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Vertiefungen zu Fragen des Ukraine-Kriegs

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Die Klärung wird fortgeführt

Im Januar 2023 hatte sich ein Teil von der KO abgespalten. Gegenstand der Auseinandersetzung war unter anderem die Klärung der Kriegs- und Imperialismusfrage und wie sie umgesetzt werden soll. Wir haben beschlossen, weiter an der Beantwortung der Fragen unserer vierten Vollversammlung zu arbeiten, weil wir sie weiterhin für sehr wichtig halten und denken, dass sie Teil der Auseinandersetzung in der Internationalen Kommunistischen Bewegung sind und von großem Interesse für die Arbeiterbewegung insgesamt. Dabei handelt es sich um folgende Fragen:

„Wie ist der Militäreinsatz bzw. der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, der am 24.02.22 begonnen wurde, einzuschätzen? Ist er ein imperialistischer Angriff? Ist der Krieg imperialistisch, weil Russland ein imperialistisches Land ist? Ist der Krieg eine Verteidigungsmaßnahme?“ (Zitat aus Beschluss)

Spätestens nach dem Kommunismus-Kongress im September 2022 war klar, dass es große inhaltliche Differenzen in der Organisation gab. Wir hatten beschlossen, den Dissens in der Organisation systematisch zu erfassen und in einem organisierten, kollektiven und wissenschaftlichen Prozess zu bearbeiten. Jeder Genosse verfasste darauf einen schriftlichen Aufschlag, in dem die Fragen zur Einschätzung des Kriegs als erster Schritt von jedem selbst beantwortet werden sollten. Unterbrochen wurde diese Arbeit von dem zersetzenden Fraktionierungsprozess der Spalter, in dem ein Teil der Organisation der gemeinsamen Klärung eine Absage erteilte.

In der Auswertung dieser Aufschläge wurden in der Organisation nun zentrale Argumentationen identifiziert, die sich allesamt an der Frage der Verteidigung und in diesem Zusammenhang am Charakter des Krieges scheiden. Diese inhaltliche Spaltung spiegelt die Spaltung in der internationalen Kommunistischen Bewegung wider und war daher kein Zufall, auch weil wir uns in den Monaten zuvor intensiv mit den verschiedenen Positionen und Analysen befasst hatten.

Welche Argumentationen stehen sich gegenüber?

Unter den Argumentationen, die die Militäroperation (MOP) als Verteidigungsmaßnahme Russlands einschätzen gibt es folgende zentrale und im folgenden vereinfachte Argumentationsstränge: 

a) Die MOP sei eine Verteidigung Russlands gegen die NATO-Aggression. Es wird davon ausgegangen, dass die Ruinierung Russlands, ggf. sogar die territoriale Zerstückelung das lang angelegte Ziel der NATO sei. Zu diesem Ziel wurde die Ukraine spätetens seit dem faschistischen Putsch 2014 als Rammbock aufgebaut. Es wird auch teilweise davon ausgegangen, dass ein unmittelbarer Angriff seitens der Ukraine auf die Volksrepubliken im Frühjahr 2022 mit Unterstützung der NATO kurz bevor stand. Dieser stand im Zusammenhang mit militärischen Plänen zur Rückeroberung der Krim und Manövern im Schwarzen Meer, die eine weitere Eskalation bewirkt hätten. Der eigentliche Kriegsbeginn sei die ukrainische Intervention in der Ostukraine 2014. Die MOP hat also den Charakter einer Offensiv-Verteidigung.

b) Zwischenimperialistischer Krieg zwischen den USA und der BRD/EU, der auf Kosten Russlands (und der Ukraine) ausgetragen werde, so lautet die Diagnose eines zweiten Argumentationsstrangs. Im Kern geht es hier um die These, dass den USA die wirtschaftliche Zusammenarbeit insbesondere zwischen Deutschland und Russland lange ein Dorn im Auge gewesen sei, der deutsche Imperialismus insgesamt aber auch in seine Schranken gewiesen werden solle. Durch den Krieg in der Ukraine (und nicht zuletzt mit der Sprengung von NordStream) werde das wirtschaftliche Verhältnis zwischen den Ländern stark beschädigt. Außerdem sei Deutschland militärisch gebunden und werde an seinen untergeordneten Platz in der NATO verwiesen. Es ist klar, dass dieser Argumentationsstrang nicht der Argumentation von a) widerspricht.

Die Argumentationen, die sich gegen die Verteidigungsthese wenden, sind im folgenden ebenfalls kurz dargestellt. Es sind Argumentationen, die vor allem von denjenigen vertreten wurden, die sich Ende letzten Jahres von der KO abgespalten haben. Der Vollständigkeit halber und weil sie Gegenstand der Klärung sind, werden sie dennoch hier dargestellt: 

a) Imperialistische „Verteidigung“ Russlands. In diesem Strang wird zwar von einer NATO-Aggression ausgegangen, jedoch sei diese Frage unerheblich, da der grundlegende Charakter des Krieges imperialistisch sei. Im Imperialismus, dem monopolkapitalistischen Stadium des Imperialismus, sei das Wesensmerkmal aller Kriege der Kampf um die Neuaufteilung der Welt. Wer dabei aus einer stärkeren Position heraus agiere, sei für die grundsätzliche Einschätzung des Wesens eines Krieges nicht bestimmend. In allen Kriegen gehe es um imperialistische Einflussnahme auf wirtschaftlichem, geostrategischem und militärischem Gebiet. Eine Unterscheidung in Verteidigung oder Aggression entspräche der Logik kapitalistischer/imperialistischer Staaten, und nicht der Logik der Arbeiterklasse (siehe auch „Zwischenimperialistischer Krieg“).

b) Bei der MOP handele es sich um einen imperialistischen Angriff seitens Russlands zur Erweiterung seines Einflusses in der Ukraine, oder gar zur Unterwerfung der Ukraine. Der Ausbau insbesondere des wirtschaftlichen Zugriffs auf die Ukraine sei das Ziel des Krieges. So wolle sich der russische Imperialismus gegen seine westlichen Konkurrenten stärken.

c) Der Ukraine-Krieg sei ein zwischenimperialistischer Krieg zwischen der US-geführten NATO und der aufstrebenden imperialistischen Macht Russland. In einem imperialistischen Krieg sei die Frage, wer angefangen habe, nicht relevant für die Arbeiterklasse und die Kommunisten. Die Prämisse lautet hier, dass imperialistische Länder ausschließlich imperialistische Kriege führen können.

Argumentation a), b) und c) fußen allesamt auf der Annahme, dass Russland ein imperialistischer Staat sei. Dies wird mit der Vorannahme begründet, dass sich im entwickelten monopolistischen Stadium des Kapitalismus in fast allen Staaten Monopolkapital und eine Monopolbourgeoisie entwickelt habe. Die Unterschiede zwischen den Ländern seien deswegen nur noch quantitativer Natur. Russland bewege sich sogar unter den stärksten imperialistischen Ländern. Die These, dass nur eine Handvoll imperialistischer Staaten die Welt beherrsche, sei überholt.

d) Eine dritte Variante der „Keine Verteidigungsmaßnahme“-These geht davon aus, dass Russland zwar kein imperialistischer Staat, aber eine starke Regionalmacht sei. Das Kriegsziel Russlands sei dennoch die territoriale Expansion.

Die Auseinandersetzungen um diese Fragen sind nicht akademischer Natur. Es sind die zentralen Fragen, die momentan in der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung für Spaltung sorgen. Es sind die Fragen, deren Vermeidung zur Lähmung oder gar kompletten Auflösung der Friedensbewegung führen können. Eine klare Analyse von dem Charakter des Krieges zu erarbeiten und in die Friedensbewegung und an die Arbeiterklasse zu tragen, ist die Aufgabe von Kommunisten heute.

An der Einschätzung des Krieges hängt untrennbar die Frage nach der Taktik und den Kampflosungen der Arbeiterklasse. Klar ist zwar, dass keine Analyse „automatisch“ zu einer bestimmten Taktik- oder gar Strategiebestimmung führt. Dennoch macht es für die Arbeiterklasse einen Unterschied, ob die nationale Souveränität ihres Landes akut bedroht ist oder „ihre“ Bourgeoisie einen aggressiven Eroberungskrieg vom Zaun gebrochen hat. Die Arbeiterbewegung muss in jedem Fall alle Zusammenhänge, alle Verhältnisse und Widersprüche, alle relevanten Daten und Fakten kennen, damit sie richtig handeln kann. Dafür muss sie in einem Krieg die Frage beantworten können, ob es sich um eine Verteidigung handelt und ob darin gar progressives Potential im Kampf gegen den Imperialismus liegt.

Die Einschätzung des Krieges hängt auch an unserer Imperialismusanalyse. In der Diskussion in der KO haben wir festgestellt, dass unterschiedliche Interpretationen der leninschen Imperialismusanalyse verschiedene Schlussfolgerungen in Bezug auf den Krieg und insgesamt in Bezug auf den Charakter der internationalen Weltordnung nahelegen. Wie aber an den oben skizzierten Argumentationssträngen auch deutlich wurde, resultiert keine Analyse des imperialistischen Weltsystems automatisch in einer bestimmten Auffassung vom Krieg – auch wenn wir einen engen Zusammenhang zwischen beiden Fragenkomplexen festgestellt haben.

Es ist keine neue Feststellung, dass in weiten Teilen der kommunistischen Bewegung die Debatte um diese Fragen vermieden oder aber nur in einem heftigen Schlagabtausch geführt wird. Wir sind weiterhin der Überzeugung, dass eine wissenschaftliche und faktenbasierte Auseinandersetzung mit den Entstehungshintergründen des Krieges ein notwendiger Beitrag zur Bildung einer Front gegen die NATO und die Kriegspolitik des deutschen Imperialismus ist und eine wichtige Voraussetzung zur Orientierung der Arbeiterbewegung international darstellt.

Inhaltliche Arbeitsgruppen

In der nun begonnenen Phase der Klärung werden diese Thesen und die vorgebrachten Argumente auf ihre Kohärenz geprüft und in 13 Vertiefungsgruppen bearbeitet.

Die Themen sind nicht willkürlich gewählt, sondern setzen insbesondere an den Punkten in den Argumentationssträngen an, an denen wir Lücken oder direkten Dissens identifiziert haben. Dies soll kurz am folgenden Beispiel der zentralen Argumentationslinie der NATO-Aggression veranschaulicht werden:
Für diese Argumentation ist die Annahme eines unmittelbar bevorstehenden ukrainischen Angriffs auf die Volksrepubliken und in einem zweiten Schritt auf die Krim im Frühjahr 2022 durch direkte oder indirekte Beteiligung der NATO und/oder die Feststellung, dass mittelfristig die NATO einen offenen Krieg gegen die RF vorbereitet sehr zentral. So habe Russland den Krieg nicht gewollt und wurde von der NATO in diesen hinein gezwungen.
Das angreifende Gegenargument gegen diese Annahme lautet: „Es stand gar kein Angriff der NATO bevor“. Hier stehen sich nun Aussage gegen Aussage gegenüber.

Wie soll nun an die Beantwortung dieser Frage herangegangen werden?
Der Beantwortung der Frage nach der Forcierung des Krieges durch die NATO arbeiten nun mehreren Gruppen zu: Zum einen hat sich eine Gruppe gebildet, die sich die Indizien für einen geplanten ukrainischen Angriff im Frühjahr 2022 (beispielsweise das Dekret 117 der ukrainischen Regierung) und eine mögliche Unterstützung der NATO genauer anschaut. Eine zweite Gruppe wertet für einen größeren Zeitraum NATO-Strategien gegen Russland, Manöver und die Einbindung der Ukraine in der NATO aus und bringt diese in Zusammenhang mit der Frage nach der Kriegsgefahr. Auch andere Formen der nicht-militärischen Kriegsführung (Stichwort „Wirtschaftskrieg“) müssen mit einbezogen werden. Diese Gruppen sichten nun in einem ersten Schritt die Debatte, werten Quellen unterschiedlicher Art aus und prüfen auf dieser Grundlage die vorgebrachten Argumente.


Durch diesen Prozess der Identifzierung von zentralen Lücken oder gegeneinanderstehenden Argumenten und Annahmen haben wir Fragen erarbeitet, die in den folgenden thematisch gegliederten Gruppen bearbeitet werden sollen:

Charakter Russland
* Die Entwicklung des russischen Kapitalismus
* Die Rolle der nationalen russischen Bourgeoisie
* Russlands internationale Rolle
* Russische Kriegsführung


Ukraine
* Ukrainischer Faschismus
* Die Gefahr eines ukrainischen Angriffs vor dem 24. Februar


Der westliche Block
* NATO-Strategien gegen Russland
* Deutschlands Russland-Strategien
* US-Strategien gegenüber Deutschland
* Chinastrategien der USA im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg


Theoretische und historische Fundamente im Zusammenhang mit der Kriegs- und Imperialismusdiskussion
* Die nationale Frage & der Kampf um Souveränität in der Geschichte der kommunistischen Bewegung
* Lenins Imperialismusschrift im Spiegel der aktuellen Debatten

Die Gruppen erarbeiten in einem ersten Schritt den Dissens in der Bewegung, sichten den bestehenden Forschungsstand und entwickeln eine genauere Forschungsfrage, mit der dann weitergearbeitet wird.
Alle Forschungsfragen der Gruppen werden bald veröffentlicht, ebenso wie laufende Kurzberichte über den Stand der Arbeit in den Gruppen. Die Ergebnisse der Gruppen werden wir im Sommer in Form von Thesen öffentlich vorstellen. Auf dem Zweiten Kommunismuskongress im Oktober 2023 wollen wir außerdem die Ergebnisse der Gruppen in Form von Kolloquien gemeinsam mit der Bewegung diskutieren und qualifizieren.

Mitmachen & auf dem Laufenden bleiben

Bereits jetzt ist es möglich, sich an der Klärung der Fragen zu beteiligen. Sei es, weil ihr relevante Literatur kennt, einen eigenen inhaltlichen Beitrag leisten wollt oder auch direkt in einer der Vertiefungsgruppen mitarbeiten wollt. Schreibt uns in jedem Fall einfach eine Mail mit eurem Anliegen: info@kommunistische-organisation.de

In der Zukunft wird es in diesem Bereich auf unserer Website mehr Infos zu den einzelnen Vertiefungsgruppen geben.

Das Scheitern der afghanischen Revolution – Lehren für den Kampf in der Peripherie

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Matin Baraki: Afghanistan. Revolution, Intervention, 40 Jahre Krieg, Köln: PapyRossa-Verlag 2023. 286 Seiten.

Von Noel Bamen

Am 27. April 1978 begann die sog. Saur-Revolution, die April-Revolution in Afghanistan. Sie war sowohl von der damaligen sowjetischen Führung als auch von der Leitung der Demokratischen Volkspartei Afghanistans (DVPA) nicht geplant gewesen. Vielmehr handelte es sich bei dem an diesem Tag durchgeführten Militärputsch, mit dem die DVPA an die Macht kam, um eine Reaktion auf die versuchte Liquidierung der Partei-Spitze durch das Regime von Muhammad Daud Khan. Dieser war 1973 ebenfalls mittels Putsch fortschrittlicher Militärs unter Einfluss der DVPA ins Amt des Präsidenten gehievt worden und inszenierte sich zunächst als progressiv: er schaffte die Monarchie ab, rief die Republik aus und versprach soziale Reformen. Letztere aber blieben weitgehend aus. Dafür brach er bald mit der traditionell blockfreien Politik Kabuls und näherte sich dem iranischen Schah-Regime sowie Pakistan, und damit auch dem Westen an. Zugleich ging er mit Repression und Terror gegen die DVPA vor.

Mangelnde Einheit von Theorie und Praxis

Matin Baraki beginnt sein Buch mit einem kurzen theoretischen Kapitel zur Theorie der sog. Nationaldemokratischen Revolution. Dieses Konzept war zentral in der Revolutionstheorie und der Strategie der kommunistischen Bewegung und des sozialistischen Lagers, vor allem während des Kalten Kriegs: Es ging um die Notwendigkeit, in den Ländern, die von den objektiven Bedingungen her (ökonomische Unterentwicklung, unzureichend herausgebildet Arbeiterklasse, schwache oder kaum vorhandene Arbeiterbewegung) als noch nicht reif für eine sozialistische Revolution angesehen wurden, einen Prozess zu forcieren, der feudale Strukturen konsequent überwand, eine selbstständige, industrielle Wirtschaftsweise und damit auch die Entfaltung des Proletariats schnell vorantrieb und eine antiimperialistische Stoßrichtung hatte. Baraki hält dazu fest:

„Zusammengefasst beinhaltet die Theorie der NDR [Nationaldemokratischen Revolution, N.B.] folgende Kernpunkte: 

  • genaue Analyse der sozioökonomischen Verhältnisse des jeweiligen Landes,
  • Berücksichtigung der objektiven und subjektiven Faktoren,
  • Durchführung einer demokratischen Bodenreform,
  • Alphabetisierung der gesamten Bevölkerung,
  • die Bündnisfrage,
  • die Stellung der Frau in der Gesellschaft,
  • Demokratisierung der Gesellschaft und Partizipation der gesellschaftlichen Gruppen, wie Gewerkschaften und anderer Interessenvertreter der Bevölkerung,
  • Möglichkeit des Übergangs von vorfeudalen, halbfeudalen bzw. feudalen Verhältnissen direkt zum Sozialismus,
  • die Frage: Können Entwicklungsetappen überhaupt übersprungen werden?
  • Frage der Unterstützung von außen durch fortgeschrittene Länder.“ (S. 23)

Dieses Konzept konnte sich auf Überlegungen, die bereits Marx und Engels formuliert hatten, berufen und stützte sich auf die von Lenin ausgearbeiteten Positionen der Komintern zur antikolonialen Strategie. Zentral in den Debatten rund um dieses Konzept war stets – sowohl in der Komintern als auch in späteren Zeiten – die Frage, ob bzw. inwiefern die Arbeiterklasse auch in solchen Ländern in der Lage war, die Führung zu übernehmen, und was das konkret für den Aufbau einer nationaldemokratischen Ordnung bedeutete. Die von Baraki angeführte „Möglichkeit des Übergangs von vorfeudalen, halbfeudalen bzw. feudalen Verhältnissen direkt zum Sozialismus“war eine der Überlegungen, die im Zusammenhang mit einer proletarischen Hegemonie in der Nationaldemokratischen Revolution standen: Unter dem Label des „Nichtkapitalistischen Entwicklungswegs“wurde, ebenfalls gestützt auf Gedanken von Marx und Engels, die Perspektive diskutiert, wie junge (zumeist postkoloniale) Nationalstaaten mit weitgehend vorkapitalistischen Verhältnissen eine schnelle ökonomisch-technische Entwicklung bestreiten könnten, ohne dabei einen eigenen Kapitalismus entfalten zu müssen.i Wie im 1965 angenommenen Grundsatzprogramm der DVPA, das sich im Dokumentenanhang des Buchs findet, nachzulesen ist, ging die Partei davon aus, dass dieser Weg auch in Afghanistan möglich sei, sodass „sich der kapitalistische Entwicklungsweg, der für die werktätigen Massen qualvoll ist, vermeiden“ ließe. (S. 190)

Ob Baraki diese Einschätzung für falsch hält, geht nicht eindeutig aus seinem Buch hervor. In jedem Fall aber geht er von der Richtigkeit des Konzepts der Nationaldemokratischen Revolution aus und scheint die Frage „Können Entwicklungsetappen überhaupt übersprungen werden?“ mit Nein zu beantworten. So ist denn auch seine These, dass die innenpolitischen Gründen für das Scheitern der Saur-Revolution darin zu suchen sind, dass die DVPA sich zwar theoretisch die Nationaldemokratische Revolution zur strategischen Aufgabe gemacht, sie aber in der Praxis die objektiven Bedingungen in Afghanistan verkannt und daher versucht hat, diese Zwischenetappe zu überspringen.

Fehler und Verbrechen

Baraki, seinerzeit selbst Anwärter auf wichtige Posten innerhalb der DVPA, geht mit seiner früheren Partei hart, aber nicht unsolidarisch ins Gericht. Obwohl die Partei sich als marxistisch-leninistisch verstand, waren ihre Mitglieder Baraki zufolge „hauptsächlich städtische, kleinbürgerliche Intellektuelle, die oft nur vage Vorstellungen von marxistischer Theorie hatten.“ (S. 53) Dieser Klassencharakter der Partei war eine logische Folge der gesellschaftlichen Zustände in Afghanistan: Die damals etwa 17 Millionen Afghanen lebten „unter feudalen bzw. vorfeudalen Verhältnissen (…) Annähernd 85% der Menschen lebten auf dem Land als Bauern, Landarbeiter, Tagelöhner, Viehzüchter usw.“ (S. 46) „Von der Existenz einer Arbeiterklasse im eigentlichen Sinne konnte nicht gesprochen werden. (…) Nur 0,6% aller Erwerbstätigen waren in der industriellen Produktion beschäftigt“. (S. 48) Weniger selbstverständlich und verzeihlich war da die ideologische Schwäche der DVPA, die Baraki als eine ihrer größten Probleme bezeichnet. Hinzu kam der legendäre Fraktions-Kampf innerhalb der DVPA: Auf der einen Seite stand der Partscham-Flügel um Babrak Karmal, Muhammad Najibullah, Mir Akbar Khayber und Anahita Retabsad, auf der anderen der Khalq-Flügel Nur Muhammad Tarakis und Hafizullah Amins. Erstere bezeichnet Baraki als die „realistischen Kräfte“, letztere als Voluntaristen. (S. 49)

Die Khalqis, und vor allem Amin, tragen Baraki zufolge die Hauptlast der selbstverschuldeten Seite des Scheiterns der Revolution. Die Machtübernahme der DVPA-geführten Militärs vom 27. April 1978 selbst war, so der Autor, die Folge einer putschistischen Strategie Amins, sowohl innerhalb der DVPA, als auch auf staatlicher Ebene: Baraki benennt Indizien, die darauf hinweisen, dass Amin Mordanschläge auf seine Konkurrenten in der Partei-Führung veranlasste, und zwar noch vor der Revolution; er soll zudem – ebenfalls bereits vor der Machtübernahme – Kontakt zum späteren Mujahedeen-Führer und Warlord Gulbuddin Hekmatyar gepflegt und im Verlauf des Jahres 1979, im Zuge eines doppelten Spiels und geheimer Absprachen mit den USA und Pakistan, einen gemeinsame Staatsstreich mit diesem geplant haben. Amin wurde, so Baraki weiter, irgendwann zwischen Herbst 1977 und Frühjahr 1978 vom Politbüro der DVPA entmachtet, weil er als Kontaktperson für die Zellen in der Armee einen Militärputsch angestrebt habe. Trotzdem konnte er die Verhaftung Tarakis und Karmals am 19. April 1978 zum Anlass nehmen, um einen Aufstand von unter DVPA-Einfluss stehenden Militärs anzuzetteln: „damit hatte Amin sein Ziel erreicht“, konstatiert der Autor. (S. 52)

Die Machtkämpfe innerhalb der DVPA spitzten sich nach der Machtübernahme weiter zu:

„Schon im Juli/August 1978 wurde die Partscham-Fraktion unter Babrak Karmal entmachtet. Es wurden auch tausende „einfache“ Parteimitglieder verhaftet, gefoltert und in großer Zahl ermordet. Hafisullah Amin verfolgte jede Oppositioninnerhalb und außerhalb der Partei. Mehr als 2500 DVPA-Mitglieder und weitere 12.000 Menschen wurden ermordet.“ (S. 56)

Selbst seinen Khalq-Genossen Taraki soll Amin ermorden lassen haben. „Es entstand ein Klima der Angst, des Duckmäuertums und des Opportunismus (…), die Basis hatte so gut wie keinen Einfluss“, resümiert Baraki diese Zeit. (ebd.)

Parallel dazu ging die DVPA zwar auch die dringend benötigten Reformen im Land an: Eine Bodenreform wurde in Gang gesetzt und Alphabetisierungskurse für hunderttausende Menschen organisiert; zudem wurden das Ehe- und das Scheidungsrecht zugunsten der Frauen revidiert. In den Städten konnten diese Änderungen auch relativ problemlos realisiert werden, so Baraki. Doch als man sie auf das Land ausdehnte, „kam es zu gravierenden Fehlern“. (S. 54) So sei es zu „zwangsweisen Alphabetisierungen“ (ebd.) gekommen; gesellschaftlich tief verankerte Normen, wie die Geschlechtertrennung, wurden schlicht missachtet, genauso wie die besonderen sozialen Bindungen innerhalb von Stammesstrukturen und gegenüber religiösen Autoritäten; auf die Bodenreform „wurden die Bauern weder politisch noch materiell vorbereitet“. (ebd.) Hinzu kam die Tatsache, dass die DVPA das anvisierte breite Bündnis „nationaldemokratischer Kräfte“ zwar formal, nicht aber real umsetzte.

„Daher fühlten sich die Bündnispartner nicht ernst genommen und wollten sich von der DVPA nicht instrumentalisieren lassen. Ihre Passivität hat die ohnehin schmale Basis der Revolution zusätzlich verengt.“ (S. 55)

Hinzu kamen noch die mit der Machtübernahme der DVPA überschäumende Korruption, Vetternwirtschaft und Karrierismus innerhalb der Partei selbst wie auch im Staatsapparat. Diese konnten auch nach dem Sturz Amins Ende 1979 nicht überwunden werden. Über die frühen 1990er Jahre heißt es bei Baraki: „Fast jedes Politbüro-Mitglied der Partei hatte seine eigene Clique bzw. Fraktion“; (S. 72) 1990 wurde ein innerparteilicher Putsch abgewehrt; bereits 1986 hatte Moskau erwirkt, dass Karmal als Generalsekretär und Staatschef durch Najibullah ersetzt wurde – all das zeigt, wie fragil und abhängig das Revolutionsregime war.

Als letztes „Verbrechen der Führung der DVPA“ (S. 73) – die zu dem Zeitpunkt bereits „sozialdemokratisiert“ (S. 70) und in Hesbe Watan (Vaterlandspartei) umbenannt worden war – bezeichnet Baraki die Kapitulation der DVPA (bzw. Hesbe Watan) und die Machtübergabe durch sie an die Mujahedeen am 27. April 1992, dem Jahrestag der Saur-Revolution.

Das sowjetische Dilemma

Die sowjetische Führung sah all dem zunächst relativ fassungslos zu, hatte man einen solchen Umsturz doch weder angestrebt noch Afghanistan für reif genug gehalten; sie zögerte sogar zunächst, die neue Regierung in Kabul anzuerkennen und erst nach einigen Wochen war in der sowjetischen Presse von einer Revolution zu lesen. Bald darauf aber hatte man sich gefasst und bemühte sich, das Beste aus der Situation zu machen und die Revolution zu unterstützen und auch zu verteidigen.ii

Baraki konzentriert sich in seinem Kapitel zur sowjetischen Afghanistan-Politik weitgehend auf die Frage der Legitimität der Militärintervention der UdSSR. Dabei rekurriert er vor allem auf den afghanisch-sowjetischen Freundschaftsvertrag, der auch gegenseitige militärische Beistandsverpflichtungen enthielt, sowie auf die wiederholten Bitten Kabuls an Moskau zur Entsendung von Truppen. In diesem Zusammenhang zitiert er auch ausführlich ein Gutachten von Norman Paech aus dem Jahr 1982, um die völkerrechtliche Legitimität der sowjetischen Militärintervention zu beweisen: Der hatte damals argumentiert, dass die Unterstützung der USA und Pakistans für die Aufständischen in Afghanistan als „eine eindeutige Aggressionshandlung“ zu deuten sei, „gegen die der afghanischen Regierung das Recht auf kollektive Selbstverteidigung im Verbund mit den sowjetischen Truppen zusteht.“ Daher sei nicht nur der Einsatz der Roten Armee völkerrechtlich legitim, das Völkerrecht „würde es der afghanischen Regierung sogar gestatten, gegenüber Pakistan“, das als Nachbarland als sichere Basis der Mujahedeen fungierte, „militärisch vorzugehen“, so Paech. (S. 59) Auf letzteres verzichtete die DR Afghanistan, wie Baraki betont.

Zugleich betont der Autor, dass Moskau sich lange gegen ein direktes Eingreifen sträubte: insgesamt 21 Mal baten sowohl Taraki als auch Amin um militärischen Beistand. (S. 60, 62) In mehreren angehängten, als streng geheim eingestuften Dokumenten lassen sich die Vorbehalte des Kreml nachlesen. Leider klammert Baraki dabei aber einen wesentlichen Aspekt der sowjetischen Überlegungen aus, die doch gerade die Weit- und Umsichtigkeit der KPdSU-Führung verdeutlichen: Auf einer Politbüro-Sitzung vom 17. März 1979 betonte der sowjetische Außenminister Gromyko nämlich:

„Die Armee dort [in Afghanistan, N.B.] ist unzuverlässig. Also wird unsere Armee, wenn sie in Afghanistan eintrifft, der Aggressor sein. Gegen wen wird sie kämpfen? Vor allem gegen die Afghanen, und sie wird auf sie schießen müssen.“iii

Drei Tage später, bei einem Zusammentreffen Tarakis und des KPdSU-Politbüros in Moskau betonte Kosygin, Vorsitzender des Ministerrates der UdSSR, dem afghanischen Staatschef gegenüber die Misere, in das eine sowjetische Militärintervention sowohl die Regierung in Moskau als auch in Kabul brächte:

„Man kann nicht leugnen, dass unsere Truppen nicht nur gegen ausländische Aggressoren, sondern auch gegen Teile Ihres Volkes kämpfen müssten. Und Menschen vergeben so etwas nicht. Außerdem: Sobald unsere Truppen die Grenze überschreiten, werden China und alle anderen Aggressoren sich gerechtfertigt sehen.“iv

Besonders erstaunlich ist, dass Baraki das Wortprotokoll von diesem 20. März 1979 zwar als Dokument angehängt, aber ausgerechnet die ersten beiden hier zitierten Sätze Kosygins weggekürzt hat, wo diese doch besonders vor Augen führen, dass die sowjetischen Führung das politische Dilemma, in dem sie und die revolutionäre Regierung in Kabul sich befanden, sehr gut begriffen. 

Die Frage, inwiefern die sowjetische Intervention dem Ruf der Sowjetunion, der DVPA oder gar dem Kommunismus an sich in Afghanistan bzw. unter Teilen des afghanischen Volkes (oder auch darüber hinaus in der muslimischen Welt) geschadet hat, stellt sich für Baraki offenbar gar nicht. Sein diesbezüglicher Fokus der Kritik liegt einzig auf der DVPA und ihren innenpolitischen Fehlern. Die Sowjetunion sieht er zunächst eher als Leidtragenden des Unvermögens der afghanischen Genossen und als ernsthaft um Entspannung und Stabilität bemühten „großen Bruder“, der bei dem Versuch, zu helfen, im „politischen Sumpf“ Afghanistans versank, wie es der ehem. Leiter der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU, Valentin Falin, ausdrückte. (S. 63) Erst Gorbatschow wird von Baraki angegriffen: Er verhalft „den rechten Opportunisten“ in der DVPA zum „endgültige[n] Durchbruch“ (S. 71), trieb die Sozialdemokratisierung der DVPA (wie auch der KPdSU) voran und gab Afghanistan mit dem Abzug der Roten Armee gleichsam als „erstes Geschenk an den Westen“. (S. 70)

Innere und äußere Faktoren

Baraki beschreibt, wie die vielen Fehler der DVPA den Widerstand der Bevölkerung vor allem auf dem Land befeuerten. Dies passierte ihm zufolge vor allem auch bei der Bodenreform, bei der die – häufig unerfahrenen und vor revolutionärer Ungeduld überschäumenden – Partei-Funktionäre nicht selten mit Zwang und manchmal auch mit Gewalt die traditionellen Sozialstrukturen aufzubrechen und die Landarmut gegen deren subjektiven Willen zu befreien versuchten. Dieser Druck provozierte Widerstand in breiten Teilen der Landbevölkerung, gerade auch unter denen, die eigentlich von den revolutionären und reformerischen Maßnahmen hätten profitieren sollen. Dieser Unmut war der fruchtbare Boden, auf dem die Machenschaften der inländischen wie ausländischen konterrevolutionären Kräfte gedeihen konnten. Auch auf diese kommt der Autor zusprechen.

Denn bei all seiner – wertvollen und notwendigen – innerparteilichen (Selbst)Kritik lässt Baraki natürlich nicht die konterrevolutionären Bemühungen des Westens und seiner Alliierten außer Acht: Unter Verweis auf – mittlerweile weithin bekannte – Zitate vom ehem. CIA-Direktor Robert Gates und dem ehem. Sicherheitsberater von US-Präsident Carter, Zbigniew Brzezinski, zeigt sich der Autor überzeugt davon, dass die USA und ihre Alliierten bereits in Afghanistan geheimdienstliche und militärische Strippen zogen, bevor der erste Rotarmist afghanischen Boden betrat. Baraki skizziert die monetären und personellen Ausmaße der vor allem von der CIA und dem pakistanischen Geheimdienst ISI vorangetriebenen Operation, in deren Folge zehntausende „Mujahedeen“ aus über 40 Ländern trainiert, bewaffnet und nach Afghanistan geschleust wurden. Allein 1985 wurden 250 Millionen US-Dollar und damit mehr als 80 Prozent des jährlichen CIA-Budgets für geheime Operationen in Afghanistan „investiert“. Auch die Rolle der westlichen Medien als wichtige Multiplikatoren der Propaganda wird erwähnt. Eine unrühmliche Rolle als Lobbyist der Mujahedeen spielte seiner Zeit auch der damalige Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Todenhöfer.

Obwohl Baraki einen nicht gerade geringen Anteil seines Buchs der Frage der DVPA, der Saur-Revolution und ihrer Folgen widmet, würde man sich an vielen Stellen über mehr Details freuen, zumal die marxistische Literatur zum Thema ansonsten (und vor allem auf Deutsch) relativ rar gesät ist.v Dabei ist allerdings anzumerken, dass die jeweiligen Einleitungen, die der Autor zu jeder Quelle im Dokumentenanhang verfasst hat, wichtige und interessante Ergänzungen zu dem im Hauptteil des Buchs Gesagten enthalten und unbedingt gelesen werden sollten. Eine Frage, die der Autor leider komplett ausspart, die aber für kommunistische Leser besonders interessant sein dürfte, ist die nach der Rolle der VR China – die nur hier und da im Text oder in Dokumenten am Rande erwähnt wird – und nach den afghanischen Maoisten und/oder Hoxhaisten.vi Trotzdem: obwohl Baraki auf diesen großen inner-kommunistischen Konflikt nicht eingeht, liefert sein Buch doch viele spannende Fakten und Ansätze, um das bis heute durchaus umstrittene Kapitel „Afghanistan“ in der Geschichte der internationalen kommunistischen Bewegung aufzuarbeiten und zu diskutieren.

Im zweiten Teil der Rezension wird es um den Teil des Buchs gehen, der sich mit der Zeit zwischen 1992 und 2023 beschäftigt.

i Einen Einstieg aus der Meta-Perspektive bieten Salim Ibrahim / Verena Metze-Mangold: Nichtkapitalistischer Entwicklungsweg. Ideengeschichte und Theorie-Konzept, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1976.

ii David N. Gibbs: Die Hintergründe der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1971, in: Bernd Greiner / Christian Th. Müller / Dierk Walter (Hg.): Heiße Kriege im Kalten Krieg, Hamburg: Hamburger Edition, S. 294-304.

iii Transcript of CPSU CC Politburo Discussions on Afghanistan (March 17, 1979),https://digitalarchive.wilsoncenter.org/document/transcript-cpsu-cc-politburo-discussions-afghanistan.

iv Meeting of Kosygin, Gromyko, Ustinov, and Ponomarev with Taraki in Moscow (March 20, 1979),https://digitalarchive.wilsoncenter.org/document/meeting-kosygin-gromyko-ustinov-and-ponomarev-taraki-moscow.

v Der Großteil der entsprechenden deutschsprachigen Literatur aus der DDR, der BRD oder auch der Sowjetunion stammt aus den späten 70ern und frühen 80ern. Zudem handelt es sich häufig um eher propagandistische bzw. beschönigende Texte, in denen von einer (selbst)kritischen Auswertung kaum die Rede sein kann.

vi Quellen auf Deutsch findet man dazu etwa in: Zur Geschichte Afghanistans. Ein Land im Würgegriff des Imperialismus,https://www.verlag-benario-baum.de/WebRoot/HostEurope/Shops/es151175/MediaGallery/PDF-Dateien/Zur_Geschichte_Afghanistans.pdf, S. 137-286; oder unter: https://www.mao-projekt.de/INT/AS/MO/Afghanistan_Linkliste.shtml.

Was uns auf dem Teller fehlt, finden wir in der Kriegskasse

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Der erste Mai, der internationale Kampftag der Arbeiterklasse, steht dieses Jahr im Zeichen von Arbeitskämpfen: In Deutschland sorgten die Streiks des öffentlichen Diensts für Aufsehen. In Frankreich wird hart gegen die Rentenreform und den Abbau von Arbeiterrechten gekämpft. In Griechenland streikten die Arbeiter gegen Privatisierung und Sparmaßnahmen im Land und auch in Großbritannien gingen viele Menschen gegen die Preissteigerungen und Lohnverluste auf die Straße. Zugleich organisierten sich Arbeiter in verschiedenen Ländern gegen den Krieg in der Ukraine und machten praktisch deutlich, dass der Kriegskurs der NATO nicht im Interesse der werktätigen Bevölkerung Europas ist: In Italien und Griechenland etwa blockierten Hafen- und Bahnarbeiter Waffenlieferungen in die Ukraine; bereits im letzten Jahr hatte es ähnliche Aktionen in der Türkei gegeben. Aber auch außerhalb von Europa stellen sich viele Menschen gegen die westliche Sanktions- und Kriegspolitik. 

Die sozialen Verschärfungen nehmen zu und werden immer stärker spürbar. Bei Preissteigerungen, die gerade im alltäglichen Bereich weit über den gern erwähnten „10 Prozent“ liegen, wollen sich die Arbeiter mit lächerlichen Angeboten aus tabellenunwirksamen Einmalzahlungen oder geringen prozentualen Erhöhungen nicht mehr abspeisen lassen.  Verdi und EVG haben es zuletzt vorgemacht: Auch Deutschland kann streiken! Die Aktion hat nicht nur gezeigt, dass es möglich ist, starken Druck auszuüben, sondern auch, dass die Kraft der Gewerkschaften wächst, wenn sie an einem Strang ziehen. Das dient auch der Verteidigung des Streikrechts, das derzeit, nach den Aktionen von Verdi und EVG, unter Beschuss steht. Streiks in der Daseinsvorsorge sollen nach den Wünschen des Kapitals stark eingeschränkt werden.

Immer mehr Menschen solidarisieren sich mit den Streikenden. Mit ihren Forderungen und den Streiks bei den Tarifverhandlungen der Post und im öffentlichen Dienst sorgte Verdi bundesweit für starke mediale und real spürbare Aufmerksamkeit. Der für deutsche Verhältnisse kämpferische Kurs konnte der Verdi einen Zuwachs von circa 75.000 neuen Mitgliedern bescheren. Auch die Streikbereitschaft ist gestiegen. So haben in der Auseinandersetzung um den TVöD ca. eine Million Beschäftigte gestreikt. Der Vorschlag der Tarifkommission, nun den schlechten Abschluss (lange Laufzeit und Reallohnverlust) anzunehmen, dürfte für einen Dämpfer in der Organisierung sorgen.

Die deutsche Kriegspolitik bringt Inflation und Armut

Kampfaktionen wie die letzten Streiks sind dringend notwendig, um den durch die Inflation noch weiter angeheizten Reallohnverlust zu bekämpfen – mit höheren Löhnen! Denn die Inflation ist ein Mittel, um die Reallöhne zu senken, während die Gewinne sprudeln und die Aktienbesitzer immer reicher werden.

Die Preise für Vermögensanlagen steigen – zur Freude der Reichen und Konzerne. Die Preise für Lebensmittel und Energie steigen – zu Lasten der Arbeiter und Erwerbslosen. Die Armut steigt auf Rekordniveau, die Schlangen vor den Tafeln werden länger und Renten und Löhne verlieren an Wert. Die Inflation ist kein Naturereignis, sondern ein Ergebnis der Preissteigerungen der großen Konzerne. Sie nutzen die Situation aus und erhöhen die Preise, solange es geht. Die Monopole, also die großen Konzerne können das aufgrund ihrer Machtstellung. Die Regierung fördert die großen Konzerne weiter mit der Gaspreisbremse, während die Verbraucher und kleinen Unternehmen davon kaum profitieren und hohe Preise zahlen müssen.

Der weitere Hintergrund der Inflation ist der Krieg gegen Russland. Nicht Putin hat das Gas abgedreht, wie behauptet wird, sondern die deutsche Regierung hat einen Boykott verhängt, um Russland in die Knie zu zwingen. Das hat zu massiven Steigerungen der Energiepreise auf allen Ebenen geführt. Unter anderem auch, weil nun teures Gas aus den USA und anderen Ländern gekauft wird. Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines sollte diese Energieversorgung ein für alle Mal zerstören.

Die massive Aufrüstung der Bundeswehr mit mehr als 100 Milliarden wird zu Einsparungen im Haushalt führen. Die Bundesrepublik rüstet für größere Kriege, den Preis dafür zahlen die Arbeiter. Das Geld fehlt damit nicht nur an anderer Stelle, es wird damit direkt für die aggressive deutsche Außen- und Kriegspolitik genutzt, und nicht etwa zur Verteidigung, wie die Bundesregierung gerne behauptet.

Der Zusammenhang zwischen Krieg und Inflation sowie Inflation und Verarmung liegt klar auf der Hand. Wer gegen die Inflation und Verarmung kämpft, muss sich gegen die Sanktions- und Kriegspolitik Deutschlands und der NATO stellen.

Den 1. Mai dem deutschen Kriegskurs opfern?

Um die wachsende Unzufriedenheit in für sich dienliche Bahnen zu lenken, bedient sich der deutsche Imperialismus einer eigentlich sehr durchschaubaren und dennoch effektiven Propagandamasche: „der Russe“ als Sündenbock. Die mediale Entmenschlichung der Russen und die Darstellung von Putin als das personifizierte Böse führen in Deutschland zu einem massiv angestiegenen Alltagsrassismus gegen Russen, der bis hin zu tätlichen Angriffen führt. Passend dazu grölt der halbe Bundestag, angeführt von Außenministerin Baerbock (Grüne) und Bundeskanzler Scholz (SPD), „Slava Ukraini“, den Gruß der ukrainischen Bandera-Faschisten. Baerbock verkündet derweilen, einen „Krieg gegen Russland“ zu führen. 

Passend dazu schlägt der Oberstleutnant Stefan Quandt vor, zukünftig einen Feiertag, zynischer Weise den 1. Mai, der Aufrüstung der Bundeswehr zu opfern. Die Arbeiter sollen Entbehrungen leisten. „Frieren gegen Putin“ wurde im Herbst zum Leitspruch der Heimatfront, obwohl wir eigentlich wegen der westlichen Kriegspolitik frieren mussten.

Wofür müssen wir kämpfen?

