine Behandlung der „Imperialismusfrage“, sondern ein Zurechtbiegen für die Position zum Krieg. Denn was immer notwendig ist und wo man sich auch nicht mit allgemeinen Aussagen und Leninzitaten drum herum mogeln kann, ist: Eine konkrete Analyse der konkreten Situation! Und einfach die Logik des ersten Weltkriegs zu übertragen, ist eine solche Dummheit. Als Beispiel für die konkrete Analyse der konkreten Situation sei hier kurz ein Text von Stalin angeführt. In einer Rede in der Wählerversammlung des Stalin-Wahlbezirks der Stadt Moskau 1946 geht Stalin sowohl auf den grundsätzlichen Charakter des imperialistischen Weltsystems ein, als auch auf die unterschiedlichen Charaktere des ersten und zweiten Weltkriegs. Statt eines längeren Zitats empfehle ich die Lektüre des ganzen Textes (Stalin Werke, Band 15, S. 33 ff.).

„Der Krieg in der Ukraine – nicht unser Krieg!“

Der vorletzte Absatz bringt die ganze Weltsicht dieser Resolution auf den Punkt.

„Der Krieg in der Ukraine bedeutet wie jeder Krieg massive Zerstörung und den gewaltsamen

Tod Zehntausender Menschen. Er birgt zudem aber die Gefahr, in einen Dritten Weltkrieg, also in einen offenen zwischenimperialistischen Krieg zwischen der NATO und Russland, zwischen den führenden Atommächten der Erde zu eskalieren. Ein solcher Krieg droht, große Teile der Menschheit zu vernichten und mindestens Europa in einen Friedhof zu verwandeln. Die Arbeiterklasse und Völker aller Länder müssen Seite an Seite gegen die Gefahr eines solchen Schreckensszenarios kämpfen.“

Zunächst wird hier der Krieg auf eine allgemeine Ebene des Schreckens gehoben und damit jegliche Hintergründe ausgeblendet. Denn wenn es heißt „Der Krieg in der Ukraine bedeutet wie jeder Krieg massive Zerstörung und den gewaltsamen Tod Zehntausender Menschen“, dann wird noch einmal unterstrichen, dass es sich auf keinen Fall um einen Kampf gegen den NATO-Faschismus handeln könne. Die Aussage ist an sich eine Nullaussage, da Krieg immer Tod und Zerstörung mit sich bringen muss. Die Aussage macht nur Sinn, wenn negiert werden soll, dass ein Krieg auch Befreiung mit sich bringen kann – in dem Fall vom Faschismus und der NATO-Aggression.

In der weiteren Aussage wird erneut die Frage, wer bedroht wen, wer greift wen an, weggewischt und in ein allgemeines Schreckensszenario verwandelt. Damit landet man auf dem Niveau der am wenigsten fortgeschrittenen Teile der Friedensbewegung, die zwar Frieden wollen, aber nicht bereit sind, Ross und Reiter der Kriegstreiberei zu nennen. Es ist nicht einfach ein „Konflikt“ zwischen zwei Streithähnen, sondern es ist die NATO, die den dritten Weltkrieg heraufbeschwört. Es sind die USA und die NATO, die den dritten Weltkrieg anzetteln bzw. die Welt mit Krieg überziehen. Genau diese klare Aussage vermeidet der Text. Laut der „Resolution“ bedroht die NATO nicht einmal Russlands Existenz. Das heißt dann in der Schlussfolgerung, dass Russland unnötigerweise die Sache eskaliert, denn es ist ja gar nicht bedroht. Und nun sollen sich die „Arbeiterklasse und Völker aller Länder Seite an Seite gegen die Gefahr eines solchen Schreckensszenarios stellen“. Gegen welches genau? Gegen die Aggression der NATO gegen Russland? Der Text hat bisher dargelegt, dass es Russland ist, dass imperialistisch invadiert, nicht die NATO. Gegen beide „Streithähne“? Also dann vielleicht den Rückzug der RF aus der Ukraine fordern, damit die Eskalation aufhört? Das wäre aus der Logik der Resolution die richtige Schlussfolgerung. Diese zieht man nicht, weil dann vielleicht zu klar werden würde, dass man für den Sieg der NATO und ihres Faschismus eintreten würde.

Weiter geht es im Text mit der Aufzählung der Schäden und Schrecken des Kriegs, der auf dem Rücken der Volksmassen ausgetragen wird. Auch hier wird im allgemeinen pazifistischen Gerede weggewischt, dass große Teile der Ostukraine diesen Krieg als Befreiung erleben und zwar zu Recht. Es wird auch ausgeblendet, dass das faschistische Kiewer Regime eine schwere Unterdrückung für die gesamte Ukraine und vor allem für die Arbeiterklasse ist, von der sie sich nicht selbst befreien kann. Der Krieg wird entpolitisiert und das Schrecken, das es natürlich gibt aus dem realen Zusammenhang gerissen, in dem es steht. Es stellt auch beide kriegführenden Seiten gleich, was angesichts der Kriegsführung des Kiewer Regimes seit acht Jahren ein Hohn ist.

Wie sehr die Argumentation der Resolution der westlichen Kriegslogik nahekommt, sieht man an folgender Stelle: „Sie (die Volksmassen) zahlen durch einen massiv sinkenden Lebensstandard und steigende Lebenshaltungskosten – in Russland infolge der westlichen Sanktionen, in der Ukraine durch den Krieg und die gezielte Zerstörung der Infrastruktur, in Westeuropa durch die Einstellung des Gashandels mit Russland.“ Hier wird alles aus dem Zusammenhang gerissen und nur noch als schlimme Dinge dargestellt, die über das Volk kamen. Die westlichen Sanktionen sind Teil der Kriegsführung gegen Russland – wird hier nicht benannt. Die Einstellung des Gashandels ist das ebenfalls – wird hier nicht benannt. „Der Krieg“ und die die Zerstörung von Infrastruktur in der Ukraine ist eine Folge des von der NATO begonnenen Kriegs gegen Russland, in den es eintreten musste. Da hier aber der tatsächliche Zusammenhang nicht genannt wird, stellt sich für interessierte Leser vielleicht die Frage, ob das denn nicht sehr unterschiedliche Dinge seien und der Krieg wohl das schlimmste sei und deshalb die Sanktionen nicht vielleicht auch notwendig und die Waffenlieferungen vielleicht auch, denn es handelt sich ja laut „Resolution“ um eine russische feindliche Invasion. Warum sollte sich die Ukraine nicht dagegen verteidigen dürfen?

Die Argumentation der „Resolution“ ist auch hier widersprüchlich. Auf der einen Seite ist es ein imperialistischer Krieg zwischen Ukraine und Russland, auf der anderen Seite eine imperialistische Invasion Russlands. Hat die Ukraine also nun das Recht auf Selbstverteidigung oder nicht aus Sicht der „Resolution“? Oder sucht man auch hier den Ausweg in der einfachen Losung, der Krieg müsse in einen Bürgerkrieg gegen die Bourgeoisie verwandelt werden? Wenn man, wie die „Resolution“ die NATO de facto rausrechnet und somit den Aggressor, wird man in diesen Widersprüchen verfangen bleiben und im schlimmsten Fall dort enden, dass man das Verteidigungsrecht der Ukraine unterstützt. Spätestens dann, wird man wohl kaum mehr die Waffenlieferungen der NATO ablehnen können und auch nicht die Asow-Einheiten, die eben auch verteidigen.

In der „Resolution“ heißt es: „Und politisch zahlen sie auch, indem in allen beteiligten Staaten demokratische Rechte abgebaut werden, die chauvinistische, militaristische und nationalistische Verhetzung der Massen intensiviert wird und faschistische Gruppierungen durch ihre Rolle im Krieg weiter an Einfluss gewinnen.“ Hier wird mal eben, wie schon oben gezeigt, der Faschismus der Ukraine mit dem politischen System der RF gleich gestellt.

Der gesamte folgende Absatz macht klar, dass Russland nur und ausschließlich aus chauvinistischen Großmachtinteressen handelt und explizit nicht aus Verteidigungsgründen: „Der russische Staat legitimiert den Krieg mit chauvinistischer Propaganda, in der die Existenz einer ukrainischen Nation infrage gestellt, die internationalistische Nationalitätenpolitik der Bolschewiki verunglimpft und die Größe Russlands beschworen wird. Der Krieg ist von russischer Seite auch eine Reaktion auf die aggressive Expansion der NATO, allerdings wäre es falsch zu behaupten, dass es zu diesem Schritt gezwungen wurde: Ernsthafte Hinweise auf eine unmittelbare und existenzielle Bedrohung Russlands durch die NATO sehen wir nicht, zumal die Abschreckung durch die russischen Nuklearwaffen weiterhin besteht. Zudem geht es Russland auch um die Wahrung und Zurückgewinnung des russischen Einflusses in dieser strategisch wichtigen Region mithilfe der russischsprachigen Minderheit, um den Zugang zu den Handels- und Militärhäfen des Schwarzen Meeres, den ukrainischen Markt und die Bodenschätze und hervorragende landwirtschaftliche Bedeutung des Landes. Die Verhinderung einer militärischen Einkreisung durch Raketenabwehrsysteme und die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim als Mittel zur Machtprojektion im Schwarzen Meer und Mittelmeer sollen die Manövrierfähigkeit und Handlungsspielräume der Russischen Föderation als politischer und militärischer Großmacht aufrechterhalten.“ (Hervorhebungen von mir).

Das ist die ganze Aussage der Resolution zur Kriegsursache, die vorher lange und umständlich eingeleitet wurde: Russland führt Krieg, um Großmacht zu sein.

Diese schlichte Aussage ist nicht sehr weit entfernt von der, die wir jeden Tag in Deutschlandfunk und tagesschau hören können. Vielleicht ist das den Autoren auch gedämmert, als sie schrieben: „Der imperialistische Krieg stellt die Arbeiterklasse aller beteiligten Länder vor sehr schwere Herausforderungen. Es ist alles andere als leicht, der reaktionären Kriegspropaganda des bürgerlichen Staates zu widerstehen und in jeder Situation konsequent den Standpunkt des proletarischen Internationalismus zu beziehen.“ Aber es ist unwahrscheinlich, dass sie sich selbst damit meinten, denn sie haben ja den Marxismus-Leninismus für sich gepachtet. Sie meinten damit mit Sicherheit die „Chauvinisten“ der KPRF und RKAP, die ihnen so verhasst sind. Denn es heißt gleich weiter: Auch in Deutschland. Auch – also geht es im ersten Satz um woanders. Und da sie sich selbst, wenn es um Deutschland geht, nicht nennen, sind sie offensichtlich davor gefeit, der „reaktionären Kriegspropaganda“ nicht zu widerstehen.

Den letzten Absatz „Was wir noch klären wollen“ können wir getrost als Witz beiseite lassen, denn wer eine solche Weltsicht entfaltet hat, die nach dem Prinzip Pippi Langstrumpf funktioniert – ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt – der muss nichts mehr klären. Oder auch: Dem ist nicht mehr zu helfen.

Dies wird das Startdokument der neuen Organisation sein, die aus der ehemaligen Fraktion der KO hervorgegangen ist. Und es ist eine politische Bankrotterklärung. Aber wir müssen Gerechtigkeit walten lassen: Sie sind damit nicht alleine. Im Gegenteil dürfte es ein besonders gelungenes Stück der Verschleierung und Verzierung dieser Position mit allerlei pseudomarxistischem Vokabular sein. Zur Verschleierung und zum Verstecken angeregt haben dürfte die Autoren unsere kontroverse Diskussion und die Kenntnis vieler Gegenargumente, denen hier durch Nichtnennen, Verdrehen oder Verschleiern vorgebeugt werden sollte. Es könnte damit leider ein Vorbild werden. Aber das macht nichts, denn es ist eben unsere Aufgabe, das Versteckte zu finden, das Verdrehte richtig zu rücken und das Verzierte zu entkleiden.

Der Libanon in der Krise – Zwischen Klassenkampf, konfessioneller Spaltung und imperialistischer Bedrohung

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Diskussion mit einem Vertreter der Libanesischen Kommunistischen Partei

Als im Oktober 2019 im gesamten Libanon aufgrund der wirtschaftlich und politisch katastrophalen Lage ein großer Teil der Bevölkerung auf die Straße ging, gab es einen kurzen Moment der Hoffnung. Das Land wird allerdings weiterhin von mehreren tiefgreifenden Krisen im Griff gehalten. Wir wollen mit einem Journalisten und Vertreter der Libanesischen Kommunistischen Partei über die aktuelle Situation sprechen, darüber, welche Einschätzungen die dortigen Genossen über die imperialistischen Einmischungen im Land haben und mit welcher Strategie sie gegen das von Korruption und religiösem Sektierertum geprägte politische System kämpfen. 

Wann: 20.01.2023 | 19 Uhr

Wo: Anti-War Café, | Rochstraße 3, Berlin

Die Realität der Abspaltung anerkennen

Wir wollen darüber informieren, dass und wieso es am kommenden Wochenende zwei getrennte Mitglieder-Kongresse geben wird, nämlich den Kongress der KO und eine Versammlung der Organisation, die aus der ehemaligen Fraktion in der KO hervorgegangen ist. Die Fraktionierer haben am 31. Dezember eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie behaupten, die Leitung der KO werde das höchste Gremium unserer Organisation, nämlich den Mitgliederkongress, nicht mehr anerkennen. Daraus schlussfolgern sie, dass wir eine Abspaltung von der KO vollzogen hätten. Damit stellen sie die Tatsachen wieder einmal auf den Kopf – und verbreiten einmal mehr Unwahrheiten und Lügen.

Wir haben uns entschieden, eine Richtigstellung zu schreiben, obwohl wir grundsätzlich der Meinung sind, dass dieser Kampf nur begrenzt Sinn macht und eigentlich seinen Zenit schon überschritten hat. Auch wenn wir uns vorbehalten müssen, auf weitere Anfeindungen, Verleumdungen und Falschdarstellungen zu reagieren, werden wir versuchen, diese Spielchen soweit wie möglich zu reduzieren bzw. im besten Falle zu beenden und zu den wichtigen politischen Aufgaben, die wir uns gestellt haben, zurückkehren.

Sie haben sich längst abgespalten

Wir haben bereits an anderer Stelle dargelegt, wie ein Teil der KO offen fraktioniert und damit die Spaltung unserer Organisation praktisch vollzogen hat. Fälschlicherweise haben wir längere Zeit an den zu dieser Tatsache im Widerspruch stehenden und damit illusionären Vorstellung festgehalten, dass die Fraktionierer noch immer Teil der KO seien und wir daher eine gemeinsame Vollversammlung abhalten könnten, die als höchstes Organ demokratisch über den weiteren Weg der KO und die Art ihrer Spaltung entscheiden könnte. Die letzten Wochen haben uns eines Besseren (oder Schlechteren) belehrt:

1. haben uns die Diskussionen in der KO immer klarer vor Augen geführt, dass der von der Fraktion forcierte außerordentliche Kongress aufgrund der fraktionierenden Art, wie er beantragt wurde, an sich nicht legitim ist. Denn zum einen war sein Zustandekommen schon das Ergebnis einer Fraktionierung, zum anderen aber – und das nicht sofort erkannt und problematisiert zu haben, wiegt schwer – wurde die Außerordentlichkeit, die die Einberufung eines solchen Kongresses legitimieren würde, nicht begründet. Die Unzufriedenheit mit den Entscheidungen der 4. Vollversammlung oder die Publikationstätigkeit der Leitung begründen nicht diese außerordentliche Situation.

2. hat die Fraktion die Eskalation in den letzten Wochen auf die Spitze getrieben, indem sie die (alte) Website, den YouTube-Kanal, den (alten) Telegram-Kanal sowie interne Kommunikationskanäle gekapert hat.

3. hat sie durch das anhaltende und wiederholte Brechen von Beschlüssen, durch die Etablierung paralleler Strukturen und einer eigenen de facto Leitung sowie der Einberufung von eigenen „bundesweiten“ Treffen, bei denen Genossen, die sich nicht der Fraktion zugehörig fühlen, nicht erwünscht waren und bei Erscheinen derart gegängelt wurden, dass sie das Zusammenkommen schließlich verließen, unter Beweis gestellt, dass sie längst eine eigene, von der KO abgespaltene Organisation sind.

