Gastbeitrag von Oskar Kirsch
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Liebe Genossen und Genossinnen,
es freut mich außerordentlich, zu sehen, dass die Kommunistische Organisation die angestrebte Arbeitsweise des BolscheWikis – die Dissense in der Internationalen Kommunistischen Bewegung durch Diskussionen unter den kommunistischen Gruppierungen und wissenschaftliches Studium klären zu helfen – zur Vorbereitung des Kommunismus-Kongresses durch Analysen, Podcasts und Rezensionen auf breiter Grundlage anwendet. Der folgende Beitrag, der am 27. August 2022 fertig gestellt wurde, soll daran anknüpfen und darin einige weitere Aspekte beleuchten.
I. Die neue Etappe des Imperialismus
Mit dem Übertritt der Grenze zwischen Russischer Föderation und Ukraine am 24. Februar 2022 durch russische Truppen ist die Welt in eine neue Etappe des Imperialismus eingetreten: Zum ersten Mal haben reguläre Verbände der russischen Atommacht einen der am stärksten militärisch und ideologisch entwickelten Vorposten der beiden miteinander verzahnten imperialistischen Zentren und Atommächte USA und EU – oder, wenn man anders will: die Länder an der Spitze der imperialistischen Pyramide –, beschossen. Die Kämpfe dauern bis heute an. Die weitere Eskalation der Kämpfe, unter Umständen ein NATO-Bündnisfall und der Einsatz von erst taktischen und dann strategischen Nuklearwaffen könnten im Verhungern eines Großteils der Menschheit enden.
Niemals zuvor waren so reich entwickelte Produktivkräfte der Menschheit so eng in ihren Produktionsverhältnissen gefesselt. Die gigantischen weltweit verflochtenen Produktionskapazitäten an Nahrung, Kleidung, Baumaterial und Methoden der Energiegewinnung werden regelmäßig zu großen Teilen vernichtet anstatt die Hunderten Millionen Hungernden sich satt essen oder die Frierenden Kleidung und warme und helle Wohnungen bekommen zu lassen. Wir könnten zu den Sternen fliegen, die hintersten Winkel der Menschheitsgeschichte erforschen, um einander besser zu verstehen und unser Leben stetig verlängern. Stattdessen fließt Überschuss größtenteils in Militär, dekadenten Luxus oder wird bewusst reduziert – Kapitalismus, bei der der Reichtum der Bourgeoisie die Armut des Proletariats und der Bauern schafft.
Die Bourgeoisie, die schon zwei Weltkriege und Tausende kleinere Kriege verbrochen, Milliarden zu früh Gestorbene und die Bremsung des gesellschaftlichen Fortschritts der ganzen Welt auf dem Gewissen hat, dominiert seit weit über einem Jahrhundert und weder die Revolutionen des russischen noch des chinesischen Volkes konnten ihr bis jetzt den wohlverdienten Todesstoß versetzen. Bourgeois existieren heute in jedem Land und sie kämpfen miteinander um jedes Fleckchen Erde, jedes Gramm Rohstoff und jede Sekunde ausgebeutete Arbeitszeit. Teilweise sind sie gut organisiert und nennen Monopole ihr eigen, womit sie die Staats- und Hegemonieapparate zur Unterdrückung und Integration von Proletariat, Kleinbürgertum und Bauernschaft „unterwerfen“ (Stalin 1953, 52).
In den imperialistischen Zentren hat sich die Bourgeoisie als Finanzkapital konzentriert – aktuell geführt aus den USA. Über die Banktrusts Blackrock, Vanguard und Co. beeinflusst es die Firmen- und Politikentscheidungen ihrer Anlageorte, versucht, diese zu kontrollieren (vgl. Rügemer 2018, 12 sowie Bina 2022b) und über Stiftungen, Presse, Parteien und Wissenschaft unterhält es eine Armee von Lohnschreibern zur Manipulation der öffentlichen und privaten Meinung. Dabei stützt es sich auf regionale Kompradoren, die durch den politischen, geheimdienstlichen und militärischen Druck der imperialistischen Zentren in ihren Machtpositionen gehalten werden und sich für das jeweilige Stillhalten einen Teil der Profite einstreichen dürfen.
Zwischen Kompradorenbourgeois und dem führenden Finanzkapital in den USA besteht seit dem Zweiten Weltkrieg aufgrund der massiven ökonomischen und militärischen Überlegenheit der USA ein relativer Waffenstillstand – bei zu Grunde liegender Normalität des Dauerkriegszustandes innerhalb des Imperialismus. Gerne würde der deutsche Imperialismus seinen dritten Anlauf zur Weltdominanz nehmen, wird aber von den USA noch erfolgreich niedergehalten.
Die beiden anderen wirtschaftlich und militärisch eigenständigen Zentren im imperialistischen Weltsystem sind die Russische Föderation und die Volksrepublik China. Der Rest der Länder verhält sich jeweils zu einem oder mehrerer dieser Zentren in unterschiedlichem Maße als Halbkolonie. Echte Kolonien existieren bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr.