Die Gewerkschaftsführungen haben den Kriegs- und Sanktionskurs der Bundesregierung weitgehend unterstützt. Die Haltung der breiten Bevölkerung und gerade der Arbeiterschaft schaut da durchaus anders aus: Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung lehnt die Waffenlieferungen ab. Wir müssen dafür kämpfen, dass die Gewerkschaften Teil der Anti-Kriegs-Bewegung werden, denn der Krieg hängt unmittelbar mit den sozialen Verschärfungen zusammen. Der Krieg gegen Russland ist nicht im Interesse der Arbeiter und der einfachen Menschen – weder hier noch in der Ukraine  noch in Russland.

Wir müssen uns dafür einsetzen, dass sich die Gewerkschaften an Anti-Kriegsprotesten beteiligen. Die Teilnahme an den Ostermärschen wurde dieses Jahr von einigen DGB-Strukturen abgesagt. Begründet wurde dies u. a. mit einer angeblichen Nähe zu rechten Kräften. Ein derartiges Verhalten der politischen Linken und der organisierten Arbeiterbewegung eröffnet rechten Kräften aber überhaupt erst den Spielraum, Fuß zu fassen und Themen wie Sozialabbau und Verarmung zu bespielen.

Die Gewerkschaften setzen sich in ihrer Satzung für eine Demilitarisierung Deutschlands ein, auf dem letzten Bundeskongress wurde sich gegen ein Atomwaffenstationierungsverbot in Deutschland ausgesprochen. Dass die Gewerkschaftsführung sich gerade gegen diese wichtigen Grundsätze stellt, sollte für uns der Anlass sein, diese nur noch vehementer zu verteidigen. Wir sollten daher für folgende Forderungen innerhalb der gewerkschaftlichen Strukturen kämpfen:

Für konsequente und starke Streiks! Für eine breite Solidarität mit den Streikenden!

Für tatsächliche Lohnerhöhungen über der Inflationsrate! Für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich!

Gegen den Angriff auf erkämpfte Arbeiterrechte – der 1. Mai bleibt unser Tag, der internationale Kampftag der Arbeiter!

Für Aktionen und Streiks gegen die deutsche Aufrüstung und Kriegsbeteiligung! Für die internationale Solidarität gegen den Kriegskurs der NATO!

Gegen die Sanktionen und den Wirtschaftskrieg gegen Russland!

Gegen Waffenlieferungen in die Ukraine! Gegen den aggressiven Kriegskurs der NATO in der Ukraine und weltweit!

Gegen den 100-Milliarden-Kredit und die Aufrüstung der Bundeswehr!


Die neoliberale Ordnung diktieren

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Diskussionsbeitrag von Jakob Yasko

Die Neoliberale Strategie, welche der Imperialismus nutzt um die Märkte anderer Länder zu privatisieren, zu öffnen und zu deregulieren, prägt die Raubzüge des Imperialismus seit den 1970ern bis heute. Sie steht in engem Zusammenhang mit Neokolonialismus und auch die Ukraine wurde mit dieser Strategie unterworfen. Das Land wurde zum NATO-Aufmarschgebiet und trat seine Souveränität ab. In diesem Diskussionsbeitrag findet ihr eine Beschreibung dieser allgemeinen Prozesse im Imperialismus und eine Untersuchung wie diese imperialistische Politik auf die Ukraine einwirkte.

  1. Imperialismus muss Umdenken: Neoliberalismus zur Durchsetzung eines neuen Kolonialismus

Mit Beginn der 1970er Jahre lässt sich eine Entwicklung im Imperialismus feststellen, eingeleitet dadurch, dass die Rolle von Gold als materielle Basis für Geldwerte immer stärker abnahm. Geldkapitalströme die sich über den Weltmarkt bewegten, wurden nahezu komplett von staatlicher Kontrolle befreit. Im Zuge dessen wurde 1973 das Bretton-Woods-System, welches den Welthandel koordinierte und Kapitalströme kontrollierte aufgelöst. Dieses wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen. Zur internationalen Kontrolle und Durchsetzung dieses Systems sollten der 1944 ins Leben gerufene Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank dienen.

Um diesen Prozess zu beschreiben dient der Begriff des Neoliberalismus. Um ihre globale Hegemonie zu manifestieren errichtete die USA eine neue internationale Finanzarchitektur. Damit dieses System effektiv funktionieren konnte, musste die Öffnung der Märkte im Allgemeinen und der Finanzmärkte im Besonderen für den internationalen Handel erzwungen werden: ein langsamer Prozess, der entschiedenen Druck der USA erforderte, unterstützt durch die Betätigung internationaler Hebel wie des IWFs. Neoliberalismus, also Privatisierung, Deregulierung und Öffnung von Märkten wurde Diktat für neokolonial-abhängigen Länder. Eine Infragestellung dieser Politik, oder gar der Dollarhegemonie rief schwärzeste Reaktion der imperialistischen Zentren, insbesondere der USA hervor.

Diese vor allem von den USA und England vorangetriebene massive Deregulierung der Finanzmärkte bedeutete einen weiteren Ausbau der US-Hegemonie über die Welt und wurde als Strategie 1973 mit Pinochets faschistischen Putsch in Chile durchgesetzt, welche große Unterstützung seitens CIA und US-Außenministerium fand. Mithilfe von Faschisten wurden sämtliche Gewerkschaften und Bewegungen, die sich gegen Marktöffnungen und den Ausverkauf des Landes wehrten, zersetzt, zerstört und vernichtet. Staatliche Vermögen wurden privatisiert und der Weg zur Ausbeutung nationaler Bodenschätze durch den Imperialismus gewalttätig freigeräumt. Das Recht ausländischer Firmen, Profite aus einheimischen Unternehmen abzuführen wurde garantiert und somit deutlich leichterer Zugang verschafft. Wenn ich hier von Strategie schreibe, meine ich auch das auch so: diese Art und Weise der Politik wurde seit 1945 von transatlantischen Think Tanks wie der Mont Pelerin Society gezielt gefördert und entwickelt. Unterstützt vom CIA-Mediennetzwerk NED eroberten diese Theorien ab den 1960ern die Universitäten, Stiftungen, Vorstände und Medien des Westens. Das vom Mont Pelerin Society-Mitglied Antony Fisher 1981 gestiftete Atlas Network umfasste nach 35 Jahren 451 „free-market organizations“ in 95 Ländern.

Diese bis heute durch das Finanzkapital dominierte Weltpolitik beschrieb bereits Lenin ausführlich in seiner Imperialismusschrift, wo er das Finanzkapital als eine gewaltige, entscheidende Macht beschreibt, die in allen ökonomischen und in allen internationalen Beziehungen, ganze Staaten unterwerfen kann. Hinter der Art und Weise der Durchsetzung dieser Politik stehen verschiedenste Strategien der Monopole und ihrer Staaten. Mit dem Begriff des Neoliberalismus wird vermeintlich nur ein Prozess im Imperialismus seit den 1970er Jahren beschrieben, der meist von seinem Klasseninhalt getrennt wird. Wenn wir diese Prozesse jedoch kontextualisieren lässt sich eine klare Strategie des Imperialismus feststellen, die bis heute bestand hat. Hier müssen wir die Rolle von IWF und Weltbank besser verstehen.

Die Besetzung aller für die Hegemonialmacht sensiblen Posten bei der Weltbank, der Welthandelsorganisation (WTO) und vor allem des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist gängige Praxis. Verschiedenste Währungs- und Finanzpolitische Interventionsmöglichkeiten liegen somit, bis heute konzentriert in den Händen von Institutionen wie der US-Notenbank.

Der IWF und seine Schwesterorganisation die Weltbank haben ihren Ursprung im 1944 geschaffenen Bretton-Woods-System fester Wechselkurse, das auf der damals mit Gold gedeckten Leitwährung US-Dollar beruhte. Sie waren als internationale Steuerungsinstrumente geplant, mit denen eine Wiederholung der Währungsturbulenzen der Zwischenkriegszeit und der Fehler des Goldstandards aus den 1920er Jahren verhindert werden sollte. Beide Organisationen wurden daher als Bretton-Woods-Institution bezeichnet. Die Kreditvergabe des IWF ist an wirtschaftspolitische Auflagen geknüpft, später dazu mehr in Bezug auf die Ukraine. Die USA und die EU zwingen somit bis heute die Kapitalmärkte rund um den Globus mit Hilfe des IWF und auch der WTO zur Öffnung, um den Weg für das Finanzkapital frei zu machen und profitableren Kapitalexport zu erreichen. Anders als der IWF vergibt die Weltbank auch Kredite für spezielle Projekte. Schuldenkrisen innerhalb bestimmter Länder (zwei Drittel der IWF-Mitglieder machten nach 1980 eine finanzielle Krise durch, manche mehr als zwei Mal) konnten genutzt werden, um die internen gesellschaftlichen Beziehungen der Produktion überall dort neu zu organisieren, wo durch die Krisen die weitere Durchdringung mit externem Kapital gefördert wurde. Neue Gebiete profitabler Aktivitäten wurden eröffnet, was zeitweilig zur Linderung des Überakkumulationsproblems beitrug, bis der tendenzielle Fall der Profitrate sich auch in diesen Bereichen immer stärker ausdrückt. Einmal in Gang gebracht, erzeugte diese Bewegung jedoch ungeheuren Druck, im In- oder Ausland mehr und mehr Arenen für mögliche Privatisierungen zu finden.

Der IWF hat zurzeit 190 Mitgliedstaaten, deren Stimmrecht sich an ihrem Kapitalanteil orientiert. Beschlüsse müssen im IWF mit einer Mehrheit von 85 % getroffen werden. Dadurch verfügen jeweils die USA allein und die EU-Staaten gemeinsam de facto über eine Sperrminorität.Diese wissen die Länder des Westens auch zu verteidigen,- seit Jahren wehren sich diese Länder gegen eine grundlegende Neuaufteilung der Stimmrechte, welche laut Satzung des IWF nötig wären.  So hat zum Beispiel Frankreich (4,29%) mehr Stimmen im IWF als China (3,81%), die Schweiz oder Belgien haben mehr Gewicht als das ebenfalls aufstrebende BRICS Mitglied Brasilien. Die USA besitzen übrigens 16,75% der Stimmrechte.

Anschließend will ich durch einen kurzen historischen Abriss die neoliberale Politik des Westens an konkreten Beispielen beschreiben. Die soll dazu dienen den Begriff inhaltlich zu bereichern.

Der Aufkauf umfangreicher US-Dollar als Reservewährung nach dem Zweiten Weltkrieg ging dieser neoliberalen Strategie voraus. Dieser festigte die Rolle der USA in Zusammenspiel mit dem „Marshall Plan“ maßgeblich nach 1945. Die Dollarhegemonie ist eine der zentralen Säulen der Macht des US-Imperialismus. Sie ermöglicht ihm Finanzkrisen, im Verhältnis zu anderen Währungen, ohne bedrohlichen ökonomischen Niedergang durchzustehen.

Mit diesen Werkzeugen in der Hand erwies sich das Finanzkapital als immer unbeständiger und räuberischer. Der marxistische Sozialtheoretiker David Harvey beschreibt in „Der Neue Imperialismus“ zahlreiche gezielte Angriffe mithilfe von Hedgefonds auf Staaten mit dem Ziel der Entwertung ihrer Währung. In einigen Fällen, zum Beispiel in Lateinamerika in den 1980er Jahren, wurden ganze Ökonomien geplündert und ihre Vermögenswerte durch das US-amerikanische Finanzkapital sichergestellt. In anderen fand schlicht ein Export der Abwertung statt, der sich vor allem in Zeiten von Finanzkrisen als hilfreich erwies, aber nun mal dem Privileg der Leitwährung vorbehalten ist.

Der Angriff von Hedgefonds auf die thailändische und die indonesische Währung 1997, unterstützt durch die vom IWF geforderte brutale Deflationspolitik, trieb selbst rentable Unternehmen überall in Ost- und Südostasien in den Konkurs. Taiwan und Singapur (um hier zwei Beispiele zu nennen) wurden gegen ihren eigenen Willen dazu gezwungen, ihre Finanzmärkte für spekulatives Kapital zu öffnen, auch wenn sie früher vor Entwertungen geschützt gewesen waren, indem sie ihre Märkte geschlossen gehalten hatten. Der Zwang zur WTO beizutreten lief über die Drohung, ihnen den Zugang zum US-Markt zu verweigern. Durch das „Millenium Challenge Grants“ Modell knüpfte die USA „Auslandshilfe“ für abhängige und (halb)koloniale Länder an freien Marktzugang für ihre Imperialisten. Resultat waren Arbeitslosigkeit und Verarmung von Millionen Menschen. Diese Krise verursachte passenderweise auch eine Zufluchtssuche in den Dollar, was die Dominanz der Wall Street festigte und steigende Vermögenswerte in den USA nach sich zog.

Harvey schreibt, dass hierfür auch die imperialistischen Verbündeten zahlreiche politische und ökonomische Zugeständnisse hinnehmen mussten um den Aufbau eines auf die USA zentralisierten Wirtschafts- und Finanzsystems zu unterstützen.

Der in den 1970er Jahren aufkommende neoliberale Wandel des Imperialismus steht, vor allem auch im Zusammenhang mit der phasenweisen Entkolonialisierung zahlreicher Länder seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Die antikolonialen Befreiungsbewegungen wurden zu einer zunehmenden Herausforderung für den Imperialismus: ausländische Soldaten wurden genauso wie Kolonialsiedler aus zahlreichen Ländern vertrieben, was den Weg zu mehr nationaler Souveränität bereitete. In zahlreichen Fällen kam es zu Nationalisierungen von Rohstoffvorkommen und anderen Industriezweigen um sich vor ausländischem Kapital zu schützen wie in Syrien 1961, in Indien ab 1966, dem Iran 1951, oder Chile 1970, Algerien 1971 und vielen weiteren mehr. Einige kolonialisierte Völker unternahmen den Übergang zum Sozialismus und entzogen sich somit nochmals konsequenter dem Einflussgebiet des Imperialismus, wie beispielsweise Kuba 1959, oder die Volksrepubliken Vietnam 1945 und wenig später China 1949.

Angetrieben vom tendenziellen Fall der Profitrate und dem Problem der Überakkumulation entwickelte die Monopole der imperialistischen Länder neue (neoliberale) Methoden und Institutionen um seine Hegemonie aufrechtzuerhalten. Hierfür wurden beispielweise konkret für Afrika im Jahr 1975 mit ECOWAS eine Organisation eingerichtet, die den Staaten Westeuropas weiterhin die Kontrolle der Westafrikanischen Wirtschaftsräume durch Handelsverträge, Sanktionspolitik und Währungskontrolle ermöglichte und mit AFRICOM im Jahr 2007 und seit 1983 mit CENCOM Institutionen zur militärischen Kontrolle über ganze Kontinente.

Man ging wie am Beispiel von Somoza 1967 in Nicaragua, oder des Schahs von Persien bereits 1953 vermehrt dazu über, Machthaber gewaltsam durch finanzielle und militärische Unterstützung der Geheimdienste zu installieren. Diese sicherten dann den Einfluss westlicher Monopole durch Marktöffnungen. Im Beispiel von Nicaragua wurden so Agrarreformen in Absprache mit der von Washington ins Leben gerufenen „Alliance for Progress“ gestartet durch die sich unter anderem Chiquita fruchtbare Böden sichern konnten. Während sich die USA zwischen 1903 und 1925 allein in Honduras, von Chiquita-Vorgänger „United Fruit Company“, 7mal zu mühseligen Militärinterventionen überzeugen ließ um Ackerflächen freizukämpfen, wurden nun neue Bandagen ausgepackt (Stichwort Bananenkriege). Unliebsame Gewerkschaftler, oder Aufstände wurden durch die installierte Somoza-Regierung aus dem Weg geräumt, während sich die USA nicht direkt die Hände schmutzig machen musste.  

Im Iran privatisierte der von den USA gewaltsam an die Spitze geputschte Schah 1953 prompt die Ölquellen des Landes und vergab Ölverträge an westliche Konzerne, sowie vorher unter Massadegh verstaatlichte Vermögenswerte an England zurück.

Dieses Muster imperialer Herrschaft zeichnet sich bis heute ab: als Perus Präsident Castillo letztes Jahr ankündigte höhere Steuern auf die Ausbeutung der Bodenschätze zu erheben und eigene Industrie aufzubauen um sich aus der Rolle als niedergedrückter Rohstofflieferant loszulösen, wurde er umgehend von seiner US-Treuen Kontrahentin Keiko Fujimori und ihren Anhängern weggeputscht. Fujimori handelte in enger Absprache mit US-Botschafterin Lisa Kenna, die vorher 9 Jahre für die CIA unter anderem im Irak arbeitete und dort den Ausverkauf des Landes mitorganisierte. Ebenso spannend: Keiko Fujimoris Vater regierte mit Rückendeckung der USA von 1990 bis 2001 das Land und setzte eine für die Arbeiterklasse und die Indigenen verheerende Privatisierungspolitik durch. Im Anschluss an den Putsch trafen sich umgehend der neue Minister für Energie und Bergbau und CIA-Diplomatin Kenna am 10.12. 2022 zu Gesprächen rund um Entwicklungsfragen im Bergbau.

Man könnte noch dutzende ähnliche Verläufe aufzeigen, wie beispielsweise auch die neokoloniale Politik Frankreichs und Deutschlands in Mali und zahlreichen weiteren afrikanischen Staaten, aber dieser Überblick muss vorerst genügen.

Wir sehen, dass der Imperialismus eine neoliberale Wende vollzog, welche seitdem das Wesen des Neokolonialismus bestimmt und vor allem durch IWF und Weltbank, unter Kontrolle der imperialistischen Länder Westeuropas, der USA und Japans, durchgesetzt wird. In immer neuen Raubzügen setzt der Imperialismus dazu an mithilfe von Kreditbedingungen, Entwicklungshilfe, Regime Changes, Sanktionen, Währungsabwertung und notfalls blutigen Kriegen Märkte zu öffnen, privatisieren und zu deregulieren damit ihre Monopole freien Lauf haben.

Das Muster, welches in der Tendenz eine neoliberale Wende darstellt, ist Ausdruck der neoliberalen Strategie des Imperialismus, die man auch schlicht als „Neoliberalismus“ bezeichnet. Märkte werden seitdem mit Deregulierung der Finanzmärkte und Privatisierungen von Grund, Boden und anderen staatlichen Sektoren für ausländische Investitionen, vorrangig USA und EU, zugänglich gemacht. Abgesichert wird das von installierten und bestochenen Regierungen,- den sogenannten Kompradoren. Das Verhältnis ökonomischer Zurichtung, als Vorbedingung und Begleiterscheinung der umfassenden politischen Unterordnung und geschieht im Profitinteresse der westlichen Finanzoligarchie.

Wie die Ukraine dieser imperialistischen Räuberbande zum Opfer fiel, ihre Märkte privatisieren, deregulieren und öffnen musste und ihre Souveränität an die NATO-Steuerung abgab, will ich im Folgenden nachzeichnen.

  • Rolle der Kiewer NATO-Marionetten

Als die NATO schonungslos auf Russland vorrückte machte ihr Drang nach Osten auch,- besser gesagt vor allem, vor der Ukraine nicht halt. Durch einen westlich unterstützten Regime Change die „orangene Revolution“ im Jahr 2004 wurde zwar endgültig ein Grundstein für das „NATO-Protektorat Ukraine“ gelegt, doch bereits seit der Konterrevolution zeichnete sich immer stärker der westlich-orientierte Kurs ab. Bereits der erste Präsident der Ukraine Leonid Kravc`uk musste sich aufgrund einer verheerenden Wirtschaftskrise in der Ukraine in die Arme des IWF und der Weltbank flüchten um Kredite zu erhalten, die jedoch nie die von ihm erhoffte Wirkung entfalteten. Unter Kutschma, der ab 1994 das Land regierte wurde dieser Kurs beibehalten und Gespräche in Richtung Russland, aber auch EU und USA geführt. Mit letzteren wurden beispielsweise ein Vertrag über gemeinsame Strafverfolgung und ein Biowaffenvertrag zwischen USA und Ukraine ausgehandelt, während massenhafte Privatisierungen und eine Deindustrialisierungswelle weiter voranschritten. Das BIP der Ukraine entwickelte sich in seiner Amtszeit um 65% zurück. Die damalige Multivektorpolitk des Landes lässt sich vor allem sehr gut am Jahr 2002 erkennen. Zeitgleich wurde ein formales Angebot zur NATO-Mitgliedschaft gestartet und eine Akte über den gemeinsamen Wirtschaftsraum Russland, Weißrussland, Kasachstan unterzeichnet. Ein Jahr später Beteiligte sich das Land am Überfall der USA auf den Irak.

2004 kam Juschtschenko durch eine erzwungene Wiederholungswahl an die Macht, die als „Orangene Revolution“ in die Geschichte einging. Der ehemalige Zentralbankchef beschleunigte die Ausrichtung des Landes in Richtung NATO und EU massiv. Um einen reibungslosen Ablauf dieses Prozesses zu gewährleisten löste er 2007 das Parlament auf und riskierte einen Bürgerkrieg in der Ukraine. Die Aufhetzung der Bevölkerung des Landes trieb er mit großen Ansprachen zu Festlichkeiten rund um die nationalistische Ukrainische Aufständischen Armee (UPA) und einer Verstärkung des Bandera-Kultes voran.

Janukowitsch der auf ihn folgte war keineswegs prorussisch wie es die Medien behaupteten, sondern vielmehr ein Ausgleichskandidat. Auch er war auf Festveranstaltungen zu Ehren Stepan Banderas zugegen, aber übte weniger Druck beim Thema NATO und EU-Beitritt aus. Das EU-Assoziierungsabkommen was er 2013 unterschreiben sollte, hätte die Ukraine endgültig in den finanziellen Ruin getrieben, weshalb er ablehnte. Warum? Der Export von Agrarprodukten, Stahl, Fleisch und vielen weiteren Produktkategorien waren stark quotiert und limitiert. Die Ukraine wäre zu einem Billiglohnland und Absatzmarkt für westliche Monopole verkommen. Die Auswirkungen sind keine Spekulation, da dieses Abkommen 2016 unterzeichnet wurde. Der vor dem Maidan aktive Ministerpräsident Asarow berichtete, dass EU-Kommissionspräsident darauf mit den Worten: „Wenn ihr das nicht unterschreibt, wird es ein anderer Präsident und ein anderer Premierminister unterschreiben“ reagierte.

2014 überschlugen sich durch den Maidan-Putsch die Ereignisse: ein pro-westliches faschistisches Regime wurde in Kiew installiert und die neoliberale Ordnung mit offen terroristischen Methoden gegenüber der Bevölkerung durchgesetzt. Die vom US-Außenministerium unter Nuland bereitgestellten 5-Milliarden Euro für einen erfolgreichen Putsch entfalteten ihre Wirkung. Die Regierung, weigerte sich ein Assoziierungsabkommen mit der EU abzuschließen, wurde mit gewalttätigen Ausschreitungen beseitigt und mit Poroschenko eine dienliche Marionette eingesetzt. Wie aus Wikileaks-Dokumenten hervorgeht, hat er seit spätestens 2006 die US-Botschaft in Kiew regelmäßig über die Interna der ukrainischen Koalitionsbildungen und Lagerkämpfe informiert, sie im Umgang mit der ukrainischen Führung beraten und sich als Anwalt eines Beitritts zur EU profiliert.

In der Ukraine bildete sich eine Kompradorenbourgeoisie heraus, deren Einfluss in die ukrainische Politik im Endeffekt lediglich den NATO-Interessen der Vollstreckung des IWF Privatisierungs- und Spardiktats dient. Ihre Handlungen und Vernetzungen verdeutlichen dies und stehen beispielhaft an der Seite dutzender Kompradoren mit dem Imperialismus weltweit.

Oligarchen wie Poroshenko, aber auch Kolomoijskij wurden zu bereitwilligen Vollstreckern imperialistischer Machtpolitik.

Bereits das IWF-Programm, welches den Staatbankrott 2008 abwenden sollte, hatte den neoliberalen Reformkurs vorgezeichnet, der dann realisiert wurde: die Anpassung der Energiepreise an das Weltmarktniveau, kostendeckende kommunale Dienstleistungen, die Herstellung eines Markts für Ackerland, eingefrorene Gehälter für die Staatsangestellten und eine Abwertung der Währung. Was in der bürgerlichen Medienlandschaft wie eine Neuheit und widerbelebende Maßnahme für die Ukraine verkauft wurde, war seit Jahrzehnten Kontinuität zur Vorbereitung imperialistischer Raubzüge. Um all das abzusichern rekrutierte und finanzierte Kolomoijskij bewaffnete faschistische Gruppen wie Dnepr-1, Dnepr-2 und Azov die den Kern und militärischen Kader der Maidan Proteste bildeten. Um seinen Konkurrenten Poroschenko per Wahl auszustechen und mehr politische und ökonomische Macht in seinen Händen zu zentralisieren bewarb Kolomoijskij ab 2019 aktiv den heutigen ukrainischen Präsidenten Selenskiy auf seinen TV-Sendern. Grund für den Streit der beiden NATO-Marionetten war die für Kolomojskij verlustreiche Verstaatlichung der PrivatBank durch Poroshenko. Diese Bank verwaltete 2016 ein Drittel aller Spareinlagen in der Ukraine, ihr Zusammenbruch hätte schwere Folgen für die zahlreichen westlichen Privatiers gehabt, welche immer mehr Staatsanleihen anhäuften. Was Poroshenko unternahm und ihm schlussendlich sein Amt im Kampf gegen Kolomojskij kostete, war letztlich nichts weiter als der treue Befehlsgehorsam zum Internationalen Währungsfonds, welcher eine „grundlegende Sanierung“ des ukrainischen Bankensektors verlangte. Auch aus dem Ölförderunternehmen Ukrtransnafta drängte Poroshenko Kolomojskij heraus. Der Absetzung des Chefs des Unternehmens, der lange Zeit dafür gesorgt hatte, dass Kolomojskijs Unternehmen mit lukrativen Aufträgen versorgt wurden, stellte Kolomojskij eine Gruppe bewaffneter Männer entgegen, die das Gebäude des Unternehmens kurzzeitig blockierten. Kolomojskij scheiterte, jedoch und ging zum Wahlkampf über. Dieser kleine Exkurs zeigt, dass zwar durchaus auch interne Machtkämpfe und politische Auseinandersetzungen in den Ländern toben. Jedoch immer nur in einem Rahmen, welcher der westlichen Steuerung nutzt und sie nicht in Frage stellt.

Oligarchen, wie Rinat Achmetov, Viktor Pintschuk und Dmytro Firtasch, welche vor 2014 vor allem in den Branchen Energie und Stahl Kapital akkumulierten, hielten aus verschiedenen, meist standortfaktischen Gründen an engeren Bindungen zu Russlands Ökonomie fest. Doch schlugen sich alle bedingungslos auf die Seite des Westens, als der Maidan Putsch inszeniert wurde.

Victor Pintschuk war beispielsweise seit Jahren in das Netz des Imperialismus integriert. Zur Annäherung an die EU rief Pintschuk 2004, im Jahr der „orangenen Revolution“ unter der die Yalta European Strategy (kurz „YES“) ins Leben. Dort trafen sich jährlich wirtschaftliche und politische Eliten im Sommerpalast des letzten Zaren auf der Krim, um den Raubzug der Ukraine durch EU und USA voranzutreiben. Zu den geladenen Gästen gehörten Bill und Hillary Clinton, Tony Blair, Larry Summers, Bill Gates und weitere Kapitalvertreter, des westlichen Finanzkapitals. Weitere Integration in die imperiale Politik erlangte Pintschuk durch Einzahlungen in das globale Stiftungswesen. Als Verbindung zur europäischen politischen Klasse erschien die Tony-Blair-Stiftung als geeignete Wahl. Zugang zum US-Amerikanischen Finanzkapital, aber auch zum hart umkämpften Stahlmarkt der USA, verschaffte sich Pintschuk seit 2006 durch Millionenspenden an die Clinton-Stiftung.

  • Strippenzieher

Doch zurück zum Maidan-Putsch und seinen Folgen. Betrachten wir die Ereignisse nun mit Blick auf die Einmischungen imperialistischer Monopole wird umso deutlicher, dass dieser Putsch (ähnlich Chile 1973) der Durchsetzung von Marktöffnungen und Privatisierungen diente. Diese Neoliberale Strategie wurde wie bereits aufgezeigt seit der Konterrevolution verfolgt und nahm ab den 1990er Jahren bei der Unterwerfung der ehemals sozialistischen Ländern Fahrt auf. Hand in Hand mit diesem ökonomischen Raubzug ging eine gezielte Durchsetzung des ukrainischen Staatsapparates mit Faschisten. Es folgten massive Hetze und Verfolgung von antifaschistischen und gewerkschaftlichen Gruppen. Sinti und Roma fielen dutzenden Pogromen zum Opfer, Russen wurden staatlich terrorisiert, ausgegrenzt und ermordet und die Teile der jüdischen Bevölkerung die da nicht mitspielten fanden sich auf den Abschusslisten des SBU, neben hunderten anderen widerständigen Ukrainern, wieder. Ziel dessen war die Ukraine gegen Russland aufzuhetzen und hochzurüsten und in dieses Land langfristig in einen Abnutzungskrieg zu zwingen.

 Auch die „Open Society Foundation“ und die „International Renaissance Foundation“ des US-amerikanischen Investors George Soros spielten beispielweise eine Schlüsselrolle in der Vorbereitung und Aufhetzung des Putsches.

Soros arbeitete seit langer Zeit an einer Stützung der Ukraine durch die US-Notenbank und das US-Finanzministerium. Investitionen in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar zwischen der Ukraine und den USA sollten zur Finanzstabilität des völlig maroden Landes beitragen, weshalb Soros bei US-Finanzminister Jack Lew intervenierte.

Natürlich nicht aus Sorge um die Verarmung und Verelendung weiter Teile der ukrainischen Arbeiterklasse. Soros selbst hatte in ukrainische Staatsanleihen investiert und fürchtete um seine Anlagen. Denn vor dem Maidan Putsch bestand die Gefahr, dass es zu einem Schuldenschnitt bei den privaten Gläubigern der Ukraine kommt. Soros war in der Ukraine nicht erst seit dem Maidan-Putsch ein bekanntes Gesicht, bereits in den 1990ern stellte er dem damaligen Präsidenten Kutschma einen „externen Beraterstab“ zur Seite.

Ebenfalls lange vor dem Maidan – im Jahr 2012 – hatte sich der niederländisch-britische Konzern Shell mit einem 50-Jahres-Vertrag den damals größten Auftrag zur Erschließung von Schiefergas in Europa zugesichert. Schätzungen zufolge besitzt die Ukraine 1,2 Billiarden Kubikmeter Schiefergas und damit das drittgrößte Vorkommen in Europa.

Vom ersten Maidan-Tag an wies das politische Spektrum, das den Platz besetzte, besondere Merkmale auf.  Vitalij Klitschkos Bündnis „Ukrainischer demokratischer Allianz für Reformen“ (UDAR) und der Allukrainischen Vereinigung „Vaterland“ von Julia Timoschenko, wurden beide durch den Topf des 5 Milliarden Dollar schweren „Programm für eine demokratische Ukraine“ des US-Außenministeriums finanziert. Kolomoijskijs rekrutierte und in der Westukraine unter Hilfe westlicher Geheimdienste militärisch geschulte Nazi-Kader erledigten auf dem Maidan Platz und darüber hinaus den Rest.

Internationale Unterstützung erhielten die Demonstranten frühzeitig von US-Senator John McCain und der Staatssekretärin des US-Außenministeriums Victoria Nuland, sowie aus Deutschland in Form des Bertelsmann-finanzierten Außenpolitikers Elmar Brok und der Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms. Nuland sollte uns nun bereits durch die 50 Milliarden Dollar Putschhilfe, die sie verwaltende und an den entscheidenden Stellen einsetzte, bekannt sein. McCain hielt auf dem Maidan-Platz eine Rede, Schulter an Schulter neben dem lupenreinen Faschisten und Svoboda-Partei Vorsitzenden Oleh Tyahnybok, mit welchem er sich bereits am Tag zuvor (14. Dezember 2013) zu Gesprächen traf.

Der für Exxon und Chevron tätige Lobbyist McCain war nicht zufällig ein so engagierter Unterstützer dieses Putsches.

2013 unterzeichnete die Ukraine einen Schiefergas-Deal mit Chevron, der es dem US-Energiegiganten erlaubte, die sogenannten Olesky-Vorkommen in der Westukraine zu erschließen, die nach Schätzungen bis zu 2,98 Billionen Kubikmeter Gas enthalten.

Sicher ist, dass Exxon, Chevron und Shell mit der ukrainischen Gasförderung nicht nur den regionalen Markt anvisierten, sondern von den Fracking-Feldern in der Ukraine ausgehend, verschiedene Staaten der EU versorgen wollten, ein Projekt welches durch ein unterschriebenes Assoziierungsabkommen den endgültigen Startschuss bekommen hätte. Die dafür nötige Logistik wurde bereits auf Initiative Washingtons schrittweise durch die Drei-Meere-Initiative in Osteuropa ausgebaut. Dieser Ressourcenraub in Millionenhöhe, wurde zumindest teilweise für Shell, in der Ostukraine durch den bewaffneten antifaschistischen Widerstand der Volksrepubliken Donezk und Luhanzk verhindert und Shell der Zugriff verwehrt.

Die US-Unternehmen Exxon Mobil und Chevron haben 2022 übrigens zusammen 91,1 Milliarden Dollar durch Krieg in der Ukraine verdient. Insgesamt könnten sich die Profite der Ölmultis Analysten zufolge im laufenden Jahr auf 200 Milliarden Euro summieren. Auch die Vermögende Familie des heutigen US-Präsidenten Joe Biden, schnitt sich ein Stück vom Ukraine-Kuchen ab. Sein Sohn Hunter Biden, vormals für das US Department of Commerce tätig, war in den Vorstand von Burisma eingestiegen,- dem größten privaten Gaskonzern der Ukraine. Dort sorgte er an der Seite des ehemaligen polnischen Präsidenten Aleksander Kwasniewski für die „Energiesicherheit“ der Ukraine, wozu insbesondere die Sondierung der Potentiale für Fracking gehörte.

Auch der deutsche Imperialismus sicherte sich hier seit Jahren seinen Teil der Beute. Die Ukraine diente jahrelang, als wichtiger Absatzmarkt für Deutschland. Nach Daten des Ost-Ausschusses von August 2013 wurde 2012 ein Zuwachs der deutschen Exporte in die Ukraine von sieben Prozent auf 5,7 Milliarden Euro verzeichnet, die Importe aus der Ukraine sanken dagegen um 18 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro.

Mit etwa 6,6 Milliarden US-Dollar haben den Angaben zufolge deutsche Investitionen in der Ukraine einen Anteil von 16,5 Prozent an den gesamten ausländischen Investitionen. Unter den 2012 knapp 400 in der Ukraine Kapital exportierenden deutschen Unternehmen finden sich zahlreiche Mitgliedsunternehmen des Ost-Ausschusses, so etwa die Leoni AG, die Metro Group, die Knauf Gips KG, die Claas KGaA mbH und die Deutsche Messe AG. Diese Plünderung der Ukraine, sollte dann mit dem bereits genannten Assoziierungsabkommen forciert werden.

Um diesen Ausverkauf reibungslos zu organisieren, war jeglicher gesellschaftlicher Widerstand ein Dorn im Auge der Imperialisten. Das Finanzkapital der USA und EU unterstützte seine installierten Kiewer-Marionetten, deshalb gezielt bei der Niederschlagung jeglicher Keimzellen von Lohnkämpfen oder Protesten für Frieden. All dies Stand im direkten Zusammenhang zum militärischen Terror gegen die Volksrepubliken im Donbass und der Kriegsvorbereitung gegen Russland. Nationalismus als ideologisches Instrument zum Zweck der Kriegsvorbereitung ist seit jeher ein bewährtes Mittel und diente gepaart mit immensen Russenhass dazu die Ukraine zum Aufmarschgebiet gegen Russland zu transformieren.

  • Unterwerfung der Ukraine mithilfe des IWF

Die ukrainische Auslandsverschuldung überstieg nach dem Maidan Putsch 150 Prozent des Sozialprodukts. Ein immer wieder angekündigter Staatsbankrott wurde allein durch Kredite aufgeschoben, welche der IWF entgegen seiner Satzung an ein zahlungsunfähiges Land im Kriegszustand vergab. 1998, 2008 und 2010, konnte ein Staatsbankrott nur durch Kredite des IWF abgewendet werden, ohne dass davon Wachstumsimpulse ausgegangen wären.

Etwa zeitgleich zu der Ankündigung der USA, Kanadas und der Europäischen Union Mitte Dezember 2014, Russland mit weiteren Sanktionen zu überziehen, wurden der Ukraine 350 Millionen Dollar an US-Militärhilfe ausgezahlt. Neun Monate zuvor hatte der US-Kongress dem Land ein Hilfspaket in Höhe von einer Milliarde Dollar geschnürt. Bis 2019 wurde die Ukraine nach Angaben des Weißen Hauses mit 2,5 Milliarden Dollar bis an die Zähne bewaffnet.

Das Finanzministerium des installierten Kiewer Regimes ging an Natalie Jaresko, eine Geschäftsfrau, die seit Mitte der 1990er Jahre in der Ukraine einen von den USA aufgelegten privaten Aktienfonds zur Förderung von Investitionen verwaltete. Jaresko war zudem Geschäftsführerin von „Horizon Capital“, einer 2006 aufgebauten Investmentfirma, die unterschiedliche westliche Investitionen im Land betreute.

Ein von der EU angebotenes Überbrückungsdarlehen in der Höhe von 600 Millionen Euro war genauso wie die immensen US-Militärhilfen an einen 17-Milliarden-Kredit des IWFs und damit einhergehende Auflagen gebunden. Für die Ukraine war das keine Neuheit: 4 Jahre zuvor war die Orange Koalition von Julia Timoschenko und Viktor Juschtschenko nicht zuletzt im Streit über die Sparauflagen des IWF auseinandergebrochen und Juschtschenko, der nach
Westen orientierte „Held der Orangenen Revolution“ von 2005, daraufhin bei den
Präsidentschaftswahlen 2010 in die Bedeutungslosigkeit abgestürzt.

Das Oakland Institute recherchierte, dass der IWF als Vorbedingung für die Kreditvergabe ein Reformprogramm auflegte, welches auf die Förderung von Privatinvestitionen im Land abzielte. Das Maßnahmenpaket beinhaltete beispielweise die Reform der öffentlichen Wasser- und Stromversorgung, und die Beseitigung dessen. Alles was auf der Einkaufsliste des Imperialismus stand wurde von der Weltbank als “strukturelle Ursache” der derzeitigen ukrainischen Wirtschaftskrise bezeichnet und somit zum Abschuss freigegeben.

Der ukrainische Agrarsektor gehörte zu den vorrangigen Zielen des Imperialismus und wurde vom IWF und von der Weltbank, deshalb als „prioritär reformbedürftig“ eingestuft. Beide Finanzinstitutionen lobten die Bereitschaft der neuen Regierung, ihren Empfehlungen Folge zu leisten.

Die Bedingungen der IWF-Kredite stellten mehr und mehr eine komplette ausländische Steuerung der ukrainischen Politik dar. Das Land gab seine Souveränität an diese Institutionen ab. Im Folgenden will ich einen chronologischen Abriss liefern, der aufzeigt wie die Kiewer Politik sich den Interessen der imperialistischen Zentren unterordnete und die von Ihnen auferlegten Marktöffnungsdiktate politisch verabsolutierte.

 Im Februar 2016 musste das „Gesetz zur Verbesserung des Privatisierungsprozesses“ unterzeichnet werden. Es sah die Einführung der Institution eines „Privatisierungsberaters“ (Plätze die sich dann westliche Finanziers/Vermögensverwalter sicherten) vor und ermöglichte es der Regierung, die Privatisierung strategisch wichtiger Unternehmen in die Wege zu leiten.

2018 wurde das Gesetz „Über die Privatisierung staatlichen und kommunalen Eigentums nachgelegt, welches die Verfahren bei der Privatisierung von großen Betrieben nochmals vereinfachte. Alles mitgeschrieben von Soros` Beratern und geprüft von westlichen Juristen die im Finanz- und Wirtschaftsministerium ein und aus gingen. BlackRock`s Berater schienen hierbei ihre Aufgaben so gut zu erfüllen, dass sie seit November 2022 offizielle Regierungsberater in Wirtschaftsfragen der Ukraine sind. All diese Gesetze sorgten gezielt für eine Zurückdrängung russischer Oligarchen aus dem ukrainischen Markt. Unternehmen mit zehn oder mehr Prozent der Aktien in russischem Besitz werden nicht zu Auktionen zugelassen.

Das Gesetz von 2016 formulierte darüber hinaus Kriterien, die festlegen, welche Unternehmen nicht privatisiert werden dürfen: Eigentum staatlicher Behörden und der lokalen Selbstverwaltung, militärische Objekte, Unternehmen der Atom- oder Raumfahrtindustrie, Denkmäler, U-Bahnen usw.

Im Anschluss an diesen Schritt wurde 2019 vom neugewählten Parlament ein weiteres Gesetz verabschiedet, dass die alte Liste von Objekten aufhob, die von einer Privatisierung ausgeschlossen waren. Damit begann zugleich die Versteigerung kleinerer Objekte (mit einem Startpreis von weniger als 250 Mio. Hrywnja, ca. 10,6 Mio. US-Dollar) auf der elektronischen Versteigerungsplattform „Prozorro.Sale“. Diese wurde wiederrum 2016 vom ukrainischen Wirtschaftsministerium ins Leben gerufen. Über diese Plattform wurden seit 24. Februar 2022 die „lend and lease“ Geschäfte zwischen USA und Ukraine abgeschlossen um die Ukraine aufzurüsten.

Über diese ukrainische Treuhandanstalt werden weiterhin fleißig Unternehmen privatisiert und gezielt an westliche Interessenten verkauft. Auch Think Tanks des deutschen Imperialismus wie nachweislich GTAI (Germany Trade & Invest) nahmen hierfür gezielt Einfluss auf die Politik der einstigen Sowjetrepublik.

Man kann dementsprechend eindeutig feststellen, dass sich der Außenhandel der Ukraine nach dem Maidan strukturell veränderte und sich die Handelsströme weg von Russland und hin zur EU und zu anderen Ländern verlagerten. 2018 erreichten die Ausfuhren in die EU sowohl nominal als auch relativ gesehen ihren historischen Höchststand und nahmen seither weiter zu.

Auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, nahm an diesem imperialistischen Raubzug teil.  Mit dem „substanziellen Engagement im Bankensektor“ trieb die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung an der Seite von IWF und Weltbank den Reform- und Umstrukturierungsprozess, in zahlreichen Wirtschaftssektoren, voran um weitere Raubzüge und Übernahmen vorzubereiten.  Diese Institution der durch den deutschen Imperialismus geführten Europäischen Union konnte sich somit zeitweilig zum größten Auslandsinvestor der Ukraine entwickeln. In Relation zum BIP beträgt das laufende Engagement der EBWE in der Ukraine 6,3 % und ist damit so hoch wie in sonst keinen anderen EU-Land, wo lediglich Werte von 0,5–1 % erreicht werden.