Unsere Schlussfolgerung daraus ist, die von den Fraktionierern geschaffenen Tatsachen zu akzeptieren: Wir sind keine gemeinsame Organisation mehr, so sehr wir auch in den letzten Wochen darauf bestanden haben. Wir haben damit die Realitäten nicht anerkennen und nicht sehen wollen, wie weit die Abspaltung und Formierung einer anderen, der KO feindlich gesinnten Organisation schon vorangeschritten sind. Ein von uns gewünschter „sauberer Schnitt“ wurde dadurch schon längst zunichte gemacht bzw. kann nur noch in der von uns nun angestrebten Weise vollzogen werden. Die Schuld tragen einzig und allein die Fraktionierer. Das Für und Wider haben wir selbstverständlich abgewogen. Doch weder können wir darauf vertrauen, dass sie den Kongress anerkennen, sollte er nicht in ihrem Sinne entscheiden – was wahrscheinlich ist –, noch würde es sich um eine wirklich demokratische Veranstaltung handeln: Wenn überhaupt eine Mehrheit für die eine oder andere Seite gefunden würde, käme es auf eine einzige Stimme an, vorausgesetzt, dass sich niemand enthält und dass niemand wegen Krankheit o.ä. ausfällt. Es würde sich also mehr oder weniger um Zufall handeln, ob wir nun mit einer Stimme die Mehrheit gewinnen oder die andere Seite in ihrer Fraktionierung aufgrund von Ausfällen eine Absolution erhalten würde. Wir haben uns entschieden, uns nicht auf dieser Farce, die einem Münzwurf gleichkäme, einzulassen. Und schließlich: Anzuerkennen, dass die Fraktionierer mittlerweile eine eigene Organisation sind, bedeutet auch, zu erkennen, dass ein gemeinsamer Kongress mit ihnen kein Mitgliederkongress der KO wäre, sondern das Zusammenkommen zweier Organisationen, von denen zudem die eine (die selbsternannte „revolutionäre Fraktion“) der anderen (die von ihnen als „revisionistisch“ und „rechtsopportunistisch“ bezeichnete KO) feindlich gesonnen ist.

Die Lügen der Fraktionierer

Genauso haben wir unserer Überlegungen als Zentrale Leitung (ZL), die bis dahin noch gar keinen Beschluss dargestellt hatten, am 31. Dezember in die Organisation gegeben, um sie am 2. Januar mit den Genossen kollektiv zu diskutieren. Die Fraktionierer haben selektierte Ausschnitte dieses Schreibens umgehend öffentlich gemacht, um uns zu verleumden. In ihrer Veröffentlichung haben sie nicht nur die Vorgeschichte wieder einmal völlig verdreht, sondern vor allem auch unsere Argumentation verfälscht und unsere Aussagen zurechtgeschnitten. Damit jeder sich selbst ein Bild machen kann, wie diese Leute vorgehen, hängen wir das für die Öffentlichkeit leicht bearbeitete Originalschreiben an.

Besonders absurd ist ihre Behauptung, wir würden diesen Schritt gehen, weil wir damit rechneten, bei einem Kongress, bei dem auch die Fraktionierer anwesend wären, zu verlieren. In Wahrheit können wir – wie auch die Fraktionierer, die einen ebenso guten Überblick über alle formellen Mitglieder haben und ebenso gut rechnen können wie wir – davon ausgehen, eine knappe absolute Mehrheit zu bekommen, selbst wenn der mittlerweile vorgenommene Ausschluss der Köpfe der Fraktion bis dahin per Schiedsspruch rückgängig gemacht würde. Sie dagegen könnten nur gewinnen unter dem Umstand, dass auf unserer Seite Leute ausfallen. Sie tun das selbstverständlich, um sich als die moralischen Sieger darzustellen. In Wahrheit sind sie sehr wahrscheinlich sogar froh, dass wir diesen Schritt getan und wieder einmal – und einmal mehr im Gegensatz zu ihnen – unser Vorgehen transparent gemacht haben, weil wir keine Lust auf Spielchen haben.

Kämpfen ja, Spielchen nein!

Wir gehen, indem wir keinen gemeinsamen Kongress mit den Fraktionierern abhalten, einen richtigen Schritt, der uns zugleich schadet: Nicht nur, weil sie dieses Vorgehen natürlich wieder gegen uns verwenden. Sondern vor allem auch, weil wir ihnen damit zugleich die Online-Pattformen und -Kommunikationskanäle sowie einen Großteil unseres Vermögens überlassen müssen. Allerdings gehen wir davon aus, dass sie sie im Fall ihrer Niederlage auf einem gemeinsamen Kongress ohnehin nicht übergeben hätten. Insofern besteht der Kampf um die KO, den wir uns zur Aufgabe gemacht haben, darin, die besten Köpfe unserer Organisation zu überzeugen, die Deutungshoheit in dieser Auseinandersetzung zwischen Organisation und Fraktion zu gewinnen und uns nach dem Kongress neu zu konstituieren, unsere Strukturen, unsere Kanäle, unsere Reichweite usw. wieder aufzubauen.

Obwohl wir wissen, dass die Fraktionierer die Beschlüsse der gewählten Leitung nicht mehr anerkennen, wurden die Rädelsführer der Fraktion mittlerweile aus der KO ausgeschlossen, womit ihren zahlreichen Statutsbrüchen endlich beigekommen wurde. Damit sind sie auch ganz formal nicht mehr Teil der KO und ihre Fraktion ist ganz formal eine andere Organisation. Des Weiteren hat die Leitung Ausschlussverfahren gegen weitere Genossen eingeleitet, die sie zur Fraktion rechnet. Diese haben jedoch noch die Möglichkeit, sich mittels aufrichtiger und umfassender Selbstkritik von den Fraktionierern loszusagen, um Teil der KO zu bleiben.

Die Realität der Abspaltung anerkennen

Wir wollen darüber informieren, dass und wieso es am kommenden Wochenende zwei getrennte Mitglieder-Kongresse geben wird, nämlich den Kongress der KO und eine Versammlung der Organisation, die aus der ehemaligen Fraktion in der KO hervorgegangen ist. Die Fraktionierer haben am 31. Dezember eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie behaupten, die Leitung der KO werde das höchste Gremium unserer Organisation, nämlich den Mitgliederkongress, nicht mehr anerkennen. Daraus schlussfolgern sie, dass wir eine Abspaltung von der KO vollzogen hätten. Damit stellen sie die Tatsachen wieder einmal auf den Kopf – und verbreiten einmal mehr Unwahrheiten und Lügen.

Wir haben uns entschieden, eine Richtigstellung zu schreiben, obwohl wir grundsätzlich der Meinung sind, dass dieser Kampf nur begrenzt Sinn macht und eigentlich seinen Zenit schon überschritten hat. Auch wenn wir uns vorbehalten müssen, auf weitere Anfeindungen, Verleumdungen und Falschdarstellungen zu reagieren, werden wir versuchen, diese Spielchen soweit wie möglich zu reduzieren bzw. im besten Falle zu beenden und zu den wichtigen politischen Aufgaben, die wir uns gestellt haben, zurückkehren.

Sie haben sich längst abgespalten

Wir haben bereits an anderer Stelle dargelegt, wie ein Teil der KO offen fraktioniert und damit die Spaltung unserer Organisation praktisch vollzogen hat. Fälschlicherweise haben wir längere Zeit an den zu dieser Tatsache im Widerspruch stehenden und damit illusionären Vorstellung festgehalten, dass die Fraktionierer noch immer Teil der KO seien und wir daher eine gemeinsame Vollversammlung abhalten könnten, die als höchstes Organ demokratisch über den weiteren Weg der KO und die Art ihrer Spaltung entscheiden könnte. Die letzten Wochen haben uns eines Besseren (oder Schlechteren) belehrt:

1. haben uns die Diskussionen in der KO immer klarer vor Augen geführt, dass der von der Fraktion forcierte außerordentliche Kongress aufgrund der fraktionierenden Art, wie er beantragt wurde, an sich nicht legitim ist. Denn zum einen war sein Zustandekommen schon das Ergebnis einer Fraktionierung, zum anderen aber – und das nicht sofort erkannt und problematisiert zu haben, wiegt schwer – wurde die Außerordentlichkeit, die die Einberufung eines solchen Kongresses legitimieren würde, nicht begründet. Die Unzufriedenheit mit den Entscheidungen der 4. Vollversammlung oder die Publikationstätigkeit der Leitung begründen nicht diese außerordentliche Situation.

2. hat die Fraktion die Eskalation in den letzten Wochen auf die Spitze getrieben, indem sie die (alte) Website, den YouTube-Kanal, den (alten) Telegram-Kanal sowie interne Kommunikationskanäle gekapert hat.

3. hat sie durch das anhaltende und wiederholte Brechen von Beschlüssen, durch die Etablierung paralleler Strukturen und einer eigenen de facto Leitung sowie der Einberufung von eigenen „bundesweiten“ Treffen, bei denen Genossen, die sich nicht der Fraktion zugehörig fühlen, nicht erwünscht waren und bei Erscheinen derart gegängelt wurden, dass sie das Zusammenkommen schließlich verließen, unter Beweis gestellt, dass sie längst eine eigene, von der KO abgespaltene Organisation sind.

Unsere Schlussfolgerung daraus ist, die von den Fraktionierern geschaffenen Tatsachen zu akzeptieren: Wir sind keine gemeinsame Organisation mehr, so sehr wir auch in den letzten Wochen darauf bestanden haben. Wir haben damit die Realitäten nicht anerkennen und nicht sehen wollen, wie weit die Abspaltung und Formierung einer anderen, der KO feindlich gesinnten Organisation schon vorangeschritten sind. Ein von uns gewünschter „sauberer Schnitt“ wurde dadurch schon längst zunichte gemacht bzw. kann nur noch in der von uns nun angestrebten Weise vollzogen werden. Die Schuld tragen einzig und allein die Fraktionierer. Das Für und Wider haben wir selbstverständlich abgewogen. Doch weder können wir darauf vertrauen, dass sie den Kongress anerkennen, sollte er nicht in ihrem Sinne entscheiden – was wahrscheinlich ist –, noch würde es sich um eine wirklich demokratische Veranstaltung handeln: Wenn überhaupt eine Mehrheit für die eine oder andere Seite gefunden würde, käme es auf eine einzige Stimme an, vorausgesetzt, dass sich niemand enthält und dass niemand wegen Krankheit o.ä. ausfällt. Es würde sich also mehr oder weniger um Zufall handeln, ob wir nun mit einer Stimme die Mehrheit gewinnen oder die andere Seite in ihrer Fraktionierung aufgrund von Ausfällen eine Absolution erhalten würde. Wir haben uns entschieden, uns nicht auf dieser Farce, die einem Münzwurf gleichkäme, einzulassen. Und schließlich: Anzuerkennen, dass die Fraktionierer mittlerweile eine eigene Organisation sind, bedeutet auch, zu erkennen, dass ein gemeinsamer Kongress mit ihnen kein Mitgliederkongress der KO wäre, sondern das Zusammenkommen zweier Organisationen, von denen zudem die eine (die selbsternannte „revolutionäre Fraktion“) der anderen (die von ihnen als „revisionistisch“ und „rechtsopportunistisch“ bezeichnete KO) feindlich gesonnen ist.

Die Lügen der Fraktionierer

Genauso haben wir unserer Überlegungen als Zentrale Leitung (ZL), die bis dahin noch gar keinen Beschluss dargestellt hatten, am 31. Dezember in die Organisation gegeben, um sie am 2. Januar mit den Genossen kollektiv zu diskutieren. Die Fraktionierer haben selektierte Ausschnitte dieses Schreibens umgehend öffentlich gemacht, um uns zu verleumden. In ihrer Veröffentlichung haben sie nicht nur die Vorgeschichte wieder einmal völlig verdreht, sondern vor allem auch unsere Argumentation verfälscht und unsere Aussagen zurechtgeschnitten. Damit jeder sich selbst ein Bild machen kann, wie diese Leute vorgehen, hängen wir das für die Öffentlichkeit leicht bearbeitete Originalschreiben an.

Besonders absurd ist ihre Behauptung, wir würden diesen Schritt gehen, weil wir damit rechneten, bei einem Kongress, bei dem auch die Fraktionierer anwesend wären, zu verlieren. In Wahrheit können wir – wie auch die Fraktionierer, die einen ebenso guten Überblick über alle formellen Mitglieder haben und ebenso gut rechnen können wie wir – davon ausgehen, eine knappe absolute Mehrheit zu bekommen, selbst wenn der mittlerweile vorgenommene Ausschluss der Köpfe der Fraktion bis dahin per Schiedsspruch rückgängig gemacht würde. Sie dagegen könnten nur gewinnen unter dem Umstand, dass auf unserer Seite Leute ausfallen. Sie tun das selbstverständlich, um sich als die moralischen Sieger darzustellen. In Wahrheit sind sie sehr wahrscheinlich sogar froh, dass wir diesen Schritt getan und wieder einmal – und einmal mehr im Gegensatz zu ihnen – unser Vorgehen transparent gemacht haben, weil wir keine Lust auf Spielchen haben.

Kämpfen ja, Spielchen nein!

Wir gehen, indem wir keinen gemeinsamen Kongress mit den Fraktionierern abhalten, einen richtigen Schritt, der uns zugleich schadet: Nicht nur, weil sie dieses Vorgehen natürlich wieder gegen uns verwenden. Sondern vor allem auch, weil wir ihnen damit zugleich die Online-Pattformen und -Kommunikationskanäle sowie einen Großteil unseres Vermögens überlassen müssen. Allerdings gehen wir davon aus, dass sie sie im Fall ihrer Niederlage auf einem gemeinsamen Kongress ohnehin nicht übergeben hätten. Insofern besteht der Kampf um die KO, den wir uns zur Aufgabe gemacht haben, darin, die besten Köpfe unserer Organisation zu überzeugen, die Deutungshoheit in dieser Auseinandersetzung zwischen Organisation und Fraktion zu gewinnen und uns nach dem Kongress neu zu konstituieren, unsere Strukturen, unsere Kanäle, unsere Reichweite usw. wieder aufzubauen.

Obwohl wir wissen, dass die Fraktionierer die Beschlüsse der gewählten Leitung nicht mehr anerkennen, wurden die Rädelsführer der Fraktion mittlerweile aus der KO ausgeschlossen, womit ihren zahlreichen Statutsbrüchen endlich beigekommen wurde. Damit sind sie auch ganz formal nicht mehr Teil der KO und ihre Fraktion ist ganz formal eine andere Organisation. Des Weiteren hat die Leitung Ausschlussverfahren gegen weitere Genossen eingeleitet, die sie zur Fraktion rechnet. Diese haben jedoch noch die Möglichkeit, sich mittels aufrichtiger und umfassender Selbstkritik von den Fraktionierern loszusagen, um Teil der KO zu bleiben.

Kritik an den Anträgen der Fraktion

Von Julius Frater, Milo Barus, Fritzie Stein, Sofia Martel

Hier als PDF

Vor kurzem wurden die Hauptanträge an den außerordentlichen Kongress der KO veröffentlicht, darunter auch die Anträge der Fraktion.[1] Mit einem bereits durchdeklinierten Klärungsplan und einer fertigen Resolution, die nur noch gedruckt werden muss, scheinen sie ein Rundum-Paket zu versprechen. Wenn man die Anträge oberflächlich liest, kann man leicht auf ihr Trugbild hereinfallen. Wir halten es daher für notwendig, die Anträge genauer zu durchleuchten und zu prüfen, ob sie uns voranbringen werden.

Wir werden in unserem Text darstellen,

  1. dass Positionen der Antragssteller gesetzt werden, die sich so nicht mit dem Diskussionsstand der KO decken.
  2. dass der Antrag zur Klärung in sich widersprüchlich ist und den Bezug zu den Klassikern nicht ernst nimmt.
  3. dass die Verortung in der Bewegung dem Selbstverständnis der KO widerspricht.
  4. dass uns die Resolution nicht handlungsfähiger machen wird.
  5. dass die ideologische Schulung aller Genossen der KO im Sinne der Kaderentwicklung nicht weiterverfolgt wird.

Wie hält es die Fraktion mit der weiteren Klärung?

Die Frage, wie die Atomisierung der Internationalen Kommunistischen Bewegung (IKB) überwunden werden kann und was für Ansprüche daraus für den Kommunistischen Klärungsprozess abzuleiten sind, ist Gegenstand von Diskussion und Uneinigkeit in unserer Organisation. Eine kollektive, selbstkritische Auswertung der bisherigen Arbeit und ein daraus abgeleitetes Selbstverständnis des Klärungsprozesses ist eine wichtige Voraussetzung, um die Arbeit der KO fortzusetzen. Der Antrag zur weiteren Klärung verzichtet allerdings auf diesen notwendigen Schritt. Im Folgenden werden wir darstellen, dass die Vorstellungen der Antragsteller vom Klärungsprozess weder so klar auf dem Boden des Marxismus-Leninismus stehen, wie sie selbst behaupten, noch frei von Widersprüchen sind.