Um die Produktivkräfte zu befreien und die Überproduktionskrisen und die Kriegszirkularität des Kapitalismus zu beenden, steht die Menschheit vor der Aufgabe, das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus von der Sicherung des Maximalprofits praktisch durch das des Sozialismus zu ersetzen: „Sicherung maximaler Befriedigung der ständig wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft durch ununterbrochenes Wachstum und ununterbrochene Vervollkommnung der sozialistischen Produktion auf der Basis der höchsten Technik“ (Stalin 1953, 49). Der Vortrupp der revolutionären Klasse des Proletariats, welches die schwankenden Schichten mit sich ziehen muss, um sich gegen die Bourgeoisie durchsetzen zu können, sind die Kommunistischen Parteien:
- Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) – 95 Millionen Mitglieder1 – versucht auf dem Wege des „Sozialismus chinesischer Prägung“ mit einer „sozialistischen Marktwirtschaft“, nachdem die Revolution und der ökonomische Wechsel gelungen waren, die sozialistische Produktion durch marktwirtschaftliche Elemente letztendlich zu vervollkommnen und sich so auch darauf vorzubereiten, einen Vernichtungsschlag des US-Imperialismus gegen sich selbst als mächtigsten Gegner abwehren zu können.
- Die Partei der Arbeit Koreas – 7 Millionen Mitglieder – versucht, gegen den US-Imperialismus militärisch wehrhaft zu werden und aus einer Position der Stärke heraus die Wiedervereinigung Koreas zu erreichen.
- Die Kommunistische Partei Vietnams – 3,6 Millionen Mitglieder – versucht, Neutralität zu wahren und derweil die Landesproduktion zu entwickeln.
- Die Kommunistische Partei Kubas – 670.000 Mitglieder – versucht, der Blockade zu trotzen und der Welt ein leuchtendes Beispiel für den inklusiven Charakter des Sozialismus zu geben.
- Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) – 160.000 Mitglieder – versucht, das russische Volk zu vereinen und das Erbe der Sowjetunion unter kapitalistischen Bedingungen zu verteidigen.
- Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) – mehrere 10.000 Mitglieder und eine parteinahe Gewerkschaft mit knapp einer Million Mitglieder – versucht in einem dem deutschen und dem US-Imperialismus halbkolonial untergeordneten Land die Arbeiterklasse für eine sozialistische Revolution zu organisieren.
II. Spaltung in der Internationalen Kommunistischen Bewegung
Anlässlich des Grenzübertritts am 24. Februar hat die KKE zusammen mit weiteren Parteien – inzwischen über 40 – eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Von den meist kleineren unterzeichnenden Parteien sind die bedeutendsten die South African Communist Party mit 200.000 sowie die KKE selbst als Initiatorin. Dabei ist unbekannt, inwieweit die Formulierungen der Erklärung von jedem Mitglied getragen werden, wie sie in den unterschiedlichen Sprachen jeweils verstanden werden und ob manche Unterzeichnungen nur das Ergebnis kurzfristiger Mehrheiten in Führungsgremien sind, die die Auffassungen der Parteibasis nicht korrekt abbilden. Dennoch trat mit der Erklärung ein relevanter Teil der Internationalen Kommunistischen Bewegung auf.
Darauf bat die KPRF darum, folgenden Satz zu streichen: „Die Entscheidung der Russischen Föderation, zunächst die ‚Unabhängigkeit‘ der sogenannten ‚Volksrepubliken‘ im Donbass anzuerkennen und dann unter dem Vorwand der ‚Selbstverteidigung‘ Russlands, der ‚Entmilitarisierung‘ und ‚Entnazifizierung‘ der Ukraine zu einer Militärintervention überzugehen, diente nicht dem Schutz des Volkes in der Region oder dem Frieden, sondern den Interessen der russischen Monopole auf ukrainischem Territorium, und ihrer erbitterten Konkurrenz mit den westlichen Monopolen“ (Joint Statement 2022) oder durch folgenden zu ersetzen: „Der Zweck der militärischen Sonderoperation zielt darauf ab, Millionen von Menschen, die seit acht Jahren unter Belästigung und Völkermord durch das Kiewer Regime leiden, zu schützen“ (Internationale Abteilung des ZK der KPRF 2022a). Den Rest der Erklärung trug die KPRF mit. Dies ist nachvollziehbar, da die Initiative für die Anerkennung der Volksrepubliken und die damit verbundene staatliche russische Militär- und Wirtschaftshilfe seit dem Maidan-Putsch primär von der KPRF ausging. Sie selbst war auch Hauptakteur der humanitären Hilfe und hat die Verteidigung der Volksrepubliken gegen militärische Angriffe immer unterstützt.
In ihrer Erwiderung greift die KKE Sjuganow als ihrer Einschätzung nach ideologischen Hauptvertreter der KPRF an, argumentiert mit den Rohstoff- und Marktzugängen der russischen Bourgeoisie in der Ukraine als Kriegsgrund und stellt die russische Bourgeoisie als in der Russischen Föderation seit 1990 quasi unverändert ruchlos und dominierend dar (vgl. Abteilung Internationale Beziehungen des ZK der KKE 2022a). Dazu stellt sie zum Verhältnis Russland-Ukraine fest: „Als sich in der Ukraine die Goebbels-Propaganda verbreitete, leistete Russland der Ukraine, mit den Worten W. Putins, ‚materielle Unterstützung‘“. Putin würde einen „Ideologen des Faschismus“ der russischen Jugend empfehlen und die KPRF würde dieser Regierung nun folgen (vgl. ebd.). Dennoch wurde der zur Streichung erbetene Passus seitens der KKE nicht wiederholt, sondern die Teile betont, bei denen die KPRF signalisiert hatte, sich ebenfalls anschließen zu können und versucht, die Debatte – wenn auch polemisch – zu vertiefen.
