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Deutschland und Europa rüsten sich für große Kriege

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Beitrag von Max

Dieser Artikel wurde als Beitrag für die Zeitschrift Itikadi der Kommunistischen Partei Kenias verfasst.


Die Fassade eines liberal-demokratischen, wohlständigen Landes

Über Deutschland herrscht international das weit verbreitete Bild eines industriell hoch entwickelten, im Unterschied zu den USA auf Diplomatie und Ausgleich bedachten, weltoffenen und demokratischen Staates. Deutschland wendet einiges an Arbeit und Geld auf, um ein solches Bild mit der Hilfe eines weitverzweigten Netzes aus NGO’s, Parteistiftungen und staatlichen Auslandsdiensten international herzustellen. Gut ausgebildete ausländische Fachkräfte sollen dadurch angeworben und der politisch-diplomatische Boden für weltweite Geschäfte der deutschen Exportwirtschaft gelegt werden. 

Dass dieses Bild sehr wenig mit der Realität zu tun hat, wurde den Völkern der Welt nicht zuletzt durch die aggressive Vorreiterrolle Deutschlands bei der Unterstützung des Völkermords in Palästina demonstriert. Die Bundesregierung will Israel im Hauptverfahren am Internationalen Gerichtshof als Drittpartei verteidigen. Im letzten Jahr wurden die deutschen Waffenlieferungen an Israel auf über 320 Millionen Dollar verzehnfacht. Ein Militäreinsatz Deutschlands und der EU im Roten Meer wurde beschlossen, um die großartige Solidaritätsaktionen der Ansar Allah für Palästina zu bekämpfen und Militärlieferungen an Israel zu ermöglichen. Innerhalb Deutschlands erleben wir eine massive mediale Verhetzung und politisch repressive Atmosphäre, in der jegliche Kritik an Israel unter dem Vorwand des „Antisemitismus“ kriminalisiert wird. Migranten und insbesondere Araber und Muslime werden rassistisch verleumdet und ausgegrenzt. Das Strafrecht wird ausgebaut, um jegliche Solidarität mit Palästina mit den Mitteln der Justiz zu verfolgen. Immer wieder wird in der Öffentlichkeit eine „besondere deutsche Verantwortung“ für die Existenz und „Verteidigung“ Israels heraufbeschworen. Die Massenvernichtung von Juden im deutschen Faschismus, während des zweiten Weltkrieges wurde von Deutschland perfiderweise in eine Waffe zur Legitimierung seiner imperialistischen Politik und dem Völkermord an den Palästinensern verwandelt. 

Einen Vorgeschmack auf das neue deutschen Kriegstreiben konnten wir bereits im Februar 2022, mit dem Beginn der russischen Militäroperation erleben. Medien und Politik haben sich mit rassistischer Hetze gegen Russen überschlagen, alternative Sichtweisen wurden aus der Öffentlichkeit verbannt, Positionen gegen die NATO unter dem Vorwand der „Billigung des russischen Angriffskriegs“ juristisch verfolgt.  Ähnlich wie in Palästina zeigt sich die Kontinuität der chauvinistischen und imperialistischen Politik Deutschlands, welches in der Geschichte des 20. Jahrhunderts bereits zweimal Russland überfallen und einen Vernichtungskrieg gegen Russen geführt hat, der im zweiten Weltkrieg 27 (!) Millionen Russen das Leben kostete. Heute sind erneut deutsche Panzer und Waffensystem auf Russland gerichtet und die Bundesregierung brüstet sich damit hinter den USA finanziell zweitgrößter Unterstützer der Ukraine zu sein.

Der sozialdemokratische deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius bereite die deutsche Öffentlichkeit kürzlich darauf vor, dass es in wenigen Jahren zum Krieg gegen Russland kommen würde. Die Spitzenkandidatin der rechtsliberalen Regierungspartei für die im Mai stattfindenden Wahlen zum EU-Parlament Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) drängt auf die Bildung einer EU-Armee und tritt als besondere Scharfmacherin für Aufrüstung an. Deutschland hat vor zwei Jahren bereits ein Sondervermögen für Militärausgaben von über 100 Milliarden US-Dollar verabschiedet und steigert außerdem die jährlichen Kriegsausgaben auf knapp 60 Milliarden US-Dollar. Das reicht der herrschenden Elite allerdings längst nicht mehr aus. Mit immer höheren Forderungen für den Rüstungsetat schaukeln sie sich in der Öffentlichkeit gegenseitig hoch. Ein Spitzenpolitiker und „Verteidigungsexperte“ forderte zuletzt über 320 Milliarden US-Dollar für zusätzliche Militärausgaben. Das Ziel? Der Aufbau einer international konkurrenzfähigen Kriegswirtschaft.

Begleitet wird diese Politik mit Angriffen auf die Lebensverhältnisse der Arbeiterklasse in Deutschland. Inflationsraten von knapp 7% (2022) bzw. 6% (2023) haben die Löhne der Arbeiter kräftig entwertet. Kosten für Lebensmittel, Heizen, Benzin, Miete und weiteres sind massiv gestiegen. Kürzlich beschlossene Angriffe auf das Sozialsystem und der sozialen Absicherung von Flüchtlingen dienen dem weiteren Druck zur Lohnsenkung. Bereits jetzt arbeiten fast ein Fünftel der Beschäftigten in Deutschland im sogenannten Niedriglohnsektor. Gegen diese Angriffe regt sich allerdings leider kaum Widerstand. Die Arbeiterklasse wird durch eine durch eine von satten Arbeiteraristokraten geführte Gewerkschaft tief in die imperialistische Politik Deutschlands integriert. Dazu weiter unten im Text noch etwas mehr.

Zunächst soll es im Folgenden etwas genauer um die Rolle des deutschen Imperialismus im Krieg der NATO gegen Russland und insbesondere auch um sein Verhältnis zu den USA gehen. Diese Fragen haben hierzulande und auch weltweit, speziell nach der Sprengung der Nord Stream Gas Pipelines für kontroverse Diskussionen, auch innerhalb der kommunistischen Bewegung gesorgt.

Kurze Geschichte des deutschen Imperialismus in der Welt

Um die gegenwärtige Rolle Deutschlands in der Welt zu verstehen ist es unerlässlich sich zumindest einige wenige entscheidende Wegpunkt in der Entwicklung des deutschen Imperialismus zu vergegenwärtigen.

Im Verhältnis zu seinen europäischen Konkurrenten, namentlich dem Mutterland des Kapitalismus England und auch Frankreich, setzte sich die kapitalistische Industrie in Deutschland verspätet, aber umso dynamischer durch. Das aufstrebende deutsche Bürgertum verband sich früh mit einer Schicht reaktionär-feudaler Großgrundbesitzer, die eng mit dem militaristischem Preußen verwachsen war. Eine nur halb durchgeführte bürgerliche Revolution (1848) und die späte Überwindung feudaler Zersplitterung (1871) bremsten die Ambitionen der deutschen Kapitalisten. Ihr Vorteil allerdings war, dass sie auf einem bereits hohen technischen und wissenschaftlichen Stand aufbauen konnte. Ende des 19. Jahrhunderts stiegen deutsche Kapitalisten in Branchen wie der Chemie- und Elektroindustrie zur Weltspitze auf. Im Unterschied zu seinen europäischen Konkurrenzmächten besaß Deutschland kein annähernd so großes koloniales Herrschaftsgebiet. Es fehlte dem Monopolkapital der Zugang zu Rohstoffen und einem ausreichend großen Absatzmarkt. Sein „Geburtsfehler“ einer zu spät und zu kurz gekommenen kapitalistischen Großmacht entlud sich mit der Aggression Deutschlands im ersten Weltkrieg – ein imperialistischer Krieg zur Neuaufteilung der Welt. Deutschland drängte danach Europa zu beherrschen, um sich von hier aus insbesondere gegenüber den USA behaupten zu können. Die Niederlage im ersten Weltkrieg war ein herber Rückschlag für den Expansionsdruck der deutschen Kapitalisten. Zusammen mit der für das Kapital wachsenden Gefahr, die vom Sieg der sozialistischen Oktoberrevolution ausging, war so das entscheidende Fundament für einen erneuten Anlauf zur Weltmacht gelegt. Für die USA war die Feindschaft Deutschlands gegen seine europäischen Rivalen, England und Frankreich, eine willkommene Entwicklung. Das deutsche Finanzkapital förderte den Faschismus und beging mit dem zweiten Weltkrieg ungeheuerliche Verbrechen zur Eroberung Europas (und auch weit darüber hinaus, wie beispielsweise mit dem Afrikafeldzug der deutschen Faschisten zur Eroberung Nordafrikas) und Vernichtung der Sowjetunion.

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs in Europa lag der deutsche Imperialismus am Boden. Mit Hilfe der USA, die sich vermittelt durch den Krieg an die Spitze der imperialistischen Weltordnung setzten, konnte sich Westdeutschland als Sperrspitze gegen das sozialistische Weltsystem wieder aufbauen. Der erste NATO-Generalsekretär Lord Ismay brachte die US-Strategie bezüglich Europas auf eine klare Formel: Russland raushalten, USA drin halten, Deutschland unten halten. Unter den Bedingungen der Nachkriegsordnung entstand eine letztlich bis heute in seinen Grundlinien gültige Konstellation zwischen den europäischen Großmächten und den USA. Die USA garantieren den Rahmen der imperialistischen Ordnung militär- und finanzpolitisch. Die europäischen Großmächte akzeptieren zähneknirschend und mangels Alternative die vorherrschende Rolle der USA, die insbesondere in der NATO zum Ausdruck kommt. Es entstand eine Beziehung die gleichzeitig von Partnerschaft und Rivalität geprägt sein musste. Das deutsche Monopolkapital, das am Raubkrieg und der Millionen zur Zwangsarbeit eingesetzten Kriegsgefangenen verdient hatte, konnte unter dem Schutz des US-Imperialismus nach dem zweiten Weltkrieg seinen wirtschaftlichen und politischen Wiederaufstieg begehen. Mit der wirtschaftlichen und politischen Integration Europas, von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl hin zur EU, konnte Deutschland eine lang gehegte Strategie verwirklichen. Insbesondere nach der Konterrevolution – der Niederlage des Sozialismus in Europa, konnte sich das deutsche Monopolkapital vermittelst des europäischen Freihandels an die Spitze Europas von West bis Ost setzen. Osteuropäische Länder dienen der deutschen Industrieproduktion bis heute als billige Werkbank, die Mitgliedsländer der EU als Absatzmarkt – sie werden von der deutschen exportorientierten Wirtschaft geflutet und kaputtkonkurriert. Insbesondere die deutsche Automobilproduktion spielt eine Schlüsselrolle bei der Zurichtung von Produktions- und Lieferketten nach ihren Interessen. Wichtiger Bestandteil dieser wirtschaftlichen Strategie des deutschen Monopolkapitals war der Zugriff auf günstige Energierohstoffe, vornehmlich Gas aus Russland.

Die USA waren nicht gegen die europäische Integration. Im Gegenteil, sie förderten sie sogar kräftig nach dem zweiten Weltkrieg. Entscheidend für den US-Imperialismus blieb allerdings bis heute, dass diese Entwicklung weiterhin integriert blieb in die sicherheitspolitisch durch sie garantierte Ordnung. Erweiterungen der EU gingen meist synchron einher mit NATO-Erweiterungen. Insbesondere militärisch stärkten die USA nach 1990 ihren Einfluss in osteuropäischen Ländern, die ohnehin vor dem Hintergrund historischer Erfahrung mit gewisser Skepsis auf ein zu mächtiges Deutschland blickten. Eine eigenständige EU-Armee war für die USA immer ein No Go, und ist bis jetzt, trotz vielfacher deutscher Vorstöße, gescheitert. 

Krieg gegen Russland – Deutschland ein Vasall der USA?

Spätestens seit dem Februar 2022 erleben wir in Deutschland eine scheinbar völlig widersprüchliche Situation. Einerseits tritt Deutschland an der Seite der USA und den anderen NATO-Staaten geschlossen und besonders scharf gegen Russland auf. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hatte bereits am 25. Februar 2022 davon gesprochen, dass die beschlossenen Sanktionen in der Absicht beschlossen wurden, um „Russland zu ruinieren“. Neben ihr betreiben auch das sonstige politische und wirtschaftliche Führungspersonal eine aggressive Kriegsrethorik gegenüber Russland. Andererseits hatte die Sanktionspolitik und die wirtschaftliche Abkopplung von Russland die deutsche Wirtschaft vor Probleme, vornehmlich in Hinblick auf ihre Versorgung mit billiger Energie, gestellt. Hinzu kam im Herbst 2022 dann die Sprengung der Nord Stream Pipelines, ein Angriff auf die zentrale Energieinfrastruktur Deutschlands, die ohne größere Regung oder öffentlichen Aufruhr hingenommen wurde. Wie lässt sich das erklären?

Tatsächlich haben diese Entwicklungen für sehr kontroverse Diskussionen auch innerhalb linker und kommunistischer Kreise gesorgt, die bis heute anhalten. Müssen fortschrittliche Kräfte die Unabhängigkeit des deutschen Imperialismus von den USA fordern? Gibt es in Deutschland überhaupt noch eine starke eigenständige Bourgeoisie, die bekämpft werden muss? Wären nicht gar Vertreter aus der bürgerlichen Klasse potentielle Bündnispartner für eine solche von den USA unabhängige nationale Strategie? Nicht zuletzt sorgen diese Fragen auch für kontroverse Diskussionen über die im Januar neu gegründete Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“, die eine solche nationale Strategie für das deutsche Kapital umwirbt. Im Folgenden sollen einige, nicht abschließende Thesen zu der Problematik vorgestellt werden. Viele Fragen bleiben offen, und erfordern eine weitere tiefere Beschäftigung und intensive Diskussion, auch im internationalen Rahmen. Es sind Probleme und Fragen, die sich direkt auf den Klassenkampf auswirken. Es sind Fragen der Strategie und Taktik. Wer ist Gegner, wer potentielle Bündniskraft? Was sind die Hauptlosungen der politischen Auseinandersetzung? Ein umfassenderes Verständnis der Funktionsweise und Herrschaftsverhältnisse der gegenwärtigen imperialistischen Ordnung muss von den fortschrittlichen Kräften weltweit erarbeitet werden. Wir wollen hieran weiter arbeiten und versuchen mit den übersichtlichen Mitteln, die wir haben, beizutragen.

Deutschland war bereits lange vor 2022 an einem aggressiven Kurs gegen Russland beteiligt. Die deutsche Außenpolitik hat kräftig am Maidan-Putsch 2014 mitgewirkt und dabei geholfen die Ukraine zu einem Anti-Russland aufzubauen. In zunehmendem Maße wurde im Verlauf der 00er Jahre für den Westen deutlich, dass man Russland nicht in der gewünschten Weise unterordnen und integrieren könne. Herausragend bleibt sicherlich die Rede Putins auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2007, in der er auch als Reaktion auf die stetige NATO-Osterweiterung sagte: „Ich denke, dass für die heutige Welt das monopolare Modell nicht nur ungeeignet, sondern überhaupt unmöglich ist“. Deutschland blieb dennoch im Unterschied zu den USA ambivalenter in seinen Beziehungen zu Russland, die im Übrigen auch mit Blick auf die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen seit Ende des 19. Jahrhunderts stets von der Gleichzeitigkeit und dem Wechsel aus Kooperation und Konfrontation geprägt waren. Im Unterschied zu den USA ist Deutschland, eben auf Grund seiner wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland, an einigen Punkten – wie bspw. in der Frage des NATO-Beitritts von Georgien und der Ukraine – zurückhaltender aufgetreten.

Nach der Konterrevolution um 1990, dem sogenannten „unipolaren Moment“, machten die US-Strategen keinen Hehl aus ihrem Anspruch der alleinigen Supermacht, die keinerlei Konkurrenz dulden würde. Mit ihrer Politik in Jugoslawien und Osteuropa haben die USA stetig versucht den deutschen Einfluss zu begrenzen und insbesondere militärisch ihre Macht in Europa zu sichern. Gemäß der oben wiedergegebenen Linie von Lord Ismay musste die sich vertiefenden wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu Russland zerschlagen werden. Sowohl Trump als auch Biden hatten mit Kritik in Hinblick auf die Gaspipelines wahrlich nicht gespart, Deutschland und alle am Bau von Nord-Stream II beteiligten Unternehmen gar mit Sanktionen belegt. Angela Merkel und nach ihr Olaf Scholz hielten dennoch an dem Bau der Pipeline fest, und brauchten damit deutlich das Ziel zur deutschen Großmachtpolitik zum Ausdruck.

Aus Sicht der USA ist es ein sehr wünschenswertes Ergebnis, dass der deutsche Konkurrent durch den Krieg geschwächt wird und statt russischem Gas nun US-Amerikanisches LNG einkaufen muss. Deutschland ist einerseits gegenwärtig nicht in der Lage den Handlungen der USA ausreichend zu begegnen und zugleich mit starken gemeinsamen Interessen zum Erhalt der imperialistischen Ordnung an die USA gebunden. Gleichzeitig kann die deutsche Bourgeoisie einen wachsenden Einfluss Russlands in Osteuropa – „seinem Hinterland“ – nicht akzeptieren und kündigt insofern auch aus direkt eigenem Interesse die Verbindungen zu Russland auf.

Entscheidend für den Hintergrund des Krieges der NATO gegen Russland muss die Hegemoniekrise des US-geführten Imperialismus genauer untersucht werden. Die Wirtschaftskrise von 2007 und der ökonomische Aufstieg Chinas, der sich unter anderem in der Neuen Seidenstraße zeigt, sind wohl die markantesten Ausdrücke dieser Krise. Das Interesse zum Erhalt der imperialistischen Ordnung, wie sie unter Führung der USA aufgebaut wurde eint bis zu einem gewissen Grad die europäischen Großmächte. Sie sind (noch) nicht in der Lage mit eigenen Mitteln ihre beherrschende Rolle aufrechtzuerhalten. Nicht zuletzt fehlt es ihnen an militärischer Kapazität. Aber ist es überhaupt realistisch, dass Deutschland oder auch Großbritannien oder Frankreich diese Fähigkeiten zum eigenständigen Agieren wird aufbauen können? Inwieweit agieren die herrschenden Kreise des Monopolkapitals nur völlig rational in dieser Hinsicht? Haben nicht die historischen Erfahrungen, insbesondere des zweiten Weltkrieges gezeigt welchen abenteuerlichen Großmachtträumereien sich die Kapitalisten hingeben? Wir müssen diese Zusammenhänge noch besser verstehen. 

Jedenfalls sieht alles danach aus, dass der deutsche Imperialismus den Krieg gegen Russland versucht zu nutzen, um sich stärker und potenziell eigenständiger aufstellen zu können. Die Bundeswehr übernimmt Schlüsselverantwortungen an der Ostflanke der NATO, die sie auch zum Aufbau der eigenen Kapazitäten nutz. Nicht nur werden die eigenen militärischen Potentiale massiv ausgebaut, umfangreiche Subventionierungen federn die stark gestiegenen Energiekosten für das Monopolkapital ab. Die Kapitalisten finden außerdem vielfältige Wege, um die Sanktionen in der einen oder anderen Weise zu umgehen. Dem entgegen stehen allerdings Werksschließungen und Standortwechsel deutscher Großkonzerne. Teilweise werden sie mit saftigen Subventionsversprechen auch in die USA gelockt. Inwiefern es dem deutschen Imperialismus also tatsächlich gegenwärtig darum geht, die Eigenständigkeit und das eigene Monopolkapital zu stärken und inwiefern es tatsächlich gelingt, und eine realistische Perspektive ist, muss noch besser untersucht werden. Politiker der Bundesregierung werden nicht müde einerseits ihre transatlantische Freundschaft und andererseits ihre schamlosen Vorstellungen einer aggressiven deutschen Großmachtpolitik zu verkünden. Lars Klingbeil, Vorsitzender der SPD, brachte das im Sommer 2022 so auf den Punkt:

„Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben. Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem.“[1]

Wer rechnen kann, weiß, dass sich Klingbeil hier also wünscht, an die Führungsrolle anzuknüpfen, die der deutsche Faschismus brutal zu erzwingen suchte. Was sich zeigt ist, dass von einer Stärkung der Eigenständigkeit des deutschen Imperialismus – wie realistisch sie auch sein mag – keine fortschrittliche Entwicklung zu erwarten ist. Der kurze historische Überblick sollte vor allem auch die reaktionäre Tradition des deutschen Monopolkapitals verdeutlichen. Über 150 Jahre haben die hiesigen Konzerne und Banken ihr weltweites Akkumulationsregime entwickelt und verfeinert. Sie bilden die Kontinuität Deutschlands, über die Wechsel der politischen Herrschaftsformen und zentralen Einschnitte hinweg. Im deutschen Monopolkapital ist eine chauvinistische auf abenteuerliche imperialistische Ausdehnung und Unterwerfung orientierte Klasse vereinigt, die nur so lange ihre Abhängigkeit zu den USA akzeptieren, wie sie unbedingt müssen.

Wir wollen weiter an diesen Fragen arbeiten. Wir wollen verstehen wie geeint „der Westen“ tatsächlich zur Führung eines dritten Weltkrieges gegen China ist? Wo Widersprüche liegen, die ggf. vertieft werden können? Wie agiert der deutsche Imperialismus weltweit, und wie wir dagegen gezielt internationalistische Gegenwehr aufbauen können? Braucht es heute überhaupt noch diese Art faschistischer Herrschaft innerhalb des Westens, wie sie im 20. Jahrhundert aufgebaut wurde, oder sind die Herrschaftstechniken soweit verfeinert und der Westen geeint, dass mit anderen Herrschaftsformen der Imperialismus gesichert werden soll?

Antiimperialistischen Kampf und internationale Solidarität stärken

Mit jedem Tag wird deutlicher, dass es im Krieg der NATO gegen Russland weder um die Ukraine noch „nur“ um Russland geht. Die Vorherrschaft des westlichen Imperialismus unter der Führung der USA selbst ist in einer tiefen Krise. Nicht zuletzt ist es ein wichtiger Effekt des großartigen Kampfes des palästinensischen Volkes gegen die israelische Besatzungsmacht, dass die Linien des internationalen Klassenkampfes deutlicher zu Tage treten. Die Maske liberaler Demokratie ist abgezogen – die Realität imperialistischer Unterwerfung und Aggression tritt den Völkern dieser Erde mit aller Deutlichkeit entgegen. In der Krise wird das reaktionäre Wesen des Imperialismus offensichtlich. Tatsächlich ist diese Krisentendenz innerhalb der imperialistischen Länder und eben auch in Deutschland damit verbunden, dass reaktionäre und chauvinistische Elemente der Herrschaft gestärkt werden. Die gegenwärtige deutsche Regierung selbst betreibt den Abbau demokratischer Rechte, die von einem gut kontrollierten Medienapparat mit chauvinistischer Hetze flankiert werden. Parallel wird versucht jeglichen Unmut in die Bahn noch reaktionärerer Abteilungen der bürgerlichen Herrschaft zu kanalisieren. Offen faschistische Kräfte werden gestärkt, linke oppositionelle Kräfte werden in das herrschende bürgerlich-liberale Establishment integriert.

Grundsätzlich bietet diese Situation, eben weil die Politik des Imperialismus sich deutlicher zeigen muss, eine gesteigerte Möglichkeit die Reihen der revolutionären Arbeiterbewegung zu vergrößern und enger zu schließen, den Grad des Klassenbewusstseins zu erhöhen. Für dieses Ziel stellen sich einem allerdings innerhalb der deutschen Arbeiterklasse weitere mächtige Barrieren in den Weg. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Dachverband deutscher Gewerkschaften, der rund sechs Millionen Mitglieder vereint, steht fest an der Seite des deutschen Imperialismus, sowohl wenn es um den Krieg gegen Russland als auch die Unterstützung Deutschlands beim Völkermord in Palästina geht. Gewerkschaftsführung und Sozialdemokratie (das betrifft auch die Linkspartei) integrieren große Teile der Arbeiterklasse in den deutschen Kriegskurs und machen sich die Interessen des deutschen Monopolkapitals zu eigen, wenn sie den deutschen Wirtschaftsstandort möglichst konkurrenzfähig halten wollen – scheinbar zur Sicherung ihrer eigenen Beschäftigung. Die Bestechung breiter Schichten der Arbeiterklasse wirkt als materielle Grundlage des Opportunismus der Arbeiteraristokratie. Jede Regung für internationale Solidarität, kämpferische Gewerkschaftspolitik und Widerspruch zur imperialistischen Politik wird innerhalb der Gewerkschaften und breiter Teile der Öffentlichkeit in geübter Weise erstickt. 

Heute ist in Deutschland die Solidaritätsbewegung mit Palästina eine der am meisten vorantreibenden Fortschrittskräfte. Junge migrantische Teile der deutschen Arbeiterklasse geraten am schärfsten in Widerspruch mit der chauvinistischen und neokolonialen Politik Deutschlands, an der Seite Israels. Nicht zuletzt zeigen sich hier fortschrittliche Potentiale für eine internationalistisch ausgerichtete und kämpferische deutsche Arbeiterbewegung. Diese aufzunehmen und zu fördern ist die Aufgabe der Kommunisten.

Bedauerlicherweise gibt es allerdings auch in kommunistischen Kreisen einen starken linksradikalen Einfluss, der eine vermeintlich konsequente Haltung gegen die herrschende Regierung völlig handzahm werden lässt. Weit verbreitet ist die Vorstellung, dass es sich beim Krieg in der Ukraine um einen mutmaßlich zwischenimperialistischen Krieg handeln würde. Kurz gesagt ist die Vorstellung, dass es im internationalen Maßstab eine Konkurrenz zwischen zwei imperialistischen Polen geben würde, wobei der eine um die USA und der andere um China organisiert sei. Die Arbeiterbewegung dürfe sich weder auf die eine noch auf die andere Seite schlagen, sondern müsste für den Sozialismus kämpfen. Auch in der Kommunistischen Organisation wurde nach dem Februar 2022 eine solche Position von Einigen vertreten, die sich später von unserer Organisation abgespalten haben. Wir haben erkannt, wie gefährlich diese vermeintlich besonders revolutionäre Position in der Wirklichkeit des Klassenkampfes ist. In der Praxis wenden sich solche verbalradikalen Linken vornehmlich gegen alles und jeden, der sich in scharfer Auseinandersetzung mit dem Imperialismus befindet, um die Arbeiterbewegung davor zu „warnen“, dass es sich bei Russland, China, Mali, Südafrika usw. eben um kapitalistische Produktionsverhältnisse und Regierungen handeln würde, die selbst zu bekämpfen seien. Koloniale und neokoloniale Unterdrückung werden marginalisiert oder völlig ignoriert. In der Tat spielen solche Kräfte also der Propaganda und der politischen Haltung des NATO-Imperialismus in die Hände und treten für die Fortführung der imperialistischen Ordnung ein.

Im Unterschied dazu versuchen wir mit anderen Kräften den Zusammenhang aus nationaler Befreiung, anti-imperialistischen Kämpfen und dem Kampf für den Sozialismus zu stärken und besser zu verstehen. Der Vertrauensverlust der europäischen und nordamerikanischen Großmächte gegenüber den Völkern der Welt ist gut und muss von kommunistischen Kräften verstärkt werden. Die politische und ökonomische Krise des Imperialismus muss durch die Klassenkämpfe und nationalen Befreiungskämpfe vertieft werden. Wir treten ein, für die Niederlage der NATO und des deutschen Imperialismus ob in der Ukraine oder in Palästina, Westafrika oder China. Der Kampf um Souveränität und Unabhängigkeit vom System imperialistischer Unterdrückung und Ausbeutung muss aus unserer Sicht unbedingt unterstützt und als Teil des Kampfes für den Sozialismus verstanden werden.

In diesem Sinne stellen uns die gewaltigen und dynamischen Entwicklungen innerhalb der imperialistischen Ordnung vor konkrete und große Aufgaben. Viel stärker müssen die kommunistischen und anti-imperialistischen Kräfte ihre Reihen weltweit enger schließen. Wir brauchen die gemeinsame internationale Verbindung, Diskussion und einheitliches Handeln im weltweiten Klassenkampf. In diesem Sinne suchen wir – wenngleich als kleine und junge Organisation – den internationalen Austausch, die Vertiefung politischer Beziehungen und die scharfe Auseinandersetzung, um die brennenden Fragen unserer Zeit besser und umfassender zu verstehen. In diesem Sinne:

Hoch, die internationale Solidarität!


[1] Rede Lars Klingbeils zur Zeitenwende im Rahmen der Tiergartenkonferenz 2022, gehalten am 21. Juni 2022 in Berlin.

Germany and Europe are gearing up for major wars

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Article by Max

This article was given to the comrades of the Communist Party of Kenia as a contribution to their magazine Itikadi.


The façade of a liberal-democratic, prosperous country 

There is a widespread international perception of Germany as an economically highly developed, cosmopolitan and democratic state that, unlike the USA, is committed to diplomacy and balance. Germany spends a lot of work and money to create such an image internationally with the help of an extensive network of NGOs, party foundations and foreign government services. The aim is to recruit well-trained foreign specialists and lay the political and diplomatic groundwork for global business for the German export industry.

The fact that this perception has very little to do with reality has been demonstrated to the peoples of the world, not least by Germany’s aggressive leading role in supporting the genocide in Palestine. The German government wants to defend Israel as a third party in the main proceedings at the International Court of Justice. Last year, German arms deliveries to Israel increased tenfold to over 320 million US Dollars. A military operation by Germany and the EU in the Red Sea was decided in order to combat the outstanding solidarity actions of Ansar Allah for Palestine and thus enable military supplies to Israel. Within Germany, we are experiencing massive racist media incitement and a politically repressive atmosphere in which any criticism of Israel is criminalized under the pretext of „anti-Semitism“. Migrants, Arabs and Muslims in particular, are being racially slandered and socially excluded. Criminal law is being expanded to prosecute any solidarity with Palestine. A „specific German responsibility“ for the existence and „defense“ of Israel is repeatedly invoked in public. The mass extermination of Jews under German fascism during the Second World War has perfidiously been transformed by Germany into a weapon to legitimize its imperialist policies and the genocide of the Palestinians.

We were able to experience a taste of the new German warmongering back in February 2022, with the launch of Russia’s military operation. The media and politicians went into full swing with racist incitement against Russians, alternative perspectives were banned from the public sphere and positions against NATO were legally prosecuted under the pretext of „approval of the Russia’s war of aggression“.  Similar to Palestine, the continuity of Germany’s chauvinist and imperialist policy is evident, as Germany has twice invaded Russia in the history of the 20th century and waged a war of extermination against Russians, which cost 27 (!) million Russian lives in the Second World War. Today, German tanks and arms systems are once again aimed at Russia and the German government boasts that it is the second largest financial supporter of Ukraine after the USA.

The Social Democratic German Defense Minister Boris Pistorius recently warned the German public that there would be a war against Russia within a few years. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), the leading candidate of the right-wing liberal governing party for the EU parliamentary elections in May, is pushing for the formation of an EU army and is heavily campaigning for rearmament. Two years ago, Germany passed an extra budget for military spending of over 100 billion US dollars and is also increasing its annual war spending to almost 60 billion US dollars. However, this is no longer enough for the ruling elite. They are boosting each other in public with ever higher demands for the arms budget. One top politician and „defense expert“ recently called for over 320 billion US dollars in additional military spending. The goal? The development of an internationally competitive war industry.

This policy is accompanied by attacks on the living conditions of the working class in Germany. Inflation rates of almost 7% (2022) and 6% (2023) have severely devalued workers‘ wages. Costs for food, heating, petrol, rent and other items have risen massively. Recently adopted attacks on the welfare system and social security for refugees serve to exert further pressure to lower wages. Almost a fifth of all employees in Germany already work in the so-called low-wage sector. Unfortunately, there is hardly any resistance to these attacks. The working class is being deeply integrated into Germany’s imperialist policies by a trade union led by wealthy labor aristocrats. More on this later in the text.

In the following, we will first take a closer look at the role of German imperialism in NATO’s war against Russia and, in particular, its relationship with the US. These questions have caused controversial discussions in Germany and around the world, especially after the Nord Stream gas pipelines were blown up, not least within the communist movement.

A brief history of German imperialism in the world

In order to understand Germany’s current role in the world, it is essential to recall at least a few decisive milestones in the development of German imperialism.

In relation to its European competitors, namely the homeland of capitalism England and also France, capitalist industry took hold in Germany late, but all the more dynamically. The up-and-coming German bourgeoisie joined forces early on with a class of reactionary feudal landowners who were closely linked to militaristic Prussia. A bourgeois revolution (1848) that was only partially carried out and the late overcoming of feudal fragmentation (1871) slowed down the ambitions of the German capitalists. Their advantage, however, was that they could build on an already high level of technology and science. At the end of the 19th century, German capitalists rose to become world leaders in sectors such as the chemical and electrical industries. In contrast to its European competitors, Germany did not have anywhere near as large a colonial dominion. Monopoly capital lacked access to raw materials and a sufficiently large market. Its „birth defect“ of being a capitalist superpower that came too late and too short erupted with Germany’s aggression in the First World War – an imperialist war to redivide the world. Germany urged to dominate Europe in order to be able to assert itself from here, especially against the USA. The defeat in the First World War was a severe setback for the German capitalists‘ drive to expand. Together with the growing threat to capital posed by the victory of the October Socialist Revolution, this laid the decisive basis for a renewed attempt to achieve world power. For the US, Germany’s hostility towards its European rivals, England and France, was a welcome development. German finance capital fostered fascism and, with the Second World War, committed monstrous crimes to conquer Europe (and far beyond, such as the German fascists‘ African campaign to conquer North Africa) and destroy the Soviet Union.

After the end of the Second World War in Europe, German imperialism was on the ground. With the help of the United States, which had established itself at the head of the imperialist world order through the war, West Germany was able to rebuild itself as a barrier against the socialist world system. The first NATO Secretary General Lord Ismay summed up the US strategy for Europe in a clear formula: Keep Russia out, keep the USA in, keep Germany down. Under the conditions of the post-war order, a constellation between the major European powers and the USA emerged, the basic lines of which are still valid today. The USA guarantees the framework of the imperialist order in terms of military and financial policy. The major European powers grudgingly accept the dominant role of the USA, which is expressed in NATO in particular, for lack of any alternative. The result was a relationship that had to be characterized by both partnership and rivalry. German monopoly capital, which had profited from the predatory war and the millions of prisoners of war used for forced labor, was able to pursue its economic and political resurgence under the protection of US imperialism after the Second World War. With the economic and political integration of Europe, from the European Coal and Steel Community to the EU, Germany was able to realize a long-cherished strategy. Particularly after the counter-revolution – the defeat of socialism in Europe – German monopoly capital was able to use European free trade to place itself at the forefront of Europe from West to East. To this day, Eastern European countries serve as a cheap labor base for German industrial production, the EU member states as a market – they are flooded by the German export-oriented industry and are competing to the death. German car manufacturing in particular plays a key role in structuring production and supply chains to suit its interests. An important component of this economic strategy of German monopoly capital was access to cheap energy resources, primarily Russian gas.

The USA was not opposed to European integration. On the contrary, it even strongly promoted it after the Second World War. However, the decisive factor for US imperialism to this day has been that this development has remained integrated into the order it guarantees in terms of security policy. EU expansions went hand in hand with NATO expansions. After 1990, the US strengthened its military influence in Eastern European countries in particular, which in any case viewed an overly powerful Germany with a certain degree of skepticism in light of historical experience. An independent EU army was however always a no-go for the USA and has so far failed, despite numerous attempts by Germany.

War against Russia – Germany a vassal of the USA?

Since February 2022 at the latest, we have been experiencing a seemingly completely contradictory situation in Germany. On the one hand, Germany is taking a united and particularly strong stance against Russia alongside the US and the other NATO states. The German Foreign Minister Annalena Baerbock had already said on February 25, 2022 that the sanctions were imposed with the intention of „ruining Russia“. Alongside her, other political and economic leaders are also pursuing an aggressive war rhetoric against Russia. On the other hand, the sanctions policy and the economic decoupling from Russia had created problems for the German economy, primarily with regard to its supply of cheap energy. In addition, the Nord Stream pipelines were blown up in the fall of 2022, an attack on Germany’s central energy infrastructure that was tolerated without any major uproar or public outcry. How can this be explained?

In fact, these developments have led to very controversial discussions, even within left-wing and communist circles, which continue to this day. Should progressive forces demand the independence of German imperialism from the USA? Is there still a strong independent bourgeoisie in Germany that needs to be fought against? Wouldn’t representatives of the bourgeois class even be potential allies for such a national strategy of independence from the US? Last but not least, these questions also give rise to controversial discussions about the new party „Bündnis Sahra Wagenknecht“, which was founded in January and is campaigning for such a national strategy for German capital. Some non-exhaustive theses on the issue are presented below. Many questions remain unanswered and require further in-depth study and intensive discussion, also in an international context. These are problems and questions that have a direct impact on the class struggle. They are questions of strategy and tactics. Who is the enemy, who is a potential force of alliance? What are the main lines of political struggle? A more comprehensive understanding of the functioning and relations of power of the current imperialist order must be developed by progressive forces worldwide. We want to continue working on this and try to contribute with the means at our disposal.

Germany was already involved in an aggressive policy against Russia long before 2022. German foreign policy was heavily involved in the Maidan coup in 2014 and helped turn Ukraine into an anti-Russian entity. Over the course of the 00s, it became increasingly clear to the West that Russia could not be subordinated and integrated in the desired way. Putin’s speech at the Munich Security Conference in 2007 certainly stands out, in which he said in response to the constant expansion of NATO to the east: „I think that the unipolar model is not only unsuitable for today’s world, but impossible“. In contrast to the USA, Germany nevertheless remained more ambivalent in its relations with Russia, which, incidentally, have always been defined by the simultaneity and alternation of cooperation and confrontation, also with regard to economic and political relations since the end of the 19th century. In contrast to the US, Germany has been more cautious in some areas – such as the issue of Georgia and Ukraine joining NATO – precisely because of its economic ties with Russia.

After the counter-revolution around 1990, the so-called „unipolar moment“, US strategists made no secret of their claim to be the sole superpower that would not tolerate any competition. With its policy in Yugoslavia and Eastern Europe, the USA constantly tried to limit German influence and, in particular, to secure its power in Europe militarily. In line with Lord Ismay’s above mentioned line, Germany’s deepening economic ties with Russia had to be broken. Both Trump and Biden had certainly not been sparing in their criticism of the gas pipelines, even imposing sanctions on Germany and all companies involved in the construction of Nord Stream II. Angela Merkel and, after her, Olaf Scholz nevertheless stuck to the construction of the pipeline, clearly expressing Germany’s goal of great power politics.

From the US perspective, it is a very desirable outcome that the German competitor is weakened by the war and now instead of Russian gas is forced to buy US LNG. On the one hand, Germany is currently not in a position to sufficiently counter the actions of the USA and at the same time is tied to the USA with strong common interests in maintaining the imperialist order. At the same time, the German bourgeoisie cannot accept Russia’s growing influence in Eastern Europe – „its backyard“ – and is therefore breaking ties with Russia out of its own direct interests.

Crucial to the background of NATO’s war against Russia is the crisis of hegemony of US-led imperialism. The economic crisis of 2007 and the economic rise of China, which is reflected in the Belt and Road Initiative, are probably the most striking manifestations of this crisis. The interest in preserving the imperialist order as it was established under the leadership of the USA unites the major European powers to a certain extent. They are not (yet) in a position to maintain their dominant role by their own means. Last but not least, they lack military capacity. But is it at all realistic that Germany, Great Britain or France will be able to develop these capabilities to act independently? To what extent are the ruling circles of monopoly capital acting completely rationally in this respect? Hasn’t historical experience, particularly that of the Second World War, shown what adventurous dreams of great power the capitalists indulge in? We need to understand these contexts better.

In any case, it looks as if German imperialism is trying to use the war against Russia to position itself stronger and potentially more independently. The Bundeswehr (German military) is assuming key responsibilities on NATO’s eastern flank, which it is also using to build up its own capacities. Not only is its own military potential being massively expanded, extensive subsidies are cushioning the sharp rise in energy costs for monopoly capital. German capitalists are also finding a variety of ways to circumvent the sanctions against Russia that affect their business in one way or another. However, this is countered by the closure of factories and relocation of major German corporations. In some cases, they are also being lured to the USA with promises of hefty subsidies. The extent to which German imperialism is actually currently seeking to strengthen its independence and its own monopoly capital, and the extent to which this is actually successful and a realistic prospect, still needs to be better investigated. Politicians in the German government never tire of proclaiming their transatlantic friendship on the one hand and their shameless ideas of an aggressive German great power policy on the other. Lars Klingbeil, Chairman of the SPD, put it this way in the summer of 2022:

„Germany must aspire to be a leading power. After almost 80 years of restraint, Germany now has a new role in the international coordinate system.“[1]

Anyone who can do the math knows that Klingbeil is hoping to resume the leadership role that German fascism brutally tried to enforce. What is clear is that no progressive development can be expected from a strengthening of the independence of German imperialism – however realistic it may be. The brief historical overview should above all illustrate the reactionary tradition of German monopoly capital. For over 150 years, the local corporations and banks have developed and refined their global accumulation regime. They form the continuity of Germany, beyond the changes in political forms of rule and major disruptions. German monopoly capital represents a chauvinistic and adventurous class aimed at imperialist expansion and subjugation, which only accepts its dependence to the US for as long as it absolutely has to.

We want to continue to work on these questions. We want to understand how united „the West“ really is in waging a third world war against China? Where are the contradictions that could be deepened? How does German imperialism operate worldwide, and how can we build an internationalist resistance against it? Does the West still need the sort of fascist rule that was practiced in the 20th century, or have the techniques of rule been refined and the unity of the West reached the point where other forms of rule are needed to preserve imperialism?

Strengthening the anti-imperialist struggle and international solidarity

Every day it becomes increasingly clear that NATO’s war against Russia is neither about Ukraine nor „just“ about Russia. The supremacy of Western imperialism under the leadership of the US is itself in deep crisis. Last but not least, an important effect of the magnificent struggle of the Palestinian people against the Israeli occupation force is that the lines of the international class struggle are becoming more evident. The mask of liberal democracy has been removed – the reality of imperialist subjugation and aggression is confronting the peoples of this world with all clarity. In the crisis, the reactionary nature of imperialism becomes obvious. In fact, this tendency of crisis within the imperialist countries and also in Germany is linked to the strengthening of reactionary and chauvinist elements of domination. The current German government itself is dismantling democratic rights, flanked by a well-controlled media apparatus with chauvinist agitation. At the same time, attempts are being made to channel any discontent of the people into even more reactionary sections of bourgeois rule. Openly fascist forces are being strengthened, left-wing opposition forces are being integrated into the ruling bourgeois-liberal establishment.

In principle, this situation offers an enhanced opportunity to expand and tighten the ranks of the revolutionary workers‘ movement and raise the level of class consciousness, precisely because the policies of imperialism must show themselves more visibly. However, further powerful barriers stand in the way of this goal within the German working class. The German Trade Union Confederation (DGB), the umbrella organization of German trade unions, which unites around six million members, stands firmly on the side of German imperialism, both when it comes to the war against Russia and Germany’s support for the genocide in Palestine. The trade union leadership and the Social Democrats (including the Left Party) are integrating large sections of the working class into the German war drive and are embracing the interests of German monopoly capital to keep the German economy as competitive as possible – ostensibly to safeguard their own employment. The bribery of broad sections of the working class acts as the material basis for the opportunism of the labor aristocracy. Any movement for international solidarity, militant trade union politics and opposition to imperialist policies is stifled in a practiced manner within the trade unions and broad sections of the public.

Today in Germany, the solidarity movement with Palestine is one of the most driving forces with great progressive impact. The migrant youth from within the German working class seems to be in sharpest conflict with Germany’s chauvinist and neo-colonial policies on the side of Israel. Last but not least, progressive potential for an internationalist and militant German workers‘ movement can be found here. It is the task of communists to take up and to foster this potential.

Unfortunately, however, there is also a strong radical left-wing influence in communist circles, which renders a supposedly consistent stance against the ruling government completely tame. The idea that the war in Ukraine is a supposedly inter-imperialist war is widespread. In short, the idea is that on an international scale there would be a competition between two imperialist poles, one organized around the US and the other around China. The workers‘ movement should take neither side, but fight for socialism. Such a position was also advocated in the Communist Organization after February 2022 by some who later split from our organization. We have recognized how dangerous this supposedly highly revolutionary position is in the reality of the class struggle. In practice, such verbal radical leftists mainly turn against everything and everyone who is in sharp conflict with imperialism in order to „warn“ the workers‘ movement that Russia, China, Mali, South Africa etc. have capitalist economies and governments that must themselves be fought against. Colonial and neo-colonial subjugation are either marginalized or completely ignored. In fact, such forces play into the hands of the propaganda and political line of NATO imperialism and advocate the continuation of the imperialist order.

In contrast, together with other forces, we are trying to strengthen and better understand the connection between national liberation, anti-imperialist struggles and the struggle for socialism. The loss of confidence of the peoples of the world towards the European and North American superpowers is good and must be intensified by communist forces. The political and economic crisis of imperialism must be deepened through class struggles and national liberation struggles. We stand for the defeat of NATO and German imperialism, whether in Ukraine or Palestine, West Africa or China. The struggle for sovereignty and independence from the system of imperialist oppression and exploitation must, in our view, be supported and understood as part of the struggle for socialism.

In this sense, the enormous and dynamic developments within the imperialist order present us with concrete and major tasks. The communist and anti-imperialist forces must tighten their ranks worldwide to a much greater extent. We need a common international connection, discussion and unified action in the worldwide class struggle. With this in mind, we – albeit as a small and young organization – seek international exchange, the deepening of political relations and sharp debate in order to better and more comprehensively understand the burning issues of our time. With this in mind:

Up, international solidarity!


[1] Speech by Lars Klingbeil on the “Zeitenwende” at the Tiergarten Conference 2022, held on June 21, 2022 in Berlin.

Fortschritt der Geschichte

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Beitrag von Surjeet Singh

In den vergangenen Monaten habe ich in Diskussionen mit den Genossinnen und Genossen oft das Thema der so genannten „systemischen Krise des Imperialismus“ angesprochen. Der Hauptimpuls für mich war die zentrale Bedeutung, die die indische kommunistische Bewegung der Frage der Systemkrise bei fast allen Themen gibt, mit denen sie sich befasst, einschließlich der allgemeinen Stärkung der reaktionären Kräfte, der neoliberalen Politik, der heutigen Kriege usw. Die zentrale Rolle, die sie in der indischen kommunistischen Bewegung einnimmt, ist in der deutschen kommunistischen Bewegung nicht zu finden. Ob das stimmt oder nicht, darüber können und müssen wir reden. 

Das Hauptargument der so genannten systemischen Krisenthese ist, dass die anhaltende Krise des Kapitalismus keine periodische mehr ist, sondern eine systemische. Damit ist gemeint, dass das gesamte System, die gesamte Maschinerie des Imperialismus, die höchste Stufe des Kapitalismus, als solche in die Krise geraten ist und keinen Ausweg mehr kennt. Es wird behauptet, dass sich das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate bewahrheitet und es für das System immer schwieriger wird, Profite zu erzielen, um sich selbst zu stützen. Die Antwort auf solche Behauptungen lautet jedoch: Ist der Kapitalismus nicht immer in der Krise? Oder was ist an dieser Krise so bedeutsam, dass wir sie berücksichtigen müssen, insbesondere für die Frage des Imperialismus? Hier muss ich voll und ganz zugeben, dass ich diese Fragen nicht beantworten kann, vor allem weil ich selbst kein gutes Verständnis für dieses Thema habe. Und daran hat sich auch jetzt nichts geändert. In diesem Sinne habe ich zu diesem Thema nicht direkt viel beizutragen. 

Allerdings gibt es eine andere Perspektive, die ich einbringen möchte, etwas, das größer ist, aber mit der Frage der Systemkrisen zusammenhängt, und etwas, das hier in den Debatten bereits präsent ist, nämlich der Fortschritt der Geschichte

Der Grund, warum ich dieses Thema explizit in die Diskussion einbringen möchte, ist einfach zu sagen, dass die Geschichte, in all ihren Widersprüchen, voranschreitet. Dass die Geschichte trotz der momentanen, aber historischen Niederlagen der Arbeiterbewegung in den letzten Jahrzehnten sowohl quantitativ als auch in vielen Aspekten sogar qualitativ vorangeschritten ist. Aufgrund des Einflusses bestimmter dogmatischer und linksradikaler Strömungen in der kommunistischen Bewegung besteht jedoch die Tendenz, diesen Fortschritt der Geschichte nicht anzuerkennen. Das ist so, weil die Linksabweichungen, oder zumindest die, denen wir begegnet sind, die Möglichkeit eines solchen geschichtlichen Fortschritts nur auf einen einzigen revolutionären Bruch reduzieren. Ohne einen solchen revolutionären Bruch kann die Geschichte nicht voranschreiten und tut es auch nicht. 