Die Fraktion äußert immer wieder, dass sie selbstverständlich klären wolle, dass natürlich auch die Weltsystem-Theorie falsch sein könne und die Programmatischen Thesen komplett umgeschrieben werden könnten. Doch der Klärungsplan lässt uns daran zweifeln, dass solch ein offenes Herangehen an den Tag gelegt wird, denn die wirklich umstrittenen Fragen der IKB und der KO finden sich darin nur mangelhaft wieder:

Eine der Hauptfragen, die im letzten Jahr aufgekommen ist, ist die Frage nach unterdrückten und unterdrückenden Staaten. Es gibt Teile der IKB und KO, die in Russland einen Kampf zwischen einer national orientierten Bourgeoisie und einer Kompradoren-Bourgeoisie, die am westlichen Imperialismus orientiert ist, sehen. Hier eröffnet sich die Frage, ob wir es auch heute noch mit einer Unterdrückung von Ländern, nach Lenin wesentlich für den Imperialismus[2], zu tun haben oder nicht. Bevor man also eine tatsächlich umfassend richtige Antwort auf die Einschätzung des Krieges geben kann, muss man sich dieser Untersuchung stellen. Dies sehen die Antragssteller anders. Sie stellen die Auseinandersetzung mit der Frage der Unterdrückung ganz ans Ende, nämlich in die Phase 5. Die Resolution zum Ukraine-Krieg soll jedoch schon nach Phase 3 überprüft werden, anhand der bis dato erarbeiteten Ergebnisse. Ein wesentlicher Dissens in der Einschätzung um den Krieg wird also formal zeitlich ausgeklammert.

Andere wichtige Themen werden gar nicht weiter behandelt: So die von der TKP formulierte These, dass die Stellung der Staaten im Imperialismus selbstverständlich nicht nur ökonomisch, sondern auch militärisch, politisch, kulturell und ideologisch untersucht werden muss. Oder auch die Faschismus-Thematik, die in der Resolution mit der Frage aufgeworfen wird, welche „Implikationen für die Strategie und Taktik der Arbeiterklasse [es] hat, […] wenn in einem Land der Faschismus an der Macht ist?“ (Resolution, S. 5), die offensichtlich eine Rolle in Phase 3 spielen muss, aber gar nicht im Klärungs-Vorhaben auftaucht. Dabei ist es u.a. die Frage des Faschismus, die einen wichtigen Teil des Dissens in der KO und der gesamten IKB ausmacht (z.B. in den Diskussionen der RKAP und KKE).

Dass die Anträge nicht nur dem Mangel unterliegen, wesentliche Fragen auszuklammern, sondern auch eigene Positionen der Antragssteller setzen, wollen wir im Folgenden darstellen. Die Resolution stellt die Frage „Hat sich der Monopolkapitalismus als bestimmende Wirtschaftsform in allen kapitalistischen Ländern durchgesetzt?“ (Resolution S. 5), die auch im letzten halben Jahr immer wieder aufgekommen ist. Der Klärungsantrag organisiert jedoch keine Untersuchung dieser offenen Frage, sondern beantwortet sie direkt: In einer Bildungseinheit soll nachvollzogen, nicht überprüft, werden, dass alle Länder von monopolkapitalistischen Verhältnissen geprägt seien (Klärungsantrag, Z. 189f). Es ist offensichtlich, dass der Klärungsantrag diese wohl nur zum Schein in der Resolution aufgeworfene Frage im Sinne der Antragsteller beantwortet.

Ein anderes Beispiel, welches eine bestimmte Interpretation deutlich nahelegt, diese aber, wohl um den Schein der Unbefangenheit zu wahren, nur implizit formuliert: In der Untersuchung sollen auch Staaten wie die USA und China berücksichtigt werden, „die die Dynamik der imperialistischen Hierarchie maßgeblich prägen“ (Klärungsantrag, 255f). In den Programmatischen Thesen werden als künftige Untersuchungen u.a. die kapitalistischen Entwicklung Chinas und dessen Einbindung ins imperialistische Weltsystem festgehalten. Diese Untersuchungen scheinen jedoch nicht mehr nötig zu sein, denn die Fraktion weiß bereits, so legt es jedenfalls die Formulierung nahe, dass China neben den USA zu den wichtigsten imperialistischen Akteuren zählt. Um es klar zu sagen: Dies ist eine persönliche Einschätzung der Antragssteller, die hier als Aussage gesetzt und nicht als Frage formuliert wird.

Wir gehen weiter zum Klärungsverständnis, das die Antragssteller in ihrem Antrag zur Klärung darlegen: Es wird an verschiedenen Stellen im Antrag zur Klärung angeschnitten. In Zeile 10f. heißt es dazu: „Klärung ist die Einheit aus Bildung und Forschung mit dem Ziel kollektiver ideologischer Klarheit“, während es in Zeile 111 ff. heißt: „Eine kollektive Positionierung ist die Grundlage für wissenschaftliche Klärung, die durch gemeinsame wissenschaftliche Arbeit und politische Praxis die Positionierung als Ausgangspunkt (Thesen) überprüft und auf eine höhere Stufe der neuen kollektiven Positionierung führt. Klärung bedeutet Überprüfung der Ausgangsthesen inklusive ihrer Herleitung. “ In Zeile 151 ff. wird der Klärungsprozess folgendermaßen charakterisiert: „Der kommunistische Klärungsprozess ist die organisierte und schrittweise Annäherung an die Wahrheit, also die richtige theoretische Widerspiegelung der Welt in ihrer widersprüchlichen Bewegung.

Einerseits verstehen die Autoren unter Klärung also die Einheit aus Bildung und Forschung, andererseits bedeutet Klärung die eigene Position durch wissenschaftliche Arbeit und politische Praxis zu verbessern und schließlich ist Klärung die korrekte „Widerspiegelung der Welt in ihrer widersprüchlichen Bewegung“, also der dialektische Materialismus schlechthin, dessen Anwendung wir ja gerade erst begreifen wollen. Das bestätigen auch die Antragsteller. Schließlich schlägt auch der Plan zur weiteren Klärung vor, sich zunächst die Grundlagen des dialektischen Materialismus zu erarbeiten. Es stellt sich die Frage, von welchem Ausgangspunkt die Klärung ausgehen soll. Schließlich betonen die Autoren, dass eine Positionierung „die Grundlage für wissenschaftliche Klärung“ sei. In Zeile 138 ff. gibt der Antrag zur weiteren Klärung einen Hinweis darauf: „Wir haben die eigenen Thesen der KO nicht als Ausgangspunkt gesetzt; wir haben nicht darum gerungen, ein kollektives Verständnis von Lenins Imperialismusverständnis zu entwickeln, sondern sind direkt in die Weiterentwicklung bzw. Revision des Imperialismusverständnisses durch heutige Parteien eingestiegen. […] Diesen Fehler […] dürfen wir nicht wiederholen“.

In Zeile 175 ff. heißt es weiter: „Die zu klärenden Fragestellungen leiten wir also von den programmatischen Thesen und dem Selbstverständnis als unserer Ausgangsgrundlage (sic) ab. Mit der Resolution wollen wir außerdem als Ausgangspunkt für die Klärung dieser Legislatur diese Grundlage als Grundlage bestätigen und ihre Anwendung auf den Krieg formulieren.“

Die Autoren schlagen also vor als Ausgangspunkt der Klärung die Programmatischen Thesen und das Selbstverständnis[3] zu setzen, welche durch die Resolution „präzisiert“ werden. Gleichzeitig schlagen sie aber vor, das Imperialismus-Verständnis von Lenin als Ausgangspunkt zu wählen und ausdrücklich nicht mit der „Weiterentwicklung bzw. Revision des [Leninschen] Imperialismusverständnisses durch heutige Parteien“ zu beginnen. Allerdings wird dieses Vorhaben durch mehrere Widersprüche in den oben zitierten Aussagen der Autoren in Zweifel gezogen. Schließlich sollen als „Ausgangsgrundlage“ der Klärung nicht einfach die Klassiker, sondern die Programmatischen Thesen, das Selbstverständnis und die Resolution gesetzt werden. Da die Autoren gleichzeitig beteuern, nicht mit einer „Weiterentwicklung bzw. Revision“ der Klassiker beginnen zu wollen, müssen die Programmatischen Thesen, das Selbstverständnis und die Resolution also übergangslos an Marx, Engels, Lenin und Stalin anknüpfen, ohne sie zu ergänzen, weiterzuentwickeln, geschweige denn einer Revision zu unterziehen. Doch wie die Genossen Bamen, Stiehler, Oswald, und Bina beschrieben haben unterscheiden sich die in der Resolution, aber auch in anderen Beiträgen der Fraktion dargestellten Positionen deutlich von den Aussagen der Klassiker. Auch die Autoren erkennen den „provisorischen und mangelhaften“ (Klärungsantrag, Z. 95f) Charakter der Programmatischen Thesen an, beteuern aber wenige Zeilen weiter, dass die Klärung von „verbindlichen marxistisch-leninistischen Grundpositionen“ (Klärungsantrag, Z. 104) ausgehen müsse. Um den Widerspruch aufzulösen, müssten also – wie oben beschrieben – die Aussagen aus den Programmatischen Thesen, dem Selbstverständnis und der Resolution identisch mit den Klassikern sein. Da die Autoren dies sogar selbst anzweifeln, wird der Widerspruch auch aus ihrer Sicht nicht aufgehoben.

Vielmehr vertieft sich dieser Widerspruch in Anbetracht der Tatsache, dass die Autoren – sowie auch andere Mitstreiter der Fraktion – die Imperialismus-Vorstellungen der KKE zum Ausgangspunkt der Klärung machen wollen, welche eine ebensolche „Weiterentwicklung“ und vielleicht sogar „Revision“ des Marxismus-Leninismus darstellt. Deutlich wird der Bezug der Autoren zur KKE unter anderem in Zeile 191 ff., wo es heißt: „Außerdem ist davon auszugehen, dass in den meisten Ländern der Welt Monopole bestimmend sind oder zumindest eine wichtige Rolle spielen. Es gibt zwar einige Gebiete wie Palästina oder die Westsahara, für die diese Frage offen ist, zu untersuchen ist jedoch zunächst das für die Epoche Wesentliche.“ Da offensichtlich nicht zur Debatte steht, ob Palästina oder die Westsahara Länder sind, die innerhalb der imperialistischen Epoche des Kapitalismus existieren, kann sich hier nur die implizite Aussage rauslesen lassen, dass die meisten Länder der Welt imperialistisch sind. Es soll vordergründig also nicht von den Klassikern ausgegangen werden und anhand ihrer Aussagen die Programmatischen Thesen, das Selbstverständnis, die Resolution oder die Positionen der KKE geprüft werden. Stattdessen wird die Vorstellung eines „imperialistischen Weltsystems“ als gesetzt betrachtet. In der Klärung sollen lediglich der „Rang eines Landes in der imperialistischen Hierarchie“ (Z. 235f) bestimmt und „die ungleichen wechselseitigen Abhängigkeiten […] für Fälle von Ländern in der Mitte und am unteren Ende der imperialistischen Hierarchie exemplarisch ausgearbeitet werden.“ (Z. 245 ff.)

Nachdem wir einleitend einen Blick auf das von den Autoren formulierte Verständnis von Klärung geworfen haben, wollen wir – der obigen Widersprüche zum Trotz – einen Blick darauf werfen, wie das formulierte Klärungsverständnis, als Prozess der korrekten „Widerspiegelung der Welt in ihrer widersprüchlichen Bewegung“ (Z. 152f) konkret umgesetzt wird. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht wie sich die Autoren die Auseinandersetzung mit den Klassikern vorstellen. Hierzu heißt es in Zeile 64 ff.: „Den Schritt der Begriffsbildung werden wir also nicht selbst nochmal von vorne machen, sondern gehen von der Begriffsbildung unserer Klassiker aus.“ Weiter heißt es: „Natürlich bedeutet das nicht, dass wir die Begriffe der Klassiker nicht auch anpassen müssen – allerdings kann das in unserer Verfasstheit nicht das Ziel der Klärung im nächsten Jahr sein, sondern ein mittel- und langfristiges Ziel kommunistischer Forschung.“ (Z. 72 ff)

Hier verschafft sich das berechtigte Bedürfnis Ausdruck, die Klassiker und ihre Begriffe an den Anfang der Klärung zu stellen. Allerdings soll die Auseinandersetzung mit den Klassikern lediglich Bildungscharakter haben. Es wird also nicht anerkannt, dass auch das Verständnis der Begriffe der Klassiker selbst Gegenstand von Auseinandersetzung um die richtige Deutung ist, welche ein gewisses Maß an Wissenschaftlichkeit voraussetzt. Zum anderen wird deutlich gemacht, dass die Begriffe der Klassiker in absehbarer Zeit nicht angepasst werden können und damit auch nicht auf den gegenwärtigen Entwicklungsstand des Kapitalismus angepasst werden können. Einerseits erscheint dies in Anbetracht der bereits vollzogenen „Weiterentwicklung“ der Autoren (siehe oben) widersprüchlich, andererseits wird durch die Feststellung, dass die Begriffe der Klassiker zunächst nicht angepasst werden können der von den Autoren ausgearbeitete Klärungsplan prinzipiell infrage gestellt. Schließlich ist doch die Auseinandersetzung um den Imperialismus eine Auseinandersetzung darum, wie wir die Begriffe der Klassiker auf die aktuellen Entwicklungen des Kapitalismus anzuwenden haben! Deutlich wird dieser Widerspruch erneut in Zeile 208 ff.: „Das Wesen der Monopole und ihr Verhältnis zum Staat wollen wir konkret untersuchen: am Beispiel des deutschen und russischen Staats. […] In diesem Zusammenhang sollte auch eine konkretere Bestimmung des Finanzkapitals und Kapitalexports erfolgen.“ Es stellt sich mit Nachdruck die Frage wie eine für die heutige Zeit gültige Bestimmung des Monopols, des Finanzkapitals und des Kapitalexports ohne die Anpassung der Leninschen Begriffe auf Heute möglich ist. Schließlich wird durch das vorgeschlagene Vorgehen der Autoren, die Begriffe der Klassiker erst nach der Klärung der Imperialismus-Frage an die heutige Zeit anzupassen, auch das Verständnis, das die Autoren vom Klärungsprozess darlegen, infrage gestellt. Denn wie kann die Welt in ihrer widersprüchlichen Bewegung korrekt widergespiegelt werden, wenn mit Begriffen gearbeitet wird, die wir nicht ins Verhältnis zu dieser Welt setzen?

Die Leitung unserer AG Politische Ökonomie, die sich unter anderem mit dem Imperialismus beschäftigt, hatte sich auf unserer letzten Vollversammlung selbstkritisch damit auseinandergesetzt, dass der Dissens innerhalb der IKB und in der Folge auch in der KO, von der AG Leitung nicht ausreichend durchdrungen und entsprechend nicht vorhergesehen wurde. Dabei wurde festgehalten, dass besonders die Übertragung der Begriffe der Klassiker in die heutige Zeit ein großer Mangel sei.

Es wurde also festgehalten, dass genau das Problem, das die Autoren des „Klärungsantrags“ zunächst nicht lösen wollen, eine wichtige Ursache dafür war, dass wir unsere Klärung nicht in ein produktives Verhältnis zur IKB setzen konnten. Es erscheint naheliegend, zunächst zu untersuchen, welche Unternehmen wir nach Lenins Definition heute als Monopole betrachten können, wie wir das Finanzkapital heute verstehen müssen und welche Rolle der Kapitalexport heute spielt. Warum die Autoren diesen Schritt nicht an den Anfang setzen, könnte damit zu tun haben, dass sie bereits andere Begriffe entwickelt haben, die dem marxistisch-leninistischen Verständnis widersprechen.

Wie hält es die Fraktion mit der Verortung in der IKB?