Darauf antwortete die KPRF wiederum ihrerseits, dass der Charakter des Krieges „ein nationaler Befreiungskrieg der Menschen im Donbass“ und „aus russischer Sicht ein Kampf gegen eine äußere Bedrohung der nationalen Sicherheit und gegen den Faschismus“ sei (Internationale Abteilung des ZK der KPRF 2022b). Dazu sei die russische Bourgeoisie gegen den Militäreinsatz gewesen und hätte kein Interesse an der Ausbeutung der ukrainischen Ressourcen, da sie sich in ihrer Mehrheit mit dem US-Finanzkapital gut stellen wollte. Es sei nicht die KPRF, die der Linie der russischen Regierung folge, sondern umgekehrt müsse die Regierung „unter dem Druck historischer Imperative dem Weg folgen, den die KPRF seit drei Jahrzehnten vertritt“ (ebd.).
Die parallel gelaufene Kontroverse zwischen der Russischen Kommunistischen Arbeiterpartei (RKAP) – 60.000 Mitglieder – und der KKE, die sehr viel heftiger verlief, weil es eine engere gemeinsame Geschichte der beiden Parteien gibt, drehte sich primär um die unterschiedliche Einschätzung der imperialistischen Stärke der Russischen Föderation, der faschistischen Qualität der NATO-Staaten und der Bündnispolitik der RKAP sowie die Kultur der Zusammenarbeit zwischen den Kommunistischen Parteien (vgl. Politischer Rat des ZK der RKAP 2022a, Abteilung Internationale Beziehungen des ZK der KKE 2022b, 2022c sowie Internationale Abteilung des ZK der RKAP 2022 und Internationale Kommission des ZK der RKAP 2022 als auch Düll 2022b).
Unterm Strich hätte man sich etwas mehr Sensibilität der drei Parteien für die unterschiedlichen Umstände in den jeweiligen Ländern gewünscht – gerade jetzt, wo der Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit besonders auf den radikaleren gesellschaftlichen „Abweichlern“ liegt, um den Konsens der Mehrheit besser manipulieren zu können. Beispielhaft bei folgendem Fall: „So veröffentlichte G. Zyuganov Fotos der Kundgebung der KKE erneut in den sozialen Medien und interpretierte sie als Unterstützung für die sogenannte russische Welt … Diese Nachricht erschien in einer bürgerlichen Zeitung unseres Landes, die versuchte, die KKE der Doppelzüngigkeit und Unterstützung des kapitalistischen Russlands zu beschuldigen“ (Abteilung Internationale Beziehungen des ZK der KKE 2022a). Mit diesem Problem des Fünfte Kolonnen-Vorwurfs haben alle Kommunistischen Parteien in NATO-Ländern zu tun. In der BRD ist die Parteinahme für Russlands militärisches Vorgehen sogar unter Strafe gestellt, auch wenn einem die Heuchelei dabei, zieht man einen Vergleich zu anderen ebenfalls als völkerrechtswidrig gekennzeichneten Militärhandlungen der Vergangenheit, fast die Schuhe ausziehen kann. Auf der anderen Seite ist die beschriebene Lage von KPRF und RKAP keine einfache und Polemiken – insbesondere ungenaue – in der Öffentlichkeit sind unter diesem Druck leichter dazu geeignet, als anmaßend empfunden zu werden. So ist eine weitere Spaltung in der Internationalen Kommunistischen Bewegung entstanden, deren weiterer Verlauf und Konsequenzen noch schwer abzusehen sind.
III. Die Haltung der deutschen Kommunisten zur neuen Etappe
Wie ist die Haltung der deutschen Kommunisten zum Grenzübertritt?
Die Kommunistische Plattform in der Partei DIE LINKE – 1.000 Mitglieder – ist sich uneins: „Manche meinen, die Ignoranz des Westens gegenüber den begründeten Forderungen nach Sicherheitsgarantien seitens der Russischen Föderation rechtfertigten die Anerkennung der »Volksrepubliken« Donezk und Lugansk durch Russland. Andere halten es für ungerechtfertigt…Keine Meinungsunterschiede gibt es hinsichtlich der Legitimität russischer Sicherheitsinteressen, vor allem im Zusammenhang mit der wortbrüchigen NATO-Osterweiterung und dem Boykott der Minsker Vereinbarungen durch den Westen und Kiew. Die KPF hat sich zu diesen Fragen seit Jahr und Tag immer wieder eindeutig geäußert und sieht keinen Grund, ihre Position in Frage zu stellen, dass die NATO und vor allem der US-Imperialismus die Hauptverantwortung dafür tragen, dass die Weltlage heute so ist, wie sie ist.“ (Bundessprecherrat der KPF 2022).