Diese Frage, nämlich der Fortschritt der Geschichte, wird für mich am deutlichsten bei der Frage, ob Länder wie China und Russland imperialistisch sind oder nicht. Mein Argument ist, dass Russland und China keine Imperialisten sein können, weil die Geschichte seit der Epoche, aus der der Imperialismus oder die Imperialisten geboren wurden, fortgeschritten ist. Der Imperialismus wurde in der Epoche des Kolonialismus geboren; die Genese des Imperialismus liegt im Kolonialismus. Er entstand nicht nur aus der Konzentration und Zentralisierung des Kapitals innerhalb der nationalen Grenzen der imperialistischen Länder, sondern auch, und das ist wahrscheinlich noch wichtiger, aus der kolonialen Ausplünderung und Beute, die in den zwei bis drei Jahrhunderten vor der Epoche des Imperialismus stattfand. So hat beispielsweise Großbritannien in der Zeit von 1765 bis 1936 Reichtum im Wert von rund 45 Billionen Dollar aus Indien gestohlen bzw. akkumuliert. Reichtum im Wert von 45 Billionen Dollar, und das aus einer einzigen Kolonie. Dies ist ein Reichtum, den wir uns kaum vorstellen können, ein Reichtum, der höher ist als das gesamte BIP der größten Wirtschaften von heute. Das derzeitige nominale BIP der USA beläuft sich auf etwa 25 Billionen Dollar, das Chinas auf 18 Billionen Dollar und das Großbritanniens, das so viel Reichtum geplündert hat, liegt bei nur 3,1 Billionen Dollar. Das gesamte Empire der Imperialisten ist auf der kolonialen Ausplünderung aufgebaut. 

Mein Argument ist, dass diese koloniale Ausplünderung heute nicht mehr stattfinden kann. Die objektiven Bedingungen, unter denen eine SOLCHE koloniale Ausplünderung stattfinden konnte, sind nicht mehr gegeben.  

Nehmen wir zum Beispiel Indien. Während auf der einen Seite die antiimperialistischen und nationalen Befreiungskämpfe gegen die alten Imperialisten und Kolonisatoren heute weitergehen, ist es unmöglich, es ist absolut unmöglich, dass ein neuer Kolonisator, sagen wir China, kommen und Indien kolonisieren würde. Warum? Weil das Niveau der Entwicklung des nationalen Bewusstseins sowie das Niveau der Entwicklung der Produktivkräfte, die in Indien im letzten Jahrhundert und mehr stattgefunden hat, es keinem neuen Kolonisator erlauben würde, seinen Fuß nach Indien zu setzen. Die Bedingungen, die für einen neuen Kolonisator erforderlich sind, um nach Indien zu kommen und sich niederzulassen, sind einfach nicht mehr gegeben. Der neue Kolonisator kann es versuchen, aber er kann sich dort nicht niederlassen. Die Geschichte Indiens hat sich weiterentwickelt. 

Diese Entwicklung des nationalen Bewusstseins sowie die Entwicklung der Produktivkräfte existiert und hat in allen Ländern des globalen Südens in unterschiedlichem Maße Wurzeln geschlagen, was die reale Möglichkeit des Auftauchens eines neuen Kolonisators negiert. Dies ist derselbe Grund, warum das koloniale Siedlerprojekt Israel einen temporären Charakter hat, während andere Siedlerkolonien wie die USA, Kanada, Australien und Neuseeland eine Dauerhaftigkeit erlangt haben. Das liegt an der Epoche, in der diese Projekte entstanden sind. Das israelische Siedlerkolonialprojekt entstand in der Epoche der Intensivierung der nationalen Befreiungskämpfe. Die Geschichte war bereits fortgeschritten, der Boden war bereits verfestigt, bevor das israelische Projekt in der Region Wurzeln schlagen konnte, was Israel zu einem illegitimen Kind der Geschichte machte. 

Ohne die Möglichkeit einer kolonialen Ausplünderung in Höhe von Billionen und Billionen von Dollar ist es unmöglich, dass eine neue imperialistische Macht entsteht. Die Bedingungen, die für eine solche koloniale Ausplünderung notwendig sind, gibt es nicht mehr. Die Geschichte hat sich von der Epoche des Kolonialismus zum Imperialismus, zur Epoche der nationalen Befreiung, zur Epoche des Übergangs zum Sozialismus weiterentwickelt. Der Imperialismus stellt einen Fortschritt der Geschichte dar, und die Uhr kann nicht zurückgedreht werden. Was sich nur in der vorangegangenen Epoche entwickeln konnte, kann sich in der gegenwärtigen Epoche nicht entwickeln. Die Geschichte ist weder statisch, noch bewegt sie sich im Kreis, die Geschichte schreitet in all ihren Widersprüchen voran und bewegt sich auf eine höhere Stufe. 

Ein weiteres bedeutendes Ereignis oder Ereignisse, die die Geschichte qualitativ vorangebracht haben, sind die sozialistische Oktoberrevolution und andere demokratische Revolutionen des vergangenen Jahrhunderts. Diese Revolutionen haben die Welt grundlegend verändert, sie haben die Geschichte grundlegend und qualitativ vorangebracht, bis zu einem Punkt, von dem aus sich die Geschichte nicht mehr rückwärts entwickeln kann. Trotz der schweren Niederlagen, die wir erlitten haben, haben die ideologischen und materiellen Errungenschaften der sozialistischen und demokratischen Revolutionen des 20. Jahrhunderts auch heute noch Bestand und bilden die Grundlage für die Kämpfe für Antiimperialismus, nationale Befreiung und Sozialismus. Das sozialistische Aufbauprojekt des letzten Jahrhunderts ist nicht tot, es existiert heute weiter, in unterschiedlichem Ausmaß, in unterschiedlichen Formen, an unterschiedlichen Orten, nicht zuletzt in China. Mit diesen Revolutionen entkam der Geist aus der Flasche, und das Phantom des Kommunismus wurde qualitativ realer.

Dieser fundamentale Fortschritt der Geschichte als Ergebnis dieser Revolutionen bedeutet auch, dass der Charakter der Kriege heute grundlegend anders ist als der Charakter der Kriege vor der Oktoberrevolution. Dieses Eingreifen des Menschen in die Geschichte hat dazu geführt, dass sich die Produktivkräfte auf der ganzen Welt nicht nur wegen, sondern auch trotz der Imperialisten weiterentwickelt haben. Der Eingriff des Menschen in die Geschichte hat die Verschärfung des Widerspruchs zwischen den Produktionsverhältnissen und der Entwicklung der Produktivkräfte auf globaler Ebene notwendig und beschleunigt.  Und das ist es, was sich heute abspielt, ein sich ständig verschärfender Kampf zwischen den Produktionsverhältnissen und der Entwicklung der Produktivkräfte. Ein antagonistischer Widerspruch, der nur noch durch den Sozialismus aufgelöst oder gelockert durch Barbarei, d.h. durch die Zerstörung der Produktivkräfte werden kann.

Zurück zur Frage der systemischen Krise des Imperialismus. Für den Imperialismus bedeutet der Fortschritt der Geschichte, die Fortsetzung der Geschichte, dass die Zentralisierung und Konzentration des Kapitals ein solches Niveau erreicht hat, dass eine weitere Zentralisierung, die das Wesen des Imperialismus, seine Lebensader ist, nicht mehr möglich ist. Die Zentralisierung des Kapitals hat ihre absolute historische und geographische Grenze erreicht. Dies ist die absolute Grenze der Produktionsverhältnisse und die Sackgasse des Imperialismus. Diese Sackgasse bedeutet, dass nicht die Hegemonie des US-Imperialismus oder des deutschen Imperialismus in der Krise ist, die Sackgasse bedeutet, dass der gesamte Imperialismus als Epoche als solche in der Krise ist, oder anders gesagt, die objektiven Bedingungen sind reif für eine revolutionäre Transformation.

Der Imperialismus hat keinen Platz mehr, wo er hingehen kann, keinen Platz mehr, wo er expandieren kann, und vor allem hat er keine strukturelle Antwort mehr, um eine erhebliche Zentralisierung des Kapitals durchzuführen. Er kann hier oder dort eine Finanzblase erzeugen, er kann sich in Indien vorübergehend eines Modi bedienen, in Argentinien eines Milei, aber er hat keine strukturelle Antwort mehr übrig, außer der, KRIEGE!!! Kriege zur Rekolonisierung ihrer alten Territorien, Kriege zur Zerstörung der Produktivkräfte, Kriege zur Lockerung der Spannung des Widerspruchs zwischen den Produktionsverhältnissen und dem Niveau der Produktivkräfte. Nur und ausschließlich durch die Lockerung dieser Spannung kann der Imperialismus eine weitere Runde der Kapitalakkumulation einleiten, andernfalls wird er zum Sozialismus übergehen. 

Dieser Zwang und dieser mögliche Tod bedeutet, dass alle Imperialisten ihre Differenzen beiseite legen, sich strategisch zusammenschließen und gemeinsam für das Überleben ihres Systems kämpfen müssen. Und genau das findet heute statt. Ja, gewisse Differenzen bleiben bestehen, aber alle Imperialisten haben sich heute verbündet und sind vereint in ihrem Krieg zur Balkanisierung und Kolonisierung Russlands, gegen die nationalen Befreiungskämpfe im Nahen Osten und sind vereint in der Vorbereitung des Krieges gegen die Kräfte des Sozialismus in China.

Auf der anderen Seite schafft die Verschärfung der objektiven Faktoren Bedingungen, unter denen den herrschenden Klassen zunehmend die Alternativen fehlen, die sie anbieten können. Die Notwendigkeit des Sozialismus wird heute einer wachsenden Zahl von Massen klar. Die Bedingungen reifen für die Umwandlung der laufenden Kämpfe in der ganzen Welt in Kämpfe für den Sozialismus, die Bedingungen reifen für die Entwicklung des revolutionären Bewusstseins des Subjekts der Geschichte, d.h. der Arbeiterklasse. Hier bleibt die Aufgabe der kommunistischen Parteien zentral. Es bleibt die Aufgabe, einerseits den Charakter der gegenwärtigen Epoche zu verstehen und andererseits eine revolutionäre Praxis zu entwickeln, die auf einer konkreten Analyse der konkreten Situation und auf einem ständigen Kampf gegen den Revisionismus und gegen den Abenteurertum/ Kinderkrankheiten beruht.  

Abschließend möchte ich sagen, dass die heutigen Kriege das Ergebnis des sich ständig verschärfenden Widerspruchs zwischen den Produktionsverhältnissen und der Entwicklung der Produktivkräfte sind, des Kampfes zwischen den Kräften der Geschichte und den Kräften der Reaktion, des Kampfes zwischen den Kräften des Sozialismus und den Kräften des Imperialismus. Während dieser historisch fortschreitende Kampf in unterschiedlichem Maße auf der ganzen Welt stattfindet, finden die Widersprüche der gegenwärtigen Geschichtsepoche ihren schärfsten Ausdruck in der Form des Konflikts zwischen China und den USA. 

Dieser Fortschritt der Geschichte ist nicht frei von Gewalt, aber es ist ein Kampf, den die Kräfte der Reaktion verlieren werden. Denn wenn man die konkrete geschichtliche Entwicklung des Kapitalismus betrachtet, von seiner Geburt über sein Wachstum bis hin zu seinem heutigen Stadium des Imperialismus, stellt man fest, dass der Imperialismus wie ein alter Mann ist, der auf dem Sterbebett liegt und nicht mehr die körperliche Fähigkeit oder die Beine hat, den Kampf um sein Überleben zu führen. 

Die Geschichte schreitet voran, und der Imperialismus unternimmt den letzten Versuch, um sein Überleben zu sichern. Natürlich würde der Imperialismus versuchen, uns in die Barbarei zu bomben, die Produktivkräfte zu zerstören, denn das ist seine einzige Option, aber der Entwicklungsstand der Produktivkräfte, der durch die sozialistischen Aufbauprojekte, die im letzten Jahrhundert begonnen haben, erreicht wurde, bedeutet, dass die Geschichte sowohl die Mittel hat, sich zu verteidigen, als auch den Kampf bis zu seinem logischen Ende zu führen: zum Sozialismus!

Heute ist der Sozialismus sowohl notwendig als auch möglich!

Progress of History

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Article by Surjeet Singh

Over the past months, I have often brought up the issue of so-called ‘systemic crisis of imperialism’ in discussions with the comrades. The main impulse for me has been the centrality that the Indian communist movement gives to the issue of the systemic crisis in almost every issue it deals with, including the overall strengthening of the reactionary forces, the neo-liberal politics, the wars today, etc. The centrality it enjoys in the Indian communist movement, is not something that is found in the German communist movement.Whether this is true or not, is something that we can and must talk about. 

The main argument of the so-called systemic crisis thesis is that the ongoing crisis of capitalism is not a cyclic anymore, but rather a systemic one. Whereby, it is meant that the entire system, the entire machinery of imperialism, the highest stage of capitalism, as such has fallen into the crisis, with no way out. It is argued that the law of the tendency of the profit rate to fall is being proven correct and it is increasingly becoming difficult for the system to generate profits to sustain itself.  However, the response to such claims is that isn’t capitalism always in crisis. Or what is so significant about this crisis that we need to take it into consideration, especially for the question of imperialism? Here, I must fully acknowledge that I have failed to answer these questions, primarily because I myself do not have a good understanding of this issue. And the situation, continues to remain the same even now. In this sense, I do not have much to add to the issue directly. 

However, there is another perspective I would like to bring, something which is larger but connected to the question of the systemic crises, and something that is already present here in the debates, namely, the Progress of history.

The reason why I want to bring this issue in the discussion explicitly is simply to make the point that history, in all its contradictions, is progressing forward. That, despite the temporary but historic defeats of the working-class movement in the past several decades, the history has both quantitatively, and in many aspects, even qualitatively progressed ahead. However, due to the presence of certain dogmatic and left-deviatory trends in the communist movement, there is a tendency to not acknowledge this progress of history. It is so, because the left-deviations, or at least the ones that we encountered, reduce the possibility of such historical progress solely to the occasion of one single revolutionary break. Anything short of such a revolutionary break, history cannot and does not progress. 

This issue, namely the progress of history, for me is most clear on the question of whether countries like China and Russia are imperialist or not. My argument is that Russia and China cannot be imperialists because the history has progressed ahead from the epoch, out of which imperialism or imperialists were born. Imperialism was born in the epoch of colonialism; imperialism’s genesis is in colonialism. It wasn’t born solely out of the concentration and centralization of capital within the national boundaries of the imperialist’s countries, it was also born, probably even more importantly out of the colonial plunder and loot that occurred over the two-three centuries before the epoch of imperialism. For instance, Britain, stole/ accumulated around 45 trillion dollars’ worth of wealth from India in the period between 1765 till 1936. 45 trillion dollars’ worth of wealth, that too from a single colony. This is an amount of wealth that we can hardly fathom, an amount of wealth that is higher than the total GDP of the biggest economies today. The current nominal GDP of USA stands at around 25 trillion dollars, of China at 18 trillion dollars, and of Britain, which looted so much wealth, stands at a mere 3.1 trillion dollars. The entire empire of the imperialists is built upon the colonial plunder. 

My argument is that this colonial plunder cannot take place anymore today. The objective conditions, out of which SUCH a colonial plunder could take place, do not exist anymore.  

Let’s take India for example. While on the one hand, the anti-imperialist and national liberation struggles against the old imperialists and colonizers continue today, it is impossible, it is absolutely impossible that a new colonizer, let’s say China, would come and colonize India. Why? Because the level of development of national consciousness, as well as the level of the development of the productive forces, that has taken place in India over the past century and more, would not allow any new colonizer to set its foot in India. The conditions required for a new colonizer to come to India and settle down are simply not there anymore. The new colonizer can try, but it cannot settle down there. The history has progressed in India. 

This development of national consciousness as well as the development of productive forces exists and has taken roots in all the countries of the global south in different degrees negating any real possibility of a new colonizer to arise. This is the same reason why the settler colonial project Israel has a temporary character, whereas other settler colonies such as US, Canada, Australia, New Zealand have gained a permanency. It is because of the epoch within which these projects took shape. The Israeli settler colonial project took shape in the epoch of the intensification of national liberation struggles. The history had already progressed, the ground had already hardened, before the Israeli project could take roots in the region, making Israel an illegitimate child of history. 

Without the possibility of a colonial plunder amounting to nothing less than trillions and trillions of dollars, it is impossible for a new imperialist power to arise. The conditions necessary for such a colonial plunder to take place do not exist anymore. The history has moved forward from the epoch of colonialism to imperialism, to the epoch of national liberation, to the epoch of transition to socialism. Imperialism represents a progress of history, and the clock, cannot turn back. What could have developed only in the previous epoch, cannot develop in the current epoch. History is neither static, nor does it move in a circle, history, in all its contradictions, progresses ahead and moves to a higher stage. 

Another major event, or events that moved the history qualitatively forward, are the October socialist and other democratic revolutions of the past century. These revolutions fundamentally changed the world, they fundamentally and qualitatively brought the history forward, to a point from where the history cannot turn backwards. Despite the heavy defeats that we suffered, the ideological, as well as the material achievements of the socialist and democratic revolutions of the 20th century continue to exist today and form the basis of the struggles of anti-imperialism, national liberation, and socialism. The socialist construction project, undertaken in the last century is not dead, it continues to exist today, in different degrees, different forms, in different places, not least of all in China. With these revolutions, the genie escaped the bottle, and the specter of communism became qualitatively more real. 

This fundamental progress of history as a result of these revolutions, also means that the character of the wars today is fundamentally different than the character of the wars before the October revolution. This human intervention in the history, has meant, that the productive forces around the world have advanced not just due to, but also despite of the imperialists. The human intervention in the history has necessitated and hastened the sharpening of the contradiction between the relations of production and the development of productive forces, at a global level. And this is what is playing out today, a constantly intensifying struggle between the relations of production and the development of productive forces. An antagonistic contradiction which can now be resolved only through socialism, or loosened through barbarism, i.e., through the destruction of productive forces. 

Coming back to the question of the systemic crisis of imperialism. For imperialism, the progress of history, the continuation of history, means, that the centralization and concentration of capital has reached such a level that a further centralization, which is imperialism’s essence, its lifeline, that further centralization, is not possible anymore. The centralization of capital has reached its absolute historical as well as geographical limits. This is the absolute limit of the relations of production and the dead end of imperialism. This dead end means that it is not the hegemony of US imperialism or German imperialism that is in crisis, the dead end means that the entire imperialism as an epoch as such is in crisis, or in other words, objective conditions are ripe for a revolutionary transformation.

Imperialism has no place more to go, no place more to expand, most importantly, it does not have a structural response left anymore to carry out a considerable centralization of capital. It can create a financial bubble here or there, it can temporarily make use of a Modi in India, Milei in Argentina, but it does not have a structural response left anymore, except for one, WARS!!! Wars for the recolonization of its older territories, wars for the destruction of the productive forces, wars for loosening of the tension of the contradiction between the relations of production and the level of productive forces. It is only and only by loosening this tension, can imperialism initiate another round of accumulation of capital, failing which, imperialism will transition to socialism.

This compulsion, and this possible death, means that all the imperialists, need to put aside their differences, align together strategically, and fight together for the survival of its system. And this is what is taking place today. Yes, certain differences continue to remain, however, all the imperialists today, have banded together, and are united in their war of Balkanization and colonization of Russia, against the national liberation struggles in the Middle East, and are united in the preparation for a war against the forces of socialism in China. 

On the other hand, the ripening of the objective factors is creating conditions where the ruling classes are increasingly running out of the alternatives that they can offer. Today, the necessity of socialism is becoming clear to an increasing number of masses. Conditions are ripening for turning of the ongoing struggles around the world into struggles for socialism, conditions are ripening for the development of the revolutionary consciousness of the subject of history, i.e., the working class. Here, the task of the communist parties remains central. The task remains on the one hand to understand the character of the current epoch and on the other hand develop revolutionary praxis based on a concrete analysis of the concrete situation and based on a constant struggle against revisionism and against adventurism/ infantilism.  

To conclude, the wars today are the playing out of the constantly intensifying contradiction between the relations of production and the development of productive forces, the one of the struggles between the forces of history and the forces of reaction, the one of a struggle between the forces of socialism and forces of imperialism. While this historically progressive battle is taking place in different degrees across the globe, the contradictions of the current epoch of history find their acutest manifestation in the form of conflict between China and the USA. 

This progress of history is not free of violence, but this a battle which the forces of reaction are going to lose. Because when one looks at the concrete historical development of capitalism, from its birth to its growth, to its current stage of imperialism, one finds that imperialism is like an old man lying in his death bed who does not have the physical capacity, or the legs left to carry out the fight for its survival. 

The history is progressing forward, and imperialism is making the last-ditch effort for its survival. Of course, imperialism would seek to bomb us into barbarianism, destroy the productive forces, because that is its only option, however, the level of development of productive forces achieved as a result of the socialist construction projects that started in the previous century means that the history has both the tools to defend itself and carry out the struggle to its logical conclusion; Socialism! 

Today, socialism is both necessary and possible!

Solidaritätserklärung mit der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost!

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English version below

Vor wenigen Tagen hat die zum Land Berlin gehörende Berliner Sparkasse die Konten des Vereins Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost eingefroren. Hintergrund dieser Repressionsmaßnahme ist der in zwei Wochen stattfindende Palästina-Kongress in Berlin. Die Jüdische Stimme, die sich schon lange für einen souveränen Staat Palästina engagiert, hat in Solidarität mit dem Palästina-Kongress ihr Bankkonto für den Empfang von Spenden zur Verfügung gestellt. Das Land Berlin hat diese Gelder nun eingefroren und prüft darüber hinaus ein mögliches Verbot für die Durchführung des Kongresses. Begleitet wird dies durch eine Hetzkampagne in den Medien, die versucht, den Kongress als `antisemitischen Hassgipfel` zu diffamieren. Es ist offensichtlich, dass dieses Vorgehen des Staates ein weiterer Versuch ist, die Palästina-Bewegung in Deutschland mundtot zu machen. Die Jüdische Stimme hat bereits angekündigt, sich dadurch nicht einschüchtern zu lassen und wir möchten ihr hiermit unsere volle Unterstützung und Solidarität ausdrücken.

Die Repression gegen die Jüdische Stimme entlarvt einmal mehr die in Deutschland herrschende Heuchelei: Die sogenannte deutsche Staatsräson besagt, Juden und Jüdinnen weltweit durch das Existenzrechts Israels vor Antisemitismus schützen zu wollen und verkleidet die deutschen Eigeninteressen in der Region so im Mantel der `Vergangenheitsbewältigung`. Es soll der Eindruck erweckt werden, Deutschland habe seine faschistische und verbrecherische Vergangenheit überwunden – das Gegenteil ist der Fall. Diese deutsche Staatsräson unterscheidet nicht zwischen Judentum und Zionismus, der ideologischen Grundlage des siedlerkolonialistischen Apartheidsstaates Israels, und wird somit selbst antisemitisch. Alle, die sich gegen die deutsche Unterstützung für Israel und dessen Genozid in Gaza stellen, stören und werden dementsprechend harten Repressionen ausgesetzt. So auch die Jüdische Stimme, die schon lange gegen die israelische Besatzung Palästinas und den Völkermord in Gaza im Namen von Juden und Jüdinnen kämpft.

Wir verurteilen den Angriff auf die Jüdische Stimme!

Wir verurteilen die Versuche des deutschen Staates, die Solidarität mit Palästina und den Kampf gegen Völkermord und Besatzung zu kriminalisieren.

Wir verurteilen die Angriffe auf unsere demokratischen Rechte!

Wir fordern das Land Berlin auf, eine friedliche Durchführung des Palästina-Kongresses 2024 zu ermöglichen.

Ihre Repressionen werden uns nicht einschüchtern – sie werden uns nicht mundtot machen!

Der Palästina-Kongress wird stattfinden! Für ein freies Palästina!


Declaration of solidarity with the Jewish Voice for a Just Peace in the Middle East!

A few days ago, the Berliner Sparkasse, which belongs to the state of Berlin, froze the accounts of the association Jewish Voice for a Just Peace in the Middle East. The background to this repressive measure is the Palestine Congress taking place in Berlin in two weeks‘ time. The Jewish Voice, which has long been committed to a sovereign state of Palestine, has made its bank account available for the receipt of donations in solidarity with the Palestine Congress. The state of Berlin has now frozen these funds and is also considering a possible ban on holding the congress. This is accompanied by a smear campaign in the media that attempts to defame the congress as an ‚anti-Semitic hate summit‘. It is obvious that this action by the state is a further attempt to silence the Palestine movement in Germany. The Jewish Voice has already announced that it will not be intimidated by this and we would like to express our full support and solidarity.

The repression against the Jewish Voice once again exposes the hypocrisy prevailing in Germany: the so-called German reason of state („Staatsräson“) says that it wants to protect Jews worldwide from anti-Semitism through Israel’s right to exist and thus disguises German self-interest in the region in the cloak of ‚coming to terms with the past‘. The impression is to be created that Germany has overcome its fascist and criminal past – the opposite is the case. This German reason of state does not differentiate between Judaism and Zionism, the ideological basis of the settler-colonialist apartheid state of Israel, and thus itself becomes anti-Semitic. All those who oppose German support for Israel and its genocide in Gaza cause a disturbance and are subjected to correspondingly harsh repression. This includes the Jewish Voice, which has long campaigned against the Israeli occupation of Palestine and the genocide in Gaza in the name of Jews.

We condemn the attack on the Jewish Voice!
We condemn the attempts of the German state to criminalize solidarity with Palestine and the struggle against genocide and occupation.
We condemn the attacks on our democratic rights!

We call on the state of Berlin to allow the Palestine Congress 2024 to take place peacefully.

Their repression will not intimidate us – they will not silence us!
The Palestine Congress will take place! For a free Palestine!

Solidarität mit Gizem, Shabnam und Palästina Solidarität Duisburg!

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Am Rande des diesjährigen Ostermarschs in Duisburg kam es zu einem Angriff eines bekannten Zionisten und Rassisten auf die beiden Genossinnen Shabnam Shariatpanahi und Gizem Koçkaya. Beide sind u. a. aktiv im antifaschistischen Bündnis Duisburg stellt sich quer und im Friedensbündnis Heizung, Brot und Frieden (HBuF); Shabnam ist außerdem Kandidatin der DKP für die anstehende EU-Wahl. Die Genossinnen wurden angegriffen, weil sie für das HBuF-Bündnis ein Transparent mit der Aufschrift „Stoppt den Genozid – Freiheit für Palästina!“ hielten und Kufiya trugen.i

Bei dem Angreifer handelt es sich um Peter Ansmann, Autor für den neokonservativen Blog „Ruhrbarone“, der bekannt dafür ist, gegen Linke und Muslime zu hetzen, Palästinensern in kolonialistischer Manier die Existenz abzusprechen, die Vernichtung Gazas zu fordernii und die NATO zu bejubeln.iii Der Blog muss in einer Reihe mit anderen rechten und rassistischen Online-Medien wie „pi-news“ oder der „Achse des Guten“ genannt werden. Häufig wird er den sogenannten „Antideutschen“ zugerechnet, was nicht ganz passt, denn anders als diese historisch aus der radikalen Linken stammende rechte Bewegung halten sich die „Ruhrbarone“-Autoren selbst gar nicht für links.

Rassisten, Gewerkschafter, Pazifisten und WDR in einem Boot

Trotzdem erhielt Ansmann kurz darauf via Twitter Rückendeckung von der zu Verdi gehörenden Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU) Berlin-Brandenburg, die die Darstellung der „Ruhrbarone“ ungeprüft übernahm.iv Möglicherweise handelt es sich dabei um nichts anderes als einen Freundschaftsdienst von einzelnen rechten Gewerkschaftern. HBuF, die Gruppe Palästina Solidarität Duisburg (PSDU) und das antifaschistische Bündnis Duisburg stellt sich quer (DSSQ) forderten die DJU Berlin-Brandenburg dazu auf, ihre Parteinahme für den Rassisten, Kriegstreiber und Schläger Peter Ansmann zurückzunehmen.v

Der in Duisburg lebende Ansmann und der in Bochum beheimatete  „Ruhrbarone“-Chef Stefan Laurin hetzen seit vergangenem Jahr regelmäßig gegen PSDU. Fälschlicherweise behauptete Ansmann auch öffentlich, die von ihm angegriffenen Genossinnen gehörten PSDU an. PSDU und HBuF wurden nur kurz nach dem Angriff des Rassisten auch von der DFG-VK (Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstverweigerer) politisch attackiert, weil aus ihren Reihen die Parole „From the River to the Sea Palestine will be free!“ angestimmt wurde.

Die DFG-VK behauptete im Interview mit dem WDR, die Parole sei ein „Aufruf zur Gewalt“.vi Wie PSDU und HBuF in einer gemeinsamen Stellungnahme richtig feststellen, handelt es sich bei dieser Diffamierung um nichts anderes als eine Legitimierung der staatlichen Repression gegen die Palästinasolidaritätsbewegung in der BRD und um eine Kriminalisierung eben dieser Bewegung. Da der Vorwurf „Aufruf zur Gewalt“ außerdem strafrechtlich relevant ist, hat die DFG-VK damit zudem den Behörden direkt und konkret Futter für ihre Repression gegeben.vii

Ein solches Verhalten ist nicht neu von der DFG-VK, die bereits in der Vergangenheit gegen antiimperialistische und antikoloniale Befreiungsbewegungen und ihre Unterstützer und Sympathisanten in Deutschland geschossen hat.viii Auch gehört sie zu jenen Teilen der Friedensbewegung, die in jeder Stellungnahme zum Ukrainekrieg zunächst den „völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg“ verurteilen, bevor sie sich überhaupt kritisch zur NATO äußern.

Stehen wir also zusammen gegen ihre Repression, ihre Hetze und ihre Angriffe – egal ob von zionistischen Schlägern, Medien, dem Staat oder auch falschen Friedensaktivisten und rechten Gewerkschaftern!

Solidarität mit Gizem und Shabnam und allen von anti-palästinensischer Hetze Betroffenen!
Für eine echte Friedensbewegung – gegen die NATO und gegen Kolonialismus!

i https://t.me/PalaestinaSolidaritaetDuisburg/1034

ii https://www.melodieundrhythmus.com/mr-4-2019/springers-hurensoehne/

iii https://www.bszonline.de/2021/10/07/bochum-soll-nato-standort-werden/

iv https://twitter.com/ver_jorg/status/1774423008053965237?t=0-kVYR8A1FZNlT8ryD2shQ&s=19

v https://t.me/PalaestinaSolidaritaetDuisburg/1057

vi https://www1.wdr.de/nachrichten/ostermaersche-nrw-ueberblick-100.html

vii https://t.me/PalaestinaSolidaritaetDuisburg/1047

viii https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/artikel/41981.widerstand-gegen-usa-in-irak-gewaltlos-wie-damals-in-indien.html

Gegen den Frieden der Unterdrücker!

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Deinem Urgroßvater
Haben sie erzählt:
Gegen den Erbfeind.
Für das Vaterland.
Und er hat das tatsächlich geglaubt.
Was hat er gekriegt?
Granatsplitter in Beine
Und Kopp
Vor Verdun.

Deinem Großvater sagten sie:
Gegen die slawischen Horden.
Für die abendländische Kultur.
Er hat das wirklich geglaubt.
Was hat er gekriegt?
Bauchschuß und
Einen verrückten Kopp
Vor Stalingrad.

Deinem Vater erzählen sie jetzt:
Gegen die Völkermörder.
Für die Menschenrechte.
Für den Frieden.
Unglaublich – er glaubt´s.
Was er wohl kriegt?
Und wo wird das sein –
Diesmal?

Franz-Josef Degenhart


Seit 2022 ist in Deutschland Zeitenwende. In seiner Rede vom 27. Februar 2022 erklärte der Bundeskanzler, dass es Frieden in Europa nur mit einem besiegten Russland geben wird. Dieser Sieg setze „eigene Stärke“ voraus. Diese neue Stärke beinhaltet vielleicht schon bald die Entsendung von deutschen Soldaten in die Ukraine. Die Zeitenwende beinhaltet, so Pistorius, in fünf Jahren Krieg gegen Russland führen zu können.

Auch in Palästina gilt für die Bundesregierung: Frieden gibt es nur mit einer besiegten Hamas. Bei über 32.000 Toten, die der zionistische Genozid seit dem 7. Oktober 2023 gefordert hat, reden sie allen Ernstes weiterhin davon, dass Israel sich „selbst verteidigen“ dürfe. Die Friedensbewegung steht in diesen Zeiten unter enormem Druck, und hat große Schwierigkeiten ihre Rolle zu finden, offensiv nach außen zu treten.

Der Frieden des Westens

Die Bundesregierung, so wie alle NATO-Regierungen, kämpft für den „Frieden“. Dieser Frieden ist für sie die „freiheitlich-demokratische Weltordnung“ unter ihrer Vorherrschaft. Alle politischen Kräfte, die sich dieser Weltordnung nicht weiter unterordnen wollen, sind Störer des Friedens. Ihre politischen Ziele wären illegitim, autoritär und müssen in Jugoslawien, Afghanistan, Irak oder Lybien gewaltsam bekämpft werden. Dann herrscht wieder Frieden.

So ist es auch in der Zeitenwende: Der Militäreinsatz Russlands in der Ukraine sei ein „völkerrechtswidriger Angriffskrieg“, der den „Frieden in Europa“ gefährde. Somit bedürfe es für die notwendige „Ruinierung“ Russlands keiner weiteren Erklärung. Die Militäroperation des palästinensischen Widerstandes gegen die zionistischen Besatzer sei ein „barbarischer Terrorakt“, somit sei für die Ausrottung des Widerstands jedes Mittel recht- auch ein Genozid.

Es zeigt sich: Die „Verurteilung“ dieser Aktionen ist der Freifahrtschein für den Kriegseinsatz.

Erlaubte und unerlaubte Kritik

Seit Beginn der Zeitenwende ist eine kritische Begleitung der deutschen Kriegs- und Völkermordbeteiligung durchaus präsent. Die „sozialen Auswirkungen“ des Krieges für die Bevölkerung in Deutschland durch die steigenden Energiepreise und der „Nutzen“ der immer weitergehenden Waffenlieferungen an die Ukraine werden durchaus kritisch kommentiert. Und auch die „Verhältnismäßigkeit“ des israelischen Massenmords und ihr tatsächlicher Nutzen für die „Vernichtung der Hamas“ sind Gesprächsthema der sogenannten demokratischen Öffentlichkeit. So lange also die moralische Gretchenfrage – die Verurteilung des Feindes und die Notwendigkeit seiner Vernichtung – richtig beantwortet wird, ist „Kritik“ erlaubt.

An dieser Stelle liegen die Grenzen der Meinungsfreiheit und des politisch Sagbaren. Dass der erklärte Feind möglicherweise einen guten Grund für seine Aktion hat, das ist unsagbar. Wer es auch nur wagt, den russischen Militäreinsatz mit der zunehmenden Bedrohung durch die NATO zu erklären findet sich mit dem Vorwurf der „Belohnung und Billigung eines Angriffskriegs“ schnell vor dem Strafrichter wieder. Das gleiche gilt für Aktivisten, welche die Aktionen des palästinensischen Widerstands gegen Israel als völkerrechtlich verbrieftes Recht eines Volkes unter Besatzung bezeichnen.

Die Friedensbewegung

Die „Deutsche Friedensgesellschaft- Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK) hat den russischen Militäreinsatz als „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ verurteilt. Ihre bayrische Sektion verurteilt die palästinensische Militäroperation vom 7. Oktober als „Exzesse und Morde der Hamas-Terroristen“, für die es „keine Rechtfertigung“[1] gäbe. Sie ist damit voll auf Linie der Bundesregierung und der NATO, die sie für ihre Kriegstreiberei eigentlich kritisieren will. Sie unterstützt damit, ob sie will oder nicht, die Kriegshetze gegen Russland und den Genozid Israels an den Palästinensern.

Auch in den Bündnissen, in denen wir aktiv sind, kennen wir die Diskussionen um die Aufrufe. Häufig wird argumentiert, dass man zum Zweck der „Anknüpfungsfähigkeit“ seine Positionen abschwächen müsste.

Es stellt sich jedoch die Frage: An wen will man da eigentlich anknüpfen?

Eine Friedens- bzw. Anti-Kriegs-Bewegung, welche die aggressive Rolle der NATO, oder der Besatzungsmacht Israel nicht erkennt und das Narrativ der Kriegstreiber bedient, wird damit in letzter Konsequenz eine Pro-Kriegs-Bewegung. Sie verurteilt die Gewalt der Unterdrückten so wie es die Unterdrücker tun.

Wir müssen erkennen, was der moralische Druck auf die Kriegsgegner erreichen soll: Er ist der Versuch, jegliche ernsthafte oppositionelle Stimme gegen den Kriegskurs im Keim zu erdrücken! Er soll Menschen mit einem ehrlichen Willen nach Frieden auf den menschenrechtsimperialistischen Kurs der Baerbocks und Strack-Zimmermanns bringen. Das ist der tödliche Frieden, den sie mit ihren ständigen Kriegen sichern wollen. Er ist nicht unser Frieden.

Die Friedensbewegung muss sich, wenn sie eine Friedensbewegung sein will, gegen den deutschen Krieg gegen Russland wenden. Sie muss die Unterstützung der ukrainischen Faschisten angreifen. Und sie muss sich an die Seite der palästinensischen Befreiungsbewegung stellen!

Auf den diesjährigen Ostermärschen muss die Parole heißen:

Stoppt den Krieg gegen Russland!

Stoppt den zionistischen Genozid!

Gegen die deutsche Staatsräson!

Freiheit für Palästina!


[1]https://dfg-vk-bayern.de/stellungnahme-israel-gaza-krieg/

Bericht zum 5. Mitgliederkongress der Kommunistischen Organisation

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Nach unserem außerordentlichen Kongress im Januar 2023 ist es für unsere Organisation notwendig geworden, zusammenzukommen, die Arbeit der letzten Legislatur auszuwerten und die Weichen für die zukünftige Arbeit zu stellen. Daher veranstalten wir am Wochenende vom 15. bis 17. März unseren fünften Mitgliederkongress in Leipzig und möchten im Folgenden eine kurzen Überblick über unsere Diskussionen und Beschlüsse geben.

Kampf und Klärung gehören zusammen

Die Startbedingungen für die letzte Legislatur waren nicht einfach, denn durch die Spaltung hatten wir einen Großteil unserer Mittel und einige Aktive verloren. Trotzdem konnten wir wichtige Schritte gehen und weiter an unsere Vorhaben anknüpfen: vertiefte Auseinandersetzung mit Streitfragen der Imperialismus-Frage und Kampf gegen den deutschen Imperialismus. Wir können auf eine erfolgreiche Legislatur zurückblicken, die uns politisch stark gefordert und gleichzeitig entwickelt hat.

Wir traten mit einer klaren Anti-NATO Haltung auf, protestierten gegen den deutschen Kriegskurs und erhielten dafür viel Kritik, teils sogar Übergriffe wie am 1. Mai, aber auch einigen Zuspruch. Die Position, dass wir den Kriegskurs der NATO und des deutschen Imperialismus bekämpfen müssen und nicht Russland, hat sich als notwendig und richtig herausgestellt. Nach dem 7. Oktober waren wir in vielen Städten auf der Straße, um uns gegen den Genozid in Gaza und die Kriminalisierung des palästinensischen Widerstandes zu stellen. Es war wichtig, sich den Kriegspropaganda-Geschichten über den 7. Oktober entgegenzustellen und klarzumachen, dass das palästinensische Volk das Recht auf Widerstand gegen die brutale Besatzung hat.  

Die Repressionen, die sich bereits nach dem Februar 2022 deutlich verschärft hatten, haben seitdem ein neues Ausmaß erreicht und damit zunehmend Bedeutung für den politischen Kampf bekommen. Wir konnten aus diesen Auseinandersetzungen viel lernen und werden auch in der kommenden Legislatur daran weiter anknüpfen – ganz im Sinne unserer 2023 verabschiedeten Resolution Kampf und Klärung gehören zusammen!

Ein gemeinsames Verständnis unserer Geschichte, der Geschichte des Kommunismus, aufbauen

Gleichzeitig sind uns im letzten Jahr nach der Spaltung immer wieder Schiefstellungen aufgefallen, die bereits in der Gründung der Kommunistischen Organisation angelegt waren. Dies betrifft u. a. unser Verständnis vom Kampf gegen den Revisionismus – ein Ziel, das wir uns immer auf die Fahne geschrieben haben. Durch die Spaltung konnten wir erleben, wie schnell dieser Kampf in Dogmatismus und Schematismus abgleiten kann. Vor allem in der Auseinandersetzung mit dem Ukraine-Krieg haben wir gelernt, wie wichtig und notwendig die ständige politische Auseinandersetzung mit der konkreten Realität ist. Es wäre jedoch eine falsche Schlussfolgerung, die schädliche Rolle und Funktion des Revisionismus herunterzuspielen. Wir haben vielmehr erkannt, dass wir unseren Blick für die Entstehung und Wirkung des Revisionismus schärfen müssen. Es ist gefährlich Positionen der Kommunistischen Bewegung schlichtweg als „revisionistische Abweichung“ zu stigmatisieren und zu verbannen, ohne deren Entstehung und Entwicklung zu kennen und nachvollzogen zu haben. Stattdessen müssen wir dafür unsere eigene Geschichte, die Geschichte des Kommunismus,  verstehen und uns aneignen.

Wir werden daher im Laufe der nächsten Legislatur einen Studiengang zur Geschichte des Kommunismus organisieren, um uns selbst in diesen Fragen zu schulen und ein kollektives Fundament in diesen Fragen aufzubauen, aber auch in die öffentliche Diskussion darum zu treten. Geplant ist, uns über einen Zeitraum von ca. drei Jahren mit der Geschichte der Arbeiterbewegung und insbesondere der Kommunistischen Bewegung zu befassen. Wir wollen dabei die Erfahrungen und Lehren, die in den Klassenkämpfen gemacht wurden, in den Fokus nehmen. Einen Bezugspunkt bildet dabei voraussichtlich das achtbändige Werk „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, das einen guten Überblick und Leitfaden durch die Geschichte gibt. Damit verbunden wollen wir uns Einblick in wichtige Stationen der Arbeiterbewegung verschaffen, wie z. B. den Parteiaufbau, die Imperialismusfrage, die Rolle des Faschismus, die Entwicklung des Maoismus oder die Rolle der nationalen Befreiungskämpfe. Die theoretischen Errungenschaften wollen wir verknüpft mit den konkreten Auseinandersetzungen und Verhältnissen verstehen und deren aktuelle Bezüge diskutieren. Die nächsten Monaten gehen wir in die inhaltliche Planung des Studiengangs, bevor wir den Start dann auch öffentlich bewerben werden. Um eine breite Teilnahme zu ermöglichen, soll es verschiedene Stufen der Teilnahme geben.

Die kollektive Führungsfähigkeit ausbauen und Fokus setzen

Ein weiterer Beschluss betrifft unsere Arbeitsweise und Strukturen: Das letzte Jahr hat uns gezeigt, wie wichtig die Entwicklung und die Fähigkeiten von einzelnen Genossen sind, um das Kollektiv zu stärken und nach vorne zu bringen. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, haben wir auf dem Mitgliederkongress unsere Strukturen umgestellt und mehr in die Breite verlagert. Zukünftig werden mehr Genossen in Form von verschiedenen Teams an der Planung und Umsetzung teilhaben, um so die politische Arbeit im Ganzen zu bereichern. Wir halten weiterhin an unseren demokratisch-zentralistischen Organisationsprinzipien fest, passen diese allerdings unserem aktuellen Entwicklungsstand an. Es wäre aktuell eine Selbstüberschätzung, uns Strukturen wie die einer Quasi-Partei zu geben. Was vorerst wie ein Rückschritt scheinen mag, stellt eigentlich den notwendigen nächsten Schritt für unsere gemeinsame Entwicklung dar.

Wir haben die letzte Legislatur als gut und erfolgreich ausgewertet, aber aufgrund der zahlreichen Vorhaben stellenweise auch als überfordernd. Daher haben wir beschlossen, weniger zentrale Vorhaben zu fokussieren und in der nächsten Legislatur keinen Kommunismus-Kongress zu veranstalten. Der Kommunismus Kongress im Herbst 2023 war für unsere Organisation ein großer Erfolg, aber auch eine hohe finanzielle und arbeitstechnische Belastung. Wir werden uns stattdessen auf einzelne Vorhaben, wie z. B. den Studiengang, stärker konzentrieren, sowie den Austausch und die Debatte in anderen Formaten suchen.

Wir sind zuversichtlich, mit diesen sowie unseren bereits vorhandenen Beschlüssen wichtige Schritte für das nächste Jahr gehen zu können und sind offen für Nachfragen, Rückmeldung oder Kritik.

In diesem Sinne: Auf eine kämpferische nächste Legislatur!

Bericht über die Kundgebung „From the River to the Sea – Palestine will be free!“

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In Frankfurt wurde für den 22. März um 20:30 Uhr eine Kundgebung unter dem Titel „From the river to the sea – Palestine will be free! Für ein freies Palästina für ALLE Menschen!“ angemeldet. Wir unterstützen das Anliegen der Kundgebung und wollen hier über Hintergründe und Entwicklungen zu der Kundgebung aufklären. Die Informationen werden regelmäßig aktualisiert.


BERICHT von der Kundgebung

Wenn der Innenminister die Gerichte missachtet…

…haben demokratische Rechte Pech gehabt – aber wir kämpfen weiter

Bericht zur Kundgebung „From the River to the Sea“ 22.03.24

Am Freitag haben wir viel über Demokratie und Grundrechte in Deutschland gelernt. Trotz der juristischen Erfolge und den klaren Urteilen, dass der Spruch „From the river to the sea – Palestine will be free.“ NICHT verboten und mündlich sowie schriftlich geäußert werden darf, hat uns die Frankfurter Polizei, auf Anweisung des hessischen Innenministers Roman Poseck, mitgeteilt, dass sie das Rufen und Zeigen von „From the river to the sea – Palestine will be free“ unterbinden wird.

Uns blieb nichts anderes übrig als spontan darauf zu reagieren, dass die Polizei uns trotz Rechtssprechung unsere Rechte wegnimmt. Wir haben gezwungenermaßen der Polizei angeboten, dass wir auf der Kundgebung über den Spruch informieren und ihn auch aussprechen werden, aber nicht skandieren werden. Wir wollten eine friedliche Kundgebung und verhindern, dass die Polizei die Kundgebung auflöst. Das wäre für die Presse und den Innenminister ein gefundeses Fressen gewesen. Aber wir haben einen langen Atem.

Wir haben also die Kundgebung am Freitag genutzt, um über die Bedeutung und die Herkunft des Spruchs „From the river to the sea – Palestine will be free“ zu sprechen. Obwohl die Polizei im Auftrag des hessischen Innenministers uns willkürlich und entgegen der Entscheidung des höchsten hessischen Gerichts, verboten hat, den Sprich „From the river to the sea – Palestine will be free“ zu rufen und zu zeigen, war es trotzdem ein großer Erfolg!

Wir haben mehr als eine Stunde lang eine Kundgebung unter dem Motto „From the river to the sea – Palestine will be free. Für ein freies Palästina für ALLE Menschen.“ durchgeführt und über „From the river to the sea – Palestine will be free“ gesprochen. Das war die erste Versammlung in Deutschland, die unter diesem Motto stattfand und sie wird nicht die letzte sein.

Wir haben am Freitag gelernt, dass die Grundrechte in diesem Land nicht selbstverständlich sind. Wir müssen für diese Rechte kämpfen. Wir müssen dafür vor Gericht ziehen, wir müssen uns vernetzen und uns organisieren. Wir müssen Geld dafür zahlen und Zeit aufbringen, damit wir diese Rechte in Anspruch nehmen können. Demokratische Rechte können wir uns nur gemeinsam und organisiert erkämpfen – und wir brauchen sie für unsere Solidarität mit Palästina.