In der genannten Reflexion der Leitung der AG Politische Ökonomie wurde auch eine selbstkritische Auswertung zum Verhältnis zur IKB vorgenommen. Es wurde erkannt, dass man sich nicht ausreichend mit der IKB beschäftigt hatte und die in der AG bearbeiteten Dissense dementsprechend nicht ausreichend zu ihr ins Verhältnis gesetzt hatte. Es drängt sich die Frage auf, wie das in Anbetracht der Tatsache, dass wir als Selbstkritik der Bewegung einen Klärungsprozess organisieren wollten, passieren konnte. Das wird Teil der im Leitantrag vorgesehenen Reflektion unseres bisherigen Prozesses sein müssen. Es kann aber festgehalten werden, dass Positionen der KKE von der KO teils sehr unkritisch übernommen wurden, so auch die des „imperialistischen Weltsystems“. Das, sowie die bisher unterentwickelte Wissenschaftlichkeit führte zu einer oft eher oberflächlichen Bearbeitung der Dissense in den AGs. Es gab eine Tendenz zur Bestätigung angenommener Positionen, statt der wirklichen wissenschaftlichen Überprüfung. Viele Fragen, die für einen bedeutenden Teil der IKB relevant sind, nicht ausreichend oder gar nicht bearbeitet. Folglich war es nicht möglich die Auseinandersetzungen, die in der IKB geführt wurden, zu durchdringen. Das heißt selbstverständlich nicht, dass die Positionen der KKE deshalb falsch sind, wir sollten sie kritisch prüfen und wo nötig kritisieren. Entscheidend ist aber, dass wir nicht davon ausgehen können, dass alle kommunistischen Parteien, die ihre Kämpfe auf Grundlage sehr unterschiedlicher Voraussetzungen führen und von den Positionen der KKE abweichen, falsch sind und eine intensive Beschäftigung mit ihnen nicht nötig ist. Der Beschluss der vierten Vollversammlung zur Klärung der Kriegs- und Imperialismusfrage unter Einbeziehung der Bewegung war eine Konsequenz aus der offensichtlich fehlenden Durchdringung des Dissens.

Wir sollten uns vor Selbstüberschätzung hüten und nicht so tun, als hätten wir die revolutionäre Strategie und Taktik bereits ergründet, den revolutionären Standpunkt in der IKB erkannt, oder schon verstanden, was es bedeutet den wissenschaftlichen Kommunismus anzuwenden. Folglich sollten wir nicht behaupten, die Imperialismus- und Kriegs-Frage bereits in allen Facetten verstanden, geschweige denn geklärt zu haben. Denn wir stehen nicht außerhalb der Kommunistischen Bewegung und ihrer Krise.

Auch wenn in den öffentlichen Anträgen die Fokussierung auf einen bestimmten Teil der IKB eher indirekt deutlich wird (s.o. in Bezug auf die Klärung), so wird doch in anderen veröffentlichten Dokumenten sehr klar von einem „revolutionären Pol“[4] gesprochen, auf den man sich beziehen müsste. Das steht in Widerspruch dazu, „den Dissens in der KO und der kommunistischen Bewegung darzulegen, zu durchdringen und in eine Klärung zu überführen“[5] – denn wie kann das funktionieren, wenn man einen großen Teil der Bewegung von vorneherein ausschließt?

Die Fraktion möchte gerade nicht in die Auseinandersetzung mit verschiedenen vorhanden Positionen und Parteien der IKB gehen, sondern nur mit einem Pol. Wir sehen unser Vorgehen im letzten halben Jahr als sinnvoll an, nämlich dahingehend, sich mit unterschiedlichen Positionen auseinanderzusetzen, um zu begreifen, welche Begründungen Parteien dafür anführen, um so auf wichtige Fragen zu stoßen. Die Untersuchung der INITIATIVE-Parteien, die an anderer Stelle vorgenommen wurde,[6] hat gezeigt, dass gerade Parteien aus der Kriegs-Region Interessensüberschneidungen zwischen der Arbeiterklasse und dem Vorgehen Russlands in der Ukraine bejahen. Diese Auseinandersetzungen brauchen wir zwingend, um die Thematik einordnen zu können und zu verstehen, was Faschismus an der Macht bedeutet, ob das in der Ukraine der Fall ist und was man daraus für Strategie und Taktik ableitet.

Das Niveau der öffentlich einsehbaren Teile der Diskussionen in der IKB ist auf einem niedrigen Stand, Auseinandersetzungen werden oft polemisch und unwissenschaftlich geführt und Standpunkte meist unzureichend oder überhaupt nicht begründet. Das spiegelt sich auch in unserer Auseinandersetzung wider. Organisationen, die von sich behaupten, revolutionäre Positionen zu vertreten, gibt es genug. Dass sich diese vermeintlich revolutionären Positionen oft diametral widersprechen und es wenig Bereitschaft gibt, die eigenen Positionen kritisch zu hinterfragen ist ein wesentliches Merkmal der Krise der Bewegung. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, eine wissenschaftliche Klärung zu organisieren und die Auseinandersetzung in der IKB vehement einzufordern sowie dazu beizutragen, dass diese ehrlicher, disziplinierter und offener wird. Unsere Rolle ist es hier mit gutem Beispiel voranzugehen indem wir unsere eigenen Positionen, aber auch die der IKB, einer schonungslosen Kritik unterziehen. Das ist die Existenzberechtigung der KO!

Wie hält es die Fraktion mit Handlungsfähigkeit und Positionierung?

In der Resolution heißt es, dass uns eine Nicht-Positionierung, in dem Sinne, dass wir nichts zum angeblich zwischen-imperialistischen Charakter des Krieges sagen könnten, handlungsunfähig mache. Dieser Argumentation können wir nicht folgen. Glauben wir ernsthaft, dass wir der Arbeiterklasse Orientierung auf Grundlage umstrittener, thesenhafter Positionen geben können, die wir eigentlich noch prüfen müssen? Insgesamt steht dahinter wohl die Vorstellung, dass die entsprechenden Positionen schon der revolutionären Strategie und Taktik entsprechen, auf deren Grundlage die Arbeiterklasse nun angeleitet werden müsse. In der Selbstverständnisdiskussion wurde aber reflektiert, dass wir noch nicht an dem Punkt sind, die Massen anleiten zu können, sondern Massenarbeit momentan eher zur Entwicklung der Genossen dienen kann. Und zwar, weil wir noch keinen ernsthaften Zugang zu den Massen haben und für ihre Anleitung fehlen uns die Erfahrungen, Strukturen, die quantitative Größe, das revolutionäre Programm – kurzum die Kommunistische Partei!

Auf wen wirken wir aber momentan, wer verfolgt unsere Entwicklung? Vorrangig Teile der kommunistischen Bewegung, sowie der Friedens- und linken Bewegung. Diese brauchen keine weitere Positionierung, die auf unausgegorenen Überlegungen beruht, sondern eine ernsthafte Ausarbeitung der mit dem Krieg zusammenhängenden Fragen, die sie auch mit den Fragen abholt, die sie sich selbst stellen und sie so in diesen Prozess mit einbezieht. Wir haben im letzten Jahr die Erfahrung gemacht, dass es gerade die Ehrlichkeit war, mit der wir anderen Kräften aus der Bewegung, aber auch normalen Leuten auf der Straße begegnet sind, die uns glaubhaft und interessant gemacht hat. Wir waren nämlich nicht die x-te K-Gruppe, die den Leuten erklären wollte, wie es aussieht, sondern sind offen damit umgegangen, was wir wissen und was nicht und haben die Leute so mit Argumenten herausgefordert. Insofern halten wir das Spannungsfeld zwischen Klärung und Positionierung, dass der Leitantrag formuliert, für äußerst produktiv.

Wie hält es die Fraktion mit unserer Entwicklung?

Eine wesentliche Diskussion zum Selbstverständnis war die zur Kaderentwicklung. Wir hielten in unserem Selbstverständnis fest, dass diese eine unserer zentralen Aufgaben ist: uns dahin zu entwickeln, unsere Aufgaben und damit die der Kommunistischen Bewegung auf politisch-ideologischer Ebene möglichst gut zu durchdringen. Wir sahen es als notwendig an, uns von solchen Organisationen zu unterscheiden, in denen die politische Richtung der Organisation von einem Großteil der Mitgliederbasis gar nicht durchdrungen wird, sondern diese nur einem kleinen Führungskreis folgt. Wir sahen, dass es, um die Krise der Kommunistischen Bewegung zu überwinden, nicht reichen kann, eine kleine Gruppe an geschulten Genossen zu haben und eine Mehrheit, die deren Aussagen folgen. Das nicht zu sein setzt also eine gute Schulung der eigenen Mitglieder voraus. Eine, die es ermöglicht auch die Abgrenzung zu bestimmten Positionen eigenständig zu durchdringen und inhaltlich argumentieren zu können.  

Unser gemeinsamer Stand zur letzten Vollversammlung, auf der wir das Selbstverständnis beschlossen, war also der folgende: Wir müssen unsere Kraft in die Entwicklung und Schulung von uns selbst stecken, denn wir sind es, die einen Weg aus der Krise der Bewegung aufzeigen wollen. Wir wollen im Folgenden diesbezüglich einen Blick auf die Anträge der Fraktion werfen. Werden sie unserem Ziel gerecht, ideologisch geschulte Mitglieder aufzubauen?

Im Klärungsantrag der Fraktion steht: „Kollektive Forschung soll nicht bedeuten, dass alle Genossen an der Forschung beteiligt sein müssen. Vielmehr müssen alle in die Lage versetzt werden, kollektive Forschungsergebnisse nachvollziehen, überprüfen und kritisieren zu können.“ (Z. 80f)

Die Genossen, die nicht direkt an der Forschung beteiligt sind, sollen also die Forschungsergebnisse nachvollziehen, überprüfen und kritisieren können. Überprüfen heißt festzustellen, ob eine Untersuchung richtig oder falsch ist. Dies setzt ein hohes Maß an ideologischer Durchdringung der Thematik voraus. Ein wichtiger Bestandteil davon ist die Fähigkeit, den wissenschaftlichen Sozialismus richtig anzuwenden. Unsere These ist, dass die Genossen der KO mit dem vorgelegten Plan zur Klärung nicht dazu befähigt werden, die Forschungsergebnisse überprüfen zu können, sondern höchstens nachzuvollziehen.

Es steht außer Frage, dass die Beschäftigung mit der Anwendung des wissenschaftlichen Sozialismus eins unserer Kerngeschäfte in der Klärung sein muss. Schließlich besteht das Problem in der Krise der Bewegung nicht darin, dass sich keine Partei auf unsere Klassiker bezieht, sondern dass das alle tun und bei unterschiedlichen Ergebnissen rauskommen. Es besteht eine allgemeine Unklarheit in der richtigen Anwendung der Theorien der Klassiker, in der Anwendung des wissenschaftlichen Sozialismus auf unsere heutige Zeit. Auch wir selbst sind durch diesen Mangel gekennzeichnet, wie das letzte halbe Jahr klar gezeigt hat: Obwohl alle Genossen die Imperialismus-Schrift von Lenin gelesen haben, kommen wir zu unterschiedlichen Einschätzungen darüber, was die Wesensmerkmale im Imperialismus nach Lenin sind (Stichwort: unterdrückte und unterdrückende Staaten). Die Auseinandersetzung mit unseren Klassikern, die Einordnung ihrer Theorien in den historisch-spezifischen Kontext und der dadurch entstehende Lernprozess der Anwendung ihrer Theorien auf die heutige Zeit sollte also ein zentraler Bestandteil der Klärung sein. Dies ist eine wichtige Erkenntnis, die wir aus dem letzten halben Jahr mitnehmen sollten. Stattdessen schlägt die Fraktion vor, diese Fragen als Bildungsfragen zu begreifen. Es sollen Bildungseinheiten anhand unserer Grundlagenschulung und unserer Grundannahmen stattfinden. Nun ist es aber so, dass beide Werke das Ergebnis der Arbeit weniger Genossen sind. Ein Mangel der Grundannahmen ist, dass die Werke der Klassiker oftmals nicht in den historisch spezifischen Kontext gesetzt werden, sondern eher wie eine Zitatesammlung daherkommen. Es müssten also erst alle Genossen in der Lage sein, zu prüfen, ob die Grundlagenschulung auch tatsächlich richtig ist. Doch mit der Grundlagenschulung soll laut Fraktions-Antrag im ersten Schritt die nötige Bildung durchgeführt werden, um Genossen in die Lage zu versetzen, wissenschaftliche Ergebnisse prüfen zu können. Man sieht, dass sich die Katze hier in den Schwanz beißt. Folglich halten wir fest: die Bildungsarbeit, die im Antrag der Fraktion vorgeschlagen wird, wird die Genossen höchstens dazu befähigen, künftige Forschungsergebnisse nachvollziehen zu können, zu mehr jedoch nicht.

Die darin geäußerte Vorstellung entspricht also nicht unserer beschlossenen Vorstellung von Kaderentwicklung. Das scheint auch gar nicht mehr das Ziel zu sein, wird in der Resolution doch eine starke Diskrepanz der Mitglieder, schon allein im Nachvollziehen von Positionen der Organisation, als unvermeidbar festgehalten (vgl. Resolution S.6).

Dies reiht sich ein in den von der Fraktion gewünschten Umgang mit den Programmatischen Thesen. Diese wurden in einem sehr kurzen Zeitraum erstellt und seitdem nicht grundlegend überprüft. Die Programmatischen Thesen waren ein wichtiger Startpunkt für das Vorhaben der KO, sie haben einen Rahmen geboten und stellten eine Verortung in der Bewegung dar. Dennoch sind gerade im letzten halben Jahr sehr viele Leerstellen und Fragen an den Thesen aufgekommen, indem wir uns als GO in die umfassendere Auseinandersetzung mit der Imperialismus-Frage begeben haben und in direkten Austausch mit unterschiedlichen Parteien gekommen sind (DKP, SKP, RKAP etc.). und uns vertieft mit dem Imperialismus-Verständnis von KKE, TKP, KPRF, PCM etc. beschäftigt haben. In diesem Prozess stellte sich heraus, „dass es kein einheitliches Verständnis der Bewegungsgesetze des Kapitalismus und des wissenschaftlichen Arbeitens gab.“ (Klärungsantrag Z. 135f.) Die Fraktion sieht diesen Erkenntnisprozess scheinbar als schlecht an, in unseren Augen ist dieser jedoch sehr gut! Es ist gut, dass uns einer unserer großen Mängel bewusst geworden ist. Es ist sicherlich nicht der einzige Mangel, schließlich sind wir durch die Mängel der IKB geprägt, wie wir im Selbstverständnis festgehalten haben. Wir müssen daran ansetzen und uns kollektiv weiterentwickeln, nicht aber einige „Köpfe“ herausbilden, von denen die restliche Organisation dann abschreibt; die Kaderentwicklung bleibt sonst auf der Strecke.

Abschließende Bemerkungen

Abschließend wollen wir betonen, dass die KO schon immer von Mängeln geprägt war, welche immer wieder in kollektiver Reflexion festgestellt werden mussten, um die Potentiale und Ziele mit neuen Plänen in Einklang zu bringen. Zuletzt haben wir diesen Prozess mit der Erarbeitung des Selbstverständnis durchlaufen. Unsere Probleme sind natürlich auch Ausdruck struktureller Mängel, aber zentral ist, dass wir selbst uns als Kommunisten entwickeln müssen, um diese Probleme zu lösen. Schließlich sind unsere Strukturen auch Ausdruck unseres kollektiven Entwicklungsstandes und damit Ausdruck der Bereitschaft und der Fähigkeiten jedes einzelnen Genossen. Wie wir herausgearbeitet haben, wird es im Vorgehen der Fraktion nicht darum gehen, dass alle Genossen Teil der Klärung sind und sich die Fähigkeit aneignen, die Forschungsergebnisse von führenden Genossen überprüfen und kritisieren und damit den Kurs der KO mitbestimmen zu können. Mit der Entwicklung aller Genossen zu ideologisch gut geschulten Kommunisten wird leider an genau der falschen Stelle gespart. Damit wird die bisherige Schwäche eines kleinen ideologischen Führerkreises und einer dem nur folgenden Mehrheit, vertieft.

Wir haben gesehen, dass die Anträge der Fraktion versuchen, unsere Mängel alle auf einen Streich zu lösen, aber nicht auf Grundlage einer kollektiven Reflexion, nicht, indem unsere Mängel ins Verhältnis zu unseren Kapazitäten und Zielen gesetzt werden, sondern indem angeblich in halsbrecherischem Tempo die Klärung umgesetzt werden soll. Damit werden jedoch die bestehenden Probleme zementiert und Klärung de facto zu einem Prozess der Selbstvergewisserung und Abgrenzung werden. Das alles scheint uns kein Zufall zu sein, sondern ein bewusster Versuch, die Organisation mit einem „fertigen“ Plan zu täuschen, der den Klärungsprozess und Parteiaufbau viel einfacher aussehen lässt, als er tatsächlich sein wird. Sie geben nur vor, den weitreichenden Dissens in der Organisation bearbeiten zu wollen, verhindern aber gezielt dessen Klärung, um am Ende bei der gewünschten Haltung rauszukommen.