Die Deutsche Kommunistische Partei – 2.800 Mitglieder – sieht die Anerkennung der Volksrepubliken durch die Russische Föderation, das Beistandsabkommen sowie die militärischen Aktivitäten auf dem Territorium der Volksrepubliken als völkerrechtskonform an und ist sich uneins bei den Kampfhandlungen im Rest der Ukraine: zu „verurteilender Angriffskrieg“ oder „präventive Verteidigung gegen einen Angriff der Ukraine, hochgerüstet und letztlich politisch dirigiert durch USA und NATO“ (Köbele 2022).
Die Kommunistische Partei Deutschlands – 150 Mitglieder – sieht einen Ablenkungscharakter: „Je mehr wir Kommunisten in Europa uns mit diesem einen Krieg in der Ukraine beschäftigen, desto weiter rücken die anderen politischen Ereignisse auf der ganzen Welt in unserem Bewußtsein in den Hintergrund“ (Geppert 2022, 1) und verweist auf die Medienpropaganda: „Durch die hiesigen Medien wurde und wird Rußlands Rolle im Ukraine-Konflikt maßlos aufgeblasen. Das ist die Begleitmusik dazu, daß sich einige wenige aber einflußreiche Kräfte die Hände reiben, denn endlich gibt es wieder eine günstige Gelegenheit, die Welt ein Stückchen weiter neu aufzuteilen, dieses Mal auf Kosten des russischen Kapitalismus“ (Schöwitz 2022).
Die KO ist sich ebenfalls uneins und variiert leidenschaftlich zwischen folgenden Positionen:
a.
- 1. Russland ist kapitalistisch (vgl. Bina 2022, Kiknadze 2022, Kissel 2022a).
- 2. Der Grenzübertritt diente der Verhinderung eines späteren NATO-Angriffes von ukrainischem Territorium aus (vgl. Düll 2022a, Kiknadze 2022, Kissel 2022a).
- 3. Er fand gegenüber einem nicht souveränen Staat statt (vgl. Düll 2022a, Kiknadze 2022).
- 4. Die Lage der Arbeiterklasse in Russland und der Ukraine würde sich durch ihn verbessern (vgl. Bina 2022, Düll 2022a, Kiknadze 2022, Kissel 2022a).
- 5. Man müsse deshalb allein gegen die NATO agitieren (vgl. Bina 2022, Kissel 2022b).
und b.
- 1. Russland ist imperialistisch (vgl. Aurora 2022, Barth 2022, Hensgen 2022, Hensgen & Spanidis 2022, Honer 2022, Müller 2022, Oskar 2022, Relko 2022, Saidi 2022a, Spanidis 2022a & b, Spanidis & Vermelho 2022), China auch (vgl. Hensgen 2022, Hensgen & Spanidis 2022, Honer 2022, Medina 2022, Müller 2022, Oskar 2022, Saidi 2022a & b, Spanidis 2022a & b, Spanidis & Vermelho 2022).
- 2. Die NATO würde „rationalen Interessen folgen und keinen selbstmörderischen Angriffskrieg gegen Russland“ beginnen wollen (Spanidis 2022a, vgl. auch Aurora 2022, Hensgen 2022, Spanidis & Vermelho 2022).
- 3. Der Grenzübertritt war ein Angriff auf einen souveränen Staat (vgl. Spanidis 2022a).
- 4. Die Lage der Arbeiterklasse in Russland und der Ukraine würde sich durch ihn verschlechtern (vgl. Aurora 2022, Hensgen 2022, Hensgen & Spanidis 2022, Müller 2022, Oskar 2022, Saidi 2022a, Spanidis 2022a, Spanidis & Vermelho 2022).
- 5. Konsequenz sei, den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg aus der BRD heraus zu verurteilen und auf dieser Basis Bündnisse in der Friedensbewegung gegen Waffentransporte, Aufrüstung und die NATO zu schließen (vgl. Hensgen & Spanidis 2022, Spanidis 2022a).
Zur Klärung der Grundlagen dieser Varianz hat die KO Podcasts zur Kongress-Vorbereitung aufgenommen, in denen die fünf Streitpunkte diskutiert wurden:
Zu 1. Charakter des russischen Staates
Koppe sieht Russland als ein nicht-imperialistisches, vom Imperialismus teilweise halbkolonial abhängiges, kapitalistisches Land mit einer Kompradorenbourgeoisie, deren Monopole durch die Aneignung von sozialistischem Eigentum entstanden seien (vgl. 2022, 20:15). Zavatzky sieht die Kompradorenbourgeoisie vordergründig auf der Extraktion von Rohstoffen fußend und eine im Verhältnis zur NATO geringe konventionelle Militärstärke (vgl. 2022b, 80:45). Die Bourgeoisie sei mehrheitlich gegen den Grenzübertritt gewesen, da sie kein Interesse an ukrainischem Territorium habe. Russland sei reich genug an Boden und Rohstoffen. Zahlreiche Milliardäre protestierten deshalb dagegen oder flüchteten aus Russland (vgl. ebd., 15:35). Corell sieht eine Aufteilung in Kompradoren- und nationale Bourgeoisie und verweist auf die dazugehörige historisch von der KPCh stammende Volksdefinition als bestehend aus Bauern, städtischem Kleinbürgertum, Proletariat und nationaler Bourgeoisie (vgl. 2022, 39:35). Er sieht Russland ebenfalls als Halbkolonie