Diese Neoliberale Wende in der Ukraine bedeutete ebenso einen Startschuss für die Jagd auf ukrainische Staatsanleihen. Die vom IWF verlangten Schuldenrückzahlungen benötigen Devisen,- natürlich in US-Dollar. Diese notwendige Devisenbeschaffung funktioniert über die privaten Geldgeber, welche ukrainische Staatsanleihen in der lokalen Währung Hrywna kaufen und gegen Dollar tauschen. Somit sichert nicht nur der IWF-Komplex durch an bestimmte Bedingungen gekoppelte Kreditvergabe seinen Einfluss und seine Macht, sondern auch private Geldgeber wie: Blackrock, Fidelity International, Amia Capital und Gemsstock.

Vor allem seit Beginn der russischen Militäroperation, leiht die Ukraine an private Finanziers auch sogenannte „militärische Staatsanleihen“. Diese spülten nur nach wenigen Tagen (3.März 2022) 227 Millionen US-Dollar in die Kassen der Kriegstreiber.

All dies diente der Festigung der politischen und ökonomischen Dominanz der USA und EU in Osteuropa. Die herrschende Klasse hinter Kiewer Regierung, war nicht mehr die eigene nationale Bourgeoisie, sondern unterlag vorrangig den Vorgaben ausländischer Monopolinteressen. Dieser Kolonisierungsprozess durch die NATO, dient immensen Kapitalexport, der Machtsicherung und Unterwerfung von Staaten, der Kriegsvorbereitung gegen Russland und ist Ergebnis der neoliberalen Strategie des Imperialismus.

  • Raubzug über die ukrainische Landwirtschaft

Ich hatte mich bereits an den Ausverkauf der Öl- und Gasvorkommen der Ukraine herangetastet. Doch vor allem eine Ressource machte die Kornkammer Europas seit jeher zum Ziel des Imperialismus: fruchtbare Böden.

Wir erinnern uns: Der ukrainische Agrarsektor gehört zu den vorrangigen Zielen des Imperialismus und wurde deshalb vom IWF und von der Weltbank, als „prioritär reformbedürftig“ eingestuft,- also auf die Einkaufsliste gesetzt. Poroshenko bat sich damals als bereitwilliger Helfer des Ausverkaufes seines Landes an. Dadurch das die Privatisierung des Landes in großem Stil an internationale Investoren freigegeben wurde, konnten seine Unternehmen 96’000 Hektar fruchtbares Land auf den Markt bringen. Bereits 2013 stellte die Weltbank Darlehen in Höhe von 89 Millionen Dollar für die Entwicklung eines Programms für Grundbucheintragungen und Landtitel bereit, dass für die Übernahme von staatlichem und genossenschaftlichem Land benötigt wird.

Die vom Ausland gesteuerten Agrarreformpläne für die Ukraine den erleichterten Zugang zu Agrarland, die Aufweichung von Nahrungsmittel- und Pflanzenbestimmungen und -kontrollen und die Verringerung von Steuern und Zöllen vor.

Im Jahr 2015 wurden bereits mehr als 1,6 Millionen Hektar Land für die landwirtschaftliche Nutzung überlassen. Biotechnologieunternehmen wie Monsanto, Cargill und DuPont sind bereits seit geraumer Zeit in der Ukraine präsent und haben ihre Investitionen in den letzten Jahren erheblich erhöht.

Im März 2014, nur wenige Wochen nach dem Sturz Janukowitsch Regierung, investierte Monsanto 140 Millionen Dollar in den Aufbau einer neuen Saatgutfabrik nahe Odessa. Noch schneller war hier lediglich DuPont, welche bereits im Juni 2013 den Bau einer Saatgutfabrik in der Ukraine angekündigt hatten.

Cargill besitzt in der Ukraine inzwischen mindestens vier Getreidesilos und zwei Fabriken zur Herstellung von Sonnenblumenöl. Im Dezember 2013 erwarb das Unternehmen einen Anteil von 25 Prozent plus eine Aktie an einem Getreideterminal in der Hafenstadt Noworossijsk am Schwarzen Meer, der über eine jährliche Verladekapazität von 3,5 Millionen Tonnen Getreide verfügt.

Alle Aspekte der ukrainischen Agrarlieferkette – von der Produktion landwirtschaftlicher Inputs bis zur Ausfuhr der Ware – wurden zunehmend von westlichen Firmen kontrolliert.

Der Expansionskurs erfreut sich der tatkräftigen Unterstützung von europäischen Institutionen und der US-Regierung. Dazu gehören auch die Bemühungen, die den politischen Wandel und den Sturz des angeblich pro-russischen ukrainischen Präsidenten Janukowitsch herbeiführten und das Werben für die Pro-Business-Reformagenda, die die US-Handelsministerin Penny Pritzker dann im Oktober 2014 auf einem Treffen mit Banderisten und Ministerpräsidenten der Ukraine Arsenli Jatsenjuk erläuterte.

Das zeigt auch der Blick in eine Datenbank, die Wissenschaftler des German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg pflegen. In ihrer Land Matrix sammeln sie Informationen zu Landgeschäften weltweit. Laut dieser Datenbank waren 2015 sogar bereits 1,7 Millionen Hektar ukrainisches Ackerland in ausländischer Hand. Nur in sieben Ländern der Welt, die meisten davon in Afrika, kontrollierten ausländische Konzerne mehr Böden.

Für das Jahr 2023 schreiben verschiedene Quellen sogar von 17 Millionen Hektar westlich aufgekaufter Ackerflächen, diese Zahl ist jedoch umstritten.

Zwar wurde die Firma Monsanto im Jahr 2018 vom deutschen Pharma-Giganten Bayer AG für 66 Milliarden US-Dollar gekauft, aber sie besteht bis heute als hochaktive Tochtergesellschaft weiter. Noch vor dem Verkauf, als Monsanto 2015 einen Vermögenswert von 49,1 Milliarden US-Dollar verkörperte, hatte die Vanguard Group Inc. einen Aktienanteil von 7,1 Prozent besessen, was einem Wert von 3,61 Milliarden US-Dollar entsprach.

Die Vanguard Group Inc. wiederum ist in den letzten Jahren zur zweitgrößten Investitionsfirma der Welt aufgestiegen – auf Platz eins steht nur noch der dubiose Vermögensverwalter BlackRock. So hat auch BlackRock enorme Firmenanteile an den oben genannten Agrarunternehmen. Im Falle von DuPont ist BlackRock mit 4,33 Prozent – also 22.021.770 Aktien – der zweitgrößte Teilhaber. Hier hat die Vanguard Group Inc. sogar noch mehr – belegt nämlich mit 7,66 Prozent durch 38.962.143 Aktien den ersten Platz.

Die vom IWF erzwungenen Marktöffnungsgesetze betrafen somit auch den größten ukrainischen Agrarkonzern Kernel Group. Formell befindet sich der Sitz des Unternehmens in Luxemburg; die operative Leitung erfolgt jedoch aus Kiew. Das Unternehmen ist der weltgrößte Erzeuger und Exporteur von Sonnenblumenöl sowie der größte Getreideerzeuger und Getreideexporteur der Ukraine. Kernel ist mit einer Gesamtanbaufläche von 514.000 Hektar der größte Agrarproduzent der Ukraine.

US-Amerikanische Vermögensverwalter wie Kopernik Global Investors und Lind Investors konnten dadurch seit 2021 ihr Finanzkapital dort anlegen, vermehren, sowie durch hohe Aktienanteile am Unternehmen Einfluss sichern und ausüben.

Im Zuge dessen führte die Ukraine 2020 eine Landreform durch, welche den Zugang erleichterte und bis ins Jahr 2024 den Weg für weitere Privatisierungswellen vorgezeichnet.

Arbeitsgruppen deutscher Unternehmen und Wirtschaftsverbände hatten für das Forum Wiederaufbaukonferenz ein Dossier namens „Rebuild Ukraine“ verfasst, dass die ukrainische Regierung weiter drängt, „bereitgestellte Mittel und politische Entscheidungen strategisch so einzusetzen, dass Anreize für den Privatsektor geschaffen werden, zu investieren und Reichtum zu schaffen“. Es beschreibt zahlreiche Investitionsmöglichkeiten und gliedert sie in die Bereiche Bauen, Logistik und Infrastruktur, Digitalisierung, Energie, Gesundheit sowie Agrarwirtschaft. Passend dazu hatte die Kiewer Rada im Juli 2022 hunderte weitere Unternehmen auf Prozorro Sale freigegeben.

Deutschlands Versuch, sich als führende Wirtschaftsmacht in der Ukraine festzusetzen, wird in den USA und auch in anderen europäischen Staaten mit Misstrauen verfolgt. Washington ist deshalb nicht bereit, die Leitung des „Wiederaufbaus“ der Ukraine Brüssel oder Berlin zu überlassen.

Der Think-Tank German Marshall Fund legte eine ausführliche Studie zum Wiederaufbau der Ukraine vor. Sie tritt dafür ein, die Leitung nicht der EU, sondern der G7, dem Zusammenschluss der sieben führenden westlichen Industriestaaten, zu übertragen, um den Konflikt mit den USA nicht zu vertiefen.

  • Einschätzung

Mit der Kontrolle der NATO über die Ukraine, haben die imperialistischen Zentren ein mittelfristiges Ziel erreicht. Alles hier beschriebene stimmt die Imperialisten des Westens noch lange nicht zufrieden. Ihr Hauptinteresse über die Ukraine hinaus gilt Russlands rohstoffreicher Landmasse und der Niederhaltung Chinas. Der Abnutzungskrieg und die Sanktionen gegen Russland dienen nur einem Ziel: das Land in eine zweite Ukraine verwandeln. Dafür bereitete die NATO gezielt den derzeitigen stattfindenden Abnutzungskrieg gegen Russland vor. Die immensen Militärhilfen und die faschistischen Kräfte in Armee, Geheimdienst und Polizei waren erwünschte und westlich gesteuerte Kontinuitäten,- spätestens seit 2014. Inwiefern 2022 ein ukrainischer Angriff bevorstand muss Gegenstand weiterer Klärung sein. Fakt ist das durch die Dekrete zur Rückeroberung der Krim und des Donbass sowie die Aufkündigung des Budapester Memorandums auf eine Eskalationsstufe hingearbeitet wurde, welche die Russische Föderation in Zugzwang brachte.

Die Ukraine wurde überfallen. Und zwar von den Monopolen Westeuropas und der USA samt IWF, Weltbank und WTO – den Dirigenten der Weltherrschaft.

Sie reiht sich seit dem Maidan Putsch in die lange Liste der westlichen Marionettenregime ein, deren Rohstoffe und Industrien schonungslos ausgeplündert werden. Für dieses Kiewer Regime kämpft eine NATO-Armee um die Ackerflächen und Bergbaugebiete westlicher Konzerne und das bis zum letzten Ukrainer. Eine seit Jahrzehnten international wiederkehrende Tendenz ist, dass die zentralen Instrumente für die Durchsetzung dieser Politik WTO, IWF und Welthandelsorganisation sich wie eine Art Vortrupp auf die Zielländer stürzen und mit verschiedensten Methoden die Märkte für ihre Monopole aufbrechen. Sie sanktionieren die Länder in die Knie, setzen ihre Währungen Spekulationen aus und finanzieren NGOs, während die CIA-Medienagentur NED die Bevölkerung verhetzt, aufstachelt und Feinde dämonisiert. Vor Ort werden Kompradoren als Verwalter des Ausverkaufs und Unterdrücker gegen widerständige Bewegungen eingesetzt. Diese errichteten durch neoliberale Reformen einen Wandel hin zu einem neoliberalen Staat, welcher auf einen halbkolonialen Status herabgedrückt wird. Während überall auf diese Strategie des Imperialismus Erfolge feierte, stießen sie in der Ukraine auf den Widerstand der Bevölkerung des Donbass und der Krim die sich diesem Einfluss entziehen konnten. Das Ihnen ein Krieg mit Faschisten an vorderster Front erklärt wurde ist wenig verwunderlich, überall auf der Welt standen und stehen Akteure auf der Abschussliste des Imperialismus, weil sie für nationale Befreiung und mehr Souveränität kämpfen.

Quellen

 Reinhard Lauterbach. 2021 URL: https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/artikel/398820.kiew-stellt-kriegsfalle.html

„… und dieser Kampf ist noch nicht zu Ende“ – Zum 78. Jahrestag der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald

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„Heute sind wir frei“ heißt es in dem Totengedenken, das die ehemaligen Häftlinge des KZ Buchenwald am 19.04.1945 zum Andenken an ihre mehr als 50.000 ermordeten Kameraden auf dem Appellplatz des KZ organisierten. Ihre Freiheit und ihr Leben verdankten sie der Solidarität unter den Häftlingen, die im wesentlichen vom Internationalen Lagerkomitee unter Führung der politischen Häftlinge und im Besonderen der Kommunisten organisiert wurde.

Sie riefen: „Wenn uns eins am Leben hielt, dann war es der Gedanke: Es kommt der Tag der Rache!“. Am 11. April 1945 war dieser Tag gekommen. Die Häftlinge, die diesen Tag über Jahre hinweg unter strengster Konspiration und unter Einsatz ihres Lebens vorbereitet hatten, befreiten das Lager mit Waffengewalt, setzten die verbliebenen Truppen der SS fest und übernahmen die Verwaltung des Lagers, bis sie es den vorrückenden Truppen der US-Armee übergaben.

Doch den Häftlingen war auch klar: „Dieser Kampf ist noch nicht zu Ende. Noch wehen Hitlerfahnen! Noch leben die Mörder unserer Kameraden! Noch laufen unsere sadistischen Peiniger frei herum!“. Sie schworen sich: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Dieser Schwur ging als Schwur von Buchenwald in die Geschichte ein. Er ist Ausdruck des politischen Kampfes, den sie führten und er mündete in die Erkenntnis, diesen Kampf gegen den Faschismus mit dem Kampf um den Sozialismus zu verbinden.

Stehlen erzählen die Geschichte des Aufstands

Diesem Kampf widmete die DDR mit der 1958 eingeweihten Nationalen Mahn- und Gedenkstätte ein Mahnmal, das unter dem Leitmotiv „Durch Kämpfen und Sterben zum Sieg“ die Schrecken des Konzentrationslagers einfängt, ihnen aber auch die Solidarität der Häftlinge und den von den Kommunisten angeführten Widerstand gegenüberstellt. In einem Rundgang über die Nationale Mahn- und Gedenkstätte haben wir uns am vergangenen Wochenende mit ca. 50 Genossen die Geschichte dieses Kampfes erschlossen. Gemeinsam haben wir die sieben Stelen, die an die sieben Jahre Existenz des KZ Buchenwald erinnern, sowie die Ringgräber mit den Überresten der Menschen , die die Schrecken des KZ überlebten aber an den Folgen der unmenschlichen Behandlung starben, besichtigt. Außerdem besuchten wir die Straße der Nationen, die Plastik am Ende der Straße der Freiheit und den Glockenturm. Im Anschluss haben wir die politische Bedeutung des Schwurs von Buchenwald für die Friedensbewegung heute diskutiert.

Am Sonntag organisierten wir gemeinsam mit DKP, KPD und Freidenkern am Buchenwaldplatz in Weimar ein Gedenken an den Führer der KPD und der deutschen Arbeiterklasse, Ernst Thälmann, der in Buchenwald im August 1944 von den Faschisten ermordet wurde. Wir gedachten im Rahmen der Thälmann-Ehrung im Innenhof des KZ Buchenwald auch der Totenfeier, die die Kommunisten damals aus diesem Anlass abhielten. Auch an diese erinnert eine der Stelen auf der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte. Denn in Folge von Thälmanns Ermordung intensivierte das Internationale Lagerkomitee seine Aktivität und bereitete den Aufstand, der zur Selbstbefreiung des KZ führen sollte, zielgerichtet vor.

Die Fahne des Sieges der Roten Armee und die Fahne des antifaschistischen Deutschlands, der DDR
Thälmann-Gedenken in Weimar

Im Anschluss erschlossen wir uns weitere Teile der Geschichte des Lagers auf einem Rundgang über das KZ. Dabei legten wir Blumen am Pferdestall nieder, in dem die Faschisten mehr als 8.000 Offiziere der Roten Armee erschossen. Sie taten dies, da ihnen bewusst war, dass die politisch geschulten Offiziere Sowjetrusslands ihre unversöhnlichsten Feinde waren. Aus diesem Grund fürchteten sie sie.

An der Kinderbaracke verlas ein Genosse das Gedicht „Kinderschuhe von Lublin“ von Johannes R. Becher, das ein eindrückliches Zeugnis der Schrecken der Konzentrationslager darstellt. Zudem erzählte ein polnischer Genosse, dessen Großvater und Urgroßvater als politische Gefangene in Buchenwald inhaftiert waren, die Geschichte der beiden. Er berichtete auch über die Flucht seines Großvaters auf einem der berüchtigten Todesmärsche, auf die die Faschisten die Häftlinge kurz vor Ende des Krieges schickten. Der Aufstand des Internationalen Lagerkomitees setzte dieser mörderischen Praxis am 11.04.1945 ein Ende und rettete so mehr als 20.000 Menschen das Leben.

Im Rahmen der offiziellen Gedenkfeier war jedoch erneut kein Wort von der Selbstbefreiung des KZ zu vernehmen. Weder vom „linken“ Ministerpräsidenten Bodo Ramelow noch von Seiten der Gedenkstätte fiel ein Wort zum Kampf der Häftlinge um ihre Freiheit. Dieses Verbrechen ist möglich, da inzwischen so gut wie keiner der Häftlinge, die die Selbstbefreiung selbst erlebten, mehr am Leben ist, um ihnen zu widersprechen. So betreiben die Regierenden weiter Geschichtsklitterung und versuchen die Selbstbefreiung und die sich daraus ergebende politische Verpflichtung zu leugnen.

In den vergangenen Jahren ist man dazu übergegangen, den Fokus auf einzelne Opfergruppen zu legen. So stand in diesem Jahr das Gedenken an die im KZ inhaftierten Sinti und Roma im Mittelpunkt. Ihnen wurde in der BRD über Jahrzehnte hinweg die Anerkennung und damit auch die ihnen zustehenden Entschädigungen verweigert. Zudem sind sie bis heute Diskriminierung und institutionellem Rassismus ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund erscheint dieses Gedenken geradezu zynisch.

Für Empörung sorgte, dass der russische Generalkonsul auch in diesem Jahr nicht zu den Feierlichkeiten auf dem Appellplatz eingeladen wurde. Sogar der von ihm zwei Tage vor der Veranstaltung niedergelegte Kranz für die sowjetischen Opfer wurde vor der Gedenkstunde entfernt. Dabei waren die sowjetischen Häftlinge mit mehr als 15.000 Toten die bei weitem größte Opfergruppe. Doch in Zeiten, in denen Deutschland erneut Krieg gegen Russland führt, versucht man diesen Teil der Geschichte möglichst zu verdrängen.

Zudem waren auf dem gesamten Gelände der Gedenkstätte in diesem Jahr alle Fahnen, mit Ausnahme der Fahnen der Opfervereinigungen, untersagt. Auch das Zeigen des Georgsband war verboten. Genossen, die gegen diese Auflage verstießen, wurden erkennungsdienstlich erfasst. Dies geschah offensichtlich gezielt abseits der offiziellen Gedenkveranstaltung. Dieser Staat schreckt auch an einem solch wichtigen Gedenktag nicht vor Repression zurück. Wir lassen uns davon nicht einschüchtern und stehen solidarisch an der Seite der Genossen!

Denn auch heute gilt für uns Kommunisten die Verpflichtung des Schwurs von Buchenwald: „Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Diese Welt muss sozialistisch sein.

Gedenkstein für die ermordeten Rotarmisten

Hier die Veröffentlichung der Rede vom Innenhof des ehemaligen Krematoriums zu Ehren Ernst Thälmanns.

Liebe Freunde, Genossinnen und Genossen,

wir haben uns heute hier zusammengefunden, um gemeinsam Ernst Thälmann und den antifaschistischen Widerstandskämpfern zu gedenken.

Der Sprecher und Vorkämpfer der Arbeiterklasse Deutschlands und darüber hinaus ein weltweit geachteter kommunistischer Revolutionär wurde hier in Buchenwald 1944 von den Faschisten ermordet. 11 Jahre lang konnten die Faschisten ihn nicht brechen. An den Fronten wurde Deutschland zurückgedrängt, der Krieg konnte nicht mehr gewonnen werden. Für die Faschisten wurde es immer gewisser, dass ihnen danach die Rechnung für all ihre Verbrechen präsentiert wird. In ihrer Angst versuchten sie diejenigen zu vernichten, die ihre entschiedensten Gegner waren und in Gefangenschaft geblieben sind.

1944 diktierte Hitler dem SS-Reichsführer Heinrich Himmler in den Notizblock: „Thälmann ist zu exekutieren“. Der Befehl wurde umgehend ausgeführt.

Der wichtigste revolutionäre Führer des deutschen Proletariats, einer der bedeutendsten Revolutionäre der weltweiten kommunistischen Bewegung wurde nachts von seinem Haftort in Bautzen nach Buchenwald gebracht, dort erschossen und verbrannt.

Sein Mörder, der Leiter des Buchenwalder Exekutionskommandos und SS- Stabsscharführer Wolfgang Otto, überlebte den Krieg und lebte in der BRD, dem Zufluchtsort tausender Naziverbrecher, unbehelligt weiter.

Als die Häftlinge erfuhren, dass Thälmann ermordet wurde, organisierten sie unter den Bedingungen der Lagerhaft eine streng konspirative Versammlung, bei der sie unter Kerzenlicht im Keller Abschied nahmen.

Georgi Dimitroff sagte 1934 über den Genossen Ernst Thälmann: „Der wahre proletarische Revolutionär ist eine lebendige Verkörperung der revolutionären Theorie, die sich in untrennbarem Zusammenhang mit der revolutionären Praxis des kämpfenden Proletariats formiert. Das Musterbeispiel eines solchen proletarischen Revolutionärs ist gerade der Führer der deutschen Arbeiter, Ernst Thälmann. Er ist Blut vom Blute und Fleisch vom Fleische der deutschen Arbeiterklasse und des gesamten internationalen Proletariats.“

Ernst Thälmann widmete sein Leben dem Kampf gegen den deutschen Imperialismus, er bekämpfte mit der KPD entschieden die Aufrüstung der Weimarer Republik und organisierte als führendes Mitglied im Rotfrontkämpferbund den Kampf gegen den Faschismus.

Wo stehen wir heute?

Der deutsche Imperialismus führt heute abermals Krieg gegen Russland. Dafür rüsten die deutschen Regierungen seit 2014 wieder Faschisten in der Ukraine aus – Faschisten, die sich ganz offen mit SS-Kollaborateuren wie Stepan Bandera und ihren Verbrechen identifizieren. Die Gewalt dieser Faschisten gegen Gewerkschafter, Linke und Kommunisten ist in der Ukraine allgegenwärtig. Damals wie heute erfüllen die ukrainischen Faschisten den Zweck – auch für den deutschen Imperialismus – die Ukraine zu einem Anti-Russland aufzubauen.

Für den Krieg gegen Russland wird in Deutschland selbst die Heimatfront gestärkt. Widerspruch und Opposition werden nicht geduldet So werden aktive Kriegsgegner wie Heinrich Bücker und Bruno Mahlow durch Strafverfahren eingeschüchtert und repressiert. Dafür wurde in einer Nacht- und Nebel-Abstimmung im Bundestag sogar das Strafrecht angepasst. Neben der Repression von Kriegsgegnern stehen tägliche rassistische Hetze und Angriffe auf russische Bürger in Deutschland, die von unseren Medien gefördert werden.

Neben der Unterstützung der ukrainischen Faschisten und der Hetze gegen Kriegsgegner und Russen braucht es für den Krieg gegen Russland einen beispiellosen Kriegskredit von 100 Milliarden Euro, den, damals wie heute, selbstverständlich die Arbeiterklasse bezahlt.

Dagegen muss sich unser Kampf richten – gegen die Aufrüstung, die Normalisierung des Faschismus, gegen die antirussische Hetze und gegen die Abwälzung der Kosten dieses Krieges auf die Arbeiterklasse in Deutschland wie international.

Ehren wir Thälmann, indem wir uns sein Leben und seinen Kampf zum Vorbild nehmen! Kämpfen wir auch heute mutig gegen Imperialismus und Faschismus! Rot Front!



Aktionsbericht zu den Ostermärschen 2023

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Unsere Genossen haben sich an den diesjährigen Ostermärschen in BerlinBremenChemnitz,DresdenDuisburgDüsseldorfErfurtFrankfurt am MainJena und Leipzig mit klaren Anti-NATO Positionen beteiligt. Die Ostermärsche zeigen, dass es in Deutschland Widerstand gegen das hegemoniale Narrativ der russischen Aggression gibt und die Kriegspolitik der Bundesregierung und ihre massiven Aufrüstungsprogramme nicht unwidersprochen bleiben. Eine deutliche Position gegen die NATO bleibt allerdings weiterhin in der Minderheit. Die Aufgaben und Fragen der Friedensbewegung sind nicht klein. Neben einem klareren Verständnis über die Ursachen und Hintergründe zum Krieg der NATO gegen Russland, fehlt oftmals eine kämpferische Stimmung und es müssen offensive Antworten auf das zum Teil heraufbeschworene Bild einer Querfront entwickelt werden.

Der Berliner Ostermarsch, organisiert von der Friedenskoordination Berlin fand in diesem Jahr im Berliner Wedding unter dem Motto „Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg“ verhältnismäßig guten Zulauf. Wir haben uns als KO Berlin neben weiteren schätzungsweise 2.500 Protestierenden im Block vom Bündnis „Heizung Brot und Frieden“ beteiligt und unsere Aktionszeitung verteilt. Die Überschrift unserer Zeitung: „NATO raus aus der Ukraine“ fand dabei durchweg große Zustimmung. Im Vorhinein war insbesondere die Friedenskoordination Berlin unter anderem von der Antifa Nordost der Bildung einer Querfront bezichtigt worden. Nicht zuletzt konnten die Zusammensetzung und inhaltliche Ausrichtung des diesjährigen Berliner Ostermarsches diese Vorwürfe mit aller Deutlichkeit zurückweisen.

Vor Ort versuchten zwei kleine Gruppen von Gegendemonstranten die Kundgebung und den Demozug zu stören. Sie trugen eine NATO- sowie Ukraine-Flagge und ein Transparent mit dem Schriftzug „Geradedenken“. Ebenso wie Massenmedien und Politik versuchen solche Kräfte eine gesellschaftlich breite und politisch klare Opposition gegen die Kriegspolitik der Regierung mit Diffamierungen von Beginn an zu torpedieren. Es ist und bleibt die Aufgabe kommunistischer Kräfte innerhalb einer notwendig breiten Friedensbewegung, um eine klare Gegnerschaft zur NATO und einem Verständnis über den Zusammenhang von Faschismus und Krieg zu ringen. Diejenigen „linken“ Kräfte, die den Krieg der NATO gegen Russland, unter Beteiligung faschistischer Kräfte in der Ukraine unterstützen, bilden die tatsächliche Querfront. Der Berliner Ostermarsch war ein erfreulich Mut machendes Gegenstück dazu.

Auch in Bremen verteilten wir beim diesjährigen Ostermarsch unsere Stellungnahmen und versuchten mit Menschen vor Ort in die Diskussion zu kommen. Es nahmen ca. 1000 Personen an der Demonstration teil, was eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr darstellte.  Im Vorfeld zum Ostermarsch distanzierte sich die Linkspartei Bremen von dem Ostermarsch-Aufruf und warf den Veranstaltern vor, nicht solidarisch mit der Ukraine zu sein.

Am Karfreitag gegen 10 Uhr versammelten wir uns in Chemnitz auf dem Neumarkt, um am traditionellen Ostermarsch teilzunehmen. Die Teilnahme am friedensorientierten Ostermarsch ist in der aktuellen Lage von höchster Priorität, denn die NATO und damit die BRD führt Krieg gegen Russland. 200 Menschen beteiligten sich an der Demonstration. Die Reden zum Auftakt vertraten einen äquidistanten Standpunkt zum Krieg. Es wurde zwar auf die Blutspur hingewiesen, welche die NATO in den letzten Jahrzehnten hinterlassen hat, aber im selben Atemzug auf die angeblichen imperialistischen Bestrebungen der Russischen Föderation. Das Material, welches wir verteilt haben, wurde größtenteils mit großer Begeisterung entgegengenommen. Unsere eindeutige Anti-NATO Position führte sogar dazu, dass sich Personen mit uns gemeinsam in die Demonstration einreihten. Wir reihten uns hinter der DKP ein. Bei einem Zwischenhalt an der Ernst Thälmann Gedenkstätte wurde auf eine Rede von Thälmann hingewiesen, indem es um die Vorbereitung auf den Krieg der imperialistischen Räuberbande gegen die Sowjetunion ging. Es wurden Parallelen zur aktuellen Lage gezogen, auf politische Repression, wie bspw. gegen Heinrich Bücker und das sich geschichtlich wiederholende Expansionsbestreben des deutschen Imperialismus in Richtung Osten. Es wurden auch Fragen nach potentiellen Bündnispartnern im Kampf gegen die NATO, den deutschen Imperialismus und für den Frieden gestellt.

In Dresden unterstützten wir die hiesige Friedensinitiative bei der Vorbereitung des Ostermarsches, an dem 800 Menschen teilnahmen. Der kraftvolle Demonstrationszug bewegte sich quer durch die Stadt und setzte ein klares Zeichen für Frieden und den Stopp von Waffenlieferungen. In Diskussionen war vor allem der Umgang mit AfD und Freien Sachsen häufiges Thema sowie die Frage, ob Deutschland lediglich treuer US-Vasall oder doch selbst eine eigenständige imperialistische Macht sei. Wir selbst trugen vor der Frauenkirche eine Rede vor, die sich von den Vorrednern dadurch abhob, dass sie die NATO klar als weltweiten Kriegstreiber und Aggressor benannte. Die große Menge Demonstrierender signalisierte uns durch wiederholten und lauten Applaus ihre Zustimmung.i Noch bis Demonstrationsende erhielten wir Lob und Zuspruch für unsere klare Haltung gegen die westliche Kriegsführung, sowie für unsere Bezüge zur Klassenfrage und der Rolle des Internationalismus. Dementsprechend begehrt waren unsere Aktionszeitungen, von denen wir viele verteilen konnten. Auch die dutzenden Passanten die unseren Weg durch die Altstadt kreuzten zeigten uns ihre Zustimmung.

Dresden

In Duisburg beteiligten wir uns am Ostersamstag gemeinsam mit 200-250 weiteren Menschen an der Auftaktkundgebung und der anschließenden Demonstration durch die Innenstadt. Mit unserem „Stoppt den Krieg gegen Russland“-Transparent und unseren Parolen versuchten wir der sonst eher ruhigen Demo ein kämpferisches Auftreten zu verleihen. Von dem antideutschen Nachrichtenportal „Ruhrbarone“ wurden wir dafür als „Linksextremisten“ und als „Putins fünfte Kolonne“ bezeichnet.ii Auch die WAZ wetterte gegen uns und behauptete wahrheitswidrig, wir hätten „gut hörbar“ Parolen wie „Stoppt den Krieg gegen Russland“ und „Für die Niederlage der Nato!“ skandiert. In Wirklichkeit standen diese Parolen auf unserem Transparent, gerufen hatten wir „Keine Waffen für die Ukraine!“ und „NATO raus aus der Ukraine!“ Auch das lokale Bündnis Heizung, Brot und Frieden wurde für seine Kritik an der Verarmungspolitik der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Krieg gegen Russland von der WAZ angegriffen. Zudem zeigte sich diese größte Regionalzeitung Deutschlands ernsthaft überzeugt, dass Demoteilnehmer deshalb rote und blaue Jacken trügen, weil dies die Farben Russlands seien.iii

Anschließend nahmen wir an der zentralen Friedensdemo in Düsseldorf teil. Diese war u. a. dank eines lebendigen SDAJ-Blocks etwas lauter als der Marsch in Duisburg. Auch hier sorgte unser Transparent für Aufmerksamkeit. Feedback sowohl zu unserem Banner als auch zu unseren Aktionszeitungen waren in Duisburg wie in Düsseldorf insgesamt sehr positiv: Teilweise liefen uns Interessierte hinterher oder umringten uns, um uns die Zeitungen förmlich aus den Händen zu reißen. Kritik kam nur dann von Personen, die der Meinung waren, dass Russland der Aggressor in diesem Krieg sei und dass die NATO sich nicht aus der Ukraine zurückziehen müsse. In Düsseldorf provozierten drei Personen aus dem antideutschen Spektrum wiederholt am Rande der Demo bzw. auf der Abschlusskundgebung auf dem Rathausvorplatz mit einer Ukraine-Fahne und einem Banner, auf dem die Demo der Querfront bezichtigt wurde.

Duisburg

In Thüringen waren wir sowohl beim Auftakt der Ostermärsche in Erfurt, als auch in Jena aktiv. In zahlreichen Gesprächen diskutierten wir die Inhalte der Kundgebungen und kamen ins Gespräch darüber, wie es gelingen kann, eine kämpferische Friedensbewegung aufzubauen, die auch wirklich Schlagkraft entfalten kann. Unserer Auffassung, dass eine äquidistante Position zum Krieg dafür kontraproduktiv ist und wir stattdessen den Kampf gegen die NATO als Hauptfeind in den Mittelpunkt stellen müssen, schlossen sich viele an. Ferner sprachen wir mit den Menschen darüber, welche gesellschaftliche Kraft es gerade in Deutschland braucht, um die Kriegspolitik zu stoppen und wie wir diese aufbauen können. Sowohl für unsere wöchentlich stattfindende Aktuelle Stunde als auch für unsere kommende Gedenkveranstaltung in Buchenwald luden wir Interessenten zu weiteren Gesprächen ein. Wir führten so nicht nur inhaltliche Debatten, sondern verfolgten auch die Vernetzung der Bewegung.

In Frankfurt am Main beteiligten wir uns mit Fahnen und Banner am Ostermarsch, zu dem eine breite Spanne von Organisationen aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet kamen. Mit unserer konsequenten Position gegen die NATO fielen wir zwischen den anderen Akteuren auf, die oft eher oberflächlich Frieden und Verhandlungen forderten, ohne den Konflikt genauer zu analysieren. Deswegen nutzten wir die Chance des Open-Mics am Startpunkt der Demo, um dem etwas entgegenzusetzen und z.B. die indifferente Haltung der MLPD zu kritisieren. Einige Anhänger der „alten“ Friedensbewegung waren an unserer klaren Anti-NATO Position interessiert und es waren nur sehr marginal Ukraine-Fahnen zu sehen. Die meisten Reden auf der Abschlusskundgebung forderten einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine, oft in der Kombination damit, dass Russland sich jetzt sofort aus der Ukraine zurückziehen müsse. Nur in einem Redebeiträge wurde der Wirtschaftskrieg und die Sanktionen des Westens verurteilt und die Friedensbewegung vor Diffamierungen verteidigt. Der Ostermarsch war mit 4000 Teilnehmern stärker als letztes Jahr, trotzdem wirkte es wie eine stark ritualisierte Demo und war insgesamt wenig kämpferisch.

Frankfurt

Auch in Leipzig haben wir uns dieses Jahr wieder am Ostermarsch beteiligt. Dabei konnten wir sowohl beim Verteilen unserer Aktionszeitung als auch am Stand von „Leipzig gegen Krieg“ viele gute Gespräche führen. In unserer Rede haben wir auf die Vorgeschichte des Krieges aufmerksam gemacht und auf die Gefahr hingewiesen, die Schuld für den Krieg in der Ukraine bei Russland zu sehen. Für diese Position haben wir viel Zustimmung erhalten, kamen aber auch mit Besuchern des Ostermarsches in Diskussion, die dies anders sahen. Während des Aufzugs durch die Leipziger Innenstadt verschafften wir unseren Anti-NATO Positionen durch Sprechchöre Gehör. Die Teilnehmer des Ostermarsches ließen sich auch nicht von ein paar Passanten stören, die uns u.a. mit „Slava Ukraini“-Rufen begegneten und versuchten, während unserer Rede das Mikrofon an sich zu reißen.

ihttps://www.youtube.com/watch?t=4557&v=-nbnGu2QfP8&feature=youtu.be

iihttps://www.ruhrbarone.de/ostermarsch-rhein-ruhr-putins-treue-truppe/219067

iiihttps://www.waz.de/staedte/duisburg/ostermarsch-in-duisburg-russland-propaganda-dominiert-demo-id238104617.html


Solidarity with Samidoun and the Palestinian struggle for Liberation!

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For some time now, the resistance in Palestine has taken the form of a new Intifada: For months now, the Israeli colonial and occupation regime has been confronted on a daily basis with guerrilla actions, which for the first time since the Second Intifada have also led to increased casualties on the side of the colonial settlers. At the same time, the various factions of the Palestinian resistance are coming together more and more and seem to be increasingly overcoming their other differences. This is reason for hope!

In Germany, this Palestinian drive toward a united popular resistance is embodied in particular by the Samidoun organization, which consists primarily of young Palestinians who were not born and raised in Germany. While older Palestinian exile organizations often still tend to adhere to the positions of their respective political currents of the past decades, Samidoun brings fresher impulses directly from Palestine or the Arab diaspora to the West. In this way, they also manage to activate young people in Germany, among other places.

This is probably the main reason why the group is a thorn in the side of the rulers in this land. And so Samidoun has long been the focus of state surveillance and repression as well as media agitation.

Most recently, a demonstration by the organization on April 8 in Berlin came under the spotlight of the ruling class media. It took place on the occasion of the recent terrorist actions of the Israeli occupation forces against the people in the Al-Aqsa mosque in occupied Jerusalem. Video footage disseminated by the Zionist „Observatory“ democ and picked up by all major German media reportedly showed shouts of „Death to the Jews!“ at the demonstration. The State Security Service immediately began investigating.

In a statement, Samidoun has commented in detail on the allegations, distancing itself from any anti-Semitism and stating that the video appears to be a fake. They also make clear, „We will not be silenced or oppressed, and we will not stand by while our community is targeted and criminalized.“ In addition, the organization calls for people to take to the streets on April 16, Palestinian Prisoners Day.

We can only support this confident response and strongly condemn the renewed smear and repression campaign against Samidoun! This is just another link in a long chain of criminalization of Palestinian resistance and Palestine solidarity in Germany. Our answer can only be solidarity!

Stop the anti-Palestinian propaganda!

Stop the repression against Palestinians and Palestine activists!

Long live the liberation struggle of the Palestinians – from the River to the Sea, from Jerusalem to Berlin!

!التضامن مع صامدون

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منذ فترة وجيزة، اتخذت المقاومة في فلسطين المحتلة شكل انتفاضة جديدة: فمنذ شهورٍ يواجه النظام الاستعماري والاحتلال الإسرائيلي حرب عصاباتٍ يوميّة أدّت لأول مرّة منذ الانتفاضة الثانية (2000 -2005) إلى زيادة الخسائر في صفوف المستعمرين. في الوقت نفسه، تتوحد فصائل المقاومة الفلسطينية بشكل متزايد ويبدو أنها تتغلب على خلافاتها السياسية، ممّا يدعو إلى المزيد من الأمل

وفي ألمانيا يتجسد نضال الفلسطينيين في الدفع من أجل مقاومة شعبية موحدّة، وبشكل خاص شبكة صامدون التي تتكون أساساً من الشباب الفلسطيني الذين لم يولد ولم ينشأ في ألمانيا. فبينما تميل منظمات فلسطينية قديمة في الشتات والمنافي إلى التمسّك بمواقف التيارات السياسية التقليدية منذ عقود، فإن شبكة صامدون تطرح الموقف الشعبي من فلسطين مباشرةً والشتات العربي بشكل عام. وبهذا تنجح شبكة صامدون في ألمانيا بتفعيل طبقة الشباب

لهذا السبب بشكل أساسي، فإن شبكة صامدون شوكة في خاصرة الطبقة الحاكمة في ألمانيا. ولذلك لطالما كانت صامدون هدفاً وضحية لمراقبة الدولة وقمعها والتشهير بها في الإعلام

في الآونة الأخيرة، نظمت شبكة صامدون مظاهرة يوم السبت 8 أبريل في برلين وكانت محور اهتمام تقارير الصحافة البرجوازية. وتم تنظيم هذا النشاط بفعل تصاعد الأعمال الإرهابية لقوات الاحتلال الإسرائيلي ضد المصلين في المسجد الأقصى في القدس المحتلة. هناك ادعاءات في فيديو نشره ما يسمى بـ „مركز المراقبة“ الديموقراطي الصهيوني وتم تعميمه في جميع وسائل الإعلام الألمانية الكبرى، تُظهر صوتاً يصرخ „الموت لليهود!“. أمن الدولة بدأت بالتحقيق في الحادثة على الفور

وفي بيان لشبكة صامدون ردت بالتفصيل على المزاعم الصهيونية وموقفها ضد معاداة السامية ووضّحت أن الفيديو لا يمثّل المظاهرة. وتوضح صامدون في بيانها بقولها „لن يتم إسكاتنا أو قمعنا ولن نقف مكتوفي الأيدي بينما يتعرض مجتمعنا للقمع والتجريم عمداً“. إضافة إلى ذلك دعت شبكة صامدون  إلى المشاركة في اليوم العالمي للأسير الفلسطيني 16 ابريل 2023 في مسيرة يجري تنظيمها في برلين

لا يسعنا إلا أن ندعم هذا الرّد الواضح لصامدون وندين بشدّة حملة الكراهية والقمع الأخيرة التي تتعرض لها! هذه مجرد حلقة أخرى في سلسلة طويلة من تجريم المقاومة الفلسطينية والتضامن مع فلسطين في ألمانيا. ردّنا هو التضامن

أوقفوا التحريض ضد الفلسطينيين

أوقفوا القمع ضد الفلسطينيين والمناضلين من أجل فلسطين

عاش النضال التحرري للشعب الفلسطيني – من النهر إلا البحر .. ومن القدس إلى برلين

Solidarität mit Samidoun und dem palästinensischen Befreiungskampf!

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In Palästina hat der Widerstand seit einiger Zeit die Form einer neuen Intifada angenommen: Seit Monaten wird das israelische Kolonial- und Besatzungsregime täglich mit Guerilla-Aktionen konfrontiert, die erstmals seit der Zweiten Intifada auch auf Seiten der Kolonialsiedler wieder zu vermehrten Verlusten geführt haben. Zugleich schließen sich die verschiedenen Fraktionen des palästinensischen Widerstands immer mehr zusammen und scheinen ihre sonstigen Differenzen zunehmend zu überwinden. Das ist Grund zur Hoffnung!

In Deutschland wird dieser Drang der Palästinenser zu einem geschlossenen Volkswiderstand insbesondere von der Organisation Samidoun verkörpert, die vor allem aus jungen Palästinensern besteht, die nicht in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Während ältere palästinensische Exil-Organisationen häufig eher noch den Positionen ihrer jeweiligen politischen Strömungen der letzte Jahrzehnte anhängen, bringt Samidoun frischere Impulse direkt aus Palästina bzw. der arabischen Diaspora in den Westen. So schaffen sie es auch, u. a. in der BRD junge Menschen zu aktivieren.

Wohl vor allem aus diesem Grund ist die Gruppe den Herrschenden in Deutschland ein Dorn im Auge. Und so steht Samidoun seit Längerem im Fokus staatlicher Überwachung und Repression sowie medialer Hetze.