Wie wir gezeigt haben, negieren die Anträge die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der gesamten IKB. Durch die Ignoranz, die sie dem Dissens gegenüber bringen und der Zuordnung zu einem sogenannten „revolutionären Pol“, also der Einteilung der IKB in zwei sich gegenüberstehende Pole, zementieren sie die Zersplitterung der Bewegung. Wir sehen die Auswirkung dieses spalterischen Wirkens gerade ganz praktisch in unserer Organisation. Dem Anspruch der Überwindung der Krise durch die ernsthafte Beschäftigung mit den Dissensen in der Bewegung werden sie somit nicht gerecht. Sogar noch weniger, sie fügen diesem Vorhaben in ihrem jetzigen konkreten Handeln Schaden zu.


[1] Die Anträge finden sicher hier : https://kommunistische-organisation.de/allgemein/die-ko-wurde-gespalten-wer-behaelt-den-namen/ siehe unten → Antrag der Minderheit zur Klärung der Imperialismus-Frage + Resolution

[2] Diesen Zusammenhang stellt Lenin in Seiner Imperialismusschrift, aber auch in anderen Schriften her. Hier ein Beispielhaftes Zitat: „Ein Häuflein reicher Länder – es gibt ihrer im ganzen vier, wenn man selbständigen und wirklich riesengroßen „modernen“ Reichtum im Auge hat: England, Frankreich, die Vereinigten Staaten und Deutschland – , dieses Häuflein Länder hat Monopole in unermeßlichen Ausmaßen entwickelt, bezieht einen Extraprofit in Höhe von Hunderten Millionen, wenn nicht von Milliarden, saugt die anderen Länder, deren Bevölkerung nach Hunderten und aber Hunderten Millionen zählt, erbarmungslos aus und kämpft untereinander um die Teilung der besonders üppigen, besonders fetten, besonders bequemen Beute. Eben darin besteht das ökonomische und politische Wesen des Imperialismus, dessen überaus tiefe Widersprüche Kautsky nicht aufdeckt, sondern vertuscht.“ [Lenin Werke Band 23, S. 112]

[3] Das Selbstverständnis der KO wurde auf der 4. Vollversammlung 2022 beschlossen, nachdem wir im Jahr davor ausführlich darum diskutieren, es ist allerdings bisher unveröffentlicht, weshalb hier keine direkten Zitate angeführt werden, sondern nur Bezüge zur Diskussion darum hergestellt werden.

[4] Z.B. in der „Richtigstellung“ https://kommunistische.org/allgemein/richtigstellung-zur-veroeffentlichung-die-ko-wurde-gespalten-wer-behaelt-den-namen/

[5] https://kommunistische-organisation.de/allgemein/beschluss-zur-klaerung-der-imperialismus-und-kriegsfrage/

[6] https://kommunistische-organisation.de/allgemein/die-beiden-teile-der-ko-und-ihr-verhaeltnis-zur-kommunistischen-bewegung/

Kritik an den Anträgen der Fraktion

Von Julius Frater, Milo Barus, Fritzie Stein, Sofia Martel

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Vor kurzem wurden die Hauptanträge an den außerordentlichen Kongress der KO veröffentlicht, darunter auch die Anträge der Fraktion.[1] Mit einem bereits durchdeklinierten Klärungsplan und einer fertigen Resolution, die nur noch gedruckt werden muss, scheinen sie ein Rundum-Paket zu versprechen. Wenn man die Anträge oberflächlich liest, kann man leicht auf ihr Trugbild hereinfallen. Wir halten es daher für notwendig, die Anträge genauer zu durchleuchten und zu prüfen, ob sie uns voranbringen werden.

Wir werden in unserem Text darstellen,

  1. dass Positionen der Antragssteller gesetzt werden, die sich so nicht mit dem Diskussionsstand der KO decken.
  2. dass der Antrag zur Klärung in sich widersprüchlich ist und den Bezug zu den Klassikern nicht ernst nimmt.
  3. dass die Verortung in der Bewegung dem Selbstverständnis der KO widerspricht.
  4. dass uns die Resolution nicht handlungsfähiger machen wird.
  5. dass die ideologische Schulung aller Genossen der KO im Sinne der Kaderentwicklung nicht weiterverfolgt wird.

Wie hält es die Fraktion mit der weiteren Klärung?

Die Frage, wie die Atomisierung der Internationalen Kommunistischen Bewegung (IKB) überwunden werden kann und was für Ansprüche daraus für den Kommunistischen Klärungsprozess abzuleiten sind, ist Gegenstand von Diskussion und Uneinigkeit in unserer Organisation. Eine kollektive, selbstkritische Auswertung der bisherigen Arbeit und ein daraus abgeleitetes Selbstverständnis des Klärungsprozesses ist eine wichtige Voraussetzung, um die Arbeit der KO fortzusetzen. Der Antrag zur weiteren Klärung verzichtet allerdings auf diesen notwendigen Schritt. Im Folgenden werden wir darstellen, dass die Vorstellungen der Antragsteller vom Klärungsprozess weder so klar auf dem Boden des Marxismus-Leninismus stehen, wie sie selbst behaupten, noch frei von Widersprüchen sind.

Die Fraktion äußert immer wieder, dass sie selbstverständlich klären wolle, dass natürlich auch die Weltsystem-Theorie falsch sein könne und die Programmatischen Thesen komplett umgeschrieben werden könnten. Doch der Klärungsplan lässt uns daran zweifeln, dass solch ein offenes Herangehen an den Tag gelegt wird, denn die wirklich umstrittenen Fragen der IKB und der KO finden sich darin nur mangelhaft wieder:

Eine der Hauptfragen, die im letzten Jahr aufgekommen ist, ist die Frage nach unterdrückten und unterdrückenden Staaten. Es gibt Teile der IKB und KO, die in Russland einen Kampf zwischen einer national orientierten Bourgeoisie und einer Kompradoren-Bourgeoisie, die am westlichen Imperialismus orientiert ist, sehen. Hier eröffnet sich die Frage, ob wir es auch heute noch mit einer Unterdrückung von Ländern, nach Lenin wesentlich für den Imperialismus[2], zu tun haben oder nicht. Bevor man also eine tatsächlich umfassend richtige Antwort auf die Einschätzung des Krieges geben kann, muss man sich dieser Untersuchung stellen. Dies sehen die Antragssteller anders. Sie stellen die Auseinandersetzung mit der Frage der Unterdrückung ganz ans Ende, nämlich in die Phase 5. Die Resolution zum Ukraine-Krieg soll jedoch schon nach Phase 3 überprüft werden, anhand der bis dato erarbeiteten Ergebnisse. Ein wesentlicher Dissens in der Einschätzung um den Krieg wird also formal zeitlich ausgeklammert.

Andere wichtige Themen werden gar nicht weiter behandelt: So die von der TKP formulierte These, dass die Stellung der Staaten im Imperialismus selbstverständlich nicht nur ökonomisch, sondern auch militärisch, politisch, kulturell und ideologisch untersucht werden muss. Oder auch die Faschismus-Thematik, die in der Resolution mit der Frage aufgeworfen wird, welche „Implikationen für die Strategie und Taktik der Arbeiterklasse [es] hat, […] wenn in einem Land der Faschismus an der Macht ist?“ (Resolution, S. 5), die offensichtlich eine Rolle in Phase 3 spielen muss, aber gar nicht im Klärungs-Vorhaben auftaucht. Dabei ist es u.a. die Frage des Faschismus, die einen wichtigen Teil des Dissens in der KO und der gesamten IKB ausmacht (z.B. in den Diskussionen der RKAP und KKE).

Dass die Anträge nicht nur dem Mangel unterliegen, wesentliche Fragen auszuklammern, sondern auch eigene Positionen der Antragssteller setzen, wollen wir im Folgenden darstellen. Die Resolution stellt die Frage „Hat sich der Monopolkapitalismus als bestimmende Wirtschaftsform in allen kapitalistischen Ländern durchgesetzt?“ (Resolution S. 5), die auch im letzten halben Jahr immer wieder aufgekommen ist. Der Klärungsantrag organisiert jedoch keine Untersuchung dieser offenen Frage, sondern beantwortet sie direkt: In einer Bildungseinheit soll nachvollzogen, nicht überprüft, werden, dass alle Länder von monopolkapitalistischen Verhältnissen geprägt seien (Klärungsantrag, Z. 189f). Es ist offensichtlich, dass der Klärungsantrag diese wohl nur zum Schein in der Resolution aufgeworfene Frage im Sinne der Antragsteller beantwortet.

Ein anderes Beispiel, welches eine bestimmte Interpretation deutlich nahelegt, diese aber, wohl um den Schein der Unbefangenheit zu wahren, nur implizit formuliert: In der Untersuchung sollen auch Staaten wie die USA und China berücksichtigt werden, „die die Dynamik der imperialistischen Hierarchie maßgeblich prägen“ (Klärungsantrag, 255f). In den Programmatischen Thesen werden als künftige Untersuchungen u.a. die kapitalistischen Entwicklung Chinas und dessen Einbindung ins imperialistische Weltsystem festgehalten. Diese Untersuchungen scheinen jedoch nicht mehr nötig zu sein, denn die Fraktion weiß bereits, so legt es jedenfalls die Formulierung nahe, dass China neben den USA zu den wichtigsten imperialistischen Akteuren zählt. Um es klar zu sagen: Dies ist eine persönliche Einschätzung der Antragssteller, die hier als Aussage gesetzt und nicht als Frage formuliert wird.

Wir gehen weiter zum Klärungsverständnis, das die Antragssteller in ihrem Antrag zur Klärung darlegen: Es wird an verschiedenen Stellen im Antrag zur Klärung angeschnitten. In Zeile 10f. heißt es dazu: „Klärung ist die Einheit aus Bildung und Forschung mit dem Ziel kollektiver ideologischer Klarheit“, während es in Zeile 111 ff. heißt: „Eine kollektive Positionierung ist die Grundlage für wissenschaftliche Klärung, die durch gemeinsame wissenschaftliche Arbeit und politische Praxis die Positionierung als Ausgangspunkt (Thesen) überprüft und auf eine höhere Stufe der neuen kollektiven Positionierung führt. Klärung bedeutet Überprüfung der Ausgangsthesen inklusive ihrer Herleitung. “ In Zeile 151 ff. wird der Klärungsprozess folgendermaßen charakterisiert: „Der kommunistische Klärungsprozess ist die organisierte und schrittweise Annäherung an die Wahrheit, also die richtige theoretische Widerspiegelung der Welt in ihrer widersprüchlichen Bewegung.

Einerseits verstehen die Autoren unter Klärung also die Einheit aus Bildung und Forschung, andererseits bedeutet Klärung die eigene Position durch wissenschaftliche Arbeit und politische Praxis zu verbessern und schließlich ist Klärung die korrekte „Widerspiegelung der Welt in ihrer widersprüchlichen Bewegung“, also der dialektische Materialismus schlechthin, dessen Anwendung wir ja gerade erst begreifen wollen. Das bestätigen auch die Antragsteller. Schließlich schlägt auch der Plan zur weiteren Klärung vor, sich zunächst die Grundlagen des dialektischen Materialismus zu erarbeiten. Es stellt sich die Frage, von welchem Ausgangspunkt die Klärung ausgehen soll. Schließlich betonen die Autoren, dass eine Positionierung „die Grundlage für wissenschaftliche Klärung“ sei. In Zeile 138 ff. gibt der Antrag zur weiteren Klärung einen Hinweis darauf: „Wir haben die eigenen Thesen der KO nicht als Ausgangspunkt gesetzt; wir haben nicht darum gerungen, ein kollektives Verständnis von Lenins Imperialismusverständnis zu entwickeln, sondern sind direkt in die Weiterentwicklung bzw. Revision des Imperialismusverständnisses durch heutige Parteien eingestiegen. […] Diesen Fehler […] dürfen wir nicht wiederholen“.

In Zeile 175 ff. heißt es weiter: „Die zu klärenden Fragestellungen leiten wir also von den programmatischen Thesen und dem Selbstverständnis als unserer Ausgangsgrundlage (sic) ab. Mit der Resolution wollen wir außerdem als Ausgangspunkt für die Klärung dieser Legislatur diese Grundlage als Grundlage bestätigen und ihre Anwendung auf den Krieg formulieren.“

Die Autoren schlagen also vor als Ausgangspunkt der Klärung die Programmatischen Thesen und das Selbstverständnis[3] zu setzen, welche durch die Resolution „präzisiert“ werden. Gleichzeitig schlagen sie aber vor, das Imperialismus-Verständnis von Lenin als Ausgangspunkt zu wählen und ausdrücklich nicht mit der „Weiterentwicklung bzw. Revision des [Leninschen] Imperialismusverständnisses durch heutige Parteien“ zu beginnen. Allerdings wird dieses Vorhaben durch mehrere Widersprüche in den oben zitierten Aussagen der Autoren in Zweifel gezogen. Schließlich sollen als „Ausgangsgrundlage“ der Klärung nicht einfach die Klassiker, sondern die Programmatischen Thesen, das Selbstverständnis und die Resolution gesetzt werden. Da die Autoren gleichzeitig beteuern, nicht mit einer „Weiterentwicklung bzw. Revision“ der Klassiker beginnen zu wollen, müssen die Programmatischen Thesen, das Selbstverständnis und die Resolution also übergangslos an Marx, Engels, Lenin und Stalin anknüpfen, ohne sie zu ergänzen, weiterzuentwickeln, geschweige denn einer Revision zu unterziehen. Doch wie die Genossen Bamen, Stiehler, Oswald, und Bina beschrieben haben unterscheiden sich die in der Resolution, aber auch in anderen Beiträgen der Fraktion dargestellten Positionen deutlich von den Aussagen der Klassiker. Auch die Autoren erkennen den „provisorischen und mangelhaften“ (Klärungsantrag, Z. 95f) Charakter der Programmatischen Thesen an, beteuern aber wenige Zeilen weiter, dass die Klärung von „verbindlichen marxistisch-leninistischen Grundpositionen“ (Klärungsantrag, Z. 104) ausgehen müsse. Um den Widerspruch aufzulösen, müssten also – wie oben beschrieben – die Aussagen aus den Programmatischen Thesen, dem Selbstverständnis und der Resolution identisch mit den Klassikern sein. Da die Autoren dies sogar selbst anzweifeln, wird der Widerspruch auch aus ihrer Sicht nicht aufgehoben.

Vielmehr vertieft sich dieser Widerspruch in Anbetracht der Tatsache, dass die Autoren – sowie auch andere Mitstreiter der Fraktion – die Imperialismus-Vorstellungen der KKE zum Ausgangspunkt der Klärung machen wollen, welche eine ebensolche „Weiterentwicklung“ und vielleicht sogar „Revision“ des Marxismus-Leninismus darstellt. Deutlich wird der Bezug der Autoren zur KKE unter anderem in Zeile 191 ff., wo es heißt: „Außerdem ist davon auszugehen, dass in den meisten Ländern der Welt Monopole bestimmend sind oder zumindest eine wichtige Rolle spielen. Es gibt zwar einige Gebiete wie Palästina oder die Westsahara, für die diese Frage offen ist, zu untersuchen ist jedoch zunächst das für die Epoche Wesentliche.“ Da offensichtlich nicht zur Debatte steht, ob Palästina oder die Westsahara Länder sind, die innerhalb der imperialistischen Epoche des Kapitalismus existieren, kann sich hier nur die implizite Aussage rauslesen lassen, dass die meisten Länder der Welt imperialistisch sind. Es soll vordergründig also nicht von den Klassikern ausgegangen werden und anhand ihrer Aussagen die Programmatischen Thesen, das Selbstverständnis, die Resolution oder die Positionen der KKE geprüft werden. Stattdessen wird die Vorstellung eines „imperialistischen Weltsystems“ als gesetzt betrachtet. In der Klärung sollen lediglich der „Rang eines Landes in der imperialistischen Hierarchie“ (Z. 235f) bestimmt und „die ungleichen wechselseitigen Abhängigkeiten […] für Fälle von Ländern in der Mitte und am unteren Ende der imperialistischen Hierarchie exemplarisch ausgearbeitet werden.“ (Z. 245 ff.)