und damit als einen „Staat, der politisch souverän scheint, aber ökonomisch vom Imperialismus abhängig ist“ (ebd., 15:20). Dies würde durch die nicht dominierende Stellung der russischen Unternehmen auf dem Weltmarkt bestätigt (vgl. ebd., 54:35). Zeise hält die Begriffe National- und Kompradorenbourgeoisie, welche antirussisch und pro-amerikanisch sei (vgl. 2022, 67:50), ebenfalls für anwendbar auf Russland, sieht aber das Finanzkapital einen russischen Imperialismus führend (vgl. ebd., 75:20). Lauterbach stimmt zwar dieser begrifflichen Unterscheidung innerhalb der russischen Bourgeoisie nicht zu, beschreibt aber ebenfalls eine westangebundene Kapitalistengruppe und eine, die von Staatsaufträgen lebt (vgl. 2022, 107:00). Zenker sieht das Vorhandensein eines russischen Monopolkapitals und einer Finanzoligarchie und deshalb einen russischen Imperialismus (vgl. 2022, 32:45). Bauer verweist auf die historisch hohe Bedeutung des russischen Volkes in der Zeit der Sowjetunion, dessen sich die Russen heute weiter bewusst seien und deshalb ihre bedeutende Rolle in der Welt wieder erlangen wollten (vgl. 2022, 28:25). Dazu nennt er China, ein Land mit „sozialistischem Anspruch“, als eigentlichen „Hauptgegner“ der USA (ebd., 63:30), welches für ihn eine „große Hoffnung“ darstellt, da die KPCh die Landesentwicklung kontrolliere und erfolgreich eine regulierte Marktwirtschaft etabliert (vgl. ebd., 64:40). Dies begründet er allgemein mit den zwei Seiten einer sozialistischen Gesellschaft und Staatlichkeit: der politischen und der ökonomischen Macht. Die erstere würde von der KPCh ausgeübt und diese müsse in Zukunft beweisen, dass die dortige Ökonomie sich auf Basis dieser Macht in eine sozialistische Richtung entwickele (vgl. ebd., 68:22).
Zur Analyse des Klassencharakters des russischen Staates wären darüber hinaus noch hinzuzufügen die Analysen von Genosse Jeremiah, dass der russische Kapitalexport im Vergleich zu den Kapitalexporten der führenden imperialistischen Staaten weitaus weniger bedeutend und der russische Staat deshalb nicht imperialistisch sei (vgl. 2022, 34ff.) sowie von Stiller, der das hohe Gewicht des russischen Staatsbesitzes betont (vgl. 2022, 51ff.).
Zusammengenommen lassen die skizzierten Analysen sowie die vielfach erwähnte mangelnde Auseinandersetzung mit dem engsten Bündnispartner Russlands – China – die These vom imperialistischen Charakter des russischen Staates und dessen zukünftigen imperialistischen Agierens etwas wackelig erscheinen. Durch die Schwächung der Kompradorenbourgeoisie wird das Gewicht des staatlichen Eigentums weiter zunehmen und dadurch auch den politischen Einfluss der Nationalbourgeoisie schmälern. So steigt der mögliche Einfluss des Proletariats und des Kleinbürgertums auf das Staatshandeln, welchem dazu durch ein fehlendes herrschendes privates Finanzkapital keine Klassenbasis für imperialistische Eroberungen zu Grunde liegen wird. Damit steigt auch tendenziell die Bedeutung von diplomatischer Zusammenarbeit und der Vereinbarung von zwischenstaatlichen wirtschaftlichen Kooperationen. Der Klassencharakter des chinesischen Staates wird deshalb in Zukunft eine noch viel größere Auswirkung auf den des russischen Staates haben. Die Taiwan-Frage macht deutlich, dass die internationale Kommunistische Bewegung sich bald genötigt sehen wird, den Charakter des chinesischen Staates ebenfalls genauer zu analysieren. Dafür müssten hierzulande unter anderem Kunzmanns Replik (2018) auf Spanidis (2016) sowie Flegels und Gepperts ökonomische Analyse Chinas (2020) grundlegender untersucht werden.
Zu 2. Kriegsanlass
Kissel beschreibt, dass dem Grenzübertritt eine „geplante Invasion der ukrainischen Armee auf den Donbass vorausging. Das heißt, Truppen wurden massiert und der militärische Aktionsplan der ukrainischen Regierung sah eine Rückeroberung der Volksrepubliken und der Krim vor. Dann hat die Anerkennung der Volksrepubliken und der militärische Beistand durch die Russische Föderation stattgefunden“ (2022c, 5:25), was Zavatzky ähnlich sieht (vgl. 2022b, 10:00). Wagner führt die massiven Waffenstillstandsverletzungen als Indizien eines für die russische Seite so verstehbaren bevorstehenden ukrainischen Einmarsches an (vgl. 2022, 13:50), während Lauterbach das für nicht nachgewiesen hält (vgl. 2022, 140:45).