Zuletzt geriet eine Demo der Organisation am 8. April in Berlin in den Fokus bürgerlicher Berichterstattung. Sie fand anlässlich der jüngsten Terroraktionen der israelischen Besatzungseinheiten gegen die Menschen in der Al-Aqsa-Moschee im besetzten Jerusalem statt. Auf Videoaufnahmen, die von der zionistischen „Beobachtungsstelle“ democ verbreitet und von sämtlichen großen deutschen Medien aufgegriffen wurden, soll zu sehen sein, wie auf der Demo „Tod den Juden!“ gerufen wurde. Der Staatsschutz begann sofort zu ermitteln.

Samidoun hat sich in einer Stellungnahmei ausführlich zu den Vorwürfen geäußert, sich von jeglichem Antisemitismus distanziert und erklärt, dass es sich bei dem Video um eine Fälschung zu handeln scheint. Sie machen zudem deutlich: „Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen oder unterdrücken, und wir werden nicht zusehen, während unsere Gemeinschaft gezielt unterdrückt und kriminalisiert wird.“ Darüber hinaus ruft die Organisation dazu auf, am 16. April, am Tag der palästinensischen Gefangenen, auf die Straße zu gehen.ii

Wir können diese selbstbewusste Antwort nur unterstützen und verurteilen entschieden die neuerliche Hetz- und Repressionskampagne gegen Samidoun! Diese ist nur ein weiteres Glied in einer langen Kette der Kriminalisierung des palästinensischen Widerstands und der Palästina-Solidarität in Deutschland. Unsere Antwort kann nur Solidarität heißen!

Stoppt die anti-palästinensische Hetze!
Schluss mit der Repression gegen Palästinenser und Palästina-Aktivisten!
Es lebe der Befreiungskampf der Palästinenser – vom Jordan bis zum Mittelmeer, von Jerusalem bis Berlin!

i https://samidoun.net/de/2023/04/samidoun-stellungnahme-zur-hetzkampagne-in-deutschland/

ii https://www.instagram.com/p/Cq3FLIosIxn/

Über die Forderung nach Verhandlungen

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Von Paul Oswald 

Einleitung

Wer mit Kommunisten aber auch in der Antikriegsbewegung über die Einschätzung des Krieges in der Ukraine diskutiert, landet schnell bei der Frage, ob linke Kräfte die Losung nach Verhandlungen vertreten sollen. Diese Forderung wird in Teilen mit einem moralisierenden Pazifismus verbunden á la ‚frieden schaffen ohne Waffen‘. Damit wird einer historisch-materialistischen Untersuchung und der (Waffen-)Gewalt unter jedweden Vorzeichen eine Absage erteilt. Neben pazifistischen Argumentationen, die beim Thema Waffengewalt keinerlei unterschied sehen wollen, stößt man auch auf Stimmen, die zwar die NATO-Aggressionen skandalisieren, aber rhetorisch davor zurückschrecken, konsequent eine Niederlage der NATO zu fordern. Die NATO-Osterweiterung wird als ein Problem gesehen, aber die aktuelle Forderung müsste in Richtung Verhandlungen gehen. Was dabei oft ausgespart wird ist, dass eine NATO-Niederlage ein Sieg Russlands über die Ukraine bedeuten würde. Um konsequent die Forderung nach Verhandlungen mit einer Anti-NATO Politik zu verbinden, muss der Umstand mitbedacht werden, dass Verhandlungen erst dann den gewünschten Effekt erzielen, wenn die militärischen Voraussetzungen gegeben sind. 

Die Forderung nach Verhandlungen ist prinzipiell eine richtige Forderung. Als Reaktion gegen die deutschen Waffenlieferungen, richtet sich dies meist gegen die westliche Expansionspolitik gen Osten. Wie das „Manifest für Frieden“ zeigt, kann sie allerdings auch für einen pro NATO-Kurs genutzt werden. Eine Oppositionshaltung wird in ihm lediglich als richtig herausgestellt, weil kein Siegfrieden über Russland möglich sei, durch die ‚Atomare-Gefahr‘, die von Russland ausgeht. Das „Manifest“, welches sich vollkommen der NATO-Logik bedient und Russland als den Aggressor in diesem Krieg brandmarkt, wirkt sich sehr negativ auf die Antikriegsbewegung aus, weil aus einer scheinbaren Opposition gegen die Kriegspolitik, der NATO-Kurs getragen wird. 

In der Antikriegsbewegung zeigen sich dadurch Fallstricke, die mit der Forderung nach Verhandlungen einhergehen. Die Forderung nach Verhandlungen muss mit einer konsequenten Anti-NATO Politik verbunden werden – sich also ganz explizit gegen die Expansionspolitik der NATO richten. Die Forderung muss präzisiert werden, denn mögliche Verhandlungen können auch dazu dienen die Aggression der NATO unter den bestehenden Bedingungen fortzuführen. Dies sorgt dafür, dass es Situationen geben kann, in denen die Forderung nach Verhandlungen in die genau umgekehrte Richtung wirken, als ursprünglich beabsichtigt. Ein prominentes Beispiel im Ukrainekonflikt sind die Minsk Abkommen, die in ihrer Wirkung fatal für die ukrainische Arbeiterklasse, die Volksrepubliken sowie Russland waren. Sie wurden in einer Situation geschlossen in denen die Ukraine eine militärische Niederlage erlitten hatten – das Militär war faktisch gebrochen. Das Abkommen selbst diente für die NATO und die Ukraine lediglich als eine Verschnaufpause. Die Ukraine konnte acht Jahre ungestört weiter hochgerüstet werden, die Volksrepubliken weiter beschießen und dadurch mindestens 14.000 Menschen töten. 

Mit dem Beitrag möchte ich versuchen die internationalen Entwicklungen seit Jahresbeginn grob nachzuzeichnen und wie sich diese auf den Krieg auswirken. Mit dieser Entwicklung im Blick, möchte ich auf die Losung nach Verhandlungen zurückkommen.

Ausgangssituation vor dem 24.02.2022

2021 konzentrierte das Kiewer Regime seine militärischen Kräfte am Donbass und plante mit dem Dekret 117 eine Rückeroberung der Volksrepubliken sowie der Krim. Seit 2014 brach die Ukraine durchgehend die Minsk-Abkommen und der Beschuss der Volksrepubliken hörte nicht auf. Durch die immer weitere Hochrüstung der Ukraine und der möglichen Stationierung von Langstreckenraketen, die in kürzester Zeit Moskau erreichen könnte, wurden die Sicherheitsinteressen Russlands massiv bedroht. Auf der anderen Seite hat Russland mehrfach Verhandlungsvorschläge gemacht, die zurückgewiesen wurden. Im Jahr 2021 war dies die politische Ausgangssituation. Der Bruch der Minsk-Abkommen und der nicht aufhörende Angriff auf die Volksrepubliken zeigt, dass die NATO seit 2014 in der Ukraine auf kriegerische Mittel setzt, um ihre Politik durchzusetzen. Diese Politik besteht darin, Russland zu bedrohen und die politische Souveränität anzugreifen. 

Als der Beschuss der Volksrepubliken massiv ausgeweitet wurde, drohte Russland an, diese staatlich offiziell anzuerkennen. Nachdem auch diese Warnung ignoriert wurde, schloss Russland einen Vertrag zum Schutz der Volksrepubliken. Auch zu diesem Zeitpunkt lenkte die Ukraine bzw. die NATO politisch nicht ein und Russland ging zur Militäroperation über. Russland legte am 21.12.2021 einen Vertragsentwurf vor, der für eine friedliche Konflitktlösung verpflichtet hätte und die russischen Sicherheitsinteressen garantierte. Teil des Vertrages wäre auch eine Rücknahme der NATO-Osterweiterung auf den Stand von 1997 gewesen. Der Westen ließ sich auf diesen Vertrag nicht ein. Die Bedrohungslage für Russland wurde immer weiter eskaliert. 

Durch den Krieg in der Ukraine hat sich die Politik beider Seiten – Russland und der NATO – geändert. Russland hat vier Bezirke der Ukraine (Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson) angeschlossen. Militärisch geht Russland entschlossen vor, die Sicherheit zu erhöhen und die Bedrohung für Russland zu verringern. Auf der anderen Seite bekommen die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich und damit auch die Ukraine, immer größere Schwierigkeiten den Krieg auf die bisherige Weise fortzusetzten. 

Internationale Bestrebung Richtung Beendigung des Kriegs

Die NATO-Staaten (allen voran die USA) versuchen seit Februar 2022 Russland, aber auch China international zu isolieren, indem sie auf eine Vielzahl von Staaten Druck ausüben, damit diese sich hinter die Kriegspolitik der NATO stellen. 

Auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar diesen Jahres zeigte der Westen einmal wieder deutlich seine Herrschaftsallüren gegenüber dem Rest der Welt. Auf einer Veranstaltung am 18. Februar skandierte Annalena Baerbock, dass „Neutralität […] keine Option [ist], denn dann steht man auf der Seite des Aggressors“. Mit dieser Aussage richtete sie sich direkt gegen den sogenannten ‚globalen Süden‘, aus dem sich sehr viele Länder bis heute neutral gegenüber der russischen Militärintervention verhalten. Baerbock untermauerte in ihrem Redebeitrag diese Aussage und fügte hinzu: 

„Das ist ein Appell, den wir auch nächste Woche wieder an die Welt richten: Bitte nehmen Sie eine Seite, eine Seite für den Frieden, eine Seite für die Ukraine, eine Seite für das humanitäre Völkerrecht ein und das bedeutet in diesen Zeiten auch, Munition zu liefern damit sich die Ukraine verteidigen kann.“

Der US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte diesen Apell und sprach ebenfalls davon, dass „man […] wirklich nicht neutral sein“ kann.[i]

Aber wie erfolgreich ist der Druck und die Drohung der NATO-Staaten aktuell wirklich? Ist ihre bisherige Politik – einen Keil zwischen Russland und China zutreiben sowie beide international zu isolieren – wirklich erfolgsversprechend? Es soll hier versucht werden die internationalen Entwicklungen der letzten Monate kurz zu skizzieren. 

Lateinamerika

Die NATO-Staaten bekommen immer größere Probleme Munition an die Ukraine nachzuliefern, da der Verbrauch die westlichen Produktionskapazitäten übersteigt. Deswegen versuchen die USA lateinamerikanische Staaten dazu zu bewegen sowjetische und russische Waffen, die sie besitzen an die Ukraine abzugeben. Die USA machen dafür das Angebot, diese Waffen gegen moderne amerikanische auszutauschen. Diese Versuche bleiben bisher erfolgslos. Kolumbien, Argentinien und Mexiko lehnen das amerikanische Angebot ab. Argentinien z.B. spricht sich für einen möglichst schnellen Frieden aus, allerdings ohne weitere Waffenlieferungen an die Ukraine.[ii]

Auch Brasilien lehnt jegliche Waffenlieferungen ab, drängt Richtung Verhandlungen und spricht sich für einen Stopp der westlichen Sanktionen gegen Russland aus. Lula da Silva hebt hervor, dass besonders China, Indien und Indonesien einen Betrag zu Verhandlungen leisten könnten.[iii] Er kündigte die Gründung eines „Friedensklubs“ an, bei dem es sich um einen Zusammenschluss von Staaten handeln soll, die keiner der beiden Kriegsparteien unmittelbar verbunden sind und sich für eine Beerdigung des Krieges einsetzten.[iv]

Am 01.03. traf sich der brasilianische Außenminister und Sergej Lawrow am Rande des G-20 Treffens und tauschten sich dabei nicht nur über den Ausbau von bilateraler Zusammenarbeit aus, sondern auch über die Lage im Ukraine-Konflikt. Einen Tag später führte Lula da Silva ein Gespräch mit Selenskyj in dem er deutlich machte, dass Brasilen sich mit anderen Ländern austauschen wird und sich an jeglicher Initiative beteiligen wird, um Frieden zu schaffen. In dem Telefonat mit Lula da Silva bestätigte Selenskyj seine Einladung nach Kiew, um persönlich über Verhandlungen zu sprechen. In diesem Gespräch hieß es scheinbar auch, dass die Beziehungen zwischen der Ukraine und Brasilen nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch erneuert werden könnten.[v]

China

Auf der Münchener Sicherheitskonferenz kündigte auch China eine Initiative für die Beendigung des Krieges an.[vi]Russland betont die Bereitschaft für Dialog und Verhandlungen, was von Seiten China’s unterstützt wird. Putin hob die Beziehung zu Russland hervor und auch China machte deutlich, dass das Land unabhängig von der geopolitischen Entwicklung an der Seite Russlands stehen würde.[vii] Auch der jüngste Staatsbesuch von Xijing Ping in Russland bekräftigten diesen Kurs. 

Am 24.02. veröffentlichte China ein Zwölf-Punkte-Papier, in dem sie hervorheben das die Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder gewahrt werden muss. In diesem Papier werden die Doppelstandards des Westens angeführt, mit denen sie versuchen ihre völkerrechtswidrigen Kriege zu legitimieren. Es werden hier legitime Sicherheitsinteressen und -bedenken erwähnt, welche sich eindeutig gegen die Ukraine und die westliche Einbindung richten, die eine existenzielle Bedrohung für Russland darstellen. Auch der Sanktionspolitik gegen Russland wird eine Absage erteilt, mit der Begründung das international Bedingungen geschaffen werden müssen, durch welche die Wirtschaft wachsen kann und sich der Lebensstandard der Menschen erhöht.[viii]

Indien

Auch Modi spricht von der Bereitschaft mit beiden Seiten zu verhandeln. Bei einer UN-Generalversammlung enthielt sich Indien erneut bei einer Abstimmung, in der es um die Frage ging, ob Russland dazu aufgefordert werden soll seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen. Inwieweit Indien den Zwölf-Punkte-Plan Chinas unterstützen wird, muss sich noch zeigen. Die Rivalität zwischen beiden Staaten bestehen weiter fort, auch wenn sie durch den westlichen Druck Russland zu isolieren, etwas abgenommen haben.[ix]

Saudi-Arabien

Am 10. März gelang China, wovor die USA schon lange fürchteten. China kündigte an, dass sie erfolgreiche Friedensgespräche zwischen Saudi-Arabien und dem Iran unterstützt habe. Eine ähnliche Initiative des Iraks wurde von den USA im Januar 2020 unterbunden, als Trump einen Drohnenangriff anordnete, um den iranischen Spitzenbeamten Quasem Soleimani zu ermorden.[x]

Saudi-Arabien setzt sich ebenfalls für Verhandlungen ein. Am 26.02. reiste der Außenminister nach Kiew. Anschließend kündigte er ein Hilfspaket in Höhe von 400 Millionen Dollar an und der Außenminister sprach von langfristigen Geschäftsbeziehungen in die Saudi-Arabien investieren wolle. Am 09.03. traf sich der Außenminister mit Lawrow und bekräftigte das sich Saudi-Arabien an Initiativen beteiligen wolle, die den Krieg beenden wollen. 

Zusammenfassung

Die Versuche der NATO-Staaten Russland sowie China international zu isolieren, bleiben weiterhin erfolglos. Im Gegenteil zeigt sich ein stärkeres Zusammenrücken innerhalb des sogenannten ‚globalen Südens‘ und die Drohungen des Westens bleiben wirkungslos. Das Treffen zwischen Xijing Ping und Putin am 20. März zeigte, wie eng beide Länder zusammenstehen. Beide Staatspräsidenten betonten, dass sie den chinesisch-russischen Handel ausbauen wollen, und Putin forderte die weltweite Verwendung der chinesischen Währung.[xi] Sollte der internationale Handel abseits des Dollars weiter zunehmen, werden sich die ökonomischen Probleme der USA verschärfen.

Möglicher Kurswechsel der NATO

Die weitgehend erfolgslose Ukrainepolitik der USA sowie der damit zusammenhängende Kampf gegen China verursacht in den USA zunehmend innenpolitische Spannungen. Der Anteil der Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine ist in den USA von 60 Prozent im Mai 2022 auf 48 Prozent zurück gegangen. Lediglich 37 Prozent der Amerikaner billigen eine direkte finanzielle Unterstützung während 38 Prozent sie klar ablehnen. Der Anteil derjenigen die die Sanktionspolitik der USA gegen Russland unterstützen ist von 71 Prozent auf 63 Prozent zurück gegangen. 59 Prozent sprechen davon, dass die Sanktionen nicht auf Kosten der US-Wirtschaft gehen dürfe.[xii] Es ist wahrscheinlich das dieser abnehmende Zuspruch weiter anhält und die USA zunehmend Schwierigkeiten bekommen könnten, ihren bisherigen geopolitischen Kurs innenpolitisch aufrecht zu halten.  

Bei seinem Besuch in Kiew am 20. Februar äußerte Biden gegenüber Selensjy, wie viel Geld die amerikanischen Steuerzahler in die Ukraine investieren würden. Als Präsident sei er, allerdings angetreten, um an den Problemen der amerikanischen Wirtschaft zu arbeiten. Dies würde eine große inneramerikanische Investition verlange, merkte Biden an.[xiii]

Am 23.03. merkte der US-Außenminister Antony Blinken vor einem Ausschuss des US-Kongresses an, dass die ukrainischen Streitkräfte nicht in der Lage sein werden, dass gesamte Territorium das heute von Russland kontrolliert wird, zurückzuerobern: „Ich denke, es wird Gebiete in der Ukraine geben, bei denen die Ukrainer entschlossen sind, am Boden um sie zu kämpfen; es mag Gebiete geben, bei denen sie beschließen, dass sie versuchen müssen, sie auf andere Weise zurückzuerobern.“ Zwar beteuerte Blinken, dass die Entscheidung darüber einzig bei der ukrainischen Regierung läge und nicht von den Finanz- und Waffensponsoren getroffen werden könne. Der Ausschuss, vor dem er sprach, beschäftigte sich allerdings mit der Budgetfrage und es kamen Sorgen auf, dass die US-Ausgaben für die Ukraine überhand nehmen könnten.[xiv]

Auch in Europa zeichnen sich Veränderungen ab. Der britische Premierminister Rishi Sunak legte ein Abkommens-Entwurf vor. Dieses Abkommen soll es der Ukraine ermöglichen einen viel breiteren Zugang zu Ausrüstung, Waffen und Munition zu erhalten, nach Kriegsende. Berlin und Frankreich unterstützen die britische Initiative. Alle drei Regierungen sehen darin wohl die Möglichkeit der Ukraine einen Anreiz zu geben, in Verhandlungen mit Russland zu treten. Sunak drängt darauf der Ukraine weiterhin schwere Waffen (wie Kampfjets) zu liefern, die der Ukraine einen entscheidenden Vorteil geben würden.[xv] Dies deckt sich mit dem britischen Vorhaben der Ukraine „Challenger 2“-Panzer zu liefern sowie panzerbrechende Munition – welches abgereicherte Uran enthält.[xvi]

Scheinbar wird in den drei Ländern der Zweifel darüber größer, ob die Ukraine in der Lage sein wird, Russland aus der Ostukraine und der Krim zurückzuschlagen. In Großbritannien deuten Stimmen, in Bezug auf die Ausbildung von ukrainischen Piloten für Kampfjets, darauf hin, dass dies Teil des längerfristigen Ziels sei, Russland von zukünftigen Angriffen zurückzuhalten.[xvii] Auch Rheinmetall machte deutlich, dass die ukrainischen Panzerkapazitäten nicht ausreichen würden, um Russland militärisch zu schlagen. Um dies zu ermöglichen wollen sie eine eigene Panzerfabrik in der Ukraine aufbauen.[xviii]

Das mögliche Abkommen fällt hinter eine NATO-Mitgliedschaft zurück. Genauere Bedingungen sind noch nicht bekannt. Durch dieses könnte die Ukraine einen noch breiteren Zugang zu NATO-Waffensystemen erhalten. Deutschland signalisierte bereits, dass sie dauerhafte militärische Unterstützung an die Ukraine liefern wollen, u.a. Luftabwehr, schwere Artillerie, Panzer und Munition.[xix] Dafür spricht auch die Ankündigung der Bundesregierung, die Militärhilfe für die Ukraine von den bisherigen drei Milliarden Euro seit Kriegsbeginn, auf 15 Milliarden Euro zu erhöhen.[xx] Aus der Perspektive Großbritannien, Frankreich und Deutschland sollte die Ukraine nach ihrer geplanten Gegenoffensive im Frühjahr in Verhandlungen mit Russland übergehen, welche dabei helfen könnten, Territorien zurück zu gewinnen.[xxi]

In Frankreich wird die Frage aufgeworfen, was es bedeuten solle, dass Russland den Krieg auf keinen Fall gewinnen dürfe. Denn der Krieg würde für die Ukraine unerträglich werden, wenn er mit der bisherigen Intensität weitergeführt werde. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz äußerte sich der tschechische Präsident Petr Pavel in eine ähnliche Richtung und sprach davon, dass eine Situation eintreten könne, in welcher die Befreiung von Teilen der Ukraine mehr Todesopfer fordern könnte, als es die ukrainische Gesellschaft tragen könnte, weshalb die Ukraine potenziell über andere Ergebnisse des Krieges nachdenken müsse.[xxii]

In einem Gespräch in Paris mit Selenskyj am 08.02., äußerten sich Macron und Scholz dahingehend, dass die Ukraine Friedensgespräche mit Russland in Betracht ziehen müssten. Macron sprach davon, dass sich Selenskyj nun wie ein Staatsmann verhalten müsse und schwierige Entscheidungen zu treffen habe. Gegenüber der französischen Presse äußerte Macron, dass die Ukraine eine Offensive gegen Russland starten sollte, um diese zurückzudrängen und den Weg für Verhandlungen zu ebnen.[xxiii]

Am 10.03 prognostizierte der Grünen Politiker Jürgen Trittin im Handelsblatt, dass im Herbst der westliche Druck auf die Ukraine zunehmen könnte, den Krieg durch Verhandlungen zu beenden. Trittin sprach davon, dass die US-Administration schon längst die entsprechenden Signale gegeben hätte. Dabei machte er deutlich, dass es nur die halbe Wahrheit sei, wenn davon gesprochen würde, dass die Ukraine über den Zeitpunkt der Verhandlungen entscheiden würden. Dies begründet er damit, dass die Ukraine abhängig von der westlichen Unterstützung ist und sich im Zweifel den westlichen Forderungen beugen müsse.[xxiv]

Situation für Russland

Die Entwicklungen könnten darauf hindeuten, dass ein weiter so für die NATO-Staaten zunehmend schwieriger wird. Aber was bedeutet das für die bisherige Strategie der USA, ein stärker werden Chinas zu verhindern, was sie aktuell über Russland versuchen? International zeichnet sich eine gegenläufige Bewegung ab, die eher für eine zunehmende Stärkung Chinas. Das politische Ziel der Ukraine, die ehemaligen östlichen Gebiete der Ukraine sowie die Krim zurückzuerobern, erweisen sich als unrealistisch Es wirkt als würden die eingesetzten Mittel des Westens dieses politische Ziel übersteigen. Gleichzeitig deutet die Entwicklung auf eine potenzielle Stärke Russlands hin. Dies birgt allerdings für Russland die Gefahr, sich auf einen falschen Deal einzulassen, was der Ukraine lediglich die nächste Verschnaufpause verschaffen würde. Die Vorhaben aus dem Westen deuten bereits darauf hin, dass es sich dann um ein Minsk III Abkommen handeln würde. Es wäre demnach ein momentaner Frieden, der umschlagen würde in einen erneuten Krieg mit einer noch weiter hochgerüsteten Ukraine. Auch wenn nach den bisherigen Verlautbarungen ein NATO-Beitritt der Ukraine eher als unwahrscheinlich gilt, so wäre eine weitere Hochrüstung, eine große Gefahr für Russland.

Es kann demnach eine Situation eintreten, in der sich Putin auf einen faulen Kompromiss mit der Ukraine einlässt. Dies würde eine weitere Akzeptanz des faschistischen Regimes in der Ukraine bedeuten, welches ungestört eine Politik betreiben kann, die auf Russenhass basiert und welches von ihrem politischen Ziel ehemalige Gebiete zurückzuerobern nicht loslassen wird. Für das ukrainische Volk wäre das Aufrechterhalten der bisherigen Situation eine Katastrophe, da es weiter der aggressiven und chauvinistischen Unterdrückung der eigenen Regierung ausgesetzt wäre. Auch für Russland würde die Bedrohung weiter bestehen. 

Der US-Amerikanische ehemalige General Scott Ritter sprach in einem Interview am 02.04 davon, dass der Krieg zugunsten Russlands entschieden sei. Der Krieg wird sich an der Schlacht um Bachmut entscheiden, da die Ukraine einen Großteil ihres Militärs dort stationiert hat (80.000 Soldaten). Wenn Russland die Schlacht gewinnt – und dies gilt als wahrscheinlich –, dann ist die ukrainische Armee geschlagen, weil sie nach diesem Verlust nicht mehr wehrfähig wäre. Ritter hält ebenfalls eine ukrainische Gegenoffensive für illusorisch, da sich alle Kräfte in Bachmut konzentrieren und die Ukraine keine Möglichkeit haben würde groß Truppen zusammenzuziehen. Im Interview geht Ritter noch weiter und spricht davon, dass mit dem Sieg über Bachmut Russland all seine politischen Ziele im Krieg erreichen würde: Denazifizierung, Demilitarisierung und die Neutralität. Ritter führt auch an, dass der Westen fertig ist mit diesem Krieg (done with this war), weil sie kein weiteres militärisches Material für die Ukraine haben und ihnen auch das Geld ausgeht.[xxv] Die Annahme Ritters, dass über die Schlacht von Bachmut eine Demilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine erreicht werden könnte, wirkt etwas gewagt. Interessant ist allerdings seine Einschätzung zum Zustand des ukrainischen Militärs. Selbst wenn die Ukraine, gegen Ritters Einschätzung, noch eine Offensive starten sollten, so sieht ihre Perspektive doch eher schlecht aus. Dies deckt sich auch mit den weiter oben angeführten Stimmen aus dem Westen, die einen militärischen Erfolg der Ukraine für unwahrscheinlich halten. 

Konsequenz in der Verhandlungsforderung

Es zeichnet sich eine zunehmende Stagnation der NATO im Ukrainekrieg ab. International schafft sie es nicht, mehr Unterstützung für ihre Politik gegen Russland (aber genauso gegen China) zu gewinnen. Im Gegenteil formieren sich internationale Bestrebungen die sich zunehmend für Verhandlungen aussprechen und den NATO-Kurs nicht unterstützten. Diese Bestrebungen drücken (China macht dies explizit in ihrem Zwölf-Punkte-Papier) den Willen nach einem Schutz der nationalen Souveränität, vieler Länder aus. Hinzu kommt eine sich weiter verschlechternde Situation für das ukrainische Militär, was ein weiter so im Krieg urrealistisch erscheinen lässt. Zusammengenommen zeichnet sich also eine Situation ab, in der Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine wahrscheinlicher werden. 

Die Antikriegsbewegung muss in dieser Situation konsequent auftreten. Ein einfaches fordern von Verhandlungen kann die Arbeiterklasse in eine Richtung orientieren, mit der sie ein potenzielles Minsk III Abkommen mitträgt. Durch Verhandlungen, die es zulassen würden, dass die NATO die Ukraine ungestört weiterhin aufrüsten kann, wäre ein nächster Krieg nur noch eine Frage der Zeit. Dies kann keine Perspektive für die Arbeiterklasse sein. 

Russland muss Verhandlungen mit der NATO (also stellvertretend mit der Ukraine) militärische erzwingen. Die Ausgangsbedingungen sind dafür gegeben. Nur eine militärische Oberhand in den Verhandlungen kann es Russland ermöglichen die nationalen Sicherheitsinteressen durchzusetzen. Um schlagkräftig zu werden, dürfen sich Kräfte der Antikriegsbewegung weder auf einen bürgerlichen Pazifismus noch auf eine versteckte kriegsstützende Forderung („Manifest für Frieden“) einlassen. Damit die Antikriegsbewegung internationalistisch agiert, muss ihre Politik die Bestrebung nach nationaler Souveränität ernstnehmen und unterstützen. Im Ukrainekrieg sind dies die russischen Sicherheitsinteressen, die von Seiten der NATO ignoriert werden.  

Die verschärfende Rechtsprechung und die mediale Hetzte gegen Stimmen, die sich gegen den Krieg stellen, erhöhen den gesellschaftlichen Druck. Fälle wie die von Heiner Bücker, in denen Aussagen die sich für Frieden und Völkerverständigungen aussprechen strafrechtlich verfolgt werden, sollen uns einschüchtern. Sie befeuern eine Stimmung der Angst. Teilweise zeigen Diskussionen, dass es genau diese politisch aufgebaute Angst ist, die die Leute davon abhält, entschlossen gegen die NATO aufzutreten. Als Kommunisten müssen wir in der Antikriegsbewegung konsequent auftreten. Unsere Forderung muss weiterhin sein: NATO raus aus der Ukraine! 

Quellen


[i] https://geopoliticaleconomy.com/2023/02/20/west-global-south-neutral-ukraine/

[ii] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9147

[iii] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9150

[iv] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9169

[v]https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9191

[vi] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9169

[vii]https://www.jungewelt.de/artikel/445474.china-und-russland-wang-in-moskau.html?sstr=Verhandlungen

[viii]https://www.jungewelt.de/artikel/445625.diplomatie-an-die-wurzel-gehen.html?sstr=Verhandlungen

[ix]https://www.jungewelt.de/artikel/445626.asien-und-ukraine-krieg-frischer-wind-in-der-geopolitik.html?sstr=Verhandlungen

[x] https://geopoliticaleconomy.com/2023/03/17/china-iran-saudi-peace-petrodollar/

[xi] https://geopoliticaleconomy.com/2023/03/25/china-russia-xi-putin-dollar-economy/

[xii]https://apnews.com/article/russia-ukraine-biden-politics-poland-33095abf76875b60ebab3ddf4eede188

[xiii]Markus Wehner, Majid Sattar: Ein Besuch in ungewöhnlichem Format. Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.03.2023.

[xiv] https://www.jungewelt.de/artikel/447500.strategie-des-westens-us-entscheidungstr%C3%A4ger-r%C3%BCsten-verbal-ab.html

[xv]https://www.wsj.com/articles/natos-biggest-european-members-float-defense-pact-with-ukraine-38966950

[xvi] https://www.jungewelt.de/artikel/447868.ukraine-krieg-schmutzige-geschosse.html

[xvii] https://www.wsj.com/articles/natos-biggest-european-members-float-defense-pact-with-ukraine-38966950

[xviii]https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/rheimetall-panzerfabrik-ukraine-101.html

[xix] https://www.wsj.com/articles/natos-biggest-european-members-float-defense-pact-with-ukraine-38966950

[xx]https://www.jungewelt.de/artikel/447801.militarismus-und-krieg-deutsche-panzer-an-die-front.html?sstr=panzer

[xxi] https://www.wsj.com/articles/natos-biggest-european-members-float-defense-pact-with-ukraine-38966950

[xxii] https://www.wsj.com/articles/natos-biggest-european-members-float-defense-pact-with-ukraine-38966950

[xxiii] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9182

[xxiv]https://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-global-challenges-die-ukraine-braucht-belastbare-sicherheitsgarantien-und-die-werden-vor-allem-die-deutschen-bezahlen-muessen/29024850.html

[xxv] https://www.youtube.com/watch?v=bw1euDVn41Y

Georgien an die Front? Zwischen engen transatlantischen Beziehungen und vollständiger Kontrolle des Westens

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Artikel – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation 

Von Batya Shumi

Über die Hintergründe der Protestwelle vom 7.-9.März 2023

Das georgische Parlament, das mit 49% von Mitgliedern der regierenden Partei „Georgischer Traum“ besetzt ist, hat am 7. März mit 76 gegen 13 Stimmen ein Gesetzentwurf verabschiedet, der die Souveränität des Landes stärken soll, in dem NGO’s mit mehr als 20% Finanzierung aus dem Ausland als ausländische Organisationen registriert werden sollen. Es blieben zwar 40 Abgeordnete der Abstimmung fern, bei insgesamt 139 Abgeordneten bilden die 76 Stimmen für das Gesetz jedoch eine absolute Mehrheiti.

Das Gesetz zielt darauf ab jegliche Einflussnahme zu registrieren, sowohl russische, als auch die der EU/USA und asiatischen Staaten. International stellen solche Registrierungen keine Besonderheit dar. Die USA haben mit dem „Foreign Agents Registration Act (FARA)“ ein sehr ähnliches Gesetz bereits 1938 verabschiedet, um den Einfluss von Nazideutschland einzudämmenii, aktuell haben dutzende andere Staaten wie Russland, Australien und Kanada ähnliche Interpretationen eines solchen Gesetzes implementiert. Besonders in den USA wird es sehr scharf angewendet, da durch dieses nicht nur NGO’s, sondern auch andere legale Organisationen und Zivilisten unter Verwaltungs- und sogar Gefängnisstrafe gestellt werden können. 

Der Westen ist über den Versuch die georgische Souveränität zu stärken nicht amüsiert; die US-Botschaft in Georgien veröffentlicht noch am selben Nachmittag ein Statement, das den Vorgang als „schwarzen Tag für die georgische Demokratie“ bezeichnete – das „Kreml-inspirierte Gesetz“ sei unvereinbar mit dem Wunsch, dass sich „Georgien in Europa“ integriere und werfe „echte Fragen über die Loyalität der Regierungspartei zur euroatlantischen Integration auf“iii. Der Tenor ist gesetzt. 

Als Reaktion auf die Verabschiedung des Gesetzes kam in den nächsten drei Nächten in der Hauptstadt Tiflis zu gewaltsamen Protesten mit mehreren Tausenden Anhängern vor dem Parlamentsgebäude, die das Gesetz als „Russengesetz“ brandmarkten. Insbesondere in der Nacht vom 8. zum 9. März waren die Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und überwiegend jungen Leuten, die mit EU-, US- und Ukrainefahnen sowie Molotowcocktails ausgestattet waren, sehr intensiv. Der Mob verletzte einige Politiker des Innenministeriums und zündete zahlreiche Autos vom ihnen an. Es gab auch versuche das Parlamentsgebäude zu stürmen. Insgesamt kam es zu 133 Festnahmen, die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Abgeordnete flüchteten durch den Hinterausgangiv.

Für den Imperialismus haben sich NGO’s in Vergangenheit als hervorragendes Werkzeug bewiesen, um politische Einflussnahme auf Georgien auszuüben. In einer Studie der Asian Development Bank wird festgestellt, dass NGO’s in der US- und EU-gestützten „Rosenrevolution“ von 2003 eine wesentliche Rolle spielten – als Ergebnis der Farbrevolution wurden 7 von 11 Minister aus vom Westen finanzierten NGO’s rekrutiertv, die US-Marionette Mikhail Saakaschwili und seine Partei „Vereinte Nationale Bewegung“ kamen an die Macht. Anfangs stand Saakaschwili dem vorherigen Präsidenten und einflussreichen Konterrevolutionär Eduard Shevadnaze nahe, der bis 1991 Außenminister der Sowjetunion war und den Ausverkauf der Sowjetunion mitorganisierte. Doch das war den Transatlantikern nicht genug – die Spanne zwischen engen Beziehungen und voller Kontrolle sollte geschlossen werden und sie wurde geschlossen. Im Zuge der „Rosenrevolution“ stieg Saakaschwili 2004 vom Justizminister zum Präsidenten Georgiens auf, setzte die Partie Shevadnazes ab, die georgische Staatsfahne wurde geändert, antikommunistische, russophobe und nationalistische Rhetorik nahmen rapide zu und es dauerte keine zwei Jahre, bis Georgien einen EU-Beitritt und enge Beziehungen zur NATO anstrebte. Wie weitreichend dabei der eigene Entscheidungsspielraum Georgiens in innen- sowie außenpolitischen Fragen ist, ist seither ein andauernder Konflikt innerhalb der herrschenden Klasse Georgiens und Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Der imperialistische Westen übt darauf permanent Einfluss und kann dabei auf eine lange Geschichte der Spaltung des Landes anknüpfen. 

Geschichte ethnischer Spaltung und lokaler Autonomie

Eng verknüpft mit der Frage der Souveränität und des Entscheidungsspielraumes sind Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Minderheiten in Georgien und der georgischen Zentralregierung, die historisch immer wieder aufkochten, wenn die georgische Zentralregierung eine politische Richtung einschlug, die im Widerspruch zu der Bevölkerung in den Regionen Abchasiens und Südossetiens stand.

Die Bevölkerung Südossetiens stellt eine persisch sprechende Minderheit dar. Nach der Februarrevolution in den Jahren 1918-1920 herrschte in der südossetischen Bevölkerung hohe Sympathie zu den Bolschewiki, was zu massiven kriegerischen Auseinandersetzungen mit der damals den Menschewiki nahestanden Georgischen Republik führtevi, in der etwa 5% der Bevölkerung Südossetiens umgekommen ist. Dass in Südossetien das sprechen und lehren der eigenen Sprache erlaubt war und Autonomie zu lokalen Fragen gewährt wurde, war eine Errungenschaft der bolschewistischen georgischen Revolution im April 1922. Die Entwicklung in Abchasien, eine Region im Westen Georgiens am Schwarzen Meer, war sehr ähnlich. Dort wurde ebenfalls nach der Februarrevolution die den Bolschewiki nahestehende Bevölkerung von der Georgischen Republik unterdrückt. Nach der georgischen Revolution 1922 entstand die Abchasische Sowjetrepublik, die 1931 in die Georgische Sowjetrepublik integriert wurdevii. In der gesamten Zeit des Sozialismus herrschte bis zur Konterrevolution 1991 in beiden Regionen eine Völkerfreundschaft ohne relevante gewaltvolle Auseinandersetzungen, auch wenn es in Abchasien nach dem 2.Weltkrieg etwa alle zehn Jahre Petitionen gegen die Integration in die Georgische SSR gabviii.

In Folge der Konterrevolution in der Sowjetunion kam es erneut zu kriegerischen Auseinandersetzungen in beiden Regionen. Auf die erneuten Autonomiebestrebungen Südossetiens 1991 antwortete die georgischen Zentralregierung militärisch und griff Südossetien an. Die georgischen Milizen brannten 60-100 südossetische Dörfer nieder und betrieb ethnische Säuberungenix; die Bevölkerung Südossetiens reagierte mit Angriffen auf Häuser, in denen ethnische Georgier lebten. Durch den Krieg 1991 wurde die ethnische Spaltung erneut forciert: Der Krieg forderte 1000 Tote, etwa 100.000 Osseten flohen in den von der Russischen Föderation kontrollierten Norden Ossetiens, etwa 23.000 Georgier flohen Richtung Süden tiefer in georgisches Gebietx. Die Kämpfe dauerten etwa ein Jahr an, bis Russland beide Seiten mit dem „Sochi-Abkommen“ zu einem Waffenstillstand und einem entmilitarisierten Landkorridor bewegen konntexi; Südossetien blieb vorerst Teil Georgiens. 

Parallel dazu kochte die Lage in Abchasien hoch, die einen sehr ähnlichen Charakter trug, jedoch noch härter eskalierte. Aufgrund der nicht akzeptierten prosowjetischen Autonomiebestrebungen Abchasiens griff die zunehmend antisowjetische georgische Zentralregierung die Region im August 1992 mit einer regelrechten Kriegserklärung an und äußerte, dass sie keine Kriegsgefangenen akzeptieren werdexii. Mit an der georgischen Seite kämpften auch der ukrainische Naziverband UNA-UNSO, der später in den „Rechten Sektor“ integriert wurdexiii. Es folgte ein das Land zerreißender Krieg mit zahlreichen Plünderungen Abchasiens. Die Auseinandersetzung schaukelte sich hoch zu ethnischen Säuberungen auf beiden Seiten. Im Abchasienkrieg 1992-1993 starben 15.000-30.000 Tausend Abchasen und Georgierxiv. Russland unterstützte ab 1993 Abchasien militärisch, vor allem mit Waffenlieferungen. Das führte zu einer militärischen Pattsituation, die letztlich zu einer Abtrennung Abchasiens führte. Seither sichert die Russische Föderation die Autonomie Abchasiens in der Region. 

Die Folgen der „Rosenrevolution“

In Südossetien blieb die Lage bis 2003 angespannt, aber friedlich. Nach der vom Westen gestützten nationalistischen „Rosenrevolution“ griff die georgische Zentralregierung unter Saakaschwili und seiner Partei „Vereinte Nationale Bewegung“ die Bevölkerung Südossetiens 2003 und 2004 erneut militärisch an, weil diese die Putschregierung nicht anerkannte. Das militärische Agieren der georgischen Regierung geschah mit Billigung der USA und sollte Russland provozieren und testen. Die Behörde Südossetiens bat drei Tage lang Russland um militärische Unterstützung um das Massaker zu beenden, bis die Russische Föderation – sicherlich motiviert durch die Verteidigung der strategischen Tiefe an der traditionell schwachen Südfront – letztlich einschritt und im August die Truppen der georgischen Zentralregierung bis kurz vor Tiflis zurückdrängte. Der Kaukasuskrieg 2008 hat 850 Menschenleben gefordertxv. Wie auch in Abchasien sichert seitdem die russische Regierung die Grenze Südossetiens. Beide Regionen machen etwa 20% der georgischen Fläche aus; Georgien hat lediglich die Landmasse von Hessen. 

Mittlerweile wird die brutale Unterdrückung in Südossetien legitimiert durch eine antirussische Umschreibung der georgischen Geschichte. Vermittelt wird diese unter anderem durch die deutsche „Entwicklungshilfe“ (GIZ), die 2006 im größten Museum in Tiflis eine gesamte Etage über die „Sowjetische Besatzung 1921-1991“xvi finanzierte, in der die selbstständige Revolution Georgiens als russische Besatzung umdefiniert und Sympathie zu der 1921 gestürzten Regierung (die engste Beziehungen zu Großbritannien und Frankreich pflegte) schürt. Im Nachgang des Kaukasuskrieges haben sich solche Geschichtsverfälschung als hilfreich erwiesen, denn nun kann auch die Entwicklung in Südossetien und Abchasien als anhaltende Kontinuität russischer Besatzung seit 1921 dargestellt werden. Seither sind in Sozialen Medien Slogans wie „I am Georgian and 20% of my country is occupied by Russia” populär. Besonders die Jugend der Bevölkerung ist für solche Narrative sehr anfällig, da sie die jahrzehntelange Erfahrung der Völkerfreundschaft nicht miterlebt haben und empfänglich für die durch die NGOs jahrelangen liberalistischen und antikommunistischen Darstellungen sind, die die Konterrevolutionäre, der IWF und die EU nach Georgien brachten. Häufig finden sich Darstellungen, die den Sozialismus und Faschismus gleichstellen. Das macht das offene Auftreten für Kommunisten in dem Land schwer, eine gewaltvolle Konfrontation mit georgischen Nationalisten ist keine Seltenheit. Obwohl 50% der Bevölkerung auch russisch spricht, verweigern häufig junge Leute das sprechen der „Feindessprache“. Tourismusratgeber raten heute, „dass man einen Georgier besser nicht auf Russisch ansprechen sollte“xvii.