Die Einschüchterung des Staates hat jedoch keinen Erfolg. Am Freitag kam auf jeden der circa 100 Teilnehmer mindestens ein eigenes Polizeiauto, auch ein Wasserwerfer wurde aufgefahren. Mit der massiven Poliziepräsenz sollen Menschen davon abgehalten werden, sich uns anzuschließen und uns zuzuhören. Allein der Anblick vieler Polizisten kriminalisiert die Kundgebung. Er war auch völlig unverhältnismäßig, weil völlig klar war und von den Gerichten doppelt bestätigt wurde, dass von unserer Kundgebung keinerlei Gefahr ausgeht.

Der hessische Innenminister Roman Poseck hat verlauten lassen, dass er die Parole für strafbar hält und deshalb die Polizei anweist. Zugleich hat er zugegeben, dass die Rechtslage sehr unklar sei und es daher ein Gesetz geben müsse, dass die „Leugnung“ des „Existenzrecht Israels“ unter Strafe stellen soll. Mit diesen Begrifflichkeiten wird der Diskurs völlig auf den Kopf gestellt, denn es ist das Existenzrecht der Palästinenser und der palästinensischen Nation, das aktiv und praktisch negiert wird – auch von der Bundesrepublik. Innenminister Poseck sieht sich selbst als den Staat, wenn er seine Meinung über die Strafbarkeit eines Slogans über die der Gerichte stellt – und dabei selbst zugibt, dass die Rechtslage unklar sei.  

Während der Kundgebung wurde ein Redner nach seiner Rede von der Polizei kontrolliert, weil er die Parole „Palästina darf sich wehren – mit Steinen und Gewehren“ gerufen hatte. Diese Parole wurde sowohl in Frankfurt als auch in Mannheim mehrmals gerufen. Die Polizei stellte ca. 10 Beamte demonstrativ um den Genossen, um damit die Kundgebung zu stören und den Medien Bilder zu liefern. Die Kundgebung ließ sich nicht provozieren. Die Medien nahmen diesen „Zwischenfall“ dankend auf, um darüber zu berichten und nicht über die Inhalte der Reden.

Wir kommen wieder und wir werden weiter über Palästina und seine Befreiung sprechen.

From the river to the sea – Palestine will be free!

UPDATE 22. März Nr. 2

  1. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel hat uns auch Recht gegeben! Die Auflagen sind weg! Das ist der zweite juristische Sieg!
  2. Die Stadt Frankfurt ist außerdem damit gescheitert, mich als Versammlungsleiter abzusetzen und auszuschließen! Das ist der dritte juristische Sieg!
  3. Die Stadt Frankfurt hatte mit „ergänzenden Auflagen“ versucht zu verbieten, mit der Parole „From the River to the Sea“ Werbung für die Kundgebung zu machen! Eine Kundgebung, die diesen Titel trägt! Damit ist sie auch gescheitert!
  4. Die Polizei Frankfurt hat angekündigt, dass die Parole weiterhin als strafrechtlich relevant angesehen wird und sie eingreifen wird.
  5. Ich will zusammenfassen: Die Kundgebung mit dem Titel ist erlaubt. Die Auflage, die die Parole verbieten wollte, ist von zwei Gerichtsinstanzen für ungültig erklärt worden – und das Innenministerium weist die Polizei dennoch an, die Parole als Straftat zu verfolgen.
  6. Wir werden heute Abend vor Ort entscheiden, wie wir damit umgehen

UPDATE 22. März: Stadt Frankfurt will Versammlungsleiter ausschließen!

Verwaltungsgericht Frankfurt gibt uns Recht: Die Auflagen sind weg!

Stadt Frankfurt will mich von meiner angemeldeten, genehmigten Versammlung ausschließen – dagegen wird geklagt

Achtet weiter auf Updates!

Meine Anwältin hat bereits gestern Widerspruch gegen die Auflage „From the river to the sea…“ beim Verwaltungsgerichtshof Frankfurt eingereicht. Das Urteil hat aber verdächtig lange auf sich warten lassen. Das VG Frankfurt hat in unserem Sinne geurteilt, das bedeutet, dass die Parole „From the river …“ aus den Auflagen entfernt wurde. Als Begründung wird u.a. angeführt:

„Gewichtige Gründe sprechen dafür, dass die denkbar weitgefasste Verfügung des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat jedenfalls hinsichtlich der Parole „From the river to the sea“ aufgrund der Anknüpfung an den Inhalt einer politisch unliebsamen Meinungsäußerung mit Art. 5 Abs. 1, insbesondere Satz 3, Abs. 2 GG unvereinbar ist und der staatlichen Neutralitätspflicht nicht genügt, entgegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG auf politische Anschauungen zielt und sich die Verfügung vom 2. November 2023 daher als teilnichtig darstellen könnte. Eine geltungserhaltende Reduktion etwa auf Fälle mit eindeutigem HAMAS-Bezug erscheint schon deshalb erforderlich, als der im Bundesanzeiger vom 2. November 2023 allein bekanntgemachte verfügende Teil unter der Nummer 3 „Kennzeichen der HAMAS“ anführt, indes methodisch fraglich, als dort eine nicht auf den HAMAS-Bezug eingrenzte Formulierung verwendet wird und sich auch in der angegriffenen Verfügung keine darüberhinausgehende Begründung findet, die ein entsprechendes Verständnis zuließe.“

Gleichzeitig hat die Stadt Frankfurt mich als Versammlungsleiter abgesetzt und von der Versammlung ausgeschlossen. Dies wird damit begründet, ich stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Das muss man sich mal verdeutlichen, was das bedeutet. Ich werde massiv in der Ausübung meiner Grundrechte behindert, mir wird verboten mich zu versammeln und eine ERLAUBTE Demonstration zu leiten. Ich habe dagegen Klage eingereicht und werde werde aller Wahrscheinlichkeit nach auch Recht bekommen und an der Versammlung teilnehmen können.

Auf diesen Schritt möchte ich kurz eingehen, da er besonders interessant ist. Gestern hat das hessische Innenministerium eine Aufforderung an die Stadt Frankfurt gesendet, mich als Versammlungsleiter abzusetzen und von der Versammlung auszuschließen. Die einzige Begründung ist, dass ich als Person angeblich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle. Wieso soll ich das tun? In der Begründung des hessischen Innenministeriums steht, ich hätte angeblich auf einer Demonstration am 24.02. in Mannheim den Spruch „From the river to the sea…“ in das Mikrofon gesagt. Dies würde der Polizeibericht der Demonstration wiedergeben. Nun ist es so, dass die Polizei Mannheim entweder ihre Arbeit nicht richtig gemacht hat oder dreist lügt. Beides ist möglich. Ja, ich war auf der Demonstration am 24.02.24 in Mannheim und habe ein einziges Mal das Mikrofon in die Hand genommen, allerdings zum Schluss als ich eine Rede gehalten habe. Diese Rede ist öffentlich auf Instagram zu sehen (Link). Dort kann jeder hören, was ich sage. Der Spruch „From the river …“ ist nicht dabei. Somit ist der Polizeibericht aus Mannheim und dadurch auch die Argumentation des hessischen Innenministeriums hinfällig.

Ein weiteres Argument, dass das hessische Innenministerium aufführt, weshalb ich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen soll, ist, dass ich die Kundgebung unter dem Motto „From the river to   the sea – Palestine will be free“ angemeldet habe und laut Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums der Spruch mit der Hamas oder Samidoun in Verbindung gebracht werden soll.

Nun ist es so, dass die Argumentation in der Verbotsverfügung juristisch haltlos ist, dessen ist sich das hessische Innenministerium genauso bewusst wie das VG Frankfurt. Das Urteil des VG Frankfurt bestätigt dies. Wieso ist die Argumentation der Verbotsverfügung haltlos? Weil der Spruch a) älter ist als die Organisationen, die in der Verbotsverfügung aufgeführt werden, b) der Spruch vielseitig interpretiert werden kann (siehe meine vorherigen Posts, der Artikel der Süddeutschen Zeitung (https://www.sueddeutsche.de/politik/meinungsfreiheit-deutschland-krieg-in-gaza-1.6403895?reduced=true), sowie zahlreiche internationale Gerichtsentscheidungen aus Tschechien, Holland, Belgien, der Schweiz und der USA (siehe Quellen).

Die hessischen Behörden springen im Dreieck, werden nervös und versuchen mit lächerlichen Methoden, ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht abzuwenden. Wir sehen uns vor Gericht!

Das Eintreten für die Freiheit von Palästina, für das Ende von Besatzung, Vertreibung und Völkermord ist keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Die Einschränkung demokratischer Rechte gefährdet aber tatsächlich die Sicherheit der Bevölkerung, öffnet sie doch Tür und Tor für Willkür der Behörden. Es ist unser urdemokratisches Recht, für Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit auf die Straße zu gehen.

Ich werde euch weiter auf dem Laufenden halten.

From the river to the sea – Palestine will be free!

Quellen

Tschechien:

https://www.ceska-justice.cz/2023/12/zruseni-prosincove-demonstrace-na-podporu-palestiny-bylo-nezakonne-rozhodl-soud/?fbclid=IwAR1U66BCHIcIgLt0P0CXDb2aR0CfV2BHOARdmYVvs1519Y1FjKkB3yhw-UA

Belgien:

https://www.rtbf.be/article/from-the-river-to-the-sea-ce-slogan-brandi-lors-des-manifestations-en-soutien-a-la-palestine-fait-debat-11306386

Holland:

https://uitspraken.rechtspraak.nl/details?id=ECLI:NL:GHAMS:2023:2271

Frank van der Linde auf X: „Binnen een artikel 12 procedure heeft het @HofAmsterdam bepaald dat o.a. de oproep „From the river to the sea Palestine shall be free“ niet strafbaar is. Mooi. Zou ook redelijk absurd zijn als het wel strafbaar zou zijn geweest, maar goed, je weet nooit tegenwoordig. Graag RT! https://t.co/adqNCdVzaE“ / X (twitter.com)

Schweiz:

Basler Staatsanwaltschaft: «From the river to the sea» ist nicht strafbar (nzz.ch)

Antisemitismus: Pro-palästinensische «From the river to the sea»-Parole ist nicht strafbar | Beobachter

UPDATE 18. März: Die Absurden Auflagen der Polizei – Kundgebung erlaubt, Spruch verboten. Wir spiegeln die Stellungnahme des Anmelders zu den Auflagen:

Die gesamte Auflage 10 besagt: „Die Aussagen ‚Juden Kindermörder’ und ‚From the river to the sea’ sind in mündlicher und schriftlicher Form in jeglicher Sprache untersagt. Der Versammlungsleiter hat Personen, die gröblich gegen diese Beschränkung verstoßen zum Verlassen der Versammlung aufzufordern.“ Die Beschränkungsverfügung ist total absurd. Während die Versammlungsbehörder der Stadt Frankfurt den Spruch „From the river…“ in den Auflagen verbietet, erlaubt sie gleichzeitig die Kundgebung „From the river to the sea – Palestine will be free. Für ein freies Palästina für ALLE Menschen“.

Bei einer Kundgebung mit dem Motto „From the river to the sea..“ ist es verboten, diesen Spruch mündlich oder schriftlich zu tätigen. Wie absurd ist das denn bitte? Das macht überhaupt keinen Sinn und zeigt, auf was für einer dünnen und haltlosen Basis die Begründung der Stadt Frankfurt für das angebliche Verbot des Spruchs „from the river…“ steht.

Eine weitere Absurdität ist es, dass die Auflage 10 den Spruch „Juden Kindermörder“ mit „From the River to the sea..“ gleichzusetzen versucht. Wie bereits in dem vorherigen Post beschrieben, kann der Spruch „from the river…“ vielseitig, und sogar aus zionistischer Sicht interpretiert werden, wie das Beispiel der zionistischen Likud Partei zeigt. Der Spruch „Juden Kindermörder“ ist klar antisemitisch, was beim Spruch „from the river…“ nicht der Fall ist. Auch ist die Forderung nach einer Einstaatenlösung für alle Palästinenser wie vor 1948 nicht antisemitisch, da bereits vor der Staatsgründung Israels Juden, Christen und Muslime Teil des palästinensischen Volkes waren und immer noch sind.

Die Stadt Frankfurt ist hilflos und kann sich nur mit absurden Auflagen behelfen, die keiner Rechtsgrundlage standhalten werden können.

Kommt alle am Freitag, den 22.03 um 20:30 zur Hauptwache und lasst uns alle gemeinsam das Motto der Kundgebung mündlich und schriftlich Lautstark und stolz nach außen tragen. From the river to the sea – Palestine will be free. Für ein freies Palästina für ALLE Menschen!


Warum ist es wichtig für die Entkriminalisierung des Spruchs „From the river to the See – Palestine will be free“ zu kämpfen?

Die Bundesregierung hat den Spruch „From the River to the sea – Palestine will be free“ verboten, damit eine bestimmte Position zu Israel/Palästina verunmöglicht wird. Es geht um die offene Infragestellung der israelischen Besatzungsmacht, aufgrund seines siedlerkolonialen und rassistischen Charakters. Über das Verbot dieses Spruches soll die Existenz der Kolonisierung, Besatzung und Apartheid Palästinas normalisiert und unangreifbar gemacht werden. Dabei wird bewusst die zionistische Besatzung Palästinas vertuscht, die vom Fluss bis zum Meer geht. Es wird so getan, als würden die Palästinenser den Israelis etwas wegnehmen, obwohl es die Zionisten waren, die den Palästinensern 1948 einen Großteil ihres Landes gestohlen haben. Letztlich geht es darum, die Existenz Palästinas als Nation zu negieren und den Befreiungskampf des palästinensischen Volkes gegen die gewaltsame Kolonisierung und ihre Vertreibung zu diffamieren und zu kriminalisieren. 

Über das Verbot des Spruchs, soll eine Position kriminalisiert werden, nach der koloniale Besatzung, -Besiedlung und -Vertreibung kein Existenzrecht hat. Diese Dinge sind fest in der Gründung der zionistischen Besatzung  verankert, welche sich in der Nakba (arabisch: Katastrophe) 1948 und der darauffolgenden Besatzung ganz Palästinas und darüber hinaus Teile von Syrien manifestieren.

Die Bundesregierung kriminalisiert den Spruch, indem sie ihn mit sogenannten Terrororganisationen in Verbindung bringt. So wäre eine Forderung nach einem Ende der Besatzung Palästinas in den Grenzen vor 1948 eine terroristische Forderung. So soll jeglicher Widerstand, unabhängig von Hamas, PIJ, PFLP, DLFP, etc. als Terror gelabelt werden. Die Strategie ist, den legalen Rahmen der politischen Positionen zu Palästina abzustecken und den Diskurs darüber zu bestimmen. 

Unser Ziel ist es, den Spruch „From the River to the sea – Palestine will be free“ zu entkriminalisieren. Wir wollen den Spruch auf Demonstrationen, auf Schildern, auf Bannern und in unseren Reden frei sagen können. Das ist unser grundlegendes Recht auf Meinungsfreiheit. 

Was genau aber meint der Spruch FTRTTS – PWBF eigentlich?

Es gibt verschiedene Deutungen dieses Spruchs. Dies macht das Vorgehen der Bundesregierung absurd, die versucht den Spruch einer bestimmten Gruppe zuzuordnen. Ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer kann unterschiedlich interpretiert werden und reicht von einer zionistischen Ein-Staatenlösung, also ein Großisrael ohne Palästinenser, über die Zwei-Staatenlösung in Bezug auf die gleichen Rechte für Palästinenser in den Gebieten die 1967 von Israel völkerrechtswidrig besetzt wurde, bis hin zu einer Ein-Staatenlösung wie vor 1948, indem alle Menschen aller Religionen friedlich zusammenleben können. 

Die zionistische Likud-Partei schreibt in ihrem Wahldokument von 1977: “The right of the Jewish people and to the land of Israel is eternal and indisputable and is linked with the right to security and peace; therefore, Judea and Samaria will not be handed to any foreign administration; between the Sea and the Jordan there will only be Israel sovereignty.”[1]Auch weitere israelische Politiker und Historiker haben den Spruch mit dieser Interpretation genutzt.[2]

Der Spruch kann auch als Befreiung von der Besatzung in den Gebieten von 1967 sowie der israelischen Apartheid gesehen werden, durch die sich dem israelischen Staate heute definiert, weil in ihm für Juden und palästinensische Araber unterschiedliche Gesetze gelten.

Der Spruch kann als Ein-Staatenlösung im Sinne der PLO-Charta[3] von 1967 interpretiert werden, nach der alle Menschen, die vor 1948 in Palästina gelebt haben, als Palästinenser und entsprechend als Staatsbürger des gemeinsamen Staates anerkannt werden. Die Charta fordert ein Land für alle vor 1948 in Palästina lebenden Menschen, egal welcher Religion. Das bedeutet, dass auch die damals erst zugewanderten Siedler, die vor allem aus Europa kamen, als Palästinenser verstanden und akzeptiert wurden, nicht aber jene, die nach 1948 mit Hilfe von Gewalt das Land der Palästinenser an sich nahmen. Wenn auch vor 1948 nur durch ökonomische und auch militärische Unterstützung der Imperialisten, vor allem GB, die zionistische Besiedlung durchgesetzt wurde.

Es wird Zeit, dass auch in Deutschland der Spruch entkriminalisiert wird. Sowohl in den Niederlanden[4], als auch in Tschechien[5] ist es schon längst erlaubt, öffentlich ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer zu fordern. In den USA wird der Spruch auf allen Demonstrationen gerufen.

Deswegen kämpfen wir für die Entkriminalisierung dieses Spruchs.

From the river to the sea – Palestine will be free!


[1] https://www.jewishvirtuallibrary.org/original-party-platform-of-the-likud-party

[2] https://www.timesofisrael.com/from-the-river-to-the-sea-the-slogan-that-led-to-rashida-tlaibs-censure-explained/

[3] https://bildungsbaustein-israel.de/wp-content/uploads/2022/10/Charta-der-PLO.pdf

[4] https://elsc.support/news/victory-from-the-river-to-the-sea-is-protected-speech-dutch-court-rules

[5] https://ism-czech.org/2024/01/06/czech-court-recognizes-the-legitimacy-of-the-slogan-from-the-river-to-the-sea-palestine-will-be-free/

Gegen den Genozid im Namen „feministischer Außenpolitik“!

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Vor gut einem Jahr wurden die Leitlinien für die „Feministische Außenpolitik“ der Bundesregierung veröffentlicht. Sie sprechen darin von „nachhaltigem Frieden durch die Einbeziehung von Frauen“. Was sich schön anhört, ist in Wahrheit Rechtfertigungsfolie für imperialistische Intervention. So wird der brutale Krieg, den Israel in Gaza führt, unter anderem mit dem Leid israelischer Frauen begründet. Israel müsse sich vor den „barbarischen Horden“ schützen, die am 7. Oktober aus Gaza ausbrachen und deshalb diesen Krieg führen. Dabei zahlt sich die Propaganda von Israel als der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“, als „Insel der Zivilisation“ aus. Hinter der moralischen Autorität „westlicher Werte“ lässt sich sogar ein offen ausgetragener Völkermord verstecken.

Die israelische Armee präsentiert sich seit Langem als besonders „modern“, da in ihr auch viele Soldatinnen dienen. Wie alle männlichen Staatsbürger, müssen auch junge Frauen ihren Wehrdienst in der Armee ableisten. Was als emanzipatorisch und progressiv verkauft wird, ist in Wahrheit Notwendigkeit der zionistischen Besatzung. Es ermöglicht die Aufrechterhaltung des Apartheidsystems mit seinen unzähligen Checkpoints und der Bewachung seiner Siedler. Es ist auch ein nationales Erziehungsmoment, bei dem die Staatsbürger darauf getrimmt werden, Palästinenser als ihre Feinde zu sehen. Mit dem Dienst an der Waffe werden alle Israelis in die Unterdrückung der Palästinenser mit einbezogen. Das befördert eine durch Rassismus geprägte Herrenmenschenideologie, die jegliche moralische Grenzen auflöst und den Genozid an den Palästinensern legitimiert weiß. So haben israelische Soldatinnen und Soldaten keine Hemmung, ihre Kriegsverbrechen selbst im Netz zu verbreiten.

Das ist es, was Israel und die westliche Welt unter „Emanzipation“ verstehen: Die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen an der Ermordung eines unterdrückten Volks!

Feministische Außenpolitik im Kampf gegen palästinensische Frauen

Die Entmenschlichung der Palästinenserinnen und Palästinenser ist für Israel ideologisch notwendig, um den Genozid durchführen zu können. Sie werden als Tiere angesehen oder als die „Kinder der Finsternis“, gegen die die „Kinder des Lichts“ ankämpfen. Der Genozid in Gaza schließt dabei nicht nur das Ermorden der dort lebenden Palästinenser ein, sondern auch die Auslöschung jeglicher Lebensgrundlage zukünftiger Generationen. Davon sind insbesondere Frauen betroffen, die schon jetzt unter Fehlgeburten und unzureichender Versorgung bei Entbindungen leiden. Es zeigt sich die Heuchelei der feministischen Außenpolitik: Da das Leid der palästinensischen Frauen Teil der siedlerkolonialen Politik Israels und seiner westlichen Unterstützer ist, wird es unter den Teppich gekehrt oder als gerechtfertigtes Opfer angesehen.

Hierzulande zelebriert die herrschende Klasse einen identitätspolitisch und liberal geprägten „Kampf“ der Frauen. Emanzipation wird auf eine individualistische Selbstverwirklichung von Frauen reduziert und hat häufig jegliche Klassendimension verloren. Identitätspolitisch kämpft man gegen „das Patriarchat“. Der antimuslimische Rassismus spielt seit Längerem eine wichtige Rolle in der feministischen Bewegung in Deutschland, aber auch in anderen westlichen Staaten. Insbesondere das Narrativ von der unterdrückten kopftuchtragenden Frau ist dabei beliebt. Seit Jahren werden Kopftuch-Debatten geführt, die unter feministischer Flagge rassistische Diskurse gegen Muslime und Muslimas befeuern. Diese Diskurse sind stark von kolonialistischen Bildern geprägt und wurden mit der feministischen Außenpolitik offiziell zur Staatsideologie erhoben. Die Frauen in den vom Westen bekämpften, unterdrückten oder abhängig gemachten Staaten werden als Opfer dargestellt, die es zu befreien gilt.

Die wahre Prägung vieler deutscher „Feministinnen“ zeigte sich, als nach dem 7. Oktober 2023 viele von ihnen zur Solidarität mit der zionistischen Besatzung aufriefen. Gegen Solidaritätsbekundungen mit Palästina durch – meist migrantische – Frauen wird chauvinistisch gehetzt. Ihr Protest wird als antisemitisch abgestempelt und insbesondere in der linken Szene nicht ernst genommen. Wer sich mit dem palästinensischen Widerstand solidarisiert, würde sich auf die Seite patriarchaler Kräfte stellen. In Wahrheit bedeutet die Befreiung Palästinas vom israelischen Siedlerkolonialismus, von Apartheid, Verfolgung und Ermordung, die wichtigste Verbesserung der Lage der palästinensischen Frauen – sie steht jetzt vor Ort auf der Tagesordnung und wird durch den vielfältigen Widerstand Palästinas erkämpft.

Wir sehen am Widerstand der Palästinenserinnen, was es heißt, wenn Frauen kämpfen. Sie wehren sich seit über 75 Jahren gegen die Gewalt der israelischen Besatzung. Zurzeit sehen wir Bilder von Frauen in Gaza, die sich unter Einsatz ihres Lebens für ihre Mitmenschen einsetzen, wie zum Beispiel die Ärztin Amira al-Assouli. Sie zögerte nicht, einem angeschossenen jungen Mann in der Nähe des Al-Nasser Krankenhauses zur Hilfe zu eilen und unter Beschuss von israelischen Scharfschützen in Sicherheit bringen. Sie und viele andere zeigen: Der Widerstand ist keine Männersache, sondern wird durch den Zusammenschluss über Geschlechtergrenzen hinweg überhaupt erst möglich.

Frauenkampf heißt heute auch Solidarität und Unterstützung des palästinensischen Widerstands. Hierzulande heißt er, die westliche Herrenmenschen-Ideologie gegenüber den unterdrückten Völkern zu bekämpfen. In diesem Internationalismus vereinen sich überall Frauen und Männer gegen den Imperialismus.

Hoch die internationale Solidarität!

Für die Befreiung der arbeitenden und unterdrückten Frauen weltweit!

Frankfurt: Aktuelle Stunde zum „MAGA Kommunismus“

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In den letzten zwei Jahren tauchte ein neuer politischer Begriff in den USA auf: MAGA Kommunismus. Die Kombination von Kommunismus und dem Wahlkampfslogan Donald Trumps (Make America Great Again-MAGA) erscheint widersprüchlich. Um das politische Klima der USA in diesem Bereich besser verstehen zu können, möchten wir uns in der Aktuellen Stunde am Mittwoch 06.03.2024 ab 19 Uhr tiefer mit dem Thema auseinandersetzen. 

Anfangen werden wir mit dem Thema der Ästhetik der Bewegung und ihrer Außenwirkung. Anschliessend wird Alex, ein Show Runner von dem Medienkollektiv „Infrared”, einen allgemeinen Überblick über MAGA Kommunismus geben und auf die Widersprüche eingehen. Auch die Lehren aus der Bewegung für Europa und insbesondere Deutschland werden Thema sein.

Für Fragen und Diskussionen nehmen wir uns natürlich im Anschluss ausreichend Zeit. 

Wer sich schon mal einlesen möchte, findet hier ausführliche Beiträge von Infrared zu dem Thema: The rise of MAGA Communism & On the „Patsoc“ Split (insb. die Abschnitte „The ‘Dividing’ of the ‘Working Class’“ und „The General Demands of the Emancipation of Labor“. Oder auf YouTube: MAGA & Marxism in America, The New Era of Socialism.

Zoom-Link auf Anfrage bei: frankfurtm@kommunistische-organisation.de

Podcast #41 – Ralf Hohmann über Strafrechtsverschärfung und Gesinnungsjustiz

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Ralf Hohmann ist Rechtswissenschaftler, hat als Strafrechtsverteidiger gearbeitet und in der Anwaltsausbildung an Universitäten gelehrt. Mit ihm diskutieren wir über den Hintergrund des Abbaus demokratischer Rechte. Es geht um die Tendenz zur Vorverlegung der Strafbarkeit; das Zusammenspiel von Medien, NGOs, Justizwesen und Politik und den politischen Kontext für die Erweiterung der Repressionskapazitäten des Staates.

Medien für den Völkermord

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Wie die tagesschau über das Massaker vom 29.02. berichtete

Philipp Kissel

Die israelische Besatzungsarmee hat am 29.02. ein Massaker an hungernden Menschen in Palästina verübt. Am Vormittag des 29.02. melden weltweit Medien die grausame Tat und die meisten sind in ihrer Berichterstattung völlig eindeutig, weil die Fakten völlig eindeutig sind: Soldaten haben auf wartende Menschen geschossen und mehr als 100 getötet und mehr als 700 verletzt.

Eine Lücke zwischen der Welt und Deutschland

Das Massaker fand am frühen Morgen statt. Im Laufe des Vormittags berichteten weltweit Medien wie Aljazeera, BBC, France24, CNN und viele weitere. Auf der Seite der tagesschau zu diesem Zeitpunkt: Nichts. Genau, gar nichts. Bei ZDF heute: Nichts.

Vermutlich wurde in den Redaktionsstuben überlegt: Wie können wir das irgendwie berichten, ohne aber Israel dafür zu kritisieren? Denn die lange Spanne zwischen der Berichterstattung in der Welt und der in Deutschland war definitiv kein Zufall. Und sie ist aufgefallen: Der Journalist Tarek Bae hat den Vorgang beobachtet und kritisiert, was die deutschen Medien geboten haben (https://twitter.com/Tarek_Bae). Der Vorgang, dass es eine ohrenbetäubende Lücke zwischen der Welt und Deutschland gibt, ist bemerkenswert. Man müsste überprüfen, ob andere relevante Medien in Deutschland bereits berichtet hatten. Es ist ein erneuter Hinweis auf den Gleichschritt, in dem die Medien hierzulande funktionieren.

Das Bild des Ansturms

Der Artikel auf tagesschau.de kam gegen 15:50 und stellt eine Verdrehung der Tatsachen dar. https://www.tagesschau.de/ausland/asien/gaza-hilfslieferung-tote-100.html

https://archive.ph/1aGQG

Bereits die Überschrift ist perfide: „Viele Tote bei Verteilung von Hilfsgütern in Gaza“. Damit ist unmittelbar das Bild gezeichnet, das die Verteilung oder die Empfänger irgendwie das Problem seien. Weiter heißt es: „In Gaza-Stadt ist es bei einem Ansturm auf Hilfsgüter zur Eskalation gekommen.“ Das ist eine Formulierung, die eher bei Auseinandersetzungen zwischen Fußball-Fans üblich ist: Bei einer Partie von Schalke und Dortmund ist es zu einer Eskalation gekommen. Aber es ist noch perfider, denn hier wird auch klar vermittelt, wer für diese „Eskalation“ verantwortlich ist: „Bei einem Ansturm auf Hilfsgüter“ – das Bild von den stürmenden, wilden, chaotischen Horden wird verfestigt.

Das Bild des Chaos

Weiter heißt es: „Medien berichten über Schüsse.“ Hier wird angedeutet, dass da etwas passiert sein könnte, da sich aber nur auf „andere Medien“ bezogen wird, rückt es in weite, unklare Ferne. Eine andere Formulierung wäre gewesen: „Hunderte mit Schussverletzungen“.

Weiter heißt es: „Die Gesundheitsbehörde in Gaza meldet mehr als 100 Tote. Noch ist vieles unklar, zum Vorfall gibt es unterschiedliche Angaben.“ Damit ist der Kontext, in dem die Zahl der Toten genannt wird, gerahmt: Völlig unklar.

Diese Vernebelung geht weiter, sie findet also nicht aus Versehen oder zufällig statt. Die Wiederholung der Formulierungen, die das Bild von Diffusität, Unklarheit und Verwischung erzeugen sind gewollt: „Bei Chaos und Schüssen rund um einen Hilfskonvoi im Gazastreifen sind zahlreiche Menschen ums Leben gekommen.“ Chaos als Gesamtbild, irgendwelche Schüsse, die scheinbar gar nicht lokalisiert werden könnten und vielleicht auch von Banden stammen könnten, Menschen sind „ums Leben gekommen“, wie bei einem Autounfall oder Erdbeben – sie wurden nicht getötet.

Das Framing der israelischen Armee

Nun kommt derjenige, der wohl vielleicht etwas Licht in dieses Chaos bringen könnte: „Die israelische Armee teilte mit, viele Anwohner hätten sich um einfahrende Lastwagen mit Hilfsgütern gedrängt, um diese zu plündern.“ Das passt doch sehr gut zu dem oben Angedeuteten „Ansturm“ auf Hilfsgüter und Plünderer. „Laut den israelischen Angaben wurden mindestens 24 Menschen durch Rampeleien und Getrampel getötet. Zudem gebe es zahlreiche Verletzte.“ Das Bild ist fast vollständig – Tote bei Verteilung von Hilfsmitteln, Ansturm auf LKWs, Chaos und Schüsse, Plünderer, Tote durch Rampelei! Dann kommt der Hinweis, dass diese Angaben sich derzeit nicht unabhängig überprüfen ließen. Das ist ein formaler Hinweis, denn das bisher in diesem Text hergestellte Framing[1] entspricht der Darstellung der israelischen Armee.

Es wird erwähnt, dass „weitaus höhere“ Zahlen von der „von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde“ genannt würden, 104 Tote und 760 Verletzte. Die Behörde werfe Israels Armee vor, „die Gruppe“ angegriffen zu haben, als sie auf Hilfsgüter wartete. Eine „Gruppe“? Vielleicht von Plünderern?

Das Bild der verständnisvollen Armee

Die tagesschau schreibt weiter, dass die israelische Regierung von „einer Tragödie“ sprechen würde. „Anzeichen würden darauf hindeuten, dass die Todesfälle durch Lieferfahrer verursacht worden seien, die in eine Menschenmenge rasten. ‚Irgendwann waren die Lastwagen überfordert‘, sagte Avi Hyman gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters“. Was für eine nette, verständnisvolle Armee, die ganz bestimmt nichts mit den Toten zu tun habe. Zu dem Bild der Plünderer kommt nun das der „überforderten“ Fahrer. Diese zu diesem Zeitpunkt (die hier vorliegende aktualisierte Version des Artikels stammt von 17:45) bereits längst als absurd feststellbaren Aussagen der israelischen Armee werden in der tagesschau ausgebreitet und der Sprecher sogar weiter zitiert: „Es ist offensichtlich eine Tragödie, aber wir sind uns der Einzelheiten noch nicht ganz sicher.“ Für so einen verständnisvollen Sprecher muss man wiederum Verständnis haben, es war ja eine Situation des „Chaos“ und des „Ansturms“.

Täter-Opfer-Umkehr

Im Folgenden wird geschrieben, dass mehrere israelische Medien unter Berufung auf Armeekreise berichtet hätten, dass „die Menge sich den Soldaten genähert habe, die die Einfuhr der Lastwagen koordinierte. Dadurch seien die Soldaten gefährdet worden, hieß es in den Artikeln. Das Militär habe deshalb das Feuer auf die Gruppe eröffnet.“ Hier wird also das, was bereits die ganze Welt weiß, dem Publikum in Deutschland ganz vorsichtig nahe gebracht: Die armen Soldaten, sie hätten ja eigentlich gar nicht anders gekonnt, bei so einer Gefährdung. Menschen könnten vielleicht doch nicht nur durch „Rampeleien“ zu Tode gekommen sein. Aber das weiß man bei der tagesschau nur aus israelischen Medien, die dasselbe Framing ausbreiten: Die eigentlich Gefährdeten waren nicht die hungernden Unbewaffneten, auf die man schoss, sondern die Soldaten.

Diese Täter-Opfer-Umkehr durchzieht den weiteren Text. Nun wird auf die Times of Israel Bezug genommen, laut der „tausende Palästinenser“ auf die Lastwagen „zurannten“. Zehn Menschen seien durch von israelischen Soldaten abgegeben Schüssen getötet worden.

Im nächsten Absatz wird sich wieder auf nicht näher genannte israelische Medien bezogen, die sich wiederum „auf die Armee beziehen“, laut denen „bewaffnete Palästinenser auf einige der Lastwagen geschossen hätten. Das Militär habe zunächst Warnschüsse in die Luft abgegeben und auf die Beine derjenigen gefeuert, die sich den Soldaten trotzdem genähert hätten.“ Es könnten also die Palästinenser selbst gewesen sein. Das passt auch gut in das Bild der „Plünderer“, des „Ansturms“, also einer nicht anders als durch Schüsse zu stoppenden Gefahr. Hier wird eine Behauptung einer Armee, der ein Massaker vorgeworfen wird, ohne weiteren Kommentar übernommen, dass die Opfer selbst geschossen hätten.

Im Folgenden zitierte Augenzeugenberichte liefern keine weiteren Informationen, sondern bestätigen das Bild des „Chaos“. Zitate des ägyptischen Außenministeriums und der Hamas werden mit folgendem Satz beendet, der das Framing herstellt: „Bereits zuvor hat es Berichte über heftige Rangeleien um Hilfsgüter gegeben.“ Allein die Tatsache, dass nicht angegeben wird, von wem diese Berichte stammen und zu welchen Ereignissen sie sein sollen, belegt die manipulative Funktion.

Insgesamt handelt es sich bei diesem Text um kein journalistisches Produkt. Das Framing und die Auswahl der Quellen zeichnet exakt das Bild, das die israelische Armee verbreiten wollte. Ziel des Textes ist, die auf der Hand liegende Tatsache, dass hier ein Massaker verübt wurde, das zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Stunden zurück liegt und international Gegenstand ausführlicher Berichte war, zu verschleiern, die Opfer zu potentiellen Tätern zu machen und den Leser mit dem Eindruck zurückzulassen: Ja, das ist aber auch schlimm, dass die Menschen da so gestürmt sind.

Auslassung als Teil der Erzählung

Der Journalist Tarek Bae hat recherchiert und stellt den Artikel der tagesschau in den Kontext der Tatsachen, die zu diesem Zeitpunkt ermittelbar waren:

„So erklärt Jadallah al-Shafei, der Leiter der Krankenpflegeabteilung des al-Shifa-Krankenhauses: ‚Die meisten Opfer erlitten Einschüsse und Schrapnelle im Kopf und im Oberkörper. Sie wurden durch direkten Artilleriebeschuss, Drohnenraketen und Gewehrfeuer getroffen‘. Das ist eine unabhängige Quelle. Es wurde zudem durch Videoaufnahmen dokumentiert, wie es zum Beschuss der Zivilisten kam und es wurde ebenso dokumentiert, dass es zahlreiche Tote und Verletzte durch Beschuss gab. Zu erkennen an Schussverletzungen. Längst haben die israelische Regierung und die Armee erklärt, ihre Soldaten hätten sich ‚bedroht gefühlt‘ und ‚sich verteidigt‘ durch Schüsse (siehe Erklärung des Ministers für Nationale Sicherheit, Ben Gvir, über Twitter). Das widerlegt auch die zunächst verbreitete Propaganda, die Menschen hätten sich selbst totgetrampelt. Zusammengefasst: Die Tagesschau verbreitet hier miserable Verzerrungen. Die Darstellung, alles wäre unklar, ist falsch. Es gibt natürlich Raum für Recherche. Recherchen, die die Tagesschau nicht anstellt. Sie täuscht über längst bekannte Fakten hinweg. Und das ist unwürdig, ja unanständig.“ (https://twitter.com/Tarek_Bae/status/1763336501134246100)

Die manipulative „Erzählung“ über ein Ereignis, die es als etwas anderes darstellen soll, als es in Wirklichkeit war, funktioniert allerdings meistens nur durch Weglassen von Fakten. In diesem Fall ist das ein besonders grober Vorgang, denn die Schusswunden von hunderten von Menschen auszulassen und das Bild der Rempelei zu verbreiten, ist offenkundig eine Lüge.

Tarek Bae zeigt die Schlagzeilen weiterer Medien, die aufzeigen, dass sie dieselbe Erzählung wie die tagesschau darstellen und teilweise überbieten (Die Welt). Eine genauere Recherche zu der Reaktion der deutschen Medien auf das Massaker vom 29.02. würde vermutlich noch weitere Abgründe sichtbar machen.

Politische Unterstützung eines Völkermords

Die politische Bedeutung dieses Beispiels ist: Die Medien in Deutschland unterstützen einen Völkermord. Das Aushungern und Bombardieren und die Tötung von Zivilisten im Gazastreifen ist ein Völkermord. Mit der Vertuschung und Irreführung durch die Berichterstattung beteiligen sich die Medien an diesem Verbrechen. Das weist darauf hin, dass es nicht einfach die Idee einzelner Journalisten ist. Die großen Medien setzen die Regierungspolitik um, sie sind nicht unabhängig. Das ist kein neues Phänomen, aber die Kriegstüchtigkeit der deutschen Medien im Krieg gegen Russland und nun beim Völkermord an den Palästinensern zeigt die Widerwärtigkeit dieses Phänomens recht ungeschminkt.


[1] Framing ist der meist bewusst gesteuerte Prozess einer Einbettung von Ereignissen und Themen in Deutungsraster und Narrative bzw. Erzählmuster.(https://de.wikipedia.org/wiki/Framing_(Sozialwissenschaften)

Die Vorbereitung der NATO für einen Krieg gegen Russland

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von Fabián Carlos, Philipp Kissel, Johannes Lemke, Nico Warner und Mara Well

Die Vorbereitung der NATO für einen Krieg gegen Russland

Anmerkung der Redaktion
Dieser Text ist im Rahmen unserer Auseinandersetzung mit dem Krieg in der Ukraine und der Imperialismusdiskussion entstanden. Wir haben 2022 beschlossen uns kollektiv der Einschätzung des Charakter und der Vorgeschichte des Krieges zu widmen.
Hierfür wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die sich u.a. mit den Interessen und der Politik des westlichen imperialistischen Block, mit Russlands Ukrainepolitik sowie mit den Erkenntnissen der sozialistischen Arbeiterbewegung zum Imperialismus und der Bedeutung der Nationalen Frage beschäftigen. Die Ergebnisse werden fortlaufend veröffentlicht und können von jedem unter dem Artikel kommentiert werden. Längere Kommentare können auch direkt an info@kommunistische-organisation.de gesendet und als Beiträge zur Debatte veröffentlicht werden.

Abstract

Die vorliegende Arbeit widmet sich der Frage, ob die NATO einen Krieg gegen Russland geplant und vorbereitet hat. Die Recherchearbeit wurde dazu in folgende Bereiche aufgeteilt: Strategien bzw. Veröffentlichungen der NATO, Strukturen der NATO, Manöver der NATO und die Integration der Ukraine in die NATO sowie die Auswertung der Studien des US-amerikanischen Thinktanks Atlantic Council.

Mit dieser Aufteilung sollte erarbeitet werden, wie und warum die NATO einen Krieg gegen Russland vorbereitet hat, welche Strategien dem zugrunde lagen, wie Strukturen dafür aufgebaut und in Manövern getestet wurden und wie sich insbesondere in der Ukraine diese Vorbereitung niederschlägt. Es wurden Bücher, Zeitschriftenartikel und Internet-Links gesammelt, exzerpiert und ausgewertet.

Das Ergebnis ist: Die USA haben die NATO genutzt und entsprechend strukturiert, um einen Krieg gegen Russland vorzubereiten. Es sollte vermieden werden, dass ein „Rivale“ entstehen könnte. Dazu wurde die NATO ausgeweitet und insbesondere Osteuropa militärisch voll integriert. Die Strukturen mussten umgebaut werden, damit sie schnell einsatzfähig, schnell verlegefähig und schnell skalierbar sein können. Die Verlegung von US-Truppen über den Atlantik und quer durch Europa an die russische Grenze, die in großen Manövern geübt wurde, spielt dabei eine zentrale Rolle.

Die Strukturen wurden außerdem vereinheitlicht, um eine gemeinsame Kriegsführung unter dem US-Oberbefehl zu ermöglichen. Die Manöver der NATO bilden die Zielrichtung gegen Russland eindeutig ab und zeigen, welche Elemente zur Kriegsführung notwendig entwickelt wurden. Der zentrale Baustein im Krieg gegen Russland ist die Ukraine, die die „strategische Tiefe“ Russlands darstellt. Wenn sie in die NATO-Kriegsmaschine integriert ist, ist Russlands Existenz militärisch bedroht. Diese Integration der Ukraine verlief zielstrebig, war allerdings mit Widersprüchen konfrontiert und nur mit dem Aufbau und Einsatz faschistischer Kräfte und zweier Putsche möglich.

Das entscheidende Jahr, in dem die Eskalation herbeigeführt wurde, ist das Jahr 2014 mit dem Maidanputsch in der Ukraine. Anschließend fand nicht nur die massive Aufrüstung und Angliederung der Ukraine statt, sondern alle bereits vorbereiteten und eingeleiteten Strukturveränderung der NATO in Richtung schnelle Kriegsführung wurden wie vorgesehen skaliert und ausgeweitet.

Damit wurde ein Krieg gegen Russland in die nächste Vorbereitungsphase gebracht. Insbesondere an den bewusst und gezielt vorbereiteten und hergestellten Ereignissen in der Ukraine 2014 lässt sich erkennen, dass es sich insgesamt um einen geplanten, politisch gewollten und skrupellos umgesetzten Prozess handelte.

Dieser Prozess ist von mehreren Widersprüchen gekennzeichnet. Ein Widerspruch zeigt sich zwischen den USA und den europäischen imperialistischen Staaten, insbesondere Frankreich und Deutschland, die teilweise andere Interessen vertraten oder zu vertreten versuchten, wie sich beispielsweise 2008 in der Ablehnung der Aufnahme der Ukraine ausdrückte.

Ein weiterer Widerspruch ist, dass mit der Eskalation zugleich ein möglicher Kontrollverlust seitens der USA verbunden ist. Das betrifft die stärkere Zusammenarbeit Russlands mit China, die durch die Eskalationspolitik des Westens befördert wurde. Ein wichtiger Widerspruch ist der des Widerstands im Donbass, der hier nicht weiter behandelt wird, dessen Bedeutung für die politische Entwicklung aber unbedingt beachtet werden muss. Generell muss besser verstanden werden, dass dieser von den USA vorangetriebene und von den EU-Staaten mitgetragene und teils angefeuerte Prozess politisch widersprüchlich ist und Gegenkräfte entstanden sind.

Zwei Bereiche müssten tiefergehender untersucht werden, um die Frage, warum Russland mit der Militäroperation reagiert hat, beantworten zu können. Einerseits die genaueren Ereignisse und militärischen Vorgänge vor dem Februar 2022 und andererseits die spezifischen militärischen Planungen, die evtl. anhand von Dokumenten der US-amerikanischen Administration nachvollziehbar sind.

Einleitung: Ausgangslage, Kontinuität und Bedeutung der Ukraine

Als die Russische Föderation im Februar 2022 eine Militäroperation in der Ukraine begonnen hatte, begann nicht nur eine heftige Diskussion in der Kommunistischen Bewegung, sondern es stellte sich auch unmittelbar die Frage, was Russland dazu bewogen hat, diesen riskanten Schritt zu gehen. Dass die NATO als Aggressor agierte, dürfte jedem aufmerksamen unvoreingenommenen Beobachter nicht entgangen sein. Aber hat die NATO einen Krieg vorbereitet? Wie hat sie das und warum?

Russlands Aufstieg verhindern

Ziel dieser Vertiefungsgruppe war es, nachzuweisen, wie und ob die NATO/USA konkret einen Krieg gegen Russland vorbereitet haben. Es ging weniger um strategische Aussagen und Ankündigungen von Politikern oder Thinktanks. Diese sind natürlich auch wichtig und zeigen auf, um welche politischen Ziele und Widersprüche es geht, allerdings bleibt offen, was davon real umgesetzt wird und was eher Überlegung bleibt.

Ein Teil der Vertiefungsgruppe hatte sich die Einschätzungen des Thinktanks Atlantic Council von 1999 bis 2014 ausgewertet. Sie werden hier verkürzt wiedergegeben und sind im Anhang ganz zu lesen. Dieser US-amerikanische Thinktank eignet sich insofern, als dass er eng mit der NATO verbunden ist und über eine gewisse Expertise (im Sinne der NATO) über Russland verfügt.

Die von den USA und der NATO formulierte Ausgangssituation besteht darin, dass nach dem Ende der Sowjetunion verhindert werden müsse, dass neue Rivalen in der Dimension einer Großmacht entstehen. Die Entstehung eines multipolaren Systems wurde als neue Gegebenheit gesehen. In dieser müsse nicht nur Russlands Aufstieg verhindert werden, sondern insgesamt die drohende Erosion der Macht des Westens unter Führung der USA. Dies beinhaltet auch die Widersprüchlichkeit zwischen den USA und der EU bzw. Deutschlands Bestrebungen nach einer Europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik (ESDP), die von den USA sowohl befördert als auch begrenzt werden sollte.

Inwiefern Russland überhaupt in der Lage war bzw. ist, als „Rivale“ aufzusteigen oder ob nicht eher die Trennung Europas von Russland im Zentrum der Strategie der USA stand (bzw. steht) wird hier offengelassen und in Vertiefungsgruppe 8 behandelt.

Von den 1990er Jahren bis ca. 2002 gab es, wie aus den Ausführungen des Atlantic Council hervorgeht, parallel zu der Kriegsvorbereitungspolitik die Strategie, Russland zu einer kleinen, untergeordneten Macht mit schwachem Staat zu formen. Dies sollte mittels wirtschaftlicher „Reformen“, der symbolischen Beteiligung an internationalen Institutionen (Beispiel G8), begrenzter militärischer Zusammenarbeit und der Beschränkung der politischen Möglichkeiten Russlands in seinem Umfeld gelingen. Die Bestrebung eines Regime Change mit westlich orientierten Kräften wurde stets verfolgt, konnte aber nie erfolgreich umgesetzt werden.

Die Expansion der NATO, ihre militärische Aufstellung und deren Ausrichtung auf Russland stieß auf die Gegenwehr Russlands, das dem aber zunächst wenig entgegensetzen konnte. Ab 2000 änderte sich die politische Ausrichtung der russischen Regierung, indem sie stärker auf Souveränität orientierte.

Der NATO war bewusst, dass ihre Politik der militärischen Integration der osteuropäischen Staaten und insbesondere der Ukraine auf den Widerstand Russlands treffen wird. Das ist insofern von Bedeutung, als dass die USA eine frühzeitige Orientierung Russlands auf China und Indien verhindern wollten und deshalb die Möglichkeit der Integration Russlands in die westlich dominierte Weltwirtschaft als Option aufrechterhalten wollten, zumindest als symbolische Option gegenüber Russland. Zugleich gab es zeitweise Widerstände europäischer Staaten gegen eine Eskalation gegenüber Russland, da diese von den billigen Rohstoffen Russlands profitierten, wogegen sich die US-Politik bereits in den 1970er und 1980er Jahren gerichtet hatte.