Hinzuzufügen wären die Einschätzungen der KPRF und der RKAP zu der sie selbst scheinbar bedrohenden Lage: „Gleichzeitig war die Stationierung taktischer US-Atomwaffen in der Ukraine im Gespräch. Die Ukraine, die über vier Atomkraftwerke und ein beträchtliches wissenschaftlich-technisches Potenzial verfügt, hat mit den Vorbereitungen zur Herstellung einer eigenen Atomwaffe begonnen. Unter der Schirmherrschaft des Pentagon errichtete die Ukraine mehr als 30 Labors zur Entwicklung bakteriologischer Waffen. Es gibt Dokumente, die belegen, dass diese Labors mit besonders gefährlichen Bakterien tödlicher Krankheiten arbeiteten und Methoden untersuchten, sie auf Menschen verschiedener Rassen zu verteilen. All dies stellt nicht nur eine Bedrohung für Russland dar, sondern für die gesamte Menschheit“ (Internationale Abteilung des ZK der KPRF 2022b). Und: „Die Imperialisten brachten die NATO zielstrebig näher an die Grenzen Russlands heran und arbeiteten daran, Russland zu schwächen, um eine immer größer werdende, überhängende Bedrohung für Russland zu schaffen. Angefangen bei Raketen mit minimaler Flugzeit bis hin zu einem Netz von biologischen Labors mit der Aussicht auf neue biologische Waffen“ (Politischer Rat des ZK der RKAP 2022a). Hinweise auf US-Biowaffenlabore gibt es auch in zahlreichen anderen Ländern wie Kasachstan (vgl. Zavatzky 2022a).
Der Klassencharakter des US-amerikanischen Staates als vom weltweit führenden Finanzkapital unterworfen und mit dem deshalb höchsten Verfaultheitsgrad legt nahe, dass es den Plan verfolgt, das russische Volk bei Bedarf biologisch und atomar zu großen Teilen ausrotten zu können. Das hätte es leichter aus der Ostukraine heraus und mit einer zurückeroberten Krim tun können. Der jetzt stattfindende Versuch der wirtschaftlichen Erdrosselung war sichtbar die mildeste intendierte Folge der US-Zustimmung zu den offensiven ukrainischen Militäraktivitäten.
Zu 3. Charakter des ukrainischen Staates
Bauer spricht von „Selbstverteidigung“ in Bezug auf das Völkerrecht (vgl. 2022, 33:00) und zur präventiven Selbstverteidigung sagt Sjuganow: „Im militärpolitischen Bereich müssen Entscheidungen dann getroffen werden, wenn sie die größte Wirkung erzielen“ (2022). Wagner argumentiert, warum sich die Russische Föderation nicht auf das UN-Selbstverteidigungsrecht berufen könne, sondern einen völkerrechtswidrigen Präventivkrieg gestartet hätte (vgl. 2022, 28:40). Zenker nennt es „imperialistischer Angriffskrieg“ (2022, 75:10). Lena weist darauf hin, dass das Völkerrecht aber nur von einer starken organisierten Arbeiterschaft durchgesetzt werden könne (vgl. 2022, 89:50). Die Ukraine sieht Lauterbach in einer „de facto Marionettenrolle“ in „extremer finanzieller Abhängigkeit von westlichen Zuwendungen“, aber nicht als Kolonie, die gänzlich „keine eigene politische Subjektivität“ habe (2022, 19:50). Er (vgl. 2022, 77:45) sowie Fazolo (vgl. 2022, 22:10) halten die Staatsform in der Ukraine für keinen Faschismus an der Macht. Zavatzky hält die Qualität des Faschismus in der Ukraine für vergleichbar mit lateinamerikanischen Formen des Faschismus in einem Peripherieland (vgl. 2022b, 47:20). Die Bevölkerung in den Volksrepubliken möchte laut Koppe lieber zu Russland gehören als zu einer unreformierten Ukraine (vgl. 2022, 17:30).
Faschismus an der Macht als offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals trifft aufgrund des großen Anteils an Verdecktheit in der Ukraine noch nicht zu. Durch den zu geringen Einfluss der Sozialdemokratie als objektiv gemäßigtem Flügel des Faschismus gelang es auch noch nicht, eine ausreichende Massenbasis für einen Faschismus an der Macht zu organisieren. Dennoch ist das Vorhandensein der verdeckten terroristischen Diktatur dieser Elemente des Finanzkapitals der Beweis für die nicht vorhandene Souveränität des ukrainischen Staates. Dazu wollten große Teile der als „Neurussland“ bezeichneten Gebiete seit 2004 stetig steigend in die Russische Föderation und haben damit auch die Einheitlichkeit des ukrainischen Staatsgebietes in Frage gestellt. Eine größere Autonomie der Gebiete innerhalb der Ukraine wäre nur ein Kompromiss mit dieser Bewegung gewesen.