Wahl der Partei „Georgischer Traum“ und der Sturz von Saakaschwili

Ab 2012 wurde Saakaschwili und seine Partei „Vereinte Nationale Bewegung“ durch die Partei „Georgischer Traum“ abgewählt. Während die Rosenrevolution im Jahr 2003 von einem recht großen Teil der Gesellschaft unterstützt wurde, ist dies heute nicht mehr der Fall. 2007, 2009 und 2011 kam es zu Massenprotesten gegen Saakaschwilis Regierung aufgrund von Korruptionsskandalen, Folter und Verfolgung politischer Oppositionellerxviii. Damals traten die Putschisten vor allem mit sozialpopulistischen Slogans auf und stellten sich als Bekämpfer der durchaus stark vorhandenen Korruption dar. Diese beiden Narrative konnten weder während der Regierungszeit noch in der Opposition ab 2012 gehalten werden. Laut Einschätzung der Kommunistischen Partei Georgiens werden die von den rechtsliberalen nationalistischen Kräften vorgelegten Pläne zur wirtschaftlichen und sozialen Erneuerung, die auf der Freiheit des Marktes und der liberalen Ideologie beruhen, von den Massen nicht mehr unterstütztxix. 2013 floh Saakaschwili nach dem Scheitern einer Amtszeitverlängerung aus Georgien, weil der Druck gegen ihn wuchs; Videoaufnahmen von systematischer Folter in georgischen Gefängnissen gelangten in die Öffentlichkeit. In der Regierungszeit der Partei „Georgischer Traum“ wurde Saakaschwili 2014 in Abwesenheit angeklagt und 2018 zu sechs Jahren Haft verurteilt, da er in Verbindung mit der Misshandlung eines Abgeordneten und der Billigung eines Mordes in Verbindung gebracht wurdexx. Saakaschwili akzeptierte das Urteil nicht und leitet seitdem seine Partei „Vereinte Nationale Bewegung“ aus dem Ausland. Er spielte eine Rolle beim Maidanputsch in der Ukraine und wurde anschließend von Poroschenko zum Gouverneur von Odessa ernannt, bis er 2017 im Widerspruch mit dem damaligen ukrainischen Präsidenten gelangte, mehrfach seinen Aufenthalt wechselte (USA, Niederlande, Polen) und erst nach der Wahl Zelenskys zurück in die Ukraine kehrte. 

Westliche Medien bezeichnen die Partei „Georgischer Träume“ gerne als Marionette Russlands. Als Argument dient ihnen der Abgeordnete und Oligarch Iwnischwili, der gute Beziehungen zu Russland pflegt. In Realität ist es jedoch nicht so simpel, viel mehr versucht die Partei gute Beziehungen zu allen Wirtschaftspartnern zu halten und sich gleichzeitig dem Westen anzunähern – der jedoch keinerlei Souveränität anerkennt. Damit ist die Partei vergleichbar mit der durch den Maidanputsch abgesetzten ukrainischen „Partei der Regionen“ von Wiktor Janukowitsch. Der NATO ist beispielsweise ein Dorn im Auge, dass der „Georgische Traum“ sich weigert, die Sanktionen zu übernehmen, die alle EU- und NATO-Staaten nach der Aufnahme der Krim in die Russische Föderation im März 2014 gegen Russland verhängtenxxi. Gleichzeitig strebt die konservative und sozialdemokratische Partei enge Beziehungen zur EU und USA an, unterschrieb im Juni 2014 ein EU-Assoziierungsabkommen und stellte im März 2022 im Kontext des Ukrainekrieges einen Antrag auf beschleunigten EU-Beitritt. 

Diese ungebrochene Kontinuität lässt Georgien heute weiterhin wie eine westliche Halbkolonie wirken. Es werden zahlreiche Straßen und Plätze mit einem westlichen Namen zu versehen, EU und sogar NATO-Fahnen prägen das Stadtbild. An die Sowjetunion erinnernde Symbolik wird seit 2003 kontinuierlich entfernt. Die schrankenlose Öffnung von Kapitalexport und der damit einhergehende gestiegene Zahlungsverkehr in US-Dollar hat dazu geführt, dass der Georgische Lari im Vergleich zum Dollar und Euro stetig an Wert verliert. Während ein GEL 2013 noch 0,6 USD Wert war, liegt der Kurs heute nur noch bei 0,38 USD und fällt seit 2020 gerne auch unter die 0,3 USD Marke, sprich 50% Wertverlust gegenüber 2013xxii. Das ist in der Bevölkerung schwer zu spüren, denn teurere Güter wie Häuser und Autos werden in der Regel in US-Dollar oder Euro gehandelt und sind keineswegs wesentlich günstiger als in Europa. Dabei liegt das monatliche Durchschnitts-Bruttoeinkommen in Georgien umgerechnet lediglich bei etwa 334€, angelernte Arbeiter können mit 140-210€ rechnen und selbst Vorarbeiter übersteigen selten die 400€ Markexxiii.

Regelmäßig lassen sich Artikel finden wie ein relativ aktueller vom Businessinsider finden, die Georgien als lukrativen Investitionsstandort bewerben, wegen der „Steuerpolitik, die ausländischen Investitionen entgegenkommt“, zudem habe Georgien ein „junges, preisgünstiges und qualifiziertes Arbeitskräftepotenzial“. In den drei wichtigen Städten Tiflis, Kutaisi und Poti gelten Steuerbefreiungen für dort registrierte Unternehmen. Zwei unbürokratische Dokumente genügen und schon sind Unternehmen als georgische Unternehmen registriert, Exportunternehmen in den drei Städten sind völlig von Steuern befreit – anders als die Arbeiter, die 20% Einkommenssteuer abgeben müssen. Entsprechend schwierig ist eine Recherche darüber, wie hoch der Anteil ausländischen Kapitals in Georgiens Wirtschaft ist. Offiziell sind 17% der Firmen aus dem Ausland, die einfache Registrierung von Unternehmen als georgische Unternehmen lässt jedoch eine hohe Dunkelziffer vermuten. Der Anteil von ausländischem Kapital in Georgiens Banken liegt bei 77,4%xxiv. Diese vom Westen durchgesetzten perfekten Bedingungen zur Ausbeutung der georgischen Arbeiterklasse veranlassten die Weltbank Georgien im „Ease of Doing Business Index“ mit Platz 7 auszuzeichnenxxv.

Die Strategie der regierenden Partei „Georgischer Traum“ stellt demnach eine Kontinuität der schnellen Profite durch den Ausverkauf des Landes dar, doch das ist den Transatlantikern nicht genug, denn das Kapital Georgiens verkauft ebenfalls an und handelt mit Russland und China, ähnlich wie Janukowitsch vor dem ukrainischen Maidanputsch. Besonders relevant ist das im Bereich des Warenverkehrs – China und Russland sind die wichtigsten Exportdestinationen für georgische Güter, im Importbereich sind die beiden Staaten neben Türkei ebenfalls hochrelevant. Eine außenpolitische Krise würde schnell die ökonomische Stabilität Georgiens noch weiter in den Ruin treiben, da etwa 15% der Exporte einbrechen würden. Eine hohe Kooperation mit Russland besteht vor allem im Getreide und Gasimport, Georgien profitiert vor allem am Verkauf von Wein und im Tourismussektorxxvi. Eine Krise im Import von Getreide (ca. 80%) und Gas (23%) würde die Lebenshaltungskosten in der Arbeiterklasse massiv erhöhen. Entsprechend wurden die Beziehungen mit Russland in der Regierungszeit der Partei tendenziell eher ausgebaut. 

Der Druck von der Straße und die Rolle der NGOs

Diese Kooperation ist dem Westen vor allem dann ein Dorn im Auge, wenn es darum geht, Georgien als Stoßpferd im Wirtschaftskrieg und seit neuestem auch als zweite militärische Front gegen Russland einzusetzen. Neben der aktuellen Eskalation bestand die letzte Gelegenheit diesbezüglich größeren Druck aufzubauen im Jahr 2019. Ein Abgeordneter der russischen KPRF war als Mitglied einer internationaler „Gruppe orthodoxer Abgeordneter“ in das georgische Parlament gereist und hat dort als Vorsitzender der Organisation auf Russisch eine Sitzung gehalten, in der er über die christlich-orthodoxe Brüderschaft zwischen Georgien und Russland referierte. Dass er als Sitzungsleiter Platz auf dem Präsidentensessel nahm, nahmen Saakaschwili nahestehende Nationalisten als Anlass, das Parlament zu stürmen und den Rücktritt der gesamten Regierung zu fordern. Die Protestierenden griffen dabei Polizisten mit Knüppeln und Eisenstangen an und handelten gut vorbereitet in organisierten „Sturmtrupps“ mit jeweils 30 Personenxxvii. Facebook sperrte damals zahlreiche Accounts von Abgeordneten und markierte sie als pro-russische Propaganda. 

Die auch heute noch amtierende Präsidentin Salome Zourabichvili solidarisierte sich 2019 mit den Protestierenden. Die Parteilose gebürtige Französin – ihre Vorfahren sind im Zuge der georgischen Revolution 1921 nach Frankreich geflohen – ist in der Bevölkerung als US-Marionette bekannt dafür, nach Kontakten zu den USA schnell ihre Meinung zu ändern und auf NATO-Kurs zu steuern. Zourabichvili hat in den USA und Frankreich studiert, einer ihrer Professoren war beispielsweise der antikommunistische Hardliner und US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski. Paradoxer Weise steht ihr Kurs häufig im Widerspruch zur Partei „Georgischer Traum“, obwohl diese ihr bei der Wahl 2018 verhalf Präsidentin zu werden. Seit 2019 entfernt sie sich immer weiter von dem Kurs der Partei. Auch wenn sie Saakaschwilis Verurteilung verteidigt, nimmt sie zunehmend seine Rolle ein, in dem sie Solidarität mit den transatlantischen Nationalisten übt. Zusätzlich zu ihrer Haltung stellte bei den Protesten 2019 Saakaschwili Forderungen gegen die Regierung aus dem ukrainischen Exil heraus. 
Als Reaktion auf die Solidaritätsbekundungen der Präsidentin mit den protestierenden Nationalisten sperrte Russland alle Direktflüge nach Georgien, was massive Schäden im Tourismussektor auslöste – besonders die zweitgrößte Stadt Batumi ist ein seit der Sowjetunion traditioneller Urlaubsort für viele Sowjetbürger gewesen und stark vom Tourismus abhängig. Die aktuelle Verabschiedung des Gesetzes zur Registrierung ausländischer Unternehmen steht direkt im Kontext zu Protesten aus dem Jahr 2019, in denen die Partei „Georgischer Traum“ stark vom US-Kapital unter Druck gesetzt wurde. Die westlichen NGOs, die bereits 2003 die „Rosenrevolution“ unterstützten, blieben ungebrochen im Land aktiv. So brüstet sich beispielsweise das „Liberty Institute Georgia“ damit, mit 800 Studierenden an den Universitäten praktische und ideologische Schulungen durchgeführt zu haben, um diese zu „Aktivisten“ ausgebildet zu habenxxviii. Die Vereinte Kommunistische Partei Georgiens schätzt ein, dass vor allem Studierende und Lehrkräfte dieser westlichen Universitäten eine treibende Kraft hinter der aktuellen Eskalation seien. Die Opposition um Saakaschwili nutzte die enge Verbindung mit diesen „Aktivisten“ taktisch, in dem sie solche jungen Leute in den Vordergrund rücken ließen und bewusst die unpopulären Politiker der „Vereinten Nationalen Bewegung“ nicht zu offensichtlich öffentlich auftreten ließxxix.

Die regierende Partei wirft der „Vereinten Nationalen Bewegung“ vor, Georgien in den Krieg gegen Russland verwickeln zu wollen. Dieser Vorwurf ist keineswegs unbegründet – tatsächlich fordern Politiker um das Kiewer Marionettenregime regelmäßig Georgien dazu auf, eine zweite Front gegen Russland zu eröffnen, mindestens jedoch die Gebiete Abchasien und Südossetien zurückzuerobernxxx. Ein Jahr vor Ausbruch des Krieges verhalf die ukrainische Regierung Saakaschwili eine wiedereinreise in Georgien und hoffte auf einen damit einhergehenden Coup – statt auf dem Stuhl im Präsidialamt nahm Saakaschwili jedoch Platz in der Gefängniszelle, in der er bis heute verharrt. Die aktuelle Entwicklung muss in diesem Zusammenhang verstanden werden – die Proteste sind ein Werkzeug, um die Herrschaft der „Vereinte Nationale Bewegung“ und damit die der USA zu restaurieren und Georgien in einen Krieg gegen Russland zu treiben. Viele Protestierende zwischen dem 7. und 9. März schwanken Ukrainefahnen und stimmten pro-ukrainische Parolen an, was besonders in dem Kontext absurd ist, dass in der Ukraine ein solches Gesetz längst in Kraft ist. 

Ein Rennen gegen die Zeit

Der NATO bleibt nicht viel Zeit, die Lage weiter zu eskalieren – das Präsidialsystem wird 2024 in Georgien abgeschafft, was die Kräfteverhältnisse für die Nationalisten verschlechtert. Die amtierende Präsidentin Salome Zourabichvili hat nämlich erneut die gleiche Rolle wie 2019 eingenommen, sich am 8.März mit den Protestierenden solidarisiert und das die Souveränität stärkende Gesetz verurteilt – diesmal in einer Videobotschaft vor der Freiheitsstatue in den USAxxxi. Am 10.März traf sie US-Sicherheitsberater Jake Sullivan im Weißen Haus – es bestand Einigkeit darin, wie das Gesetz die „wichtige Arbeit der NGOs behindern würde“ und dass es wichtig sei, dass „Russland die vollen Kosten der Sanktionen zu spüren bekommt“xxxii. Die Präsidentin stellt sich damit erneut gegen die Partei „Georgischer Traum“, die auch die Sanktionspakete seit 2022 gegen Russland nicht umsetzte und auch keine Waffen in die Ukraine liefertxxxiii. Dass die georgische und russische Arbeiterklasse den Preis für die Sanktionen zahlen würde, ist klar. Der Druck hat trotzdem gereicht, dass das Parlament kurzfristig zurückgerudert ist und das Gesetz doch nicht in Kraft treten ließ – laut Einschätzung der KP Georgiens aus Angst vor einem georgischen Maidan und weiterer Eskalation. 

Die Lage bleibt angespannt. Die leider recht kleine KP Georgiens schreibt in einem Statement: „Jetzt liegen die moralische Überlegenheit und die Initiative auf der Seite der pro-amerikanischen Opposition. Die Sicherheitskräfte, die Aktivisten der Dream Party und die Regierungsbürokratie sind demoralisiertxxxiv.“ Damals ebbte der Ansturm ab und die Partei „Georgischer Traum“ hatte Zeit sich zu konsolidieren und einen Staatsstreich zu neutralisieren. Das Ergebnis der aktuellen Entwicklung ist jedoch ein Etappensieg für die Transatlantiker – es gibt Siegesrhetorik in der georgischen Opposition, in den USA und EU. Außenministerin Baerbock nutzte die Gunst der Stunde, um am 24.März nach Georgien zu reisen und an der Ilia-Universität in Tiflis den Studierenden zu vermitteln, dass „Deutschland voll und ganz zur europäischen Perspektive Georgiens steht“xxxv.

Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeiterklasse Georgiens nicht auf das Spiel hineinfällt und als weiteres Kanonenfutter für den Westen eingesetzt wird. Die Erfahrung mit der georgischen Präsidentin zeigt, dass die Strategie der Bourgeoisie leicht kippt, wenn nur genügend Geld versprochen wird. Auch wenn die teilweise resignierte Sowjetgeneration leider sehr isoliert von der Jugend ist, kann sie aktuell eine wichtige Rolle in der Vermittlung von Völkerfreundschaft in der Jugend spielen, um die Verwandlung Georgiens in ein Schlachtfeld der NATO zu verhindern. 

i https://www.jungewelt.de/artikel/446523.krise-in-georgien-einstweilen-zurückgezogen.html?sstr=georgien

ii https://en.wikipedia.org/wiki/Foreign_Agents_Registration_Act

iii https://www.facebook.com/usingeo/posts/pfbid0qkZboSC5WE9kptPDUcB4JUKFUwigBxxpeDmnSsvstjuLL6UKJkdA54jn2CQNyPerl

iv https://southfront.org/protests-in-georgia-revealed-their-true-goals/

v https://www.adb.org/sites/default/files/publication/29305/csb-geo.pdf

vi https://en.wikipedia.org/wiki/Georgian–Ossetian_conflict_(1918–1920)

vii https://en.wikipedia.org/wiki/Abkhaz–Georgian_conflict

viii S. 99ff: https://www.tandfonline.com/doi/ref/10.1080/02634939508400893?scroll=top&role=tab

ix https://www.hrw.org/reports/pdfs/g/georgia/georgia.923/georgia923full.pdf

x https://www.hrw.org/reports/1996/Russia.htm

xi https://en.wikipedia.org/wiki/Sochi_agreement

xii https://en.wikipedia.org/wiki/War_in_Abkhazia_(1992–1993)#cite_note-karkarashvili-22

xiii https://en.wikipedia.org/wiki/Ukrainian_National_Assembly_–_Ukrainian_People%27s_Self-Defence

xiv https://d-nb.info/993911447/34

xv https://de.wikipedia.org/wiki/Kaukasuskrieg_2008#cite_note-IIFFMCG_223-6

xvi https://museum.ge/index.php?lang_id=ENG&sec_id=53

xvii https://www.evaneos.de/georgia/reisen/wichtigster-wortschatz/#:~:text=Aufgrund%20seiner%20Geschichte%20ist%20Georgien,sprechen%2050%20%25%20der%20Bevölkerung%20Russisch.

xviii https://www.politnavigator.net/pravyashhaya-gruzinskaya-mechta-pozorno-sdala-poziciyu-chto-dalshe.html

xix ebenda

xx https://pog.gov.ge/en/news/https-pog-gov-ge-ganckhadeba-saakashvili

xxi https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9202

xxii https://www.xe.com/currencycharts/?from=GEL&to=USD&view=10Y

xxiii https://www.gtai.de/de/trade/georgien/wirtschaftsumfeld/lohnkosten-251786

xxiv S.10: https://international.bihk.de/fileadmin/eigene_dateien/auwi_bayern/eigene_dateien/Exportberichte/Exportbericht_Georgien_2018.pdf

xxv https://www.businessinsider.de/anzeige/lepl-enterprise-georgia-investieren/investieren-in-georgien-lepl-enterprise-georgia-8350108969/

xxvi https://www.transparency.ge/en/post/georgias-economic-dependence-russia-trade-tourism-remittances-and-russian-companies-georgia

xxvii https://www.jungewelt.de/artikel/358321.georgien-und-russland-flugboykott-zur-ferienzeit.html?sstr=georgien

xxviii https://en.wikipedia.org/wiki/Liberty_Institute_(Georgia) – Offizielle Seite derzeit offline. 

xxix https://www.politnavigator.net/pravyashhaya-gruzinskaya-mechta-pozorno-sdala-poziciyu-chto-dalshe.html

xxx https://southfront.org/after-kiev-regime-destroyed-ukraine-they-attempted-to-instigate-war-in-georgia/

xxxi https://twitter.com/Zourabichvili_S/status/1633244486569541633

xxxii https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2023/03/10/readout-of-national-security-advisor-jake-sullivans-meeting-with-president-salome-zourabichvili-of-georgia/

xxxiii https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9202

xxxiv https://www.politnavigator.net/pravyashhaya-gruzinskaya-mechta-pozorno-sdala-poziciyu-chto-dalshe.html

xxxv https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/europa/erweiterung-nachbarschaft/baerbock-reise-nordmazedonien-georgien/2589108

Für den Aufbau einer Anti-NATO-Friedensbewegung in Deutschland!

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Am 25. Februar 2023 wurde für das ganze Land ersichtlich, dass es noch Widerspruch zur Regierungslinie und zur allgegenwärtigen Propaganda rund um den Ukraine-Krieg gibt. Aufgerufen von Sahra Wagenknecht (Die Linke) und weiteren Personen gingen an diesem Tag in Berlin und anderen Städten Zehntausende auf die Straße, um gegen Aufrüstung und Waffenlieferungen und für eine schnelle Beendigung des Ukraine-Kriegs zu demonstrieren. Die Hetze gegen diese Proteste verschärfte sich – alles wurde in Gang gesetzt, damit die Kriegsstimmung im Land Oberwasser behält. 

Etwas mehr als einen Monat später finden nun bundesweit die Ostermärsche statt, wo wir wieder gemeinsam gegen den Kriegskurs des Westens protestieren. Wie am 25.2. wird die Bewegung von Hass aus dem konservativen bis „linken“ Bürgertum begleitet. Intern ist sie nicht frei von Widersprüchen und Unklarheiten. Währenddessen gewinnen auch der Kampf und die Provokationen des Westens gegen den anderen großen Feind, gegen China, immer mehr an Schärfe. Wie reagieren wir als Friedensbewegung auf den ungebremsten Kriegskurs und die Propaganda des Westens? Wie stärken wir die Friedensbewegung? Wie ist die Bewegung aktuell aufgestellt?

Die Zugpferde Wagenknecht-Schwarzer

Die aktuelle Friedensbewegung ist geprägt durch prominente Einzelpersonen wie Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer. Diese Personen drücken mit ihrer Ablehnung des herrschenden Regierungskurses im Ukraine-Krieg das aus, was ein großer Teil der Bevölkerung zum Krieg in der Ukraine denkt. Sie zeigten im letzten Jahr medienwirksam, wie man sich gegen die herrschende Propaganda und Verleumdungen wehrt. Mit den Kundgebungen boten sie dann eine Möglichkeit an, sich zu wehren. Nach einem vollen Jahr Kriegspropaganda auf allen Kanälen setzten die Kundgebungen am 25.2.2023 einen Kontrapunkt: das Verlängern des Blutbades durch westliche Waffenlieferungen und die Verhinderung von Verhandlungen durch die NATO-Staaten sowie ihre Aggression gegen Russland und den Donbass blieben nicht weiter unwidersprochen. 

Die Inhalte des „Manifest für Frieden“ und der auf der Kundgebung in Berlin zeigten gravierende Schwächen in der Opposition gegen die Regierungslinie. Es ist zudem ein Problem, dass dieser Aufschwung der Friedensbewegung vorrangig auf Einzelpersonen zur Mobilisierung angewiesen ist. Die Mobilisierungen haben einen starken, einmaligen Event-Charakter – nur wenige organisieren sich dauerhaft. Es wird kaum ein konkretes Angebot gemacht, wo man sich einbringen kann. So wird viel an möglicher Schlagkraft der unzufriedenen Bevölkerungsteile gegen die herrschende Politik verschenkt. Es ist außerdem unklar, wohin vor allem Wagenknecht die mobilisierten Massen führen will. Ihre Abkehr von der Linkspartei ist wohl besiegelt, vermutlich strebt sie die Gründung eines neuen sozialdemokratischen Projekts an. Ähnlich wie bei ihrem Projekt „Aufstehen” darf daran gezweifelt werden, dass Wagenknecht hiermit einen wirklichen Bruch mit der herrschenden Innen- und Außenpolitik Deutschlands anstrebt. Reden auf der Kundgebung in Berlin zeigten gravierende Schwächen: So wird im Manifest beschrieben, wie die Aggression in Osteuropa angeblich vor allem von Russland ausgehe; Frieden müsse geschlossen werden, weil Russland militärisch nicht zu besiegen sei. Die Aggression der westlichen Staaten wird nicht als Ursache der Eskalation beschrieben.

Solidarische Kritiken an der Perspektive der Proteste waren vor und nach der Kundgebung in Berlin aber natürlich nicht öffentlich wahrnehmbar, sondern ausschließlich Verleumdungen von NATO-Apologeten verschiedener Couleur: Die bürgerliche Aggression gegen Wagenknecht als niederträchtige Saboteurin eines gerechten Kriegs für Freiheit und Demokratie kannte in den letzten Wochen keine Grenzen mehr. Zentral ist in diesem Zusammenhang der Vorwurf der Querfront oder Rechtsoffenheit an die Friedensbewegung. Nicht nur die Regierungsparteien und die deutschen Mainstream-Medien warfen auf diese Weise Schmutz auf alle, die sich trauten, ihre Stimme zu erheben. Auch zahllose Linke fühlten sich berufen, die Friedensbewegung dafür zu geißeln, dass viele Organisatoren und politische Gruppierungen nicht in vorauseilendem Gehorsam Teilnahmeverbote erteilten. Der Querfront-Vorwurf ist spätestens seit den Montagsmahnwachen und Protesten zum „Friedenswinter“ 2014 eines der beliebtesten Kampfmittel, um aktiven Widerstand der einfachen Bevölkerung in Deutschland einzuschüchtern und die Bewegung zu spalten. Wagenknecht griff zurecht die Heuchelei der „Linken“, Grünen, Liberalen und Konservativen an, die der Friedensbewegung Moralpredigten über die fehlende Abgrenzung nach rechts halten, während sie gleichzeitig Militaristen und ukrainische Faschisten hofieren. 

Die Zähmung der Friedensbewegung in den letzten 30 Jahren

Die Schwäche der Friedensbewegung ist Teil einer längeren Entwicklung und hängt zentral mit der Niederlage des Sozialismus und der einhergehenden Desorganisierung großer Teile der kommunistischen, sozialistischen und linken Kräfte zusammen. Der Wegfall der Sowjetunion ermöglichte es der NATO unter Vorherrschaft der USA ohne größeren Widerstand weltweit ihre Gewaltherrschaft durchzusetzen. Auch die DKP verlor durch die Konterrevolution viel von ihrer Kraft als wichtigem Orientierungspunkt in der Friedensbewegung.

Die Friedensbewegung positionierte sich in der Kriegsfrage immer öfter uneindeutig gegenüber den Kriegstreibern des Westens. Stück für Stück liefen zentrale Figuren und Gruppierungen der alten Friedensbewegung in das NATO-Lager über und machten sich zu Vollstreckern und Vordenkern der Kriege des Westens gegen Irak, Jugoslawien, Palästina, Afghanistan, Libyen, Syrien und dann ab 2014 in der Ukraine. Mit jedem Krieg erfuhren die Herrschenden für Raub und Zerstörung im Namen der Menschenrechte mehr Zuspruch im „linken“ Lager in Deutschland. Zunächst waren es die Grünen, die zusammen mit der SPD die neue Speerspitze des deutschen Imperialismus bildeten, dann auch immer größere Teile der „radikalen Linken“ und der ehemaligen PDS bzw. heutigen Linkspartei. Die Gewerkschaften folgten diesen Kräften. Auch die globalisierungs- und bankenkritische Bewegung (mit Organisationen wie z. B. attac oder Occupy), die eine oppositionelle Haltung zur Politik des Westens weltweit entwickelte, vermochte die Lücke nicht zu schließen und bewegt sich heute in Teilen in die gleiche Richtung. Die letzten großen Mobilisierungserfolge feierte die Friedensbewegung in Deutschland in den Protesten gegen den Irak-Krieg 2003. Möglicherweise gelang dies auch, weil sich die deutsche Regierung nur begrenzt daran beteiligte und es so indirekt für vertretbar erklärte, in bestimmtem Maße gegen diesen Krieg der anderen wichtigsten NATO-Staaten zu sein. Die Friedensbewegung traf hier also nicht im gleichen Maße auf den entschiedenen Widerstand der deutschen Propagandamaschinerie, wie es heute der Fall ist. Die Erfolge der Friedensbewegung um das Jahr 2003 stellen rückblickend leider keinen Wendepunkt in der Kriegsmobilisierung dar, die mit dem Jugoslawien-Krieg wieder richtig begonnen hatte. 2014 und schließlich 2022 zeigte der deutsche Imperialismus in der Ukraine, wie erfolgreich und ohne Widerstand er seine Heimatquerfront von rechts bis „links“ mobilisieren kann. 

Trotzdem blieb in der deutschen Bevölkerung eine große Ablehnung von Kriegen und Aufrüstung des Westens bestehen, die auch immer wieder ihren Weg auf die Straße fand. Diese oppositionellen Bevölkerungsteile wurden aber gerade in den letzten 10 Jahren zunehmend nicht mehr durch die früheren Kräfte der Friedensbewegung mobilisiert und orientiert, sondern durch prominente Einzelpersonen und neugegründete Strukturen ohne Anbindung an Parteien und größere Organisationen. Die Opposition gegen den Kriegskurs der NATO wurde in den letzten 30 Jahren Stück für Stück schwächer, wodurch ein politisches Vakuum in der Friedensbewegung in Deutschland entstand, das von neuen Kräften gefüllt werden konnte. Zuletzt spielten Strukturen der Corona-Proteste eine Rolle, die zu den jüngsten Antikriegsprotesten mitunter mehr Leute mobilisieren konnten als die Kommunisten und Linken.2

Die Ostermärsche 2023

Dass es Leute wie Wagenknecht und Schwarzer braucht, um das vorhandene Potential an Anti-Kriegsstimmung im Land auf die Straße zu bringen, zeigt, dass es aktuell keine andere Organisation gibt, die für das Anti-NATO-Spektrum in der Bevölkerung dauerhaft erkennbar wäre und eine Führungsfunktion in den Protesten übernehmen könnte. Die Massen, die in Berlin und anderen Städten Ende Februar auf der Straße waren, wurden weniger durch die Organisationen, wie DFG-VK, VVN, DKP, lokale Friedensforen etc. mobilisiert, als vielmehr durch die neu auftretenden prominenten Köpfe. Die Friedensbewegung ist anhand relevanter politischer Fragen gespalten und kann nicht mit einer Stimme sprechen. Diese Spaltung der Friedensbewegung spiegelt sich auch in den aktuellen Aufrufen zu den Ostermärschen wider.3 In fast allen Aufrufen steht eine Ablehnung des „völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands“ ganz am Anfang. Statt die russische Militärintervention in einen Kontext einzuordnen, seine Ursachen zu beleuchten und eine eigene Position dazu zu formulieren, bedient man sich einfach jener Formel, die derzeit von jeder politischen Kraft als Eintrittskarte in den Diskurs des Sagbaren verlangt wird. So redet man in vorauseilendem Gehorsam der herrschenden Propaganda gleich zu Anfang das Wort und wendet einer ganzen Reihe von Fragen zu diesem Krieg den Rücken zuManche Aufrufe gestehen sogar „unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die notwendige Unterstützung der Ukraine“ (bspw. Ostermarsch Emden) – man kann sich vorstellen, dass damit wohl unterschiedliche Auffassungen zu Militärhilfen gemeint sind. So verwundert es nicht, dass die Forderung nach einem Stopp der Waffenlieferungen fehlt. So wird Positionen Raum in der Friedensbewegung gegeben, die die NATO-Aggression doch mittragen möchten. 

In den Aufrufen steht, genau wie in vielen Redebeiträgen auf bisherigen Friedensdemos, der Pazifismus an erster Stelle. Der Ruf nach Frieden in Zeiten des Krieges ist grundsätzlich zu begrüßen. Der entpolitisierte Pazifismus ist aber ein Problem. Pazifistische Aufrufe und Redebeiträge, die eine „Logik des Friedens“ anstelle einer „Logik des Kriegs“ als Kernforderung benennen, lassen die politischen und ökonomischen Ursachen des jeweiligen Kriegs häufig unbeachtet. Auf diese Ursachen müssen wir aber die Hauptaufmerksamkeit richten, wenn wir für den Frieden kämpfen wollen – auch beim Ukraine-Krieg. Die Bedrohung Russlands durch die NATO, die der Militärintervention vorausging und der Krieg gegen die Ostukraine durch die von der NATO aufgebauten faschistischen Kräfte werden in den Aufrufen zu den Ostermärschen nur selten dargelegt. Selbst der Bundeskanzler behauptet in seiner Regierungserklärung am 2.3.2023 im Bundestag, ihm sei der Frieden eine Herzensangelegenheit und alle Anstrengungen der Bundesregierung zur Ukraine dienten diesem Ziel. Der Deutschlandfunk kommentiert diese pazifistische Gebärdung lobend, es sei „auffällig, wie Scholz immer wieder auch das Motiv der Friedenssehnsucht in seine Regierungserklärung einwob.“4 Dass selbst Kriegstreiber wie Scholz (SPD) von Frieden sprechen, ohne rot zu werden, macht deutlich: Eine blinde Forderung nach Frieden reicht nicht aus. Erst zusammen mit einer Kritik an denjenigen Ländern und Politikern, die diese Kriege verursachen und vorantreiben, treffen unsere Forderungen nach Frieden den Kern der Sache und damit die Kriegstreiber bis ins Mark. Hier steht das NATO-Bündnis an allererster Stelle. Seit ihrer Gründung steht die Außenpolitik ihrer Staaten, allen voran die USA, für Tod und Zerstörung, für die Unterdrückung progressiver Bewegungen auf der ganzen Welt. Die BRD ist im eigenen Interesse daran beteiligt und nimmt eine immer aktivere Rolle ein. Das System dieser Länder heißt Imperialismus. Diese Länder und ihre herrschenden Klassen sind für den eigenen Profit und für die Verteidigung ihrer Herrschaft über die Welt bereit, jedes Ausscheren im In- und Ausland mit Verleumdung, Repression und Krieg zu überziehen. Doch die NATO rückt immer mehr aus dem Fokus des Protests der Friedensbewegung, obwohl ihre Aggression gegenüber den Völkern der Welt nicht ab-, sondern zugenommen hat

Aktuell wird in den Aufrufen der Ostermärsche die Rolle der NATO weltweit bagatellisiert, wenn sie kaum noch Erwähnung findet. Tatsächlich sind aber dieses Bündnis und die darin beteiligten Staaten, allen voran die USA und daneben Frankreich, Großbritannien und Deutschland die Hauptverantwortlichen für die aktuellen Kriege in der Welt. Auch der Krieg in der Ukraine geht auf das Konto der NATO und ist Ergebnis ihrer kriegerischen Aggression gegen Russland in Form der NATO-Osterweiterung, des Maidan-Putschs 2014 und des Aufbaus einer antirussischen Front in der Ukraine unter maßgeblicher Beteiligung faschistischer Kräfte sowie der Unterminierung jeglicher Verhandlungslösungen zwischen der Ukraine, den Volksrepubliken im Donbass und Russland vor und nach dem 24.2.2022. 

Wenn uns etwas am Frieden liegt, dann müssen wir die NATO als das benennen, was sie ist – als Hauptkriegstreiber in der Welt und als Instrument zur Aufrechterhaltung der politischen und ökonomischen Dominanz des Westens in der Welt. Dies ist notwendige Voraussetzung zum Aufbau einer Friedensbewegung, die sich nicht vom politischen Mainstream kassieren lässt, denn sie benennt Ross und Reiter des Imperialismus, also der Kriege und der Unterdrückung weltweit, dessen Ende sich die Völker der Welt so sehnlich wünschen!

Deshalb: Für die Niederlage der NATO – in der Ukraine und weltweit!

Stoppt den Krieg gegen Russland – NATO raus aus der Ukraine!

Deutschland raus aus der NATO – NATO raus aus Deutschland! 

Für den Aufbau der Anti-NATO-Friedensbewegung in Deutschland!

1 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/wagenknecht-neue-partei-gruendung-100.html

2 So nahmen bspw. im Protest gegen die Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2023 3000 Personen an der Demonstration eines linken Aktionsbündnisses von DKP, SDAJ und weiteren Organisation teil, während sich gleichzeitig 10.000 Menschen an der Versammlung von „München steht auf“ beteiligten, einem aus Protesten gegen die Corona-Maßnahmen entstandenen Zusammenschluss.

3 Liste der Aufrufe: https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2023/aufrufe

4 https://www.deutschlandfunk.de/regierungserklaerung-olaf-scholz-zu-einem-jahr-zeitenwende-100.html 

Der Kommunismus und die Linke – über die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Überprüfung

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Gastbeitrag von Bahman Shafigh (Tadarok)

Notiz zu Deutscher Übersetzung

Das folgende Dokument wurde im Dezember 2016 von der ersten Konferenz der Organisation „Tadarok Kommunisti“ (Kommunistische Vorbereitung) verabschiedet. Die Gründung von Tadarok erfolgte gut zwei Jahre davor im April 2014 bei der Gründungskonferenz, abgehalten in Berlin. Hatte sich die erste Konferenz überwiegend auf die Notwendigkeit des Aufbaus einer eigenständigen Organisation der Kommunisten und Fragen über Partei, Klasse und die soziale Revolution fokussiert, so hat sich die zweite Konferenz den programmatischen Aspekten des zeitgenössischen Kommunismus gewidmet. Als Ergebnis dieser Debatten entstanden vier Grundlagendokumente mit den folgenden Titeln:

– Arbeiter, Kommunisten und die aktuellen sozialen Bewegungen

– Analytische Erklärung über den sozialistischen Nahen Osten

– Kommunismus, Demokratie und der Kampf für demokratische Freiheiten

und schließlich das folgende Dokument „Der Kommunismus und die Linke“.

Mit diesen Dokumenten war der programmatische Grundstein für die Weiterentwicklung der kommunistischen Bewegung im Iran gelegt, ohne jedoch den Anspruch eines kommunistischen Programms zu erheben. Diese Aufgabe steht noch vor uns.

Was das vorliegende Dokument angeht, ist anzumerken, dass das Dokument sehr kompakt verfasst wurde. Viele der Aspekte im Dokument bedürfen weiterer Erläuterung und manches ist nicht so präzise wie es sein sollte. Insbesondere für das deutschsprachige Publikum ist unbedingt darauf hinzuweisen, dass der Abschnitt über die Wiederbelebung der Linken nach der Niederlage der Revolution in Deutschland an Genauigkeit mangelt. Es wird ganz allgemein auf Anarchismus und Sozialdemokratie als Formen dieser Wiedererstehung hingewiesen ohne jedoch die Rolle des Linkskommunismus in diesem Prozess überhaupt zu erwähnen. Dabei trug gerade dieser Linkskommunismus viel bei der Etablierung einer zunächst gegenüber Kommunismus kritischen und später offen antikommunistische Strömung in den Linken bei. Insbesondere in Deutschland wirkte diese Bewegung unter anderem mit der Herausbildung der Frankfurter Schule, die eine Säule für alle späteren linken Schattierungen bilden sollte. Bis hin zu der sog. außerparlamentarischen Opposition der 60er und 70er und zum gegenwärtigen “grünen Imperialismus“.

Dennoch wird das Dokument ohne inhaltliche Änderung übersetzt, mit der Hoffnung, zu einer konstruktiven Debatte mit deutschen Genossen und Genossinnen beizutragen.

Bahman Shafigh

März 2023

1. Die Fortentwicklung des gegenwärtigen Kommunismus hängt von der Neudefinition des Kommunismus als eigenständige und kritische Bewegung des Proletariats ab. Als grundlegende Kritik der herrschenden Ordnung ist der Kommunismus der Ausdruck jener Klasse, die sich ganz unten in der kapitalistischen Gesellschaft befindet. Der Kommunismus ist die Bewegung für den Umsturz der herrschenden Ordnung.

2. Die Linke hingegen ist eine kritische Bewegung der Mittelschichten der Gesellschaft, die sich auf die Auswüchse der bestehenden Ordnung fokussiert. Die Linke ist die Bewegung für eine Erneuerung der bestehenden Ordnung auf Basis derselben. Sie ist eine Bewegung für die Sicherung der Grundlagen der bestehenden Ordnung. Die Linke ist der Ausdruck der Ideale und Wünsche des Kleinbürgertums und der unzufriedenen Schichten innerhalb der herrschenden Klasse.

3. Historisch war die Linke das Produkt der Auseinandersetzungen und Konflikte innerhalb der herrschenden Klasse und bestimmter Schichten des Kleinbürgertums im Verlaufe der Französischen Revolution, die ihren Weg in den Staat gefunden haben. Die Vermischung der Gerechtigkeitsideale und der bürgerlichen Charta innerhalb der Linken bedeutete faktisch die Vermischung der Reihen des sich in der Entwicklung befindenden Proletariats und der revolutionären Elemente innerhalb der herrschenden Klasse. Die Entfaltung des Klassenkampfes in Europa musste zur unweigerlichen Spaltung dieser Reihen führen. Das revolutionäre Proletariat hat mit dem Kommunismus einen historischen Bruch mit der Linken vollzogen.

4. Mit dem Kommunistischen Manifest endete der Trennungsprozess des Kommunismus von der Linken vorläufig historisch. Der Kommunismus trat damit als eine politische Bewegung für die Eigenständigkeit der Arbeiterklasse, mit eigener Zielsetzung und eigenständigem Programm für die soziale Umwälzung auf die Bühne der Klassenkämpfe. Damit versank die Linke in die Bedeutungslosigkeit. Breite Teile der Linken haben sich auf unterschiedliche Art und Weise in die Reihen des sozialistischen Proletariats eingereiht oder die Form bestimmter Bewegungen am Rande der sozialistischen Arbeiterbewegung angenommen.

5. Während des blühenden Aufstiegs der sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts und der ersten Dekade des zwanzigsten Jahrhunderts hat die Dominanz und die Kraft des organisierten und bewussten Proletariats die vorherigen Kräfteverhältnisse zwischen dem Kommunismus und der Linken umgekehrt. Als Verkörperung des Klassenwillens des Proletariats stürzte der Kommunismus die Herrschaft der Linken über das Proletariat und versetzte sie in eine ihre angemessene Position. Die Linke als Bewegung des von der Bourgeoisie verärgerten, unzufriedenen und gegenüber der sozialen Revolution ängstlichen Kleinbürgertums hörte zunehmend auf, eine eigenständige Rolle zu spielen. Es war der Kampf zwischen dem revolutionären Proletariat und der kapitalistischen Reaktion, der den Verlauf des Klassenkampfes bestimmte. Die Linke hat zwischen diesen zwei Polen des Kampfes die Rolle eines Pendels eingenommen. Ein Pendel, das sich mal in die eine und dann in die andere Richtung bewegte.

6. Mit der Niederlage der Revolution in Deutschland hat der Trennungsprozess der Linken vom Kommunismus erneut seinen Lauf genommen. Die theoretischen Grundlagen dieser Trennung bildeten sich aus verschiedenen Formen der neukantianischen und neuhegelianischen Lehren. Ihre politische Verkörperung erschien zuerst in Gestalt des Anarchismus und später in unterschiedlichen linken Erscheinungsformen innerhalb der Sozialdemokratie.

Die historische Kraft der Oktoberrevolution und die tiefe Verschiebung, die diese Revolution im Kräfteverhältnis zwischen Proletariat und Bourgeoisie verursacht hatte, war jedoch das Haupthindernis auf dem Weg der Herausbildung der Linken als eine sich selbst definierende Kraft und eine umfassende soziale Bewegung. Die verschiedenen linken Formierungen innerhalb der Bourgeoisie waren noch darauf angewiesen, sich der Erscheinungsform von sozialistischen und kommunistischen Parteien zu bedienen.

7. Mit der Herausbildung der Wohlfahrtsstaaten in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, dem Aufflammen der Unabhängigkeitsbewegungen in einigen Länder der sogenannten Dritten Welt und der zeitgleichen Entstehung der sog. „neuen sozialen Bewegungen“ im Westen wurde die Arbeiterbewegung mehr und mehr in den Schatten dieser Bewegungen gestellt. Diese verfolgten entweder die Proklamation der Interessen des ganzen Volkes oder die partiellen Interessen bestimmter Schichten der Gesellschaft. Die Arbeiterbewegung als die zentrale Bewegung der kapitalistischen Gesellschaft hat anderen Bewegungen, die sich aus gesellschaftlichen Schichten mit mehr Vitalität, Mobilität und Organisationsfähigkeit geformt hatten, Platz gemacht. Die Linke hatte nun eine Position gefunden, aus der heraus sie die bisherige Führungsrolle der kommunistischen Parteien herausfordern konnte.