Diese Faktoren widersprechen nicht der konsequenten Umsetzung einer militärischen Aufstellung und Kriegsvorbereitung gegen Russland. Im Gegenteil ist die Kriegsvorbereitung Teil der Strategie des Druck Ausübens.

Der Umbau der NATO-Strukturen, der ab 2002 eingeleitet wurde und der Aufbau eines Raketenabwehrsystems ab 2012 sind wichtige Eskalationsschritte vor 2014, ebenso wie die Zerstörung Jugoslawiens 1999 und Libyens 2011. Das Jahr 2014 mit der von den USA herbeigeführten Eskalation in der Ukraine stellt aber in jedem Fall ein Wendejahr dar, auch insofern als dass ab diesem Zeitpunkt die NATO auf jegliche verbale Verkleidung ihrer anti-russischen Strategie verzichtete.

Zur Bedeutung der Ukraine

Die besondere Rolle der Ukraine ergibt sich aus folgenden Punkten:

Das Territorium der Ukraine reicht nah an Moskau und wichtige Zentren in Südrussland heran. Die Stationierung von Raketen in der Ukraine hätte eine unmittelbare Bedrohung Moskaus zur Folge, da diese aufgrund der geringen Entfernung nicht oder kaum mehr abgewehrt werden könnten.

Die permanent angedrohte Aufnahme der Ukraine in die NATO und die Stationierung von Waffen in der Ukraine stellt eine direkte und existenzielle Bedrohung Russlands dar. Aufgrund der geringen Entfernungen wäre eine Invasion von der Ukraine aus bedrohlich, da die russischen Truppen zu wenig Raum hätten, um Verteidigung und Gegenoffensive aufzubauen – die sogenannte strategische Tiefe, die Russland fehlen würde, um sich noch ausreichend verteidigen zu können.

Die Schwarzmeerflotte und die Krim sind bedeutende Punkte sowohl der russischen Verteidigung als auch der militärischen Optionen im Schwarzen Meer und darüber hinaus. Die Ausschaltung der Schwarzmeerflotte würde Russland insbesondere im Süden angreifbar machen und es vom Schwarzen Meer abschneiden.

Die Ukraine ist eng verflochten mit Russland, historisch, kulturell, politisch und ökonomisch. Große Teile der Bevölkerung sprechen russisch, große Teile im Osten und Süden waren lange russisches Territorium, die großen Städte des Landes sind russische Gründungen. Lange Zeit waren beide Länder Teil der Sowjetunion und keine getrennten Länder oder Staaten. Mit der Konterrevolution 1991 entstand ein ukrainischer Staat, der unmittelbar von den USA und anderen westlichen Staaten versucht wurde, in eine Frontstellung gegen Russland zu bringen. Dieser Prozess war notwendigerweise mit einer faschistischen, antirussischen Politik und dann auch Kriegsführung verbunden. In den Strategien der USA (ebenso wie denen Deutschlands) ist die zentrale Rolle der Ukraine klar benannt und spiegelt sich in den Handlungen, Auf- und Umbau von Strukturen, sowie vor allem der massiven politischen Intervention klar wider.

NATO-Strategien

In diesem Abschnitt werden die strategischen Entscheidungen und Expansionsschritte der NATO vor allem anhand von Gipfelerklärungen und strategischer Dokumente nachgezeichnet.

„Breiterer Sicherheitsansatz“

Bereits auf dem Londoner Gipfel 1990, also noch während Existenz der Sowjetunion, sprach die NATO eine Einladung an Tschechien, die Slowakei, Polen, Ungarn, Bulgarien und Rumänien aus, ständige diplomatische Verbindungen mit der NATO aufzunehmen, was auch realisiert wurde. Auf dem NATO-Gipfel 1991 in Rom wurde ein neues strategisches Konzept verabschiedet – der „breitere Sicherheitsansatz“. Dieser drückt sich vor allem darin aus, dass die Größe, Einsatzbereitschaft und Verfügbarkeit der Streitkräfte an das neue strategische Umfeld angepasst werden sollen. Streitkräfte der NATO sollen flexibler und mobiler werden und schneller verlegt und verstärkt werden können. Hierfür benötigen die Staaten eine effektive Überwachung, Aufklärung, flexible Führung, Mobilität sowie angemessene Logistik – einschließlich Transportkapazitäten. Besonders wichtig sei es, Kapazitäten für rechtzeitige Verstärkung und Nachschub der Streitkräfte innerhalb Europas als auch aus Nordamerika zu schaffen.

Das Konzept wurde zwar eher mit möglichen Krisen, die aus verschiedenen Richtungen kommen könnten, begründet, allerdings wurde Russland eine zentrale Stellung zugeschrieben: „Wenn auch die Beziehungen zur Sowjetunion von Gegnerschaft frei und kooperativ sind, stellen das sowjetische Militärpotential und seine Aufwuchsfähigkeit, zusammen mit seiner nuklearen Dimension, immer noch den bedeutendsten Faktor dar, den das Bündnis bei der Wahrung des strategischen Gleichgewichts in Europa in Rechnung zu stellen hat.“1http://www.ag-friedensforschung.de/themen/NATO/1991-strategie.html Zudem wurde bereits der Einsatzraum und die Einsatzbegründung weit über „Verteidigung“ im Sinn des Artikel 5 hinaus definiert.2http://www.ag-friedensforschung.de/themen/NATO/1991-strategie.html

Die schnelle Verlegbarkeit und die schnelle Aufstockbarkeit der Truppen sind zwei zentrale Elemente eines Kriegs gegen eine militärische Großmacht in Europa. Die engere Verzahnung und Vereinheitlichung der Truppen in Europa, sowie ihre Ausrichtung auf den US-Standard sind weitere wichtige Elemente des Umbaus.

„One World, no rival“

Der Ausrichtung der NATO lag die Strategie der USA „One World, no Rival“ zugrunde, die vorsah, den Aufstieg möglicher Rivalen zu verhindern und insbesondere Osteuropa in die NATO einzubinden, um Russland zu isolieren.3„This statement offers an explicit commitment to defend the former Warsaw Pact nations from Russia.“ (https://www.nytimes.com/1992/03/08/world/us-strategy-plan-calls-for-insuring-no-rivals-develop.html) Die NATO-Osterweiterung richtet sich explizit gegen Russland. Das ist eine Banalität, die hier aber benannt werden muss, denn die Aufnahme neuer Mitglieder bedeutete die Ausdehnung der Militärstrukturen und Kriegsführungsmöglichkeit bis an die Grenzen Russlands.

Partnership for Peace

Mit der Gründung des Nordatlantischen Kooperationsrat zwischen der NATO und den Ländern der ehemaligen Warschauer Vertragsorganisation North Atlantic Cooperation Council (NAAC) (1992) und der Partnership for Peace (PfP) (1994) wurde ein erstes Heranführungsprogramm für ehemalige Mitglieder des Warschauer Paktes gestartet. Mit PfP schuf die NATO ein Format, das es ihr ermöglichte, alle über Streitkräfte verfügende Staaten Europas sowie alle Staaten der früheren Sowjetunion an das Militärbündnis anzubinden und zur Übernahme von NATO-Standards sowie zur Beteiligung an Ausbildungsmaßnahmen zu bringen. In einer 1995 von der NATO veröffentlichten Studie zur NATO-Erweiterung wird ausführlich formuliert, welche bedeutende Rolle die NAAC und PfP beim geplanten NATO-Erweiterungsprozess einnehmen sollen.4https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_24733.htm Der Weg zur NATO-Erweiterung soll durch eine solche Anbindung geebnet werden. Auf dem Gipfel 1994 wurde die Bedeutung Osteuropas und zum ersten Mal auch die der Ukraine hervorgehoben.

1994 wurden auch die Combined Joint Task Force (CJTF) eingerichtet, wobei es sich um multinationale Kräfte handelt, die teilstreitkraftübergreifend für festumrissene oder auch zeitlich begrenzte Aufgaben zusammengestellt werden. Das Konzept wurde im Golfkrieg 1991 erprobt und ermöglichte eine straffere und flexiblere Command-and-Control-Führung unter den USA.5https://apps.dtic.mil/sti/citations/ADA338635
&
Barry, Charles (1996): NATO’s combined joint task forces in theory and practice, Survival, 38:1, 81-97

NATO-Russland-Akte

Die 1997 unterzeichnete NATO-Russland-Akte ist Ausdruck der Schwäche Russlands, das nicht in der Lage war, der NATO ernsthafte Zusagen für seine eigenen Sicherheitsinteressen abringen zu können. Die NATO hat die Erklärung maximal vage gehalten: „In der Grundakte von 1997 gab es (Russland) sich mit dem gleich mehrfach vagen Versprechen zufrieden, dass das ‚Bündnis in dem gegenwärtigen und vorhersehbaren Sicherheitsumfeld seine kollektive Verteidigung und andere Aufgaben eher dadurch wahrnimmt, dass es die erforderliche Interoperabilität, Integration und Fähigkeit zur Verstärkung gewährleistet, als dass es zusätzlich substanzielle Kampftruppen dauerhaft stationiert.‘“6Jaberg, Sabine (2017): Mythos II „Russland hat die europäische Friedensordnung aufgekündigt.“, Die Friedens-Warte, 92 (3/4; Mythen der etablierten Sicherheitspolitik), 133 Polen, Tschechien und Ungarn wurden eingeladen.

Außerdem fand die Unterzeichnung der Charta über eine ausgeprägte Partnerschaft zwischen der NATO und der Ukraine statt. Darin wird festgehalten, dass die Interoperabilität der ukrainischen Streitkräfte mit Streitkräften der NATO verbessert werden solle und dass die Ukraine sich künftig mit der NATO in Fragen der Verteidigungsplanung und -strategie beraten solle. Darüber hinaus solle eine Zusammenarbeit im Bereich Rüstung, militärische Ausbildung und Verteidigung ausgebaut werden.7https://www.nato.int/docu/basictxt/ukr-de.htm

Jugoslawienkrieg und Out-of-area

1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn der NATO bei. Im gleichen Jahr führte die NATO Krieg gegen Jugoslawien und wandte zum ersten Mal die CJTF-Methode an. Dies war der erste Einsatz der NATO außerhalb ihres Bündnisgebiets. Er richtete sich gegen einen engen Verbündeten Russlands. Im 1999 neu beschlossenen strategischen Konzept wurde festgeschrieben, dass NATO-Streitkräfte „Krisenreaktionsoperationen“ durchführen können, die nicht unter Artikel 5 fallen. Es wurden neue Richtlinien für die Truppenerhaltung der Allianz formuliert. Das bedeutete unter anderem, dass die geografische Verteilung der Streitkräfte im gesamten Gebiet des Bündnisses gewährleistet werden soll, einschließlich der Stationierung und Entsendung von Streitkräften außerhalb des Heimatgebiets und der Heimatgewässer. Es beinhaltet außerdem die Vorwärtsendung von Streitkräften, wenn und wo dies erforderlich ist.

„Bunte“ Putschbewegungen

2002 wurde der NATO-Ukraine-Aktionsplan verabschiedet, der eine intensivere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rüstung und die vollständige Integration der Ukraine in die EU- und NATO-Strukturen vorsah. Ab 2000 wurde eine Reihe an Umsturzbewegungen forciert – die sogenannten „bunten Revolutionen“: 2000 in Serbien (Otpor wurde zur internationalen Umsturz-Agentur), 2003 in Georgien, 2004 in der Ukraine und 2005 in Kirgisien. Ziel war es, pro-russische oder nicht anti-russische Regierungen zu stürzen, um die NATO-Expansion vorantreiben zu können, die in vielen Ländern auf Ablehnung stieß.

Zweite Expansionsrunde

2004 wurden Bulgarien, Estland, Litauen, Lettland, Rumänien, die Slowakei und Slowenien NATO-Mitglieder. Die NATO ist damit bis an Russlands Grenzen vorgedrungen. Die Balkanländer Albanien, Kroatien und Mazedonien wurden aufgefordert, auf ihrem Weg zur NATO-Mitgliedschaft voranzukommen. Es wurden engere Partnerschaftsbeziehungen mit Georgien, Aserbaidschan und Usbekistan hergestellt. Darüber hinaus wurde erneut die Entschlossenheit der Ukraine in ihrem Streben nach einer vollständigen euro-atlantischen Integration begrüßt. Der ständige NATO-Rat bekam vor dem Hintergrund des ukrainischen Engagements die Weisung eine Bewertung der NATO-Ukraine-Beziehung vorzunehmen. Das heißt, dass die Umzingelung Russlands bereits weit vorangeschritten war und mit Georgien und der Ukraine zwei letzte zentrale Bausteine dieser Umkreisung auf eine Mitgliedschaft orientiert werden sollten.

Afghanistan, Irak

In diesem Zeitraum haben auch massive militärische Aktivitäten der NATO-Staaten, insbesondere der USA stattgefunden. 2001 bombardierten und besetzten die NATO-Staaten Afghanistan, 2003 die USA den Irak – in einem extrem zerstörerischen Krieg und unter Verletzung des Völkerrechts wie bereits 1999 in Jugoslawien.

Reaktion Russlands

Gegen die anhaltende Eskalationspolitik der USA und der NATO wandte sich Russlands Präsident Putin bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 mit klaren Worten: „Ich denke, es ist offensichtlich, dass der Prozess der NATO-Erweiterung keinerlei Bezug zur Modernisierung der Allianz selbst oder zur Gewährleistung der Sicherheit in Europa hat. Im Gegenteil, das ist ein provozierender Faktor, der das Niveau des gegenseitigen Vertrauens senkt. Nun haben wir das Recht zu fragen: Gegen wen richtet sich diese Erweiterung? Und was ist aus jenen Versicherungen geworden, die uns die westlichen Partner nach dem Zerfall des Warschauer Vertrages gegeben haben?“8http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Sicherheitskonferenz/2007-putin-dt.html, Putin erwähnt enter anderem die Stationierung von jeweils 5000 Soldaten in Bulgarien und Rumänien

Nächste Eskalation 2008

Die USA setzten die Eskalation fort und setzten 2008 auf dem NATO-Gipfel durch, dass Georgien und der Ukraine eine Beitrittsperspektive eingeräumt wurde. Sie konnten sich zwar nicht mit dem Beginn des Beitrittsprozesses gegen Frankreich und Deutschland durchsetzen, das änderte aber wenig an der intensivierten Integration der Ukraine in die NATO. Georgiens Regierung begann (mindestens unter Duldung der USA) einen Angriff auf russische Friedenssicherungstruppen in Süd-Ossetien, auf den Russland reagierte und die Truppen zurückschlug. Dies war die erste direkte militärische Provokation Russlands durch die NATO.

Raketenstationierung und INF-Vertrag-Kündigung

Eine weitere Ebene der Kriegsvorbereitung ist zentral und wurde in diesen Jahren umgesetzt: 2010 wurde die Stationierung einer Raketenabwehr der NATO in Europa beschlossen, die auch offensiv eingesetzt werden kann und daher aus russischer Sicht den INF-Vertrag verletzte. Die Abschussanlagen befinden sich in Rumänien und Polen. Die NATO hatte damit sowohl den Vertrag über die konventionellen Streitkräfte in Europa von 1999 als auch den INF-Vertrag gebrochen.

Libyen, Syrien

2011 bombardierten die NATO-Streitkräfte Libyen und missbrauchten dabei die UN-Resolution zur Einrichtung einer Flugverbotszone. Im selben Jahr entfesselten westlich unterstützte Söldnereinheiten einen Bürgerkrieg in Syrien, den die USA zum Sturz der Regierung Assad nutzen wollten. Der Einsatz der russischen Schwarzmeerflotte und die darauffolgende militärische Hilfe Russlands für Syrien vereitelten diese Pläne. In dieser Phase 2008 bis 2011/2021 ist eine deutliche Ausweitung der Kriegsaktivitäten und insbesondere der Aufrüstung gegenüber Russland zu verzeichnen. Man könnte sie als zweite Eskalationsphase nach 1999 bis 2003 einordnen.

Maidan 2014 – die entscheidende Eskalation

Die entscheidende Wende zur Eskalation stellt der von den USA und anderen NATO-Staaten organisierte Maidan-Putsch 2014 in der Ukraine dar, mit dem die NATO Russland von der Krim abtrennen und die militärische Bedrohung unmittelbar an die Westgrenze Russlands legen wollte, sowie einen Krieg des an die Macht geputschten Kiewer Regimes gegen die Bevölkerung in der Ostukraine begann, die sich gegen den Putsch wehrte. Ab diesem Zeitpunkt wurden die unten beschriebenen Strukturveränderungen voll entfaltet. Lange vorbereitete und eingeleitete Strukturanpassungen kamen jetzt (und verstärkt nach 2022) zur Wirkung. Darüber hinaus wurde beschlossen, die Verteidigungshaushalte auf 2% des BIP zu vergrößern, eine Aufrüstungswelle der Ostflanke setzte ein.

Die Herstellung der Kriegsfähigkeit

Beim NATO-Gipfel 2016 wurde die Verstärkung der „Vornepräsenz“ im östlichen Teil des Bündnisses beschlossen, die zu einer gesteigerten, regelmäßigen Präsenz und bedeutenden Aktivität der NATO in Osteuropa führen. Zwei Jahre später wurde konstatiert, dass alle Mitglieder ihren Verteidigungshaushalt vergrößert haben und ein beispielloser Fortschritt in der Anzahl der Aktivitäten, der Reaktions-, Verlege- und Durchhaltefähigkeit sowie der Interoperabilität der Streitkräfte zu verbuchen sei.

Die NATO-Krisenreaktionsinitiative (4×30) wurde auf den Weg gebracht: 30 Bataillone; 30 Flugzeugstaffeln; 30 Schiffe, Einsatzbereitschaft in 30 Tagen. Diese Einheiten werden als Elemente größerer Kampfverbände aufgestellt und ausgebildet. Mit der NATO-Initiative zur Reaktionsfähigkeit wurde das Militärbündnis in die Lage versetzt, noch schneller zu reagieren einschließlich der hochintensiven Kriegsführung sowie bei der schnellen militärischen „Krisenintervention“. Die Vornepräsenz im Osten wurde aufgebaut und war ab Dezember 2018 voll einsatzbereit. Es wurden weitreichende Beschlüsse gefasst, um die NATO-Kommandostruktur anzupassen und zu stärken. Der Oberste Befehlshaber sollte in die Lage versetzt werden, groß angelegte Operationen durchzuführen.

Seit 2022 bezeichnet die NATO Russland als „bedeutendste und unmittelbare Bedrohung“, auf dem Gipfel 2022 wurde der „360-Grad-Ansatz“ beschlossen, die grundsätzliche Interventionsbereitschaft in alle Himmelsrichtungen. Zudem wurde eine massive Aufstockung der Anzahl einsatzbereiter Soldaten an der Ostflanke beschlossen (siehe Strukturen).

Fazit

Zusammenfassend ist feststellbar, dass die USA durch die NATO seit 1991 kontinuierlich auf eine Isolierung Russlands, sowie die Einordnung Osteuropas in die NATO-Strukturen – und damit in die US-Militärstrukturen – hingearbeitet haben. Es lassen sich grob drei Stufen erkennen: 1999-2003 mit dem Krieg gegen Jugoslawien, Irak und Afghanistan sowie den Expansionsstufen der NATO-Mitgliedschaft bis 2004 an die Grenzen Russlands. Die nächste Eskalation 2008 bis 2012 durch die Provokation in Georgien, den Krieg in Libyen und Syrien sowie die forcierte Integration der Ukraine. Der entscheidende Wendepunkt wurde 2014 mit dem Maidan-Putsch herbeigeführt. Seitdem wurden die Aufrüstung und militärische Aufstellung, die bereits vorbereitet wurde, vorangetrieben.

Es handelt sich um einen kontinuierlichen und stringenten Prozess, dessen Ziele (Isolierung und Einkreisung Russlands, militärische Aufstellung zur Kriegsfähigkeit) klar benannt wurden und mit Nachdruck verfolgt wurden.

Umbau der Strukturen

In diesem Abschnitt soll der Umbau der militärischen NATO-Strukturen nachgezeichnet werden, um Stoßrichtung und Funktion des Umbaus erkennen zu können.

Es gab zwei Schübe des Umbaus der NATO-Strukturen – im März 2002 und im November 2010.9https://www.bundestag.de/resource/blob/505818/c7250f69651faf74f45e3ad4af21c8b0/WD-2-025-17-pdf-data.pdf Auf dem NATO-Gipfel 2002 in Prag wurde die Umstrukturierung von einem geographischen zu einem funktionalen Ansatz beschlossen. „Durch die Wahl eines funktionalen Ansatzes für die konkrete Ausgestaltung der Beschlüsse von Prag und Brüssel erreichte die NATO eine grundlegende Neuordnung, Rationalisierung und Umverteilung ihrer militärischen Aufgaben im Hinblick auf das neue Sicherheitsumfeld. Die neue Kommandostruktur bestand seit 2003 aus elf Hauptquartieren mit mehr als 13.000 Mitarbeitern.“10https://www.bundestag.de/resource/blob/505818/c7250f69651faf74f45e3ad4af21c8b0/WD-2-025-17-pdf-data.pdf

2010 und 2011 wurden Beschlüsse gefasst, die zum einen Personal einsparten und zum anderen Hauptquartiere umstrukturierten. Die Verschlankung der Strukturen und die Erhöhung der Einsatzfähigkeit sowie der Präsenz im gesamten NATO-Territorium sind zwei wesentliche Elemente der Veränderung. Beide weisen darauf hin, dass Strukturen geschaffen werden sollen, die im Kriegsfall schnell skalierbar, einsetzbar und transportierbar sind.

NATO Response Force

2002 wurde die Einrichtung einer NATO Response Force (NRF) – einer NATO-Eingreiftruppe beschlossen. Hintergrund war, dass „die Möglichkeit, im Rahmen der Allianz gemeinsam und effektiv zu kämpfen, aufgrund der erheblichen Unterschiede in den militärischen Fähigkeiten der Bündnispartner kaum mehr gegeben ist. Sowohl die technische als auch in der Folge die konzeptionelle Interoperabilität mit den amerikanischen Streitkräften ging in vielen Bereichen verloren.“11Eitelhuber, Norbert (2002): Die NATO Response Force, SWP-Aktuell, No. 52/2002, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin Hier sind zwei zentrale Elemente der Kriegsvorbereitung benannt: Die USA müssen die NATO zu einem einheitlich handelnden Kriegsapparat machen, der ihrem Kommando untersteht und einsetzbar ist. Hier muss erwähnt werden, dass der ranghöchste Soldat der gesamten NATO-Strukturen seit 1951 immer ein Flaggen- und Generaloffizier der USA ist. Dieser wird SACEUR (Supreme Allied Commander Europe) genannt, wobei das Europa im Namen nur noch symbolischer Natur ist.12Derzeitiger SACEUR ist General Christopher G. Cavoli

Die Entwicklung der NRF veranschaulicht die strategische Planung und Umstrukturierung der NATO. Im Rahmen des Readiness Action Plan (RAP), der auf dem NATO-Gipfel in Wales 2014 beschlossen wurde, wurde die NRF umstrukturiert. Der RAP sieht die Verstärkung der NATO-Präsenz an der Ostflanke vor, die Aufstellung der Enhanced Forward Presence-Einheit, die sich in höchster Bereitschaft befindet und weitere militärische Maßnahmen, darunter die Verstärkung der Air-Policing durch sechszehn ständig einsatzbereite Kampfflugzeuge, den Einsatz von AWACS-Flugzeugen an der Ostflanke und eine stärkere Präsenz von Marinekräften in der Ostsee, dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer.13https://www.nato.int/cps/en/natolive/topics_52091.htm

Gestaffelte Vornepräsenz

Seit 2015 besteht die NRF-Struktur aus dem Joint Task Force Headquarter, einem verlegbaren multinationalen Hauptquartier für die Einsatzleitung, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) einem schnellen Eingreifverband, der Initial Follow In Force Group (IFFG), den Folgekräften in der Anfangsphase, und den Follow-in Forces Group (FFG), den nachfolgenden Kräften. Die Kräfte der NRF wurden 2015 von 13.000 auf 40.000 aufgestockt und umfassen seitdem circa 50.000 Soldaten. Im Juni 2022 kündigte NATO-Generalsekretär Stoltenberg an, die Zahl der schnellen Eingreifkräfte auf mehr als 300.000 erhöhen zu wollen. Diese Umstrukturierung zeigt eine vorbereitende Funktion auf einen möglichen Kriegsfall, wo eine schnelle Verlegung großer Truppenverbände mit einer hohen Effektivität erfolgen soll.

2017 wurden vier NATO-Battlegroups mit Stationierung in Estland, Lettland, Litauen und Polen ins Leben gerufen. Nach Beginn der russischen Militäroperation wurden weitere vier Kampfgruppen in Bulgarien, Ungarn, Rumänien und der Slowakei eingerichtet. Die Gesamtzahl der Bodentruppen verdoppelte sich dadurch und die Vorwärtspräsenz der NATO wurde ausgeweitet.14https://www.nato.int/cps/en/natolive/topics_49755.htm Auf dem NATO-Gipfel 2022 in Madrid wurde beschlossen, dass die Battlegroups bei Bedarf von Bataillonen auf Brigadegröße (bis zu 10.000 Soldaten) aufgestockt werden können. Seit Mai 2023 üben die NATO-Staaten die Aufstockung auf Brigadegröße durch schnelle Verstärkung (ebd.). Alle Kampfgruppen sind in die NATO-Kommandostruktur integriert und somit dem SACEUR, einem US-General, direkt unterstellt.

Die Aufstellung der NRF zeigt eine Struktur, die darauf ausgelegt ist, einen schnellen offensiven Vorstoß mit den NATO Very High Readiness Joint Task Force (VJTF)15Die VJTF besteht aus einem Landstreitkräftekontingent von 5.000 Soldaten in bis zu 5 Bataillonen und zusätzlich aus Komponenten der Luft-, See-, Spezial- und Unterstützungskräfte mit einer zentralen Koordinierung aus dem mobilen Hauptquartier durchzuführen und die ersten Stoßkräfte mit nachfolgenden Truppen (IFFG & FFG) zu verstärken. In einem Kriegsfall sind die ersten Tage kritisch und entscheidend. Schnelle Eingreifverbände spielen somit eine bedeutende Rolle. Die VJTF sind die Truppenteile, die als erstes und am schnellsten in den Einsatz geschickt werden. Sie sowie die NATO-Battlegroups sind Teil der NATO „Vorwärtspräsenz“ (Enhanced Forward Presence), wie sie bereits Anfang der 1990er Jahre als Anforderung formuliert wurde. Nach der Konterrevolution wurden die Strukturen entsprechend der neuen geopolitischen Landschaft umstrukturiert. Es fanden eine Entschlackung der Kommandostrukturen und ein Umbau der Streitkräfte auf flexible und schnelle Einsätze im Kriegsfall statt.16https://web.archive.org/web/20110721043422/http://www.aco.nato.int/resources/21/Evolution%20of%20NATO%20Cmd%20Structure%201951-2009.pdf Auf dem NATO-Gipfel 1994 in Brüssel wurde das Konzept des Combined Joint Task Force (CJTF) beschlossen, welches ein „flexibles und effizientes Mittel [ist], die das Bündnis in die Lage versetzt, kurzfristig Streitkräfte aufzustellen, die schnell verlegbar, multinational und dienstübergreifende Einsatzkräfte mit geeigneten Kommando- und Kontrollvorkehrungen [sind].“17Das Combined Joint Task Forces Konzept in einer Pressemitteilung der NATO (PDF) Dadurch sollen die NATO-Streitkräfte für mögliche offensive Vorwärtsbewegungen handlungsfähig gemacht werden.

Innerhalb der VJTF sind kleine Führungs- und Kontrolleinrichtungen eingebaut, die NATO Force Integration Units. Die NFIO sind ein Bindeglied zwischen den nationalen Streitkräften und den Streitkräften anderer NATO-Mitgliedsstaaten. Sie sind kleine Hauptquartiere und stellen eine dauerhafte NATO-Präsenz in den acht Nationen dar. Sie sollen dazu beitragen, den schnellen Einsatz der Streitkräfte im östlichen Teil der NATO zu erleichtern.

New Force Model

Mit dem Vorwand, der Bedrohung aus Russland gerecht zu werden, beschloss die NATO auf dem Gipfel im Juni 2022 in Madrid eine Reorganisierung, zu der das New Force Model dazugehört. Das NFM soll der Nachfolger der NATO Response Force (NRF) sein, weiterhin weltweit einsetzbar sein, jedoch mit einem klaren Fokus gegen Russland. Das NFM soll einen deutlich erhöhten Truppenanteil entgegen früherer Planungen beinhalten. So sollen insgesamt 800.000 Soldaten zur Verfügung stehen, davon sollen 100.000 Soldaten in den ersten 10 Tagen, 200.000 Soldaten in den ersten 30 Tagen und weitere 500.000 Soldaten in den nächsten 180 Tagen mobilisiert und einsatzbereit sein.18Dienstbier, Philipp (2022): Immer einen Schritt hinterher?, Auslandsinformationen, Konrad Adenauer Stiftung NATO-Staaten müssen zukünftig Truppen in Divisionsgröße (10.000 – 30.000 Soldaten) mobilisieren können. Argumentiert wird, dass die NRF insgesamt zu klein und unflexibel ausgestattet ist, um auf unterschiedliche Szenarien reagieren zu können.19https://www.bmvg.de/de/aktuelles/new-force-model-wie-deutschland-sich-ab-2025-in-nato-engagiert-5465714 Ziel des NFM ist es, regionale Verantwortlichkeiten festzulegen und so umfangreicher, flexibler und reaktionsfähiger zu sein als die bisherige NRF. Aufgrund der Tatsache, dass die Kräfte der NRF rotierend durch andere Länder bereitgestellt werden, kann es beispielsweise vorkommen, dass Spanien die Kräfte stellt, aber die NATO-Ostflanke verstärkt werden muss, was einen logistischen Mehraufwand bedeuten würde. Dieser soll durch eine regional aufgestellte Struktur verhindert werden.

Deutschland legt seinen Schwerpunkt auf Zentral- und Nordosteuropa, besonders Polen und Litauen. Bis 2024 wird die Bundeswehr in der „veralteten“ NRF circa 14.200 Soldaten und 34 Flugzeuge und Schiffe zur Verfügung stellen. Mit dem neuen NFM stellt Deutschland ab 2025 circa 30.000 Soldaten in den ersten 30 Tagen eines Krieges, verbunden mit bis zu 85 Flugzeugen und Schiffen.20Ebd. Eine schnelle Eingreiftruppe wie die VJTF soll es ab 2025 auch geben, die Allied Reaction Force (ARF). Diese soll vor allem leichte Kräfte beinhalten, also Infanterie und Fallschirmjäger, aber kein schweres Gerät wie Panzer.21https://www.bundeswehr.de/de/organisation/weitere-bmvg-dienststellen/territoriales-fuehrungskommando-der-bundeswehr/organisation/multinationales-kommando-operative-fuehrung Die ARF sollen bis zu 40.000 Soldaten fassen und direkt dem SACEUR unterstellt sein.22Ebd.

Reaktivierung des 56. Artilleriekommandos in Mainz

Die NRF decken See-, Land-, und Lufteinheiten ab. Eine weitere wichtige Säule der Kriegsführung und auch der Kriegsvorbereitung sind die Raketen. Die Erstschlagfähigkeit und die Stationierung von atomar-bestückten Kurz- und Mittelstreckenraketen spielen eine wichtige taktische Rolle. Die Reaktivierung des 56. Artilleriekommandos in Mainz im November 2021 stellt einen Wendepunkt der Abschreckungspolitik gegen Russland dar.

1987 schlossen die Sowjetunion und die USA den Intermediate Range Nuclear Force Treaty (INF-Vertrag) ab. Der Inhalt dieses Vertrags bestimmte vor allem das Verbot der Stationierung nuklear bestückter landgestützter Kurz- und Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 km. Das 56. Artilleriekommando mit Stationierung in Deutschland wurde 1991 als Konsequenz des Vertragsschlusses faktisch außer Dienst gestellt. Mit dem Vorwand, dass sich Russland angeblich der Vertragsverletzung schuldig gemacht hätte, stieg die USA im Jahr 2019 aus dem Vertrag aus.

Multi-Domain Operations

Bereits die „Nationale Sicherheitsstrategie“ der USA aus dem Dezember 2017 benannte die Aufgabe der Konfrontation gegen China und Russland. Im Dezember 2018 wurde ein neues Einsatzkonzept mit dem Namen The US Army in Multi-Domain Operations 2028 veröffentlicht. Der Wissenschaftliche Dienst des US-Kongresses schrieb dazu, dass sich der sicherheitspolitische Fokus der USA weg von der weltweiten Bekämpfung gewalttätiger Extremisten hin zur Konfrontation mit „revisionistischen“ Kräften verschiebe – vor allem mit Russland und China.23Feickert, Andrew (2024): Defense primer: Army multi-domain operations (MDO). Congressional Research Service Für die Erreichung dieses Ziels wurden die Multi-Domain Task Forces (MDTF) aufgestellt, die jeweils einem US-Regionalkommando zugeordnet sind.

Ein weiterer Bestandteil der MDTFs sollen Hyperschallraketen sein. Lockhead Martin entwickelt die Dark Eagle mit fünffacher Schallgeschwindigkeit und bis zu 6.200 km/h Geschwindigkeit.24https://www.bundestag.de/resource/blob/505818/c7250f69651faf74f45e3ad4af21c8b0/WD-2-025-17-pdf.pdf Diese könnten Moskau innerhalb von 20 Minuten erreichen.25https://www.thesun.co.uk/news/16695568/us-nuclear-germany-eagle-hypersonic-missiles-moscow/ All die genannten Kurz-, Mittel- und Hyperschallraketen können nuklear bestückt werden. Die Reaktivierung des 56. Artilleriekommandos im Rahmen der Multi-Domain-Operations stellt eine unmittelbare Bedrohung Russlands dar und ist eine massive Eskalation seitens der USA.26Wagner, Jürgen (2022): NATO-Aggression und Russlands Reaktion. Warum sich Russland betrogen und bedroht fühlt – und warum da einiges dran ist, IMI-Analyse, Nr. 2/2022

Fazit

Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass die NATO-Strukturen seit der Konterrevolution einem Struktur- und Funktionswandel unterliegen, der sich darin ausdrückt, dass die Kommando- und Streitkräftestrukturen für kommende Kriege vorbereitet werden müssen. Diese Vorbereitung erfolgt in verschiedenen Phasen. In der Phase von 1990-2010 wurden die NATO-Strukturen entschlackt und auf kleinere, flexible und multinationale Kräfte unter Führung der USA umgebaut. Nach 2010 und besonders stark ab 2014 erfolgten massive Truppenaufstockungen und der Umbau in Richtung einer effizienten Streitkraft, die im Kriegsfall schnell und leicht eingesetzt und anschließend mit nachziehenden Truppen und Infrastruktur versorgt werden kann. Die Entwicklung der Streitkräfte zeigt eine Vorbereitung auf zukünftige größere Kriege in Europa.

NATO-Manöver

In diesem Abschnitt wird ein Blick auf Entwicklung, Stoßrichtung und Funktion der NATO-Manöver geworfen.

Militärmanöver dienen nicht nur der Ausbildung und des Trainings einer Armee bzw. Teilen einer Armee, sondern verfolgen darüber hinaus ein bestimmtes Ziel. Daher sind Militärmanöver Krieg – nur ohne kriegerische Kampfhandlungen mit dem Gegner. Sie bereiten den Krieg jedoch direkt vor. Die NATO und ihre Einzelstaaten übten bereits seit der Gründung der NATO 1949 die militärische Konfrontation mit der Sowjetunion. Doch auch nach der Konterrevolution und dem damit verbundenen Zerfall des sowjetischen Staates, bleibt der absolute Fokus der NATO auf dem Rechtsnachfolger der Sowjetunion, der Russischen Föderation, bestehen.

Charakterisierung von Manövern

Um militärische Manöver genauer politisch charakterisieren zu können, haben wir mehrere Merkmale identifiziert, die im Folgenden kurz dargelegt werden sollen. Zur Charakterisierung von Manövern müssen die Funktion bzw. das Ziel und die Mittel analysiert werden. Zumeist erfüllt eine Trainingsmission nicht nur ein Ziel – diese können sich gegenseitig ergänzen und schließen sich nicht zwangsläufig aus.

Die Merkmale von Manövern lassen sich in folgende Teilbereiche gliedern: Funktion/Ziel, Ort und Umfang, wobei vor allem die Funktionen sehr vielfältig sein können.

Die Funktion eines Manövers kann das Training von Soldaten, das Zeigen von Militärpräsenz, die Sensibilisierung der Bevölkerung oder auch die Aufklärung des Gegners sein. Ein Training kann das Testen von Abläufen und Strukturen bedeuten, genauso wie das sich Vertrautmachen der Soldaten und der Technik mit der Umgebung. Darüber hinaus können Waffensysteme und Kommunikationswege getestet werden. Die Militärpräsenz kann unter anderem dazu dienen, gegenüber dem Gegner ein Bedrohungsszenario zu schaffen. So kann ein Manöver jederzeit in einen tatsächlichen Einsatz umschlagen – defensiv wie offensiv. Darüber hinaus kann eine Übung die Funktion erfüllen, die Bevölkerung bewusst in die Kriegsplanung ein- oder auch davon auszuschließen. Sie kann in der Öffentlichkeit die Militarisierung der Menschen und die ideologische Vorbereitung eines Krieges oder aber auch Skepsis und Ablehnung verursachen. Als letzte Funktion kann ein Manöver ebenso der Aufklärung dienen. Zum einen kann eine spezifische Konfliktregion detaillierter beobachtet und ggf. ausgespäht werden, zum anderen kann auch die Reaktion des vermeintlichen Gegners verfolgt werden.

Neben der Funktion eines Manövers ist vor allem das Einsatzgebiet und der Umfang der Übung wichtig für dessen Charakterisierung. Sie deuten zusätzlich auf eine spezifische Funktion hin. So kann eine Mission zum Beispiel in räumlicher Nähe zum Gegner bzw. zu strategisch wichtigen Positionen stattfinden. Auch die geographische Einsatzumgebung und damit die klimatischen Bedingungen sind wichtig, um Material, Technik und Menschen auf besondere Bedingungen vorzubereiten. Der Umfang an Soldaten und Gerät kann darauf hindeuten, auf welche Art von Konflikt das Militär tatsächlich vorbereitet wird.

NATO-Manöver gegen Russland

Für die kommende Einordnung von NATO-Manövern ist es zunächst besonders wichtig zu verstehen, dass permanent NATO-Übungen stattfinden. So führte die NATO bereits 1951 – also zwei Jahre nach ihrer Gründung – über 100 Militärmanöver durch. Nach diversen historisch bedingten Schwankungen stieg die Zahl der Manöver der NATO von ca. 100 im Jahr 2013 auf fast 250 im Jahr 2016 und ca. 300 geplante Manöver im Jahr 2021.27Pflüger, Tobias (2022): Manöver als gefährliche Machtdemonstration, AUSDRUCK, 03/2022, Informationsstelle Militarisierung e. V.
aufgerufen am 14.07.2023
Henken, Lühr (2022): Der Ukraine-Krieg – was vorher geschah, Hintergrund, 23.05.2022
aufgerufen am 16.04.2023
Informationsstelle Militarisierung: NATO-Manöver Noble Jump. 10.04.2015, Informationsstelle Militarisierung e. V., https://www.imi-online.de/2015/04/10/nato-manoever-noble-jump/
aufgerufen am 14.07.2023

Im Fokus der NATO-Manöver steht fast immer die Interoperabilität, d.h. die Fähigkeit des Zusammenwirkens verschiedener Armeen. Damit sind die multinationalen Kampfverbände (z.B. Verwendung eines gemeinsamen Militäralphabets) der NATO, die aus den nationalen Einheiten bestehen, gemeint. Daher muss besonders die Kommunikation und das Zusammenwirken verschiedener Technik geübt werden. Von besonderer Bedeutung ist auch die Einbindung von Drittstatten in die Übungen über die Partnership for Peace (v.a. die Ukraine, Finnland und Schweden), welche die Ost-Flanke der NATO erheblich erweitern und einer faktischen Integration dieser Staaten in das Militärbündnis gleichkommt.28Haydt, Claudia (2022): Säbelrasseln gegen Russland, IMI-Analyse, Nr. 3/2022
aufgerufen am 14.07.2023
Kronauer, Jörg (2018): Meinst Du, die Russen wollen Krieg? Köln, S. 103f, S. 184

Die bedeutendsten Manöver der NATO gegen die Russische Föderation sind Rapid Trident (Fokus Ukraine), BALTOPS (Fokus Ostsee) Anakonda, Defender Europe, Air Defender und Cold Response (Fokus Nordatlantik und Nordpolarmeer). Sie sind die größten und umfangreichsten Manöver, die regelmäßig stattfinden (sollen) und den Krieg gegen Russland üben. Oftmals schließen diese umfangreicheren Übungen kleinere Trainings- und Ausbildungsmissionen mit ein. So gehören beispielsweise zum Manöver Defender Europe die drei Missionen Swift Response, Immediate Response und Saber Guardian, die verschiedene Stufen eines Gesamteinsatzes proben. Die Manöver der NATO-Staaten sind formal keine „NATO-Manöver“. Ein Staat übernimmt die Koordination und lädt die anderen Staaten offiziell dazu ein, sich zu beteiligen.

Im Folgenden sollen die Manöver Defender und Cold Response detaillierter beschrieben werden. Sie wurden hier herausgegriffen, weil sie einen unterschiedlichen Charakter besitzen und für die NATO mit die bedeutendsten und größten Übungen überhaupt sind. Das in der Ukraine stattfindende Manöver Rapid Trident wurde an anderen Stellen bereits umfassender beschrieben. Obwohl das Minsk II-Abkommen ausländischen Truppen den Aufenthalt in der Ukraine untersagt, bewilligte das ukrainische Parlament 2015 zahlreiche ausländische Militärübungen in der Ukraine und im Schwarzen Meer. Die NATO und die Ukraine brachen damit wissentlich das Abkommen.29Informationsstelle Militarisierung: Ukraine: Manöver. 18.03.2015, Informationsstelle Militarisierung e. V., https://www.imi-online.de/2015/03/18/ukraine-manoever/
aufgerufen am 14.07.2023

Defender-Manöver

Defender ist ein Akronym und steht für Dynamic Employment of Forces to Europe for NATO Deterrence and Enhanced Readiness (deutsch: Dynamischer Einsatz von Streitkräften in Europa zur NATO-Abschreckung und Verbesserung der Einsatzbereitschaft). Es ist ein von den USA initiiertes Manöver, das alle zwei Jahre stattfinden soll (abwechselnd mit dem Manöver Defender Pacific, das nicht durch die NATO organisiert wird). Das Manöver sollte erstmals 2020 stattfinden, wurde jedoch wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Defender Europe ist ein großes Manöver, an dem insgesamt ca. 30.000 Soldaten teilnehmen.

Bedeutend ist dabei vor allem, dass ganze US-Divisionen (10.000 – 30.000 Soldaten) über den Atlantik und durch Westeuropa nach Osteuropa verlegt werden. Die Bundesrepublik Deutschland dient dabei als Drehscheibe und Aufmarschgebiet für einen möglichen Krieg gegen Russland. Die US-Truppen landen in Antwerpen (Belgien) und Bremen und werden dann über Deutschland und Polen bis an die russische Grenze verlegt. Die gesamte Koordination der Aktion findet über das NATO-Logistikzentrum Joint Support and Enabling Command (JSEC) in Ulm statt. Damit ist die BRD das logistische Rückgrat für das Manöver.30Henken, Lühr (2022): Der Ukraine-Krieg – was vorher geschah, Hintergrund, 23.05.2022
aufgerufen am 16.04.2023
Haydt, Claudia (2022): Säbelrasseln gegen Russland, IMI-Analyse, Nr. 3/2022
aufgerufen am 14.07.2023

Die Ziele von Defender sind das Training der Bereitschaft der US-Armee und der Zusammenarbeit multinationaler Kampfverbände. Darüber hinaus soll die Infrastruktur und Koordination zum Transport großer Mengen Soldaten und Gerät getestet werden. Das Manöver ist damit vorrangig eine Verlegeübung, bei der der Fokus auf dem schnellen Verlegen von Truppen vom Westen an die Ostflanke der NATO liegt.31Weber, Merle: Schlachtfeld Osteuropa, junge Welt, 31.03.2020
aufgerufen am 02.07.2023

Das Manöver ist die Vorbereitung auf einen großen militärischen Konflikt mit der Russischen Föderation, bei dem innerhalb der NATO-Strukturen schnell Nachschub an Personal und Material nach Osten geliefert werden muss. Für ausreichend Nachschub an Gerät sorgen außerdem die Army Prepositioned Stocks (APS) der US-Armee in Deutschland und Polen. Die APS sind riesige Waffenkammern aus Zeiten des Kalten Krieges, die es den USA ermöglichen, lediglich die Soldaten nach Europa liefern zu müssen und die nötige Gerätschaft bereits in relativer Nähe zu einem Konflikt mit Russland zu lagern. Die APS in Europa wurden in den letzten Jahren umfänglich modernisiert. Alte Lager wurden teils wiedereröffnet, andere werden weiter ausgebaut (ca. 1 Milliarde US-Dollar Investitionen in den letzten Jahren).32Gardener, Christopher: U.S. Army Corps of Engineers supports readiness in Europe by modernizing Army’s Prepositioned Stock facilities, Defence Visual Information Distribution Service, 09.07.2022
aufgerufen am 17.07.2023

Cold Response

Das Manöver Cold Response findet seit 2006 alle zwei Jahre an der Nordflanke der NATO unter der Führung Norwegens statt. Dabei liegt der geographische Fokus auf dem hohen Norden Norwegens, dem Nordatlantik und dem Europäischen Nordmeer. Das Manöver umfasst ca. 30.000 Soldaten aus über 20 NATO-Ländern und zusätzlich aus Schweden und Finnland.33Bundeswehr: Cold Response 22, 21.03.2022, https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/cold-response-22-polarkreis-ueben-30000-maenner-frauen
aufgerufen am 14.06.2023
Cold Response ist damit eines der größten NATO-Manöver überhaupt.

Eine wichtige Funktion dieses Manövers ist das Training von Gerätschaft und Soldaten unter extremen Wetterbedingungen. Damit soll die Truppe auf einen möglichen Konflikt unter arktischen Bedingungen angepasst werden.34NATO: Exercise Cold Response 2022, 07.03.2022, https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_192351.htm
aufgerufen am 14.06.2023
Außerdem soll das schnelle Verteilen großer Truppenkontingente in dem Land geprobt werden.35Bundeswehr: Cold Response 22, 21.03.2022, https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/cold-response-22-polarkreis-ueben-30000-maenner-frauen, aufgerufen am 14.06.2023

Das Manöver ist auf Grund mehrerer Aspekte brisant. Zum einen findet es in unmittelbarer Nähe zu Stützpunkten der russischen Nordflotte statt, welche sich größtenteils in der Barentssee befinden. Dort sind russische Atom-U-Boote stationiert, die in einem nuklearen Krieg die Zweitschlagfähigkeit Russlands konventionell wie nuklear absichern.36Henken, Lühr (2022): Der Ukraine-Krieg – was vorher geschah, Hintergrund, 23.05.2022
aufgerufen am 16.04.2023
Damit zielt Cold Response explizit darauf ab, Russlands Verteidigungsmechanismen anzugreifen.

Fazit

Militärmanöver sind möglichst realitätsnahe Übungen einer Truppe, die sie auf einen echten Einsatz bestmöglich vorbereiten sollen. Daher sollten sie nicht als bloße Trainings abgetan, sondern als wichtige militärische Vorbereitung auf einen echten Konflikt verstanden werden. Im Umkehrschluss kann aus Manövern abgeleitet werden, auf welches Szenario sich eine Armee vorbereitet, was wiederum Schlüsse über die Strategie des jeweiligen Staates zulässt.