Im Völkerrecht gibt es dafür eine aus der Kolonialbefreiung entstandene, aber bisher selten angewandte Grundlage innerhalb des Selbstbestimmungsrechtes der Völker: Unter nicht diskriminierenden Bedingungen müssen Entscheidungen über Aufteilungen eines Staatsgebietes im Gesamtstaat und innerhalb dessen Verfassung durchgeführt werden. Dies fand in der Ukraine nicht statt. Wenn eine Regierung aber nicht „die gesamte Bevölkerung des Gebiets ohne Unterschied der Rasse, des Glaubens oder der Hautfarbe vertritt“ (Generalversammlung der Vereinten Nationen 1970, 7), entfällt die an selber Stelle ausgedrückte Ablehnung von „Maßnahmen, welche die territoriale Unversehrtheit oder die politische Einheit souveräner und unabhängiger Staaten…ganz oder teilweise auflösen oder beeinträchtigen würden“. Damit entfällt die Notwendigkeit der gesamtstaatlichen Abstimmung und da ein eigenes Volk mit eigenständigen Rechten existiert, welches von einem anderen Volk im bisherigen Staat unterdrückt wird, hat das unterdrückte Volk auch Anrecht auf diplomatische und im zweiten Schritt militärische Beihilfe durch die Vereinten Nationen. Formal gesehen ist das Völkerrecht somit auch für diesen Fall relativ gut ausgearbeitet und würde man es vom Standpunkt der Völker anwenden, würden sich die meisten Konflikte auf der Welt zwischen diesen damit lösen lassen. Da aber internationales Recht seiner gesellschaftlichen Basis entspringt, dient es in der Epoche des Kapitalismus im Stadium des Imperialismus primär dem führenden Finanzkapital. Unter diesen Bedingungen hatten und haben auch sozialistische und halbkoloniale Staaten wenig Interesse an einem generellen Recht auf Sezession, da dieses vom Finanzkapital zu ihrer Destabilisierung missbraucht würde. In diesem Zusammenhang hat die Russische Föderation als eines der beiden unabhängigen dem führenden Finanzkapital gegenüber feindlich eingestellten Wirtschafts- und Militärzentren kein grundsätzliches Interesse an der Sezession gehabt, da eine Kompromisslösung in der Ukraine mehr Gelegenheit gegeben hätte, den Einfluss des US- und EU-Finanzkapitals auf nicht-militärischem Wege zurückzudrängen und damit mehr den Interessen des gesamten russischen Volkes zu entsprechen. Allein die Kriegsorientierung des US-Finanzkapitals und seiner ukrainischen Kompradoren hat dies verhindert. Die Russische Föderation hat mit ihren Verhandlungsbemühungen auch die ganze Zeit dem Völkerrecht entsprochen, obwohl eine schon frühere Militärbeihilfe von diesem ebenfalls abgedeckt gewesen wäre. Der völkerrechtskonforme Weg für eine Militärbeihilfe wäre aber eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrates. Da mindestens die USA wiederum dort ein Veto eingelegt hätten, hat die Russische Föderation durch ihren Grenzübertritt – unter der Prämisse, die feindlichen Verbände, die an der Unterdrückung des russischen Volksteils im Donbass beteiligt sind, kampfunfähig zu machen – dem Willen eines Teiles der Völkerrechts-Gesetzgeber wie der Sowjetunion, aber nicht dem der aktuell dominierenden Gesetzausleger entsprochen. Die aktuelle in der BRD vorgeschriebene Kennzeichnung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges ist deshalb korrekt – wenn man sich auf den Standpunkt des US- und EU-Finanzkapitals und ihrer Lakaien stellt.
Zu 4. Veränderung der Lage der Arbeiterklasse
Lauterbach sagt, dass die russische Militäroperation bisher das Gegenteil ihres Zieles der Demilitarisierung wie auch der Entnazifizierung bewirkt hätte (vgl. 2022, 142:20) und, dass es der russischen und ukrainischen Arbeiterklasse durch sie nicht besser gehen würde (vgl. ebd., 56:00). Zenker sieht dies ähnlich, insbesondere, weil immer Arbeiter aufeinander schießen sollen (vgl. 2022, 82:30).
Wiegt man das bisher zerstörte Militärpotential gegen das hinzugekommene in der Ukraine auf, kann in Bezug auf die Ukraine eindeutig von einer Demilitarisierung gesprochen werden. Eine Militarisierung fand eher in anderen Ländern statt, diese waren aber auch nicht erklärte Ziele der Russischen Föderation. Die Anzahl der bewaffneten faschistischen mordbereiten und foltererfahrenen Getöteten ist so groß, dass die gestiegene ideologische Faschismusbereitschaft in der Ukraine qualitativ als von sehr viel geringerer Bedeutung eingeschätzt werden kann. Anders herum ist es wiederum in anderen Ländern wie der BRD.
Die Zerstörungen und Totenzahlen sowie die auf beiden Seiten unkonstruktiv für Waffen und Kriegslogistik verwendeten Produktionskapazitäten lassen die Lage der ausgebeuteten Klassen kurzfristig deutlich schlechter erscheinen. Langfristig gesehen kämpfen die russische Arbeiterklasse und das Kleinbürgertum – einschließlich Donbass, bzw. Neurusslands – dafür, eine Unterwerfung durch das US- und EU-Finanzkapital sowie die steigende Gefahr eines Dritten Weltkrieges bei einer weiteren Aufrüstung und Faschisierung der Ukraine abzuwenden. Dass dies aktuell nur unter kurzfristiger Erhöhung der Gefahr eines Dritten Weltkrieges und unter großen Opfern realisierbar erscheint, liegt nicht primär im Willen der kämpfenden unterdrückten Klassen, sondern im Grad der Verfaultheit des Finanzkapitals begründet.
Zu 5. Losungen
Da die Podcast-Gäste größtenteils individuell publizistisch tätig sind, konzentrieren sie sich mehr auf die Agitation innerhalb der deutschen Online-Öffentlichkeit als auf Straßenpropaganda und treffen insoweit kaum Aussagen über die richtigen Losungen in der aktuellen Lage.