8. Als Anfang der 80er-Jahre Risse im sozialistischen Block offen zutage traten, die Wohlfahrtsstaaten in Europa eine Niederlage erlitten und die Rechte mit Thatcherismus und Reaganomics an Bedeutung gewann, hat sich die linke Politik, die sich bis dato noch mit sozialistischen Inhalten schmückte, mehr und mehr von diesem abgewandt. Die Arbeiterbewegung wurde zu einer Bewegung neben anderen sozialen Bewegungen herabgestuft. Die Zeit für den „Abschied vom Proletariat“ war gekommen. Von nun an hat die Linke nicht mehr das Proletariat, sondern sich selbst als das revolutionäre Subjekt verstanden. Eine Linke, die unterschiedliche Schattierungen von „Pseudo-Sozialismus“ über Liberalismus bis hin zu radikalem Anarchosyndikalismus umfasste.

9. Der Abschied der Linken vom Proletariat bedeutete jedoch keineswegs einen Verzicht auf das reiche Erbe des Kommunismus. Der enorme Kraftaufwand der kommunistischen Arbeiterbewegung und deren gewaltige Errungenschaften in allen Bereichen des sozialen Lebens hatten ihre Spuren in allen Idealen der Gerechtigkeit hinterlassen. Daher war die Auslöschung dieser Ideale für eine Bewegung, die eine Verbesserung der Lage der Mehrheit der Massen für sich reklamierte, unmöglich. Alle neuen sozialen Bewegungen, die nun anstelle von der Arbeiterbewegung ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt waren, mussten sich zwangsläufig für ihr Selbstverständnis und das Erringen einer hegemonialen Stellung innerhalb der Arbeiterklasse das historische Erbe der Arbeiterklasse zu Nutze machen. Auf dieses Erbe konnten sie nicht verzichten und so haben sie versucht, es zu ihren Zwecken umzudeuten und im Sinne ihrer jeweiligen Bewegung zu prägen.

10. Mit zunehmendem Erfolg der „neuen sozialen Bewegungen“ im Erreichen ihrer Ziele und Forderungen verwandelten sich größere Teile der Linken zunehmend in einen integralen Bestandteil der herrschenden Ordnung. Hatte die Linke die Verwirklichung ihrer Ideale in den 60er- und 70er-Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts im Westen noch über Straßenbarrikaden und in der Dritten Welt über Partisanenkriege verfolgt, so begann sie nun damit, ihre Ziele mehr und mehr durch den vorhandenen Staatsapparat zu erreichen.

11. Mit dem Berliner Mauerfall, dem siegreichen Marsch des Kapitalismus und dem Verkünden des Endes der Geschichte hat die Linke auch den Individualismus zur ideologischen Basis ihrer Identität gemacht. Dies war ein Wendepunkt für die Bildung einer strategischen Allianz zwischen der Linken und der herrschenden Klasse. In Abwesenheit einer sozialistischen Arbeiterklasse hat das Kleinbürgertum den Umbau der herrschenden Ordnung auf Basis seiner individuellen Existenz in Angriff genommen. Der „revolutionäre“ Umbau der Ordnung und die Schaffung „einer anderen Welt“, ohne das Erringen der politischen Macht und ohne das Proletariat, waren nun das neue Kredo einer Bewegung, die als Anti-Globalisierungs-Bewegung in Seattle ihren Anfang gefunden hatte, um dann in der Occupy-Wall-Street-Bewegung das Ende der Welt zu verkünden. Am Ende seiner Illusionen hat das Kleinbürgertum im Westen die Tobin-Steuer entdeckt und im Iran die Grüne Bewegung. Der Berg gebar eine Maus. Subcomandante Marcos wurde durch Thomas Piketty ersetzt.

12. Mit der großen Krise 2008/2009 hat der Anspruch des dominierenden transatlantischen Kapitals  auf eine breitere Beherrschung der Weltmärkte und Hindernisbeseitigung für die Kapitalakkumulation seinen ideologischen Ausdruck in den universellen Ideen der Linken gefunden: Diese träumten jetzt nicht mehr von „einer anderen Welt“, sondern versuchten ihre Ideen vom weltumfassenden Menschenrecht und von der Gewährung individueller Freiheiten und liberaler Demokratie gegen „autoritäre Staaten“ durchzukämpfen.

Im hochentwickelten Westen entstellt die Linke den Sozialismus, indem sie ihn zu einem Kampf gegen alle Arten von Rassen- und Geschlechtsdiskriminierung und Hindernisse für die Verwirklichung der individuellen Suche nach Vergnügung erhob und ihn auf die Konfrontation mit dem klassischen Konservatismus reduzierte. Zeitgleich verband die Linke den Sozialismus mit dem radikalen Einsatz für Demokratie, freie Wahlen, Menschenrechte, Selbstbestimmungsrecht sowie dem unnachgiebigem Kampf gegen Autoritarismus und Diktatur. Damit stellte sie dem siegreichen „post-cold-war“-Kapital den besten ideologischen und politischen Deckmantel für imperialistische Aggression gegen schwächere Staaten zur Verfügung. Der Kapitalismus wäre ohne diese wirksame Rolle der Linken in der Aufrechterhaltung der imperialistischen Ordnung in Zeiten der Globalisierung niemals dazu in der Lage, die Masse der Arbeiter und Entrechteten der Gesellschaft so zu entwaffnen. Während dieser Zeit stiegen die mächtigsten Theorie-Macher der Medienwelt, hochrangige Amtsinhaber internationaler Institutionen des Kapitals sowie Politiker der herrschenden Klasse überwiegend aus der Mitte der Linken empor.

13. Auf theoretischer Ebene erzeugte die Linke dank der umfassenden Mittel der Institutionen, Stiftungen, Universitäten und Medien enorme Mengen von pseudo- und postmarxistischer Theoriebildungen und damit den Angriff auf den revolutionären Geist des Marxismus auf die Spitze getrieben. Die zentralen Sätze des Marxismus wurden durch neue, bürgerliche Axiome ersetzt und losgelöste Einzelteile der marxistischen Literatur wurden dazu benutzt, neue theoretische Konstruktionen der Linken zu erschaffen. Marxismus als Wissenschaft der Revolution wurde in verschiedene Bereiche zerlegt: Marxistische Philosophie, Marxistische Soziologie, Marxistische Ökonomie sowie Marxistische Kultur und Kunst.

Der gemeinsame Nenner all dieser Theoriebildungen bestand in der Negierung der Diktatur des Proletariats in den unterschiedlichsten Formen, von einer offenen Negierung bis hin zu einer Deformierung.

14. Die organisatorische Macht und die allumfassend verfügbaren Mittel der Linken werfen ihren Schatten wie ein Inkubus auf das Schicksal der Arbeiterbewegung. In allen Ländern der Welt, von den Bewegungen in Südeuropa bis hin zu Lateinamerika und Asien, ist es die Linke, die der Arbeiterbewegung ihre Agenda und ihr Programm diktiert und diese in den entscheidenden Momenten zur Kapitulation und zum Kompromiss mit der herrschenden Ordnung zwingt – sei es durch die Unterstützung der dominierenden Fraktionen der Weltordnung oder durch die Verteidigung ihrer gegenüberstehenden Fraktion weltweit. Die Linke spielt in der gegenwärtigen Welt jene Rolle, die die anti-revolutionäre Sozialdemokratie in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts im Kampf gegen den revolutionären Kommunismus spielte.

15. Der Kommunismus ist weder eine Teilmenge der Linken, noch darf und kann er seine praktische Agenda, Taktik und Strategie auf den Bedürfnissen der Linken aufbauen. Der Kommunismus ist weder für den Entwurf einer Strategie für den Sieg der Linken noch für die Einheit der Linken und die Überwindung ihrer Differenzen verantwortlich. Die Aufgabe des Kommunismus besteht im Aufbau des kraftvollen Blocks des Proletariats. Der gegenwärtige Kommunismus kann nur die radikale Kritik der Linken sein. Dies ist der einzig mögliche Weg, auch jene Elemente in der Linken zu gewinnen, die sich der Sache der Arbeiterklasse und der Entrechteten der Gesellschaft verpflichtet und verbunden fühlen.

Diese Resolution wurde auf der ersten Konferenz von Tadaroke Kommunisti verabschiedet.

Azar 1395, Dezember 2016

Einladung zum gemeinsamen Buchenwald-Gedenken 2023

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Das KZ Buchenwald und die Selbstbefreiung der dortigen Häftlinge am 11. April 1945 sind seit langem ein wichtiger Orientierungspunkt für Kommunisten und Antifaschisten. Auch in diesem Jahr wollen wir als Kommunistische Organisation dem Jahrestag der Beendigung des faschistischen Terrors im Lager gedenken.

Wir wollen das auf den Jahrestag der Selbstbefreiung folgende Wochenende neben dem Gedenken aber auch dafür nutzen, uns mit der Historie Buchenwalds auseinander zu setzen und dabei von dem Kampf der Gefangenen unter widrigsten Bedingungen lernen.

Denn der letztliche Erfolg ihres Widerstands war nur aufgrund einer disziplinierten Organisierung und ungebrochener Solidarität untereinander möglich. Angeleitet durch das Internationale Lagerkomitee konnten damit die Gewalt und Willkür der Faschisten vor Ankunft der US-Truppen unterbunden und das Überleben tausender Häftlinge gesichert werden.

Ablauf des Wochenendes

Am Samstag den 15.04. werden wir unser Gedenken ab 13 Uhr mit einem Rundgang über die Mahn- und Gedenkstätte beginnen. Hierbei wollen wir den praktischen Kampf der Häftlinge um die eigene Befreiung von der faschistischen Unterdrückung anhand des Denkmals nachvollziehen und versuchen diese Erfahrungen für uns nutzbar zu machen.

Die Lehren des damaligen Kampfes sollen daher in einem darauffolgenden Seminar konkreter in die Gegenwart übertragen werden. Denn ebenso wie die Geschichte Buchenwalds und dessen Selbstbefreiung bis heute politisch umkämpft ist, findet auch ein stetiger Kampf um die Darstellung und Deutung heutiger Ereignisse statt.

Der Westen versucht aktuell mit aller Kraft seine Weste vom in der Ukraine gegen Russland aufgebauten Faschismus rein zu halten, indem er diesen relativiert oder Russland zur Rechtfertigung der eigenen Aggression sogar selbst als faschistisch bezeichnet. Was schon in Jugoslawien schamlos genutzt wurde, wird nun auch mit Russland versucht.

Leider sehen wir gleichzeitig, dass die Friedensbewegung dieser Entwicklung noch recht schwach gegenübersteht. Wir wollen daher im Anschluss an den Rundgang in Form von Vorträgen historische Kontinuitäten der Kriegsvorbereitungen der NATO und insbesondere des deutschen Imperialismus in den letzten Jahrzehnten betrachten. Im Verhältnis dazu wollen wir, u.a. anknüpfend an unserer Diskussionsveranstaltung in Leipzig, auch darstellen, wie die Friedensbewegung auf diese Vorbereitungen und Kriege reagierte, welche Fehler begangen und welche Erfolge erreicht wurden. Zudem soll auch die aktuelle Rolle von rechten Kräften in der Friedensbewegung beleuchtet und unser Umgang mit ihnen diskutiert werden.

Anhand dieser Aspekte wollen wir die Diskussion auf die Fragen zuspitzen, wie wir als Kommunisten aktuell in der Friedensbewegung wirken können und sollten, sowie welche Potentiale sie in sich trägt. Hier wollen wir auch unsere konkreten Vorhaben als Kommunistische Organisation darlegen und zur Diskussion stellen.

Der darauffolgende Sonntag, der 16.04., soll vor allem dem 137. Geburtstag von Ernst Thälmann gewidmet sein. Dafür werden wir ihm und dem Kampf der KPD gegen Krieg und Faschismus um 11 Uhr an seinem Denkmal in Weimar und um 15:30 Uhr am Krematorium in Buchenwald gedenken. Zwischen diesen beiden Gedenken wird es ab 12:30 Uhr einen weiteren Rundgang über das Lager Buchenwald geben, bei dem wir auf die Geschichte des Lagers eingehen und uns nochmals die Relevanz und Notwendigkeit unseres Kampfes vor Augen führen können. Um aus der Geschichte zu lernen und gestärkt voranzuschreiten gegen die faschistischen Tendenzen und Militarisierung, die sich weltweit immer mehr zeigt.

Wir uns über alle, die uns an diesem Wochenende begleiten und mit uns ins Gespräch kommen wollen.

Falls ihr Interesse habt, schreibt für die Planung bitte zur Anmeldung eine kurze Mail an unsere Ortsgruppe Jena: jena@kommunistische-organisation.de

Mit palästina-solidarischen Vorsätzen in die zionistische Hölle: Eine Kritik an den „Grundlinien“ der MLPD zum palästinensischen Befreiungskampf

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Diskussionsbeitrag – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation

Von Noel Bamen

1. Einleitung und Selbstkritik

Wer tagtäglich die Situation in Palästina beobachtet, kann nur zunehmend betroffen und bestürzt darüber sein, wie wenig Beachtung die derzeitige Lage in dieser letzten wirklich umkämpften Kolonie des Westens hierzulande findet, gerade auch in der politischen Linken. Was dort vor sich geht, ist eine dritte Intifada, ein Volksaufstand, mit dem Potential, zumindest die Lage in den 1967 besetzten Gebieten nachhaltig zu verändern. Das scheinen die wenigsten zu begreifen. So viele Palästinenser in den letzten Monaten und Jahren getötet wurden, so sehr macht die derzeitige Lage in Palästina dennoch Hoffnung: der Widerstand nimmt neue Qualitäten an, und er drängt zur Einheit.

Vor diesem Hintergrund fällt noch einmal besonders auf, dass Palästina in denjenigen Teilen der Linken in Deutschland, die grundsätzlich mit dem dortigen Befreiungskampf solidarisch sind, seit Längerem kaum Thema ist. Das gilt gerade auch für die deutschen Kommunisten. Die meisten haben sich von der realen palästinensischen Befreiungsbewegung abgewandt: Die DKP etwa schweigt weitestgehend zu diesem Thema, die UZ berichtet nur sporadisch (und mit z. T. merkwürdigen Überschrifteni), die Junge Welt legt den Fokus eher auf die offizielle Politik Tel Avivs und Ramallahs als auf den palästinensischen Widerstand und auch Marx21, die in der Vergangenheit mit die besten Positionen in Sachen Palästina innerhalb der deutschen Linken vertraten, haben in den letzten Jahren leider wenig Neues zur Auseinandersetzung mit den Entwicklungen im palästinensischen Widerstand beigetragen.ii

Auf Demos für Palästina sind in den letzten Jahren – neben palästinensischen Gruppen wie Samidoun – v. a. die linksradikalen bzw. maoistischen/hoxhaistischen Spektren rund um Young StruggleKommunistischer Aufbau (KA) und MLPD präsent. KA und MLPD haben zudem in den vergangenen zwei Jahren jeweils Grundsatztexte zur Palästina-Frage veröffentlicht.iii Beide Dokumente und vor allem die Positionen, die in ihnen bezogen werden, ähneln sich sehr stark – und sind meines Erachtens sehr falsch und sogar fatal: Sie führen beispielhaft vor Augen, welche Fehler Teile der linken und kommunistischen Bewegung sowohl in Deutschland als auch international bezüglich Palästina machen und wie diese Fehler eine echte Palästina-Solidarität verunmöglichen. Daher der Entschluss, die folgende Kritik zu formulieren.

Zunächst aber soll an dieser Stelle trotzdem betont werden, wie gut es ist, dass KA und MLPD ihre Positionen öffentlich dargelegt haben! Nur so kann man sie auch kritisieren und darüber streiten. Die meisten anderen Organisationen tun weder das eine noch das andere: Die DKP beispielsweise vertritt offiziell bis heute das Konzept der sog. Zwei-Staaten-Lösung – während ich von allen DKP-Genossen, die ich kenne und die Ahnung von dem Thema haben, weiß, dass sie persönlich diese Position falsch finden. Zugleich war ich (positiv) überrascht, von einem ihrer Sprecher im Jahr 2021 öffentlich zu hören, dass die DKP Kontakte zur PFLP pflegt.iv Es scheint dort also durchaus Voraussetzungen zu geben, um in Sachen Palästina alte Zöpfe abzuschneiden.

Aber auch als KO müssen wir ganz klar Selbstkritik leisten: Trotz des Potentials, das ich gerade in der Palästina-Frage bei uns sehe, trotz der vorhandenen Einsicht in die Notwendigkeit einer Resolution zu Palästina und trotz der Tatsache, dass wir uns als KO verhältnismäßig aktiv und offensiv in der Palästina-Frage verhalten, haben wir uns bis heute nicht systematisch mit diesem Thema beschäftigt. Wir haben in einzelnen Stellungnahmen Positionen bezogen, und zwar sehr gute und auch solche, die in der kommunistischen Bewegung – zumindest im Westen und auf jeden Fall in Deutschland – ein relatives Alleinstellungsmerkmal darstellen.v Aber bis heute haben wir beispielsweise keine kollektive und offizielle Position zur sog. Ein- oder Zwei-Staaten-Lösung oder zur Frage der Solidarität mit den islamischen Befreiungskräften bezogen. Die folgende Kritik am Dokument der MLPD soll auch einen Anstoß in diese Richtung geben und nicht zuletzt uns selbst die Notwendigkeit zur Positionierung vor Augen führen. 

2. Kritik an den Palästina-Positionen der MLPD

Der KA hat seine Positionen in einem etwas ausführlicheren Text dargelegt, eingebettet in einem historischen Abriss des sog. Palästina-Konflikts. Die Positionen der MLPD sind dagegen in einem sehr viel kürzeren Dokument und in Form programmatischer Punkte festgehalten. Da sich die Positionen der MLPD und des KA sehr ähneln und beide stellvertretend für weitere Organisationen aus diesem Spektrum stehen, werde ich mich hier der Einfachheit halber weitgehend auf die MLPD konzentrieren. Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich alle Zitate auf den Text Grundlinien der Positionierung zum palästinensischen Befreiungskampf.vi

Es gibt kein „Existenzrecht“ für Kolonien!

Eingangs behauptet die MLPD, sie sei „uneingeschränkt solidarisch mit dem palästinensischen Volk im Kampf um seine soziale und nationale Befreiung.“ Die folgenden von ihr verabschiedeten Positionen legen allerdings ein Zeugnis davon ab, dass sie den Befreiungskampf der Palästinenser weder versteht, noch ihm tatsächlich „uneingeschränkt solidarisch“ gegenübersteht:

1. Die MLPD schreibt: „Wir erkennen das Existenzrecht des Staates Israel an.“ Darin liegt schon das Grundproblem. Dass die MLPD die Propagandafloskel des westlichen Imperialismus vom „Existenzrecht“ Israels übernimmt, zeugt schon davon, dass sie sich nicht materialistisch-wissenschaftlich mit dem Thema befasst hat, sondern ahistorisch, moralistisch und eurozentrisch. Wer von einem „Existenzrecht“ Israels spricht, hat sich die Hälfte der zionistischen Agenda bereits zu eigen gemacht und kann nicht ernsthaft solidarisch mit den Palästinensern und ihrem Befreiungskampf sein: 1. Das Judentum ist keine Nation; diese Behauptung ist nur ein völkischer Mythos der Antisemiten und der Zionisten. 2. Israel ist kein normaler Nationalstaat, sondern ein siedlerkoloniales Projekt, das auf die Vernichtung und/oder Verdrängung der Indigenen in Palästina abzielt. Erst wenn diese politische oder physische Vernichtung der Palästinenser abgeschlossen ist, können die Siedler überhaupt erst zu einer Nation werden. Bis dahin sind sie ein multinationales Gemisch, das sich zu einem Kriegskollektiv zusammengeschlossen hat, um das Territorium, das für eine Nationenbildung notwendig ist, zusammenzurauben. Genau wie das südafrikanische Apartheidregime, wie die europäischen Kolonialregime überall auf der Welt, wie die Marionettenregime der Nazis in Europa im Zweiten Weltkrieg: Israel hat kein Existenzrecht! Punkt.

2. Indem sie das Dogma des „Existenzrechts“ übernimmt, positioniert sich die MLPD bereits im Sinne der sog. Zwei-Staaten-Lösung, auch wenn sie es anders zu drehen versucht:vii Sie wünscht sich „r das israelische und das palästinensische Volk“ einen einzigen „gemeinsamen demokratischen Staat, in dem Gleichberechtigung, gegenseitiger Respekt und Vertrauen, ohne Diskriminierung herrschen.“ Angeblich sei das aber „letztlich und in aller Konsequenz“ nur im Sozialismus möglich. Deshalb sei eine „demokratische Zweistaatenregelung als Übergangsstadium“ vermeintlich realistischer. Soweit, so beschränkt – denn wer behauptet denn, dass es darum gehen müsse, dass all die rassistisch verhetzten zionistischen Siedler, die den Großteil des „israelischen Volkes“ ausmachen, in Palästina bleiben? Diese Menschen haben sich das Land geraubt, sie wollen es nicht teilen, geschweige denn irgend etwas davon zurückgeben; sie hassen Palästinenser und halten sie für gefährliche Untermenschen; sie wollen nicht mit ihnen Seite an Seite leben, erst recht nicht als Minderheit zusammen mit einer palästinensischen Mehrheit und vor allem nicht in einem System, wo die Palästinenser gleichberechtigt sind. Zudem haben viele von ihnen mindestens eine weitere Staatsangehörigkeit, nämlich die desjenigen (meist europäischen oder nordamerikanischen) Landes, aus dem sie nach Palästina eingewandert sind, um sich auf geraubtem Land ein schönes Leben zu machen bzw. „für den Zionismus zu kämpfen“. Die Linken im Westen müssen endlich aufhören, anderen ihre romantischen Vorstellungen überstülpen zu wollen: Es geht in Palästina nicht um eine Utopie der Aussöhnung zwischen Palästinensern und „Israelis“ – es geht um den nackten Überlebens- und Existenzkampf der Palästinenser gegen die Siedler! Wir sollten uns klar machen, dass wir nicht das Recht haben, den zionistischen Kolonialsiedlern Persilscheine auszuhändigen. Im Zuge der Entkolonisierung Palästinas wird es einerseits an den konkreten Machtverhältnissen, unter denen sie zustande kommt, andererseits aber auch an der Großherzigkeit der Palästinenser liegen, ob Gnade vor Recht ergeht und diejenigen Siedler, die damit klar kommen, gleichberechtigt mit Arabern zusammen zu leben, bleiben dürfen. Ein „Recht“ dazu haben sie jedenfalls nicht.

3. Da die MLPD de facto für eine Zwei-Staaten-Lösung eintritt, ist es absurd, dass sie zugleich Oslo als Verrat der PLO-Führung geißelt (auch wenn das richtig istviii), denn Oslo war eine logische Konsequenz aus dem Kurs der Fatah, sich auf die Zwei-Staaten-Lösung einzulassen. Diese aber muss scheitern, denn 1. waren die Zionisten nie bereit, einer Zwei-Staaten-Lösung zuzustimmen, sie wollten immer ganz Palästina (und Gebiete darüber hinaus) und haben seit ihres Bestehens auf permanente Expansion gesetzt; 2. sind zwei Staaten auf einem so kleinen Gebiet wie Palästina unvorstellbar; 3. und das umso mehr, als für die Palästinenser nie auch nur ein einheitliches Territorium vorgesehen war.

4. Daran krankte auch bereits der UN-Teilungsplan von 1947, auf den die MLPD rekurriert. Dieser Plan war ein Musterbeispiel kolonialistischer Willkür: Zunächst haben die Westmächte die von den Nazis vertriebenen Juden nach Palästina verfrachtet, weil sie sie selbst nicht aufnehmen wollten. Dann wurde diese multinationale Masse aus Flüchtlingen zu einem „Volk“ umdeklariert und unter zionistische Führung gestellt. Und schließlich hat man dieser Minderheit in Palästina nicht nur mehr als die Hälfte des Landes zugesprochen, sondern auch noch die fruchtbarsten Böden und die geopolitisch wichtigsten Gebiete. Dass sich die Sowjetunion, wie die MLPD lobend betont, daran beteiligt hat, ist eine Schande für die kommunistische Bewegung, für das Erbe des ersten sozialistischen Landes und auch für die Genossen der damaligen KPdSU-Führung.ix Überspitzt könnte man sagen: Wenn es ein Stalin’sches Verbrechen gegeben hat, dann war es wohl die Anerkennung Israels. Die Hintergründe müssen wir noch aufarbeiten. Trotzdem lässt sich jetzt schon sagen, dass es sich dabei um den vielleicht nachhaltigsten Fehler der sowjetischen Führung handelte (von der Konterrevolution 1989-91 einmal abgesehen).

Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf  nicht mit der „israelischen Arbeiterklasse“! 

5. Mit dem falschen Verständnis von Israel als Nationalstaat und den jüdischen Siedlern als Nation geht die völlige Verkennung der Klassenverhältnisse in Palästina einher: Die MLPD ist bemüht, Israel als eine normale Klassengesellschaft darzustellen, wenn sie schreibt: „Es gibt auch in Israel Klassenkampf, gewerkschaftliche Streikbewegungen sowie palästinensisch-arabische Parteien mit berechtigten Forderungen, Initiativen und Bewegungen in Israel, die sich für gerechten Frieden, die Rechte der Palästinenser, gegen die Beschlagnahmung von Häusern, den Siedlungsbau oder das rassistische Nationalitätengesetz einsetzen.“ Natürlich gibt es all das in Israel, genauso wie es all das auch in Südafrika und im französisch besetzten Algerien gab. Soziale Spaltung und Klassenwidersprüche gibt es nunmal auch innerhalb von Siedlergemeinschaften. Nur wird diese Feststellung nicht den besonderen Bedingungen innerhalb eines solchen Konstruktes gerecht: 1. wird ein Großteil der „israelischen“ Arbeiterklasse in Wahrheit von Palästinensern mit und ohne israelischen Pass gestellt; sie verrichten die härtesten, schmutzigsten und am schlechtesten bezahlten Jobs, während sie zugleich Abgaben an die zionistischen Gewerkschaften leisten müssten, ohne jedoch von ihnen vertreten zu werden. 2. ist die von der MLPD angeführte palästinensische Bürgerrechtsbewegung in Israel objektiv Teil der palästinensischen Befreiungsbewegung, nicht eines „inner-israelischen Klassenkampfs“; 3. ist die Siedlerbevölkerung ein rassistisches Kollektiv, das als Kollektiv auf Kosten der Palästinenser lebt. Selbst die ärmsten Israelis profitieren materiell von der Enteignung, Unterdrückung, Ausbeutung und Vertreibung der Palästinenser – sowohl innerhalb Israels, als auch in der Westbank. Die Bestechung der Arbeiterklasse, die wir aus imperialistischen Zentren wie Deutschland nur zu gut kennen, nimmt in Bezug auf die Arbeiter- und Bauernschaft der „Herrenrasse“ innerhalb einer Kolonie noch einmal unvergleichbar krassere Ausmaße an. Während die aus der europäischen Arbeiterbewegung stammende Gewerkschaft Histadrut, die Landwirtschaftskollektive (Kibbuzim) und die „zionistische Linke“ von Beginn an die Speerspitze der „sozialistisch“ verbrämten kolonialen Landnahme, der ethnischen Säuberung und des Rassismus’ – sowohl gegen nicht-jüdische Palästinenser, als auch gegen arabische Juden – waren, stellen die arabischen jüdischen Unterschichten seit Jahrzehnten die soziale Basis der israelischen äußersten Rechten. Auch bei den Protesten, die in den letzten Jahren und vor allem in den letzten Monaten gegen die Netanyahu-Regierungen zig tausende Israelis mobilisiert haben, war der zionistische Konsens unantastbar: palästinensische Fahnen etwa wurden nicht geduldet; weder der Rassismus, noch die Besatzung der Westbank waren Thema. Palästinenser mit israelischen Pass nahmen entsprechend nicht teil. Die Gay-Pride-Fahnen dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich um Aufmärsche einer Fraktion der siedlerkolonialen „Herrenrasse“ – und zwar sowohl an, als auch für sich  handelt, die schlicht und einfach um ihre eigenen Privilegien besorgt ist.x Die MLPD versucht diese Tatsachen allein auf „die systematische jahrzehntelange zionistische Beeinflussung und Hetze“ zurückzuführen, die „Spuren in der israelischen Arbeiterschaft und den Massen hinterlassen“ hätten. In Wahrheit hat sie selbst die strukturellen Besonderheiten des Siedlerkolonialismus nicht verstanden. Ihre Schlussfolgerung, mit „geduldiger Überzeugungs- und Bündnisarbeit“ gegenzusteuern, zeugt von der völligen Verkennung der Tatsachen vor Ort:xi Es gibt ein revolutionäres Subjekt in Palästina, und das ist die nationale Befreiungsbewegung der Palästinenser, die alle Klassen der palästinensischen Gesellschaft (bis auf die Kompradorenbourgeoisie) umfasst. 

Weiter heißt es bei der MLPD, es sei der „prinzipiell falsche Weg, aus Enttäuschung oder Skepsis in die Arbeiter und die Massen in Israel oder aufgrund nationalistischer und reaktionärer Einflüsse, die palästinensische Nationalität über die Klasseninteressen zu stellen“. Wie überheblich und ignorant dieser Satz ist, wird klar, wenn man sich bewusst macht, dass der Adressat hier die Palästinenser sind. Diese sollen nicht „enttäuscht“ oder „skeptisch“ gegenüber den „israelischen Massen“ sein. Diese Massen, so muss man sich vergegenwärtigen, sind, seit sie in Palästina sind, an der Besatzung, der Unterdrückung, der Ausbeutung und der Vertreibung der Palästinenser beteiligt. Ohne Ausnahme. Jeder Israeli lebt auf geraubtem Land. Jeder Israeli muss Militärdienst leisten; rechte wie „linke“ Regierungen haben unterschiedslos Krieg gegen die Palästinenser und die arabischen Nachbarn geführt; breiteren Protest hat es – außer im Fall des Libanonkriegs 1982 – nie gegeben. Bestenfalls schauen die „israelischen Massen“ dem Abschlachten der Palästinenser seit bald 100 Jahren gemütlich zu und profitieren davon; in der Regel aber bejubeln sie es sogar oder morden direkt mit. Es geht indes nicht darum, dass die Palästinenser „enttäuscht“ von den „israelischen Massen“ sind – die wenigsten dürften je Hoffnungen in sie gesetzt haben, allenfalls die palästinensischen Kommunisten. Sie waren es, die schmerzlich lernen mussten, dass auf die „israelischen Massen“ nicht zu bauen ist, und das haben Organisationen wie die PFLP, aber auch die KP Palästinas getan. Nun ist es an der MLPD und allen anderen, die ihrer Einschätzung folgen,xii ihre Illusionen in die „israelischen Massen“ zu verlieren!

6. Der oben zitierte Satz drückt aber auch ein Missverständnis zur nationalen Frage aus, das, so mein Eindruck, in der kommunistischen Bewegung recht weit verbreitet ist: und zwar werden Klassenkampf und nationale Frage einander häufig entgegengestellt bzw. voneinander getrennt.xiii Dabei liegt der Fehler darin, den Klassenkampf quasi als sozialen und ökonomischen Kampf zu begreifen und ihn auf diese Frage zu reduzieren. Dagegen ist die nationale Frage (genau wie rassistische, sexistische usw. Unterdrückung, die Frage von Krieg und Frieden etc.) in Wirklichkeit Teil des Klassenkampfs, so wie auch die Frage der Ausbeutung. Der Unterschied besteht darin, dass es im nationalen Befreiungskampf Interessensüberschneidungen zwischen Arbeiterklasse und nationaler Bourgeoisie gibt und es entsprechend zu Bündnissen kommen kann, anders als im ökonomischen Kampf, wo die Interessen von Arbeitern und Kapitalisten antagonistisch sind. Zu sagen, dass in Palästina der „Hauptwiderspruch“ der zwischen den Palästinensern als Nation auf der einen und dem zionistischen Kolonialismus auf der anderen Seite ist, hat nichts damit zu tun, „die palästinensische Nationalität über die Klasseninteressen zu stellen“: Der Zionismus negiert die pure Existenz der Palästinenser (ob als Arbeiter, Bauern oder Bourgeoisie). Darum ist die nationale Befreiung Palästinas aktuell das strategische Hauptziel. Denn auch wenn sich diese nationale Revolution nicht unter kommunistischer Führung vollziehen und daher nicht unmittelbar in eine sozialistische Revolution hinüberwachsen sollte – und das scheint derzeit äußerst unrealistisch –, ist ein souveräner Nationalstaat ein großer Fortschritt für die palästinensische Arbeiterklasse; eine von direkter ausländischer Unterdrückung befreite Klassengesellschaft, in der sich das Proletariat an sich formieren und für sich organisieren kann, ist ein gewaltiger Gewinn gegenüber der Realität, wie wir sie heute aus Palästina kennen: Millionen Menschen verstreut über verschiedene Staaten und Hoheitsgebiete, unter militärischer Besatzung und ökonomischer Blockade, eingepfercht in Flüchtlingslager, wirtschaftlich komplett abhängig von Israel, westlichen Staaten und der UN; eine Gesellschaft von Kleinbürgern und Tagelöhnern, überausgebeutet, entrechtet, permanentem rassistischem Terror ausgesetzt, im alltäglichen Überlebenskampf gefangen, eingesperrt oder ins Exil getrieben, fortlaufend enteignet. Die Befreiung der palästinensischen Nation liegt also im dringendsten Interesse der palästinensischen Arbeiterklasse!

Gegen die Spaltung und Diffamierung des palästinensischen Widerstands!

7. Der Satz geht allerdings noch weiter: Denn es sei nicht nur falsch, den palästinensischen Befreiungskampf an erste Stelle zu stellen, sondern auch fatal, „mit reaktionären und faschistoiden oder faschistischen Kräften wie der Hamas und der Organisation Dschihad“ oder gar (direkt oder indirekt) der imperialistischen und faschistischen Diktatur im Iran zusammenzuarbeiten oder gar in ihnen Verbündete zu sehen.xiv Diese Kritik zielt ziemlich eindeutig auf die palästinensische Linke ab, und wohl vor allem auf die PFLP, mit der die MLPD Beziehungen unterhält. Denn sowohl die PFLP als auch die DFLP arbeiten mit Hamas und Islamischem Jihad zusammen: es gibt gemeinsame Militäroperationen gegen das zionistische Regime, man hält diplomatischen Kontakt, gratuliert und kondoliert einander, ehrt die Märtyrer der jeweils anderen und sieht sich geeint im Widerstand gegen Tel Aviv und gegen das Kollaborationsregime in Ramallah. Der Iran wird außerdem, genau wie das Baath-Regime in Syrien und die Hisbollah im Libanon, als strategischer Partner im Ausland betrachtet. Nun wirft die MLPD der mit ihr befreundeten PFLP also vor, mit Faschisten zusammenzuarbeiten.xv Das muss man erstmal sacken lassen. Was das in der Konsequenz bedeutet, wird klar, wenn man sich die Positionierung der MLPD zu konkreten Operationen des palästinensischen Widerstands ansieht: So bezeichnete sie die Vergeltungsaktion für das Massaker von Jenin, bei der am 27. Januar diesen Jahres mehrere israelische Siedler in Ostjerusalem erschossen wurden, als „antisemitische“, „reaktionäre“ und „massenfeindliche“ „Verzweiflungstat“.xvi Was die palästinensischen Massen von dieser Tat hielten, bezeugten sie, indem sie in den Straßen und Gefängnissen feierten und indem sie diesen spektakulären Anschlag zum Vorbild nahmen: seither kommt es täglich zu Angriffen nicht nur auf israelische Soldaten, sondern auch auf Siedler. Daran sind auch Kämpfer der PFLP beteiligt, von denen bereits mehrere in den letzten Wochen ihr Leben ließen. Die Operation gegen die Siedler in Ostjerusalem indes bezeichnete die PFLP öffentlich als „heldenhafte Operation“ und als „Verkörperung des Willens unseres Volkes“. Khayri Alqam, den jungen Palästinenser, der die Operation durchgeführt hatte und der dabei getötet wurde, würdigte die Volksfront als „Held des Widerstands“.xvii Zudem nahm sie in Gaza an den Freudenfeiern nach der Operation teil.xviii Verübt und feiert die PFLP also antisemitischen, faschistischen Terror?

Nein, sie ist Teil des Volkswiderstands der Palästinenser, genau wie die Hamas, der Jihad, die Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden, die DFLP und Arin al-Usud!xix Wer sich nur ein kleines bisschen ernsthaft mit der Geschichte der Hamas beschäftigt, der weiß, dass sie längst nicht mehr die ultrakonservative und sektiererische Politik aus ihrer Gründerzeit fährt, sondern eine religiös-nationale Linie, die von Pragmatismus und Widersprüchen (im guten wie im schlechten Sinn) geprägt ist; zudem hält sie bis dato einen ziemlich konsequenten Widerstandskurs gegen das zionistische Kolonialregime durch. Ihr zentrales Ziel ist kein islamischer Staat, auch wenn es natürlich sein kann – und auch das müssen sich palästina-solidarische Menschen hier im Westen einmal bewusst machen –, dass ein solcher das erste Ergebnis nach der Befreiung vom zionistischen Kolonialismus sein kann; das ist Sache der Palästinenser. Ein Fortschritt wäre ein solcher national befreiter islamischer Staat trotzdem!xx Die Hamas jedenfalls setzt seit Jahren an aller erste Stelle die nationale Befreiung Palästinas. Dabei kooperiert sie mit säkular-nationalistischen, genauso wie mit sozialistischen und kommunistischen Kräften. Als Marxisten sollten wir bei allem Gerede über die Ideologie auch den Klassencharakter nicht außer acht lassen: Die Hamas ist eine Partei des Kleinbürgertums und der nationalen Bourgeoisie. Ähnliches gilt für den – allerdings sehr viel kleineren und weniger in den Massen verankerten – Islamischen Jihad, der sehr eng an den Iran gebunden ist. Sowohl Hamas als auch Jihad sind zudem elementarer Bestandteil des palästinensischen Widerstands, politisch wie militärisch.xxi Gegen sie zu sein, heißt gegen den palästinensischen Widerstand zu sein, wie er real existiert! Eine Distanzierung von ihnen und ihrer Praxis bedeutet faktisch, auch wenn es MLPD, KA etc. nicht klar zu sein scheint, eine Distanzierung von der Praxis von PFLP und Co. Mehr noch: Wenn sich in Deutschland große Teile, wenn nicht gar die Mehrheit der Solidaritätsbewegung, von Hamas und Jihad distanzieren, betreiben sie letztlich nichts anderes als eine Spaltungspolitik. Damit spielen sie Israel und dem deutschen Imperialismus bei ihrer Delegitimierung des palästinensischen Widerstands und bei ihrer Repression gegen Palästinenser hierzulande in die Hände.xxii Dann sind sie es, die spalten, während die anderen herrschen. 

Der herrschenden Propaganda richtig begegnen! 

8. Auffällig ist das offenbar große Bedürfnis der MLPD, sich gegen Antisemitismusvorwürfe zu verteidigen:xxiii In drei von zehn Punkten geht es darum, sich gegen Antisemitismus auszusprechen, in einem weiteren wird sich von „reaktionären und faschistoiden oder faschistischen Kräften“ unter den Palästinensern distanziert. Die Sorge, als Antisemit diskreditiert zu werden, ist angesichts der krassen anti-palästinensischen Hetz- und Diffamierungskampagnen der letzten Jahre, von denen auch die MLPD selbst bereits betroffen war,xxiv verständlich. Trotzdem zeugt diese völlige Überbetonung des Antisemitismus in den „Grundlinien“ von einer sehr problematischen defensiven Haltung: Nicht wir sind es, die Juden, Israelis und Zionisten in einen Topf werfen, sondern die Zionisten und ihre westlichen Alliierten selbst! Weder die Kommunisten noch die Araber hatten je ein Problem mit Juden, das waren der Westen bzw. seine feudalen, faschistischen, konservativen und liberalen Antisemiten! Nicht wir müssen uns für ein rassistisches genozidales Projekt rechtfertigen, sondern jene, die das „Existenzrecht“ eines solchen genozidalen Kolonialprojekts in Palästina verteidigen! Allerdings stolpert die MLPD auch darüber, dass sie eben diesen zionistischen Mythos von der „jüdischen Nation“ übernommen hat, und tappt so in die Falle des herrschenden Diskurses über Palästina und angeblichen Antisemitismus. Der Gipfel ist dann, dass sie ihn auch noch aufgreift und mitträgt, indem sie von „Antisemitismus“ in Zusammenhang mit „kleinbürgerliche[n] / bürgerliche[n] arabische[n] Kreise[n], Trotzkisten und Teilen der kleinbürgerlichen Linken“ schwadroniert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die MLPD entgegen ihrer eingangs betonten Behauptung, „uneingeschränkt solidarisch mit dem palästinensischen Volk im Kampf um seine soziale und nationale Befreiung“ zu sein, in Wahrheit 1. diesen Befreiungskampf selbst, wie auch dessen strategischen Feind, das zionistische Regime, weder theoretisch versteht, noch sich konkret mit den Realitäten des einen oder anderen auseinandergesetzt hat;xxv 2. hat die MLPD zionistische Narrative übernommen, sodass sie auf Teile der anti-palästinensischen Propaganda hereinfällt, sie sich teilweise sogar zu eigen macht und selbst in eine argumentative Defensive gerät. 3. und aus den beiden ersten Punkten folgend, sind die strategischen Perspektiven, die die MLPD mit Blick auf Palästina aufmacht – die „Verbrüderung“ zwischen palästinensischer und israelischer Arbeiterklasse und die Zwei-Staaten-Lösung als Übergangsetappe –, illusorisch; da die Genossen in Palästina in dieser Sache aber wohl ohnehin nicht auf unqualifizierte Ratschläge aus dem Westen hören werden, liegt hier meiner Meinung nach nicht das größte Problem. Viel gravierender ist 4., dass Distanzierungen vonseiten der Palästina-Solidaritätsbewegung von Teilen des Widerstands faktisch zu einer Spaltung und Schwächung der palästinensischen Befreiungsbewegung führen. Damit verkehrt sich die Soli-Bewegung in ihr Gegenteil.