Jedes Militärmanöver bietet die Möglichkeit zur Eskalation des Konflikts und häufig kommt es zu Beinahe-Zusammenstößen oder sogar Zusammenstößen mit gegnerischen Truppen. Wie eine Studie zeigte, gab es zwischen Januar 2013 und Dezember 2020 ca. 2.900 gefährlich nahe Begegnungen zwischen den Armeen der NATO-Staaten und der Russischen Föderation.37Clem, Ralph & Finch, Ray: Crowded Skies and Turbulent Seas. Assessing the Full Scope of NATO-Russian Military Incidents. 19.08.2021, WAR ON THE ROCKS, aufgerufen am 18.07.2023

Darüber hinaus lässt sich ein Anstieg der Anzahl und des Umfangs der Manöver der NATO seit 2014 feststellen. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass es auch vor 2014 bereits explizite Manöver der NATO gab, die einen Krieg gegen Russland proben (z. B. Cold Response seit 2006). Neue Manöver kamen jedoch in der Phase 2014 – 2020 dazu (z. B. Defender Europe seit 2020). Durch die regelmäßige Einbindung von B52-Atombombern der US-Luftwaffe in die NATO-Übungen (z. B. BALTOPS) ist bereits jetzt ein immenses Eskalationspotential gegeben.38Kronauer, Jörg (2018): Meinst Du, die Russen wollen Krieg? Köln, S. 184 Mit Air Defender sollte 2023 sogar ein neues Manöver gegen Russland etabliert werden, welches es noch zu untersuchen gilt.

Im Großen und Ganzen fokussieren sich die Manöver der NATO stark auf die Ostflanke, trainieren vor allem die Interoperabilität der verschiedenen Armeen und sichern die Enhanced Forward Presence ab, um in einem umfassenden Krieg möglichst schnell, Militär aus dem Westen der NATO (v. a. aus den USA) nach Osteuropa zu verlegen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die USA weltweit komplementäre Militärübungen innerhalb anderer Bündnisse durchführen, die sich zum Beispiel gegen die Volksrepublik China richten (AUKUS, QUAD) und die Hegemonie der USA im Pazifik absichern sollen (z. B. das Manöver Pacific Defender).

Nahezu alle heutigen Trainingsmissionen der NATO werden mit der Angliederung der Krim durch Russland 2014 begründet.39Weber, Merle: Schlachtfeld Osteuropa, junge Welt, 31.03.2020
aufgerufen am 02.07.2023
Jedoch muss hervorgehoben werden, dass die Manöver zur Kriegsvorbereitung gegen Russland nicht erst 2014 begannen. Die Kriegspläne der NATO gegen Russland sind bereits viel älter und die Reaktion Russlands auf den Ukraine-Konflikt 2014 kam der NATO sehr gelegen, um die Situation weiter eskalieren zu können. Die jeweilige Phase der Auseinandersetzung und die Kontinuität des Kalten Krieges dürfen dabei nicht missachtet werden.

Die Russische Föderation nimmt die Manöver der NATO und ihrer Einzelstaaten an der russischen Westflanke sehr ernst und versuchte durch diplomatische Abkommen, die Eskalationsspirale zwischen der NATO und Russland zu entschleunigen. Noch am 17. Dezember 2021 legte die Russische Föderation den USA einen Entwurf über einen neuen Sicherheitsvertrag vor. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sahen unter anderem vor, sich auf eine einzuhaltende Entfernung für operative Militärübungen zur NATO-Russland-Grenze auf beiden Seiten zu einigen. Zusätzlich beinhaltete der Vorschlag, eine Kommunikation von Anlaufpunkten für Kampfschiffe und Flugzeuge zwischen der NATO und Russland aufzubauen und den regelmäßigen Dialog zwischen Russland und der NATO wiederzubeleben. Die Vorschläge wurden ohne weitere Diskussion seitens der USA abgelehnt.

Die Integration der Ukraine in die NATO

In diesem Abschnitt soll nachgezeichnet werden, wie die NATO die Ukraine in ihre Strukturen eingegliedert, politisch unterworfen und damit zu einem Kriegsinstrument gegen Russland gemacht hat.

Die genauere Betrachtung der Integration der Ukraine in die NATO ist aus zwei Gründen notwendig: Zum einen einfach deshalb, weil dort der Krieg gegen Russland auf die entscheidende Eskalation getrieben wurde und zum anderen, weil wie oben beschrieben, die Ukraine in den Strategien der imperialistischen Länder aufgrund ihrer strategischen Lage eine besondere Rolle spielt.

Im Folgenden sollen sowohl die Schritte der NATO und die Ausdehnung ihrer Strukturen auf die Ukraine als auch die innenpolitische Entwicklung durch den Einfluss der NATO, also der Aufbau faschistischer Strukturen und die Durchsetzung ihrer Herrschaft in der Ukraine durch die NATO, nachgezeichnet werden, da beide Prozesse untrennbar miteinander verbunden sind. Das ergibt sich aus der spezifischen Zusammensetzung und Entwicklung der Ukraine.

Schnelle Schritte zur Integration der Ukraine 1991-2002

Unmittelbar mit dem Ende der Sowjetunion begann die NATO die Ukraine besonders ins Visier ihrer Expansionsbestrebungen zu nehmen. Sie wurde in den North Atlantic Cooperation Council aufgenommen, der die Struktur des Partnership for Peace (PfP) vorbereitete, in dem die Ukraine 1994 aufgenommen wurde und einer direkten Vorbereitung eines Beitritts dienen sollte.40https://web.archive.org/web/20070413141551/http://www.nato.int/issues/nato-ukraine/evolution.html Das PfP ist ein sehr eng gefasstes Programm zur Anpassung der militärischen und staatlichen Strukturen an die NATO-Standards und Anforderungen. Die Ukraine eröffnete 1992 eine Botschaft in Brüssel, um mit der NATO ständig zu kommunizieren.

1997 wurde ein eigenes NATO Dokumentations- und Informationszentrum (NDIC) in Kiew eröffnet – das erste seiner Art überhaupt. Es dient zur politischen Einflussnahme und neben der US-Botschaft als Schaltzentrale zur Durchdringung der Politik und Gesellschaft. Die Aktivitäten des NDIC mündeten in den Maidan-Putsch, es rühmt sich bis heute für seine wichtige Rolle in diesem Ereignis.41https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_143930.htm 1997 wurde auch die NATO-Ukraine-Commission eingerichtet, die eine permanent tagende Zusammenarbeit zwischen NATO und Vertretern der Ukraine ist – eine vergleichbare Einrichtung gibt es für kein anderes Land. Gegenstand sind hier in erster Linie militärische und strukturelle Aspekte der Sicherheitspolitik, aber auch ökonomische und wissenschaftliche Verzahnung mit der NATO.42„The NUC provides a forum for consultation between the Allies and Ukraine on security issues of common concern, such as the situation in the Balkans, in Iraq, the fight against terrorism, frozen conflicts, and other regional security issues.“ https://web.archive.org/web/20090805202843/http://www.nato.int/issues/nuc/index.html

Die Ukraine ist auch das einzige Nicht-NATO-Mitglied, das an NATO-Einsätzen, darunter KFOR in Kosovo, SFOR in Bosnien und im Irak beteiligt wurde. In der Ukraine selbst wurden militärische Strukturen der NATO aufgebaut, darunter das „Jaworiw Training Centre“, ein großes Trainigs- und Manöverzentrum, das explizit eingerichtet wurde, um NATO-Truppen aus verschiedenen Ländern trainieren zu können. Es wurde zur Drehscheibe für die zahlreichen und großen NATO-Manöver in der Ukraine.43https://www.nato.int/structur/nmlo/links/yavoriv-training-centre.pdf

Die innenpolitische Verfasstheit der Ukraine war bereits in dieser Phase fragil und wurde durch die NATO-Aktivitäten angeheizt. Große Teile der Bevölkerung waren sehr lange Zeit gegen einen NATO-Beitritt und wollten stattdessen ebenfalls gute Beziehungen zu Russland aufrecht erhalten. Das gilt insbesondere für die Krim, deren Bewohner sich ohnehin als Teil Russlands sahen.

Erster Durchsetzungsversuch 2002-2008

Ab 2002 wurden durch die forcierte NATO-Integrationspolitik Widersprüche in der ukrainischen Politik stärker. 2002 trat die Ukraine dem NATO Ukraine-Action-Plan bei (NUAP), der zwar nicht dem Membership Action Plan, also der unmittelbaren Vorbereitung einer Aufnahme entspricht, aber diesem recht nahe kommt. Die Regierung Kutschma verfolgte zunächst einen Kurs der schnellen Aufnahme, erließ aber 2004 ein Dekret, das die NATO-Mitgliedschaft nicht mehr als Ziel des Landes definierte.

2004 folgte die sogenannte „Orangene Revolution“, die bereits durch Proteste gegen Kutschma 2002 vorbereitet wurde. Bei der Präsidentschaftswahl wurde der Kandidat des Westens, Juschtschenko mit Mitteln des Protests bis hin zum Aufstand, Straßenblockaden, Parlamentsblockaden, Nichtanerkennung von Bürgermeistern, etc. an die Macht gebracht. Faschistische Kräfte, die unter Führung Julia Timoschenkos standen, sorgten insbesondere in der Westukraine und in Kiew für ausreichenden Druck auf der Straße, auch wenn die Formen noch nicht die Gewalt annahmen wie 2014.44Das National Salvation Committee unter Timoschenko war das Nervenzentrum der „Orangene Revolution“, dem mehrere paramilitärische Gruppen unterstanden, die bewaffnet und trainiert waren und jederzeit zum Einsatz bereit waren. Siehe Kuzio, Taras (2010): State-led violence in Ukraine’s 2004 elections and orange revolution, Communist and Post-Communist Studies, Vol. 43, No. 4, S. 383-395

Die Regierung Juschtschenko beschleunigte die NATO-Integration und baute die Stellung faschistischer Kräfte und die politische Bedeutung des Banderismus in Staat und Gesellschaft massiv aus. Damit war sie auf der einen Seite erfolgreich in Bezug auf die NATO-Integration, zugleich löste sie Sezessionsbestrebungen im Osten und Süden der Ukraine aus, die sich der zunehmend faschistischen und antirussischen Entwicklung entgegenstellten. Die Regierung geriet in die Krise, unter anderem weil sie die Programme des IWF durchsetzte, die eine massive Verarmung der Bevölkerung zur Folge hatten.

Die NATO wollte die Situation der ihr gefügigen Regierung nutzen und 2008 den NATO-Beitritt der Ukraine durchsetzen, wozu es jedoch aufgrund der Bedenken Deutschlands und Frankreichs nicht kam. Allerdings legte die NATO darauf hin das Annaul National Programme (ANP) auf, das umfangreiche jährliche Zielpläne für die Ukraine setzte und mit einem Staatsumbau verglichen werden kann.45https://www.nato.int/docu/basictxt/b080401nuc-atp-e.pdf

Rückschlag und nächster Putsch 2010-2014

2010 siegte Janukowitsch bei den Präsidentschaftswahlen. Er wurde häufig als prorussisch bezeichnet, eine unkorrekte Bezeichnung. Er und seine Regierung haben die NATO-Zusammenarbeit nicht beendet, sie wollten allerdings ebenfalls Beziehungen zu Russland aufrechterhalten. Damit standen sie der Umfunktionierung der Ukraine als Rammbock gegen Russland im Weg. Auch unter Janukowitsch wurden die ANP vertieft, die Ukraine nahm an zahlreichen Manövern mit der NATO teil und schloss sich der Rapid Response Force an – ebenfalls als erstes Nicht-NATO-Mitglied.46https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/257/die-kooperation-im-bereich-der-militaerreform-zwischen-nato-und-ukraine-seit-2014/

Der Putsch von 2014 hatte die Eskalation der militärischen Bedrohung und Aggression gegen Russland zum Ziel. Dies war nicht mit der Regierung Janukowitsch möglich. Die vom Westen finanzierten, organisierten und propagierten Proteste begannen im November 2013 und endeten im Februar 2014. Faschistische Kräfte spielten die zentrale Rolle. Ihre koordinierte und rücksichtslose Anwendung von Gewalt verhalf den Kandidaten des Westens zum Durchbruch (Jazenjuk, USA und Klitschko, BRD). Neben der US-Botschaft und dem Ukraine Crisis Centre spielte das erwähnte NATO-Dokumentations- und Informationszentrum eine wichtige Rolle beim Aufbau und Koordinierung des Putsches.47Zum Maidan-Putsch siehe Ralf Rudolph, Uwe Markus: Kriegsherd Ukraine, Berlin, PHALANX, 2015

Die an die Macht geputschte Regierung Jazenjuks strebte unmittelbar Schritte zur NATO-Integration an. Die Ukraine verließ alle Gremien, in denen Russland vertreten war, darunter die Eurasische Wirtschafts-Union (EEU). Die Regierung beschloss das Ziel der Aufnahme in die NATO, im Dezember 2014 hob das Parlament das Gesetz zur Neutralitätsverpflichtung auf.48https://web.archive.org/web/20190107090219/
https://www.rferl.org/a/ukraine-parliament-coalition-agreement/26703123.html
In der Ost- und Südukraine formierte sich Widerstand gegen den faschistischen Putsch. Die Putschregierung begann unmittelbar, einen militärischen Feldzug gegen die eigene Bevölkerung zu organisieren – die sogenannte „Anti-Terror-Operation“, die mit äußerster Gewalt und unter Einsatz zahlreicher faschistischer Milizen stattfand.

Während die von den USA an die Macht geputschte Regierung einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung organisierte, fanden in unmittelbarer Nähe zahlreiche NATO-Manöver statt. Die USA begannen eine dauerhafte Militärpräsenz im Schwarzen Meer aufzubauen. Im Herbst 2014 fanden mehrere große Manöver in der Ukraine unter Beteiligung hunderter Soldaten aus NATO-Staaten statt, darunter im Übungszentrum Jaworiw, aber auch im Schwarzen Meer (Sea Breeze) mit 1.800 Soldaten, Manöver in der Luft, von Spezialeinheiten und der Militärpolizei. In der Ukraine soll das bisher größte Ausbildungsprogramm der NATO für Unteroffiziere stattgefunden haben.49Rudolph/Markus, Kriegsherd Ukraine, S. 149

Der Krieg gegen die Ost- und Südukraine spielt in dieser Phase eine wichtige Rolle in dem Prozess, die Ukraine zu einem anti-russischen Instrument zu machen. Die Armee, die bereits seit langem in den NATO-Kampfeinsätzen Erfahrungen sammeln konnte, ist hier in einem wichtigen Einsatz gegen die Städte und Dörfer des eigenen Landes. In einem gemeinsamen Seminar 2015 werteten Ukrainer und die NATO ihre Erfahrungen aus. In dem Bericht heißt es: „General Petr Pavel, Chairman of the NATO Military Committee, delivered opening remarks in which he thanked the Ukrainian military personnel, many of whom have been recently serving in Eastern Ukraine, for their readiness to share their experiences which will help ‘develop and refine the tools in our toolbox in order to fight terrorism in all its guises’.”50https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_126085.htm

Darüber hinaus dient der Krieg gegen die Ostukraine als Testfeld und zur Bewährung der Kiewer Truppen. Der antifaschistische Widerstand der Bevölkerung des Donbass stellt ein politisches Ereignis dar, dessen Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und das maßgeblich dafür sorgte, dass die NATO nicht bis zur russischen Grenze durchmarschieren und nicht die ganze Ukraine militärisch nutzen konnte.

Aufrüstung und Kriegsvorbereitung 2014-2020

Mit dem Putsch von 2014 und dem Krieg gegen die Ostukraine wurde die „Büchse der Pandora“ geöffnet: Das Land steht jetzt komplett den Plänen der USA und der NATO zur Verfügung, sämtliche Beschränkungen sind aufgehoben. „Sukzessive wurde aber zu einer immer direkteren Unterstützung übergegangen. So berichtete die Deutsche Welle im Februar 2015, Großbritannien habe 75 Militärberater in die Ukraine entsandt, was von Regierungschef David Cameron folgendermaßen begründet wurde: ‚Wenn wir Russland jetzt nicht entgegentreten, wird sich das auf lange Sicht extrem negativ für uns alle auswirken, weil es zu einer weiteren Destabilisierung kommen wird.‘ Auch Washington lieferte bereits frühzeitig ’nicht-letale Waffen‘ und schickte im April 2015 ebenfalls Ausbilder ins Land: ‚Rund 300 US-Fallschirmjäger sind zu einer Ausbildungsmission in der Ukraine eingetroffen. […] Das Training für 900 Soldaten der Nationalgarde, die dem ukrainischen Innenministerium untersteht und vor allem aus früheren Maidan-Kämpfern besteht, soll demnach sechs Monate dauern und bei einer gemeinsamen Militärübung stattfinden. Die USA unterstützen Kiew außerdem mit militärischer Ausrüstung wie gepanzerten Fahrzeugen, Schutzwesten, Radarsystemen und Nachtsichtgeräten.“51https://www.imi-online.de/download/Ukraine-Broschuere-web.pdf, S. 33 ff.

Die Kiewer Armee wurde ausgerüstet und den NATO-Anforderungen entsprechend angepasst.52https://carnegieendowment.org/2018/02/22/ukraine-s-toughest-fight-challenge-of-military-reform-pub-75609 Ukrainische Offiziere und Soldaten nahmen unter anderem an einem Spezialprogramm der CIA in den USA teil, das sie auf einen Aufstand gegen feindliche Invasionstruppen vorbereitete, allerdings nicht einen Aufstand zu bekämpfen, sondern ihn in einem Szenario des Einmarschs feindlicher Truppen anzuführen.53https://news.yahoo.com/cia-trained-ukrainian-paramilitaries-may-take-central-role-if-russia-invades-185258008.html?guccounter=1

In den folgenden Jahren fanden regelmäßig große Manöver unter anderem mit deutscher Beteiligung in der Ukraine statt.54https://www.imi-online.de/2015/07/06/ukraine-nato-manoever-2/ Allein an der Übung Operation Fearless Guardian nahmen insgesamt 2200 Soldaten teil, darunter 1.000 US-Soldaten. Trainiert wurde die neu aufgebaute Nationalgarde, deren Aufbau durch den Global Security Contingency Fund (GSCF) des US-State Department finanziert wurde.55https://en.wikipedia.org/wiki/Ukraine–NATO_relations

Die USA hatten bereits vor 2014 Waffen an die Ukraine geliefert. 2014 hat der Kongress ein Waffenlieferungspaket im Umfang von 350 Millionen Euro beschlossen. Waffen gelangten auch an die faschistischen Korps, darunter Asow, was wiederum in den USA selbst umstritten war. Granatwerfer, wie die Javelins, spielten eine zentrale Rolle. Weitere NATO-Staaten lieferten Waffen an die Ukraine.56https://www.atlanticcouncil.org/blogs/ukrainealert/lethal-weapons-to-ukraine-a-primer/ Die NATO investierte ebenfalls Millionensummen in die Ausstattung der ukrainischen Armee. Der Anstieg der finanziellen Mittel ab 2014 ist signifikant. Die US-Militärhilfen stiegen 2014 auf 91 Millionen Dollar, verdoppelten sich 2015 und wuchsen von 2014 bis Februar 2022 auf eine Summe von 2,8 Milliarden Dollar.57https://www.stimson.org/2022/u-s-security-assistance-to-ukraine-breaks-all-precedents/

Comprehensive Assistance Package (CAP)

Die Integration der Ukraine in die NATO nahm 2016 den nächsten Schritt. Mit dem NATO-Gipfel in Warschau begann das Comprehensive Assistance Package (CAP). Damit wurden die ukrainischen Staats- und Armeestrukturen weiter umgebaut und NATO-kompatibel gemacht. Im Rahmen des CAP wurde die strategische Beratung durch die NATO im ukrainischen Staat installiert, unter anderem mit Trainings, Seminaren und Ausstattung. Es wurden außerdem zahlreiche Treuhandfonds eingerichtet, um die Ausstattung mit Computern, die Kommando- und Kommunikationsstrukuren, die medizinische Ausstattung und die Personalentwicklung zu finanzieren.58https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_37750.htm

Im Juni 2017 verabschiedete das ukrainische Parlament ein Gesetz, das die Aufnahme in die NATO zur außenpolitischen Priorität erklärte. Präsident Poroschenko kündigte an, Verhandlungen über den MAP beginnen zu wollen. 2018 wurde die Ukraine in eine Liste von Staaten aufgenommen, die die Mitgliedschaft anstreben, darunter waren Georgien und Bosnien. 2018 wurde die „Anit-Terror-Operation“ umbenannt in „Operation der Vereinten Kräfte“. Als Gegner wurde nun explizit Russland und nicht mehr nur die Volksrepubliken benannt.

Nach Gesprächen im NATO-Hauptquartier im Februar 2019 in Brüssel gab der ukrainische Verteidigungsminister bekannt, dass das Militärbündnis seine Flottenpräsenz im Schwarzen Meer in diesem Jahr deutlich verstärken werde. Dies sei eine Reaktion auf die Aktionen Russlands, die aus Sicht der Ukraine und der NATO die Sicherheit im Asowschen und im Schwarzen Meer gefährden. Im Oktober 2019 verabschiedet die Werchowna Rada eine Gesetzesnovelle, die Teil der Militärreform war und die ukrainische Armee in Einklang mit NATO-Standards bringen sollte. Das Gesetz sieht unter anderem eine neue Rangordnung für die Streitkräfte des Landes in Anlehnung an die Ränge im US-Militär vor.59https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/chronik?c=ukraine&d1=2018-01-05&d2=2020-12-20&t=&l=3000

Der Beginn der unmittelbaren Kriegsvorbereitung 2020-2022

Die bisher beschriebenen Maßnahmen in der Ukraine sind bereits als Kriegsführung (ATO, etc.) zu bezeichnen. Zugleich sind sie weiterhin kriegsvorbereitend, in dem Sinne, dass sie Land und Armee zu einem Krieg gegen Russland umbauen und vorbereiten. Der Zeitpunkt, ab dem die unmittelbare und konkrete Einleitung der Eskalation gegen Russland begonnen wurde, ist schwer zu bestimmen. Es ist möglich, dass ab März 2020 eine militärische Eskalation im Donbass geplant wurde, um Russland zu einem Einschreiten zu provozieren.

Ende Dezember äußerte Selensky, dass bei einem Angriff Russlands auf die Ukraine ein Krieg in vollem Umfang beginnen würde und alle verfügbaren Personen mobilisiert werden würden. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich keinerlei russische Truppen in Grenznähe.60https://www.laender-analysen.de/chronik/?c=ukraine&d1=2020-12-03&d2=2022-02-23&t=&l=3000 Im Dezember 2020 begann die Ukraine mit einer Eskalation der Situation im Donbass. In einer Mitteilung vom 18. Januar 2021 schrieb der Vertreter der Delegation der Donezker Volksrepublik (DVR) in der Kontaktgruppe im Rahmen der Minsk-Verhandlungen: „Die Lage an der Kontaktlinie verschlechtert sich weiter. Im vergangenen Monat, seit der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe, haben die Streitkräfte der Ukraine den Beschuss des Territoriums der Republik mit dem Einsatz von Waffen intensiviert, die durch die Minsker Abkommen verboten sind. (…) Die Zahl der Verstöße gegen den Waffenstillstand und der auf unserem Territorium abgefeuerten Minen ist derzeit vergleichbar mit der Zahl vor Inkrafttreten der Maßnahmen zur Stärkung des Waffenstillstands.“61https://dnr–sckk-ru.translate.goog/itogi-zasedaniya-rabochej-gruppy-po-voprosam-bezopasnosti-na-peregovorah-kontaktnoj-gruppy-v-minske-18-yanvarya/?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp

Gleichzeitig wurde scheinbar die Zusammenarbeit der USA mit den ukrainischen bewaffneten Organen ausgedehnt. Nach Angaben des Innenministeriums begann die Nationalgarde der Ukraine mit der Arbeit an einer Einsatzdoktrin, die mit den Konzepten der NATO übereinstimmt. Vertreter aus den USA und Kanada leisteten dabei „Hilfe“.62https://www.laender-analysen.de/chronik/?c=ukraine&d1=2020-02-03&d2=2022-02-23&t=&l=3000 Ende Februar bekräftigte die US-Regierung, dass die Krim ukrainisch sei und kündigte Militärhilfe in Höhe von 300 Millionen Euro an.63https://theowp.org/ukraine-declares-all-options-possible-even-war-to-retake-crimea-from-russia/ Die ukrainische Armee trainierte außerdem Häuser- und Straßenkämpfe und kündigte diese auch an, was als Drohung gegenüber den Volksrepubliken verstanden wurde. Innenpolitische Gegner wurden stärker repressiert, wer die „Existenz einer bewaffneten Aggression gegen die Ukraine“ leugne, sollte bestraft werden.64https://www.jungewelt.de/artikel/397604.donbass-wiederbelebter-krieg.html?sstr=Donbass Die ukrainische Seite verbreitete gezielt Indiskretionen, die auf die Option eines größer angelegten militärischen Angriffs auf die Volksrepubliken verweisen. Dazu gehören Bilder von Transportzügen mit Panzern und Raketenwerfern auf Bahnhöfen im Hinterland der Front.65https://www.jungewelt.de/artikel/398251.krieg-in-der-ukraine-ultimatum-vorbereitet.html

Am 24.03.21 erließ Selenskyj ein Dekret, das die Strategie des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates zur „De-Okkupation und Wiedereingliederung der Krim und der Stadt Sewastopol“ in Kraft setzte. Laut Präsidialamt beinhaltet das Dokument „diplomatische, militärische, wirtschaftliche und humanitäre Maßnahmen zur Rückkehr der von Russland annektierten Halbinsel in die Ukraine.“66https://www.laender-analysen.de/chronik/?c=ukraine&d1=2020-12-03&d2=2022-02-23&t=&l=3000 Laut Michael Snyder, einem Analysten, handelte es sich dabei im Grunde um eine Kriegserklärung gegen Russland, die ohne Zustimmung der Biden-Administration nie erfolgt wäre und die von Russland sehr ernst genommen wurde.67https://www.telesurenglish.net/news/Ukraine-To-Regain-Occupied-Territory-in-Crimea-and-Sevastopol-20210402-0005.html Die Kiewer Regierung selbst bezeichnete das Dokument als das erste seit 2014, das die Hauptrichtung der Staatspolitik bestimme und ein historisches Ereignis sei. Es sei ein breites Programm in Kraft gesetzt worden, um die Rückeroberung zu erreichen.68https://ppu.gov.ua/en/press-center/today-president-of-ukraine-volodymyr-zelenskyy-signed-decree-117-2021-of-march-24-2021-on-the-strategy-of-de-occupation-and-reintegration-of-the-temporarily-occupied-territory-of-the-autonomous-republ/ Die Vertreter der Donezker Volksrepublik (DVR) stellten eine weitere Welle der Anhäufung von Ausrüstung und schweren Waffen in der Nähe der Kontaktlinie fest, darunter MLRS, Panzer sowie großkalibrige Haubitzenartillerie, an Bahnhöfen in von der ukrainischen Armee kontrollierten Siedlungen.69https://dnr–sckk-ru.translate.goog/mirnyj-plan-po-ukrainski/?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp[30] Ende März 2021 zog die Russische Föderation Truppen an der Westgrenze zusammen.

Anfang April 2021 sprach Denis Puschilin, der Chef der DVR, von einem unmittelbar bevorstehenden ukrainischen Angriff.70https://www.jungewelt.de/artikel/399931.säbelrasseln-in-frontnähe.html Die westlichen Regierungen unterstützten das Kiewer Regime und forderten stattdessen Moskau zu Deeskalationsschritten auf, die USA sendeten zwei Kriegsschiffe ins Schwarze Meer.71https://www.jungewelt.de/artikel/400013.konflikt-im-donbass-krieg-und-nervenkrieg.html Bis Ende 2021 wurden die Waffenlieferungen und finanziellen Mittel zur Aufrüstung der Ukraine deutlich gesteigert, insbesondere durch die USA und Großbritannien.72https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8793/ 2021 gestattete die Ukraine die Stationierung von 4000 NATO-Soldaten, darunter 2000 US-Amerikaner.73https://www.merkur.de/politik/ukraine-laesst-erneut-hoehere-nato-praesenz-im-land-zu-91179021.html Die Ukraine hatte außerdem für 2022 zehn Manöver der NATO im Land und im Schwarzen Meer gesetzlich erlaubt und damit das Land zu einem ganzjährigen Aufmarschgebiet gemacht.74https://test.rtde.tech/meinung/132986-nato-verfolgt-strategie-spannung/ Russland warnte, dass das Aufflammen des Bürgerkriegs zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit führen werde.75https://www.unsere-zeit.de/zuspitzung-im-donbass-144511/

Fazit

Die NATO als Instrument der USA haben die militärische Integration der Ukraine seit 1991 konsequent vorangetrieben. Damit diese gelingen konnte, musste die Ukraine politisch unterworfen und gespalten werden. Dazu waren faschistische Kräfte und mehrere Putsche notwendig. Es handelt sich um einen komplizierten politischen Prozess, der von Rückschlägen und Widersprüchen gekennzeichnet ist. Erst mit dem massiven Einsatz von Gewalt 2014 konnte der Durchbruch geschaffen werden, der wiederum direkt mit dem Widerstand des Donbass konfrontiert war. Die Infiltration der Gesellschaft und ihre Manipulation waren wichtige Mittel, um das politische Ziel zu erreichen. Mit der Durchsetzung ab 2014 war der Prozess der Aufrüstung, Eskalation und Provokation de facto nicht mehr zu stoppen und mündete 2022 in die Eskalation. Dieser Prozess wurde bewusst und zielstrebig über die verschiedenen politischen Phasen hinweg verfolgt. Es zeigt sich, dass das Ziel der Vorbereitung und Durchführung eines Kriegs gegen Russland zu keinem Zeitpunkt aufgegeben wurde.

Quellen

Kommentare

Die NATO als Schutz vor dem deutschen Imperialismus?

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von Andreas Wehr (Marx-Engels-Zentrum)

Anmerkung der Redaktion
Im Dezember schickten die Autoren des Textes Deutschlands Griff nach Osten, diesen an Andreas Wehr vom Marx-Engels-Zentrum, mit der Bitte um eine kritische Kommentierung. Andreas Wehr schrieb einen kurzen Artikel, den er Mitte Januar auf seinem Blog veröffentlichte. Der Artikel bezieht sich auf das Kapitel Thesen und offene Fragen zur Strategie und Entwicklung des deutschen Imperialismus und die dort beschriebene Position der Kommunistischen Arbeiterzeitung (KAZ) bezieht. Wir freuen uns sehr, den Artikel von Andreas Wehr nun spiegeln zu können.

Die Kommunistische Arbeiterzeitung will die NATO zur „Kontrolle des deutschen Machtpotentials“ einsetzen und schwächt damit die Friedensbewegung

Seit Jahren führt die Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) – und hier deren Fraktion Für Dialektik in Organisationsfragen – jährliche Konferenzen unter dem Titel „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ durch. Im Jahr 2023 stand die Frage „Deutschland raus der NATO?“ zur Debatte. Die Referate von Gretl Aden für die KAZ und von Max Rodermund von der Kommunistischen Organisation (KO) wurden in Nr. 385 der KAZ von November 2023 dokumentiert.

Plädierte Rodermund darin für einen Austritt Deutschlands aus der NATO, so lehnte Gretl Aden diese Forderung ab: „Unabhängig von der subjektiven Absicht derjenigen Freunde und Genossen die sie aufstellen, greift sie nicht unmittelbar den deutschen Imperialismus an, sondern die NATO, und damit den US-Imperialismus. Sie schürt die Illusion, der deutsche Imperialismus wäre friedlicher, weniger gefährlich ohne die NATO und verharmlost damit den deutschen Imperialismus. Sie beinhaltet eine Option der deutschen Monopolbourgeoisie und ihres Staates in ihrem Kampf um die Beherrschung möglichst großer Teile der Welt: das Streben, ohne und gegen die USA antreten zu können. Sie lenkt also vom deutschen Imperialismus ab, statt auf den Kampf gegen ihn zu orientieren – und das ist doch unsere Aufgabe in diesem Land als Teil des internationalen Kampfes der Arbeiterklasse und unterdrückten Völker gegen den Imperialismus.“

Das zentrale Argument für eine weitere Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO besteht für Aden demnach in der damit gegebenen Kontrolle des deutschen imperialistischen Militärapparats. Sie zitiert die Aussage des ersten NATO-Generalsekretärs Lord Ismay, der als Ziel des Bündnisses nannte: „To keep the Russions out, the Americans in and the Germans down“, also die Sowjets aus Europa draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten. Die Haltung des britischen Lords war nach zwei Kriegen, die auch westliche Länder gegen Deutschland geführt hatten, verständlich. Doch Lord Ismay war von 1952 bis 1957 Generalsekretär, also vor gut 70 Jahren. Zu fragen ist daher, ob sich die Lage seitdem nicht grundlegend verändert hat. Ein damals denkbarer Revanchekrieg der Bundesrepublik Deutschland gegen die Sowjetunion mit dem Ziel der Rückgewinnung der DDR sowie der an Polen und die UdSSR verlorenen Ostgebiete hat sich mit der endgültigen Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze und dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik im Oktober 1990 erledigt. Weshalb also heute „the Germans“ weiterhin „down“ halten?

Nach Aden ist aber die Frage der Einbindung Deutschlands in die NATO und damit in das westliche Bündnis mit der deutschen Einigung 1990 erneut auf die Tagesordnung gekommen: „Ein ‚wiedervereinigtes‘ Deutschland rief bei den imperialistischen Konkurrenten des deutschen Imperialismus und einstigen Siegermächten die größten Befürchtungen hervor. Vor allem die britische Regierung, aber auch die französische hatten heftige Widerstände, wie der damalige Bundeskanzler Kohl in seinen Memoiren beschreibt.“ Doch diese Bedenken, übrigens auch von Italien, bezogen sich auf das mit der Vereinigung gewachsene ökonomische Gewicht Deutschlands. Deshalb wollte der französische Präsident Mitterand mit dem Vertrag von Maastricht und dem darin enthaltenen Fahrplan zur Einführung des Euros die gestärkte deutsche Ökonomie stärker einbinden. Geglückt ist das bekanntlich nicht. Deutschland zog in der EU an Frankreich vorbei, war der große Profiteur der Osterweiterung der Union, und es gelang ihm mit dem Lissabon-Vertrag auch die Regeln der europäischen Entscheidungsfindung zu seinen Gunsten zu verändern.1Vgl. dazu Andreas Wehr, Die EU – Instrument und Springbrett für den deutschen Imperialismus? Vortrag auf dem Kommunismus-Kongress 2023 der Kommunistischen Organisation. Eine gekürzte Fassung des Referats erschien am 27.10.2018 in der Wochenzeitung Unsere Zeit (UZ). Von einem Wiederaufstieg Deutschlands zu einer bedrohlichen Militärmacht war aber in Paris, London oder Rom nie die Rede.

Uneingeschränkt unterstützten hingegen die USA die deutsche Einheit, waren sie es doch, die mit ihrer Hochrüstung die Sowjetunion in die Knie gezwungen hatten, so dass sie das realsozialistische Lager nicht mehr zusammenzuhalten konnte. Es war Präsident Ronald Reagan, der im Juni 1987 – und damit gut zwei Jahre vor dem Mauerfall –vor dem Brandenburger Tor gefordert hatte: „Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!“ Herr Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor! Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder! Der Zusammenbruch der DDR, die deutsche Vereinigung wie auch das Ende der Sowjetunion mit der Abdankung des europäischen Realsozialismus war das erklärte Ziel der USA. Und sie haben dieses Ziel erreicht!

Dennoch behauptet Aden, dass auch in den USA ein „wiedervereinigtes Deutschland“ die „größten Bedenken“ hervorrief. Sie zitiert zum Beleg Henry Kissinger aus einem Artikel der Welt am Sonntag vom 23. April 1989: „Soll der innere Zusammenhang des Westens gesichert werden, muss er eine eigene Vision für ein vereinigtes Europa entwickeln. Geschieht dies nicht, wird die wirtschaftlich und militärisch stärkste Nation Europas – die Bundesrepublik Deutschland – mit Sicherheit ihren eigenen Weg gehen.“ Doch diese Besorgnis bezog sich nicht auf die Möglichkeit des Aufstieg einer konkurrierenden deutschen Militärmacht, sondern auf die Angst davor, es könnten in Berlin jene an Gewicht gewinnen, die die Westbindung – und damit die NATO-Mitgliedschaft – zugunsten eines neutralen Status verbunden mit der Perspektive einer engeren Zusammenarbeit mit Russland aufgeben wollen. Die Stichworte dafür lauten stets: Vertrag von Rapallo von 1922, finnische Blockungebundenheit während des kalten Krieges, Neutralitätsvertrag von 1955 für Österreich.

Seinerzeit gab es tatsächlich Stimmen aus der Friedensbewegung, aber auch von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die die Chance der deutschen Vereinigung nutzen wollten, um die Mitgliedschaft des vergrößerten Deutschlands in der NATO infrage zu stellen. Da sich aber die Sowjetunion unter Gorbatschow mit der fortbestehenden NATO-Mitgliedschaft Deutschlands abgefunden hatte, waren sie chancenlos. Heute sind sie nahezu verstummt. Allein der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi wagte noch zu formulieren, dass „das Ziel Europas am Ende eine allianzneutrale Position sein“ sollte.2Klaus von Klaus von Dohnanyi, Nationale Interessen. Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche, München, 2022, S. 119 Doch das schrieb er noch vor der Eskalation des Ukrainekriegs im Februar 2022.

In einer Dokumentation über den Zwei-plus-Vier-Vertrag zwischen den vier Siegermächten und den zwei Deutschlands heißt es: „Am 31. Mai 1990 stimmt der sowjetische Staatschef Michael Gorbatschow einer freien Bündniswahl Deutschlands zu. Die Sowjetunion erhält im Gegenzug wirtschaftliche Hilfen, zudem dürfen in Ostdeutschland keine NATO-Truppen stationiert werden.“3Lebendiges Museum online Die bereits totgeweihte DDR spielte bei den Verhandlungen nur noch eine Statistenrolle. Und für die Sowjetunion bedeutete die Unterzeichnung des Vertrags eine mehr oder weniger offene Kapitulationserklärung. Russland musste in den Jahren erleben, wie die dem Land gegebenen Zusicherungen gebrochen wurden: Die NATO wurde Schritt um Schritt nach Osten erweitert, allein die Mitgliedschaften der Ukraine und Georgiens wurden 2008 noch einmal aufgeschoben. Am Ziel der Aufnahme dieser beiden Staaten und auch Moldawiens hält die NATO aber unverändert fest. Längst ist sie auch mit militärischen Einrichtungen und festen Quartieren in den neuen osteuropäischen Mitgliedsländern präsent. Mit dem einst zur Sowjetunion gehörenden Litauen hat die Bundesrepublik erst kürzlich die Stationierung einer Bundeswehr-Brigade von 4.800 Mann an der Grenze zu Russland vereinbart.

Für die USA ist die NATO nach 1990 zum wichtigsten Hebel zur Durchsetzung ihrer aggressiven Außenpolitik geworden. Sowohl der Krieg gegen Serbien 1999 als auch der Angriff auf Afghanistan 2001 erfolgte unter der Führung des Militärbündnisses. Und heute ist es die NATO, die Russland mit Hilfe der Ukraine entscheidend schwächen will. Geht es nach den USA, so soll die Allianz sogar zum Nukleus eines weltweiten Kriegsbündnisses werden. Japan, Südkorea und Australien wurden ausdrücklich zur Kooperation eingeladen.

Der Zwei-plus-Vier-Vertrag ist längst Geschichte und doch ist es grotesk, wenn Gretl Arden heute in der KAZ fragt: „Ist es denn die Aufgabe von Kommunisten unter imperialistischen Bedingungen diesen Vertrag in Frage zu stellen, also unter Bedingungen, die doch leider dadurch gekennzeichnet sind, dass wir weit davon entfernt sind, die Machtfrage in diesem Land zu Gunsten der Arbeiterklasse lösen zu können?“ In ihrer Fixierung auf die Schimäre des Wiederaufstiegs einer imperialistischen Militärmacht Deutschland, die den zweimal verlorenen Kampf um die Weltherrschaft wiederaufnehmen könnte, rühmt sie damit ausgerechnet jenen Vertrag, der die größte Niederlage der deutschen und zugleich internationalen Arbeiterbewegung besiegelte!

Aden und die KAZ schwächen mit ihrer Haltung zur NATO-Mitgliedschaft Deutschlands den eh schon schwachen Widerstand im Land gegen dieses Kriegsbündnis. In seiner Antwort auf Aden stellte Rodermund die richtigen Fragen: „Sind die jährlich durchgeführten Blockaden der DKP vor der Militärbasis in Büchel, in der US-Nuklearwaffen als NATO-Kapazität liegen, schlecht, weil sie von der eigentlichen Gefahr des deutschen Imperialismus ablenken? Muss denn der Kampf gegen die Aktivitäten der US-geführten NATO einen zugleich zum Parteigänger des deutschen Imperialismus machen? Geht es denn nicht, das eine mit dem anderen zu verbinden?“

Wie sollen NATO-Gegner in den heute noch neutralen Staaten Österreich, Irland, Malta, Schweiz und Zypern eine „kommunistische“ Haltung verstehen, die für Deutschland die Mitgliedschaft in diesem Bündnis für richtig und notwendig hält? Und wie will man einem drohenden Beitritt Georgiens, Moldawiens und der Ukraine entgegentreten, wenn man für das eigene Land an der Mitgliedschaft festhalten will? Der Hauptfeind sind und bleiben aber die USA und die von ihr beherrschte NATO!4Vgl. dazu Andreas Wehr, Der Hauptfeind sind die USA! In: Theorie & Praxis vom 01.10. 2018 Mit ihrer verblendeten Haltung erweist die Kommunistische Arbeiterzeitung, der Friedensbewegung und sich selbst einen Bärendienst!

Israels Lügen über den 7. Oktober – was geschah wirklich?

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Artikel von Paul Oswald

Einleitung

Israel und seine westlichen Verbündeten haben als Reaktion auf den 07. Oktober eine massive PR-Kampagne gestartet, durch welche reaktionäre Narrative über den palästinensischen Befreiungskampf verbreitet und verfestigt werden. Durch diese wird ein öffentliches Bild erzeugt, nachdem die Hamas schlimmer sei als der IS: palästinensische Barbaren seien nach Israel eingedrungen, töteten wahllos jeden, der ihnen in den Weg kam, vergewaltigten kollektiv Frauen, verstümmelten sie und verbrannten sie anschließend bei lebendigem Leib. Ganze Familien seien, nach diesen Erzählungen, in ihren Häusern gefesselt und anschließend auf sadistische Weise gefoltert worden. All dies sei von der Hamas systematisch und geplant durchgeführt worden.[1] Die israelische Armee stellte sogar die Behauptung auf, in einem Kibbuz eine Flagge des IS gefunden zu haben.[2] In einem Interview mit Sky News ging eine israelische Militärreservistin sogar so weit zu behaupten, was sie am 07. Oktober gesehen habe, sei schlimmer als der Holocaust![3]

Für Israel und seine Verbündeten erfüllt diese PR-Kampagne mehrere Funktionen:

Erstens dient sie Israel als Rechtfertigung für ihren anhaltenden Genozid in Gaza. Kolonialgeschichtlich ist diese Art der Propaganda zur Legitimierung von Gewalt gegen Kolonialisierte nichts Neues.

Zweitens kann Israel durch die gezielte Schaffung von Assoziationen mithilfe der von ihnen entwickelten Narrative zusätzlich Druck auf seine Verbündeten ausüben, um verstärkte Waffenlieferungen zu erhalten.

Drittens dienen sie umgekehrt den westlichen Verbündeten als eine Rechtfertigung für die Waffenlieferungen.

Viertens dient der Bundesregierung diese Kampagne als Rechtfertigung für die massive Einschränkung von demokratischen Rechten (wie der Meinungs- und Versammlungsfreiheit) sowie dem Verbot von politischen Organisationen und ihrer Unterstützung. Die Palästinasolidarität soll damit eingeschränkt und mundtot gemacht werden.

Fünftens wird auf der Grundlage dieser Narrative ein Angst- und Repressionsklima geschürt, was dazu führt, dass sich Teile der palästinensischen Solidaritätsbewegung vom Widerstand und seinem Kampf distanzieren. Es wird eine direkte (durch das Verbot der Hamas und Samidoun) oder indirekte (durch die Arbeit der Medien und die willkürliche Repression) Zensur befördert.

Durch das Vorantreiben dieser PR-Kampagne wird die journalistische Arbeit zunehmend behindert. Es gibt faktisch keine wirklich differenzierten öffentlichen Interviews mehr (ob im Radio oder im Fernsehen), in denen Personen Israel kritisieren können, ohne dass die Moderatoren in Schnappatmungen verfallen, hysterisch intervenieren und fragen, was denn die interviewte Person zu dem „Hamas-Terror“ sagen würde.

Innerhalb der kommunistischen Bewegung, aber auch weitergefasst unter allen, die sich als links verstehen, zeigt der mediale Zirkus seine Wirkung. Eine Bewegung, in der der palästinensische Befreiungskampf seit Jahren stiefmütterlich behandelt wurde, verfällt in eine Rechtfertigungslogik, warum es richtig sei, sich mit Palästina zu solidarisieren und gegen den israelischen Genozid auf die Straße zu gehen. Dies geht für viele nicht, ohne gleichzeitig zu versichern, dass man sich von den schrecklichen Massakern der Hamas distanziere.[4] Die Distanzierung dient damit für viele Linke und Kommunisten, aufgrund der verbreiteten Narrative, als eine Art Legitimierung für ihre Palästinaarbeit. Im Umkehrschluss zeigt dies, dass ein Großteil der Bewegung den tatsächlichen politischen Kampf nicht begreift, den die Herrschenden hierzulande gegen alle führen, die sich auch nur ein kleines Stück gegen die Regierungspolitik stellen. Es zeigt auch, dass für viele die Solidarität nur so weit geht, wie es die Politik und die Medien in diesem Land ‚erlauben‘. Dieser Zustand macht eine Beschäftigung mit den Ereignissen rund um den 07. Oktober um so wichtiger, um: 1) klar artikulieren zu können, was sicher über die Ereignisse gesagt werden kann und 2) das Agieren des palästinensischen Widerstandes und der israelischen Besatzungsmacht besser einzuschätzen zu können. Beide Aspekte sind entscheidend, um sich von der herrschenden Propaganda nicht einschüchtern zu lassen, selbstbewusst in der Palästinasolidarität agieren zu können und sich nicht von dem palästinensischen Befreiungskampf zu distanzieren. Denn genau das ist es, was die Politik und Medien bezwecken wollen.

Die Hamas selbst äußerte sich zu den israelischen Vorwürfen in ihrem am 21. Januar veröffentlichtem Dokument Our Narrative … Operation Al-Aqsa-Flut. In diesem schreibt die Hamas:

„Verletzungen der Zivilbevölkerung, insbesondere von Kindern, Frauen und älteren Menschen zu vermeiden, ist eine religiöse und moralische Verpflichtung für alle Kämpfer der Al-​Qassam-​Brigaden. Wir weisen erneut darauf hin, dass der palästinensische Widerstand während der Operation völlig diszipliniert und den islamischen Werten verpflichtet handelte und dass die palästinensischen Kämpfer nur auf die Besatzungssoldaten und diejenigen zielten, die Waffen gegen unser Volk trugen. Währenddessen waren die palästinensischen Kämpfer darauf bedacht, keine Zivilisten zu verletzen, obwohl der Widerstand nicht über präzise Waffen verfügt. Wenn es einen Fall gab, in dem Zivilisten getroffen wurden, so geschah dies unbeabsichtigt und im Verlauf der Konfrontation mit den Besatzungstruppen.“[5]

Aber was ist dran an den israelischen Vorwürfen? Der folgende Artikel versucht einen groben Überblick über die Stichhaltigkeit der israelischen Behauptungen zu geben. In Deutschland scheint die Frage nach der Kriegspropaganda kein Thema zu sein, obwohl diese eine so hohe politische Relevanz besitzt. Soweit mir bekannt, ist Occupiednews das einzige deutschsprachige Medium, welches etwas ausführlicher über die israelischen Behauptungen berichtet hat. In der Linken Zeitung sowie im Magma-Magazin wurden einige englische Artikel zu den Ereignissen am 07. Oktober ins Deutsche übersetzt. Der folgende Beitrag wird nicht auf die Hamas selbst eingehen. Noel Bamen veröffentlichte kürzlich einen sehr ausführlichen Artikel über 15 gängige Mythen der Hamas[6], in dem mehr über die Hamas selbst nachgelesen werden kann.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es keine verifizierten Beweise für die Vorwürfe gegenüber der Hamas gibt. Die Hinweise darauf, dass die israelische Armee durch die massenweise Anwendung der sogenannten Hannibal-Doktrin auf israelische Zivilisten für einen Großteil der zivilen Todesopfer selbst verantwortlich ist, verdichten sich zunehmend. Israel verhindert eine unabhängige Untersuchung der Vorkommnisse am 07. Oktober bis heute, wodurch eine Aufklärung und ggf. Richtigstellung verunmöglicht wird.