Nachdem wir einleitend einen Blick auf das von den Autoren formulierte Verständnis von Klärung geworfen haben, wollen wir – der obigen Widersprüche zum Trotz – einen Blick darauf werfen, wie das formulierte Klärungsverständnis, als Prozess der korrekten „Widerspiegelung der Welt in ihrer widersprüchlichen Bewegung“ (Z. 152f) konkret umgesetzt wird. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht wie sich die Autoren die Auseinandersetzung mit den Klassikern vorstellen. Hierzu heißt es in Zeile 64 ff.: „Den Schritt der Begriffsbildung werden wir also nicht selbst nochmal von vorne machen, sondern gehen von der Begriffsbildung unserer Klassiker aus.“ Weiter heißt es: „Natürlich bedeutet das nicht, dass wir die Begriffe der Klassiker nicht auch anpassen müssen – allerdings kann das in unserer Verfasstheit nicht das Ziel der Klärung im nächsten Jahr sein, sondern ein mittel- und langfristiges Ziel kommunistischer Forschung.“ (Z. 72 ff)

Hier verschafft sich das berechtigte Bedürfnis Ausdruck, die Klassiker und ihre Begriffe an den Anfang der Klärung zu stellen. Allerdings soll die Auseinandersetzung mit den Klassikern lediglich Bildungscharakter haben. Es wird also nicht anerkannt, dass auch das Verständnis der Begriffe der Klassiker selbst Gegenstand von Auseinandersetzung um die richtige Deutung ist, welche ein gewisses Maß an Wissenschaftlichkeit voraussetzt. Zum anderen wird deutlich gemacht, dass die Begriffe der Klassiker in absehbarer Zeit nicht angepasst werden können und damit auch nicht auf den gegenwärtigen Entwicklungsstand des Kapitalismus angepasst werden können. Einerseits erscheint dies in Anbetracht der bereits vollzogenen „Weiterentwicklung“ der Autoren (siehe oben) widersprüchlich, andererseits wird durch die Feststellung, dass die Begriffe der Klassiker zunächst nicht angepasst werden können der von den Autoren ausgearbeitete Klärungsplan prinzipiell infrage gestellt. Schließlich ist doch die Auseinandersetzung um den Imperialismus eine Auseinandersetzung darum, wie wir die Begriffe der Klassiker auf die aktuellen Entwicklungen des Kapitalismus anzuwenden haben! Deutlich wird dieser Widerspruch erneut in Zeile 208 ff.: „Das Wesen der Monopole und ihr Verhältnis zum Staat wollen wir konkret untersuchen: am Beispiel des deutschen und russischen Staats. […] In diesem Zusammenhang sollte auch eine konkretere Bestimmung des Finanzkapitals und Kapitalexports erfolgen.“ Es stellt sich mit Nachdruck die Frage wie eine für die heutige Zeit gültige Bestimmung des Monopols, des Finanzkapitals und des Kapitalexports ohne die Anpassung der Leninschen Begriffe auf Heute möglich ist. Schließlich wird durch das vorgeschlagene Vorgehen der Autoren, die Begriffe der Klassiker erst nach der Klärung der Imperialismus-Frage an die heutige Zeit anzupassen, auch das Verständnis, das die Autoren vom Klärungsprozess darlegen, infrage gestellt. Denn wie kann die Welt in ihrer widersprüchlichen Bewegung korrekt widergespiegelt werden, wenn mit Begriffen gearbeitet wird, die wir nicht ins Verhältnis zu dieser Welt setzen?

Die Leitung unserer AG Politische Ökonomie, die sich unter anderem mit dem Imperialismus beschäftigt, hatte sich auf unserer letzten Vollversammlung selbstkritisch damit auseinandergesetzt, dass der Dissens innerhalb der IKB und in der Folge auch in der KO, von der AG Leitung nicht ausreichend durchdrungen und entsprechend nicht vorhergesehen wurde. Dabei wurde festgehalten, dass besonders die Übertragung der Begriffe der Klassiker in die heutige Zeit ein großer Mangel sei.

Es wurde also festgehalten, dass genau das Problem, das die Autoren des „Klärungsantrags“ zunächst nicht lösen wollen, eine wichtige Ursache dafür war, dass wir unsere Klärung nicht in ein produktives Verhältnis zur IKB setzen konnten. Es erscheint naheliegend, zunächst zu untersuchen, welche Unternehmen wir nach Lenins Definition heute als Monopole betrachten können, wie wir das Finanzkapital heute verstehen müssen und welche Rolle der Kapitalexport heute spielt. Warum die Autoren diesen Schritt nicht an den Anfang setzen, könnte damit zu tun haben, dass sie bereits andere Begriffe entwickelt haben, die dem marxistisch-leninistischen Verständnis widersprechen.

Wie hält es die Fraktion mit der Verortung in der IKB?

In der genannten Reflexion der Leitung der AG Politische Ökonomie wurde auch eine selbstkritische Auswertung zum Verhältnis zur IKB vorgenommen. Es wurde erkannt, dass man sich nicht ausreichend mit der IKB beschäftigt hatte und die in der AG bearbeiteten Dissense dementsprechend nicht ausreichend zu ihr ins Verhältnis gesetzt hatte. Es drängt sich die Frage auf, wie das in Anbetracht der Tatsache, dass wir als Selbstkritik der Bewegung einen Klärungsprozess organisieren wollten, passieren konnte. Das wird Teil der im Leitantrag vorgesehenen Reflektion unseres bisherigen Prozesses sein müssen. Es kann aber festgehalten werden, dass Positionen der KKE von der KO teils sehr unkritisch übernommen wurden, so auch die des „imperialistischen Weltsystems“. Das, sowie die bisher unterentwickelte Wissenschaftlichkeit führte zu einer oft eher oberflächlichen Bearbeitung der Dissense in den AGs. Es gab eine Tendenz zur Bestätigung angenommener Positionen, statt der wirklichen wissenschaftlichen Überprüfung. Viele Fragen, die für einen bedeutenden Teil der IKB relevant sind, nicht ausreichend oder gar nicht bearbeitet. Folglich war es nicht möglich die Auseinandersetzungen, die in der IKB geführt wurden, zu durchdringen. Das heißt selbstverständlich nicht, dass die Positionen der KKE deshalb falsch sind, wir sollten sie kritisch prüfen und wo nötig kritisieren. Entscheidend ist aber, dass wir nicht davon ausgehen können, dass alle kommunistischen Parteien, die ihre Kämpfe auf Grundlage sehr unterschiedlicher Voraussetzungen führen und von den Positionen der KKE abweichen, falsch sind und eine intensive Beschäftigung mit ihnen nicht nötig ist. Der Beschluss der vierten Vollversammlung zur Klärung der Kriegs- und Imperialismusfrage unter Einbeziehung der Bewegung war eine Konsequenz aus der offensichtlich fehlenden Durchdringung des Dissens.

Wir sollten uns vor Selbstüberschätzung hüten und nicht so tun, als hätten wir die revolutionäre Strategie und Taktik bereits ergründet, den revolutionären Standpunkt in der IKB erkannt, oder schon verstanden, was es bedeutet den wissenschaftlichen Kommunismus anzuwenden. Folglich sollten wir nicht behaupten, die Imperialismus- und Kriegs-Frage bereits in allen Facetten verstanden, geschweige denn geklärt zu haben. Denn wir stehen nicht außerhalb der Kommunistischen Bewegung und ihrer Krise.

Auch wenn in den öffentlichen Anträgen die Fokussierung auf einen bestimmten Teil der IKB eher indirekt deutlich wird (s.o. in Bezug auf die Klärung), so wird doch in anderen veröffentlichten Dokumenten sehr klar von einem „revolutionären Pol“[4] gesprochen, auf den man sich beziehen müsste. Das steht in Widerspruch dazu, „den Dissens in der KO und der kommunistischen Bewegung darzulegen, zu durchdringen und in eine Klärung zu überführen“[5] – denn wie kann das funktionieren, wenn man einen großen Teil der Bewegung von vorneherein ausschließt?

Die Fraktion möchte gerade nicht in die Auseinandersetzung mit verschiedenen vorhanden Positionen und Parteien der IKB gehen, sondern nur mit einem Pol. Wir sehen unser Vorgehen im letzten halben Jahr als sinnvoll an, nämlich dahingehend, sich mit unterschiedlichen Positionen auseinanderzusetzen, um zu begreifen, welche Begründungen Parteien dafür anführen, um so auf wichtige Fragen zu stoßen. Die Untersuchung der INITIATIVE-Parteien, die an anderer Stelle vorgenommen wurde,[6] hat gezeigt, dass gerade Parteien aus der Kriegs-Region Interessensüberschneidungen zwischen der Arbeiterklasse und dem Vorgehen Russlands in der Ukraine bejahen. Diese Auseinandersetzungen brauchen wir zwingend, um die Thematik einordnen zu können und zu verstehen, was Faschismus an der Macht bedeutet, ob das in der Ukraine der Fall ist und was man daraus für Strategie und Taktik ableitet.

Das Niveau der öffentlich einsehbaren Teile der Diskussionen in der IKB ist auf einem niedrigen Stand, Auseinandersetzungen werden oft polemisch und unwissenschaftlich geführt und Standpunkte meist unzureichend oder überhaupt nicht begründet. Das spiegelt sich auch in unserer Auseinandersetzung wider. Organisationen, die von sich behaupten, revolutionäre Positionen zu vertreten, gibt es genug. Dass sich diese vermeintlich revolutionären Positionen oft diametral widersprechen und es wenig Bereitschaft gibt, die eigenen Positionen kritisch zu hinterfragen ist ein wesentliches Merkmal der Krise der Bewegung. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, eine wissenschaftliche Klärung zu organisieren und die Auseinandersetzung in der IKB vehement einzufordern sowie dazu beizutragen, dass diese ehrlicher, disziplinierter und offener wird. Unsere Rolle ist es hier mit gutem Beispiel voranzugehen indem wir unsere eigenen Positionen, aber auch die der IKB, einer schonungslosen Kritik unterziehen. Das ist die Existenzberechtigung der KO!

Wie hält es die Fraktion mit Handlungsfähigkeit und Positionierung?

In der Resolution heißt es, dass uns eine Nicht-Positionierung, in dem Sinne, dass wir nichts zum angeblich zwischen-imperialistischen Charakter des Krieges sagen könnten, handlungsunfähig mache. Dieser Argumentation können wir nicht folgen. Glauben wir ernsthaft, dass wir der Arbeiterklasse Orientierung auf Grundlage umstrittener, thesenhafter Positionen geben können, die wir eigentlich noch prüfen müssen? Insgesamt steht dahinter wohl die Vorstellung, dass die entsprechenden Positionen schon der revolutionären Strategie und Taktik entsprechen, auf deren Grundlage die Arbeiterklasse nun angeleitet werden müsse. In der Selbstverständnisdiskussion wurde aber reflektiert, dass wir noch nicht an dem Punkt sind, die Massen anleiten zu können, sondern Massenarbeit momentan eher zur Entwicklung der Genossen dienen kann. Und zwar, weil wir noch keinen ernsthaften Zugang zu den Massen haben und für ihre Anleitung fehlen uns die Erfahrungen, Strukturen, die quantitative Größe, das revolutionäre Programm – kurzum die Kommunistische Partei!

Auf wen wirken wir aber momentan, wer verfolgt unsere Entwicklung? Vorrangig Teile der kommunistischen Bewegung, sowie der Friedens- und linken Bewegung. Diese brauchen keine weitere Positionierung, die auf unausgegorenen Überlegungen beruht, sondern eine ernsthafte Ausarbeitung der mit dem Krieg zusammenhängenden Fragen, die sie auch mit den Fragen abholt, die sie sich selbst stellen und sie so in diesen Prozess mit einbezieht. Wir haben im letzten Jahr die Erfahrung gemacht, dass es gerade die Ehrlichkeit war, mit der wir anderen Kräften aus der Bewegung, aber auch normalen Leuten auf der Straße begegnet sind, die uns glaubhaft und interessant gemacht hat. Wir waren nämlich nicht die x-te K-Gruppe, die den Leuten erklären wollte, wie es aussieht, sondern sind offen damit umgegangen, was wir wissen und was nicht und haben die Leute so mit Argumenten herausgefordert. Insofern halten wir das Spannungsfeld zwischen Klärung und Positionierung, dass der Leitantrag formuliert, für äußerst produktiv.

Wie hält es die Fraktion mit unserer Entwicklung?

Eine wesentliche Diskussion zum Selbstverständnis war die zur Kaderentwicklung. Wir hielten in unserem Selbstverständnis fest, dass diese eine unserer zentralen Aufgaben ist: uns dahin zu entwickeln, unsere Aufgaben und damit die der Kommunistischen Bewegung auf politisch-ideologischer Ebene möglichst gut zu durchdringen. Wir sahen es als notwendig an, uns von solchen Organisationen zu unterscheiden, in denen die politische Richtung der Organisation von einem Großteil der Mitgliederbasis gar nicht durchdrungen wird, sondern diese nur einem kleinen Führungskreis folgt. Wir sahen, dass es, um die Krise der Kommunistischen Bewegung zu überwinden, nicht reichen kann, eine kleine Gruppe an geschulten Genossen zu haben und eine Mehrheit, die deren Aussagen folgen. Das nicht zu sein setzt also eine gute Schulung der eigenen Mitglieder voraus. Eine, die es ermöglicht auch die Abgrenzung zu bestimmten Positionen eigenständig zu durchdringen und inhaltlich argumentieren zu können.  

Unser gemeinsamer Stand zur letzten Vollversammlung, auf der wir das Selbstverständnis beschlossen, war also der folgende: Wir müssen unsere Kraft in die Entwicklung und Schulung von uns selbst stecken, denn wir sind es, die einen Weg aus der Krise der Bewegung aufzeigen wollen. Wir wollen im Folgenden diesbezüglich einen Blick auf die Anträge der Fraktion werfen. Werden sie unserem Ziel gerecht, ideologisch geschulte Mitglieder aufzubauen?

Im Klärungsantrag der Fraktion steht: „Kollektive Forschung soll nicht bedeuten, dass alle Genossen an der Forschung beteiligt sein müssen. Vielmehr müssen alle in die Lage versetzt werden, kollektive Forschungsergebnisse nachvollziehen, überprüfen und kritisieren zu können.“ (Z. 80f)

Die Genossen, die nicht direkt an der Forschung beteiligt sind, sollen also die Forschungsergebnisse nachvollziehen, überprüfen und kritisieren können. Überprüfen heißt festzustellen, ob eine Untersuchung richtig oder falsch ist. Dies setzt ein hohes Maß an ideologischer Durchdringung der Thematik voraus. Ein wichtiger Bestandteil davon ist die Fähigkeit, den wissenschaftlichen Sozialismus richtig anzuwenden. Unsere These ist, dass die Genossen der KO mit dem vorgelegten Plan zur Klärung nicht dazu befähigt werden, die Forschungsergebnisse überprüfen zu können, sondern höchstens nachzuvollziehen.

Es steht außer Frage, dass die Beschäftigung mit der Anwendung des wissenschaftlichen Sozialismus eins unserer Kerngeschäfte in der Klärung sein muss. Schließlich besteht das Problem in der Krise der Bewegung nicht darin, dass sich keine Partei auf unsere Klassiker bezieht, sondern dass das alle tun und bei unterschiedlichen Ergebnissen rauskommen. Es besteht eine allgemeine Unklarheit in der richtigen Anwendung der Theorien der Klassiker, in der Anwendung des wissenschaftlichen Sozialismus auf unsere heutige Zeit. Auch wir selbst sind durch diesen Mangel gekennzeichnet, wie das letzte halbe Jahr klar gezeigt hat: Obwohl alle Genossen die Imperialismus-Schrift von Lenin gelesen haben, kommen wir zu unterschiedlichen Einschätzungen darüber, was die Wesensmerkmale im Imperialismus nach Lenin sind (Stichwort: unterdrückte und unterdrückende Staaten). Die Auseinandersetzung mit unseren Klassikern, die Einordnung ihrer Theorien in den historisch-spezifischen Kontext und der dadurch entstehende Lernprozess der Anwendung ihrer Theorien auf die heutige Zeit sollte also ein zentraler Bestandteil der Klärung sein. Dies ist eine wichtige Erkenntnis, die wir aus dem letzten halben Jahr mitnehmen sollten. Stattdessen schlägt die Fraktion vor, diese Fragen als Bildungsfragen zu begreifen. Es sollen Bildungseinheiten anhand unserer Grundlagenschulung und unserer Grundannahmen stattfinden. Nun ist es aber so, dass beide Werke das Ergebnis der Arbeit weniger Genossen sind. Ein Mangel der Grundannahmen ist, dass die Werke der Klassiker oftmals nicht in den historisch spezifischen Kontext gesetzt werden, sondern eher wie eine Zitatesammlung daherkommen. Es müssten also erst alle Genossen in der Lage sein, zu prüfen, ob die Grundlagenschulung auch tatsächlich richtig ist. Doch mit der Grundlagenschulung soll laut Fraktions-Antrag im ersten Schritt die nötige Bildung durchgeführt werden, um Genossen in die Lage zu versetzen, wissenschaftliche Ergebnisse prüfen zu können. Man sieht, dass sich die Katze hier in den Schwanz beißt. Folglich halten wir fest: die Bildungsarbeit, die im Antrag der Fraktion vorgeschlagen wird, wird die Genossen höchstens dazu befähigen, künftige Forschungsergebnisse nachvollziehen zu können, zu mehr jedoch nicht.