Die Antwort muss heißen: 1. konsequent zionistische Mythen entlarven, der herrschenden Propaganda entschieden entgegentreten und sich nicht verunsichern lassen! 2. Wir müssen uns bilden und ganz real und konkret mit dem palästinensischen Widerstand sowie seinen Akteuren beschäftigen und mit ihnen in Austausch kommen! 3. Nur so können wir auch von ihnen lernen und mit ihnen erarbeiten, was konkret die Aufgaben der Palästina-Solidarität in Deutschland sein müssen. Und 4. müssen wir uns der Spaltung des Widerstands entgegenstellen, d. h. wir müssen uns solidarisch mit all seinen Formen und all seinen Akteuren erklären!

i Ein Artikel über das Massaker von Jenin im Januar diesen Jahres und die darauf folgende palästinensische Vergeltungsaktion in Ostjerusalem stand etwa unter der Überschrift: „Eskalation in Israel“, https://www.unsere-zeit.de/eskalation-in-israel-4776566/.

ii Immerhin gehört Marx21 weiterhin zu den wenigen linken Kräften in der BRD, die die Hamas als Teil des palästinensischen Widerstands begreifen, und nicht als „faschistisch“ oder „reaktionär“. Allerdings scheint auch hier das schädliche und relativierende Narrativ, wonach die Hamas eine Art Nutznießerin der israelischen Unterdrückungspolitik sei, Einzug erhalten zu haben:https://www.marx21.de/eine-kurze-geschichte-der-hamas/ Dieser Artikel endet mit dem Satz: „Nichts könnte ihre schwindende Popularität besser aufpolieren als der aggressive Kurs der israelischen Politik.

iii Der Text Die Nationale Frage in Palästina und Israel vom KA erschien im Mai 2021: https://komaufbau.org/die-nationale-frage-in-palaestina-und-israel/; die Grundlinien der Positionierung zum palästinensischen Befreiungskampf der MLPD wurden im November 2022 veröffentlicht: https://www.rf-news.de/rote-fahne/2022/nr23/mlpd-grundlinien-der-positionierung-zum-palaestinensischen-befreiungskampf.

iv https://youtu.be/xHKJmowzjko?t=5589.

v https://kommunistische-organisation.de/internationalismus/73-jahre-vertreibung-sind-kein-grund-zum-feiern-freiheit-fuer-palaestina/https://kommunistische-organisation.de/allgemein/74-jahre-widerstand-gegen-die-andauernde-nakba/ und https://kommunistische-organisation.de/allgemein/intifada-bis-zum-sieg/.

vi In Bezug auf den KA gilt, dass alle Zitate von ihm, die in den Fußnoten aufgeführt werden, wenn nicht anders angegeben, aus dem Text Die Nationale Frage in Palästina und Israel stammen.

vii Der KA umschifft eine klare Aussage zu dieser Frage.

viii Den Prozess, wie sich die Position der sog. Zwei-Staaten-Lösung innerhalb der PLO und der Fatah durchsetzen konnte, gilt es noch aufzuarbeiten. Auch wenn man davon ausgeht, dass die PLO-Führung (anfangs) ein taktisches Verhältnis zur Errichtung eines palästinensischen Teilstaates in der Westbank und im Gaza-Streifen einnahm, um von dort aus den Kampf um die Befreiung ganz Palästinas fortzusetzen, und auch wenn man anerkennt, dass Arafat in seinen letzten Jahren eingesehen hat, wie fatal sein Pakt mit Tel Aviv war, muss die Errichtung des Marionettenregimes von Ramallah unterm Strich als Verrat betrachtet werden, der im Interessen einer palästinensischen Kompradorenbourgeoisie lag.

ix Der KA hält sich bei der Bewertung übrigens betont zurück.

x Der KA erkennt stattdessen eine „Entwicklung klassenkämpferischer Proteste in Israel und die Schwächung der zionistischen Regierungen“. Wie er darauf kommt, erfährt man leider nicht.

xi Das gilt auch für den KA: Bei ihm werden der „reaktionäre Zionismus“ und der „islamische Fundamentalismus“ als zwei gleichsam negative ideologische „Einflüsse“ bezeichnet, die von den Kommunisten zurückgedrängt werden müssten.

xii Auch ein ehem. KO-Mitglied hat in einem früheren Diskussionsbeitrag von der Notwendigkeit „gemeinsamer Aktionen“ der israelischen und der palästinensischen Arbeiterklasse fabuliert, wobei er sie sogar als eine einzige Klasse bezeichnete:https://kommunistische-organisation.de/diskussion/eine-marxistische-kritik-der-postmodernen-identitaetslinken-und-des-identitaetspolitischen-antirassismus/.

Der KA indes formuliert diese falsche strategische Ausrichtung besonders prägnant aus: „Eine fortschrittliche Lösung der nationalen Frage in Palästina und Israel kann letztlich nur durch die Verbrüderung und einen gemeinsamen Kampf der israelischen und palästinensischen, der jüdischen und arabischen Arbeiter:innenklasse herbeigeführt werden. Diese Verbrüderung ist die Voraussetzung für die dauerhafte Lösung der nationalen und sozialen Frage in Palästina und Israel.“ Auf eine solche „Verbrüderung“ zu warten, bedeutet aber in Wahrheit, die Befreiung Palästinas auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben, und ist der sicherste Weg, die Palästinenser in die totale Niederlage zu führen!

xiii Beim KA klingt das so: „Erstens und auf der allgemeinen Ebene bedeutet die Unterdrückung von Nationen aus der Sicht der Arbeiter:innenklasse ein politisches Hindernis für den eigenen Kampf, weil durch sie nationale“ Fragen in den Vordergrund gerückt werden. Hierdurch wird der Eindruck einer Interessengemeinschaft zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat einer Nation erweckt. Es besteht die Gefahr, dass die Aufmerksamkeit der Arbeiter:innen und anderer unterdrückter Schichten damit von den Klassenunterschieden abgelenkt und der internationale Zusammenschluss der Arbeiter:innen im Kampf gegen die Bourgeoisie erschwert wird.“ (Hervorhebung N.B.) Wenn sich dieser Satz (auch) auf die Arbeiterklasse der unterdrückten Nation bezieht (was in dem Text nicht ganz eindeutig ist), dann ist er ein Ausdruck der totalen Negierung wesentlicher Erkenntnisse von Marx, Engels und Lenin, von der Komintern und der späteren internationalen kommunistischen Bewegung ganz zu schweigen.

xiv Beim KA findet sich eine ziemlich identische Aussage: „Wir dürfen dabei jedoch nicht in die Falle tappen, die nationale Frage in Palästina und Israel selbst nur unter dem Gesichtspunkt des nationalen Konfliktes zu sehen und die Klassenfrage dabei zu vernachlässigen. Auch wenn der Zionismus heute aufgrund der konkreten Machtverhältnisse weiterhin das wichtigste Unterdrückungsinstrument der Arbeiter:innen in Palästina darstellt, dürfen wir die Gefahren nicht unterschätzen, die von Teilen der palästinensischen Bourgeoisie sowie von den aufstrebenden kapitalistischen Staaten der Region wie Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Iran oder der Türkei ausgehen(…) Den Zionismus abzulehnen, darf uns nicht dazu führen, anderen imperialistischen Fraktionen und den von ihnen geführten reaktionären Kräften wie der Hamas oder der Fatah auf den Leim zu gehen. Deshalb ssen wir auf das Schärfste auch gegen islamisch-fundamentalistische, antisemitische und faschistische Positionen kämpfen“. (Hervorhebung N.B.) Wieso der KA hier auch die Fatah nennt, bleibt sein Geheimnis. Möglicherweise handelt es sich um eine Kritik am sozialistischen Lager, das in erster Linie auf die Fatah als führende Kraft der palästinensischen Befreiungsbewegung gesetzt hat; vielleicht sind auch die Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden gemeint. Möglicherweise ist dem KA aber auch nicht bewusst, dass die Fatah-Führung längst das Lager des palästinensischen Widerstands verlassen hat.

xv Der KA hat in einem – nebenbei bemerkt sehr oberflächlichen, undifferenzierten und mit eurozentrischen bis antideutschen Klischees vollgepackten – Text dargelegt, dass er den „islamischen Fundamentalismus“ an sich, unter völliger Ignoranz der Diversität seiner zahlreichen und teilweise in krassem Widerspruch zueinander stehenden Strömungen und Vertreter, als Form des Faschismus versteht: https://komaufbau.org/islamischer-fundamentalismus-und-imperialismus-teil-1/. Diesem Muster scheint auch die MLPD zu folgen, wenn sie die Hamas, den Jihad und den Iran, und natürlich auch die Hisbollah (https://www.rf-news.de/2020/kw32/libanon-wir-koennen-es-nicht-mehr-ertragen-das-ganze-system-muss-weg), quasi bei jeder Erwähnung als „faschistisch“ bzw. „faschistoid“ kennzeichnet.

xvi https://www.rf-news.de/2023/kw04/massaker-in-jenin-militaerschlage-gegen-gaza-attacke-gegen-juden und https://www.rf-news.de/2023/kw05/staatsterror-und-wachsende-massenproteste-zehntausender-gegen-netanjahu-regierung.

xvii http://pflp-lb.org/news.php?go=fullnews&newsid=15633

xviii https://t.me/pflpgaza1/9984

xix Natürlich kann man auch solidarische Kritik an Formen des Widerstands üben, wenn man etwa der Meinung ist, dass Siedler „Zivilisten“ seien, die unter keinen Umständen Ziel militärischer Gewalt werden dürften. Doch müssen wir uns auch mit den Argumenten der Genossen von vor Ort auseinandersetzen. So muss man sich die Frage stellen, ob (erwachsene) Siedler in einer Siedlerkolonie grundsätzlich überhaupt als „Zivilisten“ gelten können, da sie objektiv Teil der Besatzung und der ethnischen Säuberung sind. 

xx So habe ich auch mit Blick auf Afghanistan argumentiert: https://kommunistische-organisation.de/diskussion/thesen-zu-afghanistan/.

xxi Das gilt übrigens auch für die Rolle des Iran: Teheran und seine Alliierten in der Region haben nach der Konterrevolution 1989-91 die Rolle des sozialistischen Lagers als wichtigstem Verbündeten der Palästinenser eingenommen. Ohne die Waffen und das Geld von dort wäre der militärische Widerstand, vor allem in Gaza, längst am Ende. Natürlich muss die Rolle des ohne Frage bürgerlichen Regimes in Teheran und die Abhängigkeiten des palästinensischen Widerstands von ihm kritisch gesehen werden. Trotzdem nimmt der Iran derzeit die – unterm Strich positive – Rolle eines unverzichtbaren Verbündeten der palästinensischen Befreiungsbewegung ein. Darüber hinaus ist hier nicht der Ort, um auf die plumpe Charakterisierung der Islamischen Republik als „faschistisch“ einzugehen.

xxii U. a. über diese Frage haben wir auch im letzten Drittel unseres letzten Podcasts zu Palästina diskutiert:https://youtu.be/1R4XRMJX-lU?t=3580.

xxiii Beim KA zeigt sich ein ähnlicher Drang, wenn er in einer sehr kurzen Stellungnahme von 2017 gleich zwei mal die Parole „Gemeinsam gegen Imperialismus, Antisemitismus und religiösen Fundamentalismus!“ respektive „Reaktion“ ausgibt: https://komaufbau.org/freiheit-fur-palastina/.

xxiv Bei dieser Kampagne gegen die MLPD 2017 spielte nicht zuletzt RT Deutsch eine sehr unrühmliche Rolle (https://www.jungewelt.de/artikel/317479.wahlkämpfer-des-tages-pflp.html). Die entsprechenden Artikel sind dort mittlerweile nicht mehr auffindbar.

xxv Das gilt auch für den KA, dessen Text weitgehend eine Entstehungsgeschichte des Zionismus und der Verbrechen Israels ist. Dabei schafft er es allerdings nicht, aus dem Charakter des Zionismus als kolonialem Siedlerprojekt richtige Schlüsse in Bezug auf die Siedlerbevölkerung zu ziehen, die für den KA eine von „zwei Nationen“ ist, die Palästina „beherbergt“. Die Darstellung der Geschichte des palästinensischen Widerstands beschränkt sich auf eine Kritik an der von Feudalherren und Kompradoren geprägten Führung der Bewegung in der Zeit des britischen Mandats, einen ziemlich unreflektierten und unkritischen Abriss der Politik der KP Palästinas zwischen 1924 und 1948 und schließlich auf eine Auflistung von Schlagworten und lückenhaften Daten (Fatah-Gründung 1959, PFLP-Gründung 1967, Erste Intifada 1987, Spaltung HamasFatah/Westbank-Gaza 2007) statt einer echten Darstellung der Genese des Widerstands nach der Nakba, die aber notwendig wäre, um überhaupt etwas über die heutigen Widerstandsakteure sagen zu können.

Irak, Jugoslawien, Libyen, Russland – der Westen ist der Aggressor!

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Heute vor 20 Jahren, in der Nacht vom 19. auf den 20. März 2003, begann die sogenannte „Koalition der Willigen“ unter Führung der USA mit der Bombardierung Bagdads und dem Einmarsch von 160.000 Invasionstruppen. Sie überzogen das Land für die nächsten Jahre mit Tod, Folter, nuklearer Verseuchung und nachhaltiger Zerstörung. Bis zu eine Million Iraker kamen in dieser Zeit ums Leben. Zählt man die Jahre 1990 bis 2002 hinzu, in denen die USA das Land mittels UNO-Embargo sturmreif sanktionierten, kommen noch einmal 1,5 Millionen Tote hinzu, darunter etwa 500.000 Kinder.i Diese Zahlen waren bereits in den 1990er Jahren bekannt: Danach gefragt, ob die Destabilisierung den Tod von einer halben Million Kindern wert sei, erklärte die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright (Demokratische Partei) öffentlich, dass die Destabilisierung des Irak „den Preis wert“ sei.ii

Wie bereits in Afghanistan stützten sich die Invasoren im Irak nicht allein auf ihre eigenen Truppen, sondern auch auf eine kleine Clique von Kollaborateuren. 1991 bereits hatten die USA eine Flugverbotszone im Irak errichtet, um damit die mehrheitlich kurdischen und zugleich an Erdöl reichen Gebiete im Norden des Landes de facto vom Zentralstaat abzuspalten und unter Kontrolle zu bringen. Die Zerstückelung des Irak wurde nach der Besatzung 2003 fortgesetzt. Zusätzlich wurde ein konfessionalistisches System eingeführt, das die Bevölkerung entlang ethnischer und religiöser Zugehörigkeit spaltete. Dieses koloniale Teile-und-herrsche-Prinzip ist vor allem aus dem Libanon bekannt, wo ein solches System von den Franzosen in der Kolonialzeit eingeführt wurde. Wie auch im Libanon führte es im Irak zu einer krassen Spaltung der Bevölkerung, zu Klientelismus, Korruption und ethno-religiösen Spannungen, die sich schließlich in Bürgerkriegen entluden. Auch der IS ist ein Kind dieser Politik. 

Widerstand zwingt die Besatzer in die Knie

Zwar wurde die irakische Armee schnell zerschlagen und bereits am 2. Mai 2003 erklärte George W. Bush die „Mission“ für erfolgreich beendet, doch das Gegenteil war der Fall: Die Überreste des irakischen Staates, der Baath-Partei und der Armee formierten gemeinsam mit linken, patriotischen und islamischen Kräften eine Guerillabewegung, die im Bund mit Gewerkschaften, Parteien, sozialen Bewegungen und Moschee-Gemeinden den Volkswiderstand im Irak bildeten. Dieser Widerstand verhinderte, dass die Besatzer das Land wirklich unter ihre Kontrolle bringen konnten, und machte dem neuen Regime in Bagdad das Leben schwer. Erst gegen Ende der 2000er Jahre wurde das Land einigermaßen „befriedet“, als die USA einerseits Zugeständnisse an Teile des Widerstands machten und andererseits mit dem Abzug der Truppen begannen.

Ähnlich wie in Afghanistan scheiterte der sogenannte „Greater Middle East Plan“ zur „Umgestaltung“ des Nahen Ostens (Besetzung des Irak und Afghanistans, Sturz der Baathin Syrien, Zerschlagung von Hamas in Gaza und Hisbollah im Libanon und ein Regime-Change im Iran) auch im Irak am Widerstand der dortigen Bevölkerung. Genau wie in Palästina zeigt das, dass dem westlichen Imperialismus, so mächtig er militärisch auch ist, durch entschlossenen Widerstand der Völker erfolgreich Einhalt geboten und seine Macht Stück für Stück gebrochen werden kann. Das macht Hoffnung im antiimperialistischen Kampf!

Der erste Krieg in Europa nach 1945

Auch bei der Zerstörung Jugoslawiens setzte der westliche Imperialismus auf territoriale Zerstückelung und eine Teile-und-herrsche-Strategie: Zunächst wurden die Abtrennungen der Teilrepubliken Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina politisch und schließlich auch militärisch unterstützt. Im Herbst 1995 bombardierte die NATO mit deutscher Beteiligung – damals allerdings noch offiziell im Auftrag der UNO – erstmals Jugoslawien. Keine vier Jahre später war es dann so weit: Die BRD forcierte den ersten deutschen Angriffskrieg seit dem Zweiten Weltkrieg – ohne UN-Mandat, ohne, dass Deutschland irgendwie bedroht worden wäre.iii

Am 24.3.1999 begann die NATO unter deutscher Führung mit der Bombardierung Belgrads und weiterer jugoslawischer Städte. Die NATO nahm dabei bewusst zunehmend zivile Ziele wie Flüchtlingskonvois, Krankenhäuser, Rundfunkstationen, die chinesische Botschaft, Kraftwerke oder Brücken ins Visier. Durch den Einsatz von Uranmunition und durch gezielte Angriffe auf Ölraffinierien, bei denen zehntausende Tonnen an Giftgasen freigesetzt wurden, führte die NATO diesen Krieg faktisch als einen chemischen und nuklearen Krieg gegen die Bevölkerung.iv Die NATO erlitt keinen einzigen Verlust, während auf jugoslawischer Seite tausende Menschen starben, wobei die Zahlen der getöteten Zivilisten zwischen 1.200 und 5.700 schwanken. Die besondere, aggressive Rolle der BRD kann dabei nicht genug betont werden: Sie war das Ergebnis deswiedererstarkten deutschen Imperialismus nach der Konterrevolution und der Annexion der DDR.

Libyen als Wendepunkt

Am heutigen Tag jährt sich außerdem der Überfall auf Libyen im Jahr 2011 zum zwölften Mal. Nachdem im Zuge des sogenannten „Arabischen Frühlings“ zunächst die pro-westlichen Regime in Ägypten, Tunesien und Bahrain ins Wanken geraten waren, nutzte die NATO die Gelegenheit, die Protestwelle in den arabischen Ländern zu ihren Gunsten auszunutzen, indem sie mit dem ihr unbequemen Regime unter Muammar al-Gaddafi abrechnete: Dafür bewaffnete der Westen zunächst oppositionelle Kräfte in Libyen und „intervenierte“ schließlich direkt militärisch. Die NATO verhängte, wie schon in Jugoslawien und im Irak, eine Flugverbotszone, errichtete eine Seeblockade und flog mehrere tausend Luftangriffe, in denen sie libysche Städte systematisch bombardierte. Am Ende waren Schätzungen zufolge bis zu 30.000 Menschen tot,v darunter auch al-Gaddafi, der von mit der NATO verbündeten Kämpfern misshandelt und ermordet wurde. Wie in Jugoslawien schickte der Westen keine eigenen Bodentruppen und verzeichnete daher entsprechend selber keinen einzigen Verlust.

Auch Libyen hat sich bis heute nicht von diesem westlichen Krieg erholt: Das Land versank bald darauf in einem von ausländischen Mächten mit angefachten Bürgerkrieg, in dem selbst NATO-Staaten auf unterschiedliche Konfliktparteien setzen. Die Zerstörung Libyens destabilisierte zudem weite Teile der Region: Unmengen an Waffen gelangten aus libyschen Beständen in die Hände „jihadistischer“ Milizen, die seither die Sahelzone unsicher machen. Zugleich war dieser Krieg kein vollständiger Erfolg für den Westen: Auf der für die NATO positiven Seite standen der Zugriff auf das libysche Erdöl und die Ermordung al-Gaddafis als eines wichtigen Akteurs panafrikanischer Integrations- und Souveränitätsbestrebungen. Auf der anderen Seite jedoch hatte der Westen die roten Linien Russlands und Pekings endgültig überschritten. Peking und Moskau hatten der Resolution 1973 des Sicherheitsrats gegen Libyen zugestimmt, diese sah aber keinen NATO-Krieg vor. Beide Länder zogen ihre Konsequenzen, was sich zunächst konkret darin äußerte, dass sie sich von Beginn an gegen die westliche Aggression gegen Syrien stellten.

Die Fortsetzung: Krieg gegen Russland

Der Krieg gegen den Irak begann eigentlich bereits mit dem sogenannten zweiten Golfkrieg 1991 im Schatten der Konterrevolution und der Auflösung des sozialistischen Lagers. Die USA nutzten das Wegfallen der Sowjetunion als Schutzmacht der Dritten Welt, um sofort daran zu gehen, jene unipolare Weltordnung mit Gewalt zu errichten, die die internationale Lage bis heute prägt: Sie lockten den Irak in die „kuwaitische Falle“, griffen ihn an und stellten ihn unter ein brutales Sanktionsregime, das ihn für die endgültige Invasion schwächen sollte. Die Invasion im Irak 2003 sollte der Auftakt sein, um den gesamten Nahen und Mittleren Osten, das heißt weite Teile West- und Zentralasiens, unter ungeteilte westliche Vorherrschaft zu bringen. So war dieses Unternehmen längerfristig auch gegen Russland gerichtet, wie spätestens in Syrien 2011 klar wurde. Schon damals demonstrierte der Westen, indem er den Irak wie zuvor Jugoslawien und später Libyen trotz des expliziten Widerspruchs aus Moskau überfiel, dass Russlands Stimme für ihn nicht zählte und dass dem Land keine wichtige internationale Bedeutung zugestanden wurde.

Jugoslawien kann darüber hinaus tatsächlich in gewisser Weise sogar als eine Art Blaupause für die westliche Aggression gegen Russland betrachtet werden: Nach dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion und der Tschechoslowakei war Jugoslawien das letzte Vielvölkerprojekt in Europa, das dem Westen – und hier besonders Deutschland – in den 1990er Jahren die Hegemonie in Osteuropa hätte streitig machen können. Und so galt es, den jugoslawischen Staat zu zerstören, genau wie es bereits die Nazis im Zweiten Weltkrieg getan hatten. Dafür wurden verschiedene Volksgruppen gegeneinandergehetzt und das Land Stück für Stück auseinandergebrochen. Westliche Think-Tanks schreiben heute ganz offen darüber, ähnliche Strategien auch auf die Russländische Föderation, in der noch heute rund 100 anerkannte Nationalitäten friedlich zusammenleben, anzuwenden.vi Diese Teile-und-herrsche-Politik zieht sich vom europäischen Kolonialismus über die Kriege gegen Jugoslawien, Irak und Syrien bis hin zur aktuellen Aggression gegen Russland. Auch in der Ukraine kommt ein solches Muster zum Tragen: Immerhin war die Spaltung zwischen den Westukrainern und der russisch geprägten Bevölkerung auf der Krim und im Donbas nach 2014, wenn auch nicht vom Westen geplant, so doch das logische und von ihm letztlich in Kauf genommene Ergebnis der Strategie, die Ukraine mithilfe der Nationalisten und Faschisten zu einem „Anti-Russland“ aufzubauen. Mit den Worten von Albright: Das war und ist es ihm wert.

Dieser Einsatz offen faschistischer Kräfte ist eine weitere Parallele zu Jugoslawien: In Kroatien unterstützte die NATO die faschistischen „Kroatischen Verteidigungskräfte“, eine Nachfolgerin der Ustascha, die im Zweiten Weltkrieg mit Nazi-Deutschland kollaborierte; die UÇK im Kosovo berief sich u.a. auf albanische Nazi-Kollaborateure. In der Ukraine setzt der Westen heute ebenfalls auf offen faschistische Kräfte in Tradition der Organisation Ukrainischer Nationalisten Banderas und Melnyks.

Eine weitere Parallele ist das extrem instrumentelle Verhältnis der NATO zu ihren Kollaborateuren. 1975 erklärte Mustafa Barzani, der mit US-Unterstützung einen kurdischen Aufstand im Irak angezettelt hatte, nur um dann von Washington fallen gelassen zu werden: „Der größte Fehler meines Lebens war es, den USA zu vertrauen“.vii Sowohl sein Sohn Masud, der spätestens seit 1991 am Rockzipfel Washingtons hängt, als auch die PYD in Syrien, die dort mit den USA kollaboriert, scheinen sich diese Erkenntnis nicht zu Herzen genommen zu haben. Im ehemaligen Jugoslawien zeugt auch das Kosovo von der Nach-uns-die-Sinnflut-Haltung der NATO-Kriegstreiber: Den Kosovo von Serbien abzuspalten war das erklärte Ziel des NATO-Kriegs von 1999. Der Kosovo ist heute ein von ausländischen Truppen besetzter und von Mafia-Strukturen beherrschter Pseudo-Staat, der von einem Drittel der Länder der Welt nicht anerkannt wird. Er ist quasi ein „Abfallprodukt“ der endgültigen Zerstörung Restjugoslawiens. Ähnliches blüht auch der Ukraine: Die NATO hat sie zu einem Rammbock gegen Russland aufgebaut; sie hat dabei in Kauf genommen, dass das Land territorial entlang der verschiedenen Bevölkerungsgruppen gespalten wird; und sie nutzt die Ukraine jetzt als Schlachtfeld und die Ukrainer selbst als Kanonenfutter gegen Russland. Es ist also die NATO, die die Ukraine zerstört, mit dem Ziel, Russland zu „ruinieren“!

Andere Kontinuitäten sind das Anzetteln und Unterstützen „bunter Revolutionen“, wie etwa in Restjugoslawien/Serbien im Jahr 2000, in der Ukraine 2004 und 2014, in Libyen 2011, aber auch im Iran 2009 und aktuell. Ebenfalls fällt auf, dass der Westen bislang immer auf die physische Vernichtung der Staats- und Regierungsschefs der von ihr überfallenen Länder setzte: Milošević, Saddam Hussein und al-Gaddafi wurden letztlich alle auf die eine oder andere Art getötet. Putin und al-Assad dürften ein ähnliches Schicksal erwarten, sollte es dem Westen gelingen, sie zu stürzen – was derzeit glücklicherweise unrealistisch aussieht.

Den Imperialismus verstehen und bekämpfen!

Als Internationalisten und Antiimperialisten müssen wir uns dieser Strategie der Zerstörung und Spaltung entgegenstellen! Lassen wir nicht zu, dass der Westen Begriffe wie „Revolution“, „Imperialismus“,„Dekolonialisierung“ und „Angriffskrieg“ verdreht und sich aneignet – sie sind die Imperialisten, die die Welt mit Angriffskriegen, Terror, Kolonialismus und Faschismus überziehen! Dies zu betonen ist umso wichtiger, als sowohl im Fall des Jugoslawienkriegs 1999, als auch im Fall Iraks 1991 und 2003 große Teile der Antikriegsbewegung mit wehenden Fahnen ins Lager der NATO gewechselt sind. Ähnliches beobachten wir auch heute. Damals waren es Saddam Hussain und Slobodan Milošević, die zum „neuen Hitler“ erklärt wurden, um jegliche Solidarität mit den vom Westen bedrohten Nationen zu diskreditieren. Heute ist es Putin, der zum Buhmann gemacht wurde. Der damalige Außenminister Fischer (Grüne) legitimierte den Angriff auf Jugoslawien mit dem Satz: „Nie wieder Auschwitz“. Der Westen wollte den Krieg als „antifaschistisch“ rechtfertigen, während er in Wahrheit faschistische Kräfte unterstützte und bewaffnete und einen Staat zerschlug, den bereits die Nazis zum Todfeind erklärt hatten. Dieses Muster wiederholt sich, wenn Putin mit Hitler in eine Reihe gestellt wird, wenn westliche Think-Tanks die Zerschlagung Russlands zum Ziel erklären und wenn ukrainische Faschisten wieder einmal gegen Russland ins Feld geführt werden. Und wieder sind es die Grünen, die ganz vorne mit dabei sind, wenn es darum geht, diesenKrieg und die Rehabilitierung von Faschismus und Militarismus voranzutreiben.

Soweit, so klar. Doch sehen wir auch große Lücken und Schwächen in der Analyse der kommunistischen Bewegung: Ihren krassesten Ausdruck findet sie in der Spaltung der Weltbewegung, wie er sich infolge des 24.2.2022 bis heute zeigt; eine Folge davon ist auch die weitere Schwächung der Friedensbewegung – äquidistante Positionen werden in diesem Krieg bezogen, ob mit pazifistischer oder mit vermeintlich „konsequent-revolutionärer“ Begründung. Diese Spaltung ist in erster Linie die Folge einer mangelnden konkreten Analyse der Welt, sowohl mit Blick auf heute als auch auf die letzten Jahre und Jahrzehnte. So gilt es etwa, die Taktiken und Strategien des westlichen Imperialismus besser zu begreifen, beispielsweise mit Blick auf die Zersetzung von Nationalstaaten und das Konzept der sogenannten Farbenrevolution. In Deutschland müssen wir zudem vor allem die Rolle des BRD-Imperialismus und sein Verhältnis zum US-Imperialismus herausarbeiten und begreifen. Dafür ist nicht zuletzt eine vertieftere Auseinandersetzung mit dem Jugoslawien-, dem Irak- und dem Libyenkrieg und der jeweiligen Rolle, die Berlin dabei spielte, unausweichlich.

Jugoslawien und Irak, Libyen und Syrien, Ukraine und Russland – sie mahnen uns:

Die NATO ist der Feind der Völker  für ihre Niederlage, in der Ukraine und weltweit!

Hoch die internationale Solidarität!

i http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Irak/embargo.html

ii https://www.youtube.com/watch?v=1tihL1lMLL0

iii Der damalige Bundeskanzler Schröder gab 2014 selbst öffentlich zu, dass dieser Krieg völkerrechtswidrig war: https://www.youtube.com/watch?v=nrv-AzVafSs

iv https://www.berliner-zeitung.de/open-source/der-ungesuehnte-chemiekrieg-gegen-serbien-wer-verurteilt-endlich-die-nato-li.165044

v https://www.nd-aktuell.de/artikel/209838.ein-auge-fuer-die-revolution.html?sstr=Libyen

vi https://www.jungewelt.de/artikel/445816.separatismus-hauptsache-entkolonialisieren.html

vii http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Irak/kurden-gesch.html

Gegen ihre Kriegspolitik und ihre Repression – in der Ukraine und in Deutschland!

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Stellungnahme der Kommunistischen Organisation anlässlich des alljährlichen Tages der politischen Gefangenen am 18. März.

Die Ukraine: keine Demokratie, sondern ein faschistoides Regime!

Medien und Politiker trichtern uns tagtäglich ein, dass sich die vermeintlich „demokratische Ukraine“ gegen das angeblich „autoritäre Russland“ verteidige. Die Realität ist eine andere. In der Ukraine herrscht ein Regime, das offen faschistische Züge trägt: Nach dem Maidan-Putsch von 2014 wurde der ukrainische Faschismus zur Staatsideologie. Nazi-Kollaborateure und Massenmörder wie Bandera und Melnyk wurden zu unantastbaren Heldenfiguren mystifiziert; das ukrainische „Sieg heil!“, „Slawa Ukrainji!“, ist allgegenwärtig – und auch längst schon in Deutschland zu hören.  In der Ukraine ist Rassismus gegen Russen, aber auch gegen Roma und andere Minderheiten, genauso Alltag wie Hitlergrüße, SS-Runen, Wolfsangeln und andere Nazi-Symbole. Noch dazu wurden die militanten Faschisten vom Rechten Sektor, dem Asow-Regiment und anderen rechtsradikalen Milizen in den Staatsapparat integriert, vor allem ins Militär und den Geheimdienst SBU.

Hauptfeind aus Sicht des Kiewer Regimes ist die russische Nation, und damit auch die gemeinsame Vergangenheit als Brudervölker in der Sowjetunion, die ausradiert werden soll. Entsprechend stehen sämtliche Kräfte im Fokus, die als (pro-)russisch oder (pro-)sowjetisch gelten. Das betrifft neben den Menschen in der Ostukraine vor allem die organisierte Arbeiterbewegung. Sie ist seit dem Putsch staatlichem Terror, Verfolgung und Verboten ausgesetzt. 2014 wurde die linke Borotba faktisch zerschlagen; kurz darauf fand das Pogrom von Odessa statt, bei dem je nach Angaben zwischen 42 und über 100 Menschen im dortigen Gewerkschaftshaus verbrannten oder von einem rechten Mob totgeschlagen wurden. 2015 erfolgte das Betätigungsverbot für die Kommunistische Partei der Ukraine. Im März 2022 wurden dann auf einen Schlag elf linke, aber auch bürgerliche Parteien verboten, die nicht hinter dem Kriegskurs von Selensky, der EU und der NATO standen; im Mai wurde schließlich ein Gesetz erlassen, dass sämtliche „pro-russische“ Parteien für illegal erklärt. Zudem wurden mehrere Gesetze auf den Weg gebracht, die das Recht auf Versammlungen und gewerkschaftliche Organisierung massiv einschränken oder gleich ganz abschaffen.

Neben Parteien und Gewerkschaften sind auch die Presse, Anwälte und Menschenrechtler betroffen: Kritische Medien wurden nach 2014 schikaniert oder komplett geschlossen; zahlreiche Journalisten, aber auch Rechtsanwälte und Menschenrechtler wurden ermordet. Andere wurden ausgewiesen oder mussten ins Ausland fliehen. Seit dem 24. Februar 2022 hat sich die Lage noch einmal krass verschärft: Offiziell wurden im vergangenen Jahren gegen 1.200 Personen Verfahren wegen „Fälschungen“ und der Verbreitung „russischer Narrative“ eröffnet; mehrere hundert Menschen wurden zu Haftstrafen verurteilt. Allein bis Sommer 2022 hat die Generalstaatsanwaltschaft 11.180 Fälle wegen des Verdachts auf „Verbrechen gegen die nationale Sicherheit“ eröffnet. In diesen offiziellen Zahlen finden sich aber nicht die zahlreichen Fälle von „inoffiziellen“ Gefangennahmen, also Verschleppungen durch Neonazis und geheime Verhaftungen durch den SBU. Der Genosse Alexey Albu von Borotba erklärt dazu: „Das Schlimme ist, dass wir in 98 Prozent der Fälle keine Details kennen. Wir wissen, dass jemand verhaftet wurde – aber wir haben keine Namen, keine Informationen über die Umstände, keine Daten, keine Informationen, wo die Person ist…“.

Dass ein Fall international zumindest unter Linken Aufmerksamkeit erfährt, ist vor diesem Hintergrund leider eine Seltenheit. Eine Ausnahme bildet die Verhaftung der Brüder Michail und Alexander Kononowitsch, beide Mitglieder des Kommunistischen Jugendverbandes. Sie wurden im März 2022 verhaftet, misshandelt und vor Gericht gestellt. Die Anklage stützte sich allein auf Facebook-Posts, da der Versuch, ihnen Waffen unterzuschieben, misslang. Weil man ihnen keine konkreten Straftaten nachweisen konnte, wurde ihnen mit lebenslanger Haft gedroht, sollten sie nicht gestehen. Im Dezember wurden sie aus der Untersuchungshaft entlassen, stehen aber seither unter Hausarrest. Das konstruierte Verfahren gegen sie läuft weiter. Weniger bekannt ist der Fall des Genossen Alexander Matushenko, der ebenfalls im März letzten Jahres von SBU-Agenten und Asow-Faschisten verschleppt und misshandelt wurde. Seine Peiniger stellten Aufnahmen von der Misshandlung ins Internet und prahlten damit. Im Mai verurteilte ihn ein Gericht er zu 3 Jahren Haft.

Genauso unbekannt wie die meisten Fälle von politischen Gefangenen in der Ukraine sind die Zahlen der russischen und ostukrainischen Kriegsgefangenen sowie der als Deserteure verhafteten ukrainischen Kriegsdienstverweigerer und der Zwangsrekrutierten, unter denen sich mittlerweile auch Ausländer, etwa aus Nordafrika, befinden sollen.

Gleichschaltung auch in Deutschland!

Doch dieser Krieg, den die NATO in der Ukraine gegen Russland führt, demaskiert auch die „freiheitliche“ Fassade der „westlichen Demokratien“: Kurz nach dem Beginn der russischen Militärintervention wurden russische Medien, allen voran Russia Today, in der EU gesperrt. Diese Nachrichtensperre, die im Laufe der letzten zwölf Monate immer mehr ausgeweitet wurde, ist Teil des Informations- und Propagandakriegs des Westens gegen Russland. Die Gleichschaltung der großen Medien in Deutschland hat eine Niveau erreicht, das an die Zeiten des Faschismus und der letzten beiden Weltkriege erinnert und das das arrogante Gerede über die „westliche Demokratie“ für alle offen widerlegt. Sie geht einher mit der totalen Verhetzung von großen Teilen der Bevölkerung: Rassismus gegen Russen und offene Unterstützung für Krieg und Aufrüstung sind Mainstream. Zugleich sehen wir, dass diese Propaganda längst nicht mehr alle Menschen in diesem Land erreicht: Eine – leider noch immer weitgehend ruhige – Mehrheit ist alles andere als kriegsbegeistert; Umfragen ergeben relative und absolute Mehrheiten für Friedensverhandlungen, gegen Waffenlieferungen und gegen die NATO.

Doch die Herrschenden haben nicht nur ihre Propaganda, und ihre Repression wendet sich nicht nur gegen russische Medien: Auch Kriegsgegner, Linke und Kommunisten stehen im Fokus von Zensur und Repressalien. Wegen angeblicher „Belohnung und Billigung“ des „russischen Angriffskriegs“ wurden allein zwischen Februar und Juni 2022 ca. 150 Strafverfahren nach Paragraph 140 Absatz 2 StGB eingeleitet. Unter dieses „Billigen oder Belohnen“ fallen, je nach Willkür der Behörden, bereits das Bekunden von Verständnis für die russische Position oder aber das öffentliche Zeigen von Fahnen der Russischen Föderation, der Volksrepubliken im Donbas, der Sowjetunion oder anderer Fahnen mit Hammer und Sichel. Einer der Betroffenen ist Heiner Bücker, Friedensaktivist aus Berlin und Betreiber des dortigen Anti-War-Café. Er wurde zu 2000€ Strafe oder alternativ zu 40 Tagen Haft verurteilt, weil er auf einer Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Überfalls Nazideutschlands auf die Sowjetunion erklärt hatte, er wolle und könne „die Sichtweise in Russland und die des russischen Präsidenten sehr gut nachvollziehen.“

Zusätzlich hat sich die Ampelregierung mit dem neuen Gummi-Paragraphen 130 Absatz 5 StGB eine weitere Allzweckwaffe geschaffen, die die Meinungsfreiheit in diesem Land in lange nicht mehr bekannten Ausmaßen einschränkt. Auch er entstand in erster Linie mit Blick auf den Krieg gegen Russland; er dient aber über die aktuellen Kämpfe in der Ukraine hinaus auch der Umschreibung der sowjetischen Geschichte und kann sehr grundsätzlich gegen linke und kommunistische Perspektiven auf die Geschichte in Stellung gebracht werden. Da der Paragraph 130 eigentlich die Leugnung des Holocaust unter Strafe stellt, ist dabei sehr offensichtlich, dass es wieder einmal darum geht, Kommunismus und Faschismus auf eine Stufe zu stellen und die historische Schuld des deutschen Imperialismus auf andere zu projizieren – etwa auf Russland.

Solidarität mit den linken, kommunistischen und Friedenskräften in der Ukraine – Freiheit für die Brüder Kononowitsch und alle anderen politischen Gefangenen!

Solidarität mit allen von der antirussischen Hetze, von Zensur und von Repression im Zusammenhang mit der Kriegspolitik Betroffenen in Deutschland!

Weg mit dem neuen Paragraphen 130 Abs. 5 StGB!

i https://t.me/repressionsinua/73

ii https://ukraina.ru/20220715/1036459856.html

iii ebd.

iv https://www.telepolis.de/features/Ukraine-Krieg-Wer-fliehen-darf-wer-kaempfen-muss-6586887.html?seite=all

v https://www.unsere-zeit.de/ruhe-an-der-heimatfront-4777189/

i https://t.me/repressionsinua/73

ii https://ukraina.ru/20220715/1036459856.html

iii https://www.telepolis.de/features/Ukraine-Krieg-Wer-fliehen-darf-wer-kaempfen-muss-6586887.html?seite=all

iv https://www.unsere-zeit.de/ruhe-an-der-heimatfront-4777189/

Recording – Nilotpal Basu (CPIM) on Imperialism and Ukraine War

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What is CPIM’s assessment of the Ukraine war? What is its understanding of imperialism today?

Together with Nilotpal Basu (member of the Politburo of the Communist Party of India – Marxist) we discussed the CPIM’s position on the war, the role of the Modi government and the Indian bourgeoisie, and the strategy and tactics for the Indian working class.

This is the audio recording of the event.


Wie schätzt die CPIM den Ukraine-Krieg ein? Was ist ihr Verständnis vom Imperialismus heute?

Wir diskutierten mit Nilotpal Basu (Mitglied des Politbüros der Communist Party of India – Marxist) über die Position der CPIM zum Krieg, die Rolle der Modi-Regierung und der indischen Bourgeoisie sowie die Strategie und Taktik für die indische Arbeiterklasse.

Dies ist die Audio-Aufzeichnung der Veranstaltung.

Kwame Nkrumah: Neo-Colonialism – The Last Stage of Imperialism

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Nkrumah, Kwame: Neo-Colonialism – The Last Stage of Imperialism. London: Panaf Books, 1970. 280 Seiten. [ISBN: 978-0-901787-23-1].

Rezension von Lea Wagner

Accra 1957: Als erstes subsaharisches Land beschreitet Ghana seinen Weg in die Unabhängigkeit unter der Führung der Conventions Peoples Party und ihrem Gründer Kwame Nkrumah (1909-1972), Panafrikanist, Sozialist und Revolutionär. Der ausgebildete Pädagoge, Philosoph und Ökonom, welcher in seinem Werdegang insbesondere von Marcus Garvey, W.E.B. Du Bois und C.L.R. James geprägt wurde, scheint in heutigen Debatten zumindest in der BRD oftmals wenig beachtet. Dabei war es Nkrumah, der mit seinem 1965 herausgegebenen Werk „Neocolonialism – The Last Stage of Imperialism“ (dt.: „Neokolonialismus – das letzte Stadium des Imperialismus“) den Grundstein für eine Definition des Neokolonialismus legte und damit an die Imperialismus-Schrift Lenins anschließen wollte. Seine zentrale Feststellung liegt in der Auffassung, dass das Bröckeln des Kolonialsystems eben nicht das Ende der Ausbeutung der unterentwickelten Länder markiere, sondern vielmehr eine Phase einläutet, in der diese Ausbeutung mit anderen Mitteln aufrechterhalten werden muss (S. 41). Bleibt die Handvoll Räuber, wie sie Lenin definierte, also bestehen und nur die Erscheinungsform der Ausbeutung verändert sich? Wir sollten das für unsere Lektüre von „Neocolonialism“ im Hinterkopf behalten und widmen uns zuvor dem politischen Erbe Nkrumahs.

Dessen Visionen für eine befreite afrikanische Gesellschaft wirken bis heute, wenn auch in den Köpfen der Bewegung des imperialistischen Zentrums möglicherweise noch nicht genug[i]. „Africa must unite“ (dt.: „Afrika muss sich vereinigen“) war die Losung, welche stets die Leitlinie für die politische Agenda des Panafrikanisten darstellte. So zählt neben der Initiierung zahlreicher Vereinigungen zur Organisierung der fortschrittlichen Volksmassen die Gründung der Organisation für Afrikanische Einheit 1963 mit zu seinen wichtigsten Errungenschaften[ii]. Auch das von ihm eingerichtete Regierungsamt „für afrikanische Angelegenheiten“ trug durch die dort koordinierte finanzielle, militärische und ideologische Unterstützung einen maßgeblichen Anteil am erfolgreichen Kampf von Befreiungsbewegungen auf dem Kontinent[iii]. Über die konkreten Errungenschaften, Probleme, Fehler und Rückschläge im Aufbauversuch eines sozialistischen Ghanas sei dem Leser ein kritischer Blick in das Buch von Thomas Kacza empfohlen, der die Stationen im Leben Nkrumahs prägnant zusammenfasst[iv].