Opferzahlen

Während Israel wochenlang von 1.400 Zivilisten sprach, die durch die Hamas ums Leben gekommen seien, wurde diese Zahl durch israelische Quellen selbst mehrfach revidiert und lag im Dezember bei 900 Zivilsten und 300 Soldaten und Polizisten.[7] Bis heute ist die tatsächliche Zahl der Getöteten unbekannt. Im Januar schrieb Occupiednews von insgesamt 764 israelischen und ausländischen Zivilisten, 274 Soldaten, 57 Polizisten und 38 Sicherheitsbeamten. Als Grund für die Reduzierung der Todeszahlen um etwa 200 wurde von Seiten Israels behauptet, diese 200 Leichen seien so stark verbrannt, dass eine Identifizierung unmöglich sei.[8] Dies deutet auf die Intensität der israelischen Bombardierung auf die eigene Bevölkerung hin.

Es ist bekannt, dass die israelische Armee in den ersten vier Stunden der Al-Aqsa Flut mit Hubschraubern und Kampfflugzeugen etwa 300 Ziele angriff, von denen die meisten auf israelischem Territorium waren. Am Ende des Tages gab es insgesamt 110 Drohnenangriffe auf etwa 1.000 Ziele, von denen sich ebenfalls die meisten auf israelischem Territorium befanden. Es lässt sich vermuten, dass das israelische Militär für die Mehrheit der Opfer selbst verantwortlich ist. Im November stapelten sich in der israelischen Stadt Netivot, in der Nähe von Gaza, verbrannte PKWs. Diese wurden zerstört, kurz nachdem die Hamas begonnen hatte, Gefangene zu nehmen. Nach Aussagen von Journalisten handelte es sich um 70 solcher Fahrzeuge, die durch israelischen Beschuss in die Luft gesprengt wurden.[9] In einem Interview mit der Haaretz berichtete der israelische Oberst Nof Erez, dass tausende Menschen in Fahrzeugen zwischen Gaza und den israelischen Siedlungen hin- und herfuhren. Einige von ihnen mit Gefangenen und einige ohne. Es sei für die Armee unmöglich gewesen, zwischen Hamas-Kämpfern und Zivilisten zu unterscheiden.[10] 

Es ist auch bekannt, dass in dem Kibbuz Nir Oz, dass besonders viele Opfer verzeichnete (38 Tote und 75 Gefangene), die Hamas-Kämpfer mit enormem bewaffnetem Widerstand durch die Siedler konfrontiert waren. Videos auf israelischen sozialen Netzwerken zeigen, dass sich bewaffnete Siedler in Zivilkleidung an den Kämpfen gegen die Hamas beteiligten. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Eingreiftruppen des Kibbuz, die militärisch ausgebildet sind, aber keine Einheit des Militärs darstellen.[11] D.h. unter den zivilen Opfern befinden sich demnach höchstwahrscheinlich bewaffnete Siedler, die die Hamas-Kämpfer beschossen. In ihrem Dokument Our Narrative … Operation Al-Aqsa-Flut bezieht sich die Hamas auf die bewaffneten Siedler. Dort heißt es:

„Tatsache ist auch, dass israelischer [sic] Siedler in den Siedlungen um Gaza bewaffnet waren und am 7. Oktober mit palästinensischen Kämpfern zusammenstießen. Diese Siedler wurden als Zivilisten registriert, obwohl es sich in Wirklichkeit um bewaffnete Männer handelte, die an der Seite der israelischen Armee kämpften.“[12]

Manche Artikel verweisen darauf, dass am 07. Oktober, neben den Kämpfern der Qasam- und anderer palästinensischer Brigaden, auch zahlreiche „normale“ Palästinenser aus dem Gazastreifen ausbrachen. Es ist möglich, dass sich unter ihnen einige befanden, deren angesammelter Hass auf die Siedler in ungezügelte Gewalt umschlug.[13]

Hannibal-Doktrin

Nachdem 1986 zwei israelische Soldaten im damals besetzten Südlibanon durch die libanesische Widerstandsorganisation Hisbollah gefangengenommen wurden, führte das israelische Militär die sogenannte Hannibal-Doktrin ein. Ursprünglich befahl sie den israelischen Streitkräften, die Gefangennahme von Soldaten um jeden Preis zu verhindern und verfügte, dass im Verlauf einer Gefangennahme die Hauptaufgabe darin bestünde, die israelischen Soldaten zu retten, selbst wenn diese Soldaten dadurch getroffen oder verletzt würden. Nachdem Journalisten diese Doktrin während des Gaza-Kriegs 2014 aufgedeckten, wurde sie angeblich zwei Jahre später widerrufen.[14]

Das Hauptmotiv für die Al-Aqsa Flut war nach Angaben der Hamas, israelische Gefangene zu nehmen, um diese gegen tausende inhaftierte Palästinenser auszutauschen.[15] Die israelischen Streitkräfte verfügten über den offiziellen Befehl, dies mit allen Mitteln zu verhindern. Am 07. Oktober wurde die sogenannte Hannibal-Doktrin, die bisher nur für israelische Soldaten galt, massenhaft gegen Zivilisten angewendet. Die offizielle Anweisung lautete, jeden Versuch der Hamas, Gefangene nach Gaza zu bringen, um jeden Preis zu verhindern.[16]

In einem Interview der Haaretz mit dem israelischen Oberst Nof Erez bestätigte dieser die Anwendung der Hannibal-Doktrin durch die israelische Armee am 07. Oktober.[17] In einer Videoreihe bei YouTube gab ein pensionierter Armeemajor zu, dass Israel wahrscheinlich einige der israelischen Todesopfer selbst getötet hat. Das Interview ist bislang das ranghöchste Eingeständnis, dass Israel die meisten Zivilisten selbst ermordete.[18]

Der Artikel wird im Verlauf detaillierter auf das Vorgehen des israelischen Militärs eingehen.

Beweismaterial

Die internationale Berichterstattung basiert größtenteils auf einem von Israel zusammengeschnittenen Film, den die israelische Regierung lediglich ausgewählten Journalisten zeigte und der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist.[19] Am 23. Oktober wurde die 43-minütige Videozusammenstellung erstmalig 100 internationalen Medienvertretern präsentiert. Der Sprecher der israelischen Armee zog dabei Parallelen zwischen der Hamas und dem IS. Der prominente Journalist Owen Jones vom Guardian, der bei einer dieser Vorführungen anwesend war, sprach davon, dass er zwar brutale Szenen gesehen hätte, aber weder Aufnahmen von enthaupteten Babys noch Folter oder Vergewaltigung zu sehen seien. Owen Jones berichtete weiter, dass ihm und anderen Journalisten zu Beginn der Videovorführung gesagt wurde, dass sie dazu diene, die Journalisten dazu zu ermutigen, ihre Plattformen zu nutzen, um die Angriffe auf Gaza zu verteidigen.[20]

In einem Video berichtet Owen Jones, dass die Hamas-Kämpfer darauf bedacht waren, Munition zu sparen. In dem von Israel zusammengeschnittenem Video sei auch zu sehen, dass die Hamas-Kämpfer zwischen Zivilisten und Soldaten unterschieden.[21]

Rolle der Organisation ZAKA

ZAKA ist eine von dem Massenvergewaltiger Jeffrey Epstein gegründete israelische ultraorthodoxe Organisation zur „Identifizierung von Katastrophenopfern“. ZAKA und rivalisierende Organisationen wie die United Hatzalah setzten Geschichten über Hamas-Kämpfer in die Welt, wie die von geköpften Babys, Föten, die aus den Bäuchen von Frauen geschnitten wurden, einem kleinen Mädchen, dem der Arm abgeschnitten oder einem Baby, dass in einen Backofen gesteckt wurde. Diese IS ähnlichen Erzählungen wurden verbreitet, um damit internationale Medien zu versorgen und Politiker von westlichen Staaten unter Druck zu setzen. Der Nachrichtensender CNN, aber auch Joe Biden, verbreiteten die Geschichte ZAKAs über enthauptete Babys. Allerdings mussten sie diese Behauptung bald wieder zurückziehen (s.u.). Bisher haben nur sehr wenige Nachrichtensender, die sich auf die Verzerrungen und Halbwahrheiten von ZAKA und United Hatzalah stützten, ihre Artikel korrigiert. Am 03. Dezember sagte Yossi Landau von ZAKA, dass jeder, der seine Erzählungen in Frage stellen würde, mit den Hamas-„Terroristen“ zusammenarbeiten würde und getötet werden solle.[22]

Die von ZAKA-Vertretern erfundenen Behauptungen dienen israelischen Politikern als Rechtfertigung für den laufenden Genozid in Gaza. Neben Joe Biden verbreitete auch Anthony Blinken die Geschichten von ZAKA– sie dienen als Rechtfertigung für die US-Waffenlieferungen an Israel.[23]

Nach einem Bericht der linksliberalen israelischen Zeitung Haaretz wurde fahrlässiges Handeln und die Verbreitung von Fehlinformationen offengelegt, nach denen ZAKA gezielt Leichen als Requisiten für bestimmte Bilder genutzt habe. Aus dem Bericht geht hervor, dass es sich bei ZAKA wohlmöglich gar nicht um eine echte Freiwilligenorganisation handele, sondern um eine Tarnorganisation der israelischen Armee. Es wird angenommen, dass ZAKA an der Verschleierung der Ermordung hunderter israelischer Zivilisten durch die israelische Armee beigetragen hat. Haaretz berichtet weiter, dass durch ZAKA Behauptungen verbreitet werden, die nie stattgefunden haben (s.u.).[24]

Die Baby-Story

Laut einem Artikel von Mondoweiss geht die Geschichte der angeblich enthaupteten Babys auf einen Artikel von Bel Trew zurück, ein Reporter der britischen Zeitung The Independent. Trew besichtigte am 10. Oktober das Kibbuz Kfar Aza, um dort Interviews zu führen. In einem dieser Interviews behauptete der israelische Armeemajor David Ben Zion, dass in dem Kibbuz Frauen und Kinder durch Hamas-Kämpfer enthauptet worden wären. Trew selbst schrieb in seinem Artikel, dass der Zeitung The Independent keine Beweise für die Behauptungen von David Ben Zion vorlägen. Am 11. Oktober schrieb der israelische Journalist Oren Ziev, der ebenfalls in dem Kibbuz Kfar Aza war, auch er habe keine Beweise gesehen und auch der Armeesprecher und Kommandeure hätten keine Beweise erwähnt. Er erwähnte zudem, dass auch Soldaten, mit denen er gesprochen hatte, keine „enthaupteten Babys“ erwähnt hatten.[25]

Nachdem Bel Trews Artikel bei i24-Report veröffentlicht wurde, kontaktierte die Nachrichtenagentur Anadolu das israelische Militär und fragte nach den Behauptungen von David Ben Zion. Der Sprecher der israelischen Einheit sagte, dass die Nachrichten bekannt seien, aber dass keine Details oder Bestätigungen vorlägen. Ein französischer Reporter berichtete von einem Gespräch mit zwei Rettungsdiensten, die davon sprachen, dass sie viele Leichen in Kfar Aza einsammelten, aber keine der Behauptungen bestätigen könnten. Ein Moderator bei Sky News, der auf viele Artikel Bezug nahm, die über die angeblichen enthaupteten Babys geschrieben wurden, sagte, dass es keine Beweise gebe und dass das israelische Militär, trotz mehrfacher Bitte, diese nicht bestätigte.[26] Auch in einem Bericht von n-tv wird angemerkt, dass sich die Behauptungen nicht verifizieren lassen. In dem Artikel heißt es, dass laut mehreren Journalisten, die im besagten Kibbuz waren, niemand Soldaten mit derlei Aussagen über enthauptete Babys zitiert habe.[27]

The Grayzone identifiziert denbesagten israelischen Armeemajor David Ben Zion in einem Artikel als einen extremistischen Siedlerführer, der Anfang 2023 im besetzten Westjordanland zu Gewalttaten gegen Palästinenser aufrief. David Ben Zion ist Anführer der Shomron Regional Council, einer Regionalverwaltung von 35 illegalen Siedlungen im Westjordanland. Er forderte 2023 die „Auslöschung“ des palästinensischen Dorfes Huwara. Das Dorf war zu dieser Zeit das Ziel von gewaltvollen Angriffen durch Siedler, die unter Aufsicht von David Ben Zion operierten.[28] 2016 schrieb David Ben Zion bei Facebook, dass das palästinensische Volk ein Feind sei und dass man die „barbarische DNA“ der Palästinenser nicht ändern könne.[29] 2015 wurde ein Foto von David Ben Zion geschossen, wie er für den extremen Siedlerideologen Noam Livnat ein Mikrofon hält. Livnat bezeichnet sich selbst als „rechtsradikalen Messianisten“.[30]

Biden und Netanyahu sprachen beide von Bildern der enthaupteten Babyleichen, die sie selbst gesehen hätten. Später bestätigte das Weiße Haus, dass die Behauptung Bidens, angeblich Fotos gesehen zu haben, falsch war.[31] Nachdem weder das Weiße Haus noch Netanyahus Sprecher die angeblichen Bilder gesehen haben wollten und konstatierten, man habe sich auf Aussagen von Soldaten und Medienberichten bezogen, teilte am 12. Oktober Netanyahu auf X Bilder von verbrannten Babyleichen. Kurz danach twitterte die Jerusalem Post, dass man nun anhand von verifizierten Bildern davon sprechen könne, dass die Berichte über verbrannte und enthauptete Babys im Kibbuz Kfar Ata zutreffen würden.[32] Der Koordinator für strategische Kommunikation des Nationalen Sicherheitsrates der USA antwortete im Weißen Haus auf die Frage, was er von der Authentizität dieser Bilder halte, dass es nicht die Aufgabe der USA sei, diese Bilder zu genehmigen- sie würden vom israelischen Premierminister stammen und somit gäbe es keinen Grund, an ihrer Echtheit zu zweifeln.[33]

Angebliche Massenvergewaltigungen

Am 18. November sendete CNN einen Bericht des Journalisten Jake Tapper, in dem er behauptete, Zeugenaussagen über sexualisierte Gewaltverbrechen an israelischen Frauen zu liefern, die am 07. Oktober stattgefunden hätten.[34] Kurz nach der Veröffentlichung dieses Berichts wurde durch Israel und pro-zionistische Gruppen eine Medienkampagne gestartet. Zeitungen wie die Washington Post stützten ihre Berichtserstattung auf den Bericht von Jake Tapper. Mondoweiss stellt heraus, dass jeder einzelne angebliche Zeuge oder „Experte“ in dem CNN-Bericht als unglaubwürdig einzuschätzen ist, oder Verbindungen zu israelischen Regierungsbeamten und -institutionen hat. Zusätzlich seien alle Zeugen die CNN angeblich gefunden habe, bereits in früheren Berichten der israelischen Regierung aufgetaucht. In Tappers Bericht wird ein israelischer Soldat interviewt, der behauptete, bei der Durchsuchung eines Hauses in einem Kibbuz Leichen von zwei Mädchen im Alter zwischen 13 und 15 gefunden zu haben, die Spuren von sexualisierter Gewalt aufwiesen. Die Überprüfung aller Namen von getöteten Mädchen in dem besagten Kibbuz ergab allerdings, dass keine den Angaben des Soldaten entsprechenden Todesopfer gefunden worden waren.[35]

In dem CNN-Bericht sagt der Polizeikommissar Dudi Katz, dass die israelischen Beamten mehr als 1.000 Aussagen und mehr als 60.000 Videoclips im Zusammenhang mit den Angriffen gesammelt hätten. Katz sagte jedoch, dass den Ermittlern keine Aussagen aus erster Hand vorlägen und unklar sei, ob mutmaßliche Vergewaltigungsopfer überlebt hätten.[36] Für die schreckliche Behauptung, dass Palästinenser sexuelle Gewalt und Vergewaltigung von israelischen Frauen verübt hätten, haben israelische Behörden nur Ausreden, warum sie keine forensischen Beweise liefern können, wie ein Artikel der New York Times zeigt.[37]

The Electronic Intifada stellt heraus, dass kein Opfer solcher Verbrechen identifiziert wurde und keine Videos oder forensischen Beweise vorliegen. Es wird argumentiert, dass es sich bei den Vorwürfen ebenfalls um eine Kampagne handelt, die darauf abzielt, die Palästinenser als Barbaren dazustellen.[38]

Das Nova-Festival

Israel behauptet, die Hamas habe ein geplantes Massaker an über 360 Zivilisten auf dem Nova-Musikfestival verübt. Dabei hätten die Hamas-Kämpfer stundenlang Zeit gehabt, Festivalbesucher zu ermorden, bevor die israelische Armee einschritt. Die Jerusalem Post verbreitete sogar, dass die Hamas den Angriff auf das Festival sorgfältig geplant habe, mit dem Ziel, so viele Zivilisten wie möglich zu ermorden.[39]

Die Haaretz veröffentlichte am 18. Oktober einen Artikel, in dem berichtet wird, dass israelische Ermittler zu dem Schluss kamen, dass die Hamas-Kämpfer wahrscheinlich nichts von dem Festival wussten und dort zufällig landeten, da ihr eigentliche Ziel eine Siedlung und eine Militärbasis waren, die direkt an der Straße des Festival-Standortes liegen.[40] Weiterhin zitiert der Artikel eine Polizeiquelle, laut der die Ermittlungen darauf hinweisen, dass ein israelischer Kampfhubschrauber einige Teilnehmer des Festivals getroffen hatte. The Electronic Intifada repostete ein auf X viral gegangenes Video, auf dem eindeutig zu sehen ist, wie israelische Hubschrauberpiloten auf israelische Zivilisten schießen. Ein Artikel, der von Yoav Zitun, einem Militärkorrespondent von Ynet, veröffentlicht wurde und von The Electronic Intifada ins Englische übersetzt wurde, beweist, dass das israelische Militär wahllos auf palästinensische Kämpfer und israelische Zivilisten schoss. Der Artikel zitiert einen israelischen Kommandeur, laut dem dass das Militär angehalten war, auf alles zu schießen, was im Bereich des Zauns zu sehen war. Nach Angaben der Luftwaffe griffen israelische Hubschrauber und Flugzeuge etwa 300 Ziele an, die zu großen Teilen auf israelischem Territorium lagen.[41] Die israelische Luftwaffe gab zu, dass am 07. Oktober mehr als zwei Dutzend Kampfhubschrauber im Einsatz waren, die eine große Menge Hellfire-Raketen abfeuerten, obwohl die Piloten häufig Hamas-Kämpfer und Zivilisten nicht voneinander unterscheiden konnten.[42]

Nach der Evakuierung des Festivals versuchten die Menschen, das Gelände mit Autos zu verlassen. Die Polizei errichtete jedoch eine Straßensperre, was dazu führte, dass viele Festivalbesucher in der Gegend festsaßen, wo die Kämpfe zwischen der Hamas und der Grenzpolizei ausbrachen. Viele flohen in ihre Autos oder liefen zu Fuß auf ein offenes Feld. Videoaufnahmen zeigen wie israelische Polizeieinheiten auf das offene Feld in die Bäume schießen, in denen Festivalbesucher Deckung gesucht hatten.[43]

Israels Massaker in Be’eri

U.a. Naftali Bennett verbreitete die Geschichte, dass die Hamas das kleine Mädchen Liel Hetzroni aus dem Kibbuz Be’eri ermordeten und anschließend ihr Wohnhaus in Brand steckten. Liel diente Israel für eine weitere PR-Kampagne gegen die Hamas. Nach Aussagen eines israelischen Augenzeugen (s.u.) wurde das Mädchen sowie mehrere ihrer Nachbarn durch israelische Panzergranaten getötet.[44]

Ein Mitglied des Sicherheitsteams des Kibbuz Be’eri berichtete der Haaretz, dass die Kommandeure vor Ort die Entscheidung trafen, Häuser zu beschießen, um die Hamas-Kämpfer und ihre Gefangenen zu eliminieren. In einem anderen Bericht heißt es, dass die israelische Luftwaffe gezwungen gewesen sei, Angriffe auf das Kibbuz zu fordern. Laut der Haaretz konnte die israelische Armee erst wieder die Kontrolle über Be’eri herstellen, nachdem sie die Wohnhäuser beschossen hatte. Bei dem Kreuzfeuer wurden mindestens 112 Einwohner getötet.[45] In einem Interview erinnert sich ein Panzerbataillonskommandeur daran, dass er nach seiner Ankunft im Kibbuz den Befehl erhielt, eine Granate auf ein Haus abzufeuern.[46] Der israelische Fernsehsender Channel 12 veröffentlichte ein Video, dass einen israelischen Panzer zeigt, der auf ein Wohnhaus in der Siedlung schießt.[47]

The Electronic Intifada veröffentlichte ein Interview mit Yasmin Porat, einer Überlebenden aus dem Kibbuz. Sie berichtet, dass zweifellos israelische Zivilisten durch eigene Sicherheitskräfte getötet worden seien.[48] Die 44-jährige Porat ist eine von zwei Israelis, die den Vorfall überlebten. Sie blieb gemeinsam mit dem kleinem Mädchen Liel Hetzroni und anderen Gefangenen für mehrere Stunden in einem Wohnhaus. Sie berichtete, dass die Hamas-Kämpfer sie menschlich behandelten und bestätigte, dass die Kämpfer vorhatten, sie nach Gaza zu bringen und ihr versicherten, dass keine Gefahr bestünde, getötet zu werden. Porat enthüllte in dem Interview, dass israelische Streitkräfte bei ihrem Eintreffen jeden eliminierten, einschließlich der Gefangenen – darunter auch Liel Hetzroni.[49]

Der Oberst Nof Erez bestätigte der Haaretz, dass die israelische Luftwaffe mehre Häuser in den Kibbuzen in die Luft sprengte. Er berichtete in dem Interview weiter, dass die Piloten auf die Anweisung von lokalen israelischen Milizen angewiesen waren, die versuchten, palästinensische Kämpfer zu stoppen. Die Milizen gaben den Piloten offenbar die Anweisung, auf welche Häuser sie schießen sollten –auf Kosten von israelischen Gefangenen.[50]

In dem Kibbuz Sderot ereigneten sich ähnliche Bilder wie in Be’erei. In Sderot hatten Hamas-Kämpfer die Kontrolle über die örtliche Polizeistation übernommen. Das israelische Militär feuerte Panzergranaten ab.[51]

Fazit

Israel versucht mit allen Mitteln, in den Medien ein Bild der Hamas zu erzeugen, was sie als grauenvolle und skrupellose Mörder und Vergewaltiger darstellt – oder in den Worten des israelischen Verteidigungsministers, als „menschliche Tiere“. Durch diese Entmenschlichung der Palästinenser und des palästinensischen Widerstandes soll eine Rechtfertigung für ihre systematische und massenweise Ermordung durch Israel hergestellt werden.

Obwohl überall in der Öffentlichkeit mit großer Selbstverständlichkeit die Narrative Israels reproduziert werden, gibt es für sie bisher keine verifizierten Beweise. Im Gegenteil: viele Horror-Geschichten stellen sich als Lügen heraus, die von keinen israelischen Beamten oder Rettungskräften bestätigt werden können. Israel verhindert eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse am 07. Oktober und die einzigen existierenden ‚Quellen‘ werden von Israel selbst geliefert.

Das Ziel der Al-Aqsa Flut war für die Hamas Gefangene zu nehmen, die in dem asymmetrischen Krieg des palästinensischen Widerstands als Verhandlungsmasse gegen den Gegner von enormer Bedeutung sind. Genau aus diesem Grund hat die israelische Besatzungsarmee mit allen Mittel versucht, Geiselnahmen zu verhindern und dafür die sogenannte Hannibal-Doktrin massenhaft gegen Zivilisten angewandt. Es verdichten sich die Hinweise, dass durch die Anwendung dieser Doktrin die Besatzungsmacht selbst für einen Großteil der zivilen Opfer verantwortlich ist und die Hamas, wenn überhaupt, versehentlich Zivilisten in Kreuzfeuern traf. Darin mag einer der Gründe liegen, weshalb Israel mit allen Mitteln versucht, eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse zu verhindern.

Es ist unplausibel anzunehmen, die Hamas hätte die israelischen Grenzanlagen nur durchbrochen, um Gräueltaten zu verrichten. Dieses Narrativ erscheint lediglich plausibel aus einer Perspektive, die annimmt, der palästinensische Widerstand sei schlecht organisiert und undiszipliniert, oder es handele sich bei ihnen gar um „menschliche Tiere“.

Wir lassen uns von ihren Lügen nicht einschüchtern!

Es lebe der palästinensische Widerstand!

Hoch die internationale Solidarität!


[1] https://occupiednews.com/7-oktober-hamas-angriff/

[2] https://electronicintifada.net/content/worse-isis-debunking-israeli-propaganda/38941

[3] https://www.presstv.ir/Detail/2024/02/04/719477/israeli-reservist-peddles-lies-about-hamas-sexual-violence-gets-away

[4] https://kommunistische-organisation.de/artikel/widersprueche-in-der-palaestinasolidaritaet/

[5] https://magma-magazin.su/2024/01/uebersetzungsdienst/unsere-sicht-der-operation-al-aqsa-flut/

[6] https://kommunistische-organisation.de/artikel/15-gaengige-mythen-ueber-die-hamas-und-wieso-wir-gegen-ihr-verbot-kaempfen-muessen/

[7]https://electronicintifada.net/blogs/asa-winstanley/we-blew-israeli-houses-7-october-says-israeli-colonel

[8] https://occupiednews.com/7-oktober-hamas-angriff/

[9]https://electronicintifada.net/blogs/asa-winstanley/israeli-hq-ordered-troops-shoot-israeli-captives-7-october

[10]https://electronicintifada.net/blogs/asa-winstanley/we-blew-israeli-houses-7-october-says-israeli-colonel

[11] https://occupiednews.com/7-oktober-hamas-angriff/

[12] https://magma-magazin.su/2024/01/uebersetzungsdienst/unsere-sicht-der-operation-al-aqsa-flut/

[13] https://kommunistische-organisation.de/artikel/15-gaengige-mythen-ueber-die-hamas-und-wieso-wir-gegen-ihr-verbot-kaempfen-muessen/

[14] https://electronicintifada.net/blogs/asa-winstanley/israeli-hq-ordered-troops-shoot-israeli-captives-7-october

[15] https://magma-magazin.su/2024/01/uebersetzungsdienst/unsere-sicht-der-operation-al-aqsa-flut/

[16] https://thecradle.co/articles/how-israeli-forces-trapped-and-killed-ravers-at-the-nova-festival

[17] https://electronicintifada.net/blogs/asa-winstanley/we-blew-israeli-houses-7-october-says-israeli-colonel

[18] https://electronicintifada.net/content/evidence-israel-killed-its-own-citizens-7-october/41156

[19] https://occupiednews.com/7-oktober-hamas-angriff/

[20] https://thecradle.co/articles/israels-43-minute-hamas-atrocity-video-exposed

[21] https://www.youtube.com/watch?v=mc5iG3DX7ho&t=115s

[22] https://thegrayzone.com/2023/12/06/scandal-israeli-october-7-fabrications/

[23] https://thecradle.co/articles/zaka-israels-very-own-white-helmets

[24] https://www.haaretz.com/israel-news/2024-01-31/ty-article-magazine/.premium/death-and-donations-did-the-volunteer-group-handling-the-october-7-dead-exploit-its-role/0000018d-5a73-d997-adff-df7bdb670000

[25] https://mondoweiss.net/2023/10/there-is-no-proof-palestinian-fighters-beheaded-babies-the-only-source-is-a-radical-settler/

[26]https://www.aa.com.tr/en/middle-east/despite-refutations-from-israeli-military-headlines-that-hamas-beheaded-babies-persist/3016167

[27] https://www.n-tv.de/politik/Das-wissen-wir-ueber-die-enthaupteten-Babys-article24460979.html

[28] https://thegrayzone.com/2023/10/11/beheaded-israeli-babies-settler-wipe-out-palestinian/

[29] https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=pfbid0226imBi4j9VHAXPKYABHyy9iHvkZKHvExgLZ98zqZ7qCBqDtAWRNQTk8g3UVKeZDl&id=100000129321380

[30] https://thegrayzone.com/2023/10/11/beheaded-israeli-babies-settler-wipe-out-palestinian/

[31] https://electronicintifada.net/blogs/ali-abunimah/biden-lied-about-seeing-photos-beheaded-israeli-children

[32] https://politik.watson.de/international/israel/714977106-israel-krieg-hat-die-hamas-babys-gekoepft-neue-details-um-schreckliche-vorwuerfe

[33] https://www.youtube.com/watch?v=Tq6BB3wKpRE

[34] https://edition.cnn.com/videos/world/2023/11/16/the-lead-israel-investigates-sexual-violence-claims-on-october-7-jake-tapper.cnn

[35] https://mondoweiss.net/2023/12/cnn-report-claiming-sexual-violence-on-october-7-relied-on-non-credible-witnesses-some-with-undisclosed-ties-to-israeli-govt/

[36] https://edition.cnn.com/2023/11/17/world/israel-investigates-sexual-violence-hamas/index.html

[37] https://www.timesofisrael.com/amid-war-and-urgent-need-to-id-bodies-evidence-of-hamass-october-7-rapes-slips-away/

[38] https://electronicintifada.net/blogs/ali-abunimah/watch-debunking-israels-mass-rape-propaganda

[39] https://thecradle.co/articles/how-israeli-forces-trapped-and-killed-ravers-at-the-nova-festival

[40]https://www.haaretz.com/israel-news/2023-11-18/ty-article/.premium/israeli-security-establishment-hamas-likely-didnt-have-prior-knowledge-of-nova-festival/0000018b-e2ee-d168-a3ef-f7fe8ca20000

[41]https://electronicintifada.net/blogs/ali-abunimah/shoot-everything-how-israeli-pilots-killed-their-own-civilians

[42]https://electronicintifada.net/blogs/ali-abunimah/israeli-helicopter-shot-civilians-7-october-rave-police-find

[43]https://thecradle.co/articles/how-israeli-forces-trapped-and-killed-ravers-at-the-nova-festival

[44]https://thegrayzone.com/2023/11/25/israels-october-7-propaganda-tank-eyewitnesses/

[45]https://thegrayzone.com/2023/10/27/israels-military-shelled-burning-tanks-helicopters/

[46]https://thegrayzone.com/2023/11/27/israeli-tank-orders-fire-kibbutz/

[47]https://electronicintifada.net/content/israeli-general-killed-israelis-7-october-then-lied-about-it/43176

[48]https://electronicintifada.net/content/israeli-forces-shot-their-own-civilians-kibbutz-survivor-says/38861

[49]https://thecradle.co/articles/was-october-7th-a-hamas-or-israeli-massacre

[50]https://electronicintifada.net/blogs/asa-winstanley/we-blew-israeli-houses-7-october-says-israeli-colonel

[51]https://dohanews.co/israel-admits-killing-its-own-people-at-music-festival-on-october-7/

Aktionsbericht „Hände weg vom Jemen“

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Am 23.2. hat der Bundestag den Kriegseinsatz im Roten Meer beschlossen. Bis zu 700 Bundeswehrsoldaten sollen im nächsten Jahr im Roten Meer stationiert werden können. Was Freitag beschlossen wurde, wurde schon vor ein paar Wochen praktisch umgesetzt. Anfang Februar stach die Bundeswehr-Fregatte „Hessen“ aus Wilhelmshaven ins Rote Meer. Ein Schritt mehr in der deutschen Unterstützung des Völkermords in Palästina. Ein Kriegseinsatz, der weitgehend unbeachtet anlaufen konnte. Deshalb haben wir unseren Protest zu diesem Kriegseinsatz auf die Straße getragen. Wir waren laut und haben ein Zeichen gesetzt, für die Solidarität mit dem Jemen, der versucht, den Genozid zu stoppen.

Sowohl in Berlin als auch in Leipzig waren wir letzte Woche unter dem Titel „Hände weg vom Jemen! Stoppt den Kriegseinsatz! Stoppt den Völkermord!“ auf der Straße. Unsere Kundgebungen waren laut und stark – aber sie hätten deutlich größer sein müssen! Einmal mehr spürt man die Ignoranz und Verhetzung in großen Teilen der deutschen Bevölkerung. Kriegseinsatz – kein Aufschrei. In Leipzig versuchten wir uns vor allem an die Passanten zu richten, verteilten viele Stellungnahmen – viele Vorbeilaufende machten keinen Hehl daraus, dass sie sich nicht für den Völkermord interessieren. Etwas offener waren jüngere Menschen. Vor allem bei migrantischen Leipzigern kam die Kundgebung jedoch gut an.

In Berlin gab es eine kurze Störung durch zwei Personen, vermutlich Zionisten. Als Demonstrationsteilnehmerinnen daraufhin Anzeige wegen Beleidigung erstatten wollten, stellte sich die Polizei erst quer. Sie zeigte einmal mehr auf wessen Seite sie steht. Während sie die Störer ziehen lies, kam ganz schnell Verstärkung, als die propalästinensischen Demoteilnehmerinnen sich lautstark bei der Polizei beschwerten. Es kam jedoch nicht zu Eskalation und die Kundgebung konnte fortgesetzt werden.

In Leipzig beteiligte sich die Leipziger Palästina-Gruppe Handala an unserer Kundgebung, in Berlin beteiligten sich sowohl Palästinagruppen (Eye4palestine, Nakba75) als auch Aktive der Friedenskoordination (Friko) Berlin. Gegner der deutschen Aufrüstung und Kriegstreiberei müssen sich mit der Bewegung für Palästina und einem Ende des Völkermords zusammenschließen. Insbesondere die Kräfte der Friedensbewegung, Gewerkschafter, Gegner des NATO-Krieges in der Ukraine und Antiimperialisten müssten sich viel stärker an die Seite für die Freiheit Palästinas stellen. Der Kriegseinsatz der BRD im Roten Meer zeigt uns das mit aller Deutlichkeit. Die deutsche Aufrüstungs- und Kriegspolitik die wir tagtäglich erleben, der NATO-Krieg gegen Russland und der Völkermord in Palästina sind verschiedene Seiten der imperialistischen Politik. Es ist eine politische Aufgabe der Stunde die verschiedenen Kräfte zu einer stärkeren Antikriegsbewegung zu formieren.

Der deutsche Kriegseinsatz im Jemen darf nicht stillschweigend hingenommen werden!

Wir dokumentieren im Folgenden unsere Reden der Kundgebungen:

Rede 1

Deutschland führt Krieg. Gestern hat der Bundestag einen Kriegseinsatz der deutschen Marine im Roten Meer beschlossen. Von 573 Parlamentariern haben nur 31 dagegen gestimmt. Doch das war sowieso nur noch Formalia. Schon vor knapp zwei Wochen ist die Bundeswehr Fregatte Hessen – eines der stärksten Kriegsschiffe Deutschlands -in Wilhelmshaven Richtung Rotes Meer, Richtung Jemen, ausgelaufen. Der deutsche Marinechef sagt, dies solle der „ernsthafteste Einsatz seit Jahrzehnten“ werden.

Ein neuer deutscher Kriegseinsatz, der einfach mal so durchgewunken wird. Der keinen Aufschrei und keine Fragen auslöst – dass Deutschland Krieg führt, scheint Normalzustand zu werden. Ein Normalzustand, den wir nicht hinnehmen. Gegen den wir laut sein müssen und gemeinsam auf die Straße gehen. Danke, dass ihr da seid!

Die USA und Großbritannien haben bereits Ziele im Jemen bombardiert. Doch warum führt der Westen Krieg gegen den Jemen, eines der ärmsten Länder der Welt?

Israel bombardiert Gaza. Es begeht Völkermord in Palästina. Das wäre nicht möglich ohne westliche Rückendeckung und Unterstützung. Weltweit sind Million von Menschen auf der Straße, um gegen die israelische Besatzung und Bombardierung von Palästina aufzustehen.

Der Jemen steht hinter Palästina. Deswegen wird nun Krieg gegen ihn geführt.

In Sanaa, der Hauptstadt des Jemens, protestieren regelmäßig mehr als eine Million Menschen. Denn die Menschen im Jemen wissen, was Besatzung, Bombardierung und Völkermord bedeuten: Seit 2015 führt Saudi-Arabien mit US-amerikanischer Unterstützung Krieg im Jemen. Fast 400 000 Menschen wurden dabei getötet. Über 85 000 Kinder verhungerten durch die Blockade des Landes. Und es kam zur schlimmsten bisher erfassten Cholera-Epidemie.

Der Jemen steht hinter Palästina. Und wir stehen hinter dem Jemen.

Seit November stoppen die jemenitischen Streitkräfte der Ansarallah, hier auch oft Huthis genannt, Schiffe, die mit Israel in Verbindung stehen. Sie wollen die Belieferung von Waffen verhindern und Israel unter Druck setzen, den Völkermord zu stoppen. Große Reedereien müssen lange Umwege fahren. Das kostet Geld und der Westen hat Sorge, dass seine Profite schwinden. Nicht umsonst trägt der US-Kriegseinsatz im Roten Meer den `schönen` Namen „Prosperity Guardian“, Wächter des Wohlstandes. Der EU Einsatz, an dem sich Deutschland beteiligt, heißt „Aspides“ – Schutzschild. Welcher Wohlstand dort geschützt werden soll wissen wir. Der Wohlstand, der auf der Ausbeutung und dem Blut der Unterdrückten dieser Erde baut.

Der Widerstand des Jemens ist erfolgreich. Er erschüttert die Weltwirtschaft. Er zeigt wie verwundbar die westliche Unterdrückung, Ausbeutung und Besatzung sind und gerade deswegen soll jetzt erneut Krieg gegen das Land geführt werden.

Wir senden den Menschen im Jemen unsere Kraft, Unterstützung und Solidarität!

Die am meisten unterdrückten Völker dieser Erde haben uns in letzter Zeit sehr deutlich gezeigt, dass Unmögliches möglich ist. Dass sie die Unterdrückung nicht mehr hinnehmen. Wie stark sie sind. Das Mindeste, was wir tun können, ist unsere Solidarität zu zeigen.

Der Jemen zwingt alle Länder, ihre Maske fallen zu lassen und zu zeigen, wo sie stehen: Entweder auf der Seite der Besatzung und des Völkermordes oder auf der Seite des Widerstands für ein Ende der Bombardierung und Unterdrückung. Das was der Jemen macht, wird als Terror dargestellt. Aber: Der Terrorist ist nicht der Jemen, der Terror wird von Israel begangen und das seit über 75 Jahren! Der Jemen versucht, den israelischen Völkermord in Palästina zu verhindern. Das ist gelebtes Völkerrecht!

1948 – ein ironisches Datum – verabschiedete die UN die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes. Das Datum zeigt, für wen dieses Völkerrecht gedacht war und für wen nicht. Doch nun werden wir es für uns nutzen.

Kürzlich hat Südafrika Israel vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt. Das Urteil wird in

Deutschland heruntergespielt – dochder Gerichtshof hat entschieden, dass plausible Schlüsse

vorliegen, die Israel des Völkermordes beschuldigen. Israel steht also vor Gericht. Nicht ohne Grund will die deutsche Presse das verheimlichen.

Gestern wurde auch aus Berlin gegen die deutsche Bundesregierung Anzeige erhoben, wegen Beihilfe zum Völkermord. Sie dürfen sich nicht mehr sicher fühlen mit ihren Kriegsverbrechen.

Auch die Regierung Nicaraguas hat kürzlich angekündigt, Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord zur Rechenschaft zu ziehen. Die Konvention, die ich erwähnt habe, verpflichtet nämlich alle beigetretenen Staaten dazu, Völkermord zu verhindern und zu bestrafen. Das tut der Jemen. Der Jemen ist im Recht.

Deutschland nicht. Denn was tut Deutschland ? Es steht klar an der Seite Israels und zeigt, was es vom Völkerrecht hält: Nämlich gar nichts, wenn es den eigenen Interessen widerspricht. Der deutsche Kriegseinsatz gegen den Jemen wird als Selbstverteidigung gelabelt. Doch was verteidigt Deutschland? Deutschland verteidigt seine Profite. Deutschland verteidigt seine Militärpräsenz im Roten Meer. Und Deutschland verteidigt den Völkermord in Palästina.

Das werden wir nicht stillschweigend hinnehmen. Wir stehen hinter Palästina, wir stehen hinter seinem Kampf gegen Unterdrückung und Besatzung, wir stehen hinter dem Jemen! Wir rufen alle auf, nicht wegzuschauen, nicht stumm zu bleiben:

Die Bundeswehr hat im Roten Meer nichts zu suchen! Stoppt den Kriegseinsatz!

Stoppt den Genozid in Palästina!

Rede 2

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Leipziger,

wo soll man nur anfangen in diesen Zeiten, in denen sich deutsche Politiker und deutsche Medien mit Lügen, Rassismus und Kriegseifer nur so überschlagen? In was für einer Welt leben wir eigentlich, in der ernsthaft (!) die verbrecherischen Angriffe Israels auf Krankenhäuser, Schulen,

religiöse Einrichtungen, Krankenwagen, Kinder und Babys gerechtfertigt werden?

Deutschland ist nicht einfach nur Unterstützer des Völkermordes an den Palästinensern. Es ist ein gemeinsamer Völkermord, der von Israel, den USA, Deutschland und weiteren westlichen Verbündeten begangen wird. Es ist ihr gemeinsames Verbrechen!

Deutschland, die USA und andere bekämpfen alle, die sich gegen dieses Verbrechen stellen, so nun auch den Jemen. Dies ist auch der Grund, warum heute hier sind: Im Roten Meer beginnt Deutschland nun einen Kriegseinsatz gegen den Jemen – an der Seite der USA und Großbritanniens.

Wir sagen unmissverständlich: Nein zum Kriegseinsatz! Bundeswehr raus dem Roten Meer!

Doch ich will auch über das sprechen, was wir gerade IN Deutschland erleben:

Die Repression durch Polizei und Justiz, die Hetze in den Medien ist nicht neu. Schon seit Februar 2022 erleben Kriegsgegner massive Anfeindung und Repression. Alle, die sich gegen den Kriegskurs der NATO in Osteuropa und der Ukraine gestellt haben, wurden diffamiert. Aber das Ausmaß der Repression, der rechtlichen Strafen und der staatlichen Gewalt hat sich seit Oktober enorm verschärft. Das, was wir gerade erleben, ist die „Zeitenwende“, die Olaf Scholz vor knapp zwei Jahren eingeläutet hat: Deutschland muss für die Durchsetzung seiner imperialistischen Interessen wieder Krieg führen und daher müssen wir „kriegstüchtig“ und „wehrhaft“ werden, wie es von Politikern heißt. Und für Krieg nach außen braucht es Ruhe an der „Heimatfront“.

Zeitenwende, das meint die verstärkte Kriegspropaganda und die Normalisierung von Kriegsverbrechen: Im Oktober war es noch ein Schock, als ein Krankenhaus in Gaza bombardiert wurde, mittlerweile wurden alle Krankenhäuser in Gaza bombardiert und die deutschen Medien und Politiker finden weiterhin schamlos Rechtfertigungen dafür. Die deutsche Bevölkerung soll an diese Gräueltaten und Kriegsverbrechen gewöhnt werden. Gleichzeitig werden alle bekämpft, die sich gegen den Kriegskurs stellen: Kundgebungen werden verboten, die Redefreiheit wird massiv beschnitten. Organisationen wie Samidoun oder Hamas wurden verboten – und man muss sich fragen, wer als nächstes an der Reihe ist?

Zeitenwende, das meint auch die Verhetzung gegen die Teile der Gesellschaft, die potentiell oder tatsächlich nicht in die `Volksgemeinschaft´ für den Krieg passen: Migranten, insbesondere Araber und Muslime, Russen und Chinesen aber auch Arbeitslose und Kriegsgegner werden zu Fremdkörpern deklariert und zu Feindbildern gemacht. Und nein, das macht nicht nur die AfD. Diesen ekelhaften Rassismus und Chauvinismus haben Habeck, Baerbock, Lindner und Co. alle drauf – sie sprechen von „importiertem Antisemitismus“, hetzen gegen Hartz-IV-Empfänger und wollen wie Scholz „endlich im großen Stil abschieben“. Dieser Rassismus und Chauvinismus erfüllt den Zweck, die Durchsetzung des Kriegskurses zu erleichtern.

Zeitenwende heißt auch massive Verarmung und eine Senkung unseres Lebensstandards, den wir wohl alle spüren. Die Energiepreise sind stark gestiegen, die Lebensmittelpreise sowieso und steigen noch weiter – letzte Woche wurde erst berichtet, dass sich die Leute hier immer weniger Obst und Gemüse kaufen. Normale Versorgung mit den Grundbedürfnissen einer menschlichen Existenz wird zunehmend zum Luxus, den sich viele nicht mehr leisten können.

Und zuletzt meint Zeitenwende natürlich die militärische Aufrüstung im Rekordtempo: Politiker fordern eben mal so, dass die EU Atomwaffen besitzen soll oder das Sondervermögen für die Bundeswehr auf 300 Milliarden erhöht werden soll – ganz zu schweigen von der Wiedereinführung der Wehrpflicht, die immer wieder zur Sprache kommt.

Und als was wird uns die Zeitenwende verkauft?

Natürlich als notwendige Maßnahme zur „Verteidigung“. Uns wird Angst gemacht: Angst damit, dass Russland, China oder der Iran Europa angreifen, dass die vermeintlich guten „Demokratien“ im Westen von den bösen „Autokratien“ oder dem „islamistischen Terror“ geschützt werden müssen. Eine absurde Verdrehung der Realität!

Die Politiker warnen: „Die regelbasierte Ordnung ist in Gefahr!“ Welche Ordnung meinen sie damit?

Meinen sie die Ordnung, in der Rentner Pfandflaschen sammeln, weil die Rente nicht reicht? Meinen Sie die Ordnung, in der jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut betroffen ist? Meinen sie die Ordnung, dass nicht deutsch Aussehende auf der Sonnenallee in Berlin, an deutschen Universitäten oder anderswo rassistisch diskriminiert werden, weil es sein könnte, dass sie sich gegen einen Genozid einsetzen wollen? Wenn diese Ordnung in Gefahr ist, dann kann man das nur begrüßen!

Nein, sie meinen die Ordnung, in der der Westen dem Rest der Welt seine Regeln diktieren und den globalen Süden ausplündern kann. Und diese Ordnung ist tatsächlich in Gefahr – zum Glück!

Im Roten Meer soll diese neokoloniale Ordnung nun auch militärisch aufrecht erhalten werden: Der europäische Kriegseinsatz im Roten Meer heißt „Aspides“ – Schutzschild. Der Name des US- amerikanischen Einsatzes „Prosperity Guardian“ verrät deutlich, was hier geschützt und verteidigt wird: Es geht um den Schutz des Wohlstands der Millionäre und Milliardäre und der Profite der westlichen Banken und Konzerne.

In der Berichterstattung versuchen Politiker und Presse die Bevölkerung für ihre Kriegspolitik zu gewinnen: Sie machen die jemenitischen Ansarallah für die Verteuerung von Gütern und Lebensmitteln verantwortlich – genauso wie sie Putin für die gestiegenen Energiepreise verantwortlich gemacht haben, obwohl die Inflationsrate bereits lange vor Februar 2022 stark angestiegen war. Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen: Es sind die großen Monopole wie Lidl und Co, die die Preise erhöhen und deren Profite sich vervielfachen. Es ist die Rüstungsindustrie wie Rheinmetall, in die ohne Ende Geld gepumpt wird und die goldene Zeiten erleben, während wir uns im Extremfall zwischen Heizen und Essen entscheiden sollen.