Die darin geäußerte Vorstellung entspricht also nicht unserer beschlossenen Vorstellung von Kaderentwicklung. Das scheint auch gar nicht mehr das Ziel zu sein, wird in der Resolution doch eine starke Diskrepanz der Mitglieder, schon allein im Nachvollziehen von Positionen der Organisation, als unvermeidbar festgehalten (vgl. Resolution S.6).

Dies reiht sich ein in den von der Fraktion gewünschten Umgang mit den Programmatischen Thesen. Diese wurden in einem sehr kurzen Zeitraum erstellt und seitdem nicht grundlegend überprüft. Die Programmatischen Thesen waren ein wichtiger Startpunkt für das Vorhaben der KO, sie haben einen Rahmen geboten und stellten eine Verortung in der Bewegung dar. Dennoch sind gerade im letzten halben Jahr sehr viele Leerstellen und Fragen an den Thesen aufgekommen, indem wir uns als GO in die umfassendere Auseinandersetzung mit der Imperialismus-Frage begeben haben und in direkten Austausch mit unterschiedlichen Parteien gekommen sind (DKP, SKP, RKAP etc.). und uns vertieft mit dem Imperialismus-Verständnis von KKE, TKP, KPRF, PCM etc. beschäftigt haben. In diesem Prozess stellte sich heraus, „dass es kein einheitliches Verständnis der Bewegungsgesetze des Kapitalismus und des wissenschaftlichen Arbeitens gab.“ (Klärungsantrag Z. 135f.) Die Fraktion sieht diesen Erkenntnisprozess scheinbar als schlecht an, in unseren Augen ist dieser jedoch sehr gut! Es ist gut, dass uns einer unserer großen Mängel bewusst geworden ist. Es ist sicherlich nicht der einzige Mangel, schließlich sind wir durch die Mängel der IKB geprägt, wie wir im Selbstverständnis festgehalten haben. Wir müssen daran ansetzen und uns kollektiv weiterentwickeln, nicht aber einige „Köpfe“ herausbilden, von denen die restliche Organisation dann abschreibt; die Kaderentwicklung bleibt sonst auf der Strecke.

Abschließende Bemerkungen

Abschließend wollen wir betonen, dass die KO schon immer von Mängeln geprägt war, welche immer wieder in kollektiver Reflexion festgestellt werden mussten, um die Potentiale und Ziele mit neuen Plänen in Einklang zu bringen. Zuletzt haben wir diesen Prozess mit der Erarbeitung des Selbstverständnis durchlaufen. Unsere Probleme sind natürlich auch Ausdruck struktureller Mängel, aber zentral ist, dass wir selbst uns als Kommunisten entwickeln müssen, um diese Probleme zu lösen. Schließlich sind unsere Strukturen auch Ausdruck unseres kollektiven Entwicklungsstandes und damit Ausdruck der Bereitschaft und der Fähigkeiten jedes einzelnen Genossen. Wie wir herausgearbeitet haben, wird es im Vorgehen der Fraktion nicht darum gehen, dass alle Genossen Teil der Klärung sind und sich die Fähigkeit aneignen, die Forschungsergebnisse von führenden Genossen überprüfen und kritisieren und damit den Kurs der KO mitbestimmen zu können. Mit der Entwicklung aller Genossen zu ideologisch gut geschulten Kommunisten wird leider an genau der falschen Stelle gespart. Damit wird die bisherige Schwäche eines kleinen ideologischen Führerkreises und einer dem nur folgenden Mehrheit, vertieft.

Wir haben gesehen, dass die Anträge der Fraktion versuchen, unsere Mängel alle auf einen Streich zu lösen, aber nicht auf Grundlage einer kollektiven Reflexion, nicht, indem unsere Mängel ins Verhältnis zu unseren Kapazitäten und Zielen gesetzt werden, sondern indem angeblich in halsbrecherischem Tempo die Klärung umgesetzt werden soll. Damit werden jedoch die bestehenden Probleme zementiert und Klärung de facto zu einem Prozess der Selbstvergewisserung und Abgrenzung werden. Das alles scheint uns kein Zufall zu sein, sondern ein bewusster Versuch, die Organisation mit einem „fertigen“ Plan zu täuschen, der den Klärungsprozess und Parteiaufbau viel einfacher aussehen lässt, als er tatsächlich sein wird. Sie geben nur vor, den weitreichenden Dissens in der Organisation bearbeiten zu wollen, verhindern aber gezielt dessen Klärung, um am Ende bei der gewünschten Haltung rauszukommen.

Wie wir gezeigt haben, negieren die Anträge die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der gesamten IKB. Durch die Ignoranz, die sie dem Dissens gegenüber bringen und der Zuordnung zu einem sogenannten „revolutionären Pol“, also der Einteilung der IKB in zwei sich gegenüberstehende Pole, zementieren sie die Zersplitterung der Bewegung. Wir sehen die Auswirkung dieses spalterischen Wirkens gerade ganz praktisch in unserer Organisation. Dem Anspruch der Überwindung der Krise durch die ernsthafte Beschäftigung mit den Dissensen in der Bewegung werden sie somit nicht gerecht. Sogar noch weniger, sie fügen diesem Vorhaben in ihrem jetzigen konkreten Handeln Schaden zu.


[1] Die Anträge finden sicher hier : https://kommunistische-organisation.de/allgemein/die-ko-wurde-gespalten-wer-behaelt-den-namen/ siehe unten → Antrag der Minderheit zur Klärung der Imperialismus-Frage + Resolution

[2] Diesen Zusammenhang stellt Lenin in Seiner Imperialismusschrift, aber auch in anderen Schriften her. Hier ein Beispielhaftes Zitat: „Ein Häuflein reicher Länder – es gibt ihrer im ganzen vier, wenn man selbständigen und wirklich riesengroßen „modernen“ Reichtum im Auge hat: England, Frankreich, die Vereinigten Staaten und Deutschland – , dieses Häuflein Länder hat Monopole in unermeßlichen Ausmaßen entwickelt, bezieht einen Extraprofit in Höhe von Hunderten Millionen, wenn nicht von Milliarden, saugt die anderen Länder, deren Bevölkerung nach Hunderten und aber Hunderten Millionen zählt, erbarmungslos aus und kämpft untereinander um die Teilung der besonders üppigen, besonders fetten, besonders bequemen Beute. Eben darin besteht das ökonomische und politische Wesen des Imperialismus, dessen überaus tiefe Widersprüche Kautsky nicht aufdeckt, sondern vertuscht.“ [Lenin Werke Band 23, S. 112]

[3] Das Selbstverständnis der KO wurde auf der 4. Vollversammlung 2022 beschlossen, nachdem wir im Jahr davor ausführlich darum diskutieren, es ist allerdings bisher unveröffentlicht, weshalb hier keine direkten Zitate angeführt werden, sondern nur Bezüge zur Diskussion darum hergestellt werden.

[4] Z.B. in der „Richtigstellung“ https://kommunistische.org/allgemein/richtigstellung-zur-veroeffentlichung-die-ko-wurde-gespalten-wer-behaelt-den-namen/

[5] https://kommunistische-organisation.de/allgemein/beschluss-zur-klaerung-der-imperialismus-und-kriegsfrage/

[6] https://kommunistische-organisation.de/allgemein/die-beiden-teile-der-ko-und-ihr-verhaeltnis-zur-kommunistischen-bewegung/

Rezension von Harpal Brar: Imperialismus des 21. Jahrhunderts

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von Anselm Fuchs

Angaben zum Buch:

Brar, Harpal: Imperialismus im 21. Jahrhundert. Sozialismus oder Barbarei. Bonn: Pahl-Rugenstein Verlag Nachfolger GmbH, 2001. 206 Seiten. [ISBN: 3-89144-293-9]. Nicht mehr erhältlich.

Zweck und Inhalt des Buches von Harpal Brar ist die Überprüfung und Aktualisierung von Lenins Imperialismus Theorie. Methodisch knüpft er an den dialektischen und historischen Materialismus von Marx und Engels und dessen Weiterentwicklung durch Lenin und Stalin an, zudem werden unterschiedliche Quellen der Wirtschaftspublizistik mit bürgerlichen Statistiken über Erscheinungsformen des Imperialismus gegen Ende der 90er Jahre herangezogen. Ziel seiner Kritik sind kleinbürgerliche Vertreter und deren Reformvorstellungen von Globalisierung und Neoliberalismus.

Harpal Brar ist ein britischer Marxist, der bis 2019 Vorsitzender der CPGB-ML war. Er ist Herausgeber der zweimonatlich erscheinenden antiimperialistischen Zeitschrift Lalkar und hat mehrere Bücher geschrieben, unter anderem zu Opportunismus und Sozialdemokratie, zur Niederlagenanalyse der Sowjetunion und zu Imperialismus, Krieg und Krise. Dieses Buch entstand aus einem Vortrag auf der Konferenz „Imperialismus und neue Weltordnung” im November 1996, welche vom Verein zur Förderung des Studiums der Arbeiterbewegung in Deutschland veranstaltet wurde.

Im ersten Abschnitt unterstreicht der Autor den Zusammenhang von moderner Politik, modernen Kriegen, Klassenverhältnissen, internationalen Beziehungen und dem ökonomischen Wesen des Imperialismus, um der Frage, ob Lenins Imperialismus Theorie heute noch gültig ist, auf den Grund zu gehen. In diesem Zusammenhang stellt Brar erneut die Unzulässigkeit von Ultra-Imperialismus Vorstellungen unter Beweis, die im Zuge der als „Globalisierung“ bezeichneten Phase neu aufgekommen sind.

Der zweite Abschnitt widmet sich der Konzentration der Finanzinstitutionen, zu denen neben den Banken auch die Versicherungen gehören. Hier zeigt sich eindrücklich, in welchem Ausmaß die Finanzoligarchie mittlerweile das wirtschaftliche und politische Leben in der kapitalistischen Gesellschaft wesentlich beeinflussen kann. In anschaulicher Weise praktiziert der Autor das Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten und kann dadurch vom Zustand des weltweiten Finanzsystems ausgehend die konkreten Bewegungen im Finanzwesen der USA und Japans nachzeichnen.

Der dritte Abschnitt zeigt die Auswirkungen des Kapitalexports für die Entwicklungen in den imperialistischen Ländern in Form von Überstunden, Arbeitslosigkeit und Elend einerseits und der Verschuldung der dritten Welt und daraus resultierend Armut und Elend in den unterdrückten Ländern andererseits auf. Hier werden neben den ausländischen Direktinvestitionen weitere Indikatoren, wie z.B. Verschuldung (er bezeichnet die Verschuldung der dritten Welt als Kolonialismus mit anderen Mitteln), Armut und Elend genannt, um die Monopolstellung der reichen Länder zu verdeutlichen.

Im vierten Abschnitt wird die weiterhin stattfindende Aufteilung der Welt unter den imperialistischen Ländern anhand der verschiedenen Formen staatlicher Abhängigkeit nachgewiesen (wobei diese hätten ausführlicher diskutiert werden können). Brar geht auf die Bedeutung der militärischen Macht und des Dollars als Leitwährung für den Führungsanspruch der USA im imperialistischen Block ein und er problematisiert die Tendenz zu Stagnation und Fäulnis.

Der fünfte Abschnitt thematisiert den britischen Imperialismus und die britische Arbeiterbewegung. Der schwindende relative Anteil der produktiv Beschäftigten an der Gesamtbevölkerung steht in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem Kapitalexport. Für Großbritannien ergeben sich daraus steigende Armut, explodierende Management-Gehälter und die Spaltung der Arbeiterklasse. Brar appelliert für einen konsequenten Bruch mit der Ideologie und den organisatorischen Formen der Sozialdemokratie und fordert von den Kommunisten, die Spaltung der Arbeiterklasse zu erkennen und gegen die bürgerlichen Arbeiterparteien zu kämpfen.

Im sechsten Abschnitt wird die kleinbürgerliche Kritik am Imperialismus einer Kritik unterzogen, da diese Brar zufolge die Gesetzmäßigkeiten der Kapitalakkumulation völlig außer Acht lasse und sich in reaktionärer Manier nach den Zeiten der freien Konkurrenz sehnt. Hier wird nochmal der historische Materialismus als einziges Instrument hervorgehoben, um das aktuelle Produktionssystem endgültig loszuwerden.

Im siebten Abschnitt zieht Brar Bilanz seiner Analyse und stellt fest, dass sich die Welt heute mehr als jemals zuvor in eine Handvoll reicher Länder und eine überwältigende Mehrheit armer Länder geteilt habe, in denen wiederum eine Handvoll reicher Menschen über eine überwältigende Mehrheit armer Menschen regiert.

Brars Analyse sticht durch ihre methodische Nähe zur Leninschen Imperialismusanalyse hervor, die sich vor allem in der Beherrschung und Anwendung der Dialektik ausdrückt. Trotz seines Alters sollte dieses Buch weiterhin Bezugspunkt der Kommunisten in der Einschätzung des Imperialismus in der heutigen Zeit sein. Was in diesem Buch jedoch offen bleibt, ist die Stellung von Ländern, die sich nicht eindeutig dem imperialistischen Block oder der dritten Welt zuordnen lassen. Außerdem wäre eine Charakterisierung der verschiedenen Formen staatlicher Abhängigkeit wünschenswert. Des Weiteren nimmt der Autor keine Einordnung der zahlreichen Kennzahlen vor, die er in seiner Analyse heranzieht. So bleibt deren Vergleichbarkeit stellenweise fraglich.

Antwort auf Erklärung der Fraktion der KO

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Der nicht legitimierte und fraktionierte Teil der KO veröffentlichte am 21.12. auf der alten Website der KO eine „Richtigstellung“ der Ereignisse, in Reaktion auf den Umzug der Website und der Veröffentlichung der Anträge unseres anstehenden außerordentlichen Kongresses. 

Man muss dankbar sein, für ihre Entgegnung, da sie in aller Deutlichkeit den Weg skizziert, den sie für die KO vorsehen, und der nirgendwo anders enden kann als in der politischen Bedeutungslosigkeit und völligen Abwendung von der Arbeiterbewegung. Sie wollen, dass sich die KO nun endlich eindeutig auf ein „Lager“ innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung festlegen sollte, und meinen, dass dafür doch längst alle Klarheiten bestünden. Sie sprechen damit mit Nachdruck aus, worin sie den Charakter der KO bestimmen: Die KO als Hort der Revolutionäre, die sich gegen alle Revisionisten in der deutschen kommunistischen Bewegung verschanzt. Anstatt die Probleme und Dissense der Bewegung ernst zu nehmen, will man sich nun in alter K-Gruppen Manier mit einer scharfen Abgrenzung und im Ton arroganter Selbstüberschätzung von den „Revisionisten“ entledigen und die Organisation möglichst rein halten. Sie stellen sich damit über die Probleme, Streitpunkte und Mängel der kommunistischen Bewegung, als dessen Teil wir uns sehen.