Im Geiste Nkrumahs und Sankaras – aktuelle Entwicklungen in Westafrika

Machen wir kurz einen Sprung ins 21. Jahrhundert: Dort angekommen, müssen wir feststellen, dass die Kämpfe um nationale Selbstbestimmung und afrikanische Einheit mitnichten bereits ausgefochten sind. Die aktuellen Entwicklungen, insbesondere in Westafrika, sind dafür ein eindrückliches Beispiel: Während der Rückhalt der Bevölkerung für die Militärjuntas in Mali und Burkina Faso zu wachsen scheint, kommen die Franzosen aus entrüsteter Schnappatmung kaum mehr heraus. Sie werden gerade dort hinausgejagt, wo sie die letzten Jahrzehnte ihre imperialistische Vormachtstellung durch Medien, Diplomatie und Militär verlässlich absichern konnten. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass Frankreich und die EU mit dem Franc-CFA[v] nach wie vor über ein mächtiges ökonomisches Mittel zur Implementierung ihrer Interessen verfügen und beide Staaten von Sanktionen der ECOWAS[vi] betroffen sind. Nichtsdestotrotz oder genau deswegen ist die Bildung einer Föderation in Planung, welche darauf abzielt, sich gegen die neokoloniale Einflussnahme zu wehren und einen eigenständigen nationalen Entwicklungsweg einzuschlagen. Russland kommt in diesem Prozess insbesondere militärisch eine wachsende Rolle zu, welche auch in der Bewegung kontrovers diskutiert wird[vii] und oftmals als unmittelbares Indiz für den imperialistischen Charakter Russlands angeführt wird. Laufen afrikanische Staaten nun Gefahr sich lediglich einer anderen imperialistischen Macht unterzuordnen? Oder bergen die Diversifizierung der Partnerschaften und teils bessere Konditionen in bilateralen Verträgen wichtige Spielräume für den anti-imperialistischen Kampf? Sind Rolle und Charakter Russlands, Chinas oder der Türkei vergleichbar mit denen der USA, Frankreichs oder Deutschlands? Oder läuft eine gleich gewichtete Verurteilung jeglicher Akteure auf eine Relativierung des Würgegriffs der mächtigsten imperialistischen Staaten hinaus?

Dies sind nur einige wenige Fragen, die von uns Kommunisten beantwortet werden müssen, um die richtige Strategie Richtung Sozialismus im Sinne des Weltproletariats aufzustellen. An Nkrumahs Schlüsselwerk kommen wir also nicht vorbei, denn die Lektüre liefert uns fundamentale Analysekategorien, die einen Abgleich mit den aktuell herrschenden Bedingungen benötigen.

Zersplitterung, Schwächung und Isolierung – Die „Balkanisierung“ Afrikas

Zu Beginn problematisiert Nkrumah die kaum vorhandene bis rückständige afrikanische Industrie: Diese zielt vorrangig auf den Abbau von Ressourcen ab und sichert damit den imperialistischen Playern Megaprofite durch ihre Monopolstellung in der Weiterverarbeitung von strategisch wichtigen Vorkommen wie Öl, Kupfer, Kobalt und in der Herstellung industrieller Produkte (S. 2-3). Ob deutsche Wasserstoffprojekte in Namibia, Kobaltabbau im kriegsgebeutelten Kongo oder kanadische Goldminen in Tansania, sie alle folgen auch heute noch diesem Schema.

Hinzu kommt die Fähigkeit der Imperialisten, einzelnen Ländern bestimmte Funktionen auf dem Weltmarkt, die sie an ihren eigenen Interessen ausrichten, zuzuordnen. So spielte sich laut den von Nkrumah angeführten Daten etwa die wirtschaftliche Aktivität Nigerias in den 1960ern zu über 60% in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei ab, im Vergleich zu lediglich 1% im Minengeschäft. Und das nicht etwa, weil das Land über keine wertvollen Rohstoffe verfügen würde, sondern weil in diesem Falle die nigerianische Landwirtschaft die größere Profitabilität für europäische Investments gewährleistet und die Konkurrenzfähigkeit einer nigerianischen Ölwirtschaft zumindest erst einmal unterbunden werden soll. Diese Art der Ausbeutung ist laut Nkrumah maßgeblich aufgrund der „Balkanisierung“ des Kontinents möglich, welche zu den wesentlichen Instrumenten des Neokolonialismus gehört (S. 13-14).

Der Kampf um die afrikanische Einheit

Diese „Balkanisierung“ äußert sich politisch in der Zersplitterung des Kontinents und der einzelnen Nationen in zahlreiche Regionen, welche die perfekte Voraussetzung für das Anheizen ethnischer Konflikte sind und zeitgleich eine zentrale Planung erschweren, indem auch innerafrikanischer Handel und Zusammenarbeit zu verhindern gesucht wird.

In puncto Anheizen ethnischer Konflikte werden wir auch heute beim westlichen Imperialismus fündig: Nachdem 2018 Massenproteste die Absetzung der repressiven TPLF-Regierung erzwungen hatten, wurde Abiy Ahmed zum äthiopischen Präsidenten gewählt. Diesem gelang es, einen Friedensvertrag mit Eritrea und Somalia auszuhandeln, welcher einen wichtigen Schritt hin zur Stabilisierung am Horn von Afrika bedeutete. Allen voran die USA, die schon die TPLF zu deren Regierungszeiten verlässlich unterstützt hatten, trugen zur weiteren Eskalation in der Region bei und befeuerten die Unterminierung der Souveränität des äthiopischen Zentralstaats. Frieden und Kooperation sind anscheinend nach wie vor dem imperialistischen Zentrum vorbehalten[viii].

Kehren wir zurück zu Nkrumah: Die angeführte Zersplitterung führt auch dazu, dass kleine und ökonomisch schwache Länder eher auf Hilfe angewiesen sind und sich so leichter unter Druck setzen lassen, wenn es beispielsweise zu der Implementierung von Militärstützpunkten kommt (S. 15-23).

Erst im April 2022 wurde bekannt, dass AFRICOM[ix] ein Büro in Sambia eröffnen werde. Der Vorgänger des amtierenden Präsidenten Hichilema hatte noch eine klare Linie gegen solcherlei Unternehmungen vertreten. Letzterer hatte hingegen kurz nach seinem Amtsantritt „zur Lösung des Schuldenproblems“ erneute Vereinbarungen mit dem IWF (Internationaler Währungsfonds) getroffen[x].

Als Lösung für dieses Dilemma beschreibt Nkrumah die zwingende Notwendigkeit einer gemeinsamen afrikanischen Währung und die Einrichtung eines freien Flusses von Waren und Dienstleistungen. Es braucht eine ökonomische Planung im kontinentalen Rahmen, um die gesamtafrikanischen Interessen im Blick zu behalten und seine Verhandlungsmacht gegenüber den imperialistischen Ausbeutern zu stärken. Solcherlei Bestrebungen wüssten die internationalen Finanzmonopole aber zu unterminieren, indem sie ihr ideologietreues Personal im Bank- und Industriewesen wie auch in den Regierungen und Parlamenten einsetzen. Das vorangeschrittene Stadium des Monopols zwingt laut Nkrumah zu einer Strategie der Blockfreiheit, die sich nicht völlig von den imperialen Mächten lossagt, aber immerhin durch das Manövrieren mehr Gestaltungsspielräume erlangen kann (S. 24-35).

Nötige Unterentwicklung vs. adäquate Absatzmärkte

In seinem Kapitel zu imperialistischer Finanzpolitik beschreibt der Panafrikanist dann das Bedürfnis des westlichen und insbesondere des US-Imperialismus nach weiteren Absatzmärkten und den damit verbundenen Zwang, die Industrialisierung in den unterentwickelten Ländern zumindest teilweise voranzutreiben. Den darin liegenden Widerspruch versuchen die dominierenden Finanzgruppen zu umgehen, indem sie in die nationalen Monopole eindringen, um so weiterhin ihre Hegemonie aufrechterhalten zu können (S. 49-50).

Die zentralen ökonomischen Mechanismen zur Aufrechterhaltung der Unterentwicklung

An seine allgemein theoretischen Ausführungen anknüpfend, zeichnet Nkrumah in zahlreichen Kapiteln sehr konkret und detailreich ein entlarvendes Bild der zuvor beschriebenen neokolonialen Methoden in unterschiedlichen Feldern der afrikanischen Ökonomie: Personalunionen im Industrie- und Bankwesen, Einflusssicherung v.a. des US-Kapitals durch Tochtergesellschaften, Anteilspolitik und die damit verbundene Beeinflussung der Politik ausländischer Konzerne und Unternehmen im Sinne der amerikanischen Agenda innerhalb von multinationalen Konsortien, Aufdeckung der ausländischen Kapitalflüsse und daraus gewonnene exorbitante Profite.

Die zentralen ökonomischen Mechanismen zur Niederhaltung der unterentwickelten Länder, werden daran anschließend insbesondere ausgemacht in (S. 239-244):

  1. der Kontrolle des internationalen Kapitals über den Weltmarkt: Diktat über die globale Preis- und Warenpolitik, welche die imperialistischen Zentren bevorteilt
  2. der Festsetzung hoher Zinsen bei gleichzeitig viel zu kurzen Einforderungsfristen für aufgenommene Kredite
  3. der Penetration durch sog. Entwicklungshilfen, die an den Interessen des ausländischen Monopolkapitals ausgerichtet sind
  4. der Gewährung „multilateraler Hilfe“ von Institutionen wie dem IWF und der Weltbank, welche durch US-Kapital dominiert werden und somit der Durchsetzung US-amerikanischer Interessen dienen: Den Empfänger-Ländern werden unzumutbare Konditionen aufgezwungen, wie beispielsweise die Abschaffung von Handelsbarrieren, die Bestimmung über den Einsatz der Gelder oder der Zwang zum Kauf von Waren des Geldgebers, um nur einige wenige aufzuzählen.

Die Funktion der imperialistischen Propagandamaschinerie

Wenn nun aber die ökonomischen Penetrationen nicht mehr ausreichen, muss der Imperialismus zu einer Ausweitung seiner militärischen Präsenz oder zu Putschen und Hinrichtungen wichtiger revolutionärer Führer greifen, welche durch die bourgeoisen Narrative der Monopol-Presse legitimiert werden. Diese wird im Allgemeinen immer systematischer als ideologische Waffe aufgestellt. Die dahinterliegende psychologische Kriegsführung schreibt Nkrumah v.a. den in den 1960ern bestehenden US-Institutionen wie dem MRA (Moral Re-Armament) und der USIA (United States Information Agency) sowie dem nach wie vor existierenden Friedenscorps[xi] zu. Mithilfe dieser und ihrer dutzenden Redakteure und Radiostationen versucht der amerikanische Staat seine Propaganda zu verbreiten und somit die Entwicklung nationaler Medien zu unterbinden, um auch hier uneingeschränkte Deutungshoheit zu erlangen. Zur doppelten Absicherung enthalten ökonomische Vereinbarungen oftmals Zugeständnisse von Vorzugsrechten bei der Informationsverbreitung (S. 247-250).

In den 1980ern übernahm diese Funktion für den US-Imperialismus in zunehmendem Maße die NED (National Endowment for Democracy). Seither war sie neben direkter finanzieller Unterstützung rechter und reaktionärer Gruppen, insbesondere mit der Finanzierung von Medienorganisationen, verantwortlich für zahlreiche Desinformationskampagnen und darauffolgende Putsche und Putschversuche. Auf dem afrikanischen Kontinent werden zurzeit zahlreiche Medienstiftungen und -organe finanziert wie das „Centre for Media Excellence“ in Uganda oder der südafrikanische „The Continent“, eine panafrikanische Wochenzeitung des Mail & Guardian, die der imperialistische Propaganda als nicht zu unterschätzendes Sprachrohr dienen[xii].

Die letzte Stunde der Monopolisten 

Den bei der Lektüre zeitweise als schwer überwindbar erscheinenden Auswüchse des Neokolonialismus begegnet Nkrumah mit der tiefen Überzeugung, dass ab dem Moment der ökonomischen Befreiung des gesamtafrikanischen Kontinents die letzte Stunde der Monopolisten schlagen werde. Denn dann würden sie ohne die Möglichkeit der weiteren Bestechung und Desillusionierung ihrer heimischen Arbeiterklasse aus den Extraprofiten –eben dieser gegenübertreten und endgültig um ihre Herrschaft bangen müssen (S. 256). Das Stadium des Neokolonialismus zeugt eben nicht von der Stärke des Imperialismus, sondern bereitet ganz im Gegenteil den Vorabend seines letzten scheußlichen Atemzugs (S. 253).

Der Neokolonialismus – alles andere als ein historisches Relikt

Wer 2023 nach Verhältnissen sucht, wie sie von Nkrumah beschrieben werden, wird schnell fündig. Es bleibt aber einiges offen: Welche Strategie gilt es im Zeitalter nach der Konterrevolution zu verfolgen? Selbst mit einem starken sozialistischen Block als Verbündeten war Nkrumah Verfechter der Blockfreiheit. Walter Rodney kritisierte in diesem Zusammenhang auch hinsichtlich der Bündnisfrage Nkrumahs anfängliche Negation der Klassenwidersprüche im afrikanischen Staat. Nach dem von den USA forcierten Putsch des ghanaischen Staatsoberhauptes 1966 gestand sich dieser in seiner Schrift „Class Struggle in Africa“ (dt.: „Klassenkampf in Afrika“) die Unterschätzung der zweischneidigen Rolle des einheimischen Kleinbürgertums ein[xiii]. Offen bleiben darüber hinaus eindeutige Faktoren, die eine genaue Bestimmung von Ländern als Kolonie, Halbkolonie oder abhängig ermöglichen würden. Wo verlaufen die Grenzen zwischen Staaten, in denen sich teilweise monopolkapitalistische Züge herausbilden und solchen, die den ersteren ihre Konditionen in einem qualitativ unterschiedlichen Maß aufzwingen können und sie so zu ihrem Werkzeug degradieren? Wir brauchen dahingehend Darstellungen, welche die Verflechtungen des Finanzkapitals im 21. Jahrhundert adäquat abbilden.

Für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen sollten zukünftig die Analysen und Einschätzungen von kommunistischen und fortschrittlichen Parteien und Organisationen aus den Ländern der Peripherie eine größere Rolle in der Debatte spielen. Schließlich sind sie es, die tagtäglich gegen ausländische Einflussnahme und ihre Klassenfeinde im Innern kämpfen. Ein Gütesiegel für die richtigen Losungen ist das gewiss nicht, aber sicherlich unverzichtbar für das adäquate Erfassen der real herrschenden Bedingungen.


[i] Bezeichnend erscheint hierbei auch der Umstand, dass es von Nkrumahs Schlüsselwerk bisher keine deutsche Übersetzung gibt.

[ii]  Vgl. Kacza, Thomas (2021): Nkrumah – Ghanas Visionär für Afrika, Berlin: NORA.

[iii] Vgl. https://www.bernhard-springer.de/NO%20TIME%20TO%20DIE/GhanaProgramm2007_Koeln.pdf

[iv] Kacza, Thomas (2021): Nkrumah – Ghanas Visionär für Afrika, Berlin: NORA.

[v] Der CFA-Franc wurde 1945 durch ein Dekret Charles de Gaulles erlassen, um die wirtschaftliche Integration der französischen Kolonien und eine absolute Kontrolle über sie zu gewährleisten. Nach der Unabhängigkeit wurde dieses koloniale Mittel allerdings nicht abgeschafft, sondern lediglich umbenannt. Weiterhin sind 14 afrikanische Staaten dazu gezwungen, einen Großteil ihrer Devisenreserven bei der Europäischen Zentralbank zu hinterlegen. Die Währung ist mit festem Wechselkurs dem Euro unterworfen und bietet gleichzeitig Frankreich die unbegrenzte Konvertierbarkeit von Franc-CFA in Euro. Eine monetäre Souveränität besteht somit de facto nicht. (https://blogs.lse.ac.uk/africaatlse/2017/07/12/the-cfa-franc-french-monetary-imperialism-in-africa/)

[vi] Die ECOWAS (Economic Community of Westafrican States, dt.: Wirtschaftliche Gemeinschaft westafrikanischer Staaten) wurde 1975 mit dem Ziel eingerichtet, die ehemaligen Kolonien in Westafrika nach Vorbild der EU, in den eigenen Wirtschaftsraum zu integrieren.

[vii] Vgl. https://peoplesdispatch.org/2023/02/22/the-french-are-going-but-the-war-in-the-sahel-continues/

[viii] Vgl. https://peoplesdispatch.org/2022/09/14/in-ethiopia-rebel-group-tplf-makes-peace-overtures-after-facing-military-setbacks/

[ix] AFRICOM (United States Africa Command, dt.: Afrikanisches Kommando der Vereinigten Staaten) bildet seit 2007 das Oberkommando über US-amerikanische Militäroperationen auf dem afrikanischen Kontinent. Zu Beginn der Einrichtung lehnte die Mehrheit der afrikanischen Staaten AFRICOM ab und erzwang die Einrichtung des Hauptsitzes in Stuttgart. Mittlerweile existieren allerdings bis zu 46 verschiedene Formen von US-Basen sowie militärische Beziehungen zwischen 53 der 54 afrikanischen Länder und den Vereinigten Staaten. US-Spezialeinheiten sind heute in mehr als einem Dutzend afrikanischer Staaten im Einsatz.

[x] Vgl. https://peoplesdispatch.org/2022/06/29/the-united-states-extends-its-military-reach-into-zambia/

[xi] Das Friedenscorps wurde 1961 von John F Kennedy eingerichtet. Selbsterklärter Zweck ist bis heute die Beförderung der „Völkerverständigung“, wohingegen es eher als Instrument antikommunistischer und proimperialistischer Propaganda fungiert, welche durch weltweite Freiwilligeneinsätze abgesichert wird.

[xii] Vgl. https://paisafrica.org/how-the-ned-distorts-discourse/

[xiii] Vgl. Rodney, Water (2022): Decolonial Marxism – Essays from the Pan-African Revolution, London & New York: Verso Books, S.62.

Kampf für die Befreiung der Frau heißt Kampf dem Imperialismus!

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Vor wenigen Tagen hat die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ihre „Leitlinien für feministische Außenpolitik“ vorgestellt.[1] Diese wirken wie ein Wünsch-dir-was-Blendwerk, das für alle „Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Geschlechtsidentität, Behinderung, sexueller Identität oder anderen Gründen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden“,[2] Verbesserungen verspricht. Real stehen sie jedoch für knallharte imperialistische Außenpolitik unter der falschen Flagge der Frauenrechte!

„Feminismus“ im Interesse des Kapitals

Baerbock verspricht „nachhaltigen Frieden“ durch die Einbeziehung von Frauen. So sollen Friedensverhandlungen stabiler und tragfähiger werden, wenn mehr Frauen an den Verhandlungstischen sitzen. Denn Gewalt, die von Ländern gegenüber anderen Ländern ausgeht, hänge auch immer mit patriarchaler Gewalt im Land selbst zusammen. Ideen wie diese verschleiern jedoch den wahren Charakter von imperialistischer Außenpolitik: das gewaltsame Durchsetzen des eigenen machtpolitischen und wirtschaftlichen Interesses gegenüber anderen Nationen. Und genau darum geht es auch bei der „feministischen Außenpolitik“: Sie soll einen anderen Politikstil darstellen, der moralisch besser zu vertreten ist und moderner daherkommt.

Think Tanks wie das Centre for Feminist Foreign Policy mit Sitz in Berlin und London zeigen beispielhaft, wie „feministische Außenpolitik“ funktionieren soll und wohin sie führt. Das Centre baut weltweit Netzwerke auf, mit denen aus Deutschland direkt Einfluss auf die Politik und Bevölkerung in anderen Ländern genommen werden kann. Mit der Begründung, die Frauen vor Ort unterstützen und deren Interessen vertreten zu wollen, greift das deutsche Kapital so dort ein und unterstützt die für sich nützlichen Kräfte. Dieses Konzept ist nicht neu: Stiftungen und NGOs dienen schon seit langem der sogenannten „Softpower“, mit der Staaten neben militärischer Gewalt und ökonomischem Druck Macht über andere ausüben und ausbauen.

Highheels statt Pickelhaube

Indem „feministische Außenpolitik“ offensive außenpolitische Interventionen einfordert, ist sie letztlich nichts anderes als ein aggressives Update des Menschenrechtsimperialismus. Diesen hat der Westen in den letzten Jahrzehnten an den Tag gelegt, nachdem zuerst das Hochhalten der eigenen überlegenen „Rasse“ oder „Zivilisation“ und dann nach 1990 auch der Antikommunismus nicht mehr dazu taugten, die Unterwerfung der Welt zu legitimieren. Die Grundlinien blieben aber stets dieselben: Der „fortschrittliche, freie Westen“ bringt den „Barbaren“ im Süden und Osten die Zivilisation, früher mit Schwert und Bibel, heute mit Panzern und Frauenquoten. Am deutschen „feministischen“ Wesen soll die Welt genesen.

Laut den „Leitlinien“ ist die „feministische Außenpolitik“ explizit weder pazifistisch noch für Demilitarisierung. Gerade Baerbock hat sich als besonders krasse Russlandhasserin und Kriegstreiberin herausgestellt und damit – genau wie Strack Zimmermann (FDP) und vor ihnen die ehemalige US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice oder die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright – eindrücklich bewiesen, dass Frauen in Führungsrollen genauso kaltblütige Massenmörderinnen und kriegsgeile Hetzerinnen sein können wie ihre männlichen Kollegen.

Im derzeitigen Krieg der NATO gegen Russland wurde neben solchen Absurditäten, wie dass die Militärintervention Moskaus durch die „toxische Männlichkeit“ Putins zu erklären sei, die Ukraine als das fortschrittliche Beispiel gegen das „reaktionäre Russland“ aufgebaut. Unter anderem deswegen gelte es, Kiew bedingungslos zu unterstützen. Um dieses Bild zu verstärken, wurden Heldinnenbilder von ukrainischen Frauen inszeniert, die entweder den „zivilen Widerstand“ aufbauten oder selbst an der Front kämpften. Dass insbesondere in den faschistischen Regimentern der ukrainischen Truppen ein reaktionäres Frauenbild vorherrscht, muss für die Kriegspropaganda hier ausgeblendet werden. Die Faschisten greifen auf eine völkische Ikonografie zurück, die die Frau vor allem als Mutter und Hüterin des Hauses sieht und nicht als emanzipierte Gleichgestellte gegenüber dem Mann. Das wird hierzulande genauso verleugnet wie die Existenz ukrainischer Faschisten an sich.

Feministischer Neokolonialismus

Es ist jedoch nicht nur so, dass mithilfe des „Feminismus“ der Faschismus in Deutschland rehabilitiert wird. Baerbocks „Leitlinien“ sehen zudem eine „Reflexion“ deutscher Kolonialgeschichte vor, deren Aufgabe es sein wird, ein Feigenblatt für den gegenwärtigen deutschen Imperialismus zu sein: Schließlich geht es bei der „feministischen Außenpolitik“ nicht zuletzt darum, sich unter dem Deckmantel der Frauenrechte in jene afrikanischen und asiatischen Länder einzumischen, in denen der Westen seit über einem Jahrhundert Krieg und Verwüstung sät. Gerade in mehrheitlich muslimischen Ländern wie Afghanistan und dem Iran tritt der westliche (Neo)Kolonialismus seit jeher bevorzugt als Verteidiger der Frauen auf. Afghanistan wurde 2001 nicht zuletzt unter Verweis auf die Frauenrechte von der NATO überfallen und 20 Jahre lang besetzt gehalten. Dazu, dass Millionen Frauen in dieser Zeit aufgrund des NATO-Krieges von Armut, Hunger, Folter, Vergewaltigung und Tod betroffen waren, liest man freilich nichts in den „Leitlinien“. Stattdessen heißt es dort: „Wir sind überaus besorgt über die Lage von Frauen und Mädchen in Afghanistan“ – eine Ansage, die wir ernst nehmen müssen. Wenn der deutsche Imperialismus sich um Bevölkerungsgruppen in anderen Ländern „sorgt“, ist das erfahrungsgemäß eine Kriegsansage!

Ähnliches gilt für den Iran: Er steht seit der Revolution 1979 auf der Abschussliste der USA und seit 2001 im Fokus der westlichen Kriegspläne. Die Unterstützung von Aufständen gehört zum Standard-Repertoire der Regime Change-Strategen im Westen. Und so ist es kein Wunder, dass Baerbocks „Leitlinien“ nicht ohne einen positiven Verweis auf die derzeitigen Unruhen im Iran auskommen. Diese Proteste gegen das Kopftuchgebot, die von Anfang an von einer Minderheit der Iraner getragen wurden und die vielerorts schnell in blanken Vandalismus und Terror umgeschlagen sind, werden vom Westen und von reaktionären Oppositionsgruppen befeuert. Ihre reale Perspektive ist keine Verbesserung der Lage der iranischen Frauen, sondern ein Regime Change bzw. ein Zerfall des Vielvölkerstaats Iran – beides im Interesse des Westens und völlig gegen die Interessen des iranischen Volkes. Umso problematischer ist es, dass diese Unruhen bis weit hinein in die kommunistische Bewegung unterstützt werden![3] Die Skandalisierung der Lage der Frauen ist seit der Revolution ein zentrales Motiv der anti-iranischen Hetze. Genauso wenig neu sind die Maßnahmen, die man bei Baerbock unter der Überschrift „Feministische Außenpolitik in der Praxis“ findet: An erster Stelle stehen nämlich Sanktionen, die bereits seit Jahren Teil eines massiven und für viele Iraner – und natürlich auch Iranerinnen – tödlichen Wirtschaftskriegs des Westens gegen ihr Land sind.

„Woke“ und „bis an die Zähne bewaffnet

Dass die „feministische Außenpolitik“ Teil einer kolonialistischen Agenda ist, wird auch daran deutlich, dass sie u. a. mit Israel „verstetigt“ und „erweitert“ werden soll. Tatsächlich lässt sich von Tel Aviv einiges lernen, wenn es darum geht, aggressivster imperialistischer und kolonialistischer Politik ein „wokes“ Image zu verleihen: Das zionistische Regime setzt seit Jahren auf „Pink Washing“, indem es sich nicht nur als die „einzige Demokratie im Nahen Osten“ darstellt, sondern auch als ein Paradies für Homosexuelle. Die israelische Armee wiederum inszeniert sich besonders gerne mit bildhübschen Soldatinnen in Kampfmontur und sexy Pose. Sexualisierung wird hier in westlicher Tradition als Befreiung der Frau gefeiert – und den biederen, rückständigen und patriarchalen „Orientalen“ entgegengestellt.  

Auch die Bundeswehr versucht sich seit Jahren modern und weltoffen zu geben, als Karriereleiter für Frauen und tolerant gegenüber Homo- und Transsexuellen. Was von Rechten und klassischen Konservativen kritisiert wird, scheint Teil einer Transformationsstrategie des deutschen Militärs zu sein, weg von der klassischen Infanterie-Wehrmacht hin zu einer Armee, die in modernen, hochtechnisierten Kriegen mitmischen kann. Carlo Masala, Dozent an der Bundeswehruniversität in München erklärte dazu kürzlich paradigmatisch: „Ich will eine Bundeswehr, die woke im besten Sinne des Wortes ist, wehrhaft und bis an die Zähne bewaffnet.“[4]

Diese Vorstellung passt perfekt zum Konzept der „feministischen Außenpolitik“.

Dem müssen wir uns entgegenstellen! Der „woke“, feministische Imperialismus hat für die breite Masse der Frauen der Welt, für die Arbeiterinnen international und für die Frauen der unterentwickelten und unterdrückten Länder nichts zu bieten als weitere Unterdrückung, Ausbeutung und Krieg! 


[1] https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2585008/d444590d5a7741acc6e37a142959170e/230301-ll-ffp-data.pdf

[2] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/leitlinien-ffp/2584950

[3] In Deutschland sehen vor allem Gruppen wie der Kommunistische Aufbau, Young Struggle oder die MLPD darin einen gerechten Aufstand sowohl der Frauen als auch der Kurden im Iran. Doch auch über 60 internationale kommunistische und Arbeiterparteien, darunter die DKP, die PdAÖsterreichs, die KKE und die TKP, folgen der Einschätzung der iranischen Tudeh-Partei, wonach es sich um einen „Kampf des iranischen Volkes für Frieden, Fortschritt und Gerechtigkeit“ handle: http://www.solidnet.org/article/Tudeh-Party-of-Iran-Joint-Declaration-in-solidarity-with-the-struggle-of-Iranian-people-for-peace-progress-and-justice/.

[4] https://taz.de/Carlo-Masala-ueber-die-Bundeswehr/!5884220/

Interview CPGB-ML

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Im Anschluss an unseren Podcast mit Harpal Brar sprachen wir noch einmal mit der CPGB-ML über ihre Einschätzung des Krieges, der Entwicklung Großbritanniens und der laufenden Debatte in der Kommunistischen Bewegung zur Einschätzung des Kriegs und der Imperialismusfrage sowie den Zweck der World Anti-imperialist Platform.

Following our podcast with Harpal Brar, we spoke again to the CPGB-ML about their assessment of the war, the development of Britain and the ongoing debate in the Communist Movement on the assessment of the war and the imperialism issue, and the purpose of the World Anti-imperialist Platform.

You can find the English version of the interview down below!

Wie schätzt ihr den Krieg in der Ukraine ein?

Es handelt sich nicht um einen Krieg zwischen der Ukraine und Russland. Es ist ein Krieg, der von der NATO gegen Russland geführt wird. Die Ukraine dient dabei nur als Stellvertreter.

Dieser Krieg hat einen doppelten Zweck: Erstens soll Russland geschwächt, zersetzt und in leichter verdauliche Teile zerlegt werden, damit es vom Imperialismus – insbesondere dem US-Imperialismus – geplündert werden kann. Zweitens soll jede mögliche wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland verhindert werden, um Deutschland zu schwächen und es als Konkurrenten des US-Imperialismus auszuschalten. Nichts macht dem US-Imperialismus mehr Angst als die Möglichkeit einer Annäherung, geschweige denn eines Bündnisses, zwischen Russland und Deutschland.

Wie ist die Lage der Arbeiterbewegung in Großbritannien? Was sind die Reaktionen auf den Krieg?

Die Arbeiterbewegung befindet sich derzeit in einem bedauernswerten Zustand, dank der nahezu vollständigen Kontrolle der Arbeiterorganisationen durch die Sozialdemokratie, d.h. durch die pro-imperialistische Labour Party, in Verbindung mit der ununterbrochenen antikommunistischen Propaganda der bürgerlichen Medien, sowohl in gedruckter als auch elektronischer Form.

Die Bourgeoisie hat es der Sozialdemokratie leicht gemacht, ihren Einfluss auf die Arbeiterbewegung zu festigen. Dies schafft sie, indem sie über sozialdemokratische Organisationen einen winzigen Teil ihrer imperialistischen Extraprofite zur Verfügung stellt. Sie erkauft mit der Verlockung auf einen bequemen Lebensstil die Loyalität der Arbeiterführer gegenüber dem Imperialismus und schafft es, gerade ausreichende Zugeständnisse an die Forderungen der Arbeiterklasse zu machen, um jeden drohenden Kampf zu beschwichtigen. Aufgrund der sich verschärfenden Krise der Überproduktion ist die Bourgeoisie heute weniger in der Lage dazu, die Arbeiterklasse zu manipulieren, als dies in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Die sozialdemokratische Denkweise, die sich als Opportunismus manifestiert, wird jedoch nur allmählich verschwinden und muss daher mit aller Kraft bekämpft werden, um sie schneller aus der Arbeiterbewegung zu beseitigen.

Was die Reaktion der Arbeiterbewegung auf den Krieg in Europa betrifft, so hat die antirussische Hysterie, die täglich von den Propagandaabteilungen des britischen Imperialismus verbreitet wird, große Teile der Arbeiterklasse dazu gebracht, die Ukraine als Opfer der russischen Aggression zu betrachten.

Doch es liegt ein Wandel in der Luft: Die vom US- und EU-Imperialismus verhängten Wirtschaftssanktionen schaden zwar Russland, den imperialistischen Ländern schaden sie jedoch noch mehr. Infolgedessen befinden sich die Massen in einer sehr ernsten Krise der Lebenshaltungskosten, während die Bourgeoisie mit dem Krieg fabelhafte Gewinne erzielt. All dies trägt dazu bei, den Unmut gegen die Sparmaßnahmen, denen die Arbeiterklasse unterworfen ist, zu vergrößern und den Widerstand dagegen zu verstärken. Die derzeitige Streikwelle, die unter anderem die Eisenbahner und Postangestellten, Krankenschwestern und Krankenpfleger, Lehrer und Beamten betrifft, ist ein ausdrucksvoller Beweis für diese Entwicklung.

Der Krieg hat dazu beigetragen, die imperialistische Krise der Überproduktion mit all ihren Auswirkungen zu verschärfen.

Wie schätzt ihr die Beteiligung Großbritanniens an dem Krieg ein?

Die britische Bourgeoisie ist mit dem US-Imperialismus als dessen Juniorpartner verbunden. Seitdem Großbritannien nach dem zweiten Weltkrieg seine Vormachtstellung verloren hat, hat sich die britische Bourgeoisie damit abgefunden, die Rolle des Juniorpartners zu spielen. Diese ist die einzige Möglichkeit, von den durch die USA angezettelten imperialistischen Raubkriegen – vom Korea- und Vietnamkrieg bis hin zu den Kriegen im Irak, in Afghanistan, Libyen und Syrien – zu profitieren. Die Interessen des britischen Finanzkapitals und seiner Öl- und Rüstungsindustrie sind eindeutig mit denen der Wall Street und der US-amerikanischen Öl- und Rüstungsindustrie verwoben.

Wie schätzt ihr die strategische Position Großbritanniens nach dem Austritt aus der EU ein?

Wie zu erwarten war der Brexit eine Katastrophe für den britischen, den EU- und den US-Imperialismus. Er wirkt sich nachteilig auf sie aus. Das ist genau der Grund, warum unsere Partei, die CPGB-ML, den Brexit unterstützt hat. Dieser hat der britischen herrschenden Klasse einen schweren Schlag versetzt und wird auf lange Sicht für die Arbeiterklasse von Vorteil sein, da er die britische Bourgeoisie schwächt.

Die herrschenden Kreise in Großbritannien verfügen über keine andere Strategie, als sich vor den Kriegskarren des US-Imperialismus spannen zu lassen und sich an die Schürzenbänder des US-Finanzkapitals zu binden.

Die ganze Idee, dass Großbritannien die Rolle einer unabhängigen imperialistischen Macht spielen könnte, hat sich als Illusion erwiesen.

Wie schätzt ihr die Diskussionen zum Krieg in der Ukraine und zum Imperialismus innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung ein?

Die internationale kommunistische Bewegung ist in der Frage des Krieges tief gespalten. Die einen behaupten, Russland führe einen räuberischen imperialistischen Krieg gegen die Ukraine. Andere wiederum behaupten, es handle sich um einen zwischenimperialistischen Krieg zwischen den russischen und den westlichen imperialistischen Mächten unter Führung der USA.

Meine Partei hingegen ist der festen Überzeugung, dass Russland, obwohl es ein kapitalistisches Land ist, keine imperialistische Macht darstellt. Russland verteidigt sich gegen die vereinten Kräfte des imperialistischen NATO-Blocks, der versucht, Russland zu unterwerfen und zu zerstückeln. Obwohl der Krieg der NATO ein imperialistischer ist, handelt es sich bei Russlands Krieg um eine Maßnahme der Selbstverteidigung, der Verteidigung seiner Souveränität. Seit dem Zusammenbruch der einst glorreichen UdSSR – ein Sieg des Chruschtschowschen Revisionismus nach dem Tod Stalins – wurde Russland dieser Krieg aufgezwungen durch den unerbittlichen Vormarsch der NATO bis an Russlands Landesgrenzen.

Wieso ist es aus eurer Sicht notwendig gewesen, die anti-imperialistische Plattform zu gründen? Was ist ihr Ziel?

Die anti-imperialistische Plattform, in der unsere Partei eine wichtige Rolle spielt, wurde gegründet, um die treibenden Kräfte hinter diesem Krieg zu entlarven und die Verlogenheit derjenigen Kommunisten aufzudecken, die Russland anprangern oder es für den Krieg in Europa gleichermaßen verantwortlich machen.

In den wenigen Monaten, die seit ihrer Gründung vergangen sind, hat die Plattform beträchtliche Unterstützung erfahren und dazu beigetragen, kommunistische und sozialistische Organisationen in Europa und Lateinamerika zu mobilisieren. Wir appellieren an alle wahren Kommunisten, die Pariser Erklärung [1] dieser Plattform zu unterzeichnen und dem ehrlichen Kampf gegen Imperialismus und Krieg mehr Kraft zu verleihen.

Welche Rolle und welche Schwierigkeiten kommen der Arbeiterbewegung in den imperialistischen Kernländern zu?

Die Hauptschwierigkeit besteht darin, dass es die Arbeiterbewegung in den imperialistischen Ländern zugelassen hat, unter die Fittiche der imperialistischen Bourgeoisie zu geraten. Als solche kann sie keine revolutionäre Rolle spielen, sondern lediglich als Anhängsel der herrschenden Klasse fungieren.

Der einzige Ausweg für sie besteht darin, ihre Unabhängigkeit auf der Grundlage der revolutionären Wissenschaft und der Theorie des Marxismus-Leninismus zu behaupten, in jedem Land wirklich revolutionäre kommunistische Parteien aufzubauen, den Opportunismus zu bekämpfen und sich der Aufgabe zu widmen, die Herrschaft des Imperialismus zu stürzen und für die eigene soziale Befreiung zu kämpfen.

Die Arbeiterklasse steht vor der Wahl: Entweder unterwirft sie sich dem Diktat des Kapitals, fristet ein erbärmliches Dasein und sinkt immer tiefer ab oder sie ergreift die Fahne des Marxismus-Leninismus und stürzt den Imperialismus.


What is your position on the war in Ukraine?

It is not a war between Ukraine and Russia.  It is a war waged by Nato against Russia; Ukraine is being used as a proxy.

This war has a two-fold purpose: first, to weaken and disintegrate Russia and divide it into more easily digestible part so that it may be looted by imperialism – especially US imperialism; and second, to prevent all possible economic cooperation between Russia and Germany, thus weakening Germany and eliminating it as a competitor to US imperialism.  Nothing frightens US imperialism more than the possibility of any accommodation, let alone alliance, between Russia and Germany.

What is the state of the workers movement in the UK? What are thier reactions to the war?

The workers’ movement is in a pitiable state at the moment thanks to the near-total control of the workers’ organisation by social democracy, that is, the imperialist Labour Party, combined with the non-stop anti-communist propaganda put out by the bourgeois media, both in print and electronically.

Social democracy has been facilitated in consolidating its grip over the working-class movement by the bourgeoisie channelling through social-democratic outfits sufficient funds – a tiny proportion of its imperialist superprofits – to buy the loyalty to imperialism of working-class leaders with the lure of a comfortable lifestyle and to make just enough concessions to working-class demands to assuage any threatening militancy.  Because of the deepening crisis of overproduction the bourgeoisie today is less able to manipulate the working class than it has been over the last several decades, but the social democratic mindset that manifests itself as opportunism will only fade gradually, and requires to be fought strenuously so as to speed up the process of its elimination from the working-class movement.

As to the labour movement’s reaction to the war in Europe, the anti-Russia hysteria being daily spewed out by the propaganda arms of British imperialism has turned large sections of the working class to think of Ukraine as the victim of Russian aggression.

Nevertheless, there is change in the air.  The economic sanctions imposed by the US and EU imperialism, though hurting Russia, are hurting the imperialist countries even more.  As a result, the masses are engaged in a very serious cost of living crisis, while the bourgeoisie rakes in fabulous profits from the war.  All this is helping to develop resentment against, and resistance to, the austerity to which the working class is being subjected.  The present wave of strikes, including railway and postal workers, nurses and ambulance workers, teachers and civil servants and many others are eloquent testimony to this development.

The war has served to exacerbate the imperialist crisis of overproduction, with all its ramifications.

What do you think about the participation of Great Britain in the war?

The British bourgeoisie is joined to US imperialism as the latter’s junior partner.  Ever since Britain lost its dominant position following the Second World War, the British bourgeoisie has reconciled itself to playing this junior role as the only means of profiting from the imperialist predatory wars – from the Korean and Vietnam wars to the wars in Iraq, Afghanistan, Libya, Syria – launched by the US.  The interests of British finance capital and its oil and armaments industries are clearly intertwined with those of Wall Street and the US oil and armaments industries.

Can you tell us something about the strategic positions of the UK after leaving the EU? How do you evaluate the UKs strategy?

Brexit, as was to be expected, has been a disaster for British, EU and US imperialism. It has the effect of adversely affecting all of them.  That is precisely the reason that our Party – the CPGB-ML – supported Brexit, which delivered a powerful blow to the British ruling class and is bound, in the long run, to be beneficial to the working class, weakening as it does the British bourgeoisie.

The ruling circles in Britain have no strategy other than that of hitching themselves to the war chariot of US imperialism and tying themselves to the apron strings of US finance capital.

The whole idea of Britain playing the role of an independent imperialist power has been shown to be delusional.

How do you assess the discussions within the international communist movement on the war in Ukraine and on imperialism?

The international communist movement is deeply divided on the question of war.  There are those who assert that Russia is waging a predatory imperialist war against Ukraine; still others claim that it is an inter-imperialist war between Russian and Western imperialist powers led by the US.

My party, on the other hand, is firmly of the view that Russia, though a capitalist country, is not an imperialist power; that it is defending itself against the combined forces of the Nato imperialist bloc, which is attempting to subdue and dismember it.  While being imperialist on Nato’s part, Russia’s war is one of self defence, defence of its sovereignty, a war forced on Russia through Nato’s relentless march towards the borders of Russia ever since the collapse of the erstwhile and glorious USSR, thanks to the triumph of Khrushchevite revisionism following the death of Stalin.

Why was it necessary to found the Anti-Imperialist Platform? What are its objectives?

The Anti-Imperialist Platform, in which our party plays an important role, was formed precisely to expose the driving forces behind this war, as well as to lay bare the renegacy of those communists who are either denouncing Russia or holding it equally responsible for the war in Europe.

In the short few months since its launch, the Platform has gathered considerable support and is helping to galvanise communist and socialist organisations in Europe and Latin America. We appeal to all genuine communists to sign the Paris Declaration of this Platform [1] and bring greater strength to the noble cause of fighting against imperialism and war.

What are the difficulties but also the role of the workers‘ movement in the imperialist core countries?

The main difficulty is that the workers’ movement in the imperialist countries has allowed itself to come under the wings of the imperialist bourgeoisie and, as such, has failed to play a  revolutionary role, merely acting as an adjunct of the ruling class.

The only way out for it is to assert its independence under the revolutionary science and theory of Marxism-Leninism and to create truly revolutionary communist parties in each country, fight against opportunism and devote itself to the task of overthrowing the rule of imperialism and work for its own social liberation.

The working class is faced with the choice: either submit to the dictates of capital, eke out a miserable existence and sink lower and lower; or pick up the banner of Marxism-Leninism and overthrow imperialism.


[1] https://wap21.org/?p=566