Wir sehen also: Wenn die Politik von der Verteidigung der regelbasierten Ordnung spricht, dann spricht sie von ihrer Vormachtstellung in der Welt. Israel ist Vorposten dieser imperialistischen Ordnung in Westasien, ein unsinkbarer Flugzeugträger des westlichen Imperialismus. Israel ist immer nützlich dazu gewesen, die Spaltung in der arabischen Welt durchzusetzen – eine Politik, die vorrangig von Großbritannien und den USA in die Region getragen wurde. Israels Interessen und die des Westens sind eng verflochten. Und genau deswegen wird Israel jetzt dabei unterstützt, einen Genozid in Palästina zu verüben. Die Solidarität mit dem Kampf Palästinas weltweit ist enorm. Sie zeigt, wie viele Millionen Menschen diese brutale Realität der imperialistischen Politik erkennen und sich mutig dagegenstellen. Es ist kein Wunder, dass Südafrika die Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof führt. Südafrika, ein Land, in dem der Westen über Jahrhunderte koloniale Verbrechen begangen hat und einen rassistischen Apartheidsstaat aufgebaut hat. Biden, Blinken, Netanyahu, Baerbock, Habeck, Scholz und Co. können sich nicht länger verstecken. Ihre verzweifelten Versuche den anhaltenden Völkermord zu legitimieren werden scheitern! Die gesamte Weltöffentlichkeit sieht den Völkermord in Palästina und kennt die Verantwortlichen. Sie werden von den Völkern der Welt dafür früher oder später zur Rechenschaft gezogen werden. Sich das klar zu machen, ist angesichts der vielleicht oft gefühlten Ohnmacht hier in Deutschland sehr wichtig! Momentan bewegt sich wenig, aber das kann sich sehr schnell ändern.

Wir sind nicht allein, wir sind nicht wenige!

Wir sind viele, weltweit sind wir in der Mehrheit!

Unsere Aufgabe hier in Deutschland ist es, nicht zu schweigen, sondern aufzustehen, mehr zu werden, uns zu organisieren und uns klar gegen den deutschen Kriegskurs und die deutsche Unterstützung des Genozids zu stellen:

Stoppt den Genozid in Gaza!

Stoppt den Kriegseinsatz im Roten Meer!

Hoch die internationale Solidarität!

Free, Free Palestine!

Rede 3

Ich werde einen kurzen Überblick über einige Verbrechen des Westens gegen das jemenitische Volk geben. Zu Beginn möchte ich jedoch auf eine kürzlich ausgestrahlte Folge des US-amerikanischen Podcasts The Daily der New York Times mit dem Titel „Was die Houthis wirklich wollen“ hinweisen. Ich war neugierig zu hören, wie sie ihre Argumente gegen die anhaltende Blockade der Ansarallah gegen den laufenden Völkermord im Gazastreifen vorbringen würden. Wie würde diese Medienorganisation, die bisher alle „humanitäre Interventionen“ oder Wirtschaftsblockaden der USA mit Beifall unterstützt hat oder mit Lügen bereichert hat, die Aktionen des Jemens ablehnen? Wie sich herausstellte, hatten sie nicht den Mut, die humanitären Ziele der Ansarallah direkt in Frage zu stellen. Übrigens übernimmt die New York Times, wie alle westlichen Medien, die Feindbezeichnung „Houthi“ für die Ansarallah (Die Helfer Gottes), um die nationale und universalistische Reichweite ihres Projekts auf den Stammesnamen ihres ermordeten Gründers zu reduzieren.

Wenn die Tageszeitung nicht in der Lage war, die Rechtmäßigkeit der Blockade Ansarallahs direkt in Frage zu stellen, was sollte ihr sonst einfallen, um die westliche Intervention und die Repressalien gegen ihre Blockade zu rechtfertigen? Die New York Times stellt fest, dass die „Houthis“ einen Hintergedanken haben müssen – es gehe ihnen gar nicht um echte Solidarität mit Palästina, sondern darum, von den „eigenen“ Problemen im Land abzulenken.

Die New York Times geht nicht auf die Frage ein, warum die mutigen Aktionen von Ansarallah zur Unterstützung der palästinensischen Sache bei der jemenitischen Bevölkerung so beliebt und so eng mit ihren eigenen Kämpfen verbunden sind. Die Tatsache, dass der Jemen seit 2015 das Ziel einer Bombenkampagne und völkermörderischen Blockade durch eine von Saudi-Arabien geführte Koalition arabischer Königreiche ist, die durch die materielle und politische Unterstützung der USA, des Vereinigten Königreichs und anderer NATO-Länder in vollem Umfang ermöglicht wurde, wird nicht erwähnt. Der Krieg hat den Jemen in die schlimmste humanitäre Krise der Welt verwandelt, bis zu der, die Gaza in letzter Zeit heimgesucht hat.

Die wahllosen und gezielten Bombardierungen der jemenitischen Zivilbevölkerung auf Märkten, in Schulen, Krankenhäusern, auf Hochzeiten und Beerdigungen durch Saudi-Arabien erfolgten auf der Grundlage US-amerikanischer und britischer Geheimdienstinformationen. Aus Flugzeugen, die von in den USA und im Vereinigten Königreich ausgebildeten Piloten geflogen wurden. Flugzeuge, die vom militärisch-industriellen Komplex der USA und der NATO gebaut, bewaffnet, repariert und in der Luft aufgetankt wurden. Bis 2019 konnten fast 9000 zivile Todesopfer dem direkten Angriff auf zivile Versammlungen und Gebäude durch Luftangriffe der Koalition zugeschrieben werden. Der im Namen einer von Saudi-Arabien ernannten jemenitischen Exilregierung geführte Krieg, der in der jemenitischen Bevölkerung so gut wie keine Unterstützung findet, hat knapp 400.000 Menschenleben gefordert.

Aber das jemenitische Volk wurde nicht nur mit Kugeln und Bomben angegriffen. Die Auswirkungen der fast zehnjährigen Blockade Jemens durch Saudi-Arabien, die von den USA mit Logistik und Geheimdienstinformationen sowie mit Schiffen der eigenen Marine unterstützt wurde, waren vorhersehbar. Der Jemen, der vor der Blockade 90 % seines Bedarfs an Lebensmitteln, Treibstoff und Medikamenten importierte, wurde systematisch ausgehungert, während sich Krankheiten ungehindert ausbreiten konnten. Bis 2020 schätzten die Vereinten Nationen 130.000 Kriegstote, die auf indirekte Ursachen wie fehlende Nahrungsmittel, Gesundheitsdienste und Infrastruktur zurückzuführen sind. 4,5 Millionen Menschen wurden aus ihren Häusern vertrieben und 17 Millionen in akute Hungersnot getrieben. Mindestens 85.000 Kinder unter 5 Jahren sind im Jemen seit Beginn des Krieges im Jahr 2014 verhungert. Zwar herrscht seit April 2022 ein unruhiger Waffenstillstand, der mit einer Lockerung der Blockade einherging, doch aufgrund komplizierter Inspektionsverfahren und Flugbeschränkungen haben die Jemeniten noch immer keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung und Nahrungsmitteln. Die kürzlich von den USA vorgenommene Einstufung der Ansarallah als terroristische Vereinigung und die Verhängung von Sanktionen werden die anhaltende humanitäre Krise wahrscheinlich noch verschärfen.

Deutschland hat im Januar die direkten Waffenlieferungen an Saudi-Arabien wieder aufgenommen und damit eine fünfjährige Lieferpause beendet, als Belohnung für die Zusammenarbeit nach dem 7. Oktober. Die USA haben ihre Waffenlieferungen an die Saudis nie eingestellt, nachdem sie auf dem Höhepunkt des Konflikts ein zehnjähriges Waffengeschäft im Wert von 350 Milliarden Dollar mit ihnen abgeschlossen hatten. Als sie in einem UN-Bericht mit ihrer Mitschuld an Kriegsverbrechen konfrontiert wurden, erklärten westliche Politiker, dass sie durch ihre Beteiligung am Krieg mehr Kontrolle darüber hätten, wie human der Krieg geführt wurde (Kommt euch das bekannt vor?). Wenn das saudische Königreich nicht mit Präzisionsbomben ausgestattet wäre, wären sie gezwungen, noch mehr Hochzeiten und Beerdigungen zu bombardieren, so ihre tödliche Logik. Ihr einziges Bedauern scheint zu sein, dass die Saudis, im Zuge der von China vermittelten Normalisierung zwischen Saudi-Arabien und Iran, den Krieg mehr oder weniger aufgegeben und die Ansarallah als legitimen Verhandlungspartner anerkannt haben.

Der Westen testet jedoch andere Optionen. Die Vereinigten Arabischen Emirate scheinen das letzte Bollwerk gegen einen souveränen und geeinten Jemen zu sein. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben Teile des südlichen Jemen besetzt, darunter auch strategische Inseln im Golf von Aden, wo sie gemeinsame militärische Geheimdiensteinrichtungen mit ihrem engen Verbündeten Israel unterhalten. Und sie führt über den abtrünnigen Südlichen Übergangsrat zunehmend einen Stellvertreterkrieg gegen die verbleibenden Kräfte im Jemen, die von Saudi-Arabien unterstützt werden.

Abschließend möchte ich auf den Vorwurf der New York Times zurückkommen, dass die Solidaritätsaktionen der Ansarallah mit den Palästinensern so populär sind, weil sie von den „eigenen“ Problemen des Jemen ablenken sollen. Die „eigenen“ Probleme des Jemen wurden ihm als Strafe für seine Bestrebungen, sein Land und seine Region vom westlichen Imperialismus zu befreien, auferlegt.

Die Bomber und Schiffe, die Gaza bombardieren, sind mit denen identisch, die seit 2015 Tod und Zerstörung in den Jemen gebracht haben. Wie könnte sich die jemenitische Bevölkerung also nicht mit dem Kampf der Palästinenser identifizieren und solidarisieren?

English speech

Dear comrades,

We are here today to protest against a new campaign of crimes by the Western countries in the Red Sea. A German war operation is currently being carried out in which it will join the US and the UK in their war against Yemen. Unfortunately, this German operation is not causing any outcry among the people here – the fact that Germany is waging war seems to become the new normal. But we will not accept this normal state of affairs. Comrades, we have to be loud, we have to take to the streets together and prevent Germany from carrying out its belligerence.

The US and the UK have been bombing Yemen for several weeks already. And now Germany is to join this imperialist alliance. It has been almost two weeks since the Bundeswehr frigate “Hessen” left Wilhelmshaven to join the rest of the imperialist aggressors in the Red Sea. The German naval commander refers to it as the „heaviest operation in decades“ – but why is the West waging war against Yemen, one of the poorest countries in the world?

Comrades, Israel has been bombing Gaza since October. It is committing a genocide in Palestine, massacring thousands of children, women and men, leaving the entire population without food, water and any medical assistance. All of this with the direct backing and the support of the Western countries. Millions of people around the world are taking to the streets to protest this genocide against the Palestinians. And Yemen stands at the forefront of this solidarity with Palestine.

In Sanaa, the capital of Yemen, more than a million people protest every week. They do so because the people of Yemen know what occupation, bombing and genocide mean: The US with its proxy in the region, Saudi Arabia, have been waging a war on Yemen since 2015. Almost 400,000 people have been killed. 85,000 children have starved to death as a result of the blockade of the country. And as if all that wasn’t dire enough, the worst cholera epidemic in recorded history has broken out as well.

And yet, it is Yemen that stands with Palestine. Since November, the Yemeni armed forces of Ansar Allah, often referred to as the Huthis, have been stopping ships linked to Israel. Their goal is to prevent the supply of weapons and put pressure on Israel to stop the ongoing genocide in Gaza. Their demand is an immediate ceasefire. As a result of their actions, the large shipping companies of the imperialist aggressors now have to take major detours. This is costly, and the West fears that its profits will suffer as a result. It is not by chance that the war efforts of the US and the other imperialists against Yemen are referred to as „guardians of prosperity“, because it is their profits that the imperialists want to protect.

Yemen is acting in accordance with the international law. The Genocide Convention of 1948 obliges every country to prevent all acts of genocide around the world. Last month, even the International Court of Justice called on Israel to end the genocide of the Palestinians and to punish those who incite this genocide. With this ruling, the Court has declared that we, along with the Yemenis, South Africans and the rest of the world’s population who stand in solidarity with Palestine, are on the right side of history and fulfil the legitimate duty to fight to end genocide.

Yemen is forcing all countries to take off their masks and show where they stand: Either on the side of the occupation and the genocide of the Palestinians, or on the side of the resistance.

And which side is Germany on? Instead of complying with the orders of the International Court of Justice, instead of demanding an immediate end to Israel’s genocidal war and instead of ending its own complicity, Germany has decided to side firmly with the occupation and the genocide of the Palestinians. By carrying out its war operation in the red sea against Yemen, Germany is providing its full support to the genocide in Gaza, it is granting Israel complete impunity and protection against the international law.

We therefore clearly state: No to German support for genocide!

The resistance in Yemen is legitimate and successful. It is shaking up the global economy for a just cause. It shows how vulnerable Western oppression, exploitation and occupation are, which is precisely why war is now once again being waged against the country.

We clearly state: Hands off Yemen! No to the war!

The German war mission against Yemen is being labeled as self-defense. But what is Germany defending? Germany is defending its profits. Germany is defending its military presence in the Red Sea. And Germany is defending the genocide in Palestine.

We will not accept this in silence. We call on Germany to follow the example of other countries and distance itself from Israel and end its complicity in the genocide.

We call on everyone to take a stand against the war:

Hands off Yemen!

No to the war effort!

No to German support for genocide!

10 Jahre Maidan – Putsch oder Revolution?

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Artikel von Lanius Osen, anlässlich des zehnten Jahrestags des Maidan-Putschs in der Ukraine

Im Februar 2024 jähren sich die Ereignisse des „Maidan“ in der Ukraine zum zehnten Mal. Diese Geschehnisse sollten den Wendepunkt hin zu einer Entwicklung markieren, die letztendlich im gegenwärtigen Krieg in der Ukraine mündete. Das Vorgehen der Russischen Föderation gegenüber der Ukraine lässt sich nicht allein aus geopolitischen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten erklären. Es fallen dabei verschiedene Motive zusammen, wobei der ideologische Aspekt nicht zu vernachlässigen ist.

Im Rahmen unserer Vertiefungsgruppen wurde sich auf verschiedene Themenschwerpunkte konzentriert, um im Ergebnis eine umfassendere Einschätzung des Ukrainekrieges zu erhalten. Dieser Beitrag bietet keine ausführliche Analyse der Überlappung verschiedener imperialistischer Interessen auf dem Gebiet der Ukraine im Hinblick auf Russland. Es wird hier auf die kürzlich veröffentlichten Texte anderer Vertiefungsgruppen verwiesen. Der Fokus dieses Beitrags liegt auf der Nachzeichnung und der Einordnung des Maidan, wobei hier der historische Kontext und die ideologische Trennline innerhalb der Ukraine herausgearbeitet werden soll.

Die Entwicklung der Ukraine ab 1991

Die Ukraine war schon immer ein zutiefst gespaltenes Land zwischen Ost und West und diese Spaltung hat tiefe historische Wurzeln. Die Bestrebungen zur ukrainischen Unabhängigkeit 1990 wurden vor allem im Westen des Landes unterstützt und haben sich seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 weiter verstärkt.

Ein bedeutender Aspekt des historischen Erbes der Ukraine war ihre Integration in die arbeitsteilige Sowjetwirtschaft. Nach 70 Jahren im Staatenverbund hatte ein hoher Grad an Verschmelzung in allen gesellschaftlichen Bereichen stattgefunden, einschließlich des Militärs.[1] Der Zusammenbruch der Rubelzone und der drastische Rückgang der Wirtschaftsbeziehungen zu den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, mit denen die Ukraine eng verbunden war, trugen erheblich zum Niedergang der Wirtschaft in den 90er Jahren bei. Dies führte zu einem Rückgang der Produktion und infolgedessen zu geringeren Steuereinnahmen, was ein akutes Haushaltsdefizit zur Folge hatte. Insbesondere die Unternehmen der Rüstungsindustrie, die in der Ukraine stark vertreten waren, sind betroffen gewesen, da sie anfangs Schwierigkeiten hatten, Abnehmer für ihre Produkte zu finden. Die Beziehungen zu Russland waren von entscheidender Bedeutung, da die Erdöl- und Erdgaslieferungen aus Russland für die Ukraine lebensnotwendig waren.[2]

Schon der erste Präsident der Ukraine, Leonid Krawtschuk, musste sich an den IWF und die Weltbank wenden, um Kredite zu erhalten. Dazu gehörten Maßnahmen, die darauf abzielten, die Ukraine für ausländische Investitionen zu öffnen, die Stabilität der Währung zu gewährleisten und ausreichende Devisen für den internationalen Handel zu sichern. Diese Entscheidungen erzielten jedoch nicht ein erhofftes unabhängiges nationales Wachstum. Unter der Regierung von Leonid Kutschma, der das Land ab 1994 führte, wurden Gespräche sowohl mit Russland als auch mit der EU und den USA geführt.[3] Die Kredite von IWF und Weltbank führten zu bedeutenden politischen Abhängigkeiten gegenüber dem Westen, der mit diesem Schritt die Staatsschulden und damit die gesamte Refinanzierung des ukrainischen Staates beaufsichtigte. Es bildete sich aus den Widersprüchen eine Schaukelpolitik zwischen Ost und West heraus, die maßgeblich von verschiedenen Kapitalinteressen innerhalb verschiedener oligarchischer Strukturen getragen wurden und die politische, wirtschaftliche sowie ideologische Ausrichtung bestimmte. Dabei spielte die Herkunft der wirtschaftlichen Machtbasis der sich in den 90er Jahren formierenden Kapitalisten eine nicht unwichtige Rolle, da diese Gruppe beträchtliche Anteile an lokalem wirtschaftlichem und politischem Einfluss besaß und sie diesen erhalten wollten. Zu erwähnen ist beispielsweise der ukrainische Kapitalist Rinat Achmetov, der mit seinem umfassenden Firmengeflecht im Donbass, das verschiedene Sektoren wie Metallurgie, Chemie, Stromerzeugung und Kommunikation umfasste, eine Schlüsselrolle einnahm. Obwohl er an Exporten nach Russland interessiert war, hielt er dennoch eine gewisse Distanz, da er die Konkurrenz russischer Oligarchen und mögliche Beeinträchtigungen seiner Geschäftsinteressen in der EU fürchtete.[4]

Ein weiterer Akteur ist Ihor Kolomojskyj, der später mithilfe seines Fernsehsenders 1+1 Unterstützer Selenskyjs war. Darüber hinaus fungierte er als einer der wichtigsten Geldgeber für den Aufbau paramilitärischer nationalistischer Gruppen wie dem Bataillon „Ajdar“ „Dnipro“ und „Asow“.[5]

Ideologische Spaltung

Durch die Wiederwahl von Janukowitsch 2010 war bis zu seiner verfassungswidrigen Ablösung im Februar 2014 die vollständig atlantische Option für die Ukraine verhindert worden. Janukowitsch stand geopolitisch für eine Balance zwischen West und Ost, was ihm vom kollektiven Westen als NATO- und EU-Feindschaft ausgelegt wurde.[6] Ideologisch versuchte Janukowitsch einen Ausgleich zwischen ukrainischen Nationalismus und sowjetischer Tradition zu schaffen.

Dies war auch einer der Gründe für seine politische Niederlage.[7] Der Einfluss von Nationalismus mit faschistischen Elementen fungierte als ideologisches und politisches Hindernis für eine Verständigung mit Russland. Sie verankerten in der Gesellschaft das Narrativ, dass es antiimperialistisch sei, gegen Russland Krieg zu führen, und dass es keinen Raum für Kompromisse gebe, da der Kreml als die Wurzel des ultimativen Bösen in der Welt betrachtet werde.[8] So verfolgte schon der damalige Präsident der Ukraine Juschtschenko (Präsidentschaft von Januar 2005 bis Februar 2010) nicht nur eine Politik zur Rehabilitierung der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), sondern setzte sich auch für ihre Verherrlichung ein. Im Jahr 2007 wurde dem Faschisten Roman Schuchewytsch postum der Titel „Held der Ukraine“ zum nationalen Befreiungskampf für die Freiheit und Unabhängigkeit der Ukraine verliehen. Drei Jahre später folgte die gleiche Auszeichnung für Stepan Bandera. Dies führte zu Widerstand sowohl bei vielen Russen als auch bei vielen russischsprachigen Ukrainern, deren historisches Gedächtnis auf der Tradition des Großen Vaterländischen Krieges basierte.[9]

Nach 2004 wurde in der Ukraine der „Krieg der Denkmäler“ wieder aufgenommen. Im Gegensatz zu den Denkmälern, die der OUN-UPA (Ukrainische Aufstandsarmee) gewidmet waren, wurden im Osten und auf der Krim die Erinnerung an die Opfer ukrainischer Nationalisten verewigt. Ein weiteres zentrales Element der von Juschtschenko vertretenen Erinnerungspolitik war die Hungersnot von 1932–1933, die weite Teile der UdSSR betraf. Dabei versuchten ukrainische Politiker, dieses Ereignis als einen absichtlichen Völkermord an den Ukrainern durch die sowjetischen Behörden darzustellen.[10] Als „Allukrainische Vereinigung Swoboda“ spielten rechtsnationale Kräfte in der Übergangsregierung bis Oktober 2014 auch parlamentarisch eine wichtige Rolle und nehmen für sich in Anspruch, in der Nachfolge der OUN zu stehen. In diesem Beitrag kann nicht auf die historischen Verstrickungen zwischen der OUN, Deutschland sowie den USA und anderen westlichen Staaten eingegangen werden (Es sei hier aber auf die Beiträge im Rahmen der Konferenz „Der Bandera Komplex” verwiesen).[11]

Diese bestehende historische Kontinuität ist entscheidend dafür, dass ukrainische Nationalisten, ob rechtsradikal oder rechtsliberal, sich seit Anfang der 1990er Jahre auch mit westlicher Hilfe konsolidierten, um erneut einen antirussischen Stoßkeil zu bilden.[12]

Das Scheitern der Schaukelpolitik 

Die EU war bestrebt, die Ukraine durch ein Assoziierungsabkommen enger an sich zu binden, während die USA das Land als wirtschaftliche und militärische Basis im Kampf gegen Russland sichern wollten. Ihr Ziel war es, die Ukraine in die NATO zu integrieren und dadurch auf einen Konfrontationskurs mit Moskau zu setzen.[13] Am 21. November 2013 scheiterten die Verhandlungen zwischen der ukrainischen Regierung unter Janukowitschs Präsidentschaft und EU-Gesandten über die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, die als weiterer Schritt zur europäischen Integration angedacht war.[14] Dabei handelte es sich nicht um ein reines Handelsabkommen. Der Kern des 2137 Seiten langen Dokuments sah unter anderen die Liberalisierung der ukrainischen Wirtschaft in Form von Abschaffung der Energie- und Lebensmittelsubventionen und der staatlich regulierten Gaspreise, sowie der Einbindung des ukrainischen Militärs in EU-europäische Kampftruppen vor.[15] Das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine stand ökonomisch in direkter Konkurrenz zur Zollunion Russlands, deren zollfreier gemeinsamer Markt über Freihandelsabkommen wichtige Einnahmen generierte. Da etwa 30 % des ukrainischen Außenhandels mit Russland verbunden war, äußerte die russische Regierung erhebliche Besorgnis, denn alle europäischen Waren würden unmittelbar in den Zollraum der Russischen Föderation gelangen und somit die russischen Produzenten auf dem Binnenmarkt verdrängen. Die Aufhebung der Zollfreiheit Russlands mit der Ukraine wäre daher eine logische und unmittelbare Konsequenz des EU-Assoziierungsabkommens, um den eigenen Wirtschaftsraum zu schützen. Eine solche Maßnahme hätte aber andererseits einen deutlichen Einbruch im russischen Außenhandel zur Folge gehabt.[16]

Die Ablehnung des Abkommens mit der EU war für Janukowitsch unvermeidlich, da eine Zustimmung dazu den ökonomischen Bruch mit Russland bedeutet hätte und in der Folge gravierende ökonomische Verluste und Arbeitsplatzabbau.[17] Dazu kommen noch die Folgen für die in Konkurrenz stehenden Kapitalvertreter. Das polnische Institut für internationale Angelegenheiten hat für das Jahr 2013 die größten Nutznießer des Freihandels mit der EU ermittelt. Es hätten maßgeblich Kapitalisten (Petro Poroschenko, Andrei Werewski, Juri Kosjuk) profitiert, dessen Konzerne in die EU exportiert hätten. Wiktor Janukowitsch und sein Umfeld (Sohn Aleksandr Janukowitsch, Rinat Achmetow, Dmitri Firtasch) hätten nach derselben PISM-Studie wirtschaftlich zu den Verlierern gehört.[18] Auch dieses Interesse fand in Janukowitschs Entscheidung seinen Ausdruck.

Aufgrund des Charakters des Assoziierungsabkommens wird der Zweck deutlich, die Ukraine kontinuierlich in die antirussische Strategie der EU, USA und der NATO einzubinden. Des Weiteren ist durch die Stärkung und Verwendung faschistischer Kräfte eine Schaukelpolitik unmöglich geworden, da diese Kräfte aufgrund ihrer Ideologie eine ausgleichende Politik mit Russland ausschließen.

Der Weg zum Maidan

Am Abend der Bekanntgabe des Scheiterns des Abkommens begannen auf dem zentralen Maidan-Platz in Kiew Demonstrationen mit einigen hundert Teilnehmern. Gegensätzlich zu den Darstellungen vorwiegend westlicher Medien lag das Hauptanliegen der Demonstranten nicht in der Unterzeichnung des geplanten Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der Europäischen Union. Dies wurde durch eine Umfrage des Gorshenin-Instituts vom 02. Dezember 20133 bestätigt. In dieser Umfrage gaben ganze 56 Prozent der Befragten an, dass sie für den Sturz der Regierung, die Verbesserung ihrer eigenen Lebensbedingungen und gegen die Korruption im Land demonstrierten. Lediglich 28 Prozent der Befragten forderten die Unterzeichnung des Abkommens mit der EU.[19] 

Die Unzufriedenheit der Bevölkerung beruhte hauptsächlich auf der kapitalistischen Transformation mit der damit einhergehenden verfestigten Korruption, Perspektivlosigkeit und der anhaltenden Verschlechterung der Lebensbedingungen. Durch die Proteste verschmolz eine pro-europäische Bewegung mit der breiten Zivilgesellschaft sowie mit unterschiedlichen politischen Spektren, die schon seit langer Zeit wegen der anhaltenden Korruption und Wirtschaftskrise unzufrieden waren, und die mit dem Assoziierungsabkommen ein Gefühl der Hoffnung verband.[20] 

Gerade bei der jüngeren Generation verfestigte sich eine Illusion bezüglich eines Beitrittes zur EU. Aufgrund des Mangels an ideologischer Schärfe sowie Organisationskraft linker Gruppen, die den Protest sogar verurteilten, entstand ein politisches Vakuum in der Mobilisierung. Dies wurde effizient und planvoll von Gruppen gefüllt, die von einigen westlichen Regierungen organisiert und finanziert wurden.[21]

Der massive Einfluss der USA und der Europäischen Union ist schon Jahre vor dem Putsch im Februar 2014 dokumentiert. Seit Mitte der 1990er Jahre waren zahlreiche NGOs (Nichtregierungsorganisationen) in den ehemaligen Ländern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und Jugoslawien aktiv. Das strategische Ziel von Stiftungen wie NED (National Endowment for Democracy), USAID (United States Agency for International Development), Freedom House, Konrad Adenauer Stiftung oder der Open Ukraine Foundation ist die Beeinflussung der öffentlichen Stimmungs- und Meinungsbildung durch gelenkte Förderung und Finanzierung von Infrastruktur, Presse, Gewerkschaften, sowie politischer Parteien und Universitäten.[22] Die strukturelle Unzufriedenheit, insbesondere unter jungen Menschen, fungiert als Nährboden und Rekrutierungsquelle für prowestliche Institutionen oder Organisationen. So realisierte die US-amerikanische Botschaft u.a. das „TechCamp“ Projekt, in dem 300 operative Führungskräfte ausgebildet wurden. Im Rahmen solcher Projekte schulten US-amerikanische Ausbilder ukrainische Aktivisten, wie soziale Netzwerke, Internettechnologien sowie die Gründung von Fernsehsendern zu den gezielten Manipulationen der öffentlichen Meinung genutzt werden konnten.[23] Diese ideologischen Einflüsse trugen dazu bei, dass im Westen der Ukraine eine Anfälligkeit zur Ablehnung der sozialistischen Vergangenheit sowie zur Annahme der oben genannten antirussischen liberal-nationalistischen Ideologien verstärkt wurde.

Der Maidan

Bereits in der frühen, von zivilgesellschaftlich-idealistischen Motiven geprägten Phase des Maidan, am 26. November 2013, wurde der „Rechte Sektor“ gegründet. Er vereinte mehrere kleinere Gruppen mit Namen wie „Stepan-Bandera-Dreizack“, „Weißer Hammer“ oder „Patriot der Ukraine“. Diese Abteilungen begannen sofort mit ihren Aktivitäten und boten paramilitärische Schulungen für Interessierte auf dem Maidan an.[24]

Nur wenige Tage nach den ersten Protesten erlebte der Maidan eine Eskalation der Gewalt. Am 29. und 30. November 2013 versuchte die Spezialeinheit „Berkut“ des ukrainischen Innenministeriums den Platz zu räumen, stieß jedoch auf massiven Widerstand und es kam zu heftigen Zusammenstößen. Es strömten tausende Demonstranten überwiegend aus dem Westen der Ukraine nach Kiew. Diese Erfahrung führte auch dazu, dass sich unter den Demonstranten sogenannte „Selbstverteidigungskräfte“ formierten, die jedoch bald von den oben beschriebenen, gut organisierten rechtsradikalen Kräften unterwandert wurden bzw. aufgrund ihrer Stärke einen beträchtlichen Einfluss auf die restlichen Demonstranten hatten. Zehntausende Teilnehmer aus der Westukraine vergrößerten die mittlerweile zur Festung ausgebaute Zeltstadt auf dem zentralen Kiewer Platz. Rund um den Maidan besetzten Stoßtrupps der Protestierenden die umliegenden Gebäude.[25] Die Gruppen faschistischer Prägung wie „Svoboda” oder der „Rechte Sektor” verstärkten eine ausgeprägt ultranationalistische politische Ausrichtung des Maidanprotests.[26]

Trotz der Zusammenstöße zwischen Ordnungskräften und Demonstranten und den dadurch bürgerkriegsähnlichen Zuständen besuchten im Dezember ranghohe Politiker und Staatsbeamte der USA und der EU wie der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, die im State Department als Vizeaußenministerin für Europa zuständige Victoria Nuland und US-Senator John McCain den Maidan und unterstützten die Demonstranten.[27] Dies wurde exemplarisch in einer Antwort von US-Senator John McCain auf eine Journalistenfrage zur Rolle Putins während seines Besuchs auf dem Maidan zum Ausdruck gebracht: „Es gibt keinen Zweifel, dass die Ukraine von vitalem Interesse für Putin ist. Ich denke es war Kissinger – bin aber nicht sicher –, der sagte, Russland ohne Ukraine ist eine östliche Macht, mit der Ukraine eine westliche Macht. Hier beginnt Russland, genau hier in Kiew”.[28] Da das Hauptziel die Eindämmung Russlands war, standen in der Protestbewegung auch Rechtsliberale und Faschisten aus der Ukraine gemeinsam Seite an Seite mit den höchsten Diplomaten aus Deutschland, Polen, Schweden und den USA im Kampfgeschehen in Kiew. Diese Auffälligkeit gilt es zu berücksichtigen, weshalb auch in der westlichen Berichterstattung das Wirken der faschistischen Kräfte in der Ukraine weitgehend ausgeblendet wurde, von deren langjährigen Unterstützern aus dem Westen ganz zu schweigen.

Putsch

Anfang des Jahres 2014 setzte eine Ermattung der Proteste ein. In dieser Phase der Stagnation des Maidan muss es eine strategische Entscheidung gegeben haben, um der Bewegung durch eine Eskalation neuen Schwung zu verleihen. Die Rada hatte am 16. Januar das Demonstrationsrecht verschärft (Demonstrationsrecht nach BRD-Standards, Vermummungsverbot, erhöhte Strafen für Verstöße). Als Reaktion auf das Gesetz begannen schwere Ausschreitungen in Kiew und die Situation eskalierte, als ein Teil der Demonstranten die Polizeisperren durchbrach und in das Regierungsviertel eindrang. Am 19. Januar formierten sich plötzlich einige Tausend Anhänger des „Rechten Sektors“ nach einer routinemäßigen Kundgebung und zogen einige Hundert Meter weiter zum Europaplatz. Von dort führte die nach dem Begründer der ukrainischen nationalen Historiographie, Michailo Hruschewskyj, benannte Straße steil einen Hügel hinauf ins Regierungsviertel. Die Rechten versuchten nun, dieses Regierungsviertel zu stürmen, und gerieten dabei unvermeidlich in Konflikt mit der Polizei.[29]

Diese Auseinandersetzungen wurden von beiden Seiten mit großer Brutalität geführt, wodurch es die ersten Toten gab, die Zahl der Verletzten ging rasch in die Hunderte. Diese Unruhen dauerten bis 24. Januar an. Am folgenden Tag bot Präsident Janukowitsch der Opposition an, die Regierung zu entlassen und Jazenjuk zum Premierminister und Klitschko zum Vize-Premierminister zu ernennen. Dieses Angebot wurde jedoch abgelehnt, und die Opposition stellte stattdessen verschiedene Forderungen, darunter den Rücktritt von Janukowitsch und die Durchführung vorgezogener Präsidentschaftswahlen.[30]

Obwohl der amtierende Ministerpräsident und die gesamte Regierung zurücktraten und das Demonstrationsgesetz aufgehoben wurde, eskalierten die Auseinandersetzungen zunehmend. Den Februar 2014 hindurch sahen sich die Polizeikräfte paramilitärischen Einheiten ausgesetzt, welche mit Molotow-Cocktails, Stahlketten und anderen Waffen ausgerüstet waren. Den Schlusspunkt des Putsches setzte eine Verhandlungsfarce unter EU-Ägide. Der stark unter Druck geratene Janukowitsch unterzeichnete am 21. Februar 2014 im Zuge des sich zuspitzenden Maidan-Putsches eine Vereinbarung mit der politischen Opposition des Landes (Arsenij Jazenjuk, Witali Klitschko und Oleh Tjahnybok) sowie Vertretern der EU, um die Lage zu beruhigen.[31] Gemäß dieser Vereinbarung sollte eine Übergangsregierung gebildet werden und noch im Jahr 2014 eine vorgezogene Präsidentschaftswahl stattfinden. Während der Gespräche kamen auf dem Hauptplatz von Kiew mindestens 70 Menschen – sowohl Demonstranten als auch Polizisten – durch gezielte Schüsse ums Leben.[32] Diese Stimmung nahmen die faschistische Opposition wie der „Rechte Sektor“ zum Anlass dieses Abkommen und den Waffenstillstand abzulehnen und nannten es „inakzeptabel“.[33] Nachdem einen Tag später u.a. Janukowitschs Wohnsitz beschlagnahmt und die Eskalationsspirale am Zenit war, wurde der Staatsstreich trotz des Abkommens aufgrund der für sie günstigen Kräfteverhältnisse vollzogen. Als Reaktion auf den Machtverlust floh Janukowitsch am 24. Februar 2014 nach Russland. Daraufhin erklärte das Parlament trotz Verletzung des Amtsenthebungsverfahrens (es stimmten nur 73% statt der benötigten 75% des Parlaments für dessen Absetzung) Janukowitsch für abgesetzt. Der Putsch fand dadurch sein Ende, als Oleksandr Turtschynow verfassungswidrig (es wurde kein Amtsenthebungsverfahren auf Basis der gültigen Verfassung von 1996 nach Artikel 111 durchgeführt) zum Übergangspräsidenten ernannt und eine Übergangsregierung unter Arsenij Jazenjuk gebildet.[34]

Schluss

Der Maidan war der Beginn eines vom Westen massiv beeinflussten Staatsumbaus in der Ukraine, mit dem Zweck, sie zu einem antirussischen Aufmarschgebiet aufzubauen. Durch die maßgebliche Führungsrolle nationalistischer bzw. faschistischer Vertreter und deren Integration in den Staatsapparat ist der ukrainische Nationalismus mit beträchtlicher Unterstützung des Westens (der die Ukraine für seine Ziele und Interessen instrumentalisiert) nach dem Maidan gegenüber ethnischen, sprachlichen und anderen Minderheiten immer aggressiver geworden.

Der Putsch in Kiew entfachte dadurch einen antirussischen Bürgerkrieg im Osten der Ukraine, welcher sich in vielen Städten und Gebieten sehr unterschiedlich und zunächst mit einem chaotischen Frontverlauf quer durch den Oblast Donezk entwickelte. Die gegenwärtig vorherrschende Variante der ukrainischen nationalen Identität braucht das Bild von Russland als „Hauptfeind“, um eine ständige politische Mobilisierung durchzuführen, was mit in die Bewertung der Reaktion Russlands und der weiteren Entwicklung einfließen sollte. Als Ergebnis dieses Staatsumbaus wurden seine Gegner mit Gewalt bekämpft: Das kostet bis 2022 etwa 14.000 Menschen in der Ostukraine das Leben. Sie wurden von regulären Militäreinheiten der Ukraine und paramilitärischen faschistischen Trupps wie beispielsweise in Odessa am 2. Mai 2014 ermordet. Angesichts dieser Umstände ist es verständlich, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung in der Ostukraine sich gegen diesen Putsch zur Wehr setzte und den Wunsch äußerte, Teil oder Mitglied der Russischen Föderation zu werden und erfahren deshalb unsere Solidarität.


[1] https://www.kaz-online.de/artikel/vom-kriegsbrandstifter-zum-friedensengel

[2] Kappeler, Andreas (2019): Kleine Geschichte der Ukraine, S. 263

[3] Kappeler, Andreas (2019): Kleine Geschichte der Ukraine, S.316

[4] Kappeler, Andreas (2019): Kleine Geschichte der Ukraine, S.265

[5] https://www.jungewelt.de/artikel/447011.krieg-in-der-ukraine-selenskijs-schwarzer-haufen.html

[6] Hofbauer, Hannes (2016): Feindbild Russland, S.262

[7] https://cosmonautmag.com/2022/06/putin-and-the-project-of-a-big-russian-nation/

[8] https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/artikel/461542.ukrainischer-faschismus-ich-will-die-bandera-lobby-aus-dem-dunkeln-ziehen.html

[9] https://cosmonautmag.com/2022/06/putin-and-the-project-of-a-big-russian-nation/

[10] https://cosmonautmag.com/2022/06/putin-and-the-project-of-a-big-russian-nation/

[11] https://www.jungewelt.de/blogs/bandera_komplex/

[12] Hofbauer, Hannes (2016): Feindbild Russland, S.265

[13] Weber, Hendrik (2023): Volksrepublik Donezk: Staat oder Terrororganisation, S22

[14] Fazolo, Alberto & Nemo (2022): Im Donbass kommen sie nicht durch, S.29

[15] Hofbauer, Hannes (2016): Feindbild Russland, S.265

[16] Röper, Thomas (2019): Ukraine Krise 2014, S.33

[17] Lauterbach, Reinhard (2015): Bürgerkrieg in der Ukraine: Geschichte, Hintergründe, Beteiligte, S.43

[18] https://monde-diplomatique.de/artikel/!327197#fn7

[19] Als führende Forschungseinrichtung führt das ukrainische Gorshenin-Institut globale Forschung durch, um Aspekte des sozialen und politischen Lebens in der Ukraine zu untersuchen. https://web.archive.org/web/20140810113914/http://gorshenin.eu/researches/40_ukraine_today.html

[20] Hofbauer, Hannes (2016): Feindbild Russland, S.288

[21] Fazolo, Alberto & Nemo (2022): Im Donbass kommen sie nicht durch, S.29

[22] Hofbauer, Hannes (2016): Feindbild Russland, S.237

[23] http://www.deutsch-ukrainisches-zentrum.de/ukrainekrise/die-rolle-der-usa/innerhalb-der-ukraine/

[24] Lauterbach, Reinhard (2015): Bürgerkrieg in der Ukraine: Geschichte, Hintergründe, Beteiligte, S.48

[25] Hofbauer, Hannes (2016): Feindbild Russland, S.288

[26] Fazolo, Alberto & Nemo (2022): Im Donbass kommen sie nicht durch, S.30

[27] Hofbauer, Hannes (2016): Feindbild Russland, S.289

[28] https://www.theguardian.com/world/2013/dec/15/john-mccain-ukraine-protests-support-just-cause

[29] Lauterbach, Reinhard (2015): Bürgerkrieg in der Ukraine: Geschichte, Hintergründe, Beteiligte, S.53

[30] Röper, Thomas (2019): Ukraine Krise 2014, S.63

[31] Fazolo, Alberto & Nemo (2022): Im Donbass kommen sie nicht durch, S.30

[32] Hofbauer, Hannes (2016): Feindbild Russland, S.294

[33] https://www.spiegel.de/politik/ausland/liveticker-zur-krise-in-der-ukraine-a-954753.html

[34] Hofbauer, Hannes (2016): Feindbild Russland, S.294

10 Jahre Krieg in der Ukraine, 2 Jahre russischer Militäreinsatz: NATO raus aus der Ukraine!

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Im Rahmen einer Aktion zum Jahrestag der Militäroperation Russlands veröffentlichen wir einen Text, der zentrale Hintergründe zum Ukrainekrieg kurz zusammenfasst, um der medialen Propaganda etwas entgegenzusetzen.

Am heutigen 24. Februar jährt sich der Militäreinsatz Russlands in der Ukraine zum zweiten Mal- und es ist nicht abzusehen, dass der Konflikt in naher Zukunft ein Ende finden wird. Der Krieg in der Ukraine begann allerdings nicht erst vor zwei Jahren, sondern bereits vor knapp zehn Jahren mit dem militärischen Angriff des ukrainischen Regimes auf den Südosten der Ukraine, der bis heute anhält. Ein signifikanter Teil der Region, die auch Donbass genannt wird, wollte die mit offenen Faschisten durchsetzte, von NATO-Staaten 2013/14 an die Macht geputschte Clique nicht akzeptieren und leistet seitdem Widerstand. In diesen militärischen Kontext reiht sich das Eingreifen Russlands seit dem 24. Februar 2022 ein.

Der Krieg vor dem Militäreinsatz (2014-2022)

Das durch einen zutiefst undemokratischen Putsch (‚Euromaidan‘) an die Macht gekommene Regime in Kiew erntete nicht in allen Landesteilen Zustimmung. Besonders in den primär russischsprachigen Regionen im Osten und Süden der Ukraine regte sich erheblicher Widerstand. Die Forderungen der dortigen Bevölkerung nach mehr Autonomie, aufgrund ihrer Unzufriedenheit mit dem anti-russischen Kurs der neuen Machthaber, demokratischen Wahlen und der Respektierung ihrer Sprache wurde von der ukrainischen Zentralregierung mit Terror, Bomben und Panzern beantwortet.

Den Widerstand gegen die US-Marionettenregierung und ihre Handlanger konnte die lokale Bevölkerung nur in zwei Gebieten erfolgreich halten, überall sonst wurde er erstickt. Aus diesem heldenhaften, antifaschistischen Kampf entstanden die Volksrepubliken Donezk und Lugansk im Osten der Ukraine. Mit geringer Hilfe Russlands gegen das von der NATO hochgerüstete Putschregime konnte diese Gegenwehr auch militärisch knapp 8 Jahre lang aufrechterhalten werden. Der zermürbende, jahrelang andauernde Angriff auf die Städte und Dörfer der Volksrepubliken sowie der gezielte Beschuss von Wohngebieten durch die ukrainische Armee forderten vor Russlands Eingreifen etwa 14.000 Menschenleben. Die Abkommen Minsk und Minsk II, die einen Waffenstillstand und Autonomie für die Gebiete Donezk und Lugansk vorgesehen hatten, wurden vom ukrainischen Regime mit Ansage gebrochen und der Krieg gegen den Donbass fortgesetzt. Es existieren zahllose Interviews und Reden des damaligen ukrainischen Präsidenten Poroschenko – der es übrigens nach eigener Aussage als Ehre ansieht, in die Tradition des Massenmörders Stepan Bandera gestellt zu werden und 2022 in einem „Banderamobil“ eine PR- Tour bestritt –, in denen er ohne Scham zugibt, dieses Übereinkommen mutwillig nur zum Schein abgeschlossen zu haben. Deutschland und Frankreich hatten die Verhandlungen ebenfalls nur geführt, um die ukrainische Armee für einen Krieg gegen Russland hochrüsten zu können, wie die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel, aber auch der ehemalige französische Präsident Hollande vor über einem Jahr in einem Interview bestätigten. Rückblickend stellte sich für die Volksrepubliken und Russland also heraus, dass die Abkommen mit Deutschland, Frankreich und der Ukraine ein Fehler waren.

Nachdem die Ukraine mehrmals trotz der Minsk-Vereinbarungen offen angekündigt hatte, die Volksrepubliken militärisch dem Erdboden gleich machen zu wollen und auch die nach einer Volksabstimmung von Russland aufgenommene Krim erobern zu wollen, was am 24. März 2021 sogar per Präsidial-Dekret festgehalten wurde, zog sie zum Jahreswechsel 2021/22 Truppen an der Frontlinie im Donbass zusammen und intensivierte den Beschuss massiv. Der Höhepunkt dieser Zuspitzung war die Ankündigung des ukrainischen Machthabers Selenskyj im Februar 2022, sich die Option offenzuhalten, sein Land wieder mit Atomwaffen auszustatten. Es ist offensichtlich, dass dies von der Ukraine, die sich zunehmend gegen Russland positionierte, in erster Linie als eine Drohung gegenüber Moskau zu verstehen war. Ein paar Tage später entschied sich der russische Präsident Putin dazu, einer Aufforderung des russischen Parlaments nachzukommen, die die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) zum wiederholten Male eingebracht hatte: Die Anerkennung der Volksrepubliken Donezk und Lugansk. Die Volksrepubliken baten kurz danach formell um militärischen Beistand. Russland leistete dieser Bitte mit Beginn des 24. Februars 2022 Folge.

Die Rolle ukrainischer Faschisten

Faschistische Trupps wurden direkt nach dem Putsch in Städte wie Mariupol, Kharkov oder Odessa entsandt, um die breiten Proteste gegen den Staatsstreich blutig niederzuschlagen. Das Massaker im Gewerkschaftshaus in Odessa am 2. Mai 2014 kostete mindestens 46 Antifaschisten das Leben. Ein Nazi-Mob trieb die Anti-Putsch-Demonstranten in das Gebäude, zündete es an und erschoss oder prügelte die Menschen nieder, die aus den Fenstern sprangen. Auch drangen Personen in das Gebäude ein und jagten diejenigen, die versuchten, sich zu verbarrikadieren, mit Schusswaffen, Äxten, Baseballschlägern und Totschlägern. Draußen feierte der Mob grölend mit Hitlergrüßen. Bis heute hat seitens der Regierung keine ernsthafte Untersuchung des Vorfalls stattgefunden. Der Tatort wurde damals nicht abgesperrt und gesichert, weshalb niemand mit Sicherheit sagen kann, wie viele Menschen dort tatsächlich ermordet wurden. Aktivisten sprechen von bis zu 100 Opfern. Sicher ist jedoch, dass für die 46 bestätigten Todesfälle niemand zur Verantwortung gezogen wurde, obwohl zahlreiches Videomaterial existiert, das einige Täter eindeutig identifiziert. Die Mörderbande in Kiew deckt ihre Kettenhunde bis heute mit voller Absicht.

Die Präsenz der Faschisten im ukrainischen Staatsapparat hat sich seither nur verstärkt. Gerade in den Sicherheitsorganen, in Geheimdienst, Militär und Polizei besetzen sie zentrale Posten und arbeiten mit diesen Behörden zusammen, um die Opposition auszuschalten. Dabei überfallen, schlagen, foltern und ermorden sie vor allem Kommunisten, Linke und Gewerkschafter. Ihr Terror richtete sich seit Beginn des Bürgerkriegs 2014 auch gegen ethnische Russen und andere Minderheiten wie Roma. Die Neonazi-Bataillone in der Ukraine begingen unzählige, schwerste Verbrechen. Die Namen Asow, Aidar, Tornado, Dnepr-1, Dnepr-2 und Rechter Sektor stehen für skrupellose, menschenverachtende Gewalt. Und diese faschistischen Strukturen reichen bis nach Deutschland. So wurde kürzlich bekannt, dass Centuria, „eine der mächtigsten Neonaziorganisationen der Ukraine“ in Deutschland einen Ableger etabliert hat, der u.a. in Magdeburg öffentlich auftritt.

Die Gegenwehr aus dem Donbass richtete sich zu einem erheblichen Teil auch explizit gegen die von Kiew geförderte Heroisierung der ukrainischen Hitler-Kollaborateure und deren heutige Entsprechung, die faschistischen Gruppen, die nach dem Putsch straffrei in der gesamten Ukraine agieren konnten und dies bis heute tun. Der positive Bezug auf die Sowjetunion und den Sieg der Roten Armee im 2. Weltkrieg ist im Donbass tief verankert, verhielten sich doch dort die deutschen Truppen besonders bestialisch.