Nicht zuletzt verdeutlichen die zwei diametral gegenüberstehenden Resolutionen[i] vom Internationalen Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien in Havanna, den tiefen Riss, der sich durch die internationale kommunistische Bewegung zieht. Die kommunistische Bewegung muss die aktive Auseinandersetzung, die offene Debatte und die ernsthafte Arbeit zu wissenschaftlich fundierter Klarheit angehen. Das ist die Motivation, die uns antreibt und der Weg, den die KO seit ihrer Gründung versucht hat einzuschlagen, den wir fortsetzen wollen. Ohne Selbstüberschätzung, ohne dass wir übersehen, dass die ideologischen Mängel und die organisatorischen Probleme der Bewegung ebenso auch Probleme der KO sind, wollen wir den Finger in die Wunde legen, die ideologischen Streitpunkte ernstnehmen und aktiv um das Ziel der Einheit durch Klarheit ringen. Das Konzept der Fraktionierer ist, gemäß ihrem Hinwegsetzen über grundlegende Prinzipien der Organisierung der Kommunisten, wohl eher als „Klarheit durch Spaltung“ zu verstehen. Aus diesem Vorgehen kann nichts anderes folgen als ein organisatorischer Selbstbezug und ein Abkapseln von der Bewegung. Das ist nicht der Weg, den wir mit der KO einschlagen wollen. Wir wollen aktiver Teil der Bewegung und ihre Auseinandersetzungen sein (vgl. dazu den LA Wir kämpfen um die KO!)

Als Organisation haben wir in dem vergangenen Jahr eine Menge Erfahrungen sammeln können, durch die vielen Veröffentlichungen sowie unserem Kommunismus-Kongress, aber auch durch die scharfen Auseinandersetzungen in der KO. Aus dem letzten Jahr ziehen wir den Schluss, dass wir den Konflikt in der internationalen kommunistischen Bewegung noch viel ernster nehmen, ihn besser verstehen und verfolgen müssen. 

In ihrem Text stellt die Fraktion allerlei Behauptungen auf, über Standpunkte, die wir vertreten würden. Tatsache ist, dass wir zu vielen der Themen einen unausgereiften Diskussionsstand haben und wir daraus keinen Hehl machen. Wir werden uns mit Offenheit den komplizierten Fragen und Diskussionen stellen und um einen wissenschaftlich fundierten Standpunkt ringen. Auf einige Punkte wollen wir im Folgenden eingehen, um deutlich zu machen, wie leichtfertig die Fraktionierer diese Fragen als bereits geklärt betrachten.

Aus der Geschichte lernen 

Mit Blick auf die Diskussion rund um die Einschätzung des Imperialismus, in der kommunistischen Bewegung, müssen wir die historischen Debatten sowie Erfahrungen wahr- und ernstnehmen. Dazu haben der Genosse Noel Bamen und auch Yana (KPD) sehr interessante Diskussionsbeiträge geschrieben. Insbesondere können wir aus dem reichhaltigen Diskussionsschatz der DDR lernen. Das gilt natürlich aber auch insgesamt für die Debatten aus dem vergangenen Jahrhundert, wie die innerhalb des EKKI.

In den historischen Debatten gab es zwischen Kommunisten eine hohe Einigkeit über das Zusammenwirken der antiimperialistischen und kommunistischen Kräfte in ihrem Kampf gegen die imperialistische Politik der Unterwerfung. Innerhalb der nationalen Befreiungsbewegungen spielte insbesondere das Zusammenwirken aus der nationalen Entwicklung und dem Internationalismus eine zentrale Rolle. Dies galt auch in Situationen, in denen eine formale Unabhängigkeit bereits erkämpft war. Dabei wurde in Anbetracht der konkreten Kampfsituationen und der beteiligten Klassenkräfte kontrovers um einen unabhängigen, internationalistischen Standpunkt der Kommunisten gestritten. 

Der Begriff des Neokolonialismus und der Kampf gegen ihn gehörte mit Selbstverständlichkeit zum Instrumentarium der kommunistischen Bewegung. Dieser Begriff, sowie Grundlagen aus Lenins Imperialismusschrift zum Herrschaftsverhältnis des Finanzkapitals, sollen nun ohne dass es substantiell hergeleitet und begründet wurde, entsorgt werden. 

Die Gefährlichkeit, die mit einer solchen Vorstellung (die von Teilen der internationalen Bewegung aber auch von der Fraktion in der KO vertreten wird) verbunden ist, zeigt sich u.a. darin, dass die qualitativen Unterschiede zwischen Ländern in der Hegemonie des Imperialismus weggewischt werden. Ein solches Verständnis vom Imperialismus kann dazu führen, die Dominanz der USA und der führenden imperialistischen Länder in Europa klein zu reden. Damit geht eine große Gefahr für die internationale Arbeiterklasse einher, weil sie den Fokus im Klassenkampf verlieren kann. Insbesondere im Westen lässt sich eine politische Orientierungslosigkeit vieler „Linker“ beobachten, die auf einen Pro-NATO Kurs umgeschwenkt sind. Das Problem besteht darin, dass diese Vorstellungen vom Imperialismus keine wissenschaftlich fundierte Grundlage haben, die ihre weitreichenden Schlussfolgerungen begründen könnten. Die einfache Proklamation des strategischen Ziels des Sozialismus ersetzt nicht die mühevolle Aufgabe eine konkrete Strategie und Taktik für den Sozialismus zu entwickeln und sich dabei auf die tatsächlichen Bedingungen des Klassenkampfes in den verschiedenen Ländern zu beziehen.

Es fehlt in Deutschland als auch international eine Analyse des Imperialismus im 21. Jahrhundert. Wir denken nicht, dass dieser Mangel einfach von der KO allein behoben werden könnte. Dennoch wollen wir einen Beitrag für die Erarbeitung leisten und in dem Sinne in Richtung einer Klärung wirken. Damit haben wir in den letzten acht Monaten begonnen und wollen diese Klärung fortsetzen.

Antifaschismus oder doch eher Verharmlosung der Faschisten?

Es ist besorgniserregend in welchem Ausmaß in der Veröffentlichung zur „Richtigstellung“ die faschistischen Kräfte und ihre Rolle in der Ukraine verharmlost werden. Wir erleben aktuell eine Rehabilitierung des Faschismus und einen unverhohlenen Geschichtsrevisionismus. Diesen Fakt herunterzuspielen ist sehr gefährlich für die Arbeiterklasse.

In der Ukraine waren es faschistische Kräfte, welche den von den USA gesteuerten Putsch 2014 maßgeblich ermöglicht haben. Nach dem erfolgreichen Putsch sind sie dazu übergegangen, mithilfe des Staatsapparates und vor allem der Armee einen brutalen Krieg gegen die eigene Bevölkerung im Osten der Ukraine zu führen und hunderte Antifaschisten zu massakrieren. Zu diesen Kräften zählen natürlich auch der ehemalige Präsident Poroschenko als auch Selensky. 

Nach wie vor halten wir eine genaue Untersuchung der Verhältnisse der verschiedenen politischen Kräfte in der Ukraine für sinnvoll und notwendig. Auch wenn diese Aufgabe noch zu leisten ist, ist für uns klar, dass die Kräfte, die sich dem Putsch von 2014 und den faschistischen Kräften in der Ukraine heldenhaft entgegengestellt haben, unsere Solidarität und Unterstützung haben!

Revolution und Konterrevolution

Was nach 1990 in Russland geschah, war historisch einmalig. Im Zentrum des sozialistischen Lagers vollzog sich eine Konterrevolution, nach 70 Jahren sozialistischem Aufbau. Dieser Rückschritt stellt eine historische Besonderheit dar, die wir als Kommunisten besser verstehen müssen. Das gilt auch für die Restauration des Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern. 

Die Fragen und die Diskussionen rund um China, die es in der kommunistischen Bewegung gibt, wollen wir offen und ernsthaft diskutieren. Dass es sich dabei um eine komplizierte Diskussion handelt, ist offensichtlich. Die Zerstrittenheit der Bewegung beweist dies ständig auf ein Neues. Durch unsere Klassiker und die Errungenschaften im Aufbau des Sozialismus haben wir ein klares Sozialismusverständnis. Dies allein wird uns die Frage über die Einschätzung Chinas nicht beantworten. 

Wie wir die Entwicklung in China verstehen können, welche Rolle China gegenwärtig in der Welt spielt, die Frage, ob China sozialistisch ist oder nicht und was wir unter sozialistischem Aufbau verstehen und unter welchen Bedingungen er stattfindet – all das müssen wir gemeinsam mit anderen Kommunisten erarbeiten und diskutieren. Dieses Bestreben selbst schon als revisionistisch zu bezeichnen ist Idiotie.

Zum Krieg in der Ukraine

Als Organisation haben wir bislang kein klares Verständnis von den Hintergründen des Krieges. Die Einnahme eines festen Standpunktes, wie ihn die Fraktion seit Beginn der Militäroperation im Februar einfordert, täuscht über diesen tatsächlichen Mangel hinweg. Wir erkennen, dass es ein Problem ist, dass wir zu vielen wichtigen und akuten politischen Entwicklungen keinen klaren Standpunkt haben. Wir sind allerdings weit entfernt von einer Positionslosigkeit. Wir bleiben klipp und klar bei unserer unmissverständlichen Gegnerschaft zum deutschen Imperialismus und zur NATO. D.h. auch, dass wir die deutsche Arbeiterbewegung nicht zum Kampf gegen Russland aufstacheln werden. 

Sowohl in ihrer „Richtigstellung“ als auch in ihrem Antrag auf eine Resolution der KO, zeigen sich moralische Antikriegspositionen. Diese haben nichts mit einem ehrlichen Interesse zu tun, die Hintergründe und die Ursachen des konkreten Krieges besser zu verstehen. 

Der Krieg hat die Bewegung massiv unter Druck gesetzt. Innerhalb der KO haben die auseinandergehenden Vorstellungen zur Orientierung, d.h. dem praktischen Umgang mit dem Krieg, die Organisation auseinandergetrieben. Die Fraktionierer waren nicht bereit, eine gemeinsame, offene und produktive Suche nach den Hintergründen des Krieges zu gestalten. Wir werden diese Auseinandersetzung, die so offensichtlich die Bewegung lähmt und vor Probleme stellt, anpacken, ohne dabei Illusionen in einfache Antworten und Lösungen zu schüren.

Keine Organisierung möglich mit Fraktionierern – Zum Umgang mit dem Demokratischen Zentralismus

Zunächst wollen wir versuchen, der Bewegung gegenüber, die aus unserer Sicht sehr eindeutige Lage darzustellen: Die Vollversammlung der KO im April 2022 hat neben Beschlüssen zur Aktionsorientierung und zur Klärung eine Leitung gewählt. Die Fraktionierer stellen die Legitimität der Leitung in Frage und brechen, ohne dies zu verheimlichen, Beschlüsse, die von dieser gewählten Leitung gefällt wurden. Kritik an Entscheidungen und Handlungen ist legitim. Die Fraktionierer setzen sich allerdings über die Wahlentscheidung der letzten Vollversammlung hinweg und warten nicht die Beschlüsse einer nächsten Vollversammlung ab, sondern setzen unser Organisationsprinzip eigenmächtig außer Kraft. 

Es ist selbstverständlich die Verantwortung der Leitung gegenüber der Organisation, dass sie sicherstellt, dass die Organisation und die von ihr gewählte Leitung über die Mittel der Organisation verfügen kann. Dazu gehört natürlich auch die Website, als zentrales Aushängeschild der Organisation. Dasjenige Mitglied, das über die Website verfügt, hat jegliche Disziplin mit der Organisation gebrochen und sich auch verweigert den Zugang der legitimen Leitung zu überschreiben. Wir sahen uns gezwungen, die Bewegung über diesen unhaltbaren Zustand zu informieren und eine neue Seite aufzubauen, die voll unter der Verfügung der Leitung steht. Daraufhin wurde die alte Website vollumfänglich von der Fraktion gekapert. Sie betreibt diese nun ohne jegliche legitime Grundlage, eigenmächtig und setzt sich damit in vollkommen inakzeptabler Weise über die Entscheidungen der Vollversammlung der KO hinweg. Sie stellt sich als alternative Leitung einer „alternativen KO“ dar.

Sie vertreten die Vorstellung, dass der Kampf gegen den von ihnen erkannten „Revisionismus“ all ihr Handeln und damit auch jegliche Beschlussbrüche legitimieren würde. Diese Demontage des Demokratischen Zentralismus ist höchst gefährlich und schädlich. Auf dieser Grundlage ist eine gemeinsame Organisierung nicht zu machen. Ihre unreife und vorschnelle Bezichtigung von Teilen der Bewegung als Revisionisten, legt nahe, dass ihr Fraktionierertum längst zu einer wesentlichen Eigenschaft ihrerseits geworden ist. Sie empfehlen sich mit ihrem Verhalten in schlechtester Weise der kommunistischen Bewegung, da stets davon ausgegangen werden muss, dass sie sich außerhalb der Organisationsprinzipien stellen, sobald sie in einer eingeschlagenen Linie den Revisionismus zu erkennen glauben. 

Klärung, Disziplin und Offenheit zur Bewegung

Wir werden den Zweck der KO fortführen, uns mit größter Aktivität und Disziplin den Problemen und Mängeln der kommunistischen Bewegung zuwenden und an ihrer Überwindung arbeiten. Wir wollen den Zustand der Isoliertheit der Kommunisten von der Arbeiterbewegung überwinden und dafür die Gründe der Krise unserer Bewegung noch viel besser und umfänglicher verstehen. Die Auseinandersetzung der letzten Monate hilft uns dabei einige der Probleme, die wir an uns selbst erkennen können, deutlicher zu sehen. Dazu gehört nicht zuletzt eine schädliche, arrogante Selbstüberschätzung, die eine selbstkritische Entwicklungsdynamik verunmöglicht. Wir erkennen, dass die ideologischen Probleme der kommunistischen Bewegung sehr tief liegen und das Niveau der Auseinandersetzung oder gar die Bereitschaft dazu ungenügend sind. 

Wir geben die inhaltliche Grundlage unserer Arbeit, den Marxismus-Leninismus, die Erfahrungen des Sozialismus im letzten Jahrhundert und unseren bisherigen Diskussionsstand, den wir in den programmatischen Thesen festhalten, nicht auf. Wir müssen sie als Werkzeuge und nicht bereits als fertige Antworten zum Erkennen der politischen Lage und Entwicklung begreifen. Alle Positionen, die man selbst kritisch sieht, oder wozu man vor allem noch viel arbeiten müsste, einfach als revisionistisch zu bezeichnen und darauf mit Spaltung zu reagieren, verdreht die KO in ihr Gegenteil. Sie wurde gegründet, um eine offene, systematische und gründliche Klärung zu organisieren, weil das eben woanders aus unserer Sicht nicht stattgefunden hat. Das Vorgehen der Fraktion nun mit Spaltung und Diffamierung zu reagieren, wenn unter uns Dissens auftaucht, ist ein Hohn und ein Zeichen der Schwäche. Wer Argumente hat, wer weiter arbeiten und streiten will – der freut sich auf die Auseinandersetzung und fördert sie und jeden, der daran teilenehmen will.

Was das in Bezug auf die internationale kommunistische Bewegung heißt, ist ebenso absurd. Es werden handschlagartig die Hälfte aller Parteien als revisionistisch bezeichnet. Das war nie das Ziel der KO. Wir wollen die Diskussion und die gemeinsame Arbeit an den Fragen.

Wir wollen Klärung nicht für uns machen, in dem Sinne, als dass wir uns einfach auf bestimmte Standpunkte gemeinsam verständigen und dazu bilden. Wir wollen tatsächlich ran an die Probleme der Bewegung, damit wir in Deutschland eine starke revolutionäre Kraft aufbauen können. Wir wollen als KO die kommunistische Bewegung voranbringen und ihr nicht schaden. Inwiefern wir diesen Ansprüchen nicht gerecht geworden sind in den letzten Jahren gehört mit in eine selbstkritische und ehrliche Reflexion, die wir offen mit der Bewegung diskutieren wollen. Ein hämischer Blick auf die schlechte Entwicklung der Spaltung der KO ist leicht und doch fatal. Es ist selbst ein arroganter Blick auf die Realitäten der kommunistischen Bewegung, der nicht nach vorne weisend ist. 

Wir freuen uns in diesem Sinne auf Diskussionen mit und Rückmeldungen aus der kommunistischen Bewegung, auf Kritik an unserem Leitantrag und einen künftigen solidarischen, produktiven und kritischen Austausch.


[i] http://www.solidnet.org/article/22nd-IMCWP-RESOLUTION-on-the-imperialist-war-on-the-territory-of-Ukraine/ und http://www.solidnet.org/article/22nd-IMCWP-The-Struggle-Against-USA-and-NATO-Imperialism-which-Seek-World-Hegemony-is-the-Key-Task-of-the-Progressive-Forces/