Dazu scheint der Wunsch nach richtigen Losungen im Angesicht der Schwäche der deutschen Kommunisten – denkt man nicht, dass es nur allein schon der richtigen Losungen bedürfe, um die Massen zu versammeln – öfter unter der Prämisse aufzutreten, dass man die Richtung der Politik nicht grundsätzlich ändern könne, aber anhand des fortlaufenden schlechten Handelns der eigenen Regierung sowie des Erklärens der Hintergründe gegenüber der Arbeiterklasse zeigen könnte, wie überzeugend der Sozialismus sei, in dem so etwas dann nicht mehr stattfände oder zumindest vom gewerkschaftlichen Klassenkampf überzeugen könnte, der einem eine bessere materielle Lage beschere, weil das Kapital sonst leichtes Spiel habe. In diesem Zusammenhang wirkt die Bezugnahme auf den Krieg in der Ukraine manchmal eher wie ein Instrument, um zeigen zu können wie schlecht der Kapitalismus für die Ausgebeuteten ist und es scheint – offensichtlich aufgrund einer eher pessimistischen Sichtweise – weniger darum zu gehen, die Umstände, die den Krieg von Deutschland aus unmittelbar am Laufen halten, wirklich zu ändern, auch unter der Erkenntnis, dass man an der Bereitschaft des US-Finanzkapitals, den Krieg weiter zu eskalieren, wiederum wirklich nicht viel ändern kann. Diese Umstände sind zuallererst die Finanzhilfe sowie die Waffen- und Truppentransporte über deutschen Boden. Für die Änderung dieser Umstände bräuchte man aber Bündnisse, und zwar schnell. Die kommunistischen Gruppen müssten durch Demonstrationen, Flugblattverteilungen und Online-Agitation mit den Massen zusammen Druck auf Nicht- und LINKE-Wähler sowie die Gewerkschaften ausüben, die ihrerseits Druck auf die SPD-Wähler ausüben, sodass die SPD die Führungsgruppe um Scholz stürzt und die Regierung verlässt. Gleichzeitig müsste es Agitation in den sozialdemokratischen Teilen des CDU- und CSU-Klientel geben – Beispiel: Kretschmers Linie gegen Merz’ Linie unterstützen –, damit diese das Geschäft nicht einfach fortführt. Jede Spaltlinie zwischen Kompradoren- und Nationalbourgeoisie, zwischen Bourgeoisie und Kleinbürgertum, zwischen Arbeiteraristokratie und Proletariat müsste zu Ungunsten des Krieges ausgenutzt werden, um der Politik von Grünen und FDP als aktueller Hauptstütze des US-Finanzkapitals sowie deren Massenbasis einen empfindlichen Ansehensverlust zuzufügen. Parallel müssten die hiesigen Truppen- und Waffentransportwege identifiziert, unter breiter Beteiligung durch zivilen Widerstand empfindlich gestört und ihr Vorhandensein diskreditiert werden. Dabei kann man mit zahlreichen Partnern in der Friedensbewegung Bündnisse schmieden – unabhängig davon, ob man das Handeln der ukrainischen oder der russischen Regierung unterschiedlich bewertet. Für eine solche Massenagitation und solche Bündnisse bräuchte man allerdings wirklich die richtigen Losungen, wenn man sich nicht zum Anhängsel der Bürgerlichen machen will. Ob diese aber aus dem klassischen Repertoire wie „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ stammen sollten oder ob im Angesicht der zurzeit vorhandenen potentiellen Bündniskräfte nicht andere Standpunkte wie „Keine deutsche Einmischung mehr in die Angelegenheiten anderer Länder“ wie auch dazu gehörend, aber oft ungerechtfertigterweise nicht so ernst genommen: „Keine Einmischung anderer Länder in die deutsche Politik“ nötig wären, kann nur die weitere Diskussion unter den deutschen Kommunisten ergeben. In dieser sowie in Bezug auf die vielen anderen aufgeworfenen Fragen hoffe ich auf gute Ergebnisse durch den Kommunismus-Kongress der Kommunistischen Organisation.
In diesem Sinne wünsche ich zum Gelingen des Kongresses alles Gute, ich werde selbst daran teilnehmen und dafür werben, dass sich noch weitere zukünftige Genossinnen und Genossen ebenfalls dafür entscheiden.
1 Die angenommenen Mitgliederzahlen sind entnommen aus – mit einem letzten Zugriff am 27.08.2022 12:00: https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Partei_Chinas (KPCh), https://de.wikipedia.org/wiki/Partei_der_Arbeit_Koreas (PdA Korea), https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Partei_Vietnams (KP Vietnam), https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Partei_Kubas (KP Kuba), https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Partei_der_Russischen_F%C3%B6deration (KPRF), https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Publ-Texte/Texte_52.pdf S. 90 (KKE), https://de.wikipedia.org/wiki/Militante_Arbeiterfront (PAME), https://en.wikipedia.org/wiki/South_African_Communist_Party (SACP), https://de.wikipedia.org/wiki/Russische_Kommunistische_Arbeiterpartei_%E2%80%93_Revolution%C3%A4re_Partei_der_Kommunisten(RKAP), https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Plattform (KPF), https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Kommunistische_Partei (DKP), https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Partei_Deutschlands_(1990) (KPD)
Quellen
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