Die Ukraine seit dem 24.02.2022

Das Regime in der Ukraine nutzte und nutzt den offenen Krieg mit Russland seit dem 24. Februar 2022 kaltblütig aus, um unter dem Vorwand der Anschuldigung des Verrats skrupellos die Opposition zu beseitigen, einschließlich fast aller anderen Parteien sowie zahlreicher Medienhäuser und Journalisten. Mehrere Bürgermeister im Osten der Ukraine wurden ohne Gerichtsverhandlung und Ermittlung durch die örtlichen Handlanger Kiews wegen „Verbrechen“ wie Verhandlungen über humanitäre Korridore oder Absprachen zu Lebensmittellieferungen mit dem russischen Militär hingerichtet. Sie hätten ein Recht auf ein ordentliches Verfahren haben müssen, anstatt gefoltert, erschossen und dann auf die Straße geworfen zu werden – ein Recht, das in der Ukraine aber längst nicht mehr garantiert ist. Hunderte von Journalisten, Bloggern, Politikern, gewählten Vertretern, Aktivisten, Priestern, Sportlern und sogar ukrainischen Unterhändlern und Offizieren wurden verhaftet und geschlagen, einige davon gefoltert oder getötet. Die meisten von ihnen wurden wegen vermeintlichen „Landesverrats“ angeklagt.

Aber auch der Terror gegenüber Kommunisten hat sich noch einmal zugespitzt. Nachdem die Kommunistische Partei der Ukraine bereits seit 2014 mit schweren Angriffen auf ihre Mitglieder und Infrastruktur durch den Staat und seine faschistischen Schergen zu kämpfen hat und 2015 de facto verboten wurde, wurde dieses Verbot im Juli 2022 finalisiert, alle Mittel beschlagnahmt und die Aktivisten kriminalisiert. Auch andere kommunistische Strukturen wie Borotba oder die Union der Kommunisten in der Ukraine sind eklatanter Gefahr und Repression ausgesetzt. Niemand weiß, wie viele Genossen in den letzten zwei Jahren verschwunden sind, verprügelt, gefoltert und getötet wurden. Eine Strafverfolgung gegen die Täter findet nicht statt, insbesondere, da diese oftmals mit Polizei und Geheimdiensten kooperieren. Faktisch sind Kommunisten in der Ukraine vogelfrei. Der wohl bekannteste Fall, die Inhaftierung der Kononovich-Brüder des Leninistischen Komsomol- Jugendverbandes der Ukraine Anfang März 2022, etwa 3 Wochen nach Beginn des Militäreinsatzes, ist ein Paradebeispiel. So wurden die beiden bereits nach dem Putsch 2014 misshandelt und gefoltert, nach dem Kriegsbeginn nahm die Verfolgung jedoch eine neue Qualität an – noch immer stehen die Genossen mit Fußfesseln unter Hausarrest, sie berichten von bestialischer Misshandlung in Haft. Obwohl wir generell keine Sympathien für das US- Marionettenregime in Kiew haben, protestieren wir besonders scharf gegen die Kriminalisierung, Einschüchterung und Terrorisierung ukrainischer Kommunisten!

Auch die Bilder der seit vielen Monaten laufenden und immer weiter eskalierenden Zwangsrekrutierungen für die ukrainische Armee sind schwer zu ertragen und sprechen eine eindeutige Sprache. Die Kiewer Junta verheizt ihr Staatsvolk in dem verzweifelten Versuch, die Geländegewinne der russischen Armee noch irgendwie aufhalten zu können. Dass dabei schon mindestens eine sechsstellige Zahl an Ukrainern gefallen ist, beschert den NATO-Staaten und ihren örtlichen Schergen wie Selenskyj kein Kopfzerbrechen, haben sie doch mehrfach klargemacht, dass sie die menschlichen Kosten im Kampf gegen Russland nicht interessieren. Bereits im März 2022 brachte der US-Diplomat Chas Freeman die zynische Strategie der transatlantischen Mächte mit den Worten auf den Punkt, die NATO-Staaten „kämpfen bis zum letzten Ukrainer.

Eskalation des Krieges durch NATO und EU

In den letzten zwei Jahren wurde der Krieg in der Ukraine durch fortgesetzte Waffenlieferungen vor allem seitens der NATO und ihrer bedeutendsten Mitglieder, insbesondere der USA in Zusammenarbeit mit Deutschland, Polen und Großbritannien, weiter angeheizt. Die Entscheidung, heute neben Schützen- und Radpanzern auch Kampfpanzer in den Krieg zu werfen, steht im Kontrast zu den Diskussionen vor zwei Jahren, die sich noch um 5.000 Helme drehten. Deutsche Panzer rollen seit über einem Jahr wieder nach Osten, um Russen zu töten. Diese widerliche Wiederholung der deutschen Geschichte hat nachvollziehbarerweise zu einem Sturm der Entrüstung in Russland geführt- während in Deutschland bereits am selben Tag von vielen Seiten eine weitere Eskalation durch die Sendung von Kampfjets gefordert wurde. Artillerie-Munition mit 300 km Reichweite, Kriegsschiffe, U-Boote, sogar Atomwaffen – keine Forderung ist mehr tabu, einige bereits teilweise durchgewunken. Sogar über die Entsendung von NATO-Truppen wird immer wieder gesprochen, wohlgemerkt zusätzlich zu den tausenden westlichen Söldnern, die nur zum Schein ihre Tätigkeit als Soldaten von NATO-Staaten aufgeben und seit knapp zwei Jahren vor Ort kämpfen.

Selbstverständlich ist diese zunehmende Zuspitzung äußerst gefährlich, nicht nur für die Ukraine und Russland. Die russische Führung hat mehrfach davor gewarnt, ihre roten Linien zu überschreiten, sie werde darauf antworten und das sei „kein Bluff“. Ganz Europa wird durch die Kriegspolitik der NATO zur Zielscheibe in einer potenziellen nuklearen Eskalation, die den europäischen Kontinent und im schlimmsten Fall sogar die gesamte Erde unbewohnbar machen könnte. Die deutsche Regierung und die sie noch anfeuernden Medien bringen also ganz Deutschland mit ihrem Kriegskurs in existenzielle Gefahr! Dieses kriminelle und barbarische Verhalten, das nicht nur, aber an vorderster Front von den Grünen, SPD, Union und FDP betrieben wird, setzt das Leben der 83 Millionen Menschen hierzulande leichtfertig aufs Spiel und führt uns immer näher an einen Dritten Weltkrieg. Bei einer weiteren Eskalation kann selbstverständlich auch Deutschland aktiv in den Krieg hineingezogen werden, könnten Bomben auch wieder auf deutsche Städten fallen. Das dürfen wir nicht zulassen, die Ampel-Kriegshetzer, die NATO-Mörderbande und die hinter ihr stehende deutsche Kapitalistenklasse muss gestoppt werden!


Die NATO ist de facto längst Kriegspartei!

Selbst diejenigen, die in den letzten zwei Jahren am eifrigsten daran gearbeitet haben, die Beteiligung Deutschlands und anderer NATO-Staaten am Konflikt zu verschleiern, können mittlerweile kaum mehr leugnen, dass sie sich längst zur Kriegspartei gemacht haben und bei einer weiteren Eskalation natürlich auch zum Ziel werden können. Andere wiederum, wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die ihrer ungezügelten Raserei gerade zu Beginn der Militäroperation freien Lauf ließ, gehen damit seit einiger Zeit offen um. So verkündete sie schon am 24. Januar 2023 im Europarat: „We are fighting a war against Russia(zu Deutsch: „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland“), nachdem sie davor schon ihre Intention offengelegt hatte, dafür zu sorgen, dass Russland „volkswirtschaftlich jahrelang nicht mehr auf die Beine kommt“, kurzum: „Russland zu ruinieren“. Es handelt sich unmissverständlich längst um einen Krieg der NATO gegen Russland, der in der Ukraine ausgefochten wird. Kürzlich brachte sich Roderich Kiesewetter (CDU) mit der Aussage ein, man müsse „den Krieg nach Russland tragen“. Die NATO-Staaten tun das de facto bereits stellenweise, aber diese Forderungen der Kriegstreiber suchen die offene Konfrontation mit Russland noch weiter zuzuspitzen.

NATO-Staaten haben 2014 den Putsch orchestriert und die Ukraine in der Folge zu einem Anti- Russland aufgebaut. Die NATO-Staaten haben die Ukraine militärisch aufgerüstet. Die NATO kümmert sich jetzt im Krieg um die Aufklärung, liefert also Geheimdienstinformationen zu allen relevanten Teilen des Krieges, wie z.B. zu Truppenbewegungen und Kommandoposten der russischen Seite. Die USA sitzen im Planungsstab der ukrainischen Armee und arbeiten gemeinsam an einer Offensive, die sogar die Krim betreffen soll. Auch Deutschlands Regierung ist aktiv am Krieg gegen Russland beteiligt: Deutschland bildet ukrainische Soldaten aus, schickt Geld an die Ukraine und liefert Unmengen an Waffen.

Auch die Tatsache, dass der Krieg noch nicht vorbei ist, liegt hauptsächlich in der Verantwortung des Westens, indem dieser die Ukraine mit Waffen vollpumpt und den Konflikt so unnötig in die Länge zieht- aber auch durch die Vereitlung der bis zur Intervention des britischen Premierministers Johnson aussichtsreichen Friedensverhandlungen zwischen Russland und Ukraine in Istanbul im März 2022. Der Westen war nicht bereit für das Ende des Krieges, schließlich geht es darum, Russland nachhaltig politisch, wirtschaftlich, militärisch und finanziell zu schwächen und die Gebiete, die Russland nach Kriegsende wohl angegliedert werden, zerstört zurückzulassen. Im „besten“ Fall musste man dafür gar keine eigenen Soldaten opfern, sondern lässt die Ukrainer für sich sterben – das ist die zynische Logik dieser Strategie. Die NATO und ihr ukrainisches Marionettenregime sind sich natürlich bewusst, dass sie diesen Krieg nicht gewinnen können. Dennoch sind sie bereit, das sinnlose Sterben zu verlängern, um Russland so weit wie möglich zu schwächen. Das westliche Kriegsbündnis trägt die Verantwortung für jede weitere Eskalation dieses Konflikts, indem es den Krieg bewusst vorantreibt, selbst unter Inkaufnahme aller möglichen Folgen, einschließlich eines potenziellen nuklearen Infernos.

Die Ukraine war schon historisch anti-russisches Aufmarschgebiet westlicher Mächte

Bereits gegen das Zarenreich, also seit über 100 Jahren, versucht der deutsche Imperialismus die Ukraine gegen Russland in Stellung zu bringen. So bildete beispielsweise schon 1923 die Reichswehr bewaffnete Kämpfer der Terror- und Spionageorganisation UVO in München aus. Unter anderem aus der UVO ging später auch die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) hervor, die im 2. Weltkrieg massenhaft mit Hitler-Deutschland zusammenarbeitete, als die deutschen Faschisten den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion im Interesse der deutschen Kapitalistenklasse versuchten und dabei am heroischen und äußerst verlustreichen Widerstand der sowjetischen Völker scheiterten. Diese ukrainischen Henker beteiligten sich willfährig am industriellen Massenmord an Kommunisten, Juden, Polen, Russen und anderen Opfern der deutschen Gewaltherrschaft in der Ukraine und Polen. Die Kooperation endete jedoch nicht 1945: Bis Mitte der 1950er verübten die ukrainischen Faschisten auf dem Gebiet der Sowjetunion mit Unterstützung von westdeutschen, britischen und US-Geheimdiensten Terroranschläge, denen mehrere Zehntausende zum Opfer fielen.

Diejenigen, die nicht direkt vor Ort eingesetzt wurden, um den Sozialismus in Form der Sowjetunion militärisch aus dem Untergrund zu attackieren, sammelten sich größtenteils in Westdeutschland, Kanada und den USA. Das Zentrum ukrainischer Exil-Faschisten entstand in München um Stepan Bandera und wurde von westlichen Geheimdiensten unterstützt, um die ukrainische Bevölkerung u.a. durch Radio-Sendungen gegen die Sowjetunion aufzuhetzen. Nach der Auflösung der Sowjetunion formierten sich die Neonazi-Parteien und -Bewegungen in der Ukraine auch aus genau diesem Umfeld; sie sind heute wie damals fanatische Antirussen.

Doch nicht nur zu offenen Faschisten bestand guter Kontakt. Bereits 2004 wurde mit maßgeblicher Unterstützung des Westens ein Staatsstreich durchgeführt, bekannt als die „Orangene Revolution“. Ziel war es, einen Präsidenten an die Macht zu bringen, der gute Wirtschaftsbeziehungen zum Westen förderte und vor allem einen anti-russischen Kurs verfolgte. Dieser Präsident Juschtschenko erklärte u.a. den Massenmörder Bandera 2010 zum „Held der Ukraine“. Bei der Präsidentschaftswahl 2010 sprach sich das ukrainische Staatsvolk allerdings für Wiktor Janukowitsch aus, der sowohl zu Russland als auch dem Westen positive Beziehungen suchte; der Plan, die Ukraine zu einem Anti-Russland zu machen schien von der Bevölkerung erst einmal vereitelt worden zu sein. Also versuchte man sein Ziel vorerst über wirtschaftliche, politische und vertragliche Hebel mit Janukowitsch zu erreichen. Als aber das EU-Assoziierungsabkommen, ein Knebelvertrag, der die Ukraine der EU schutzlos ausgeliefert hätte, zu platzen drohte, orchestrierte der Westen kurzerhand unter Führung von USA und Deutschland 2013/14 den zweiten Putsch innerhalb von 10 Jahren in der Ukraine, den sog. „Euromaidan“. Hierbei spielten organisierte, bewaffnete Faschisten eine zentrale Rolle, die zu Tausenden als Schlägerbanden den Weg frei prügelten. Auch in der Putschregierung saß mit der Partei Swoboda eine offen antisemitische, russenhassende Nazi-Partei. So schaffte man es doch noch, das Land in ein Anti-Russland zu verwandeln. Die Ukraine sollte der Rammbock gegen Russland werden, vom dem deutsche und US-Strategen seit Jahrzehnten träumten.

Die NATO – der Feind der Völker

Wenn sich nun – wie es derzeit allgegenwärtig passiert – Vertreter der NATO-Staaten darüber beschweren, dass Russland angeblich das Völkerrecht und die Souveränität der Ukraine verletzen würde, so ist dies an Heuchelei kaum zu überbieten. Die letzten Jahrzehnte zeigen klar, dass für die west- und mitteleuropäischen Länder unter der Führung der USA das Völkerrecht und die territoriale Integrität anderer Staaten nur dann von Bedeutung sind, wenn sie dies propagandistisch gegen eine als Feind erklärte Regierung ausschlachten können. Sie selbst fühlen sich daran nicht gebunden, wie an den Beispielen Jugoslawien, Irak, Libyen, Syrien und Palästina deutlich wird. Gerade die Kriege der USA, oftmals mit deutscher Unterstützung, ließen sich seitenlang auflisten. Jedes Aufbegehren von Völkern und Regierungen gegen die von den NATO-Staaten aufrecht erhaltene internationale Wirtschafts- und Finanzherrschaft über den Globus, die die Völker in sklavischer Abhängigkeit hält und ihnen Hunger sowie Verelendung breiter Bevölkerungsschichten auferlegt, wird so brutal niedergeschlagen. Ein anschauliches Beispiel für die rücksichtslose Vorgehensweise der NATO-Staaten bot 1996 die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright in einem Fernsehinterview. Auf die Frage, ob die etwa 500.000 durch die US-Sanktionen gestorbenen irakischen Kinder den Preis wert seien, um die widerständige irakische Regierung zu stürzen, antwortete sie: „Wir denken, dieser Preis ist es wert.“ Die dutzenden Millionen Toten der NATO-Terrorherrschaft sprechen eine eindeutige Sprache.

Seit zwei Jahren hören wir nun aber ohrenbetäubendes mediales Trommelfeuer, das mit Superlativen gegen Russland um sich wirft. In der westlichen Konzern- und GEZ-Presse heißt es, der Westen stünde im Gegenteil zu Russland für Werte, Moral, Demokratie und Frieden ein – noch dreister zu lügen ist kaum möglich. Besonders beliebt ist dabei, unliebsamen Regierungen wie China, Russland, Iran, Syrien oder Nordkorea das vorzuwerfen, was eigentlich die NATO betreibt.

Der erste Krieg in Europa seit 1945 war ein NATO-Krieg

Dabei wird immer wieder behauptet, Russland führe den ersten Krieg in Europa seit 1945 und verschiebe die Staatsgrenzen der Nachkriegsordnung. Wir werden aber nicht vergessen, dass es die NATO unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland war, die nach der jahrelangen, illegalen Finanzierung schwerstkrimineller, mafiöser Elemente wie der albanischen UÇK (neben ihrer Tätigkeit als Terrororganisation auch bekannt für immense Kriegsverbrechen, Drogen- und Organhandel) im Kampf gegen Jugoslawien 1999 offen zum Krieg überging und dabei den Kosovo gewaltsam abspaltete. Die illegale Okkupation des Kosovo durch die NATO dauert bis heute an! Der dafür geführte Krieg inklusive der Bombardierung Belgrads mit deutscher Beteiligung war fraglos völkerrechtswidrig, wie selbst der damalige Kanzler Schröder später in einem Gespräch mit der ZEIT zugab. Das hat jedoch nie dazu geführt, dass sich die hiesige Presse für ein Tribunal an den dafür Verantwortlichen eingesetzt hätte, obwohl sie nachgewiesenermaßen schamlos gelogen hatten, um die deutsche Bevölkerung kriegsreif zu schießen – die Fischers, Schröders und Scharpings dieses Landes konnten ungestört weiter morden. Die Scheinheiligkeit und Lügen der NATO-Kriegstreiber und der ihr zuarbeitenden Presse kennen keine Grenzen. Die Propaganda in diesem Land versucht, uns Schauermärchen über Russland und andere Länder einzutrichtern, um davon abzulenken, dass die eigentlichen Verbrecher hier sitzen!

Die Bedrohung und Einkreisung Russlands

Die NATO ist auch für Russland eine ganz konkrete Bedrohung. Die viel besprochene NATO- Osterweiterung ist hierfür ein Beispiel. Diese wurde trotz gegenteiliger Versprechen an die in der Auflösung begriffene Sowjetunion durchgeführt und beinhaltete 1999 Polen, Tschechien und Ungarn, 2004 Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien, 2009 Albanien und Kroatien, 2017 Montenegro und 2020 Nordmazedonien. Schnelle Eingreiftruppen an der russischen Grenze, Stationierung von Mittelstreckenraketen, die in wenigen Minuten Moskau erreichen können, Lagerung von US-Atomwaffen in Europa und die kontinuierliche Aufkündigung von aus früherer Zeit bestehenden Abrüstungsverträgen durch die USA sind nur ein paar Schlagworte dazu in einer endlosen langen Liste.

Die unzähligen Kriegssimulationen der NATO und einzelner NATO-Staaten richten sich unzweifelhaft gegen Russland, finden sogar oftmals direkt an der russischen Grenze statt. Im Rahmen von „Steadfast Noon“ wird dabei beispielsweise auch der Abwurf von Atombomben trainiert. Doch damit nicht genug: Immer wieder führt die ukrainische Armee mit zahlreichen NATO-Staaten gemeinsame Übungen durch. So werden die Militärmanöver „Rapid Trident“ von der Ukraine ausgerichtet und unter großer NATO-Beteiligung durchgeführt, zuletzt im Herbst 2021 mit starker US-Partizipation. Die Marine-Machtdemonstration „Sea Breeze“ der NATO im Schwarzen und Asowschen Meer an Russlands Grenzen findet ebenfalls unter maßgeblicher Einbeziehung der Ukraine statt. Oder auch Agile Spirit, das 2021 im an Russland grenzenden Georgien durchgeführt wurde, wieder unter ukrainischer Beteiligung. All dies sind nur Beispiele für die unzähligen militärischen Drohgebärden, die immer wieder auch die Ukraine miteinbeziehen.

Politische und wirtschaftliche Folgen für Deutschland

Der Kriegszustand ist auch im Inland seit zwei Jahren spürbar. Russische Medien wurden schon 2022 verboten, ihre Internetseiten gesperrt. Auch YouTube und vergleichbare Konzerne sperren kritische Stimmen und russische Berichterstattung. Die Journalistin Alina Lipp, die aus dem Donbass berichtet, wird beispielsweise medial verhetzt, ihr Geld wurde beschlagnahmt und sogar das Konto ihrer Mutter eingefroren. Gegen Lipp ermittelt die Zentralstelle für Hasskriminalität im Internet, weil sie sich nicht an den vorgegebenen Meinungskorridor gehalten hat, der in Deutschland nur noch die Kriegshetze duldet! Während man für derartige Abweichungen früher nur verunglimpft und ausgegrenzt wurde, ist die BRD nun zur Kriminalisierung übergangen. Der antirussische Rassismus wird vorangetrieben, kulturelle- und Bildungskooperationen mit Russland oder sogar nur russischstämmigen Menschen werden untersagt und gestrichen. Auch Friedensaktivisten und andere, die der Kriegshetze gegen Russland widersprechen, werden repressiert. So wird beispielsweise Heiner Bücker, der am 8. Mai 2022 eine NATO-kritische Rede hielt, die den Militäreinsatz in den entsprechenden historischen und politischen Kontext einordnete, strafrechtlich verfolgt. Auch die Verschärfung des Strafrechts unter § 130 Abs. 5 StGB ist vor diesem Hintergrund zu betrachten.

Während der Krieg, die Waffenlieferungen, der ukrainische Staatshaushalt und die Ausbildung ukrainischer Truppen durch Deutschland finanziert werden und mittlerweile statt dem verabschiedeten 100-Milliarden-Euro-Kriegskredit für die Aufrüstung der BRD immer wieder 300 Milliarden Euro im Gespräch sind, leidet die deutsche Bevölkerung an gestiegenen Preisen für Lebensmittel und Energie. Aber der Krieg muss irgendwie finanziert werden. Während die Kapitalisten in diesem Land Rekordprofite verzeichnen, stehen wir vor einem Verarmungsprogramm, das sogar die Frage im Winter aufwirft, ob wir uns die Heizung noch leisten können.Daran ist jedoch nicht Russland schuld, wie uns hier permanent erzählt wird. Erstens stiegen die Preise schon vor dem 24. Februar 2022, sodass bereits davor von einer auffällig hohen Inflation gesprochen wurde und zweitens ist es gerade der Wirtschaftskrieg von USA und EU gegen Russland, der die Situation so verschärft. Die Sanktionspakete und der Boykott russischer Rohstoffe sind es, die die Preise, neben der üblichen Finanzmarkt-Spekulation und der Preistreiberei der Monopolunternehmen, anziehen lassen. In großen Teilen der Welt sieht es aufgrund dieser Sanktionen noch düsterer aus, so haben diese de facto dazu geführt, dass russische Unternehmen ihren Export von Nahrungs- und Düngemittel stark einschränken mussten, was gerade in den ärmsten Regionen der Welt den Hunger deutlich verschlimmert hat. Die Verarmung ist also Teil der Kriegspolitik der Bundesregierung! Es ist in unser aller Interesse, die Regierung dazu zu zwingen, von ihr abzurücken, da sie nur den Kapitalisten zugutekommt, nicht aber den anderen Teilen des Volkes. Das kriegen wir jedoch nicht durch Appelle an die Verantwortlichen bewerkstelligt, sondern nur, indem wir uns organisieren und gemeinsam dafür kämpfen!

Die KO im Lichte des Ukraine-Kriegs

Im letzten Jahr haben wir als Kommunistische Organisation (KO) zu diesem Themenkomplex in Vertiefungsgruppen gearbeitet, die Ergebnisse werden gerade nach und nach veröffentlicht. Wer also eine weitergehende Auseinandersetzung mit den Hintergründen sucht, wird dort fündig.

Worin wir uns als KO einig sind, ist, dass wir für die Niederlage der NATO in der Ukraine und auf der ganzen Welt eintreten. Wir werden uns den Kämpfen der Völker gegen die deutsche Kapitalistenklasse und ihre Institutionen, Organisationen, und Staatenbündnisse wie EU und NATO sicherlich nicht in den Weg stellen. Auch wir kämpfen gegen die westliche Herrschaft, die nicht nur andere Völker, sondern auch uns knechtet! Wir betrachten es als unsere Pflicht, uns dem Tsunami der Kriegshetze der Konzern- und GEZ-Presse mit aller Kraft entgegenzustellen und unmissverständlich klarzumachen: Nicht Russland ist unser Feind, es sind die NATO und der deutsche Imperialismus!

Außerdem setzen wir weiterhin die auf unserer 4. Vollversammlung beschlossene Aktionsorientierung um. Mit dieser haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Kriegspolitik und Propaganda des deutschen Imperialismus und der NATO, Waffenlieferungen und Geldtransfers an die Ukraine, den 100-Milliarden-Euro-Kriegskredit, Faschismus und Geschichtsrevisionismus, antirussische und anderweitige rassistische Hetze, das Verbot russischer, sowjetischer und der Symbole der Volksrepubliken des Donbass sowie die Verfolgung, Einschüchterung und Bedrohung russischer Mitbürger zu bekämpfen.

Wir sagen:

Schluss mit dem Wirtschaftskrieg von USA und EU gegen Russland!

NATO raus aus der Ukraine!

Hoch die internationale Solidarität!

Steadfast Defender 2024 und die NATO-Manöver – Der Beginn einer Analyse

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Von Johannes Lemke

CINCU, Romania –Soldiers from the Turkish Army SPH Battalion conduct a live fire exercise with the AK40-GL Bombaatar during Exercise Steadfast Defender 2021.
CINCU, Rumänien – Türkische Soldaten während des NATO-Manövers Steadfast Defender 2021.

Redaktionsnotiz
Wir veröffentlichen hier anlässlich des von der NATO angekündigten Manövers Steadfast Defender 2024 einen im Zuge unserer Klärungsarbeit entstandenen Text, der in die Vertiefungsgruppe NATO-Strategien zur Kriegsvorbereitung eingegangen ist.

Prolog – Aus gegebenem Anlass

Die NATO (North Atlantic Treaty Organization) reiht in den letzten Jahren einen Rekord an den nächsten. Bereits das Manöver Defender Europe 2020 (welches auf Grund der Corona-Pandemie erst im Jahr 2021 stattfand) war mit mindestens 30.000 Soldaten eines der größten Manöver der NATO seit Ende des Kalten Krieges überhaupt. Mit über 10.000 Soldaten und 250 Flugzeugen fand mit Air Defender 23 die größte Verlegeübung von NATO-Luftstreitkräften jemals statt. Und wäre das alles nicht genug, legt das imperialistische Militärbündnis noch einen drauf: Das erst 2021 ins Leben gerufene Manöver Steadfast Defender soll sich 2024 als Mega-Projekt etablieren, wie kürzlich bekannt wurde. Es soll mit Abstand die größte Übung von NATO-Streitkräften seit Ende des Kalten Krieges werden, ca. 90.000 Soldaten und über 1.200 Fahrzeuge umfassen und alle NATO-Staaten plus Schweden einbinden (Wiegold, 2024) (Falconer, 2024).

Die Übung soll explizit einen russischen Angriff simulieren, welcher damit den Bündnisfall (Artikel 5 des NATO-Vertrags) auslöst (Wiegold, 2024). So deutlich drückte die NATO ihre Kriegsziele seit Auflösung der Sowjetunion nicht mehr aus, auch wenn bei vorherigen Übungen immer klar war, dass Russland als Aggressor simuliert worden ist. Aus diesem Anlass wird hiermit eine Ausarbeitung vorgelegt, die eigentlich nur als Teil einer Arbeitsgruppe zur „NATO-Strategie zur Kriegsvorbereitung“ im Zusammenhang mit der Klärungsarbeit der Kommunistischen Organisation entstanden ist und somit nicht als eigenständige Publikation gedacht war. Dieser Beginn einer Analyse von Militärmanövern der NATO soll jedoch auf die Dringlichkeit und die Eskalationsspirale hinweisen mit der die NATO den Krieg gegen Russland probt.

Einleitung

Militärmanöver dienen nicht nur der Ausbildung und des Trainings einer Armee bzw. Teilen einer Armee, sondern verfolgen darüber hinaus ein bestimmtes Ziel. Daher sind Militärmanöver Krieg nur ohne kriegerische Kampfhandlungen mit dem Gegner. Sie bereiten den Krieg jedoch direkt vor. Gehen wir davon aus, dass nach Clausewitz der Krieg die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln ist, müssen auch Militärmanöver konsequenterweise berücksichtig werden. Die NATO und ihre Einzelstaaten üben bereits seit der Gründung der NATO 1949 die militärische Konfrontation mit der Sowjetunion. Doch auch nach der Konterrevolution und damit dem Zerfall des sowjetischen Staates, bleibt der absolute Fokus der NATO auf dem Rechtsnachfolger der Sowjetunion – der Russischen Föderation – bestehen. Besonders seit 2014 rückt die Rolle der NATO im Kampf gegen Russland wieder vermehrt ins öffentliche Bewusstsein. Ableitend daraus müssen wir für die Einschätzung der Militärintervention Russlands in der Ukraine die NATO und damit ihre Manöver betrachten. Es soll damit ein Teilaspekt der These herausgearbeitet werden, dass die NATO einen Krieg gegen Russland vorbereitet hat.

Die Bundeswehr definiert ein Manöver als „eine möglichst realitätsnahe militärische Übung“ (Bundeswehr, 2023). Im Folgenden soll der Begriff Manöver jedoch im weiteren Sinne verstanden werden. Er bezieht sich nicht nur auf tatsächlich als „Manöver“ deklarierte Übungen, sondern auch auf Einsätze, Kriege, Truppenbewegungen und sonstige Aktivitäten unter Einbindung von NATO-Streitkräften.

Die vorliegende Ausarbeitung gliedert sich in zwei Hauptteile. Zum einen sollen Rechercheergebnisse allgemein zu Militärmanövern festgehalten werden, die zur Vorbereitung dienen, um konkrete Geschehnisse einzuordnen. Zum anderen sollen Militärmanöver der NATO im Hinblick auf die Forschungsfrage betrachtet werden.

Charakterisierung von Manövern

Militärmanöver haben auf Grund zunehmender Großkonflikte eine zunehmende Bedeutung (Pflüger, 2022). Schließlich dienen sie der konkreten Vorbereitung eines Staates auf einen Krieg (unabhängig ob angreifend oder angegriffen). Beispielsweise die Bundeswehr gibt mit steigender Tendenz zwischen 100 und 300 Millionen Euro allein für die Beteiligung an Manövern aus ( Informationsstelle Militarisierung, 2023). Doch die genaue Bedeutung von Manövern zu bestimmen, geschieht in der Literatur selten, obwohl allein aus dem Charakter von Übungen die politische Motivation eines Staates oder Staatenbündnisses an einem möglichen zukünftigen Krieg abgeleitet werden könnte. Um militärische Manöver genauer politisch charakterisieren zu können, haben wir mehrere Merkmale identifiziert, die im Folgenden kurz dargelegt werden sollen. Zur Charakterisierung von Manövern muss die Funktion bzw. sein Ziel und seine Mittel analysiert werden. Zumeist erfüllt eine Trainingsmission nicht nur ein, sondern auch mehrere Ziele – sie können sich gegenseitig ergänzen und schließen sich nicht zwangsläufig aus.

Die Merkmale von Manövern lassen sich in folgende Teilbereiche gliedern: Funktion/Ziel, Ort und Umfang, wobei vor allem die Funktionen sehr vielfältig sein können.

Die Funktion eines Manövers kann das Training von Soldaten, das Zeigen von Militärpräsenz, die Sensibilisierung der Bevölkerung oder auch die Aufklärung des Gegners sein. Ein Training kann das Testen von Abläufen und Strukturen bedeuten, genauso wie das Vertraut machen der Soldaten und der Technik mit der Umgebung. Darüber hinaus können Waffensysteme und Kommunikationswege getestet werden. Die Militärpräsenz kann unter anderem dazu dienen, gegenüber dem Gegner ein Bedrohungsszenario zu schaffen. So kann ein Manöver jeder Zeit in einen tatsächlichen Einsatz umschlagen – defensiv wie offensiv. Darüber hinaus kann eine Übung die Funktion erfüllen, die Bevölkerung bewusst in die Kriegsplanung ein- oder auch auszuschließen. Sie kann in der Öffentlichkeit die Militarisierung der Menschen und die ideologische Vorbereitung eines Krieges oder aber auch Skepsis und Ablehnung verursachen. Als letzte Funktion kann ein Manöver ebenso der Aufklärung dienen. Zum einen kann eine spezifische Konfliktregion detaillierter beobachtet und ggf. ausgespäht werden. Zum anderen kann vor allem auch die Reaktion des vermeintliches Gegner verfolgt werden.

Neben der Funktion eines Manövers ist vor allem auch das Einsatzgebiet und der Umfang der Übung wichtig für dessen Charakterisierung. Sie deuten zusätzlich auf eine spezifische Funktion hin. So kann eine Mission zum Beispiel in räumlicher Nähe zum Gegner bzw. zu strategisch wichtigen Positionen stattfinden. Auch die geographische Einsatzumgebung und damit die klimatische Bedingungen sind wichtig, um Material, Technik und Menschen auf besondere Bedingungen vorzubereiten. Der Umfang an Soldaten und Gerätschaft kann darauf hindeuten, auf welche Art von Konflikt das Militär tatsächlich vorbereitet wird.

NATO-Manöver gegen Russland

Für die kommende Einordnung von NATO-Manövern ist es zunächst besonders wichtig zu verstehen, dass permanent NATO-Übungen stattfinden. So führte die NATO bereits 1951 – also zwei Jahre nach ihrer Gründung – über 100 Militärmanöver durch (Pflüger, 2022). Nach diversen historisch bedingten Schwankungen stieg die Zahl der Manöver der NATO von ca. 100 im Jahr 2013 auf fast 250 im Jahr 2016 und ca. 300 geplante Manöver im Jahr 2021 (Pflüger, 2022; Henken, 2022; Informationsstelle Militarisierung, 2015).

Im Fokus der NATO-Manöver steht fast immer die Interoperabilität – also die Fähigkeit des Zusammenwirkens verschiedener Armeen. Damit gemeint sind die multinationalen Kampfverbände (z.B. Verwendung eines gemeinsamen Militäralphabets) der NATO, die aus den nationalen Einheiten bestehen. Daher muss besonders die Kommunikation und das Zusammenwirken verschiedener Technik geübt werden. Von besonderer Bedeutung ist auch die Einbindung von Drittstatten in die Übungen über die Partnership for Peace (vor allem Ukraine, Finnland und Schweden), welche die Ost-Flanke der NATO erheblich erweitern und einer faktischen Integration dieser Staaten in das Militärbündnis gleichkommt (Haydt, 2022; Kronauer, 2018, S. 103f, 184).

Im sogenannten War on Terror zu Beginn der 2000er Jahre wurde Russland noch zunächst als Transitland zum Transport von Waffen und Soldaten nach Afghanistan eingebunden. Im Jahr 2005 führte Deutschland sogar als einziges westliches Land Militärmanöver mit Russland in Zweibrücken und Pskow durch (Kronauer, 2018, S. 77).

Die bedeutendsten Manöver für den Konflikt zwischen der NATO und der Russischen Föderation sind Rapid Trident (Fokus Ukraine), BALTOPS (Fokus Ostsee), Anakonda, Defender Europe, Air Defender und Cold Response (Fokus Nordatlantik und Nordpolarmeer) (Henken, 2022). Sie sind die größten und umfangreichsten Manöver, die regelmäßig stattfinden (sollen) und den Krieg gegen Russland üben. Oftmals schließen diese umfangreicheren Übungen kleinere Trainings- und Ausbildungsmissionen mit ein. So gehören beispielsweise zum Manöver Defender Europe die drei Missionen Swift Response, Immediate Response und Saber Guardian, die verschiedene Stufen eines Gesamteinsatzes proben. Die Manöver der NATO-Staaten sind formal keine „NATO-Manöver“. Ein Staat übernimmt die Koordination und lädt die anderen Staaten offiziell dazu ein, sich zu beteiligen.

Die Manöver der NATO konzentrieren sich auf die Ostflanke der NATO bzw. die Westgrenze Russlands. Besondere Regionen für die NATO sind die Ukraine, die Ostsee, das Schwarze Meer, das Baltikum, Skandinavien bzw. das Nordpolarmeer. Vielfach wird in Manövern die Verteidigung der sogenannten Suwalki-Lücke geübt (u.a. Saber Strike und BALTOPS). Diese Lücke ist ein schmaler Korridor zwischen Polen und dem Baltikum, der im Nordwesten Kaliningrad und im Osten von Belarus flankiert wird. Die Lücke ist die einzige Landverbindungen für die NATO in die baltischen Staaten ist, weshalb sie in einem möglichen Konflikt eine wichtige geostrategische Bedeutung hat (Kronauer, 2018, S. 183).

Im Folgenden sollen die Manöver Defender und Cold Response detaillierter beschrieben werden. Sie wurden hier herausgegriffen, weil sie einen unterschiedlichen Charakter besitzen und für die NATO mit die bedeutendsten und größten Übungen überhaupt sind. Das in der Ukraine stattfindende Manöver Rapid Trident wurde an anderen Stellen bereits umfassender beschrieben (siehe Ausarbeitung der Vertiefungsgruppe „NATO-Strategien zur Kriegsvorbereitung“). Obwohl das Minks-II-Abkommen ausländischen Truppen den Aufenthalt in der Ukraine untersagt, bewilligte das ukrainische Parlament 2015 zahlreiche ausländische Militärübungen in der Ukraine und im Schwarzen Meer. Die NATO und die Ukraine brachen damit wissentlich das Abkommen (Informationsstelle Militarisierung, 2015).

Defender Europe

Defender ist ein Akronym und steht für Dynamic Employment of Forces to Europe for NATO Deterrence and Enhanced Readiness (deutsch: Dynamischer Einsatz von Streitkräften in Europa zur NATO-Abschreckung und Verbesserung der Einsatzbereitschaft). Es ist ein von den USA initiiertes Manöver, das alle zwei Jahre stattfinden soll (abwechseln mit dem Manöver Defender Pacific, welches nicht über die NATO organisiert wird). Das Manöver sollte erstmals 2020 stattfinden, was jedoch durch die Corona-Pandemie verhindert wurde. Defender Europe ist ein großes Manöver, an dem insgesamt ca. 30.000 Soldaten teilnehmen. Bedeutend ist dabei vor allem, dass ganze US-Divisionen (10.000 – 30.000 Soldaten) über den Atlantik und durch Westeuropa nach Osteuropa verlegt werden. Die Bundesrepublik Deutschland dient dabei sowohl als Drehscheibe als auch als Aufmarschgebiet für einen vermeintlichen Krieg gegen Russland. Die US-Truppen landen in Antwerpen (Belgien) und Bremen und werden dann über Deutschland und Polen bis an die russische Grenze verlegt. Die gesamte Koordination der Aktion findet über das NATO-Logistikzentrum Joint Support and Enabling Command (JSEC) in Ulm statt. Damit ist die BRD das logistische Rückgrat für das Manöver (Henken, 2022; Haydt, 2022).

Die Ziele von Defender sind das Training der Bereitschaft der US-Armee und der Zusammenarbeit multinationaler Kampfverbände (Haydt, 2022). Darüber hinaus soll die Infrastruktur und Koordination zum Transport großer Mengen Soldaten und Gerät getestet werden. Das Manöver ist damit vorrangig eine Verlegeübung, bei dem der Fokus auf dem schnellen Verlegen von Truppen vom Westen an die Ostflanke der NATO liegt (Weber, 2020).

Das Manöver ist die Vorbereitung auf einen großen militärischen Konflikt mit der Russischen Föderation, bei der innerhalb der NATO-Strukturen schnell Nachschub an Personal und Material nach Osten geliefert werden muss. Für ausreichend Nachschub an Gerät sorgen außerdem die Army Prepositioned Stocks (APS) der US-Armee in Deutschland und Polen. Die APS sind riesige Waffenkammern aus Zeiten des Kalten Krieges, die es den USA ermöglicht, lediglich die Soldaten nach Europa liefern zu müssen und die nötige Gerätschaft bereits in relativer Nähe zu einem Konflikt zu lagern. Die APS in Europa wurden in den letzten Jahren umfänglich modernisiert. Alte Lager wurden teils wiedereröffnet, andere werden weiter ausgebaut (Insgesamt Investitionen von ca. 1 Milliarde US-Dollar in den letzten Jahren) (Gardner, 2022).

Cold Response

Das Manöver Cold Response findet seit 2006 alle zwei Jahre an der Nordflanke der NATO unter der Führung Norwegens statt. Dabei liegt der geographische Fokus auf dem hohen Norden Norwegens, dem Nordatlantik und dem Europäischen Nordmeer. Das Manöver umfasst ca. 30.000 Soldaten aus über 20 NATO-Ländern und zusätzlich aus Schweden und Finnland (Bundeswehr, 2022). Cold Response ist damit eines der größten NATO-Manöver überhaupt.

Eine wichtige Funktion dieses Manövers ist das Training von Gerätschaft und Soldaten unter extremen Wetterbedingungen. Damit soll die Truppe auf einen möglichen Konflikt unter arktischen Bedingungen angepasst werden (North Atlantik Treaty Organization, 2022). Außerdem soll das schnelle Verteilen großer Truppenkontingente in dem kleinen Land geprobt werden (Bundeswehr, 2022).

Das Manöver ist auf Grund mehrerer Aspekte brisant. Zum einen findet es in unmittelbarer Nähe zu Stützpunkten der russischen Nordflotte statt, welche sich größtenteils in der Barentssee befinden. Dort sind russische Atom-U-Boote stationiert, die in einem nuklearen Krieg die Zweitschlagfähigkeit Russlands konventionell wie nuklear absichern (Henken, 2022). Damit zielt Cold Response explizit darauf ab, Russlands Verteidigungsmechanismen anzugreifen. Zum anderen geht es der NATO bei diesem Manöver um die Militärpräsenz in zwei geostrategisch wichtigen Regionen: der „GIUK-Lücke“ zwischen Grönland, Island und den britischen Inseln und der „Bären-Lücke“ zwischen Spitzbergen und Norwegen. Beide Lücken stellen geographische Engpässe dar, die die russische Nordflotte passieren muss, um in den Atlantik und damit in die weltumspannenden Ozeane zu gelangen. Diese Lücken zu verteidigen ist für die NATO von besonderer Bedeutung, um den Handlungsspielraum von Russlands Marine massiv einzuschränken (Müller, 2022).

Darüber hinaus gibt es immer mehr Ambitionen verschiedener Staaten, die Arktis wirtschaftlich wie militärisch zu nutzen. Durch die Klimaerwärmung werden neue Wege für die zivile wie militärische Seefahrt freigelegt bzw. bleiben ganzjährig offen. Zusätzlich wird es dadurch leichter möglich, die vielfältigen Ressourcen der Arktis abzubauen. Der russische Norden, der auf Grund der geographischen Eigenschaft über Jahrhunderte militärisch als sicheres Rückzugsgebiet galt, könnte damit zukünftig noch mehr in den Fokus von Russlands Feinden rücken. In diesem Zusammenhang äußerte Norwegens Verteidigungsminister am Rande des Cold Response 2022, dass man das Manöver als Teil einer dauerhaften NATO-Präsenz in der Arktis verstanden werden muss (Heilig, 2022).

Fazit

Militärmanöver sind möglichst realitätsnahe Übungen einer Truppe, die sie auf einen echten Einsatz bestmöglich vorbereiten soll. Daher sollten sie nicht als bloße Trainings abgetan, sondern als wichtige militärische Vorbereitung auf einen echten Konflikt verstanden werden. Im Umkehrschluss kann aus Manövern abgeleitet werden, auf welches Szenario sich eine Armee vorbereitet, was wiederum Schlüsse über die Strategie des jeweiligen Staates zulässt.

Jedes Militärmanöver bietet die Möglichkeit zur Eskalation des Konflikts und häufig kommt es zu Beinahe-Zusammenstößen oder sogar Zusammenstößen von gegnerischen Truppen. Wie eine Studie zeigte, gab es zwischen Januar 2013 und Dezember 2020 ca. 2.900 gefährlich nahe Begegnungen zwischen den Armeen der NATO-Staaten und der Russischen Föderation (Clem & Finch, 2021).

Darüber hinaus lässt sich ein Anstieg der Anzahl und des Umfangs der Manöver der NATO seit 2014 feststellen. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass es auch vor 2014 bereits explizite Manöver der NATO gab, die einen Krieg gegen Russland proben (z.B. Cold Response seit 2006). Neue Manöver kamen jedoch in der Phase 2014 – 2020 dazu (z.B. Defender Europe seit 2020).  Durch die regelmäßige Einbindung von B52-Atombombern der US-Luftwaffe in die NATO-Übungen (z.B. BALTOPS) ist bereits jetzt ein immenses Eskalationspotential gegeben (Kronauer, 2018, S. 184). Mit Air Defender soll seit 2023 sogar wieder ein neues Manöver gegen Russland etabliert werden, welches es noch zu untersuchen gilt.

Im Großen und Ganzen fokussieren sich die Manöver der NATO sehr auf die Ostflanke, trainieren vor allem die Interoperabilität der verschiedenen Armeen und sichern die enhanced Forward Presence ab, um in einem umfassenden Krieg möglichst schnell Militär aus dem Westen der NATO (v. a. USA) nach Osteuropa zu verlegen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die USA weltweit komplementäre Militärübungen innerhalb anderer Bündnisse durchführen, die sich zum Beispiel gegen die Volksrepublik China richten (AUKUS, QUAD) und die Hegemonie der USA im Pazifik absichern sollen (z.B. das Manöver Pacific Defender).

Nahezu alle heutigen Trainingsmissionen der NATO werden mit der Annexion der Krim durch Russland 2014 begründet (Weber, 2020). Jedoch muss hervorgehoben werden, dass die Manöver zur Kriegsvorbereitung gegen Russland nicht erst 2014 begannen. Die Kriegspläne der NATO gegen Russland sind bereits viel älter und die Reaktion Russlands auf den Ukraine-Konflikt 2014 kam der NATO sehr gelegen, um die Situation weiter eskalieren zu können (siehe Ausarbeitung der Vertiefungsgruppe „NATO-Strategien zur Kriegsvorbereitung“). Die jeweilige Phase der Auseinandersetzung und die Kontinuität des Kalten Krieges dürfen dabei nicht missachtet werden.

Die Russische Föderation nimmt die Manöver der NATO und ihrer Einzelstaaten an der russischen Westflanke sehr ernst und versuchte durch diplomatische Abkommen, die Eskalationsspirale zwischen der NATO und Russland zu entschleunigen. Noch am 17. Dezember 2021 legte die Russische Föderation den USA einen Entwurf über einen neuen Sicherheitsvertrag vor. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sahen unter anderem vor, sich auf eine einzuhaltende Entfernung für operative Militärübungen zur NATO-Russland-Grenze auf beiden Seiten zu einigen. Zusätzlich beinhaltete der Vorschlag, eine Kommunikation von Anlaufpunkten für Kampfschiffe und -Flugzeuge zwischen der NATO und Russland aufzubauen und den regelmäßigen Dialog zwischen Russland und der NATO wiederzubeleben (junge Welt, 2021).

Referenzen

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Gardner, C. (9. Juli 2022). U.S. Army Corps of Engineers supports readiness in Europe by modernizing Army’s Prepositioned Stock facilities. Abgerufen am 17. Juli 2023 von Defense Visual Information Distribution Service: https://www.dvidshub.net/news/428722/us-army-corps-engineers-supports-readiness-europe-modernizing-armys-prepositioned-stock-facilities

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Frankfurt: Vorstellung der Vertiefungsgruppe zu den deutschen Zielen im Ukraine Krieg

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Warum führt der deutsche Imperialismus einen wirtschaftlichen und militärischen Krieg gegen Russland und was sind die deutschen Kriegsziele? Um einen Beitrag zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen zu leisten, hat die KO eine Vertiefungsgruppe gebildet und die zentralen Einschätzungen der Kommunistischen Bewegung in einen Zusammenhang mit dem empirischen Material relevanter Autoren und Denkfabriken gebracht. 

Am 23.02.24 ab 19 Uhr werden die  Ergebnisse der Vertiefungsgruppe im Club Voltaire vorgestellt. Hierzu laden wir herzlich ein und freuen uns auf eine spannende Diskussion!

Zur Vorbereitung kann das Papier hier gefunden werden.